Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/25/1982

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Die Sitzung ist eröffnet. Gestatten Sie, daß ich vor Eintritt in die Tagesordnung des 25. Jahrestages des Abschlusses der Römischen Verträge gedenke. Meine Damen und Herren, heute vor 25 Jahren wurden in Rom die Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und die Europäische Atomgemeinschaft unterzeichnet. Der Tag gibt Anlaß, uns einiger Tatsachen in der europäischen Entwicklung zu erinnern. Nach den vergeblichen Bemühungen, eine Einigung Europas direkt anzusteuern, wollten die Römischen Verträge das erfolgreiche Experiment der Montanunion von 1951 in einem größeren Maßstab eines gemeinsamen europäischen Marktes anstreben, ohne den einzelnen Mitgliedstaaten von vornherein allzuviel nationalen Souveränitätsverlust abzuverlangen. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft verlief in den ersten Jahren über alle Erwartungen sehr erfolgreich. Wohlstand und soziale Sicherheit mehrten sich. So glaubte man auf zwei Gipfeltreffen, 1970 in Den Haag und 1972 in Paris, über die Wirtschafts- und Währungsunion hinaus bis 1980 eine europäische Union erreichen zu können. Diesem Ziel sind wir jedoch, wie wir alle wissen, bisher noch nicht in ausreichendem Maße nähergekommen, zumal sich die Wirtschaftslage in den letzten Jahren in allen Staaten ungünstig änderte. 25 Jahre sind seit dem Entschluß vergangen, sich der europäischen Einigung mit einem pragmatischen Schritt zu nähern. Weitere umfassende Schritte zur Integration Europas sind erforderlich. Die EG hat den Beweis erbracht, welch hohes Maß an Sicherheit und Vorteil jedes einzelne Mitglied aus dieser Gemeinschaft tatsächlich bezieht. Der 25. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge bietet gewiß Anlaß, mit Genugtuung auf manche Leistungen zurückzublicken. Der Tag muß aber auch mit einer Mahnung an eine neue Generation verbunden werden, im demokratischen Geiste zunächst ein institutionelles Gleichgewicht der Gemeinschaftsorgane zu verwirklichen und Europa stetig als Gemeinschaft stärker zu festigen. Das direkt gewählte Europäische Parlament ist dabei unser Verbündeter. Wir wollen hier im Deutschen Bundestag mit diesem Parlament eng zusammenarbeiten, zum Wohle der Menschen eines vereinigten Europa. ({0}) Bevor ich in die Tagesordnung eintrete, darf ich noch dem Abgeordneten Bahr zu seinem 60. Geburtstag die herzlichsten Glückwünsche des Hauses übermitteln. ({1}) Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Beratung des Agrarberichts 1982 der Bundesregierung - Drucksachen 9/1340, 9/1341 Im Ältestenrat ist vereinbart worden, daß die Aussprache fünf Stunden dauern soll. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe und höre keinen Widerspruch. Es ist also so beschlossen. Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Das ist der Fall. Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie der Agrarbericht 1982 ausweist, ist im Wirtschaftsjahr 1980/81 in den landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieben der Gewinn je landwirtschaftliche Arbeitskraft gegenüber dem Vorjahr um 12,6 % zurückgegangen und auf 21 245 DM zurückgefallen. Er liegt damit um gut 3 000 DM unter dem Ergebnis des Vorjahres. Wer sich mit der Materie näher befaßt, weiß, daß sich hinter diesen Durchschnittszahlen wie immer sehr unterschiedliche Entwicklungen verbergen. Zwischen den einzelnen Betriebsformen und -größen sowie Regionen variieren die Betriebsergebnisse außerordentlich. Ich möchte darauf im einzelnen hier nicht eingehen, sondern gleich zu den wichtigsten Ursachen kommen, die die Betriebsergebnisse so stark nach unten drücken: zu den Kosten. Der rasante Anstieg der Energiekosten in den Jahren 1979 und 1980 um rund 130 % hat eine gewaltige Preissteigerung bei den landwirtschaftlichen Betriebsmitteln bis in das Wirtschaftsjahr 1980/81 hinein nach sich gezogen. Vor allem bei Treibstoff sowie bei Dünge- und Pflanzenschutzmitteln hatten wir über Monate hinweg zweistellige Teuerungsraten zu verzeichnen. Selbst Futtermittel waren zeitweise durch Dollarkursänderungen stark verteuert. Auch die für unsere Verhältnisse ungewöhnlich hohen Zinsen haben die Betriebsergebnisse nachteilig beeinflußt. Besonders hart wurden von dieser ungünstigen Entwicklung auf dem Kapitalmarkt solche Betriebe getroffen, die in den zurückliegenden Jahren große Investitionen getätigt hatten. Deshalb braucht auch die Landwirtschaft dringend wieder ein Zinsniveau, das rentable Investitionen zuläßt; denn die Investitionen in der Landwirtschaft sind 1980/81 gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgegangen. Insbesondere die Nachfrage nach Ackerschleppern hat einen Einbruch erlebt. Ebenso wurden die Viehbestände verringert, und das Bauvolumen ist um über 9 % gesunken. Der Einkommenseinbruch im Berichtsjahr 1980/ 81 ist vor allem deshalb so gravierend ausgefallen, weil der ausgeprägten Betriebsmittelverteuerung nur ein geringer Anstieg der Erzeugerpreise gegenüberstand und auf der Ertragsseite auch die erzeugten und verkauften Mengen nicht entsprechend angestiegen sind. Hier spielen in einigen Regionen auch witterungsbedingte Einflüsse eine große Rolle. In Schleswig-Holstein führten bereits im zweiten aufeinanderfolgenden Wirtschaftsjahr anhaltende Niederschläge während der Sommermonate zu erheblichen Ernteausfällen, und in Südwestdeutschland waren es insbesondere die Spätfröste, die den Weinbaubetrieben nur geringe oder zuweilen auch gar keine Ernten ermöglichten und deshalb starke Gewinneinbrüche nach sich zogen. Des weiteren ist festzustellen, daß die nur schwachen Mengensteigerungen bei Getreide und Rindfleisch von zurückgehenden Verkaufsmengen und Verkaufspreisen bei Schweinen begleitet waren. Überlagert wurde diese ungünstige Entwicklung noch dadurch, daß sich die Überschußlage auf wichtigen Märkten weiter verschärfte und die in Brüssel beschlossenen Preisanhebungen bei den Betrieben nur allmählich ankamen. Schließlich haben auch gestiegene Verarbeitungskosten, höhere Handelsspannen, die stärker marktbetonte Ausgestaltung der Marktordnungen, die Mitverantwortungsabgabe bei Milch und die Erzeugerabgabe bei Zuckerrüben den dem Bauer verbleibenen Gewinn geschmälert. Wenn wir jedoch das laufende Wirtschaftsjahr betrachten, so können wir in einigen Betrieben spürbare Verbesserungen registrieren. Wir haben gegenüber dem Vorjahr deutlich bessere Preise im Veredelungssektor, vor allem beim Schlachtvieh. Die Bullenpreise haben erstmals seit 1976 wieder das Interventionspreisniveau überschritten, und der Milchauszahlungspreis ist in den letzten Monaten - trotz Mitverantwortungsabgabe - stärker gestiegen als in den Vorjahren. Auch die Kostendynamik ist abgeschwächt, vielleicht sogar schon gebrochen. Zum Rückgang der Energiepreise haben wir einiges beigetragen. Die Zinssenkungen der letzten Zeit sind ein weiteres Signal. Viele Betriebe haben diese günstigen Vorzeichen bereits registriert. Die Vorschätzung der Einkommensentwicklung für das laufende Wirtschaftsjahr läßt einen Einkommensanstieg von durchschnittlich rund 9 % erwarten. Damit ist sicherlich noch kein Anschluß an die Entwicklung früherer Jahre gefunden, denn ein so gravierender Einkommenseinbruch kann eben nicht in einem Jahr voll ausgeglichen werden. Aber wir können zumindest feststellen, daß wir hinsichtlich der Einkommensentwicklung die Talsohle durchschritten haben. Ich warne jedoch davor, die zu erwartende Einkommensverbesserung für die Landwirtschaft als nicht zeitgemäßes Signal in einer Zeit zu werten, in der allgemein die Erwartungen zurückgeschraubt werden müssen. Lassen Sie mich noch etwas zu der strukturellen Entwicklung der Landwirtschaft sagen. Auf Grund der schlechten Arbeitsmarktlage, aber auch auf Grund der relativ hohen Sicherheit des landwirtschaftlichen Arbeitsplatzes hat sich der Strukturwandel in der Landwirtschaft 1981 deutlich verlangsamt. Der Rückgang der Zahl der Familienarbeitskräfte betrug 1981 - in Arbeitskrafteinheiten gemessen - 1,3%, während er im Durchschnitt der letzten zehn Jahre bei 4,3% lag. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe ist gegenüber dem Vorjahr mit minus 2,1 % deutlich geringer zurückgegangen. Dennoch zeigen die Strukturdaten, daß sich die wünschenswerte und von uns geförderte Konsolidierung der Landwirtschaft in Richtung auf Vollerwerbsbetriebe einerseits und Nebenerwerbsbetriebe andererseits fortgesetzt hat. Beide Richtungen haben sich zu den tragenden Säulen unserer Landwirtschaft und unserer ländlichen Siedlungsstruktur entwickelt. Fast 50 % der rund 780 000 landwirtschaftlichen Betriebe werden als Vollerwerbsbetriebe bewirtschaftet. Genau 40 % werden als Nebenerwerbsbetriebe geführt. Die Zahl der Zuerwerbsbetriebe geht dagegen kontinuierlich zurück. Erkenntnis für die Zukunft bleibt, daß die außerlandwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten in den ländlichen Räumen weiterhin auszubauen sind, um über weitere strukturelle Anpassungen die Einkommenslage der Vollerwerbsbetriebe und der Nebenerwerbsbetriebe nachhaltig zu verbessern. Bei den Bemühungen der Bundesregierung um eine Konsolidierung der Staatsfinanzen konnte die Landwirtschaft nicht ausgeklammert werden. Die Behauptung, daß die Landwirtschaft angesichts ihrer schlechten Einkommenslage von den notwendigen Einsparungen stärker betroffen sei als andere Bereiche, ist nicht haltbar. Lassen Sie mich unter diesen Aspekten einige Anmerkungen zur Haushaltssituation und zur Förderpolitik im Agrarbereich machen. Alle Parteien haben die Notwendigkeit betont, die konsumtiven Ausgaben zurückzufahren, um die Neuverschuldung zu reduzieren. Nur so können wir dem Zinsanstieg entgegenwirken und damit die Voraussetzungen für mehr private Investitionen schafBundesminister Ertl fen. Angesichts der Tatsache, daß die Agrarsozialpolitik am Haushaltsvolumen meines Ressorts einen Anteil von über 61 % hat, konnte dieser Bereich bei dem Bemühen, die konsumtiven Ausgaben zurückzuführen, nicht ausgeklammert werden. Der Sanierungsvorschlag der Opposition, die Staatsfinanzen durch eine generelle Kürzung der Ausgaben bei allen Leistungsgesetzen und Subventionen um 5 % zu entlasten, hätte zu wesentlich härteren Eingriffen in den sozialen Besitzstand der Landwirtschaft geführt. ({0}) Für mich hat die Landwirtschaft jedenfalls ihren gerechten Beitrag zur Stabilität geleistet. Dieser Stabilitätsbeitrag macht sich aber auch bezahlt; denn die deutschen Landwirte, die deutsche Landwirtschaft sehen sich im Vergleich zu ihren europäischen Nachbarn der geringsten Geldentwertung und einer unter den gegebenen Umständen günstigeren Kostenentwicklung gegenüber. Die haushaltswirksamen Beschlüsse haben zu dem Vorwurf geführt, die Bundesregierung betreibe eine Demontage der Agrarsozialpolitik. Ich habe bereits in der Haushaltsdebatte darauf hingewiesen, wie unhaltbar eine solche Argumentation angesichts der Tatsache ist, daß wir die Agrarsozialpolitik zu einem runden Sicherungssystem für die Landwirtschaft ausgebaut und dabei die Bundesausgaben von 1969 mit 875 Millionen DM bis heute auf bereits 3 744 Millionen DM gesteigert haben. Damit trägt der Bund immer noch rund 54 % der Ausgaben der landwirtschaftlichen Sozialversicherung; 1980 waren es 2 % mehr. Wir alle wissen, daß wir ohne eine nachhaltige Stärkung unserer Wirtschaftskraft das soziale Netz mit seiner Kostendynamik nicht so straff gespannt halten können wie bislang. Das gilt nicht nur für den agrarsozialen Bereich, das gilt, glaube ich, insgesamt als Erkenntnis der wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten Jahren. Sorge bereitet die Tatsache, daß die Beitragsbelastungen in den kleineren Betrieben immer größere Anteile am erwirtschafteten Gewinn beanspruchen. Die Gruppe der kleineren Vollerwerbsbetriebe muß heute im Durchschnitt bereits über 26 % der ohnehin nur sehr kleinen Gewinne für die Sozialbeiträge aufwenden; vereinzelt sogar noch mehr. Wesentliches Merkmal jeder Selbstverwaltung, die die Bundesregierung stets unterstützt, sind ein hohes Maß an Eigenverantwortung und die Verpflichtung zur Gerechtigkeit untereinander. ({1}) Deshalb wäre es eigentlich ein Gebot der innerlandwirtschaftlichen Solidarität, ({2}) daß die Selbstverwaltungskörperschaften der landwirtschaftlichen Sozialversicherungen für eine Staffelung der Beiträge bzw. der öffentlichen Zuschüsse zu diesen Beiträgen eintreten. ({3}) Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kommen wir nicht daran vorbei - das gilt wiederum, meine ich, für uns alle, für alle Bereiche -, öffentliche Mittel noch gezielter, d. h. noch stärker unter dem Gesichtspunkt von Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit zu verteilen. ({4}) Auch die Agrarstrukturpolitik, die in Form der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" mit fast 20 % des Etats den nächstgrößten Posten im Haushalt einnimmt, konnte von den Kürzungen nicht ausgeklammert werden. Die Zurückführung des Plafonds der Gemeinschaftsaufgabe in den letzten beiden Jahren ist nur unter dem übergeordneten Ziel der Beschlußfassungen für mehr Stabilität vertretbar. Sie kann auch nur für einen beschränkten Zeitraum gelten. An Vorwürfen gegenüber dem Bund hat es wegen der Kürzungen nicht gefehlt. Dennoch gebietet die Fairneß die Feststellung, daß die durch die Kürzungen des Bundesplafonds nicht beanspruchten, aber vorgesehenen Ländermittel in den meisten Bundesländern nicht für strukturpolitische Aufgaben verblieben sind, sondern von den Länderfinanzministern für andere Zwecke wieder vereinnahmt wurden. ({5}) - Das kann ich Ihnen an Hand der Zahlen nachweisen. ({6}) Wichtig wäre vor allem, daß auch die Ministerpräsidenten von dieser Gemeinschaftsaufgabe überzeugt werden und sich bei den Bund-Länder-Verhandlungen nicht nur für den Hochschulbau, sondern auch für die Verbesserung der Agrarstruktur und den Küstenschutz ähnlich engagiert einsetzen. ({7}) - Es gibt gemeinsame Interessen. Das Parlament will da ja sehr mithelfen. Darum sage ich das. Ich gebe Fingerzeige. Das ist die Aufgabe dieser Debatte. Auch bei ihrer Haushaltsaufstellung haben die Bundesländer im Prinzip nicht anders gehandelt als der Bund. So ist bei einigen Bundesländern - auch bei unionsregierten - der Agraretat effektiv gesunken. Bei anderen Ländern ist er nur minimal angehoben worden. Bund und Länder sind, wie man sieht, gleichermaßen gezwungen, ihre Haushalte den wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen. Um so mehr sollten sich alle bemühen, die äußerst knappen Finanzmittel dafür einzusetzen, daß die notwendigen strukturellen Anpassungen der Landwirtschaft sozial erträglich gestaltet werden können. ({8}) Auch in der Flurbereinigung - um nur diesen Sektor herauszugreifen - können gegenwärtig nur die dringlichsten Verfahren zum Zuge kommen. Dazu gehören sicherlich mehr denn je jene, die vornehmlich durch die Planungen anderer Träger öffentlicher Belange ausgelöst werden und nicht nur im Interesse der Land- und Forstwirtschaft, sondern auch im Interesse des Umwelt- und des Naturschutzes, der Planung, der Bodenordnung und der Flächenbereitstellung keinen Aufschub dulden. Die meisten aller Flurbereinigungsverfahren sind bereits solche Verbundverfahren. 41 % dieser Fälle dienten beispielsweise 1980 bereits der Durchführung von Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Dabei werden nicht nur Hecken, Feldgehölze, Teiche und andere Landschaftselemente geschaffen, sondern ebenso Feuchtgebiete, Trockenstandorte, Vogelschutz- und Amphibiengebiete; es werden Lebensräume unterschiedlichster Art für Pflanzen und Tiere erhalten, neu geschaffen und schließlich auch technisch und rechtlich abgesichert. Das zeigt einerseits, daß die Novellierung des Flurbereinigungsgesetzes gewirkt hat, macht aber andererseits auch deutlich, daß die Betonung ökologischer und landschaftspflegerischer Belange bei den Mitarbeitern der Flurbereinigungsverwaltungen auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Dafür gebührt ihnen Dank und Anerkennung, daß sie mit Erfindergeist und persönlichem Einsatz nicht einfach Behördenaufträge ausführen, sondern sich der Neugestaltung der ländlichen Räume gleichermaßen verpflichtet fühlen wie Naturschutz und Landschaftspflege. Lassen Sie mich zu einem anderen wichtigen Ressortbereich kommen, der Ernährungs- und Verbraucherpolitik. Hier erscheint mir zunächst einmal die Feststellung wichtig, daß es auch im Berichtsjahr zu keiner Zeit zu Problemen bei der Versorgung mit Nahrungsmitteln gekommen ist. ({9}) - So weit wird es auch nicht kommen, verehrter Freund, zumindest dann nicht, wenn vernünftige Leute die Regierungsverantwortung tragen. ({10}) - Das überlasse ich jedem selbst; das ist wie bei den großen Parteivorsitzenden. ({11}) - Ich schließe keinen aus. Ich meine, es ist, wie gesagt, wie bei den großen Parteivorsitzenden. Da kann jeder für sich immer das nehmen, wie er es für sich für gut hält. ({12}) - Sicher, z. B. Landesvorsitzende; ({13}) zu denen gehöre ich. ({14}) Die kleinen zeichnen sich mehr, wie es so schön heißt, durch Bürgernähe aus, die großen schweben. ({15}) - Ja, es ist gut, daß wir noch etwas zu lachen haben. Im übrigen finde ich, daß es in diesem Lande durchaus noch etwas zu lachen gibt. In anderen Ländern gibt es nichts zu lachen; das ist der große Unterschied. ({16}) Wir müssen nun zum Konsum kommen, meine verehrten Freunde. Ich habe schon gesagt, daß wir keine Versorgungsprobleme hatten. Eine solche Feststellung, der man in früheren Jahren oft keine Bedeutung beigemessen hat, gewinnt aber an Gewicht angesichts der Tatsache, daß nur wenige 100 Kilometer von uns entfernt, in Polen, große Versorgungsprobleme herrschen. Das trifft aber nicht nur auf Polen zu, sondern das gilt für weite Teile der Welt - ich komme darauf später noch zurück -, in denen es ernste Versorgungsprobleme gibt. Unsere oft geschmähte Agrarpolitik hat vielmehr sichergestellt, daß sich unsere Verbraucher jederzeit ausreichend, preiswert und äußerst vielfältig versorgen konnten. Der Preisindex für Nahrungsmittel ist wiederum weniger stark gestiegen als der Preisindex für die Lebenshaltung insgesamt und hat damit deutlich preisdämpfend gewirkt. Dieser konjunkturgerechte und stabilitätsfördernde Effekt darf nicht verschwiegen werden. Die Verbraucher sollten erkennen und wissen, daß auch sie mit dieser Agrarpolitik gut, zumindest nicht schlecht gefahren sind. Meine Damen und Herren, die Angst vor Schadstoffen in der Nahrung ist zunehmend zum Diskussionsthema geworden. Mit Schlagzeilen wie „Drogen im Futter" oder „Gift im Fleisch" wird dabei eine übertriebene und unberechtigte Angst vor chemischen Hilfsstoffen verbreitet und gleichzeitig ein ganzer Berufsstand wegen des Fehlverhaltens einiger weniger diffamiert. ({17}) Die Bundesregierung sieht in solchen Manipulationen keine Kavaliersdelikte, sondern kriminelle Handlungen, die unnachsichtig verfolgt werden müssen. ({18}) Der Bundesgesundheitsminister wird meine volle Unterstützung finden, damit der „graue" Tierarzneimittelmarkt verschwindet. ({19}) Das EG-einheitliche Verbot der Verwendung künstlicher Hormone in der Mast ist ein Beispiel raschen staatlichen Handelns. Dabei will ich hier aber nicht sagen, wo noch weiterhin künstliche Hormone verwendet werden. ({20}) - Nein, da kann sich jeder selber erkundigen. - Der Verbraucher muß die Gewähr haben, daß die von ihm gekauften Nahrungsgüter einwandfrei sind. Andererseits darf das Problem möglicher Rückstände in Nahrungsgütern nicht verharmlost werden. Allerdings ist dabei weniger emotionale Voreingenommenheit, sondern mehr Sachlichkeit in der Diskussion vonnöten. Dies hat mich auch zu der vorhergehenden Bemerkung gezwungen, daß sich da jeder selber erkundigen kann. Ich bitte, sich in dieser Frage, wenn, dann sachlich zu äußern und nicht mit Emotionen, die für Sachargumentation fast keinen Platz mehr lassen. Sicherlich darf der technische Fortschritt nicht mehr allein seiner rein ökonomischen Eigengesetzlichkeit folgen. Natürlich, die Nutzung des Fortschritts bedarf auch der moralischen Qualität, nicht nur in diesem Bereich - das gilt insgesamt. Lassen Sie mich aus meiner Erfahrung hinzufügen: Moral wird man nicht mit Verboten und Gesetzen schaffen können; sie muß durch Verantwortung geschaffen werden. ({21}) Aber ohne technischen Fortschritt geht es nicht. Nach einer Studie der Welternährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, und zwar anläßlich der Diskussion über „Global 2000", kann ohne einen beachtlich gesteigerten Düngemitteleinsatz die Welternährung bis zum Jahre 2 000 nicht gesichert werden - um nur ein Beispiel anzuführen. ({22}) - Ja, das ist außerordentlich wichtig. - Dasselbe gilt auch für Pflanzenschutzmittel. Wir haben zu entscheiden, ob Menschen verhungern oder ob Menschen etwas zu essen haben. Das ist eine schwerwiegende Güterabwägung. Aber im Zweifelsfalle hat bei mir der Mensch die Priorität. ({23}) Um das nur - weil die Frage offensichtlich doch sehr interessiert, und dafür bin ich sehr dankbar; wir sollten diese Debatte benutzen, um auch über solche Fragen ernsthaft zu reden - etwas auszuführen: Vor hundert Jahren hatten wir es in dieser Welt mit der Ernährung von 1 Milliarde Menschen zu tun. Heute haben wir es mit 4,5 Milliarden zu tun und nach allen Hochrechnungen im Jahre 2000 ungefähr mit 6 Milliarden - damit man sich nur einmal über diese Dimensionen klar wird - und das angesichts vor allem energiebedingter zunehmender Verteuerung des Inputs. Ich muß Ihnen sagen: Mich trifft es zutiefst, wie leichtfertig man über solche Tatbestände hinweggeht und in die Zukunft hineintaumelt, so nach dem Motto „Es wird schon von selbst laufen". Da werden sich manche noch wundern, wo die wirklichen Konfliktherde dieser Welt liegen. ({24}) Dies war nur ein Abschweifer meinerseits auf Grund Ihrer dankenswerten Aufmerksamkeit. ({25}) Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang etwas zu ökologischen Beurteilung unserer weitgehend auf traditionellen Anbaumethoden basierenden Landbewirtschaftung sagen. Ich halte sie für nicht schädlich, ({26}) soweit sie sich im normalen und geordneten Rahmen vollzieht. Dann ist sie nämlich zugleich auf die Erhaltung der natürlichen Bodenfruchtbarkeit und auf die generationenweite Nutzung und damit auf ein hohes Maß an Verantwortungsbewußtsein angelegt. Unsere strukturellen Verhältnisse sind nun einmal nicht für ein Höchstmaß an Betriebsmittelaufwand und industrialisierte Produktionsmethoden geeignet. Nicht zuletzt ist auch dies ein Vorteil bäuerlicher Strukturen, mit denen wir es vorwiegend - und wenn ich „vorwiegend" sage, darf ich erläutern: mit über 95 % - zu tun haben. Auch das Bundeswaldgesetz und das darauf aufbauende Forstprogramm haben die langfristige Sicherung der Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes zum Ziel. So werden beispielsweise bei der Förderung Laubholz- und Mischkulturen stärker betont, um zu einem standortgerechteren und naturnäheren Bestandsaufbau zu gelangen. Die Bemühungen haben insgesamt dazu geführt, daß wir unseren rund 30 %igen Waldanteil halten konnten. Auch das darf man hier noch einmal sagen: Die Industriegesellschaft Bundesrepublik Deutschland, unser Industrieland Deutschland, hat einen der höchsten Waldanteile nicht nur im europäischen, sondern im weltweiten Maßstab. Ich betrachte es als eine ganz beachtliche Leistung, daß es uns gelungen ist, in dieser Form bis heute den Wald zu erhalten. Ich komme auf die Gefahren zurück: Andererseits muß unser besonderes Bemühen auch der weiteren Verminderung des Eintrags von Schadstoffen in die Nahrungskette und in die verschiedenen Öko-Systeme gelten. Ich erinnere nur an die Belastung von Böden durch Klärschlamm, an den „sauren Regen" und an das Baumsterben in unseren Wäldern. Gerade die immer großflächigere Verteilung der Schadstoffe durch hohe Schornsteine hat eine Zunahme der Immissionsbelastung zur Folge gehabt. Die Verminderung der SO2-Immissionen muß uns allen ein ernstes Anliegen sein. Die Änderung der TA-Luft mit dem Ziel stärkerer Emissionsbegrenzungen bietet hierzu Gelegenheit. Bei all dem dürfen wir aber nicht vergessen, daß die Industriegesellschaft, die wir aufgebaut haben, die Wirtschafts- und Gesellschaftsform, die wir uns gegeben haben, ihren Preis verlangen, und zwar wiederum im Interesse der Menschen, zur Sicherung der Arbeitsplätze, der Zivilisation und, wenn man es so sagen will und was ich wünsche, auch der Rohstoffe. Wenn wir das alles erhalten wollen und uns Umwelt- und Naturschutz gleichwertige Anliegen sind, dann müssen wir uns mit unserer Technik in die Natur einfügen. Nur in diesem Miteinander kann die Natur in ihren vielfältigen Formen der Lebens- und Erlebnisraum des Menschen bleiben. Ich glaube, das ist die entscheidende Aufgabe, daß diese unsere Welt unser Lebens- und Erlebnisraum bleibt. Auch die Landwirtschaft muß die Ressourcen schonen und pfleglich behandeln, die ihr treuhänderisch anvertraut sind. Ein weiterer Bereich, der Landwirtschaft und Gesetzgeber in zunehmendem Maße fordert, ist der Tierschutz und hier in erster Linie die Massentierhaltung, die ich beispielhaft ansprechen möchte. Die Bundesregierung hat erreicht, daß die EG-Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Verbesserung der Haltung von Legehennen in Käfigen vorgelegt hat. Ich hoffe hierbei auf die Unterstützung des Europäischen Parlaments und appelliere an die Tierschützer in unserem Lande, über ihre Freunde in den anderen Mitgliedstaaten die nötige Überzeugungsarbeit ihren Regierungen und ihrer Bevölkerung gegenüber zu leisten. Gerade dieses so sehr emotionale Thema wird in den einzelnen Ländern von den Menschen ganz unterschiedlich betrachtet. Einen verbesserten Tierschutz werden wir in der Gemeinschaft nur dann verwirklichen können, wenn die entsprechenden Bestimmungen und Vorschriften in allen Ländern gleichermaßen angewandt werden. ({27}) Dies ist das Minimum, auch im Interesse der Verbraucher. Ich möchte vor diesem Hohen Hause einmal sagen, am liebsten ist mir die Abstimmung durch den Konsumenten. Daher gilt immer noch mein Angebot - leider hat nur eine einzige Dame davon Gebrauch gemacht -, daß unser Gewerberecht für Markenzeichen zum Beispiel für Eier aus Bodenhaltungen genutzt wird. Aber das ist nach unserer Grundordnung nicht die Aufgabe des Staates. Da müssen eigene Vereinigungen des Tierschutzes tätig werden. Ich habe den Verantworlichen des Tierschutzes von meinem Hause seit sechs Jahren rechtliche Hilfe angeboten. Warum versucht man nicht den Weg der Abstimmung über den Verbraucher? Dies halte ich für die richtige Demokratie. Im Fischereisektor haben wir trotz erheblicher Schwierigkeiten bei der Ausgestaltung der gemeinsamen Fischereipolitik doch noch einen Fortschritt erreicht. Im externen Bereich konnte nach zähen Verhandlungen das mehrjährige Fischereiabkommen mit Kanada unter Dach und Fach gebracht werden, und im internen Bereich gelang es, die neue Fassung der gemeinsamen Marktorganisation zu verabschieden. Gelöst werden müssen allerdings noch die wichtigen Fragen der Quotenaufteilung und des Zugangs zu küstennahen Fanggebieten sowie die Probleme der gemeinsamen Strukturpolitik, jedenfalls der Fischereistrukturpolitik. Im Rahmen der gemeinsamen Fischereipolitik konnte die deutsche Kutterfischerei ihre Stellung behaupten. Sowohl die Anlandungen als auch die Erlöse haben sich positiv entwickelt. Auch der Fischhandel und die Fischindustrie haben sich in ihrer Rohwarenversorgung den veränderten Rahmenbedingungen angepaßt. Besondere Probleme bereiten aber nach wie vor die begrenzten Fangmöglichkeiten der großen Hochseefischerei vor Drittländern. Das Abkommen mit Kanada hat zwar eine gewisse Entlastung gebracht, doch der Ausgang des Referendums in Grönland stellt ein neues, nicht weniger großes Problem dar. Ich darf zur Aktualisierung sagen: In dieser Woche werden von meinen Mitarbeitern diesbezüglich Gespräche in Kopenhagen geführt. Dies alles zusammen erleichtert nicht den schwierigen Anpassungsprozeß der deutschen Fischereiflotte. Ich meine, wir sollten uns alle bemühen, auch diesen Prozeß kontinuierlich zu unterstützen. Im deutschen Gartenbau haben wir im Berichtszeitraum eine vergleichsweise günstige Entwicklung zu verzeichnen - im Vergleich zur Landwirtschaft. Einmal ist es gelungen, trotz anhaltender Verteuerung der Energie die Energieeinsparung deutlich voranzubringen und damit die Heizungskosten als größten Kostenfaktor positiv zu beeinflussen. Zum anderen konnten bei teilweise geringerer Ernte durchweg höhere Erzeugerpreise erzielt werden. Beides hat dazu geführt, daß der Gewinn je Familienarbeitskraft - im Gegensatz zur Landwirtschaft - leicht verbessert werden konnte. Als ein nach wie vor großes Handicap für unseren Gartenbau erwies sich die Wettbewerbsverzerrung im Zusammenhang mit dem Erdgassondertarif für niederländische Gartenbaubetriebe. Damit komme ich zur EG-Agrarpolitik. Sie, verehrter Herr Präsident, haben gerade Ihrerseits eine Würdigung zum 25jährigen Jubiläum der Unterzeichnung der Römischen Verträge gegeben. Ich meine mit Ihnen, verehrter Herr Präsident, daß wir auf jeden Fall eines feststellen können: daß damit eine Entwicklung in Europa eingeleitet wurde, die in seiner Geschichte einmalig ist. Lassen Sie mich unabhängig von meinem Ressort eine politische Bemerkung hinzufügen: wenn ich heute mit Sicherheit sagen kann, daß nie wieder Franzosen auf Deutsche, Deutsche auf Franzosen, Engländer auf Deutsche, Deutsche auf Engländer schießen werden, so halte ich dies für eines der größten Phänomene in diesem Jahrhundert und für den bedeutendsten politischen Fortschritt in diesem Jahrhundert. ({28}) Dies ist nur ein Aspekt. Ich möchte mich mehr mit den Aspekten der Agrarpolitik befassen. Die Gemeinschaft ist für die Europäer ohne Alternative. Sie ist die Grundlage für unsere politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche Fortentwicklung. Mit großer Sorge sind daher die wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten zu sehen, denen die Gemeinschaft gegenwärtig ausgesetzt ist. Tatsache ist, daß alle Mitgliedstaaten eine Begrenzung der Beiträge an die Gemeinschaft auf den Ein-ProzentBundesminister Ertl Mehrwertsteuer-Anteil beschlossen haben, bei uns Bundesrat und Bundestag mit der großen Mehrheit aller Parteien. Die damit verbundene Problematik muß man fairerweise auch vor dem Hintergrund der Erweiterung von ehemals sechs auf neun und heute zehn Mitgliedstaaten sehen, die wir im Interesse des großen Ziels der europäischen Einigung nachhaltig unterstützt haben, wohl wissend, daß dabei auch finanzielle Probleme entstehen werden. Ich füge hinzu, das gilt noch mehr bezüglich der finanziellen Probleme für den Beitritt Spaniens und Portugals und speziell für den Agrarsektor, denn dort haben die Beitrittsländer ihr Hauptanliegen bezüglich finanzieller Hilfen aus der Gemeinschaft. Man muß wissen, welche finanziellen Konsequenzen hier politische Entscheidungen haben. Ich sage das, weil man die Schuld gern immer den Agrarministern zuschiebt. Dies können die Agrarminister nicht lösen. Deshalb sollte niemand heute lauthals über die Kosten dieses Agrarmarkts klagen. Denn schließlich darf man auch nicht vergessen, daß diese Länder mit unterschiedlichen Interessen im Agrarsektor der Gemeinschaft beigetreten sind. Dazu gehören klassische Agrarexportländer, die auch heute noch bewußt für den Agrarexport produzieren und für die der Agrarexport eine wichtige Devisenquelle und Position in der Außenhandelsbilanz ist. Wir können doch nicht so vermessen sein, zu glauben, daß wir diese Länder ohne weiteres zu einer anderen Auffassung über Höhe und Richtung ihrer Agrarproduktion veranlassen können. Wir sollten ebensowenig übersehen, daß nicht unerhebliche Teile der Kosten der Agrarpolitik auch soziale Kosten sind. Ich denke z. B. an die Kosten für den Wein in den sogenannten mediterranen Regionen. Meines Erachtens wird die Gemeinschaft in eine gefährliche Situation kommen, wenn man sich ständig nur die Kosten der Agrarpolitik gegenseitig vorrechnet, ohne dabei die Vorteile der Zollunion im industriell-gewerblichen Bereich zu berücksichtigen. ({29}) Ich sage das nicht ohne Grund, weil die französische Ministerin, die am Montag bei mir zu Besuch war, mir genau so die Bilanz auf den Tisch gelegt hat. ({30}) -Ich kann Sie mit ihr bekannt machen, wenn Sie Bedürfnis haben. ({31}) Es steht dem nichts im Wege. Ich bin immer für Begegnungen. Viel entscheidender ist, daß wir hinsichtlich der Kostenentwicklung bereits achtbare Erfolge erzielt haben. So ist der Anteil der Marktordnungsausgaben am Gesamthaushalt der Gemeinschaft von bislang fast immer 70 und mehr Prozent auf jetzt rund 62 % zurückgegangen. Auch der Anstieg der Marktordnungsausgaben lag im vergangenen Jahr mit nur 2,6% deutlich unter dem Anstieg der Einnahmen mit rund 12,3%. Ob diese Entwicklung anhält, liegt in erster Linie am Weltmarkt. Hier sehe ich aber längerfristig durchaus positive Entwicklungen. Es kann allerdings nicht angehen, daß der Fluß der Substitute nur in die eine Richtung geht, aber dem Rückfluß der damit erzeugten Veredlungsprodukte ein Riegel vorgeschoben wird. Ein nicht unerheblicher Teil unserer Agrarmarktprobleme ist auf diesen Tatbestand zurückzuführen. Stellen Sie sich vor: Holland importiert 50 % der dort verfütterten Futtermittel. ({32}) Das heißt, Holland liegt, was die Futterflächen betrifft, zur Hälfte in den Vereinigten Staaten von Amerika. Die Bundesregierung wird daran festhalten, über vernünftige Kompromisse in der Agrarpolitik an einer Einigung in Europa tatkräftig mitzuwirken. So stehen wir dazu, daß der europäische Agrarmarkt nur gesichert werden kann, wenn die Funktionsfähigkeit der Märkte erhalten bleibt. Denn ohne funktionierende Märkte können die Landwirte keine gesicherten Einkommen erreichen. Dabei müssen die Möglichkeiten des Marktes voll ausgelotet werden, um letztlich auch der Verantwortung für einen angemessenen Lebensstandard der Landwirte möglichst gerecht werden zu können. Ferner stimmen wir dem Gedanken zu, daß die Agrarstrukturpolitik stärker als bisher auf die benachteiligten Regionen der Gemeinschaft konzentriert werden soll. Wir unterstützen besonders nachhaltig alle Bestrebungen, die nationalen Beihilfen einer stärkeren Disziplin zu unterwerfen. Hier ist vor allem die Kommission als Hüterin der Europäischen Verträge aufgerufen, über deren Einhaltung streng zu wachen. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten stellen nationale Sondermaßnahmen einen gefährlichen Sprengsatz für den gemeinsamen Agrarmarkt dar. Wir können solche Renationalisierungstendenzen nicht einschleichen lassen, weil sie das Ende einer gemeinsamen Agrarpolitik einleiten würden. Deshalb wird auch darauf gedrängt - wir haben darauf gedrängt -, daß die Kommission die niederländische Regierung wegen des wettbewerbsverzerrenden Erdgastarifs verklagen und daß ebenso ein Verfahren gegen die französische Regierung wegen der bereits gewährten und weiter beabsichtigten Beihilfen eingeleitet wird. Bei den laufenden Agrarpreisverhandlungen in Brüssel hält die Bundesregierung den von der Kommission vorgeschlagenen Abbauschritt beim deutschen Währungsausgleich für zu hoch. Der einseitig starke Abbau des Grenzausgleichs würde unsere Landwirte, die mit die stärksten Einkommenseinbußen in Europa hinzunehmen hatten, besonders hart und unausgewogen treffen. Wenn wir uns für einen deutlich geringeren Abbau des Grenzausgleichs einsetzen, so vertreten wir damit keine realitäts5590 fremde Position. Der Vorwurf, daß wir uns durch einen zu geringen Abbau des Währungsausgleichs in den letzten Jahren Vorteile gegenüber den anderen Mitgliedsländern verschafft hätten, läßt sich leicht widerlegen. Durch den Abbau des Währungsausgleichs im Agrarhandel sollten bekanntlich die Anpassungsvorgänge vollzogen werden, die sich im gewerblichen Sektor durch die Marktkräfte ergeben. Ein Blick in die Preisstatistik zeigt nun aber, daß seit 1970 - und damit ungefähr seit Einführung des Währungsausgleichs - in der Bundesrepublik die landwirtschaftlichen Erzeugerpreise mit rund 52 % weit weniger angestiegen sind als die industriellen Erzeugerpreise mit gut 77 %. Auch uns ist daran gelegen, nur solche Preise zu beschließen, die sich letztlich über die Märkte realisieren lassen. In der gegenwärtigen Situation muß aber der Einkommenslage in der Agrarpolitik ein besonders hoher Rang eingeräumt werden. Trotz alber schwierigen Verhandlungen werden wir uns auch diesmal wieder darum bemühen und unseren Teil beitragen, daß es zu einem für alle Teile befriedigenden Kompromiß kommt. Schließlich eröffnet und eröffnete der Gemeinsame Markt auch unserer Landwirtschaft gute Perspektiven. So ist beispielsweise für die bayerische Veredelungswirtschaft der nahe italienische Markt nicht mehr wegzudenken. Hier hat sich nach mühsamer Vorarbeit ein ausgeprägter und fester Absatzmarkt aufgetan. Auch der Beitritt Griechenlands hat dort eine unerwartet große Nachfrage nach tierischen Veredelungsprodukten aus unserem Lande - insbesondere nach Fleisch - ausgelöst. Ähnliches läßt sich für die weitere Süderweiterung der Gemeinschaft erwarten. Ich teile hier die günstige Beurteilung dieser Absatzmärkte für Milchprodukte, Fleisch und Fleischwaren und andere deutsche Spezialitäten im Rahmen des Agrarexportes, wie sie durch die CMA dargestellt wird. Immerhin betrug der deutsche Agrarexport im abgelaufenen Jahr die runde Summe von 23 Milliarden DM - übrigens auch günstig für unsere Zahlungsbilanz. Überhaupt stellt dieser heute schon rund 270 Millionen und bald über 300 Millionen Verbraucher umfassende Gemeinsame Markt den größten kaufkräftigen und dynamischen Absatzmarkt der Welt dar und ist damit verbunden mit großen Chancen auch für unsere Bauern und unsere gesamte Agrarwirtschaft. Dabei hat die deutsche Agrarwirtschaft insbesondere im deutschen Ernährungsgewerbe einen leistungsfähigen Verbündeten. Schon heute sind rund 80 % unserer exportierten Nahrungsgüter verarbeitete Erzeugnisse. Das macht deutlich, daß für den Export die erreichte Rationalisierung, der Qualitätsstandard und die Leistungsfähigkeit der Ernährungsindustrie wichtiger geworden sind als etwa der Einstandspreis der Grundstoffe. Die gewaltige Verlagerung von Kaufkraft in die OPEC-Länder hat eine erfolgreiche Exportoffensive mit deutschen Agrarprodukten nach sich gezogen. Gleiches gilt für viele Schwellenländer, in denen die Kaufkraft und damit die Nachfrage nach höherwertigen Nahrungsgütern gleichfalls wachsen, in denen aber der Nachfrage aus der eigenen Produktion nicht in ausreichendem Maße entsprochen werden kann. In vielen dieser Länder wird das landwirtschaftliche Produktionspotential niemals so zu entwickeln sein, daß es einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung aus eigener Kraft Genüge leisten könnte. Also werden diese Länder künftig teilweise in stärkerem Maße als bisher auf eine arbeitsteilige Weltagrarwirtschaft angewiesen sein. Das liegt auch in unserem Interesse. Nur über eine solche Arbeitsteilung kann gleichzeitig eine kaufkräftige Nachfrage nach Nahrungsgütern entstehen. Schließlich dürfen wir auch nicht den Hunger in der Welt übersehen. Verantwortliche Agrarpolitik kann schon insofern keine rein nationale Agrarpolitik mehr sein. Wir werden zwar den Hunger in der Welt mit unseren Produktionsmöglichkeiten nicht beseitigen, aber dennoch einen wirksamen Beitrag dazu leisten können, daß mehr Menschen satt werden. Im Rahmen der Welthungerhilfe haben wir überall dort eine Aufgabe zu erfüllen, wo Hunger und Not herrschen. Auch Ereignisse wie in Polen lassen sich nur dann meistern, wenn wir selbst auf eine sichere und ausreichende Versorgung zurückgreifen können. Alle, insbesondere die Schwellen- und Entwicklungsländer, ebenso aber auch die Länder des Ostblocks, sollten erkennen, daß es wichtiger wäre, Geld für die Ernährung auszugeben, als für Waffen. ({33}) Es ist erst wenige Tage her, daß in diesem Hohen Hause kritisiert wurde, daß die Entwicklungsländer allein im Jahre 1980 für Rüstung mehr ausgegeben haben als die 80 Milliarden DM, die ihnen aus den Industrienationen an öffentlicher Entwicklungshilfe zugeflossen sind. ({34}) Bei unseren agrarpolitischen Perspektiven dürfen wir auch nicht die langfristig ins Haus stehende Verknappung von Energie und Rohstoffen übersehen. Es wäre meines Erachtens kurzsichtig, aus der gegenwärtig etwas entspannten Lage bereits eine Trendwende ableiten zu wollen. Wir müssen vielmehr heute bereits daran arbeiten, daß uns im Jahr 2000 und danach Alternativen in der Energie- und Rohstoffversorgung zur Verfügung stehen. Auch der Biomasseerzeugung über die Landwirtschaft wird dabei zweifellos Bedeutung zukommen. Die Bundesregierung wird deshalb auf dem bereits eingeschlagenen Weg fortschreiten, durch Forschung und Entwicklungsprogramme die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die Landwirtschaft auch auf dem Energie- und Rohstoffsektor später sich bietende Chancen nutzen kann. Lassen Sie mich zusammenfassend feststellen: Erstens. Eine Industriegesellschaft braucht eine leistungsfähige Landwirtschaft. ({35}) Die hohen Ansprüche, die sie an eine gesicherte und qualitativ hochwertige Versorgung stellt, lassen sich nur im Verbund mit einer modernen, rationell wirtschaftenden Landwirtschaft, einem funktionsfähigen Agrargewerbe und einer fortschrittlichen Ernährungsindustrie erfüllen. Zweitens. Eine ausreichende Ernährung ist auf Dauer nur dann zu sichern, wenn Landwirtschaft sich lohnt. ({36}) Der Landwirt gehört zu unserer Gesellschaft mit ihren Ansprüchen. ({37}) Die Sicherheit der eigenen Versorgung gibt es nicht zum Nulltarif; ({38}) sie kostet ihren Preis. Drittens. Auch unsere moderne Landwirtschaft weiß, daß sie mit den Naturgütern sorgsam umgehen muß. Sie hat von daher entscheidenden Anteil daran, daß wir über eine vielgestaltige Freizeit- und Erholungslandschaft, aber insbesondere über eine zu erhaltende Kulturlandschaft verfügen. Viertens. Die Struktur unserer bäuerlichen Landwirtschaft ist eine der Grundlagen für eine breite Eigentumsstreuung und Voraussetzung für die Vielfalt unserer Siedlungsstrukturen, die wir erhalten wollen. Eine so strukturierte, intakte Landwirtschaft setzt aber ebenso intakte ländliche Räume voraus. An ihrer Entwicklung müssen wir deshalb weiterarbeiten. Fünftens. Unsere Landwirtschaft muß in eine arbeitsteilige Weltagrarwirtschaft eingebunden bleiben. Der Kampf gegen den Hunger in der Welt kann ohne die Hilfe der Landwirtschaft der entwickelten und industrialisierten Länder nicht gewonnen werden. Sechstens. Der Land- und Forstwirtschaft wird langfristig eine wichtige Funktion bei der Sicherung der Rohstoff- und Energieressourcen zukommen; denn die pflanzliche Produktion bietet beachtliche Rohstoff- und Energiequellen. Bei allen Schwierigkeiten, die uns derzeit bedrükken und um deren Überwindung wir bemüht sind, bleibe ich fest bei meiner Überzeugung, daß unsere Landwirtschaft eine gesicherte Zukunft hat. Diese Zuversicht möchte ich mit dem Dank an unsere Bäuerinnen und Bauern, an die Landjugend, aber auch an alle anderen in der Agrar- und Ernährungswirtschaft Tätigen für all das verbinden, was sie ungeachtet der schwierigen Zeiten mit Fleiß und überdurchschnittlichem persönlichem Einsatz geleistet haben. - Ich bedanke mich. ({39})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiechle.

Ignaz Kiechle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001091, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat die Einbringungsrede zum Agrarbericht hier gehalten. Er hat sehr viel über das, was sein sollte, sein müßte, manches sogar über das, was sein könnte, aber sehr wenig über das gesagt, was leider ist. ({0}) Er hat gemeint, es sei schön, daß man auch heute noch in diesem Lande lachen könne. Ich habe auch gelacht, aber ein bißchen mehr nach innen als nach außen, als ich mir seine Rede angehört habe; denn mir fiel da etwas auf, Herr Minister, was ich Ihnen hier ganz offen sagen möchte. Sie haben z. B. gesagt - ich zitiere -: Besonders hart wurden von dieser ungünstigen Entwicklung auf dem Kapitalmarkt solche Betriebe getroffen, die in den zurückliegenden Jahren große Investitionen getätigt haben. Oder Sie sagten, die in Brüssel beschlossenen Preiserhöhungen seien nur sehr allmählich bei den Betrieben angekommen, und schließlich hätten die gestiegenen Verarbeitungskosten, höhere Handelsspannen, stärker marktbetonte Ausgestaltung der Marktordnungen, die Mitverantwortungsabgabe und die Erzeugerabgabe den den Bauern verbliebenen Gewinn geschmälert. Sie sagten weiter: Auf Grund der schlechten Arbeitsmarktlage, aber auch auf Grund der relativ hohen Sicherheit landwirtschaftlicher Arbeitsplätze hat sich der Strukturwandel sehr stark verlangsamt. Sie haben schließlich hinzugefügt: Erkenntnis für die Zukunft bleibt, daß die außerlandwirtschaftlichen Erwerbsmöglichkeiten in den ländlichen Räumen weiterhin auszubauen sind. Das sind eigentlich Anklagen gegen eine Regierung, der Sie selbst angehören. ({1}) Diese letzte Bemerkung ist auch nicht neu; das haben wir unter der Überschrift „Bayerischer Weg und Partnerschaft von Voll-, Zu- und Nebenerwerbsbetrieb" vor über zehn Jahren kreiert und übrigens durchgesetzt. Meine Damen und Herren, die Kernaussage der Agrarpolitik besteht einfach darin, daß zugegeben werden muß, daß die Landwirtschaft in diesem Berichtsj ahr eine schlechte Bilanz hat. Diese Bilanz ist verheerend. In einem einzigen Jahr fiel das Durchschnittseinkommen der Familienarbeitskraft in der Landwirtschaft um über 12,5 %. Da auch im vergangenen Jahr bereits fast 2 % Rückgang zu verzeichnen war, bedeutet das in zwei Jahren fast 15 % weniger nominales Einkommen. Man könnte in der Sprache unserer Zeit auch sagen: Lohn- oder Gehaltskürzung. Der Trend ist aber seit 1975/76 ersichtlich. Er kam nicht wie ein Unwetter, wie Hagelschlag, sondern war absehbar. Damals lag dieses Durchschnittsein5592 kommen nämlich bei etwas über 25 000 DM, und jetzt liegt es bei etwas über 21 000 DM. Wenn man den realen Verlust hinzunimmt, dann stellt man fest, daß die Bauern über ein Drittel weniger Kaufkraft haben, und zwar bezogen auf den Durchschnitt aller Betriebe von Schleswig-Holstein bis Bayern und vom Saarland bis zum Bayerischen Wald. Von diesem äußerst mageren nominalen Durchschnittsverdienst sind dann noch die Sozialabgaben, die Altenteilerlasten, private Steuern und Fremdkapitaltilgung zu bestreiten. Das führt dazu, daß der noch verbleibende Rest, im allgemeinen rund 60 %, der dem Bauern für sein privates Leben und seine sonstigen Ansprüche noch zur Verfügung steht, sage und schreibe 12 700 DM ausmacht. Dies entspricht im Durchschnitt des Jahres 1980/81 einem monatlichen Einkommen von 1 060 DM. Man kann sich, glaube ich, den Vergleich mit anderen Berufsgruppen anläßlich dieser Zahl fast ersparen. Man müßte fast schon den Vergleich mit Rentnern, Pensionären und Empfängern von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe anstellen. ({2}) Etwa 40 % aller Vollerwerbsbetriebe - die Nebenerwerbs- und Zuerwerbsbetriebe wurden ja gar nicht eingerechnet - liegen in diesem Berichtsjahr im Einkommen bei oder unter dem Sozialhilfeniveau; ({3}) dies ist keine Behauptung von mir, sondern ausweislich nachzurechnen. Dies ist eine erschütternde Bilanz, meine Damen und Herren. Es geht doch gar nicht darum, irgend jemandem irgend etwas mit diesen Zahlen vorzurechnen, sondern darum, Verständnis bei allen - auch bei denen, die sonst oft nur Spott, und sogar auch bei denen, die für den Bauern nur Hohn übrighaben - wenigstens im Ansatz zu wecken. ({4}) Es gibt zwei besonders gravierende Entwicklungen, die dieses Ergebnis gezeitigt haben, erstens die von dieser Regierung betriebene Politik des Preisdrucks gegenüber der Landwirtschaft, zweitens die hohen Preissteigerungsraten bei den Betriebsmitteln und Investitionskosten. Zu diesen beiden Punkten kommt hinzu, daß in den letzten Jahren die Steuerlast erhöht wurde, die staatlichen Hilfen im investiven und im sozialen Bereich reduziert wurden und neue Abgabelasten durch die sogenannte Mitverantwortungsabgabe geschaffen wurden, die ich schlicht und einfach als Milchsteuer bezeichnen möchte. Im übrigen wird diese Sondersteuer der Milcherzeuger Europas nach meiner Meinung in Brüssel zweckentfremdet. Wir haben nicht umsonst deswegen - jedenfalls zum Teil - eine Aussetzung zugunsten der Bauern um 1 Pf beantragt, indem wir gesagt haben: Man könnte die rund 1,5 Milliarden DM, die aus diesem Steueraufkommen heute noch nicht verbraucht sind, einem Fonds für besondere milchabsatzfördernde Maßnahmen zuführen und mit Hilfe dieses Fonds in den nächsten beiden Jahren mit 0,6 statt mit 1,6 Pf Belastung auskommen. Leider haben SPD und FDP diesen vernünftigen Vorschlag abgelehnt. Die Bundesregierung weist nun darauf hin, daß im laufenden Jahr 9 % mehr Einkommen zu erwarten sind. Selbst wenn diese Prognose stimmen sollte, bedeutet das, daß sich, wenn man 9 % auf 21 200 DM aufstockt, 23 100 DM ergeben. Das ist längst noch nicht das, was im Jahr zuvor da war, und schon gar nicht das, was schon einmal 1975 erreicht war. Eine Trendwende ist damit mit Sicherheit nicht erreicht. Allerdings möchte ich schon heute und an dieser Stelle sagen: Alles, was mir an Informationen zur Verfügung steht, weist darauf hin, daß die 9 % bei weitem nicht erreicht werden können. Diese Zahl ist insofern mit großer Vorsicht zu genießen. Dieser ungeheure Rückgang des Einkommens hat Folgen für die Investitionsfähigkeit der Landwirte gehabt. Konnten sie 1979/80 netto noch rund 2,37 Milliarden DM investieren, so waren es 1980/81 noch ganze 106 Millionen DM, also praktisch null. Meine Damen und Herren, an dieser Zahl - die ja fehlende Investitionsmittel darstellt - eines einzigen Wirtschaftszweiges wird die lächerliche Schwachbrüstigkeit des sogenannten Arbeitsbeschaffungsprogramms deutlich sichtbar. ({5}) Die Vorlieferanten für Betriebsmittel verspüren übrigens den Geldmangel der Landwirtschaft ganz erheblich. Das kostet genauso Arbeitsplätze wie die Reduzierung der Haushaltsmittel auf dem Gebiet der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" im Jahre 1981. Diese Reduzierung, die rund 0,5 Milliarden DM ausgemacht hat, hat sich ausschließlich im investiven Bereich ausgewirkt und hat darüber hinaus dafür gesorgt, daß auf einem Sektor, der in den letzten vier Jahren 160 000 Arbeitsplätze gesichert und neu geschaffen hat, Arbeitsplätze verlorengegangen sind. Mir scheint überhaupt, daß die Bundesregierung und die beiden sie tragenden Parteien die volkswirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft schlicht und einfach falsch einschätzen, um nicht zu sagen: übersehen. Meine Damen und Herren, von 52 Milliarden DM Bruttoverkaufserlös im Jahre 1980/81 sind 32 Milliarden DM für Betriebsmittel ausgegeben worden, 9 Milliarden DM brutto in Form von Investitionen. Der Rest von rund 11 Milliarden DM wurde über den Verbrauchsausgabenbereich ebenfalls in den Wirtschaftskreislauf zurückgepumpt. Darüber hinaus hat die Landwirtschaft dann noch Kredite aufgenommen. Allein die Nettokreditzunahme beträgt 12 %. Das Geld hat sie natürlich ebenfalls nicht für Urlaub in der Schweiz und auch nicht auf Mallorca und auch nicht für Schmuck, sondern für Betriebsmittel ausgegeben, und zwar, man kann, glaube ich, ruhig sagen: zu 99 % im eigenen Land. Dabei ist erstaunlich und gefährlich, daß mit einem Teil dieser aufgenommenen Schulden, um es einmal im Klartext zu sagen, mittlerweile auch laufende Betriebskosten finanziert werden müssen, daß gerade moderne Betriebe in Liquiditätsschwierigkeiten geKiechle raten und daß damit - wenn sich diese Entwicklung fortsetzen würde - gerade diese Betriebe am schnellsten gefährdet wären. Übrigens sollte man auch nicht vergessen, daß in der Landwirtschaft 1 Million Arbeitsplätze vorhanden sind. Überall sonst - in der Stahlindustrie oder bei der Kohle oder bei den Werften oder wo auch immer - sind wir alle der Meinung, daß es um Arbeitsplätze geht, wenn diese Bereiche in Schwierigkeiten kommen. Nur bei der Landwirtschaft verweisen bestimmte Kreise ausschließlich auf das Ausscheiden und auf den Strukturwandel. Auch das sind Arbeitsplätze und, wie ich meine, sogar im Urproduktionsbereich befindliche wichtige Arbeitsplätze. ({6}) Es nützt den bäuerlichen Familienbetrieben in unserem Lande übrigens gar nichts, wenn der Bundesminister ausrechnen läßt, daß sie in den letzten zwölf Jahren trotzdem noch 4,4 % jährlich Einkommenssteigerung gehabt hätten. Diese Steigerungsrate ist pro Jahr immerhin 75 % niedriger, als dies im industriell-gewerblichen Bereich der Fall gewesen ist. Diese Zahlen ändern gar nichts an dem permanenten Rückgang dieses Einkommens seit 1975/76 auf 1980/81. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat diese Entwicklung mit herbeigeführt, und zwar durch ihre falsche Finanz-, Wirtschafts- und Agrarpolitik. Ich behaupte zwar nicht, daß sie das alles erreichen wollte, aber sie ist der Verursacher dieses wirtschaftlichen Pleiteergebnisses. Seit Jahren betreibt diese Regierung eine Politik des Preisdrucks gegenüber den Bauern, und es ist das erklärte Ziel ihrer Politik, damit eine Produktionseinschränkung zu erreichen. Sie nennt es zwar „vorsichtige Preispolitik", im Klartext ist das aber ein eindeutiges UnterDruck-Setzen dieses mittelständischen Wirtschaftszweiges. Die eigene Definition der Bundesregierung lautet j a auch - ich zitiere -: Die Agrarpreise müssen so festgesetzt werden, daß ihr Preisanstieg unter der allgemeinen Inflationsrate liegt. Das ist dann natürlich auch der Grund für das Auseinanderklaffen der Preis-Kosten-Schere. Wer wie die Bundesregierung solche Maximen ersinnt und politisch verfolgt - festgelegt im Dohnanyi-Brief, im Apel-Papier und anderswo -, muß das Wort „sozial" auf diesem Sektor aus seinem Sprachschatz streichen; denn der dadurch herbeigeführte Kostendruck geht nicht nur zu Lasten der Betriebe mit hohem Kapitaleinsatz, also der modernisierten und geförderten, sondern vor allem zu Lasten der in benachteiligten Gebieten liegenden, auf schlechteren Böden wirtschaftenden Betrieben, im allgemeinen eben zu Lasten der kleinen und mittleren Familienbetriebe. ({7}) Ich möchte hinzufügen: Eine solche Politik können wir wirklich nicht einmal tolerieren, wir müssen sie ablehnen, und wir lehnen sie auch ab. Dieser negativen Preisdruckpolitik wurden in den letzten Jahren weitere belastende Maßnahmen hinzugefügt: Erhöhung der Einkommensteuer, Erhöhung der Mineralölsteuer, Verweigerung der Anpassung der Vorsteuerpauschale, eine 8%ige Kürzung des Ernährungshaushaltes 1981 und damit eine Kürzung der investiven Mittel der Gemeinschaftsaufgabe. An dieser Stelle muß ich Ihnen wirklich sagen, Herr Minister Ertl: Sie hätten sich den Hinweis schenken können, die generelle Kürzung aller Leistungs- und Subventionsbereiche um 5 %, vorgeschlagen von der Union, hätte zu noch viel schlechteren Ergebnissen geführt. Sie haben den Haushalt j a um 8 % gekürzt und hätten ihn, wenn der Bundesrat das heuer nicht ein bißchen korrigiert hätte, noch einmal kürzen wollen, und zwar stärker, als er nun trotzdem noch gekürzt werden mußte. Schließlich ist die Erhöhung der Soziallasten zu nennen. Das kam j a alles noch hinzu. Wir hätten eigentlich schon erwartet, daß der zuständige Bundesminister zu dieser Entwicklung oder zu ihrer Korrektur bei der Einbringung des Agrarberichts etwas gesagt hätte. Zur Zangenbewegung unzureichender Erzeugerpreise und ständig steigender Betriebsmittelpreise kam so die staatliche Kostendruckmethode durch steigende Belastungen bei Abgaben und Steuern hinzu und führte eben zu diesem miserablen Wirtschaftsergebnis der Landwirte und ihrer Familien. Zu den beliebtesten Fehlaussagen, besonders des Herrn Staatssekretärs Gallus, ({8}) gehört die der angeblich nicht wirksamen und sich unsozial auswirkenden aktiven Erzeugerpreispolitik. Jetzt wundern Sie sich, Herr Gallus, weil ich nicht auf Ihre 100 000 Betriebe eingegangen bin. Aber das ist mittlerweile so bekannt und Ihre Ausreden sind so minimal, daß man dazu kaum mehr etwas zu sagen braucht. ({9}) Ihre Aussage, mit der Sie herumreisen, lautet: Den kleinen Bauern könnte man mit einer besseren Preispolitik nicht helfen, und den großen würden unangemessene Vorteile verschafft. Das ist eine ebenso falsche wie unliberale These. Das möchte ich Ihnen von dieser Stelle aus sagen. Man braucht sich nur einmal die differenzierten Einkommensentwicklungen in den Bundesländern anzusehen, die in diesem Bericht niedergelegt sind. Schleswig-Holstein mit einer Durchschnittsbetriebsgröße von 44 ha - damit in Deutschland an der Spitze liegend - hat die größten Einkommensrückgänge, nämlich um fast 25 % auf unter 20 000 DM - 19 380 DM genau - je Familienarbeitskraft. Bayern dagegen mit nur der halb so großen durchschnittlichen Vollerwerbsbetriebsgröße von gut 20 ha hat einen Rückgang um 10 % auf 20 800 DM. Sicher liegen beide noch unter dem Bundesdurchschnitt. Aber, Herr Staatssekretär, brauchen jetzt also die 44-ha-Betriebe in Schleswig-Holstein keine besseren Preise, oder helfen bessere Preise angesichts solcher Ergebnisse bayrischen Bauern etwa nicht? Ihre Aussage ist wirklich nicht haltbar.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Abgeordneter Kiechle, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gallus?

Ignaz Kiechle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001091, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn sie kurz ist, gern.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Kiechle, wenn Sie hier schon sagen, ich hätte geäußert, die Preisanhebungen nützten nichts, können Sie dem Hohen Haus dann auch mitteilen, wo und wann ich das gesagt habe?

Ignaz Kiechle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001091, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben es nicht nur auf vielen Versammlungen, sondern sogar hier in diesem Hause gesagt. Ich war selbst Zeuge. Allerdings habe ich das Protokoll nicht da. ({0}) Meine Damen und Herren, die These vom Preisdruck gegenüber den Erzeugern landwirtschaftlicher Produkte ist grundfalsch. In einem Hochlohn- und Hochpreisstaat können die Bauern nicht vom Durchschnittspreislevel ausgesperrt werden, ohne daß man ihren wirtschaftlichen Untergang vorprogrammiert. Es gibt schließlich zwar einen sogenannten Weltmarktpreis, aber kein Mensch redet von einem Weltmarktlohn. Unsere Bauern sind ja hier eingebunden in das Gesamtkostenniveau. ({1}) Mir fällt da etwas ein. Die sozialliberale Koalition hat j a auch einmal die Belastbarkeit der Wirtschaft zu erproben versucht. Jetzt erprobt sie anscheinend auch noch die Belastbarkeit der Landwirtschaft. Nachdem der Belastungstest bei der industriell-gewerblichen Wirtschaft mit einem Debakel von Pleitenrekorden, Investitionslücken mit Arbeitsplatzvernichtung und „Minusgewinnen" endete, kann vor der Fortsetzung dieses Belastungstests auf einem anderen Sektor nur dringend gewarnt werden. ({2}) Die für die Agrarpolitik - hören Sie bitte gut zu, Herr Staatssekretär Gallus; Sie sind immer so schnell mit dem Wort - verantwortliche FDP muß einmal an ihren jahrelangen Schlachtruf - landauf, landab - erinnert werden: Wir fordern kostendekkende Preise! Damals haben Sie auf das Unionskonzept der abgestimmten Unterstützung für die Landwirtschaft durch eine Struktur-, Preis-, Steuer- und Marktpolitik bei angemessener Hilfe zur Selbsthilfe nicht reagiert und mit Ihrem Ruf nach kostendek-kenden Preisen versucht, die Union zu verteufeln. Ich kann Ihnen nur sagen: Die CDU/CSU kann für sich verbuchen, bis 1969/70 mit ihrer Politik die Einkommensdisparität bei der Landwirtschaft beseitigt zu haben. ({3}) - Sie brauchen das nur nachzulesen. Ich zitiere nur die Zahlen aus den amtlichen Agrarberichten; das stammt nicht von mir persönlich. Heute ist der Strukturwandel fast zum Erliegen gekommen. Die Steuern und Abgaben werden laufend erhöht. Der Markt leidet unter der Unfähigkeit des EG-Ministerrats, Lösungen hinsichtlich der Mengenproduktion und des Substitutionsproblems zu finden. Die Erzeuger werden unter Preisdruck gehalten. Meine Damen und Herren, die kostendeckenden Preise der FDP von Anno dazumal - heute sind diese Leute über 12 Jahre führend in diesem Sektor der Politik tätig - können Sie mit keinem, nicht einmal mehr mit einem elektronischen Fernrohr oder sonst einer Einrichtung der Technik ausfindig machen. Sie sind passé. ({4}) Leider zahlen j a die Bauern die Zeche, nicht die Koalition, wie dieser Agrarbericht ganz eindeutig beweist. In keinem Agrarbericht zu lesen sind allerdings die Auswirkungen eines seit langem zu beobachtenden negativen Meinungsbildungsprozesses gegenüber unseren Bauern. Die Öffentlichkeit wird zunehmend falsch über agrarpolitische Entwicklungen informiert oder sogar gegen die Bauern aufgewiegelt. Sogenannte Umweltschützer ohne wirklichen Sachverstand, Tierschützer mit nur Waldi- und Miezi-Gefühlsrepertoire ohne Kenntnis und Erfahrung bei Nutztierhaltung, Naturschützer, deren Nostalgiesehnsucht weit über dem notwendigen Gegenwartsverständnis rangiert, Politiker, die innerhalb dieses Personenkreises auf Wahlstimmenfang gehen wollen, und Journalisten, die alles, aber auch alles, was sensationell klingt, schreiben oder senden, sind auf Einheitskurs gegen die Bauern gegangen. Der Vorwurf der sogenannten artfremden Haltung bei Hühnern, die unsachgemäße Verteufelung von Pflanzenschutzmitteln als Gift, die Diskriminierung von mineralischem Handelsdünger als Grundwasserbelastung, die Forderungen nach drastischen Preiserhöhungen für Pflanzenschutzmittel - Herr Eppler beispielsweise hat gemeint, diese Preise sollte man verdoppeln -, Dauervorwürfe wegen angeblich unbezahlbar gewordener EG-Agrarmarktkosten, pauschale Verdächtigungen der mißbräuchlichen Verwendung von Tierarzneimitteln in bezug auf die ganze Landwirtschaft verunglimpfen zusätzlich die Bäuerinnen und Bauern und ihre Familien. Dabei ist diese Liste noch längst nicht vollständig. Wir wenden uns seit langer Zeit und obwohl es manchmal unpopulär erscheint auch als CDU/CSU- Bundestagsfraktion mit Entschiedenheit gegen diese Art von Meinungsmache zu Lasten der Landwirtschaft. ({5}) Gegenüber dieser Flut von Vorwürfen, Forderungen nach Produktionserschwernissen und Diffamierungen hinsichtlich der Leistungen unserer Bauern schweigt die Bundesregierung weitgehend - Herr Ertl macht ab und zu den Versuch, dagegen anzugehen, aber er wird da ziemlich allein gelassen - oder übernimmt sogar solche Thesen. Jüngstes Beispiel ist Herr Bundesminister Baum, der sich in die Reihen der Bauernbeschimpfer - ich wiederhole: Bauernbeschimpfer - wie folgt einreiht. Er spricht von verheerenden Auswirkungen typisch landwirtschaftlicher Eingriffe in den Bestand von Natur und Landschaft, von 60%igem Anteil der Landwirtschaft an den Ursachen des Artenschwundes der heimiKiechle schen Tier- und Pflanzenarten, von 80%igem Anteil hinsichtlich des Schwundes bei Farnen und Blütenpflanzen. Dies alles wird der Landwirtschaft hier schriftlich angelastet. Meine Damen und Herren, über Sachkompetenzen und Beweisfähigkeit des Herrn Baum in diesen Fragen und hinsichtlich dieser Anschuldigungen will ich mich hier nicht äußern. Wenn er den Beweis allerdings nicht führen kann, hat er unsere Bauern aufs gröbste verleumdet. ({6}) Wir werden ihm - stellvertretend für die nach meiner Meinung zu Unrecht beschuldigte Landwirtschaft - entsprechende Fragen stellen. Zuständig wäre Herr Baum allerdings für den technischen Umweltschutz. Umweltbelastungen aus seinem Aufgabenbereich, Emissionen in die Luft gefährden nach Auffassung der Wissenschaft und praktischer Fachleute unsere deutschen Wälder in zunehmendem Maße. Das sogenannte Tannensterben - ich will fairerweise sagen: wir wissen, daß es wissenschaftlich noch nicht absolut eindeutig erforscht ist - soll u. a. auf diese Emissionen zurückzuführen sein. Wenn diese Befürchtung zuträfe, ginge es nicht mehr um die Frage, wieviel dieser Umweltschutz kosten darf, sondern dann müßte schnellstens gehandelt werden. Jedenfalls ist in diesem Fall die folgende Äußerung von Herrn Baum - ich zitiere - nicht mehr sachgemäß: Solche Immissionen, die nach dem Stand der Technik nicht weiter vermindert werden können, also unvermeidbar sind, müssen zum Schutz der Nachbarn über ausreichend hohe Schornsteine abgeleitet werden. Ich bin schon der Meinung, daß es gut wäre, wenn die Bundesregierung - statt Hunderte von Millionen für soziologische, meist nicht sehr sinnvolle Forschungen auszugeben - hier Geld und Sachverstand zur Rettung und zum Schutze unserer Wälder einsetzen würde. ({7}) Wir fordern jedenfalls Herrn Baum auf, sich um diese Umweltgefährdungen nachdrücklich zu kümmern und Schaden vom deutschen Wald abzuwenden, statt unsere Bauern massiv zu beschimpfen. Es ist übrigens jener Wald, den auch - ich sage nicht: nur - Bauern, wohl wissend, daß sie zwar die Pflanz- und Pflegekosten zu tragen haben, aber ansonsten keinerlei Vorteil - die Soziologen von heute würden sagen: Profit - aus ihm ziehen können, für ihre Kinder und damit für die nachfolgenden Generationen gepflanzt haben. ({8}) Unsere heutigen lautstarken, j a sogar militanten, allein alles wissenden und niemals irrenden, keine Fehler machenden Umwelt- und Naturschützer müssen in späteren Jahren einmal gefragt werden, wieviel Bäume sie für die Nachwelt und damit zum Nutzen aller Bürger gepflanzt haben. ({9}) Besondere Kritik übt die Bundesregierung - Herr Ertl, diese Anmerkung kann ich Ihnen nicht ersparen; Sie sind da zwar offensichtlich ein einsamer Rufer in der Wüste, aber da Sie dieser Regierung angehören, sind Sie schließlich auch dafür verantwortlich - an den Kosten des Agrarmarkts der EG. Die durch das berühmte Wort „Wir sind doch nicht Zahlmeister Europas!" verursachten Kosten sind ja nun wesentlich höher als die ÜberschußKosten - politisch gesehen. Im Ergebnis versucht die Bundesregierung ihre Preisdruck-Politik damit sogar zu rechtfertigen, und zwar auf Kosten der Landwirtschaft. Wir haben heute gehört, daß die EG heute 25 Jahre besteht. Die Bauern sind eine der wenigen Gruppen, die sagen könnten: an diesem unserem Tag. Denn sie sind es, die - neben der Montanunion - in der täglichen Praxis, bei täglichem Ausgleich der unterschiedlichen, zum Teil auch lautstark und eigensüchtig vorgetragenen Einzelinteressen diese Gemeinschaft ertragen, nutzen, aber auch bezahlen müssen. Um die Landwirtschaft geht es nicht nur auf großen Kongressen und festlichen Anlässen und Empfängen mit ihrer Ausstrahlung in die Öffentlichkeit, vielmehr hat die Landwirtschaft auch den aus dem täglichen politischen Geschehen sich ergebenden Ärger zu ertragen. Da es auf allen anderen Sektoren noch an gemeinsamer Politik fehlt, dürfte man ihr schon ein bißchen mehr Verständnis, Nachsicht entgegenbringen, vor allem auch denen, die von dieser sogenannten Tagespolitik betroffen sind. ({10}) Im übrigen verschweigt die Bundesregierung der Öffentlichkeit nach meinem Eindruck die tatsächlichen Ursachen und Zusammenhänge dieser ja nicht zu bestreitenden Schwierigkeiten. Erstens. Mangelnder weiterer Einigungsfortschritt auf den Gebieten Währung, Konjunktur, Soziales und Wirtschaft wird der Agrarpolitik in Brüssel wie einem Packesel immer mehr an sachfremder Last aufbürden bzw. hat sie ihr aufgebürdet. Dazu gehören Rücksicht auf Neuseeland und seine Butterausfuhr sowie seine Schaffleischausfuhr wegen Großbritanniens Beitritt, die Kosten des sogenannten AKP-Zuckers, immerhin 1,3 Millionen t, aus Gründen der Entwicklungshilfe, die Maßnahmen des Währungsgrenzausgleichs wegen der unterschiedlichen Inflationsraten, um nur einmal ein paar Beispiele zu nennen. Zweitens sind die eigenen wiederholten finanziellen Zugeständnisse der Bundesregierung wegen der Erweiterung der Gemeinschaft und auf Grund von Entlastungsforderungen anderer Staaten zu nennen. Drittens sind die Auswirkungen der Erhöhung des Beitragsschlüssels durch Bundeskanzler Brandt 1970 in Den Haag zu erwähnen. Es sind doch politische Kosten, die heute auf den sogenannten Agrarmarktkosten liegen. Die Landwirte Europas haben sie weder verursacht noch zu verantworten. Trotzdem werden diese Kosten als Propagandawaffe gegen die Landwirtschaft benutzt. Tatsächlich hat aber die Schaffung des Agrarmarktes uns die industriell-gewerblichen Märkte der Partner geöffnet. Wir erzielten über 10 Milliarden DM Handelsüberschuß in der EG im letzten Jahr ohne staatliche Kredite, wie wir sie erst einmal in andere Bereiche der Welt hingeben müssen - einschließlich Hermes-Garantien, für die wir geradestehen müssen, wenn die Partner nicht zahlen. Was unsere Bundesregierung politisch immer als Nettozahlungen verkauft, sind tatsächlich eigene Einnahmen der EG. Sie sind ihr vertraglich zugestanden. Die EG hat bisher ihren Finanzrahmen nicht überzogen. Es besteht somit auch kein Grund zu dauernden Beschuldigungen, ja sogar Beschimpfungen. Daß heute draußen im Volk fast eine AntiStimmung gegenüber der Europäischen Gemeinschaft besteht, ist wesentlich auf die sachlich ungerechtfertigten Vorwürfe der Bundesregierung wegen der dauernd zitierten Nettozahlungen zurückzuführen. Insgesamt erweckt die Regierung den Eindruck, als gäbe es möglicherweise eine Art Null-Tarif in Europa, was objektiv sicherlich falsch ist. Auch Herr Ertl hat dies heute in seine Einführungsrede hineingeschrieben. Ich will mal sehen, welche Auswirkungen das, was damit in dieser Einführungsrede zu einem amtlichen Bericht steht, auf alle die hat, die draußen herumgehen und über diese Nettozahlungen lamentieren. Meine Damen und Herren, unseren Bauern ist Leistung doch nicht fremd. Die Vielfalt des Angebots an Lebensmitteln, deren Qualtität, deren Preiswürdigkeit sind sprichwörtlich. Lebensmittel sind - wir haben es auch heute gehört - Billigmacher im Warenkorb unserer Mitbürger gewesen und das trotz gestiegener Verarbeitungs-, Verteilungs- und Verpackungskosten. Damit haben die Landwirte diesen billigmachenden Effekt ganz allein bezahlen und tragen müssen. Der Erfolg deutscher Agrarwaren beim Export in Konkurrenz zu allen ebenso exportierenden Nachbarn beruht doch auf dem Qualitätsstandard dieser Waren. Unsere Landwirtschaft ist allerdings mit ihren Möglichkeiten der Intensivierung, Rationalisierung und Modernisierung langsam am Ende angelangt. Die Bauern haben doch alle staatlichen und wissenschaftlich-fachlichen Ratschläge in den letzten zehn, fünfzehn Jahren befolgt. Sie produzieren heute pro Vollarbeitskraft wesentlich höhere Mengen als früher. Ein deutscher Bauer hat 1900 vier Stadtbewohner ernährt, heute sind es 40 Mitbürger. Allerdings, der Lohn für diese Anstrengungen ist gering. Im Gegenteil, schon vor Jahren erfand die Bundesregierung das Mitverantwortungsprinzip in Form einer Mengenstrafsteuer für den Intensivierungsvorgang, den sie selbst mit ihrem als Allheilmittel angepriesenen einzelbetrieblichen Förderprogramm gefordert hatte. Im Ergebnis erhalten die Landwirte nun Vorwürfe wegen der produzierten Menge, Preisdruck wegen dieser Menge und zahlen auch noch Strafsteuer wegen dieser Menge, zu deren Produktion diese Regierung selbst geraten und die sie über die Programme auch gefördert hat. Wo - frage ich -, wie und wodurch soll da Vertrauen gebildet und erhalten werden? Im Gegenteil, es entsteht Mißtrauen in die agrarpolitischen Absichten und, wie ich hinzufügen muß, nicht einmal ganz unberechtigt. Die Bundesregierung sollte es auch nicht ganz so mit leichter Hand abtun, wenn auch der Deutsche Bauernverband sich mittlerweile durch die Nichteinhaltung dieser und jener Zusage der Bundesregierung getäuscht fühlt. Nun gibt es Preisverhandlungen in Brüssel. Sie sind bisher erfolglos gewesen. Die unterschiedlichen Standpunkte der Mitgliedsländer sind zum Teil bekannt; sie verhindern vorerst diese Einigung. Wir haben nichts darüber gehört, was die Bundesregierung und was das Kabinett vorhaben, außer dem, was heute etwas wenig konkret in der Einführungsrede des Herrn Ministers dazu gesagt wurde. Ich möchte Ihnen folgendes sagen. Angesichts dieser sehr schlechten Einkommensentwicklung und des im Agrarbericht ausgewiesenen niedrigen Niveaus der landwirtschaftlichen Duchschnittseinkommen muß die Bundesregierung handeln und die politischen Rahmendaten für die weitere wirtschaftliche Entwicklung auf unseren Höfen positiv ändern. Nun kann sie wegen ihres desolaten und heruntergewirtschafteten Staatshaushalts sicher national kaum mehr etwas unternehmen. Wir sind überzeugt, daß die einzige wirkliche Chance nur noch in einer aktiven Preispolitik bei den Verhandlungen in Brüssel liegt. Es liegt aber allein an dieser Regierung und ihrer Verhandlungsabsicht, ob auch Deutschland seine Stimme zugunsten einer ausreichenden Preisanhebung erhebt. Dabei sind die bisherigen Vorschläge, so wie sie insgesamt von seiten der Kommission gemacht wurden, keine Diskussionsgrundlage. Sie liefen auf eine deutsche Preiserhöhung von nominal knapp unter 4 % hinaus, praktisch also höchstens 2 oder 2,5 %. Damit kann man natürlich in einem Jahr solcher Rückgänge der Einkommen bei unseren Bauern nicht mehr Hoffnung erwecken. Wir sind daher der Meinung, daß eine 10%ige Preisanhebung eine objektive Notwendigkeit angesichts der letzten fünf Hungerjahre in den Kassen unserer Bauern darstellt. ({11}) Wir glauben auch, daß im Mischungsverhältnis von Preiserhöhung und Grenzausgleichsfestlegung diese Marke erstrebt und erkämpft werden kann. Alle anderen Möglichkeiten früherer Jahre in der Agrarpolitik hat die Bundesregierung durch ihre verfehlte Finanzpolitik selbst weitgehend verschüttet. Nun hängen die Existenz von 400 000 Vollerwerbsbetrieben, die Einkommen der dort lebenden und wirtschaftenden Bauern und Bäuerinnen mit ihren Kindern, ein gut Teil der sozialen Sicherheit von alten Bauern und Bäuerinnen von der zukünftigen Preisentwicklung ab, übrigens auch die Zukunftshoffnung vieler Jungbauern und Jungbäuerinnen. Wir von der Union können - und wir tun es hiermit - auf diese letzte reale Möglichkeit der Hilfe nur hinweisen, weil wir dort in Brüssel nicht verhandeln können, und wir wollen den berechtigten Hilferuf aus der Landwirtschaft unterstützen. Handeln, meine Damen und Herren, muß die Regierung. ({12}) Die Landwirtschaft - ich möchte das hier auch einmal bei einer Agrardebatte sagen - hat dem demokratischen Staat die Gefolgschaft nicht aufgekündigt. Sie lehnt das parlamentarische System nicht ab, sie steht zur freiheitlichen Gesellschaftsordnung. Sie weist auf ihre Sorgen diszipliniert und fast bescheiden, jedenfalls ohne Krawalle, Beschimpfungen und Sachzerstörungen, hin. Allerdings hofft sie, daß solch wünschenswertes Verhalten auch gehört wird. Ich meine, gerade deshalb muß darauf geachtet werden. ({13}) Die CDU/CSU-Fraktion unterstützt die berechtigten Anliegen der Landwirtschaft sowohl hinsichtlich der wirtschaftlichen als auch der gesetzgeberischen Erfordernisse. Wir wissen um die Zusammenhänge zwischen landwirtschaftlicher Kaufkraft und Sicherheit von gewerblich-industriellen Arbeitsplätzen. Wir anerkennen auch die außergewöhnliche Arbeitsleistung, die unsere Bauernfamilien zur eigenen Existenzsicherung und zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung unserer Millionen von Verbrauchern erbringen. Wir richten unseren Blick nicht engstirnig auf vielleicht gerade momentan vorhandene Lebensmittelüberschüsse und glauben nicht, dann sofort die ganze EG-Agrarpolitik reformieren zu müssen. Wir erkennen die Zeichen der Zeit beim Sehen über die eigenen Grenzzäune, nach Polen, in das ganze sozialistische Lager, das ohne sichere Eigenversorgung dasteht, und bei der zunehmend sich verschlechternden Mindestlebensmittelversorgung der Menschen in der sogenannten Dritten Welt, die heute schon Hunger hat. Und weil wir wissen, daß der ganze sogenannte Weltmarkt weder bei Fleisch noch bei Milch, um nur zwei Produkte zu nennen, in der Lage wäre, auch nur Deutschland zu versorgen, vertrauen wir lieber auf unsere eigene leistungsfähige Landwirtschaft. ({14}) Wir waren und sind daher ein redlicher Anwalt auch ihrer Interessen. Wir bitten alle für das Gespräch offenen Umwelt-, Natur- und Tierschützer aus dem Bereich der Wissenschaft und Praxis im sinnlos werdenden Verbalstreit der angeblichen Gegensätze die Landwirtschaft als Partner zu betrachten. Unsere Bauern wissen sehr wohl, daß Rücksichtnahme auf ökologische Zusammenhänge erforderlich ist. Sie wollen ihre Böden nutzen, nicht ausbeuten. Sie wollen sie j a schließlich ihren Kindern einmal weitergeben. ({15}) Aber Verzicht auf äußerste Intensität beim Nutzungsgrad hat ökonomische Konsequenzen. Dieser Verzicht muß auch honoriert werden. Diesen Weg - Erhalt unserer bäuerlichen Familienbetriebe, Rücksicht auf berechtigte ökologische Erfordernisse und vernünftige ökonomische Notwendigkeiten - werden die Unionsparteien und unsere Fraktion in der Agrarpolitik gehen. Aus unserer politischen Philosophie heraus ist die Landwirtschaft weder ökonomisch noch ökologisch eine Last, sondern sie ist unverzichtbar. ({16}) Einer Agrarpolitik der steigenden Steuer- und Abgabenlast, des Preisdrucks und gleichzeitig der Mengen- und Produktionsbeschränkung, der Produktsteuern in Form von sogenannten Mitverantwortungsabgaben, der einseitigen Verschärfung von Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der EG, der psychologischen Verunsicherung durch unbewiesene Vorwürfe und Anschuldigungen, muß ein schnelles Ende bereitet werden. Meine Damen und Herren, CDU und CSU werden dieses Ende baldmöglichst herbeiführen, zum Segen nicht nur, aber auch unserer deutschen Bauern, Bäuerinnen und ihrer Höfe. Diesen Bauern möchte ich für ihre Leistungen in der Produktion wie auch bei der Landschaftspflege und beim Umweltschutz namens der CDU/ CSU herzlich danken. ({17}) Ich möchte ihnen unsere Hochachtung für notwendige und erbrachte Arbeitsstunden jahraus, jahrein, auch an Sonn- und Feiertagen und bei wenig Urlaub, aussprechen, und ich möchte ihnen ein gutes Jahr im Stall und auf den Feldern wünschen. ({18})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller ({0}). ({1})

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Kiechle, Sie haben eine sehr lange Rede gehalten, ({0}) mit viel Elan und mit viel Polemik. Es war keine freundliche Rede, obwohl es vielleicht den Anschein hätte haben können. Sie haben uns alles mögliche vorgeworfen, unterstellt und uns auch beschimpft. ({1}) Nur, Herr Kollege Kiechle, Neues haben Sie auch nicht gesagt. ({2}) Ich gebe zu, daß es sehr schwer ist, in der Agrarpolitik etwas Neues zu sagen. Aber Sie haben auch nichts gesagt, was zur Lösung der Agrarprobleme - die niemand leugnet - beitragen könnte. ({3}) Es war kein „Das-ist-es"-Erlebnis, Herr Kollege Kiechle: Widersprüche, Ungereimtheiten, Schlag5598 Müller ({4}) worte. Ich muß gestehen, Ihre Ausführungen waren nicht sehr überzeugend. ({5}) Sie haben viel Polemik geliefert, den politischen Gegner mit ruhiger Stimme verspottet und versucht, ihn auch ein bißchen lächerlich zu machen, so, Herr Kollege Kiechle, wie wir das aus Ihren Versammlungen und aus Ihren schriftlichen Beiträgen auch gewohnt sind. ({6}) Aber ich muß hinzufügen: Für einen Agrarsprecher der CDU/CSU ist das zu wenig. ({7}) Denn diese Ihre Schlagworte und Ihre Polemik ({8}) ersetzen kein agrarpolitisches Konzept. ({9}) Und das hilft auch nicht der Landwirtschaft. Sie haben uns eine falsche Finanz- und Wirtschaftspolitik vorgeworfen. Ich möchte auf einige Ihrer Punkte gleich eingehen, Herr Kollege Kiechle. ({10}) Ich nehme an, auch Sie haben inzwischen gemerkt, daß wir eine weltweite Rezession haben. Ich nehme an, Sie haben gemerkt, daß alle Länder - im Norden, im Süden, im Osten und im Westen - betroffen sind. ({11}) Sie tun so, als könne man die Bundesrepublik Deutschland heraushalten. Aber wir sind kein isoliertes Land, Herr Kollege Kiechle. Sie wissen, daß wir ein Drittel unserer Produktion im Ausland verkaufen müssen - auch Agrarprodukte, Herr Kollege Kiechle. Denken Sie auch daran, welche Rolle gerade die Weltmarktpreise für unsere Agrarausfuhr spielen. Ich brauche nur Zuckerrüben oder Butter zu erwähnen. ({12}) Durch Ihren Hinweis auf Zuckerrüben und Butter geben Sie zu, daß Ihnen diese Zusammenhänge geläufig sind. Aber darauf kommt es Ihnen wohl gar nicht an. Denn Ihr Ziel ist es, die Bundesregierung, die Koalition und die SPD mieszumachen. ({13}) Ich möchte Sie gern fragen, Herr Kollege Kiechle: Welche Politik hätten Sie denn gerne? ({14}) Die italienische oder die englische oder die amerikanische? Gucken Sie doch mal hinüber! Dort regieren doch Ihre Freunde. Wo ist denn jetzt dieser deutsche Thatcher? Es ist in diesem Zusammenhang merklich still um ihn geworden. ({15}) Daran sollten Sie doch einmal denken. Aber über diese Probleme haben Sie nichts gesagt. Sie haben das Beschäftigungsprogramm und die Erhöhung der Mehrwertsteuer erwähnt. Sie regen sich über die Vorsteuererhöhung auf. Ich verstehe Ihre Entrüstung nicht, Herr Kollege Kiechle. Sorgen Sie doch erst einmal dafür, daß die Mehrwertsteuererhöhung verabschiedet wird: ({16}) hier in Ihrer CDU/CSU und auch im Bundesrat. ({17}) Sorgen Sie dafür, daß zugestimmt wird. Denn die Investitionszulage kommt doch wohl auch der Landwirtschaft zugute. Und Sie wollen doch etwas für die Landwirtschaft tun. Sie erwähnten, die Investitionen seien in den letzten Jahren zurückgegangen. Da ist anzunehmen, daß die Investitionen hier nachgeholt werden. Also ist die Investitionszulage für die Landwirtschaft doch gerade das Richtige. ({18}) Sie sollten nicht nur schimpfen, nicht nur klagen oder, wie es bei Ihnen hieß, anklagen, ohne Rezepte zu präsentieren. ({19}) Nützen Sie die Gelegenheit, hier der Landwirtschaft zu helfen! ({20}) Sie haben weiter eine Erhöhung der Soziallasten erwähnt. Ich habe hier einige Unterlagen darüber, wie sich Politiker aus Ihren Reihen in den vergangen Monaten zu diesem Problem geäußert haben. Da hieß es: Ausgaben für Subventionen und Leistungsgesetze sind um 5 % zu kürzen. ({21}) So sagte Ministerpräsident Späth im Bundesrat. So sagte Ihr Haushaltssprecher, der Vorsitzende des TSV München 1860, Erich Riedl. So sagte in der „Bild"-Zeitung in einem Interview ({22}) Müller ({23}) der Generalsekretär Geißler - nach der Verabschiedung dieses Haushaltsstrukturgesetzes. ({24}) So sagte auch der Kollege Glos, der zufällig aus meinem Wahlkreis stammt, hier am 20. Januar. Nur ging der einen Schritt weiter. ({25}) Er sagte, er wisse einen Weg, nämlich - ich lese es mal vor -: Ich kann Ihnen auch aufzeigen, wo es Spielraum gibt. Bei 450 Milliarden DM Sozialausgaben in unserem Lande würde eine Verlagerung von z. B. 10 % jährlich eine Summe von 45 Milliarden DM freimachen. ({26}) Gucken Sie einmal in den Einzelplan 10 hinein, was da alles an Sozialleistungen drinsteht! Ich will gar nicht streiten, ob es nun 5% oder 10 % sein sollten. Aber es ist doch erheblich mehr als das, was wir überhaupt vorgesehen hatten. ({27}) Ich könnte noch einen Punkt anführen. Im Bundesrat lag der Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur vor. Von Ihren Länderregierungen wurde ein Krankenversicherungsbeitrag der Rentner in Höhe von 2 bis 3 % verlangt. Das hätte doch auch die Landwirtschaft betroffen, nehme ich an. 1 % Krankenversicherungsbeitrag der Rentner in der Landwirtschaft machen 20 Millionen DM aus, Herr Kollege Kiechle. Jetzt rechnen Sie einmal zusammen und überlegen Sie dann, wer soziale Demontage betreiben will! ({28}) - Herr Kollege Kiechle, über Rechnen wollen wir beide uns nicht streiten. ({29}) Ich möchte auf ein Zweites hinweisen. Der Agrarbericht zeigt, daß Aufwendungen für die soziale Sicherheit bei kleinen Betrieben erheblich höher zu Buche schlagen als bei größeren Betrieben. Das bedeutet doch, daß es notwendig ist, einkommensschwache Betriebe hier stärker zu entlasten. Das war der Grund, warum wir eine Staffelung der Beiträge für das Altersgeld vorgeschlagen hatten. Wir wollten denen helfen. ({30}) Und wie haben Sie sich verhalten? Sie haben das abgelehnt, Herr Kollege Kiechle. ({31}) Wir sehen nicht ein, daß Bundeszuschüsse an die Einkommensstarken genauso verteilt werden sollen wie an die Einkommensschwachen. ({32}) Deswegen sind wir der Meinung, daß möglichst bald wieder ein entsprechender Gesetzentwurf eingebracht werden soll. ({33})

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Herr Kollege Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Schartz?

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gut, eine. Aber ich weiß, der Herr Präsident rechnet mir das immer an.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002281

Nein, nicht „an"!

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nicht auf meine Redezeit? Hervorragend! Bitte, Herr Kollege Schartz.

Günther Schartz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Müller, sind Sie bereit zuzugeben, daß nach den Vorstellungen; die Sie zur Staffelung der Altersgeldbeiträge hatten, zuerst einmal alle wesentlich mehr hätten zahlen müssen und ein Teil der Betriebe - vor allem die Nebenerwerbsbetriebe - fast das Doppelte der bisherigen Beiträge hätte zahlen müssen? ({0}) Bitte sagen Sie diesem Hause, daß das, was ich sage, richtig ist.

Rudolf Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001565, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Schartz, denken Sie bitte daran, daß die Nebenerwerbsbetriebe in der Summe ein relativ hohes Einkommen haben, weil das außerlandwirtschaftliche Einkommen natürlich auch eine entsprechende Rolle spielt. ({0}) Ich habe schon einmal von diesem Pult aus gefragt: Wie wollen Sie den Arbeitnehmern in den Betrieben, die keinen Nebenerwerbsbetrieb haben, erklären, was Sie hier vorhatten? Das können Sie nicht. ({1}) Jetzt lassen Sie mich bitte zu Ende reden. Sie haben gesagt, wir belasten mehr. Im nächsten Jahr wird der Beitrag 112 Mark betragen. Wären Sie unserer Regelung gefolgt, ergäbe das eine Staffelung zwischen 91 Mark und 131 Mark. Das heißt also, die Einkommensschwachen bräuchten nur 91 Mark zu zahlen gegenüber 112 Mark, die jetzt die Folge Ihrer Entscheidung sind. ({2}) Ich möchte hinzufügen: In den Versammlungen draußen haben Sie immer ein Gewissen für die einkommensschwachen Betriebe. Beweisen Sie doch einmal dieses Gewissen, indem Sie hier entsprechend zustimmen. ({3}) - Herr Kollege Schröder, entschuldigen Sie bitte; ich möchte jetzt fortfahren. Vorhin wurde von der Opposition gefordert, die konsumtiven Ausgaben zu kürzen. Schauen wir uns den Einzelplan 10 an: Bitte, betrachten Sie doch einmal, wieviel Prozent in diesem Einzelplan konsum5600 Müller ({4}) tive Ausgaben sind! Bedenken Sie bitte auch, daß von Kürzungen die Landwirte unmittelbar betroffen sind! Das ist doch der Punkt, den auch hier vorhin der Herr Minister Ertl erwähnt hat. Setzen Sie nicht immer nur Schlagworte in die Welt, sondern denken Sie an die Konsequenzen, die sich gerade hier für die Landwirtschaft ergeben! ({5}) Genauso ist es, wenn Sie jetzt fordern, BAföG sollte noch stärker gekürzt werden. Ich höre das draußen immer wieder. ({6}) Haben Sie einmal überlegt, wie viele kleine einkommensschwache Landwirte - gerade in benachteiligten Gebieten - dadurch betroffen sind? ({7}) - Ja, Sie sind vielleicht nicht betroffen, auch nicht der Herr Kiechle oder Herr Eigen. Aber ich könnte Ihnen viele, viele landwirtschaftliche Betriebe in meinem Wahlkreis, in der Rhön, im Steigerwald oder meinetwegen auch in den norddeutschen benachteiligten Gebieten zeigen, in denen dieses Geld sehr dringend gebraucht wird, damit die Kinder auf Grund dieser Förderung dort an die höhere Schule geschickt werden können. Denen wollen Sie das wegnehmen. ({8}) - Ach, Herr Kollege Kiechle, verschwommene Reden hören wir von Ihnen immer. ({9}) Wenn es darum geht, konkret zu werden, dann wird es bei Ihnen noch nebulöser. Das ist Ihr Problem. Aber in einem Punkt - damit Sie nicht meinen, ich lehne alles ab - will ich Ihnen zustimmen. Es gibt überall, in allen Bereichen, schwarze Schafe, die einen Berufsstand in Verruf bringen können. Wir wollen das Vorgehen dieser schwarzen Schafe weder entschuldigen noch verniedlichen. Sie müssen zur Rechenschaft gezogen werden, und sie müssen für Vergehen bestraft werden. ({10}) Aber es ist ungehörig und unwürdig, pauschal die gesamte Landwirtschaft zu verurteilen und in Mißkredit zu bringen. Wir lehnen diese Art ab. ({11}) Wir sind entschieden gegen Pauschalverdächtigungen. Das sage ich, weil Sie hier den Kollegen Eppler erwähnt haben. Das sage ich auch für die Fraktion der SPD im Bundestag. ({12}) - Beruhigen Sie sich wieder. In Ihrem Wahlkreis hat man zur Kenntnis genommen, daß Sie hier sitzen. Nun zum Einkommen. Das Wirtschaftsjahr 1980/ 81 erbrachte für die gesamte Landwirtschaft ein sehr schlechtes Ergebnis. Wir wollen das auch gar nicht beschönigen. Aber einem Selbständigen kann niemand das Einkommen garantieren; darauf habe ich wiederholt hingewiesen. Ich nehme an, das will auch niemand, denn sonst wäre es mit der Selbständigkeit vorbei. Ein Selbständiger muß auch mit jährlichen Einkommenssprüngen rechnen. Wenn Sie sich die vergangenen zehn Jahre anschauen, dann werden Sie feststellen, welche Sprünge es da gab. Aber Sie sollten bitte nicht nur die negativen erwähnen. Wir hatten 1970/71 minus 10 %, 1971/72 plus 40,6 %, 1972/73 plus 18,8 %, 1975/76 plus 20,2 %, 1977/ 78 plus 10,3 % und in diesem Wirtschaftsjahr minus 12,6 %; im nächsten wird es wieder besser. ({13}) Das ist alles schon einmal dagewesen. Es ist also nichts Neues, was Sie uns über die Einkommenssituation erzählen. ({14}) - Es ist bedauerlich, daß Sie nichts Neues sagen können, da gebe ich Ihnen recht. ({15}) Ich gebe zu, es hat wenig Sinn, aufzurechnen, in diesem oder jenem Bundesland sei es besser und bei dieser oder jener Betriebsart günstiger. Alle Landwirte mußten Einkommenseinbußen hinnehmen, die einen mehr, die anderen weniger. Man kann höchstens feststellen, daß Landwirte mit hohem Einkommen Rückgänge besser verkraften können. Ich gebe zu, auch das ist ein schlechter Trost, denn wer nimmt schon gerne Einbußen hin? Warum sollte das in der Landwirtschaft anders sein? Aber ich möchte diesen Hinweis nicht als Vorwurf verstanden wissen, daß es in der Landwirtschaft auch Betriebe und Familien mit gutem und sehr gutem Einkommen gibt, denn Einkommensunterschiede haben wir überall, bei den Selbständigen genauso wie bei den Angestellten und Beamten. Wer mehr weiß, wer mehr kann, hat die Chance, eventuell besser zu verdienen. Gerade Untersuchungen in der Landwirtschaft zeigen, daß ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Einkommen und Ausbildung besteht. Daran sollte man auch denken, wenn man über die innerlandwirtschaftliche Disparität oder über das obere und untere Viertel spricht. ({16}) Der alte Spruch: Gelernt ist gelernt, gilt auch für die Landwirtschaft, und er setzt sich auch bei der jungen Generation mehr und mehr durch; denn die Müller ({17}) Zahl der Auszubildenden in Agrarberufen hat seit 1973 ständig zugenommen, allein von 1977 bis 1980 um 15 % auf 47 000. Ich möchte aber vorsichtig hinzufügen: es sollten wirklich nur die diesen Weg einschlagen, für die auch später eine Chance besteht. Dabei ist natürlich der hohe Anteil weiblicher Auszubildender erfreulich. Die Agrarberichte 1981 und 1982 weisen nach, daß der Drang zur Meisterprüfung zugenommen hat, allein im letzten Wirtschaftsjahr um 11 %. Zu diesen Entscheidungen können wir die jungen Hofnachfolger nur ermuntern. Für uns ergibt sich trotzdem die Frage, worauf dieser Einkommensrückgang zurückzuführen ist. Der Erlös in der Landwirtschaft ergibt sich aus Produktionsmenge mal Preis. Im mehrjährigen Trend haben sowohl die Produktionsmenge als auch der Preis zugenommen; jährlich haben wir die Preisanhebungen in Brüssel miterlebt. Natürlich weiß ich, daß von Ihrer Seite gesagt wird: zu wenig. Trotzdem oder gerade, weil das so ist, ist das Reineinkommen der Landwirtschaft nicht nur nicht gestiegen, sondern sogar gesunken, und das liegt vor allem an den enormen Kostensteigerungen. Ich könnte auch das Wetter erwähnen, weil vorhin Schleswig-Holstein angesprochen worden ist. Im Zusammenhang mit dem Wetter könnte ich auch Rheinland-Pfalz nennen, mit der Wirkung auf die Weinpreise usw. Entscheidend waren die Kosten, an erster Stelle die Energiekosten. Im letzten Jahr mußte die Landwirtschaft für Energie 350 Millionen DM mehr ausgeben, und im Jahr vorher waren es schon 970 Millionen DM mehr. Das gleiche gilt für Düngemittel und Pflanzenschutz, wofür im letzten Jahr 530 Millionen DM mehr und im Jahr vorher 600 Millionen DM mehr aufgewendet werden mußten. ({18}) Ähnlich sieht es bei Futtermitteln aus; es ist vorhin auf den Dollarkurs hingewiesen worden. In zwei Jahren haben wir in der Landwirtschaft dadurch eine Kostensteigerung von mehr als 3,4 Milliarden DM. Daraus folgt als Konsequenz, daß wir mehr tun, alles tun, unser Hauptaugenmerk darauf richten müssen, diesen Kostenanstieg, z. B. bei den Energiekosten, zu bremsen. Es bieten sich viele Möglichkeiten an. Ich will nur einige schlagwortartig erwähnen: Wärmerückgewinnung, verstärkter Einsatz von Stroh. Denken wir daran, daß 5 Millionen Tonnen Stroh 1,5 Millionen Tonnen Heizöl ersetzen können. Die Landwirtschaft verbraucht 1,8 Millionen Tonnen Heizöl. BML und BMFT fördern erfreulicherweise verschiedene Projekte zur Strohverbrennung. Ich möchte der Landwirtschaft dringend raten, solche Versuche verstärkt fortzuführen. Die Landwirtschaft muß aber auch darauf hingewiesen werden, den überbetrieblichen Maschineneinsatz besser zu nutzen - ich bin nicht Ihrer Meinung, Herr Kollege Kiechle, daß wir da schon an die Grenze gekommen sind -, denn sie spart dadurch nicht nur Anschaffungs-, sondern vor allem auch Folgekosten. Ich meine, es sind noch nicht alle Rationalisierungsmöglichkeiten erschöpft; denn gerade kleine und mittlere Betriebe sind nicht in der Lage, jeden technischen Fortschritt nachzuvollziehen. Das beweist auch der Agrarbericht; denn der Kostenaufwand je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche für Maschinen und Geräte betrug im Wirtschaftsjahr 1979/80 für einen 10-Hektar-Betrieb 5 970 DM, für einen 50-Hektar-Betrieb aber nur 1 650 DM. Ich möchte auch noch das Beispiel des Ackerschleppereinsatzes im Vergleich zwischen Großbritannien und der Bundesrepublik erwähnen. Ich weiß, daß dieser Vergleich etwas hinkt; aber das tut jeder Vergleich. Ein kleiner Hinweis sollte jedoch möglich sein: Auf 1 000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche kommen in der Bundesrepublik 111, in Großbritannien 25 Ackerschlepper; auf 1 000 ha Getreidefläche kommen in der Bundesrepublik 34, in Großbritannien 15 Mähdrescher. Die Frage ist: Muß das so sein? ({19}) - Ich habe ja gesagt, alle Vergleiche hinken. Aber daß ich nicht ganz falsch liege, zeigt doch, daß auch der Minister von Rheinland-Pfalz dazu etwas gesagt hat. Ich will es mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einmal kurz zitieren: „Die rheinland-pfälzischen Landwirte sollen nach Ansicht von Landwirtschaftsminister Otto Meyer, CDU, mehr als bisher die Vorteile der Maschinenringe nutzen." ({20}) Ich möchte einen zweiten Hinweis aus der „Landwirtschaftlichen Korrespondenz Nordrhein" geben. Da heißt es: Als ein wesentliches Mittel der Selbsthilfe zur Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in den bäuerlichen Betrieben sieht der Rheinische Landwirtschaftsverband den überbetrieblichen Maschineneinsatz. Auch aus Bayern kommt so etwas ähnliches. Ich will es nicht mehr vorlesen; es geht in die gleiche Richtung. ({21}) Damit will ich sagen: Es ist nicht neu, daß über- und zwischenbetriebliche Zusammenarbeit der Landwirtschaft hilft, Kosten zu sparen. Ich meine, wir brauchen nicht darüber zu streiten, daß noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Gerade weil die Kostensituation so ist, sollte jede Chance genutzt werden. Hier geht es nicht nur um den Maschineneinsatz. Ich könnte genau das gleiche in bezug auf Erzeugung und Absatz begründen. Hier sind noch einige Möglichkeiten drin. Übrigens weist der Bayerische Bauernverband in seinem neuen Grundsatzprogramm darauf hin. Entsprechendes möchte ich zur Düngung sagen. Jeder Landwirt sollte darauf achten, des Guten nicht zuviel zu tun. Natürlich muß dem Boden der entzogene Mineralstoff wieder zugeführt werden. Aber es sollten regelmäßige Bodenuntersuchungen stattfin5602 Müller ({22}) den, damit man ein objektives Bild über den Bodenzustand erhält. ({23}) - Herr Kollege Kiechle, fragen Sie einmal nach, bei wieviel Prozent der Bauern in Bayern Bodenuntersuchungen gemacht werden. ({24}) Sie werden sich über die Zahl wundern. Ich bin überzeugt, daß es in den anderen Bereichen nicht anders aussieht. Welche Konsequenzen sich aus Überdüngung nicht nur von der Kostenseite her ergeben, darauf brauche ich im Augenblick nicht hinzuweisen. Ich meine, von einem gut ausgebildeten Landwirt muß erwartet werden, daß er bei jedem Zentner Mineraldünger, den er zusätzlich aufs Feld wirft, nachrechnet und nachprüft, ob er seinen Gewinn steigert oder nur die Kosten erhöht. Denn das Gesetz des abnehmenden Ertragszuwachses gilt auch für die Landwirtschaft. Ich möchte das nicht nur für den Einsatz von Dünger sagen, sondern genauso für den Einsatz und den Verbrauch von Futtermitteln. ({25}) Gerade die starken Preissteigerungen haben bewiesen, daß man die Gewinn-und-Verlust-Schwelle viel eher erreicht. - Sie brauchen mir nicht zu sagen, daß ich das nachvollziehen möge; das habe ich längst getan, Herr Kollege. ({26}) Nun noch ein Wort zu den Substituten. Das ist ja ein Steckenpferd des Herrn Kollegen Kiechle. Er weist immer wieder darauf hin. Heute hat er es nur ganz kurz anklingen lassen. Ich meine, man sollte ganz deutlich hervorheben, daß es falsch ist, alle abschöpfungsfreien Importfuttermittel als Getreideersatz zu bezeichnen; denn die Eiweißträger dienen der Ergänzung, nicht der Verdrängung von Getreide. Importfuttermittel werden auch von allen Betrieben genutzt, von großen und kleinen, nicht nur an der Küste, sondern auch in benachteiligten Gebieten. Gerade in benachteiligten Gebieten erwirtschaften viele Betriebe dank dieser importierten Futtermittel ein entsprechenes Einkommen. Ohne diesen preiswerten Import wäre auch der Aufschwung der tierischen Produktion bei uns nicht möglich gewesen. Zoll und Steuern führen sofort zu einer Verteuerung der Veredelungsproduktion; das wird natürlich auf die Verbraucher abgewälzt. Die Frage ist nur, wie die Verbraucher reagieren; denken Sie an den Fleischverbrauch im letzten Jahr, der zurückgegangen ist. Aber eine Lösung im Sinne von mehr Zoll und mehr Steuern, wie sie immer wieder vorgeschlagen wird, meinetwegen sogar die Einführung einer Fettsteuer, bringt natürlich auch sehr viele außenwirtschaftliche und außenpolitische Probleme. Sie wissen doch, wie die Amerikaner reagieren würden, welche Konsequenzen sich hier für uns ergäben. Gerade das Errichten einer solchen Zollmauer führt zu einem weiteren Abkapseln der EG, zu weiterem Protektionismus. Sie sind es doch, die auch immer befürworten, den Protektionismus nicht auszuweiten, sondern alles zu tun, um diesen Protektionismus einzuschränken. Deswegen wundere ich mich immer wieder, Herr Kollege Kiechle, daß Sie diese protektionistische Fahne schwingen, zum Nachteil der Verbraucher, zum Nachteil der Landwirtschaft und auch zum Nachteil unserer Bundesrepublik. Nun noch ein paar Sätze zur Preisanhebung in Brüssel. Wir geben zu, Herr Kollege - da sind wir wohl einer Meinung -, daß die Preisanhebung für die Staaten unterschiedlich sein wird, schon auf Grund der Inflationsraten. Ich nehme auch an, daß wir darüber einig sind, Herr Kollege Kiechle, daß den einkommensschwachen Betrieben oder den Problembetrieben, wie sie genannt werden, mit Preisanhebungen allein nicht zu helfen ist. Langfristig gibt es für diese Betriebe nur zwei Möglichkeiten - ich habe Ihnen das schon wiederholt dargelegt -, nämlich entweder Aufstockung zum Vollerwerbsbetrieb oder Übergang zum Nebenerwerbsbetrieb. Beide Wege sind offen, beide Wege sind möglich. ({27}) Das hat nichts mit Wachsen und Weichen zu tun, wie Sie uns immer unterstellen, Herr Kollege Kiechle, das ist ein Strukturwandel, wie er in allen Wirtschaftsbereichen vorkommt. ({28}) Für einen Strukturwandel setzten Sie sich doch ein. Wir müssen dafür sorgen, daß es ein sozialer Strukturwandel wird, und deswegen sind wir dafür, daß die Landabgaberente verlängert wird, meinetwegen modifiziert. ({29}) - Ich komme gleich auf dieses Argument zurück. Schauen Sie sich einmal an, wie die Situation in der Landwirtschaft ist, und wo es überhaupt zutrifft. Ich habe nicht gesagt, daß es kurzfristig sein wird, es ist vielmehr ein langfristiger Vorgang. Dieser Vorgang ist vorgezeichnet, wenn Sie sich nur einmal die Untersuchung über die Hofnachfolge in der Landwirtschaft anschauen. Sie werden feststellen, daß über die Hälfte dieser Problembetriebe überhaupt keinen Hofnachfolger hat. Das ist die Situation, und deswegen unterlassen Sie hier gewisse Unterstellungen. ({30}) - Das ist keine Tatsache; ich habe gesagt: Das ist ein langfristiger Vorgang, und so wird es auch kommen. - Sie wissen genauso gut gut wie ich, daß die Hofnachfolger auf diesen Problembetrieben nur zu einem ganz geringen Teil bereit sind, diesen Betrieb, den ihr Vater noch haupterwerblich bewirtschaftet hat, so fortzuführen, sondern sie sind vielmehr nur bereit, auf den Nebenerwerb auszuweichen. Diese Untersuchung und auch die Zahlen betreffend den Strukturwandel, wie wir ihn in diesem Jahr haben, Müller ({31}) zeigen, daß dieser Weg beschritten wird. Schauen Sie sich das einmal etwas genauer an. Sie sind der Meinung, der Vorschlag der Kommission von 9 % sei zu niedrig. Bitte bedenken Sie, daß jede Erhöhung zu Lasten der Bundesrepublik geht, denn die muß es bezahlen. Wir sind ja nicht dagegen, daß die Bundesrepublik Nettozahler ist, wir sind auch einverstanden, daß sie größter Nettozahler bleibt, ({32}) aber wir sind dagegen, daß die Bundesrepublik der einzige unbegrenzte Nettozahler ist - darauf kommt es nämlich an -, denn wenn Sie sich die anderen Länder anschauen, dann werden Sie feststellen, daß dort der Lebensstandard - oder wie wir es nennen wollen - nicht schlechter ist als in der Bundesrepublik, sie aber trotzdem Nettoempfänger sind. Ich stimme Ihnen auch zu, Herr Kollege Kiechle, daß bei der Verrechnung mit dem Grenzausgleich für die deutsche Landwirtschaft mehr herauskommen muß. Aber Sie kennen doch das Problem der EG. Das ist ein Selbstbedienungsladen geworden, nationale Interessen und nicht das Gemeinschaftsinteresse stehen im Vordergrund. Deswegen werden Kompromisse immer schwieriger. Und wenn Europa heute schon Geburtstag hat, müssen wir feststellen: Dieses Agrareuropa zeigt am heutigen Tag kein schönes Bild. Wir müssen auch feststellen, daß die Agrarausgaben von Jahr zu Jahr gestiegen sind, sich von 1974 bis 1981 verdreifacht haben. Aber Nutznießer sind doch nicht die Landwirte. Allein das sollte Grund genug sein, darüber nachzudenken, was man ändern und was man besser machen könnte. Natürlich ist es schwer, das in Brüssel durchzusetzen. Aber was ist denn dort nicht schwer? Man streitet über Wege, ist sich aber über Zielvorstellungen nicht einig. Helfen Sie mit, diesen Weg zu gehen; denn unser gemeinsames Ziel ist doch der selbständige Bauernstand. Ziel ist, diesen auch in Zukunft zu erhalten. Ich meine, das sollte jeder Mühe wert sein. - Herzlichen Dank. ({33})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Abgeordnete Paintner.

Johann Paintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001672, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich eine gute Übung dieses Hohen Hauses, daß man zu Beginn einer Rede auf die Äußerungen eingeht, die ein namhafter Oppositionspolitiker gemacht hat. ({0}) Ich möchte von dieser Übung insofern abweichen, als ich zunächst das unterstreichen möchte, was Herr Kiechle nach meiner Meinung gut gesagt hat. Er hat nämlich den deutschen Bäuerinnen und Bauern für ihre Arbeit gedankt und der deutschen Landwirtschaft in Feld und Stall alles Gute gewünscht. ({1}) Aber um zur Übung dieses Hohen Hauses zurückzukehren: Wir müssen alles tun - wie Herr Kiechle das auch gesagt hat -, um bei der übrigen Bevölkerung Verständnis für die Landwirtschaft zu wecken. Wenn das so ist, muß ich Ihnen jedoch sagen, daß mir der Ton nicht gefällt, wie er im Zusammenhang mit den Naturschützern, Umweltschützern und Tierschützern angeklungen ist. Ich gebe zu, daß dieser Ton oft angebracht wäre, daß auch ich manchmal versucht bin, in diesen Ton zu verfallen. ({2}) Aber ich bin davon überzeugt, daß wir zu einem unerwünschten Ergebnis kommen, wenn wir so einen Ton anschlagen. ({3}) Letzten Endes ist doch immer das Ergebnis wichtig. Daher bin ich der Meinung, daß wir uns mit diesen Kreisen zusammensetzen und mit Ihnen reden müssen. Ich füge sogar hinzu: Wir müssen manchmal sogar mit einem Minister noch mehr reden. Das gilt auch dann, wenn er meiner Fraktion angehört. ({4}) Mir gefällt auch nicht besonders gut der Stil, mit dem unser Staatssekretär behandelt wird. ({5}) Wenn man A sagt, muß man auch B sagen. Man müßte daher Roß und Reiter nennen. Der heurige Agrarbericht ist, wie ich meine, wieder einmal ein besonderer Beweis dafür, wie recht die Väter des Landwirtschaftsgesetzes hatten, einmal im Jahr einen Agrarbericht vorlegen zu lassen, einmal im Jahr zu überprüfen, wie es mit unserer Land- und Forstwirtschaft, dem ländlichen Raum, der Ernährungssicherung und Erhaltung der Kulturlandschaft steht. Nachdem der heurige Agrarbericht für die Landwirtschaft ein unbefriedigendes Ergebnis aufweist, erscheint es mir besonders wichtig, neben der kritischen Beleuchtung und Auswertung der Ergebnisse des Agrarberichtes festzustellen, daß wohl die meisten Bürger in unserem Staate eine funktionsfähige heimische bäuerliche Landwirtschaft wollen, die ein wesentlicher Bestandteil der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik ist, die auch ein wesentlicher Bestandteil der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik ist, die sicher und gute Nahrungsmittel zu angemessenen Preisen produziert. Es ist heute schon mehrmals erwähnt worden: Seit der Polenkrise hat das Wort „Ernährungssicherung" eine ganz andere Bedeutung. Ich hoffe, daß sich alle Bürger in unserem Lande darüber im klaren sind. ({6}) Ich möchte für unsere Landwirtschaft sagen, daß sie in der breiten Masse der Bevölkerung meistens als billiger Landschaftsgärtner erwünscht ist, daß hier aber auch eine andere Einschätzung notwendig wäre. ({7}) Wenige Bürger machen sich Gedanken darüber, wie dies alles zustande kommt. ({8}) Darum muß es auch angebracht sein, gerade anläßlich einer Agrardebatte die Bevölkerung zu fragen, was sie vom Hunger in der Welt und in diesem Zusammenhang auch von der Landwirtschaft als dem Produzenten von Nahrungsmitteln hält. Es muß auch erlaubt sein, darauf hinzuweisen, daß die Landwirte moderne Unternehmer geworden sind, die aber im Vergleich zu anderen Berufsgruppen am Tag viele Stunden länger arbeiten. Bei vielen Berufskollegen gibt es kein freies Wochenende und keinen Urlaub. Daß in der Landwirtschaft die Frauen heute noch 36 % der betrieblichen Arbeiten leisten, ist, so meine ich, auch eine Tatsache, die man einmal aufführen muß. Auch sollte man nicht übersehen, daß der landwirtschaftliche Produktionswert von 52 Milliarden DM 1980/81 einen wirtschaftlichen Faktor darstellt, der für die übrige Wirtschaft von entscheidender Bedeutung ist. Jeder sechste Arbeitsplatz hängt mit der Landwirtschaft zusammen. Die Landwirtschaft hat fast doppel soviel wie die deutsche Automobilindustrie in Maschinen und Gebäuden investiert. Dies nur als einige Stichworte. Man könnte vieles ins Feld führen, um den Beweis anzutreten, wie wichtig die deutsche Landwirtschaft für den ländlichen Raum und für diesen Staat insgesamt ist. Deshalb bin ich auch der Meinung, daß wir gut beraten wären - damit meine ich die Politiker aller Fraktionen in unserem Lande; ich meine die Berufsverbände, die Interessenverbände, alle Schichten in unserem Volke -, wenn wir zusammenrückten und in der Öffentlichkeit das zum Teil festgefahrene Meinungsbild über die deutsche Landwirtschaft und den ländlichen Raum wieder ins richtige Licht rückten. ({9}) Der Agrarbericht 1982 weist eine unbefriedigende Einkommenslage der Landwirtschaft aus. Ein Einkommensrückgang in Höhe von 12,6 % ist ein Anlaß zur Sorge. 100 000 Betriebe mit einem Betriebsergebnis von minus 600 DM je Familienarbeitskraft sind meiner Meinung nach mehr als Anlaß zur Sorge. Dieser Tatbestand ist nicht neu. Er wurde im letzten Jahr schon angekündigt. Das dies für die Opposition ein erfreulicher Anlaß ist, die Agrarpolitik dieser Bundesregierung und der sie tragenden Parteien in ein einseitiges Licht zu rücken, ist verständlich. ({10}) Gott sei Dank lassen die Vorausschätzungen der Einkommensentwicklung für das laufende Wirtschaftsjahr einen Einkommensanstieg von durchschnittlich 9 % erwarten. Über Prozentzahlen könnte man streiten. Es geht also schon wieder aufwärts. Was wäre schlimmer, als den Mut zu verlieren? Seit 1969/70 kann man aus den Agrarberichten immer wieder einen Wechsel zwischen guten und schlechten Ergebnissen herauslesen. So stieg z. B. das Einkommen - das hat Herr Kollege Müller hier auch bereits ausgeführt - 1969/70 um 9 %, 1970/71 dagegen fiel es um 11 %. 1971/72 wiederum stieg es sogar um 41 % - und das auch unter diesem Minister Josef Ertl und unter dieser sozialliberalen Koalition -, ({11}) 1972/73 stieg es weiterhin um 19 %; ich könnte Ihnen hier weiter die entsprechenden Zahlen vorlesen. Ich glaube, daß dies ein Beweis ist, daß die Problematik zum großen Teil auch überzeichnet wird. Der Opposition, die meint, daß das Ergebnis dieses Agrarberichts zum Anlaß zu nehmen ist, um die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien in der Agrarpolitik abzuwerten, möchte ich in allem Anstand sagen, daß bloße Lippenbekenntnisse für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum nicht ausreichen, um vor den Landwirten glaubhaft zu bestehen. Die Landwirte wissen nämlich, was mit der Unterschrift unter die Römischen Verträge an Zuständigkeit in der Agrarpolitik an die EG gegangen ist. Wenn wir heute den 25. Jahrestag der EG feiern, dann muß man auch einmal wissen, was gut war. Ich möchte hier nur an den Agrarexport erinnern, daran, was wir damals hatten und was heute exportiert wird. ({12}) Wenn die Opposition mehr fordert, so wissen Sie, daß dann die vom Deutschen Bundestag - mit der Opposition - beschlossene Regelung hinsichtlich der 1 % Mehrwertsteuer nicht mehr ausreicht, um die Forderungen zu finanzieren; dies ist eben auch das Gebot der Stunde. Sie wissen auch, daß durch die EG-Regelungen nationale Forderungen nur sehr eingeschränkt oder fast überhaupt nicht mehr durchzusetzen sind. Wenn solche nationalen Maßnahmen von anderen Ländern, z. B. Holland und Frankreich, ergriffen werden, klagen wir das mit der Opposition zu Recht an; hier betone ich nochmals: mit der Opposition. Man kann sich aber nicht auf der einen Seite über das geltende Recht beklagen und auf der anderen Seite die Bundesregierung vielleicht gar noch zum Rechtsbruch auffordern. Ich meine, hier ist Ehrlichkeit angebracht. Hier verlasse ich mich auf das gute Gespür der Landwirte für Wahrheit und Gerechtigkeit. Niemand bestreitet, daß die Einkommenslage der Landwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland unbefriedigend ist. Dies weist Ihnen der vorliegende Agrarbericht 1982 der Bundesregierung aus. Dies kommt auch in der Einbringungsrede des Landwirtschaftsministers und in allen Debattenbeiträgen zum Ausdruck; daran wollen wir nichts beschönigen. Es erübrigt sich daher, Ihnen Zahlen vorzutragen, die Sie schwarz auf weiß besitzen. Trotzdem ist zu dem, was in der Debatte zu diesem Thema bisher ausgeführt wurde, einiges klarzustellen, nämlich das, was allzusehr vereinfacht oder gar verfälscht wurde. Ergänzen möchte ich einiges, was vielleicht vergessen oder auch - weil unangenehm - verschwiegen worden ist. Einiges gibt es auch zu korrigieren, was an Forderungen in den Raum gestellt wurde und wodurch falsche Hoffnungen geweckt werden könnten. Schließlich möchte ich einige Perspektiven nennen, welche aus meiner Sicht realistisch sind. ({13}) Zu dem Vorwurf, daß die Bundesregierung die Schuld an der unbefriedigenden Einkommens-/ Ertragslage der Landwirtschaft trägt, möchte ich sagen: Wenn - wie im abgelaufenen Wirtschaftsj ahr - die Durchschnittseinkommen in den Betriebsformen, Betriebsgrößenklassen und Bundesländern zurückgehen, ist es sehr vereinfachend, die gesamte Landwirtschaft in einen Topf zu werfen, die Umgebung nicht mehr wahrzunehmen und den zuständigen Politikern die Schuld zuzuweisen. ({14}) Eine solche Behauptung ist nicht nur zu einfach, sie ist auch falsch. Auch durch dauernde Wiederholung wird sie nicht richtiger. Die Landwirtschaft und den Durchschnittsbetrieb gibt es zwar in der Statistik - und beide sind gelegentlich auch in der politischen Diskussion unverzichtbar -, die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Für eine verantwortungsbewußte Agrarpolitik kann es auch in Zukunft die Landwirtschaft ebensowenig geben wie die Durchschnittsbetriebe als agrarpolitische Zielgröße. Wenn im Ausnahmejahr 1980/81 die Entwicklung mehr oder weniger einheitlich negativ gewesen ist, heißt das doch nicht, daß auch die Ursachen einheitlich gewesen wären. Der Agrarbericht weist aus, daß die Weinbaubetriebe und auch viele Betriebe in Schleswig-Holstein durch eine schlechte Ernte nur niedrige Einkommen erzielt haben. Wenn es wahr ist, daß die Hauptursache für die unbefriedigende Einkommenslage in der Preis-Kosten-Relation zu suchen ist, kann nicht einseitig die Bundesregierung schuldig gesprochen werden. ({15}) Ich warte noch auf den Tag, wo die Bundesregierung vielleicht auch noch das Wetter machen soll. ({16}) Nach früheren Agrarberichten der Bundesregierung konnten in den landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieben bis zur Mitte der 70er Jahre überwiegend anderen Wirtschaftsbereichen vergleichbare Einkommen erzielt werden. Die Preis-KostenRelation war vergleichsweise günstig. Viele Arbeitskräfte wanderten in attraktive nichtlandwirtschaftliche Tätigkeiten ab. Der Produktivitätsfortschritt ermöglichte leistungsfähigen, über innere und äußere Aufstockung wachsenden Betrieben befriedigende Einkommen. ({17}) - Ich habe gesagt, von was für einem Jahr ich spreche. Rückblickend müssen wir uns fragen, ob die Preisbeschlüsse in Brüssel nicht oft als das Resultat einer Art von Tarifverhandlungen mißverstanden worden sind. ({18}) Hier erinnere ich nur an die Zuwachsrate von 41 %, die ich vorhin genannt habe, und daran, daß die Landwirte überall in Europa übertriebene Hoffnungen schöpften und ihre Produktion ganz im Einklang mit den politisch expansiv bemessenen Rahmenbedingungen ausdehnten. Nur so ist es zu erklären, daß mittlerweile die Agrarproduktion pro Jahr doppelt so stark steigt wie der Verbrauch. Ob dadurch in weiten Teilen Europas die notwendige strukturelle Anpassung der Landwirtschaft gelähmt wurde, überlasse ich Ihrer Beurteilung. In der Bundesrepublik Deutschland führte dies 1975/76 im Durchschnitt aller Vollerwerbsbetriebe bisher zum höchsten Gewinn je Familienarbeitskraft, 25263 DM, der damals um 8,5 % über den Vergleichslohn in der gewerblichen Wirtschaft lag. Das Dürrej ahr 1976/77 brachte, wie wir wissen, einen starken Einkommenseinbruch. Danach kamen bis 1978/79 mäßige Jahre. Statt einem Anstieg der Einkommen gab es in den beiden letzten Wirtschaftsjahren ein Minus von 1,9 %. Im Berichtszeitraum des letzten Agrarberichts gab es mit minus 12,6 % einen starken Einbruch. Im nichtlandwirtschaftlichen Bereich war es umgekehrt, so daß sich ab 1976/77 der einkommensmäßige Abstand der Landwirtschaft vergrößerte. Jedoch haben die Unternehmereinkommen auch in anderen Wirtschaftsbereichen teilweise stagniert. Auch die Zuwachsraten der Löhne und Gehälter fallen heute deutlich niedriger aus als vor einigen Jahren. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir uns eingestehen, daß in Brüssel ausgehandelte höhere Marktordnungspreise noch lange kein höheres Einkommen bedeuten. Ich war sehr beeindruckt von dem Redner der Landjugend - es war Herr Ritter -, der vorgestern in der Beethovenhalle in Bonn sagte: Das ist wichtig, was auf unseren Höfen vor unseren Türen ankommt. Ich unterstreiche das voll und ganz. ({19}) Das gilt besonders für die Produkte, die auf gesättigte Märkte treffen. Bis Mitte der 70er Jahre - wir können sie ruhig die goldenen 70er Jahre nennen - war die Einkommensentwicklung für die Landwirtschaft doch nur deshalb so positiv, weil angesichts der Marktlage die erhöhten Marktordnungspreise zu 90 % und - nun hören Sie gut zu - ab 1976/77, als es mit den Einkommen bergab ging, nur noch zu 30 % auf den tatsächlichen Erzeugerpreis durchschlugen. Tatsächlich bleiben die Einkommenswirkungen der EG-Preisstützungen gering, ja, sie wurden für die Einkommen der Landwirte fast bedeutungslos. Einkommensmindernd wirkten sich dabei zusätzlich restriktive Interventionen, Exporterstattungen sowie eine erhöhte Mitverantwortungsabgabe aus. Für die deutsche Landwirtschaft kamen in den letzten Jahren der laufende und inzwischen vollzogene einkommensmindernde Abbau der Währungsausgleichzahlungen sowie die über einen längeren Zeitraum zu niedrige Vorsteuerpauschale hinzu. Dies erklärt insgesamt, warum von den EG- Preisstützungen und den landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren kaum positive Einkommensimpulse ausgingen. Erst wenn der Währungsausgleich fest vereinbart wird, können die deutschen Landwirte bei traditionell niedrigen Inflationsraten wieder stärker von den EG-Preisanhebungen profitieren. Auf Überschußmärkten hat die Landwirtschaft noch nie nachhaltig ausreichende Einkommen erzielen können, wie dies jeder Obst- und Gemüsebauer weiß, aber auch alle Winzer und Schweinemäster in besonders hohem Maße wissen. Nur bei starker Marktstellung mit ausgeglichenen oder gar schwach defizitären Märkten können die landwirtschaftlichen Unternehmer ihre steigenden Kosten auf den Erzeugerpreis überwälzen. Obwohl unsere früheren Marktvorräte bis hin zu Vorratsbergen heute weitgehend geschmolzen sind, ist in der Landwirtschaft nicht die Vorratsstatistik, sondern der Preis einziger Maßstab gleichgewichtiger, von Angebot und Nachfrage regulierter Märkte. Ist er niedrig wie 1980/81, ist das Angebot zu hoch. Daraus folgert, die Erzeuger müssen überall in Europa entsprechend der Gestaltung der Rahmenbedingungen durch die EG-Agrarpolitik das Angebot stärker dem Bedarf anpassen. Die Kunst besteht darin - ich weiß, das sind starke und große Worte -, nicht mehr das anzubieten, was erzeugt werden kann, sondern das zu erzeugen, was sich gewinnbringend verkaufen läßt. Ich bin selber Landwirt und weiß, was dies bedeuten würde. Aber ich bin der Meinung, daß man dies mindestens anstrebten müßte. Nur über ein marktgerechtes Angebot sind ausreichende Preise und nachhaltig steigende Gewinne, die trotz Preisstützungen stets am Markt erwirtschaftet werden müssen, möglich. Übersättigte Märkte sind Verlustmärkte für die Bauern. Gleichgewichtige oder gar leicht defizitäre Märkte bringen gute Gewinne. Dies schließt begrenzte Grundsicherungen im Interesse der Erzeuger und Verbraucher sowie einen gewissen Ausgleich zyklischer und saisonaler Marktschwankungen nicht aus. Unsere Landwirte müssen damit vertraut gemacht werden, daß auf lange Sicht funktionsfähige Märkte besser sind als das Vertrauen auf Marktregelungen bei defizitären Haushalten und kaum finanzierbarer Überschußproduktion. Welche aktuellen preis- und einkommenspolitischen Folgerungen müssen nun von der Agrarpolitik aus der derzeitigen Situation gezogen werden? So schwierig das auch ist, möchte ich dazu feststellen: Es ist unbestritten, daß die Kostenentwicklung und die Einkommenslage der bäuerlichen Landwirtschaft auch weiterhin eine aktive, aber markt- und einkommensorientierte EG-Preispolitik erfordern. Jedoch darf es nicht so weit gehen, daß jede Preisverbesserung sofort zu einer höheren Produktion führt. Ganz besonders muß bei der EG-Preisrunde der deutsche Grenzausgleich aus Einkommensgründen deutlich geringer abgebaut werden. Währungskorrekturen erfordern den Währungsausgleich. Er gefährdet den EG-Markt nicht, sondern ermöglicht ihn erst, solange die gemeinsame Wirtschafts- und Währungspolitik nicht verwirklicht ist. Dies läßt sich sehr einfach dadurch beweisen, daß trotz Finanzausgleich der Handel mit den entsprechenden Produkten keineswegs zurückgegangen ist. Wenn ein einkommenswirksames Marktgleichgewicht hergestellt werden soll, muß die EG-Handelspolitik darauf ausgerichtet werden. Für mich sind die Substitute eine Art Achillesferse der Agrarpolitik, wobei ich keinesfalls einem Einfuhrstopp das Wort reden will. Abmachungen über die Menge sind aber dringend geboten. Wettbewerbsverzerrungen wie durch billiges Erdgas in Holland müssen beseitigt und nationale Förderungsaktivitäten wie in Frankreich müssen von der Kommission verboten werden. ({20}) Leider leuchtet nun das Licht bei mir schon auf. ({21}) Ich möchte daher zum Schluß kommen. Es ist mir aus Zeitgründen nicht mehr möglich, noch mehr über die Situation zu berichten. So möchte ich zum Schluß noch persönlich sagen, daß ich die vorgestern vom Deutschen Bauernverband verfaßte Resolution sehr ernst nehme, j a, ich sage, die Sorgen des Deutschen Bauernverbandes sind deckungsgleich mit den meinen. Das Herz der FDP-Fraktion mit Wolfgang Mischnick an der Spitze, mit dem Vizekanzler Genscher, mit dem Landwirtschaftsminister Josef Ertl und Staatssekretär Georg Gallus ({22}) schlägt auch weiterhin ({23}) für die Landwirtschaft, für den ländlichen Raum sowie für alle Verbraucher in unserer Bundesrepublik Deutschland. ({24})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Landes Schleswig-Holstein. Minister Flessner ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die drei Sprecher der Fraktionen haben in ihren Beiträgen die Gesamtentwicklung der deutschen Landwirtschaft, wie sie in den Durchschnittsdaten des Agrarberichts deutlich wird, bereits weitgehend dargelegt. Ich will das hier nicht wiederholen. Als Vertreter eines Bundeslandes möchte ich aber Ihr Minister Flessner ({1}) Augenmerk gern etwas stärker auf die unterschiedlichen regionalen Wirkungen lenken. Bei allen weltweiten Verflechtungen in Wirtschaft und Politik dürfen wir nie vergessen, daß unser politisches Handeln und hier im besonderen die Agrarpolitik an der Wirkung für die Menschen, auf die einzelnen Familien, Landwirte wie Nichtlandwirte, im ländlichen Raum gemessen werden muß und von den Menschen dort auch gemessen wird. ({2}) Vergessen wir auch nicht, meine Damen und Herren, daß die Einkommensverluste der Landwirtschaft nicht nur die in der Landwirtschaft tätigen Menschen treffen, sondern ebensosehr die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche. Wenn man bedenkt, daß jede landwirtschaftliche Arbeitskraft ein bis zwei Arbeitsplätze in den mit der Landwirtschaft verbundenen Bereichen voraussetzt, dann zeigt dies die wirtschaftliche Bedeutung der Landwirtschaft gerade für die strukturschwächeren Regionen, für Gebiete ohne hinreichende Erwerbsalternativen. Es gibt Regionen, in denen mehr als die Hälfte der Arbeitsplätze von der Landwirtschaft abhängt. Der Norden Schleswig-Holsteins ist dafür ein Beispiel. Und auch dies wird in der öffentlichen Diskussion häufig vergessen: In vielen Gebieten gibt es die Alternative „Landwirtschaft oder eine anderweitige Tätigkeit im Nebenerwerbs- oder Zuerwerbsbereich" nicht. Dort gibt es als Alternative nur die Abwanderung zu den wirtschaftlichen Ballungszentren. Und selbst in diesen Zentren gibt es heute nur noch sehr eingeschränkte Arbeitsmöglichkeiten. Nicht von ungefähr ist zur Zeit die Arbeitslosigkeit in vielen ländlichen Gebieten unseres Staates am höchsten. Deshalb müssen wir uns die Frage stellen: Können wir es uns eigentlich leisten, gerade in der gegenwärtigen wirtschaftlich schwierigen Phase die Landwirtschaft als tragenden Wirtschaftszweig dieser Räume sich selbst zu überlassen? Ich möchte diese Frage eindeutig mit Nein beantworten und bin an einer Stellungnahme der Bundesregierung wie auch der Regierungsparteien zu dieser Grundeinstellung sehr interessiert. Wir müssen uns doch vor Augen halten, daß bei einer Abwanderung der Menschen aus dem ländlichen Raum jahrelange Bemühungen zunichte gemacht würden, diese Gebiete durch ein Bündel agrarstruktureller und infrastruktureller Erschließungsmaßnahmen als Wohnwelt, als Arbeitswelt und als Lebenswelt attraktiv zu erhalten und auch als Erholungsraum zu verbessern. Dies wäre ein nicht zu verantwortender volkswirtschaftlicher und auch gesellschaftspolitischer Verlust. ({3}) Der Agrarbericht weist starke regionale Unterschiede in der Einkommensentwicklung in der Landwirtschaft aus. Gerade die von mir angesprochenen agrarwirtschaftlich geprägten Regionen mit einer guten Agrarstruktur haben schwerste Einbußen hinnehmen müssen. Betriebe, die hinsichtlich Flächenausstattung, Betriebsorganisation und Rationalisierungsstand als vorbildich und zukunftsorientiert gelten, sehen sich plötzlich in ihrer Existenz bedroht. Diese Betriebe waren es doch, die im Mittelpunkt der EG- und der Bundesagrarpolitik der letzten 25 Jahre standen. Ich füge einige Beispiele aus Schleswig-Holstein erläuternd hinzu. Der Gewinn, also die betriebswirtschaftlich entscheidende Größe, ging in den letzten beiden Wirtschaftsjahren um 37 % zurück. Unter Berücksichtigung der Inflationsrate ist der Gewinn zuletzt nur noch halb so hoch wie drei Jahre zuvor gewesen. 20 % aller Betriebe - also jeder fünfte Betrieb - wirtschafteten 1980/81 mit Verlust. Entsprechend gingen die Investitionen der Landwirtschaft um mehr als ein Drittel zurück. Und wenn man im Agrarbericht liest, daß im Bundesgebiet die NettoInvestitionen der Landwirtschaft von noch 2,4 Milliarden DM im Wirtschaftsjahr 1979/80 auf bescheidene 107 Millionen DM, also um 95 %, zurückgegangen sind, wird die Lage an diesen wenigen Zahlen überdeutlich. Es ist doch eine Illusion, von einer Politik für den ländlichen Raum zu sprechen, Herr Bundesminister, wenn die entscheidende Wirtschaftskraft dieses Raums, nämlich die Landwirtschaft, nicht mehr investiert. Da drängt sich natürlich bei den Betroffenen die Frage auf: War denn der bisherige agrarpolitische Weg richtig? Landwirte, die im Lauf der letzten Jahre ihre Betriebsorganisation mit erheblichen Investitionen aus eigenen Mitteln und auch mit öffentlichen Mitteln an die wirtschaftliche und die technische Entwicklung angepaßt haben, fragen nun zu Recht, ob angesichts der negativen Einkommensentwicklung und einer Agrarpolitik ohne Perspektiven in Brüssel und Bonn alles vergeblich war; und sie fragen, ob in Zukunft unternehmerischer Mut und Risikobereitschaft nicht mehr gefragt sind. Welche Perspektive wird denn den Bauern in unserem Staat angesichts rückläufiger Preise, stetig wachsender Kosten und fehlender Erwerbsalternativen geboten? Bisher stand - und darüber waren sich die Agrarpolitiker aller Parteien einig - der bäuerliche Familienbetrieb im Mittelpunkt aller Überlegungen. Ein gesundes Nebeneinander von Voll-, Neben- und Zuerwerbsbetrieben steht dem nicht entgegen; es ist sogar erwünscht. Unsere Landwirte haben aber als gewichtiger Teil unserer Gesellschaft wie auch der Wirtschaft ein Interesse daran, zu erfahren, ob dieses Ziel auch in Zukunft im Mittelpunkt stehen wird. Soviel steht für mich fest: Wenn der Haupterwerbsbetrieb nicht mehr im Mittelpunkt der Agrarpolitik steht, dann hat die Agrarpolitik als eigenständige Politik aufgehört zu existieren. Wer das ändern möchte, der sollte dann bitte auch den Mut haben, dies offen auszusprechen. Wenn aber die bisherigen Ziele weiterhin im Mittelpunkt stehen sollen, dann bedeutet das, auch dafür zu sorgen, daß diese Menschen von der Landwirtschaft leben können. Wenn der Reservekanister leer ist, bleibt die beste Maschine stehen. Da helfen weder Ermunterungen noch Schläge. Es muß doch als ein Alarmsignal höchster Stufe aufgefaßt werden, wenn im Durchschnitt aller Testbetriebe im gesamten letzten Wirtschaftsjahr vom Gewinn nach Minister Flessner ({4}) Abzug der Tilgung der Nettoinvestitionen und der Altenteilslasten für die Lebenshaltung nur noch 8 700 DM übrigbleiben. Die Folge war eine zunehmende Verschuldung in der Landwirtschaft, die nicht mehr lange hingenommen werden darf. ({5}) Meine Damen und Herren, wenn unsere Bauern ihre Investitionen nicht so solide finanziert und sich in der Lebenshaltung eingeschränkt hätten, dann hätten wir heute erheblich größere Probleme auf dem Lande. Aber ist das ein Grund, diesen Wirtschaftszweig, diesen Berufszweig schlechter zu behandeln als andere? Kein Wunder, daß in dieser Situation die Kritiker der Agrarpolitik und insbesondere der europäischen Agrarpolitik zahlreich aus dem Boden schießen. Es ist j a unstrittig, daß die entscheidenden Weichen nicht in Bonn, sondern in Brüssel gestellt werden. ({6}) - Herr Kollege Ertl, dämpfen Sie Ihre Erregung! Viele glauben, schnell die Schuldigen gefunden zu haben, nämlich die Landwirte selbst: Sie produzieren Überschüsse; also müssen sie dafür zur Verantwortung gezogen werden.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Verzeihen Sie, Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gallus? Minister Flessner ({0}): Ja. Bitte, Herr Kollege.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, können Sie vor diesem Hohen Hause zugeben, daß einer der Gründe, weshalb Schleswig-Holstein im letzten Wirtschaftsjahr besonders schlecht abgeschnitten hat, die Tatsache ist, daß es eine sehr schlechte Ernte gehabt hat? Wie erklären Sie sich den Gewinnquotenunterschied zwischen Schleswig-Holstein und Süddeutschland? In Schleswig-Holstein beträgt sie nur 20 % und in Bayern 30 %. Minister Flessner ({0}): Herr Kollege Gallus, ich habe den Sinn Ihrer Frage eigentlich nicht ganz verstanden. ({1}) Ich will gerne zugeben, daß in Schleswig-Holstein mehrere Umstände, unter anderem auch schlechtere Erträge, diese negative Entwicklung gefördert haben. Das wird ja auch nicht angeklagt, sondern hier wird nur das Ergebnis festgestellt. Wir diskutieren über den Agrarbericht und über die Schlußfolgerungen, die wir aus diesen Ergebnissen zu ziehen haben. ({2}) Meine Damen und Herren, ich war bei der Kritik an den Landwirten, daß sie eben Überschüsse produzieren und dafür nun die Verantwortung tragen sollen. Nur vergessen diese Kritiker das Wesentliche: Der einzelne Landwirt kalkuliert und produziert wie jeder mittelständische Wirtschaftsunternehmer mit Blick auf die vorgebenen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen. Dem einzelnen Landwirt kann man doch nicht verübeln, daß er nichts anders will, als für seine Familie ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Wenn wir dieses logische und nachvollziehbare Verhalten ändern, wird die Landwirtschaft als Wirtschaftssektor kaum noch mit rationalen Mitteln zu beeinflussen sein. Dies kann doch nicht das Ziel einer vernünftigen Agarpolitik sein. Nein, nicht der Landwirtschaft darf man die Schuld zuweisen; die Rahmenbedingungen sind es, die nicht in Ordnung sind. Das gilt für den nationalen Bereich ebenso wie für die Europäische Gemeinschaft. Auf die nationalen Rahmenbedingungen ist bereits eingegangen worden. Lassen Sie mich deshalb den europäischen Bereich und die europäische Agrarpolitik ansprechen. Trotz Mandatsberichten, Leitlinien und endlosen Verhandlungen fehlt es an überzeugenden Perspektiven. Trotz des verbalen Bekenntnisses der Kommission zu den Grundprinzipien der europäischen Agrarpolitik rüttelt sie mit ihren Vorschlägen, insbesondere mit den Vorschlägen für die Agrarpreise 1982/83 und den flankierenden Maßnahmen, an diesen Grundlagen. Bei der Agrarpolitik grassiert offenbar die gleiche europäische Krankheit wie auch in anderen wichtigen Fragen: Die Probleme werden vertagt, nationale Egoismen werden gepflegt. Anders kann man doch die Brüsseler Vorgänge hinsichtlich der agrarpolitischen Akte nicht werten. Die Gemeinschaftspräferenz soll aufgeweicht werden. Jüngstes Beispiel sind die Vorschläge der EG-Kommission zur Annäherung der Getreidepreise an das Weltmarktniveau. Dabei wird nicht beachtet, daß die Weltmarktpreise häufig manipuliert sind und auf Grund von Spekulationen stark schwanken. Diese Schwankungen würden auf den EG-Markt durchschlagen und jede längerfristige Kalkulation von Erzeugern, Handel und Verarbeitung unmöglich machen. Dies wäre langfristig zum Schaden der Verbraucher. Dieses Problem kann man letztlich nur an der Wurzel packen, indem man die politischen Widerstände gegen eine Einbeziehung der Getreidesubstitute in die Getreidemarktordnung überwindet. Der Herr Kollege Paintner hat aus seiner Sicht etwas Ähnliches gesagt. Es ist doch widersinnig, einerseits die Produktion künstlich einzuschränken und andererseits Ersatzstoffe billig einzuführen. Dies führt zwangsläufig zu einem gefährlichen und von uns abzulehnenden Verdrängungswettbewerb. ({3}) Ein weiteres Problem besteht in den zunehmenden Wettbewerbsverzerrungen auf dem europäischen Agrarmarkt. Durch die vorgesehenen Preisdifferenzierungen zwischen den Mitgliedstaaten in Form unterschiedlicher Umrechnungskurse und Währungsausgleichsbeträge sowie durch die weitere Staffelung bei Mitverantwortungsabgaben, zusätzlichen Ausgleichszahlungen für bestimmte Betriebsgruppen usw. werden der Weg und das Ziel des einheitlichen Agrarmarktes unter gleichen Wettbewerbsverhältnissen immer mehr verlassen. Der GeMinister Flessner ({4}) meinsame Markt gerät in Gefahr, eine Fiktion zu werden. ({5}) Schließlich wird das wichtigste Prinzip jeder überstaatlichen Gemeinschaft, die finanzielle Solidarität, zunehmend ausgehöhlt. Ausgelöst von Großbritannien, ist die Diskussion über die „Nettozahler" oder „Nettoempfänger" nicht mehr verstummt. Diesen zunächst außerhalb der Bundesrepublik genährten Zweifel an der politischen Integration überhaupt haben die Kritiker der europäischen Agrarpolitik im Lande aufgegriffen und so geschickt weitergetragen, daß sich nun auch die Bundesregierung in die Rolle des Nettozahlers hineinzusteigern scheint. Wenn die Bundesregierung beklagt, daß sie zum europäischen Haushalt und damit zur europäischen Agrarpolitik mehr beiträgt, als für sie direkt wieder herauskommt, so ist das in meinen Augen ein sehr krämerhaftes und kurzsichtiges Aufrechnen. Schließlich hat die deutsche Gesamtwirtschaft unbestritten erhebliche Vorteile von der europäischen Integration. ({6}) Der Aufschwung des deutschen Industrieexports in die Partnerländer seit Inkrafttreten des EWG-Vertrages heute vor 25 Jahren ist Beleg genug für diese Vorteile. Mit Recht wird die Bundesregierung für die früher von ihr selbst abgelehnte kleinliche Rufrechnerei von den deutschen Abgeordneten des Europäischen Parlaments aller Fraktionen deutlich getadelt. ({7})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Gallus? - Bitte.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, wenn man im Grundsatz Ihrer Auffassung ist, wie erklären Sie sich dann die Tatsache, daß Ihr Kollege aus dem Deutschen Bundestag Carstens ({0}) am 27. Juni 1979 hier eine Brandrede dahin gehend gehalten hat, daß die EG-Agrarpolitik finanzierbar bleiben müsse und daß deshalb die Finanzierung auf 1 % beschränkt werden müsse? Das ist das eine. Das zweite geht in Richtung „Substitute". Ich nehme an, daß Herr Stoltenberg darüber mit den Amerikanern direkt verhandelt. ({1}) Denn Sie wissen, welch schwieriges Problem das im internationalen Gefüge des GATT darstellt. ({2}) Minister Flessner ({3}): Die Aussagen, die der bayerische Ministerpräsident zu den amerikanischen Getreideexporten in die östlichen Länder gemacht hat, sind doch, glaube ich, eine sehr eindeutige Position, und ich weiß, daß auch der Ministerpräsident meines Landes ähnliche Auffassungen vertritt. ({4}) Im übrigen, Herr Kollege Gallus, darf ich folgendes sagen. Die 1 % sind doch gar nicht das Problem. Entscheidend ist, daß man sich auch zur Europäischen Gemeinschaft bekennt und daß man die „Nettozahlerposition" nicht kritisiert. ({5}) Meine Damen und Herren, die deutsche Landwirtschaft benötigt zur Lösung ihrer derzeitigen Probleme ein deutliches Signal von der Einkommensseite. Die Preisvorschläge der Kommission für 1982/83 mit einer durchschnittlichen Preisanhebung für die wichtigsten Produkte zwischen 7 und 9 % können nur dem Uneingeweihten als akzeptabler Vorschlag erscheinen. Es ist schon schlimm, daß die Bürger zuwenig darüber aufgeklärt worden sind, daß beim deutschen Landwirt nur eine Anhebung von ca. 2 % - ich glaube, der Kollege Kiechle sprach von bis zu 2,5 % - übrigbleibt. Das Ziel ist doch die Erwirtschaftung eines angemessenen Gewinns. Das gilt für den landwirtschaftlichen Unternehmer ebenso wie für alle anderen Bereiche. Davon lebt unsere Wirtschaft. Daran sollten wir immer denken. Dabei müssen wir die in Brüssel festgestellten Eckdaten für das Preisniveau, die Kostenentwicklung ebenso wie die Marktentwicklung berücksichtigen. Die Bundesregierung hat es maßgeblich in der Hand, in den Verhandlungen in Brüssel den Abbau des deutschen Währungsausgleichs zu verhindern und damit auch den deutschen Landwirten eine Preisanhebung zu ermöglichen, die wenigstens den Kostenanstieg auffängt und den dringend notwendigen Investitionsspielraum wieder eröffnet. In dieser Einkommenssituation darf es keinen Abbau des Grenzausgleichs für die deutsche Landwirtschaft geben. Die Diskussion über die Nettozahlerrolle und die angeblich zu hohen Preisvorschläge der Kommission hat ebenso wie die Behauptung, daß die Haushaltsprobleme der Europäischen Gemeinschaft ausschließlich Probleme der europäischen Agrarpolitik seien, dem öffentlichen Ansehen der Agrarpolitik wie auch der Landwirtschaft überhaupt beträchtlichen Schaden zugefügt. Es ist allerhöchste Zeit - so ist auch mein Beitrag zu verstehen -, hier gegenzusteuern. Die gemeinsame Agrarpolitik kostet netto jeden Bürger der Bundesrepublik Deutschland etwa 55 DM im Jahr, einen Betrag, den man auch als einen Versicherungsbeitrag für eine preiswerte, qualitativ hochwertige und kontinuierliche Nahrungsmittelversorgung verstehen kann. Es ist ein bescheidener Beitrag. Für die soziale Sicherung gibt der Staat für jeden Bürger im Durchschnitt fast 5000 DM und für die äußere Sicherheit, die Verteidigung, zirka 600 DM aus. Es wäre auch eine positive Aufgabe der gesamten Bundesregierung, nicht nur des amtierenden Landwirtschaftsministers, diese Zusammenhänge und Relationen in der Öffentlichkeit objektiv darzustellen und zur Versachlichung beizutragen, Minister Flessner ({6}) damit die Landwirtschaft nicht mehr in die Defensive gedrängt wird. ({7}) Die Landwirte und ihre Familien sind bereit, ihr Brot durch schwere Arbeit und auch mit unternehmerischem Risiko zu verdienen. Sie brauchen Verständnis für ihre berechtigten Erwartungen, sie brauchen eine stetige Politik, die Vertrauen für die Zukunft schafft. Noch eines kommt hinzu. Die Landwirtschaft hat stets ein hohes Maß an Anpassungsbereitschaft und auch Verständnis für die europäische Agrarpolitik gezeigt. Sie war in vielen Fragen - auch das hat Herr Kollege Paintner hier angesprochen - sogar Wegbereiter und Motor für die europäische Einigung. Es wäre fatal, wenn sich die Einstellung der Landwirtschaft ändern würde. Wir dürfen dieses Problem aber nicht nur auf den einen Berufsstand beziehen. Ich sehe ein wenig die Gefahr, daß neben die zu beobachtende Staatsverdrossenheit auch eine EG-Verdrossenheit tritt, wenn dieser Bereich weiterhin so mit Füßen getreten wird wie bisher. Meine Damen und Herren, die nun schon jahrelange Reformdiskussion über die europäische Agrarpolitik durch Berufene und Unberufene schadet der Sache mehr, als daß sie weiterführt. Sie verhindert eigentlich die Vertrauensbildung. Es wäre gewiß angenehmer, am heutigen 25. Jahrestag des EWG-Vertrages positiver über die europäische Agrarpolitik zu sprechen. Gerade jetzt braucht die Landwirtschaft wie jeder andere Wirtschaftszweig Vertrauen in die Stetigkeit der Politik, und das gilt besonders für die Fortentwicklung der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik. ({8}) Nur wenn dieses Vertrauen wiederhergestellt wird, ist die Landwirtschaft in der Lage und bereit, sich dem auch künftig notwendigen Anpassungsprozeß zu stellen. Die Bundesregierung kann durch ein klares Bekenntnis zu den Grundlagen der europäischen Agrarpolitik sowie zur Zielsetzung des deutschen Landwirtschaftsgesetzes zur Vertrauensbildung beitragen. Das gilt ebenso für die Rahmenbedingungen unserer gesamten Wirtschaft, wo Investitions-, Leistungs- und Risikobereitschaft ihren Lohn bringen müssen. Herr Kollege Ertl, Sie haben in Ihrer Rede sechs Schlußpunkte genannt. Ich habe sie mir sorgfältig angehört, ich habe sie nachgelesen. Ich möchte jeden Satz unterstreichen. Aber in Ihren Schlußbemerkungen kommen Sie dann zu dem Satz - wenn ich das mit Genehmigung des Präsidenten zitieren darf -: Bei allen Schwierigkeiten, die uns derzeit bedrücken und um deren Überwindung wir bemüht sind, bleibe ich doch fest bei meiner Überzeugung, daß unsere Landwirtschaft eine gesicherte Zukunft hat. Dazu fehlt mir eigentlich die Begründung, Herr Kollege Ertl. Da möchte ich die Frage stellen: Wie wollen Sie, wie will die Bundesregierung diese Schwierigkeiten, die uns auch von anderen Kollegen vorgetragen worden sind, lösen? Welche Initiativen dürfen wir von der Bundesregierung auf europäischer Ebene erwarten? Will die Bundesregierung die Nettozahlerrolle weiterspielen? ({9}) Welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Landwirtschaftsgesetz und aus ihren Verpflichtungen? Und unterstützt die Bundesregierung den Kollegen Ertl auch in seiner Gänze. Meine Damen und Herren, ich möchte meine Überlegungen für eine zukunftsorientierte europäische Agrarpolitik in folgenden Thesen zusammenfassen. Die im EWG-Vertrag verankerten Ziele und Maßnahmen der europäischen Agrarpolitik haben sich grundsätzlich bewährt, und man sollte an ihnen festhalten. Ein grundlegender Kurswechsel der europäischen Agrarpolitik würde die Anpassungsbemühungen einer Generation in vielen landwirtschaftlichen Betrieben zunichte machen und damit auch ihre Existenz gefährden. Notwendige Korrekturen: ja; grundlegender Kurswechsel: nein. Die Markt- und Preispolitik darf ihre Einkommensfunktion ebenso wenig verlieren, wie sie auch nicht völlig losgelöst von den Marktmöglichkeiten und Marktgleichgewichten betrieben werden kann. Staatliche Interventionsgarantien können, sollten aber auch nur dort gelockert werden, wo am Markt noch Möglichkeiten eines Ausgleichs von Angebot und Nachfrage bestehen. Staatliche Hilfen zur Absicherung eines Mindestlebensstandards der landwirtschaftlichen Bevölkerung sollten sich in erster Linie auf Maßnahmen konzentrieren, die dem Sozialbereich zuzuordnen sind. Darüber hinaus sollte nur in Einzelfällen, z. B. zur Landschaftserhaltung, mit dem Instrument der Einkommensübertragung gearbeitet werden. Der tüchtige landwirtschaftliche Unternehmer mit günstigen Produktionsvoraussetzungen muß auch in Zukunft in der Lage bleiben, im Rahmen einer europäischen und nationalen Agrarpolitik für sich und seine Familie ein seinem Arbeitseinsatz und seiner Leistung entsprechendes Einkommen zu erwirtschaften. Wenn dies nicht erreichbar ist, bleibt jede Agrarpolitik längerfristig zum Scheitern verurteilt. Die Bundesregierung kann daneben aber auch nicht aus ihrer Verpflichtung entlassen werden, der Landwirtschaft auf der Grundlage des deutschen Landwirtschaftsgesetzes Hilfen zur Selbsthilfe zu geben. Darauf sind nun einmal die bäuerlichen Familien heute mehr denn je angewiesen. Deshalb müssen die Förderungsmaßnahmen insbesondere im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" fortgeführt und, wie wir meinen, auch verstärkt werden. Es handelt sich hier nicht etwa um eine Hilfe für die Landwirtschaft im engeren Sinne. Diese Gemeinschaftsaufgabe ist das bundesweite Entwicklungsprogamm für den gesamten ländlichen Raum, und sie ist wie kaum ein anderes Förderungsinstrument ein integriertes Investitionsprogramm mit beMinister Flessner ({10}) triebsbezogenen, infrastrukturellen und umweltbedeutsamen Maßnahmen. ({11}) - Herr Kollege Gallus, bevor Sie sich weiter erregen, sage ich: Wir sind der Bundesregierung dankbar, daß sie uns die Mittel zur Verfügung gestellt hat; denn wir wissen, dies ist gleichzeitig das beste Beschäftigungsprogramm für den ländlichen Raum, das ich kenne. Die Bundesregierung ist falsch beraten, wenn sie ihren Mittelanteil von Jahr zu Jahr weiter kürzt, anstatt ihn aufzustocken. ({12})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage? Minister Flessner ({0}): Nein. Ich bitte um Nachsicht, Herr Gallus.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das steht bei Ihnen. Bitte sehr. Minister Flessner ({0}): Meine Damen und Herren, die Landwirtschaft hat bisher immer als stabilisierender und relativ konjunkturunabhängiger Zweig unserer Volkswirtschaft geholfen, Pendelausschläge der Wirtschaftsentwicklung auszugleichen. Ein Beweis dafür - das wurde aber auch vom Bundesminister und von anderen Sprechern gesagt - sind die Nahrungsmittelpreise, die stets einen geringeren Anstieg als das gesamte Preisniveau hatten. So konnten die Verbraucher einen immer größeren Anteil ihres Einkommens in anderen Konsumbereichen ausgeben. Das sollte niemand unterschätzen. Deswegen lassen Sie mich zum Schluß darauf hinweisen, daß die Landwirtschaft einer der wenigen Wirtschaftszweige ist, die Rohstoffe erzeugen, in einigen Bereichen sogar mit einem beträchtlichen Energiegewinn. Die Weltwirtschaft wird maßgeblich durch die vorhandenen Rohstoffe dieser Erde bestimmt. Das zeigt die zunehmende Verknappung. Es wäre deshalb leichtfertig und für kommende Generationen unverantwortlich, den Wirtschaftszweig Landwirtschaft zu vernachlässigen. Es muß unsere Aufgabe sein, die landwirtschaftlichen Betriebe zu stärken, damit sie mit der vorhandenen Leistungsbereitschaft ihren wertvollen Beitrag zu Volkswirtschaft auch in Zukunft erbringen können. - Ich danke. ({1})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat Herr Abgeordneter Susset.

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, die Ausführungen von Minister Flessner über die Bedeutung der Landwirtschaft bei der Erhaltung von Arbeitsplätzen sind nicht nur für ein Flächenland wie Schleswig-Holstein, sondern für die ganze Bundesrepublik Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt sehr ernst zu nehmen. Kollege Müller hat bedauert, daß mein Kollege Kiechle keine freundliche Rede gehalten hat. Herr Kollege Müller, ich muß Ihnen die Frage stellen: Suchen Sie eigentlich ({0}) schon freundlichen Zuspruch bei der Opposition? ({1}) Ist der Frustrationsprozeß in Ihrer eigenen Partei schon so weit fortgeschritten? Wir verstellen uns nicht; freundliche Reden gibt es bei Anlässen dazu, aber der Agrarbericht, Herr Kollege Wehner, ist nicht Anlaß, hier seitens der Opposition freundliche Reden zu halten. ({2}) - Das ist ein Agrarbericht mit tiefroten Zahlen, Herr Kollege. ({3}) Dieser Agrarbericht ist tatsächlich auch das amtlich festgestellte Negativ-Ergebnis von fast 13 Jahren SPD/FDP-Agrarpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Er macht deutlich, was eine Politik, die die Land- und Ernährungswirtschaft vernachlässigt, bewirkt und welche Schwierigkeiten nicht nur in der Agrarpolitik, sondern auch in der Wirtschafts-, in der Gesellschafts- und in der Arbeitsmarktpolitik entstehen. Der Kollege Müller hat heute vormittag hier erklärt, das Agrar-Europa zeige kein schönes Bild. Ich meine, es ist gut, wenn heute anläßlich des 25. Jahrestages der Unterzeichnung der europäischen Verträge in allen Reden darauf hingewiesen wird. Ich möchte feststellen, daß der Abbau der Zollschranken und das Bestehen einer gemeinsamen Agrarpolitik der Wirtschaft Europas und besonders der exportorientierten Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland ungeahnte Möglichkeiten eröffnet haben. ({4}) Die gemeinsame Agrarpolitik hat das Problem der früher immer wieder auftretenden Nahrungsmittelknappheit abgebaut. Sie hat es ermöglicht, daß nicht nur die 270 Millionen Menschen in Europa sicher und zu zumutbaren Preisen mit qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln versorgt werden, sondern sie hat darüber hinaus in vielen Teilen der Welt - wie am Beispiel Polens in jüngster Zeit wieder deutlich geworden ist - ihren unverzichtbaren Beitrag zur Beseitigung des Hungers in der Welt geleistet. Wann hören wir zu dieser nicht selbstverständlichen Leistung der Agrarpolitik einmal anerkennende Worte, Worte der Ermunterung für die deutsche und für die europäische Landwirtschaft vom Bundeskanzler, vom Außenminister, vom Wirtschaftsminister, vom Innenminister, ({5}) wenn wir einmal von den von Amts wegen notwendigen Pflichtübungen des Herrn Minister Ertl absehen? Wer über die Nachteile der europäischen Agrarpolitik redet, der muß hier auch sagen, daß die Bundesrepublik Deutschland ihre Vorteile aus der Europäischen Gemeinschaft hat. Sie ist ein wirtschaftlich hochentwickeltes Land, sie produziert mehr Industriegüter, als sie im eigenen Land verbrauchen kann. Deshalb ist sie auf den Export angewiesen. Dies heißt: Hätten wir die EG nicht, würden wir innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ganz anderen Konkurrenzen unterliegen, und wir würden eben nicht den hohen Anteil des Exports in die anderen EG-Länder haben. Das brächte Rückschläge für die Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik mit sich. ({6}) Ich sage das, damit klar wird: Wir haben auch unsere Vorteile. Nur, darüber redet seitens der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen niemand gerne, ({7}) weil man für die verfehlte Gesamtpolitik einen Prügelknaben braucht. Hierzu eignet sich nach Meinung von SPD und FDP die Agrarpolitik, die Landwirtschaft natürlich besonders gut. ({8}) Das Problem der Finanzierung ist ständig umstritten. Es ist so lange nicht zu lösen, wie nur ein einziger Bereich, nämlich die Agrarpolitik, weitgehend gemeinsam finanziert wird. Erst wenn auch andere Bereiche wie die Verkehrspolitik, die Arbeitsmarktpolitik und die Energiepolitik gemeinsam finanziert werden, läßt sich das Problem einigermaßen sachgerecht lösen. Der Moment ist gekommen, an dem alle Mitgliedstaaten wieder mehr Ehrlichkeit in ihre Beziehungen zur Europäischen Gemeinschaft einbringen müssen. ({9}) Der Vertrag über die Gründung und die Erweiterung der Gemeinschaft wurde von allen Mitgliedsregierungen mit der Absicht unterschrieben, wichtige wirtschaftliche und politische Fragen künftig gemeinsam zu entscheiden. Eines ist gelungen: Die gemeinsame Agrarpolitik hat dem Verbraucher eine sichere, preisgünstige Versorgung gebracht. Aber das kostet innerhalb der EG selbstverständlich auch seinen Preis. Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion erwartet deshalb von der Bundesregierung, daß sie die gemeinsame Agrarpolitik nicht nur ständig kritisiert, sondern ihren aktiven Beitrag leistet, die Preisbeschlüsse rechtzeitig vor Beginn des Wirtschaftsjahres zu fassen, um weitere Einkommenseinbußen zu verhindern. Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung auf, bei den Agrarpreisverhandlungen sicherzustellen, daß der von verschiedener Seite angestrebte starke Abbau des Grenzausgleichs für die deutsche Landwirtschaft verhindert wird, nachdem nachgewiesen worden ist - der Herr Minister hat das heute in seiner Rede auch deutlich gemacht -, daß die deutsche Landwirtschaft innerhalb der Gemeinschaft in den letzten Jahren die höchsten Einkommenseinbußen hat hinnehmen müssen. Was den Abbau des Grenzausgleichs anlangt, gibt es ja ganz unvermutet von allen Seiten Schützenhilfe. Kollege Paintner hat sich heute dafür stark gemacht, gegen den Abbau einzutreten. Folglich ist hier einmal Einstimmigkeit der FDP-Fraktion gegeben. ({10}) Der Kollege Schmidt ({11}) ist seit dem vergangenen Dienstag, seit der Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes, auch im Wort. Er hat erklärt: Grenzausgleichsabbau darf es nicht geben. Folglich stehen jetzt beide Fraktionen im Wort. Sie, Herr Minister Ertl, haben es angesichts dieser Zustimmung, die ja jeweils in der Öffentlichkeit zum Ausdruck kam, sicherlich sehr leicht, einen Kabinettsbeschluß zu erwirken, der Ihnen in Brüssel eine Schützenhilfe ist, ähnlich wie das beispielsweise bei Frau Cresson oder anderen Ihrer Kollegen der Fall ist. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben Ihnen einen Entschließungsantrag vorgelegt, in dem wir fordern, daß wegen der hohen Dringlichkeit, die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in der Land- und Forstwirtschaft zu verbessern, den gesetzgebenden Körperschaften bis zum 15. Juni 1982 schriftlich berichtet wird, welche Maßnahmen die Bundesregierung eingeleitet hat oder einzuleiten gedenkt, damit die schwierige Situation überwunden werden kann.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gallus?

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn der Kollege kurz fragt, bitte schön. Aber ich habe auch nur meine Redezeit.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Susset, wenn Sie Herrn Minister Ertl gegenüber in bezug auf die Preisforderungen schon Frau Cresson nennen, was würden Sie sagen, wenn umgekehrt die deutsche Volkswirtschaft eine Inflationsrate von 14 % wie in Frankreich hätte?

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es geht im Moment nicht um die Inflationsrate. Es geht um das Einlösen von Versprechungen seitens der Koalitionspolitiker - heute Paintner, am Dienstag Schmidt ({0}) -, den amtierenden Bundesminister in Kabinett so zu stützen, daß er dies durchsetzen kann. Es geht nicht um mehr, aber auch nicht um weniger. ({1}) Meine Damen und Herren, die drastische Kürzung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe hat zur Folge - Herr Minister Flessner ist j a auch darauf eingegangen -, daß fast keine Neubewilligungen im Rahmen des einzelbetrieblichen Förderungsprogramms mehr möglich sind. Diese Kürzung hat natürlich auch zur Folge, daß kaum mehr Flurbereinigungsverfahren angeordnet werden können. Es läuft also so gut wie nichts mehr, mit dem Ergebnis, daß strukturverbessernde Maßnahmen völlig unterbleiben. Dies wiederum hat natürlich zur Folge, daß Arbeitsplätze im Hoch- und Tiefbau sowie im landtechnischen Bereich in großer Zahl verlorengehen. Ich schließe mich der Meinung von Herrn Flessner an, daß eine vernünftige Dotierung der Gemeinschaftsaufgabe ein sehr gutes Arbeitsbeschaffungsprogramm wäre, das eine viel bessere Sofortwirkung auf den Arbeitsmarkt hätte als das selbst in den Koalitionsfraktionen umstrittene Beschäftigungsprogramm, mit dem wir uns ja morgen hier im Bundestag befassen werden. Es müßte der Bundesregierung jetzt angesichts der negativen Erfahrungen mit der Handhabung der Förderschwelle auch leichter fallen, unseren schon seit Jahren und auch heute wieder gestellten Antrag zu befürworten, das einzelbetriebliche Förderungsprogramm durch die Einführung eines zinsgünstigen Agrarkredits zu ersetzen, zu verbessern oder umzustellen. Darüber läßt sich reden. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ersucht die Bundesregierung ferner, die soziale Absicherung der in der Land- und Forstwirtschaft Tätigen unter Berücksichtigung der Einkommensentwicklung so zu gestalten, daß die finanzielle Belastung für die Betroffenen tragbar bleibt. Sparmaßnahmen wirken auf die Betroffenen hart; wir wissen das. Sie sind jedoch unerträglich, wenn ein großer Teil der Betriebe, die mit ihren Gewinnen schon unter den Sozialhilferichtsätzen liegen, über 25% für Sozialbeiträge aufwenden müssen. Herr Minister Ertl hat heute sogar von 26% gesprochen; das ist also keine Erfindung der Opposition. Dies ist unsozial. ({2}) - Ich komme darauf, Kollege Müller.- Das ist in einem sozialen Rechtsstaat unzumutbar. Herr Kollege Kirschner, gerade Sie als Arbeitnehmervertreter werden jetzt zur Staffelung etwas hören. Schwerwiegend und für den Einzelbetrieb spürbar wirken sich die Sparmaßnahmen des Bundes auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Unfallversicherung aus. Wir wissen, daß seit 1976 die Bundeszuschüsse bei 400 Millionen DM liegen. Schon 1981 gab es eine Haushaltssperre von 40 Millionen DM. ({3}) - Darüber haben wir im Ausschuß schon öfter geredet. Darüber können wir auch weiter reden. - Nach den Plänen der Bundesregierung ist nun vorgesehen, diese Bundesmittel in jährlichen Teilbeträgen von je 60 Millionen DM bis 1985 auf einen Restbetrag von 160 Millionen DM noch weiter abzubauen. Angesichts der Ergebnisse und der Zahlen, die Sie alle vorliegen haben, zeigen diese Absichten, wie man bereit ist, die Lage der Landwirtschaft zu verbessern. ({4}) Nun, betrachtet man die Beiträge zur landwirtschaftlichen Altershilfe, so stellt man fest, daß sich diese ab 1. Januar 1982 gemäß der im 2. Haushaltsstrukturgesetz getroffenen Regelung um 25 % erhöhten. Herr Kollege Kirschner, damals gab es die Diskussion um die Staffelung. Ich weiß, es hat weh getan, daß diese Staffelung durch die CDU/CSU verhindert wurde. Sie wurde verhindert, weil es dazu führen würde, daß besonders die einkommenschwachen landwirtschaftlichen Betriebe, die ohne außerlandwirtschaftliches Einkommen nicht leben können, also gerade die Nebenerwerbsbetriebe, in eine höhere, j a in die höchste Beitragsklasse kämen. ({5}) Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, war unser Motiv, dies beim 2. Haushaltsstrukturgesetz abzulehnen. Nun soll es wieder aufgewärmt werden. Das aber ist nicht Solidarität mit den sozial Schwachen, wie Sie es draußen zu verkaufen gedenken. ({6}) Deshalb wird das, was hier anscheinend wieder aufgewärmt werden soll, bei der CDU/CSU nicht die geringsten Chancen haben. Nun, schlechten Rat hat der Parlamentarische Staatssekretär Gallus kürzlich für die Bezieher landwirtschaftlichen Altersgeldes gehabt. Er empfahl, den Hof zu verkaufen, wenn das Altersgeld nicht reicht. ({7}) Nun, Herr Kollege Gallus, ich sage gleich, woher ich es weiß, damit Sie mir nicht die gleiche Frage stellen wie meinem Kollegen Kiechle. Es war im Hessischen Rundfunk.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter Susset?

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Er hat ein schlechtes Gewissen, sonst wäre er nicht gleich aufgestanden. ({0}) Herr Gallus hat also gesagt, man solle den Hof verkaufen, wenn das Altersgeld nicht reicht. ({1})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Gallus einen Ordnungsruf. ({0})

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme darauf. - In einem Interview mit dem Hessischen Rundfunk erklärte Gallus, es müsse entweder die Solidarhaftung der Kinder eintreten ({0}) - na, warten Sie doch, bis ich ausgeredet habe, und kommen Sie doch nicht immer schon vorher -, ({1}) um die Eltern zusätzlich zu versorgen, oder aber die Eltern müßten einen Teil des Vermögens für den weiteren Lebensunterhalt in Anspruch nehmen. ({2}) - Es reicht mit der Zeit nicht mehr. ({3}) Gallus sagte in diesem Interview weiter: Ich halte das für ganz normal, wenn man berücksichtigt, daß bei den allermeisten ein ganz schönes Vermögen von Hof und Grundstücken hinter diesen Leuten steht. ({4})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Ich frage Sie noch einmal, Herr Abgeordneter: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gallus?

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Susset, Sie haben mich korrekt zitiert. Jetzt frage ich Sie: Will die CDU in den Fällen, in denen es sich um auslaufende Betriebe handelt, die Kinder den Hof verlassen haben und die Eltern allein zu Hause sind, eine andere Lösung haben, als ich sie hier vorgeschlagen habe, nämlich daß es dann, wenn der Hof ausläuft, nicht mehr als billig ist, daß die Kinder für ihre Eltern, wenn diese mit 600 DM Altersgeld nicht auskommen, verantwortlich sind? Weiter frage ich: Will die CDU ein höheres Altersgeld zahlen, wenn die Jugend nicht bereit ist, den eigenen Eltern zu helfen? ({0})

Egon Susset (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002293, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der Herr Kollege Gallus ist hier in der gleichen Situation wie im Hinblick auf seine 100 000 Betriebe: Es ist rasch gesagt, aber man braucht verdammt lange, das immer wieder zu verteidigen. ({0}) Herr Kollege Gallus, die CDU/CSU ist als Partei liberal genug und weiß um das verantwortungsbewußte Eigenverhalten der Betroffenen, daß sie, wenn es notwendig ist, dies selbst tun. Aber es ist doch ein Ding, ob jemand etwas verkauft, um über die Runden zu kommen, und ein anderes, wenn man dies als Mitglied der Bundesregierung empfiehlt. ({1}) Das sind doch schließlich Betriebe, wo Opa und Oma und Kinder, oft aus dem Nichts heraus, ein kleines Vermögen erarbeitet haben - unter Konsumverzicht, unter Verzicht auf Urlaub, das ganze Leben lang. Und nun wird von der Bundesregierung in einem Interview im „Hessischen Rundfunk" gesagt: Du kannst ja verkaufen. - Nein, dies soll jede Familie verantwortungsbewußt selbst entscheiden und kann jeder halten, wie er will. Wir als CDU haben keinen Antrag dahin gehend gestellt, das Altersgeld für jene über 600 DM zu erhöhen. - Aber es geht nicht, daß man hier Verunsicherungskampagnen gegenüber älteren Leuten betreibt. ({2}) Wir ersuchen die Bundesregierung ferner, unter Berücksichtigung der schlechten Ertragslage der Landwirtschaft die im letzten Steueränderungsgesetz angehobenen Durchschnittssätze nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes zu überprüfen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bittet die Bundesregierung eindringlich, das in Art. 26 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes eingeführte Bescheinigungsverfahren als Voraussetzung für die Lohnsteuerpauschalierung bei Teilzeitkräften außer Kraft zu setzen, weil das für Weinbau, Obstbau, Gemüsebau, für die gesamte Landwirtschaft und andere Bereiche der Wirtschaft notwendig ist. Ein Gesetzentwurf der Länder Baden-Württemberg und Bayern liegt vor. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordert die Bundesregierung auf, in Brüssel und in nationaler Zuständigkeit alles zu tun, damit die Krise, in der sich Fischerei und Fischwirtschaft unverschuldet befinden, rasch überwunden wird. Das ungeklärte Problem der Fangquoten muß möglichst rasch gelöst werden; denn wir können uns den Verlust von Arbeitsplätzen in diesen Bereichen nicht leisten. ({3}) Der Agrarbericht weist für die Weinbaubetriebe einen Einkommensverlust von fast 30 % aus, einen Gewinnrückgang zwischen 15 und 51 %, je nach Weinbaugebiet. Meine Damen und Herren, zu diesen Einkommensrückgängen kommen - lassen Sie mich ein paar Sätze dazu sagen - Schlagzeilen wie „Ein Weinskandal nach dem anderen", „Einiges faul im Weinglas" usw. ({4}) - Ich komme darauf. - Diese Diskussion ist schlimm, weil sie auf dem Rücken von fleißigen und anständigen Menschen ausgetragen wird. Der redlich, ehrlich und fleißig arbeitende Weingärtner ist machtlos. Deshalb sind wir, lieber Kollege Löffler, aufgefordert - und deshalb können wir dazu -, die erkannten Gesetzeslücken zu schließen. Dies müssen wir gemeinsam umgehend tun. Noch ist der Weinabsatz gut. Daß dies so bleibt, liegt in unserer Verantwortung. Wie wir dem gerecht werden, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Die Gesetzentwürfe sind da. Deshalb sind wir, Kollege Löffler, mehr verantwortlich als jene, die die Artikel schreiben. Im letzten Abschnitt unseres Entschließungsantrages fordern wir die Bundesregierung auf, die Landwirtschaft vor unsachlichen Angriffen in Schutz zu nehmen. Sagen Sie doch bitte der Öffentlichkeit, daß in ihren Subventionsberichten steht, daß die Landwirtschaft 1966 mit 37 % an Finanzhilfen und Steuervergünstigungen des Bundes beteiligt war, 1982 aber nur mit 9,6 % beteiligt sein wird! Sagen Sie doch, daß der Agrarhaushalt am Gesamthaushalt 1968 mit 6,7 % und 1980 mit 3,1 % beteiligt war und 1982 mit 2,5 % beteiligt sein wird, damit klar wird, daß die Landwirtschaft ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung geleistet hat! Sagen Sie auch, meine Damen und Herren von der Koalitionsregierung und von den Koalitionsfraktionen, daß jeder sechste Arbeitsplatz in der Bundesrepublik Deutschland in der Agrar- und Ernährungswirtschaft, im Genossenschaftsbereich, beim Landhandel, im Agrargewerbe, in der Landmaschinenindustrie, in der Düngemittelindustrie zu finden ist! Dies sollte bei zwei Millionen Arbeitslosen nicht von untergeordneter Bedeutung sein. Die Landwirtschaft hat Sorge, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß der Stellenwert, den die Agrarpolitik bei dieser Bundesregierung genießt, die Probleme verschärft, weil der Arbeitsplatz Landwirtschaft anscheinend als Arbeitsplatz minderer Schutzwürdigkeit angesehen wird. Dieser Sorge will meine Fraktion durch die in unserem Entschließungsantrag aufgestellten Forderungen steuern helfen. Die in der Land- und Forstwirtschaft Tätigen haben wie die zur Zeit 50 000 Auszubildenden in den verschiedenen landwirtschaftlichen Berufen ein Anrecht auf Vertretung ihrer berechtigten Interessen. Es geht um die Ernährungssicherung, und es geht um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Weil die CDU die Partei der Vollbeschäftigung ist, wird sie hier auch ihren Beitrag leisten, den sie leider bei der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen vermißt. - Danke schön. ({5})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Abgeordnete Oostergetelo.

Jan Oostergetelo (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Agrarbericht läßt in seinem Umfang, aber auch in seinen detaillierten Aussagen eine eingehende Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Landwirtschaft zu und gibt ein klares Bild von der problematischen Situation, in der sich die Landwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland und Europas befindet. Herr Minister, Ihnen und Ihren Mitarbeitern dafür herzlichen Dank. Wenn ich mit den Problemen beginnen darf, darf ich feststellen, daß der Agrarbericht zwei Kernaussagen enthält. Auf der einen Seite ist festzustellen, daß die Einkommen der Landwirte in diesem Jahr stark zurückgegangen sind, und auf der anderen Seite, daß wir in fast allen Bereichen einen steigenden Selbstversorgungsgrad haben. Nun hat die CDU/CSU-Fraktion einen Entschließungsantrag eingebracht. Ich darf für meine Fraktion bitten, ihn an den Fachausschuß und an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Ich habe hier nicht die Zeit, auf die einzelnen Punkte einzugehen, aber wir haben j a die Möglichkeit, uns nachher im Fachausschuß darüber detailliert zu unterhalten. Ich darf nur drei Punkte herausgreifen. Einmal wird hier so getan, als ob Preispolitik das einzige Allheilmittel sei; Herr Kiechle hat gesagt, das allein noch Machbare. Will man nun die 16 %, die man in der COPA fordert, oder die 10 % hier? Wie kommt denn die Rechnung zustande? Wir wissen doch alle, daß das am Ende nur tragbar ist, soweit es der Markt hergibt. Wir sollten uns darin einig sein, daß wir alle gemeinsam alles tun, damit beim Grenzausgleich nach Möglichkeit so verhandelt wird, daß das für die deutsche nationale Landwirtschaft erträglich wird. Hier ist auch sofort etwas zu machen Jeder weiß doch, daß sich bei einer Preiserhöhung im Schweinemarkt zunächst überhaupt nichts ändert. Was soll dieses Sand-in-die-Augen-Streuen, daß man nur Preiserhöhungen fordert, während sich im Markt in vielen Branchen überhaupt nichts verändert? Dann brechen Sie hier eine Lanze für die Gemeinschaftsaufgabe. Dies teile ich, Herr Kollege Susset. Aber Sie sind zu Recht gefragt worden, wie sich denn die Ministerpräsidenten in dieser Frage benommen haben. Wie ist das denn, was hat man denn da gefordert? Ich kann Ihnen sagen, es war mein Land, Niedersachsen, das zunächst einmal die Gemeinschaftsaufgabe in Frage gestellt und die Diskussion entwickelt hat. Dies ist nun einmal so. ({0}) Dann fragen Sie hier nach der sozialen Absicherung. Das ist mehrfach hier diskutiert worden. Wenn ich da lese, es sei der CDU/CSU-Fraktion gelungen, die Einheit der Solidargemeinschaft zu erhalten, indem man den Beitrag bei der Alterskasse für alle gleich hält, muß ich Sie fragen, was die Betriebe im unteren Bereich, die Vollerwerbsbetriebe, deren Einkommen diesmal zum Teil unter Null liegen, dazu sagen sollen. Ist das eine Art Solidarität, wenn ich dem gut Verdienenden und dem, der es nötig hat, gleichen Bundeszuschuß gebe? ({1}) Ich halte alle Argumente, die Sie hier in diesem Zusammenhang vorgebracht haben, für vorgeschoben. Sie sollten endlich einmal mit uns darauf hinwirken, daß wir wenigstens in der Sozialpolitik nach Bedürftigkeit fragen. ({2}) Meine Damen und Herren, ich möchte mich nicht weiter auf diesen Schlagabtausch einlassen. Die Opposition hat hier eine Pflichtübung vollbracht. Herr Kiechle, ich verstehe das ja. Man kann es allerdings übertreiben. Ich kenne das, solange ich hier bin, überhaupt nicht anders, als daß das Klagelied vorgetragen wird, wobei ich am Anfang gesagt habe, daß die Kernaussage heißt, daß die Einkommen stark zurückgegangen sind. Das wird überhaupt nicht beschönigt. ({3}) Lassen Sie mich versuchen, über den Tag hinauszudenken und die Agrardebatte zu einer grundsätzlichen Betrachtung der Rolle der Landwirtschaft und der Von und in ihr lebenden Menschen in der modernen Industriegesellschaft zu verwenden und mögliche Ansatzpunkte einer geänderten Agrarpolitik zur Sprache zu bringen, um einer Lösung näherzukommen. Eine Grundfeststellung dabei ist, daß wir auch durch die Politik dieser Bundesregierungen - das kann doch niemand bestreiten, auch niemand von der Opposition - eine leistungsfähige Landwirtschaft haben. Es ist aber festzustellen, daß insgesamt die Gefahr besteht, daß Landwirte ins gesellschaftliche Abseits gelangen, daß landwirtschaftliche Produkte zunehmend der Kritik ausgesetzt sind und daß die zentrale Rolle der Landbewirtschafter in einer modernen Industriegesellschaft allgemein in Zweifel gezogen wird, wenn sich die Agrarpolitik stur an ökonomischen Kriterien festbeißt und damit an der wirklichen Situation und Entwicklung vorbeisteuert. In der Zielvorstellung sind wir uns doch alle einig. Wir wollen alle einen lebenswerten ländlichen Raum mit intakter Sozialfunktion, wobei gleichzeitig die Sicherung unserer Ernährung überwiegend aus eigenen Ressourcen anzustreben ist. Meine Damen und Herren, die bisherige Agrarpolitik zielte auf eine Anhebung der Produktivität des Agrarsektors und wollte über diesen Weg die Einkommen der landwirtschaftlichen Betriebe und der Arbeitskräfte steigern. Dies ist auch in weitgehendem Maße gelungen, wenn man das im Zusammenhange sieht. Herr Müller hat die Daten der einzelnen Jahre aufgezeigt. Wir müssen aber auch zugeben, wenn wir in den ländlichen Raum schauen oder auch in den Agrarbericht hineinschauen, daß immer mehr Landbewirtschafter einen Teil ihres Einkommens aus dem Nebenerwerb ziehen. Nur noch 49 % aller Landwirte sind im Vollerwerb tätig. Von diesen 385 400 Landwirten hat das unterste Viertel in diesem Jahr mit Verlust abgeschlossen. Das kann man nicht beschönigen. Diesen Vollerwerbsbetrieben, denen unsere besondere Sorge gilt, kann durch eine Preispolitik allein, die überwiegend den umsatzstarken Betrieben zugutekommt, nicht geholfen werden. ({4}) Dazu muß man wissen, daß selbst der Minister aus Schleswig-Holstein sagt, daß er bereit ist, über bestimmte Bereiche nachzudenken, soweit sie in geographisch benachteiligten Gebieten liegen. Ich möchte lieber sagen: Wir sollten grundsätzlich über Benachteiligte nachdenken. Aus Gründen der integrativen Funktion der Agrarpolitik ({5}) für die Europäische Gemeinschaft, die genau heute vor 25 Jahren mit so großen Erwartungen gegründet wurde, muß vermieden werden, daß ein weiteres Ansteigen der Ausgaben für Garantie und Ausrichtung zu Lasten der Sozial-, Regional- und Entwicklungspolitik geht. ({6}) Durch die von der EG eingeleitete maßvolle Steigerung der Erzeugerpreise wird der Einkommensdruck auf die Landwirtschaft langfristig stärker werden, ({7}) auch wenn im nächsten Jahr mit 10 %igen Einkommenszuwächsen zu rechnen ist. Hier werden die 9 % bestritten; wir wollen uns da nicht gegenseitig etwas vorprognostizieren. Nur ist eines klar: Wir, die wir aus der Landwirtschaft kommen, kennen die Preise im Moment sehr gut. Dies ist auch gut so, weil ein Nachholbedarf besteht. Es ist aber auch wahr, daß es für nächstes Jahr wieder besser aussieht. Einkommenspolitik nur über Preispolitik zwingt Vollerwerbsbetriebe auf jeden Fall zur Ausdehnung und zur Intensivierung ihrer Produktion. Das kostet viel und hat trotzdem zur Folge, daß die Einkommen für viele Landwirte in Zukunft nicht mehr für einen gesicherten Lebensunterhalt reichen. Der Schritt in die Nebenerwerbslandwirtschaft wird auf Grund der gesamtwirtschaftlichen Situation schwieriger. Eine Mindestbesiedlungsdichte muß erhalten bleiben. Wir wollen keine Passivsanierung des ländlichen Raums. Wollen wir also die Sozialfunktion des ländlichen Raums insgesamt erhalten und gleichzeitig im Bereich der Agrarpolitik sinnvoll auf die gesamtwirtschaftliche Lage reagieren, muß für die Landwirte eine gezielte Einkommenspolitik betrieben werden, die die soziale Lage einzelner berücksichtigt und eine breitgefächerte Landwirtschaft im Voll- und Nebenerwerb erhält. Ich gehe davon aus, daß viele in dieser Frage zumindest ebenso denken. Unter dieser Zielsetzung werden wir auch über die Novellierung des Pachtgesetzes diskutieren müssen. Um uns eine reiche Kulturlandschaft zu erhalten und um den Zwang zur Überproduktion zu verhindern, sind extensive Formen der Landbewirtschaftung zumindest in Teilbereichen denkbar und wünschenswert. Die Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft der landwirtschaftlichen Familien muß für die wichtige Rolle, die sie in unserer Gesellschaft spielt, entlohnt werden. Der Mensch, nicht der Betrieb, muß im Mittelpunkt der Agrarpolitik stehen. Durch gezielte Einkommensübertragungen für die Landwirte könnte ein erheblicher Druck von den bäuerlichen Familien genommen werden. Hierüber müssen wir nachdenOostergetelo ken. Dies sagt die EG-Kommission, dies sagt das Apel-Papier, dies sagen in abgeänderter Form auch Kollegen aus Ihren Reihen. Preispolitik als Mittel der Einkommenspolitik ist wichtig, langfristig aber nur so lange möglich - jedenfalls wenn wir uns nichts vormachen wollen -, wie der Markt eine derartige Politik hergibt. Diese zentrale Forderung mit dem Ziel des Erhalts des ländlichen Raums muß durch flankierende Maßnahmen begleitet werden, wenn wir insgesamt Erfolge sehen wollen. Die äußerst erfolgreiche Agrarsozialpolitik, die von der sozialliberalen Koalition in den letzten 13 Jahren betrieben wurde und die überhaupt erst die Grundlagen für weitere Strukturveränderungen gelegt hat, ({8}) muß fortgesetzt werden, wenngleich hier Reformen dringend notwendig sind. Sie können j a vergleichen, wie sozialpolitische Maßnahmen im Einzelplan 10 in Ihrer Zeit dotiert wurden und wie das in den letzten Jahren bei dieser Regierung war. ({9}) Sonderprogramme für den ländlichen Raum, z. B. die Gemeinschaftsaufgabe, sind beizubehalten; jawohl. Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" hat sich nie darauf beschränkt, die Produktionsstruktur der Landwirtschaft zu verbessern, obwohl das natürlich ein Schwerpunkt war und bleibt. Vielmehr ging es darum und wird es auch in Zukunft darum gehen, den ländlichen Raum als Ganzes in seiner Funktion für die Gesamtgesellschaft lebensfähig zu erhalten. Es gilt dabei die unterschiedlichen Bedürfnisse und damit Zielvorstellungen der Bewohner des ländlichen Raums abzuwägen. Die Sozialfunktionen des ländlichen Raums sind oft beschrieben worden. Aber es scheint mir notwendig, sie noch einmal kurz zu erwähnen: Erstens als Standort der Erzeugung hochwertiger und gesunder Nahrungsgüter; zweitens als Standort der Nah- und Ferienerholung; drittens als Standort regenerations-fähiger Lebensgrundlagen wie Luft und Wasser. Das sind noch heute Probleme, die uns alle angehen. In diesem Zusammenhang möchte ich die besondere Bedeutung der Waldwirtschaft erwähnen. Zur Erhaltung dieser Funktionen ist eine ordnungsgemäße und die Ertragsfähigkeit und Bodenfruchtbarkeit nachhaltig sichernde Landwirtschaft unverzichtbar. Gleichzeitig ist der Anspruch der ländlichen Bevölkerung auf ein hohes Maß von Dienstleistungen öffentlicher und privater Art zu realisieren, z. B. Verkehrserschließung, Einkaufsmöglichkeiten, Angebote sportlicher Art, schulische Versorgung, kulturelle Angebote. Dorferneuerung ist nicht nur eine Frage der Erhaltung ehrwürdiger Gebäude. Sie schließt vielmehr die innere Erneuerung ein. Zu verweisen ist auch auf die teilweise gesundheitsgefährdende Situation der Arbeitnehmer im ländlichen Raum. Verbessert werden muß hier die wirtschaftliche Lage bei 94 000 Arbeitnehmern, die in der tariflichen Regelung oft sehr viel schlechter gestellt werden als die Arbeitnehmer in der gewerblichen Wirtschaft oder auch im öffentlichen Dienst. ({10}) Ich denke hier besonders an die Waldarbeiter und an die Gartenarbeiter. Nicht versäumen möchte ich, an dieser Stelle die großartigen Leistungen, die die Frauen in allen Bereichen der Landwirtschaft erbringen, zu würdigen. ({11}) Dies ist ein kurzer Abriß meines Konzepts. - Ich sehe, die Zeit geht zu Ende. Ich möchte darauf hinwirken und eine Lanze dafür brechen, daß es uns gelingen möge, Reformen, die auf Notwendigkeiten im ländlichen Raum basieren, jetzt voranzutreiben. Der Abbau der Überschüsse und die Reduzierung der Produktion würden Gelder freisetzen, die eine Agrarpolitik mit der von mir skizzierten Zielsetzung zulassen würden. Es gilt nach wie vor, daß die Ernährung bei uns nicht durch kostspielige Überschüsse sichergestellt wird, sondern durch eine Selbstversorgung auf der Basis einer leistungsfähigen bäuerlichen Landwirtschaft mit angemessener Bodenproduktion. Natürlich geht es darum, die Produktionskapazitäten auch darauf zu untersuchen, ob man sie nicht zeitweise extensiv nutzen kann. Meine Damen und Herren, der größte Überschuß kommt natürlich nicht von den natürlichen Rohstoffen, sondern von den Substituten. Das ist hier schon gesagt worden. Ich darf darauf hinweisen, daß gerade in der Dritten Welt durch eine zu starke Forcierung der Exporte nach hier Monostrukturen entstehen, die negativer Art sind, und sich bei uns Strukturen entwickeln, die eine flächenunabhängige Veredelung zulassen. Auch wenn ich dies nicht einseitig sehen kann, müssen wir hier zu Regelungen kommen. Deshalb bin ich für die Selbstbeschränkungsabkommen. Ich bin aber gleichzeitig dafür, daß wir aufpassen, daß nicht verhandlungsstarke Industrienationen wieder neu zulegen. Ich bin der Überzeugung, daß alle agrarpolitischen Maßnahmen und Entscheidungen immer in enger Verbindung mit den Problemen der Agrarstaaten der Dritten Welt gesehen werden müssen. Deshalb dürfen wir uns diesen Fragen in der Diskussion um die Verbesserung der Lebensbedingungen unserer Landwirtschaft nicht entziehen. Gerade die Debatte um den Agrarbericht muß agrarpolitische Zielsetzungen erkennen lassen. Wir alle müssen den Landbewirtschaftern hilfreich zur Seite stehen, damit diese ihre Vorstellungen zu Einkommensfragen und Lebensbewältigung im Einklang mit den gesellschaftlichen Bedürfnissen befriedigen können. Meine Damen und Herren, die Zukunftschancen aus den nachwachsenden Rohstoffen müssen genutzt werden. Darum fordere ich die jungen Landwirte und Landbewirtschafter auf: Lassen Sie sich nicht beirren! Es gibt eine Zukunft; es ist schön und wird sich auch in Zukunft wieder lohnen, sich schöpferisch in der Landwirtschaft zu betätigen! Möglichst viele Menschen sollten auch in Zukunft die Chance haben, sich aktiv an diesem Prozeß zu beteiligen. Landbewirtschaftung ist eine große Aufgabe. Ein intakter ländlicher Raum bedeutet mehr Lebensqualität für alle. - Ich danke Ihnen. ({12})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Meine Damen und Herren, ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr. Wir beginnen dann mit der Fragestunde. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Wir fahren in den Beratungen fort. Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde - Drucksache 9/1481 Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen auf. Der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Böhme steht zur Beantwortung zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 45 des Herrn Abgeordneten Hitzigrath: Trifft es zu, daß auf Grund der Neufassung des § 40 a EStG ab 1982 Teilzeitbeschäftigte in der Landwirtschaft die für die Lohnsteuerpauschalierung erforderliche Bescheinigung nur auf Antrag nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck ausgestellt erhalten, und wird hierdurch das Anwerben arbeitswilliger Aushilfskräfte erschwert, oder wird bei Nichtbeachtung dieser Formvorschrift der betroffene Landwirt erheblich finanziell belastet? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Ich bitte um Erlaubnis, beide Fragen im Zusammenhang beantworten zu können.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ja. Dann rufe ich auch die Frage 46 des Herrn Abgeordneten Hitzigrath auf: Sieht die Bundesregierung Möglichkeiten, das Verfahren zu vereinfachen, insbesondere die erforderliche Bescheinigung den Aushilfskräften auf formlosen Antrag hin zu übersenden?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Die Zulässigkeit der Lohnsteuerpauschalierung ist im 2. Haushaltsstrukturgesetz von der Vorlage einer Pauschalierungsbescheinigung abhängig gemacht worden. Nur auf diese Weise kann verhindert werden, daß die Pauschalierung nicht für mehrere Teilzeit- und Aushilfsbeschäftigungen nebeneinander gleichzeitig ausgenutzt wird und sich die Vorteile aus dem geringen Steuersatz beim einzelnen Arbeitnehmer kumulieren. Es handelt sich insofern um einen Beitrag zur Steuergerechtigkeit im Hinblick auf die Arbeitnehmer, welche gleichhohe Bezüge aus nur einem Arbeitsverhältnis erhalten und auf die normale Lohnbesteuerung angewiesen sind. Es trifft zu, daß die für die Lohnsteuerpauschalierung ab 1982 erforderliche Bescheinigung auf amtlich vorgeschriebenem Vordruck und nur auf Antrag des Arbeitnehmers ausgestellt wird. Eine bestimmte Antragsform ist nicht vorgeschrieben. Es ist deshalb bereits heute möglich, diesen Antrag formlos zu stellen. Dies kann auch vorsorglich geschehen, wenn eine solche Bescheinigung in der Zukunft von einem Arbeitnehmer einmal benötigt wird. Einer besonderen Vereinfachungsregelung im Sinne Ihrer zweiten Frage bedarf es daher nicht. Nachprüfbare Ergebnisse, daß das Bescheinigungsverfahren die Bereitschaft von Aushilfskräften zur Aufnahme einer Tätigkeit beeinträchtigen kann und sich hierdurch auch Auswirkungen auf die Anwerbemöglichkeiten des Arbeitgebers ergeben können, liegen noch nicht vor. Ohne Vorlage einer Pauschalierungsbescheinigung hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer von Aushilfskräften nach allgemeinen Vorschriften einzubehalten, und sofern eine Lohnsteuerkarte nicht vorliegt, nach der Lohnsteuerklasse VI zu ermitteln und festzusetzen. Eine finanzielle Mehrbelastung für den Arbeitgeber tritt nur ein, wenn er, um die bisherige Nettovergütung der Aushilfskraft zu erhalten, entweder den Arbeitslohn entsprechend erhöht oder aber die Lohnsteuer im Rahmen einer zulässigen Nettovereinbarung übernimmt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie sich vorstellen, daß ein Arbeitnehmer beispielsweise gerade in der Obsternte natürlich bei mehreren Arbeitgebern sporadisch als Aushilfskraft tätig ist, aber viel weniger als 390 DM verdient und - was das Entscheidende ist - die Arbeitnehmer diese neue Erschwernis nicht annehmen und damit das Ganze ein Arbeitsverhinderungsgesetz wird?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Ich stimme durchaus zu - entsprechende Eingaben liegen vor allen Dingen aus dem Bereich der Landwirtschaft, aber auch in anderen Fällen der Saisonarbeit vor -, daß dies zu Schwierigkeiten führen kann. Es liegen aber bisher, wie ich ausführen konnte, noch keine gesicherten Ergebnisse vor, daß das tatsächlich zu einer Verunmöglichung der Gestellung von Arbeitskräften führen könnte. Aber richtig ist, daß durch die Neuregelung verhindert werden soll, daß TeilzeitLohnsteuer für mehr als eine Beschäftigung pauschaliert wird. Das ist der Sinn der Regelung im Hinblick auf die allgemeine Situation am Arbeitsmarkt. Wenn jemand mehrere Teilzeitbeschäftigungen ausübt, ist ihm dies unbenommen, aber dann soll er nach der normalen Lohnsteuertabelle besteuert werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Frage, Herr Kollege Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie sich vorstellen, daß mit Erntesaisonarbeiten noch keine Erfahrungen vorliegen können, weil es während der Geltung der neuen Regelung noch keine Ernte gegeben hat, und gibt es zweitens, Herr Staatssekretär, wenn wirklich so viele Eingaben aus dem Bereich kommen, der betroffen ist, die Möglichkeit, daß die Bundesregierung diesen Eingaben durch eine Veränderung der Verordnung folgt?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Es ist nicht nur eine Frage der Saisonarbeit in der Landwirtschaft. Es gibt andere Bereiche, wo das bisher üblich war und die Tätigkeiten von der Jahreszeit unabhängig sind. Im übrigen steht die Bundesregierung mit denjenigen, die Eingaben gemacht haben, in Kontakt. Die Fragen werden genau diskutiert und überprüft.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kolb.

Elmar Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001170, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, könnten Sie dem Hohen Hause erklären, was diese Bescheinigung in ihrer jetzigen Art eigentlich zur Gerechtigkeit beiträgt, da sie nur Datum und Unterschrift bzw. Stempel der Firma enthält, aber weder der Betrag noch die Zeit, während der gearbeitet wird, darin enthalten ist, so daß direkt die Aufforderung zu levantinischem Verhalten gegeben ist?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Die Unterstellung mit dem levantinischen Verhalten muß ich zurückweisen. Das wird der Praxis und auch der Situation in der Bundesrepublik Deutschland nicht gerecht. Zum anderen weise ich darauf hin, daß man nicht Mißstände beklagen kann und dann Regelungen zu verhindern versucht, die die Mißstände eingrenzen sollen. Es ist der Sinn der Sache, daß über die Lohnsteuerpauschalierungsbescheinigungen ein Nachweis erfolgen muß, und damit wird verhindert, daß jemand mehrere Teilzeitbeschäftigungen nebeneinander oder hintereinander schaltet und über die jeweilige Lohnsteuerpauschalierung und mehrere Teilarbeitsverhältnisse gegenüber denen besser fährt und steuerlich im Vorteil ist, die ein normales Arbeitsverhältnis ausüben und die Lohnsteuer normal bezahlen müssen. Dieses Anliegen ist gerechtfertigt und hat dementsprechend die Mehrheit im Bundestag gefunden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kolb.

Elmar Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001170, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich hatte Sie gefragt, ob Sie dem Hohen Hause erklären können, wie der derzeitige Vordruck das sicher berechtigte Interesse wahrmachen kann, nachdem auf diesem Vordruck alle wichtigen Angaben fehlen und dann genau das kommt, was ich gesagt habe.

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Nein, das kann ich nicht bestätigen. Die Bescheinigung ist zusammen mit den Ländern besprochen worden. Die Länder haben im Bundesrat, im Vermittlungsverfahren dieser Frage auch zugestimmt. Das Verfahren ist eindeutig mit den Länderverwaltungen abgesprochen und nach dem bisherigen Verwaltungsverfahren dargestellt worden. Es ergeben sich überhaupt keine Hinweise, daß dieses Verfahren nicht praktikabel ist und nicht funktioniert.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 47 des Herrn Abgeordneten Dr. Sprung auf: Gibt es schon Vorstellungen darüber, wie der Nachtragshaushalt 1982 finanziert werden soll?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Wie bereits im Jahreswirtschaftsbericht dargelegt, werden konjunkturbedingte Mehrbelastungen durch eine erhöhte Kreditaufnahme erzielt. Die übrigen Mehrbelastungen werden durch Ausgabekürzungen und Verwaltungsmehreinnahmen ausgeglichen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Sprung.

Dr. Rudolf Sprung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002208, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wann wird die Bundesregierung den Nachtragshaushalt vorlegen?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Die Vorgespräche laufen. Wir werden diese Vorgespräche Ende nächsten Monats abgeschlossen haben und den Nachtragshaushalt anschließend vorlegen. ({0}) - Ich habe gesagt, daß die Vorgespräche nach jetzigem Stand Ende Mai abgeschlossen sind, und danach wird der Nachtragshaushalt vorgelegt werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 48 des Herrn Abgeordneten Dr. Sprung auf: Trifft es zu, daß zur Finanzierung des Nachtragshaushalts eine zusätzliche Gewinnabführung der Deutschen Bundesbank von 1,5 Milliarden DM über den ohnehin schon in den Haushalt 1982 eingestellten Betrag von 10,5 Milliarden DM hinaus vorgesehen ist?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Mit einer Gewinnabführung der Deutschen Bundesbank über die im Bundeshaushalt 1982 vorgesehenen 10,5 Milliarden DM hinaus wird zur Zeit nicht gerechnet. Die endgültige Entscheidung fällt der Zentralbankrat in dieser Frage Ende April 1982.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage.

Dr. Rudolf Sprung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002208, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, hat die Bundesregierung versucht, die Bundesbank zu einem höheren Gewinnausweis als 10,5 Milliarden DM zu veranlassen, und ist es richtig, daß die Bundesbank dies abgelehnt hat?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Das kann ich im einzelnen nicht bestätigen. Es ist im übrigen die eigene Entscheidung der Bundesbank, wie hoch dieser Gewinn ausfällt. Das ist, wie von mir angekündigt, die Entscheidung, die Ende April zu erwarten ist. Es ist richtig, daß Gespräche stattgefunden haben. Die Bundesbank ist autonom und fällt ihre Entscheidungen in eigener Verantwortung.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Rudolf Sprung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002208, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, dies ist bekannt. Ich wiederhole meine Frage - sie ist noch nicht beantwortet worden -: Hat die Bundesregierung versucht, die Bundesbank zu veranlassen, einen höheren Ausweis vorzunehmen?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Nein. Gespräche darüber haben stattgefunden, aber ein Versuch in dem Sinne, daß hier ein Druck ausgeübt worden ist, lag sicher nicht vor. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 49 des Herrn Abgeordneten Kolb auf: Kann die Bundesregierung darüber Auskunft geben, nach welchen sachlichen Kriterien die Finanzämter die Grundsteuer A und B erheben, und wie zeitnah diese Erfassung ist? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Besteuerungsgrundlage für die Grundsteuer sind die nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1964 festgestellten Einheitswerte. Das Finanzamt setzt unter Anwendung der im Grundsteuergesetz festgelegten Steuermeßzahlen auf den Einheitswert den Steuermeßbetrag fest. Durch Anwendung des von der Gemeinde beschlossenen Hebesatzes auf den Grundsteuermeßbetrag setzt die Gemeinde dann selbst die Grundsteuer fest. Nach § 25 Abs. 4 des Grundsteuergesetzes kann die Gemeinde für die Grundsteuer zwei unterschiedliche Hebesätze festsetzen: Für die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft die sogenannte Grundsteuer A und für die Grundstücke die Grundsteuer B.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kolb.

Elmar Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001170, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß die Finanzämter sagen, sie hätten mit einer Verzögerung von zwei Jahren den gesamten Bestand von bebauten Grundstücken einschließlich der Bebauung in ihrem Computer, um danach die entsprechende Pauschale festzusetzen, so daß damit eigentlich auch klar sein müßte, wie viele bebaute Grundstücke einschließlich der darauf bestehenden Gebäude es gibt.

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Die Finanzämter haben die bebauten Grundstücke in den Bewertungsstellen erfaßt, und es ist sicher richtig, daß dies weitgehend in Computer eingespeist ist, so daß die Finanzämter eine Übersicht über die bebauten Grundstücke haben. Die Einheitswerte stehen - dies ist ja unser Problem und auch die Problematik einer Neubewertung des Grundvermögens - freilich in großer Diskrepanz zu den tatsächlichen Verkehrswerten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Elmar Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001170, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, habe ich Sie damit richtig verstanden, daß Sie mir bestätigen, daß die Finanzämter wissen, wieviel Grundstücke bebaut sind, wieviel Wohnungen vorhanden sind? Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dem Bauminister im Kabinett sagen würden, daß es in dieser Republik keine Diskussion darüber geben müßte, wieviel Wohnungen wir haben, weil die Daten mit zwei Jahren Verzögerung vorhanden sind.

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Herr Kollege, dies kann ich natürlich nicht bestätigen. Sie haben mich gefragt, ob ich bestätigen kann, daß die Anzahl der bebauten Grundstücke in den Finanzämtern bekannt ist. Dies kann ich bestätigen. Aber das hat mit der Anzahl der Wohnungen, mit der Güte ihrer Ausstattung und ähnlichen Dingen nichts zu tun. Dies wird in der Einheitsbewertung nach dem Stand vom 1. Januar 1964 sicher nicht zeitnah erfaßt, so daß hierüber zeitnahe Unterlagen nicht vorliegen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe Frage 50 des Herrn Abgeordneten Rayer auf: Mit welcher Begründung werden die Umsätze von Tierarzneimitteln nur mit dem halben Mehrwertsteuersatz belegt, und wird die Bundesregierung diese Regelung unter dem Gesichtspunkt der Einschränkung des Tierarzneimittelmißbrauchs gegebenenfalls überprüfen?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Die Umsätze von Tierarzneimitteln sind nicht begünstigt. Sie unterliegen dem allgemeinen Steuersatz von 13 %. Auf die Umsätze von Fütterungsarzneimitteln wird seit dem 1. Januar 1975 der ermäßigte Umsatzsteuersatz angewandt. Fütterungsarzneimittel sind Gemische aus Tierarzneimitteln und Mischfuttermitteln als Trägerstoff. Der Gesetzgeber hat hier nicht eine besondere umsatzsteuerliche Begünstigung von Tierarzneimitteln bezweckt. Die Umsatzsteuerermäßigung ist vielmehr nur deshalb eingeführt worden, weil für Futtermittel ohnehin der ermäßigte Steuersatz gilt. Sie soll gewährleisten, daß die Begünstigung der Mischfuttermittel auch dann erhalten bleibt, wenn diese zugleich als Trägerstoff für Arzneimittel verwendet werden. Die Bundesregierung beabsichtigt derzeit nicht, die Steuerermäßigung für die Umsätze von Fütterungsarzneimitteln zu überprüfen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rayer.

Wolfgang Rayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001787, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würde die Überlegung, daß es in den letzten Jahren eine erhebliche Verschiebung von der Benutzung der Zusätze als Arzneimittel, also als Heilmittel für Tiere, hin zu einer rein ökonomischen Masthilfe gegeben hat, die Bundesregierung dazu bringen, eventuell neue Überlegungen zur Veränderung des Mehrwertsteuersatzes auch für diese Kombination von Mischfutter und Arzneimitteln anzustellen?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Wenn hierfür eine nachprüfbare Bewertung vorliegt, die eine massive Verschiebung in dem von Ihnen genannten Umfang ausweist, muß das sicher überprüft werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer Zusatzfrage Frau Dr. Martiny-Glotz.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, in der entsprechenden Liste wird gesagt, daß FütteFrau Dr. Martiny-Glotz rungsarzneimittel, soweit sie dem Arzneimittelgesetz unterliegen, mit dem halben Mehrwertsteuersatz belegt werden. Ist aus dieser Formulierung zu schließen, daß die Bundesregierung davon ausgeht, daß es auch Fütterungsarzneimittel geben könnte, die dem Arzneimittelgesetz nicht unterliegen? Wenn ja: Welchen Mehrwertsteuersatz legt man dann zugrunde?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Die Mehrwertsteuerermäßigung ist nur für solche Mittel gegeben, die als Fütterungsarzneimittel ausgewiesen sind. Für andere Mittel kann diese Ermäßigung nicht in Anspruch genommen werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weiteren Wortmeldungen. Ich rufe die Frage 51 des Abgeordneten Clemens auf: Ist es richtig, daß infolge pauschaler Stelleneinsparungen die der Bundeszollverwaltung übertragene Vollstreckung aus dem Bereich der Bundesanstalt für Arbeit, den Berufsgenossenschaften und den Ersatzkassen nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden kann und bei einem derzeitigen Vollstreckungsrückstand in Höhe von rd. 1,6 Milliarden DM die Gefahr besteht, daß vollstreckbare Forderungen verjähren und dadurch erhebliche Einnahmeverluste entstehen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Die Stelleneinsparungen im Bereich der Zollverwaltung in den Bundeshaushalten 1981 und 1982 werden in der Vollstreckung nicht zu Einnahmeverlusten führen können, weil die Oberfinanzdirektionen angewiesen worden sind, den Vollstreckungsbereich bei den Einsparungen auszunehmen. Außerdem sind für die Vollstreckungen im Sozialbereich im Bundeshaushalt 1981 als erste Rate 120 neue Stellen bewilligt worden. Damit wird es möglich sein, bereits im Jahre 1982 einen erheblichen Teil der Vollstreckungsfälle aus dem Sozialbereich zu erledigen. Zur Vermeidung von Einnahmeverlusten wird die Zollverwaltung vorrangig die Fälle bearbeiten, bei denen Verjährung droht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Clemens.

Joachim Clemens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000330, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß zur ordnungsgemäßen Bewältigung der Vollstreckungsfälle durch die Bundeszollverwaltung 700 Planstellen erforderlich wären und - wie Sie soeben richtig gesagt haben - nur 120 Planstellen im Jahre 1982 bewilligt worden sind?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Daß 700 Stellen erforderlich sind, kann ich nicht bestätigen, und zwar deswegen nicht, weil beabsichtigt ist, daß die Vollstreckungsbehörden, die bisher die Beitreibung der Sozialhilfeausstände durchgeführt haben, in einer Übergangszeit Rechts- und Amtshilfe gewähren. Das ist also ein langsamer Prozeß. Daß hier ein zusätzlicher Personalbedarf besteht, ist richtig - ich kann die Zahlen nicht bestätigen -, aber im Bundeshaushalt 1982 sind, wie gesagt, bereits 120 neue Stellen bewilligt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Clemens.

Joachim Clemens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000330, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist es richtig, daß in der Bundesfinanzverwaltung im Jahre 1981 574 Stellen und im Jahre 1982 369 Stellen eingespart worden sind, die hauptsächlich die Bundeszollverwaltung betreffen?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Es ist richtig, daß im Zuge der allgemeinen Maßnahmen auch in diesem Bereich Stellen eingespart worden sind. Dies gilt aber ausdrücklich nicht für den Bereich der Vollstreckung, wie ich vorhin in meiner Antwort ausführen konnte.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Abgeordneter Dr. Friedmann.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Dr. Böhme, darf ich Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, daß in der vorletzten Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses zum Vorschein kam, daß der Bundesfinanzminister seine Vorstellungen zur Rationalisierung in der Bundeszollverwaltung nicht überall durchsetzen konnte und daß hier noch erhebliche Personalreserven bestehen, die für die Aufgabe der Zwangsvollstreckung eingesetzt werden können?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Es ist völlig normal, daß die Vorstellungen, die in einem Ressort entwickelt werden, nicht immer vollständig durchgesetzt werden können. Dies ist normale Praxis und keine Besonderheit. Im übrigen weiß ich aus vielen Gesprächen - Herr Kollege Friedmann, ich weiß, daß Sie da ja auch in Kontakt stehen - mit Bediensteten gerade im Zollbereich, daß durch die neue Aufgabe im Bereich der Vollstreckung zusätzliches Personal benötigt wird. Ich unterstreiche voll und ganz, daß es richtig war, daß die Oberfinanzdirektion einerseits diesen Bereich von der Einsparung völlig ausgenommen hat und daß andererseits zusätzlich neue Stellen in diesem Bereich bewilligt worden sind.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß Ihre Aussagen über die befriedigende Bedienung des Vollstreckungsbereichs im Zoll auf Grund der neuen Aufgabenzuweisung im Widerspruch zu den Aussagen sämtlicher Gewerkschaften innerhalb der Zollverwaltung stehen, die - soweit mir bekannt ist - sämtlich ohne Unterschied davon ausgehen, daß hier eine außerordentlich starke, ja sogar maßlose Überbeanspruchung der einzelnen Zollbeamten erfolgt?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Ich sehe keinen Widerspruch, Herr Kollege, weil ich vorhin ausdrücklich gesagt habe, daß durch diese neue Aufgabenzuweisung im Bereich der Bundeszollverwaltung zusätzliches Personal erforderlich ist, daß dieser Bereich deswegen auch auf ausdrückliche Anweisung der Oberfinanzdirektion von den Einsparungen ausgenommen ist und daß 120 zusätzliche Stellen in dem jetzigen Haushalt bewilligt worden sind. Ich sehe also keinen Dissens im Hinblick auf meine vorher gemachten Ausführungen. Daß der gesamte Bereich, der jetzt neu dazugekommen ist, nicht mit einer ausreichenden Zahl von Stellen verstärkt werden konnte, ist richtig. Deswegen geben die Vollstreckungsstellen, die dieses Gebiet bisher bearbeitet haben, vorübergehend Amts- und Rechtshilfe.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe Frage 52 des Herrn Abgeordneten Clemens auf: Ist die Bundesregierung bereit zu bestätigen, daß im Bereich der der Bundeszollverwaltung übertragenen Vollstrekkungsaufgaben nach dem Sozialgesetzbuch sich der derzeitige Vollstreckungsrückstand von 93000 Fällen mit einem Wert von rd. 1,6 Milliarden DM durch einen jährlichen Zuwachs von 400000 Vollstreckungsfällen noch wesentlich erhöht, und was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu tun?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Ich habe diese Frage schon in der Beantwortung der Zusatzfragen behandelt. Ich darf die Antwort formal wiederholen: Die Annahme, die Ihrer Frage zugrunde liegt, Herr Kollege, kann ich nicht bestätigen. Zur Vermeidung weiterer Rückstände sind die Länder gebeten worden, durch die Vollstreckungsbehörden, die vor dem 1. Januar 1981 für die Vollstreckung im Sozialbereich zuständig waren, vorerst noch Amtshilfe zu leisten, bis die Hauptzollämter in den Stand versetzt sind, alle Vollstreckungsfälle selbst zu übernehmen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Joachim Clemens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000330, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist es richtig, Herr Staatssekretär, daß bisher 93 000 Fälle unbearbeitet sind und daß jährlich rund 400 000 dazukommen, und - damit verbunden - reicht es dann aus, nur 120 Stellen in diesem Bereich zu bewilligen?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Nein, ich stimme Ihnen zu: Es reicht nicht aus, 120 Stellen zu bewilligen, und deswegen muß diese Personallücke in einem Prozeß über einen gewissen Zeitraum aufgefüllt werden. Daher bin ich dankbar, hier feststellen zu können, daß die Länder auch bereit sind, in den Bereichen, in denen ihre Behörden diese Aufgaben bisher wahrgenommen haben, noch vorübergehend Amts- und Rechtshilfe zu gewähren, so daß ein Ausfall in der Vollstreckung nicht zu befürchten ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, bitte.

Joachim Clemens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000330, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, sind Sie mit mir der Auffassung, daß trotz der sicherlich sehr notwendigen Personaleinsparungen in den einzelnen Bereichen Kosten-Nutzen-Analysen angestellt werden müssen, um darüber entscheiden zu können, wo eingespart, wo stärker eingespart oder wo notfalls auch aufgestockt werden muß wie in diesem Fall bei der Bundeszollverwaltung?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

In dem Fall braucht man im Grunde keine Kosten-Nutzen-Analyse. Vielmehr ist völlig klar, daß zusätzliches Personal eingestellt werden muß, weil von der Bundeszollverwaltung seit 1. Januar 1981 eben eine neue Aufgabe übernommen worden ist. Das ist unstreitig. Ich bitte nur um Verständnis, daß das nicht im dem Tempo geschehen kann, wie sich die Bundeszollverwaltung das vielleicht mit Recht vorstellt. Deswegen j a der wiederholte Hinweis, daß die Vollstreckungsbehörden der Länder, die diese Aufgabe bisher wahrgenommen haben, vorübergehend helfen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. - Ich rufe Frage 53 des Herrn Abgeordneten Graf Stauffenberg auf: Seit wann hat sich der Bundesfinanzminister die jeweilige Entscheidung über Wiederbesetzung planmäßiger Personalstellen in der Bundesauftragsverwaltung - z. B. Personalwechsel im Reinigungsdienst der Katastrophenschutzschulen nach MTL II und III - vorbehalten?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Ein Haushaltsvermerk, nach dem die Wiederbesetzung freiwerdender Stellen der Einwilligung des Bundesministers der Finanzen bedarf, ist bei den Titeln 425 42 und 425 43 des Kapitels 3604 - das sind die Maßnahmen der zivilen Verteidigung im Aufgabenbereich des Bundesministers des Innern - ausgebracht. Er bezieht sich auf sämtliche Stellen für Angestellte und Arbeiter der Zentralwerkstätten und Schulen des Katastrophenschutzes. Der Vermerk ist bei den Beratungen des Haushaltsentwurfs 1981 im Haushaltsausschuß in den Haushalt aufgenommen worden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Graf Stauffenberg.

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie viele Stellen sind von diesem Entscheidungsvorbehalt betroffen?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Das läßt sich im Moment, glaube ich, nicht genau sagen. Es gibt eine Übersicht, nach der man von etwa 300 Stellen ausgehen kann. Sie betreffen die Schulen und die Werkstätten des Katastrophenschutzes, die bisher bekanntlich von den Bundesländern in Auftragsverwaltung für den Bund betrieben worden sind. Das ist die ungefähre Zahl, die ich Ihnen nennen kann.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage.

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, über wie viele Instanzen des Dienstweges muß ein solches schriftliches Ersuchen um eine Stellenneubesetzung unter Berücksichtigung des Entscheidungsvorbehalts laufen, und welche durchschnittliche Zeit erfordert dieser Dienstweg?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Es handelt sich um eine Regelung in der Bundesauftragsverwaltung. Es muß also von der unteren über die mittlere zur obersten Landesbehörde und dann von der Spitze des jeweiligen Landesministeriums an die zuständigen Bundesminister gehen, wo entsprechend entschieden wird. Das ist ein durchaus langer InParl. Staatssekretär Dr. Böhme stanzenzug, aber die Regel bei der Auftragsverwaltung. ({0}) - Das kann ich Ihnen jetzt im einzelnen nicht sagen, weil das von den Sachbearbeitern abhängt. Aber der Kern Ihrer Frage geht wohl dahin, daß Sie wissen wollen, wann sich der Effekt von möglichen Einsparungen auswirkt. Hierzu möchte ich sagen, daß der Zweck des Einstellungsvorbehaltes nicht war, unmittelbar Einsparungen zu erzielen, sondern diese Stellen sollen in einem mittelfristigen Prozeß abgebaut werden. Es ist also nicht damit zu rechnen - das ist auch nicht die Absicht -, daß das unverzüglich erfolgt. Da es sich hierbei um wichtige Anliegen handelt, soll das vielmehr, wie gesagt, in einem mittelfristigen Prozeß vonstatten gehen, und zwar entsprechend den Feststellungen des Bundesrechnungshofes, Herr Kollege. Die Feststellungen des Bundesrechnungshofes sowie die entsprechenden Feststellungen des Bundesinnenministeriums und auch des Bundesfinanzministeriums waren ja der Anlaß für die Einstellung des Vorbehaltes.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 54 des Herrn Abgeordneten Graf Stauffenberg auf: Welche Einsparungen hat die Praxis dieses Entscheidungsvorbehalts dem Bundeshaushalt erbracht?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Die im Jahre 1981 durch die Anwendung des Vorbehaltes erzielten Einsparungen sind ohne zeitraubende Feststellungen bei den Bundesländern nicht bezifferbar. Das ist eine Bestätigung dessen, was ich vorhin bereits über den Instanzenzug gesagt habe.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Graf Stauffenberg.

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, stimmen Sie mir zu, daß den eventuellen Einsparungen durch Wegfall von Stellen der Arbeitsaufwand von mindestens fünf Zwischenentscheidungen und eine Bearbeitungszeit von in konkretem Fall bis zu sechs Monaten bei den bearbeitenden Behörden gegenübergestellt werden muß?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Herr Kollege, ich sehe darin keinen Nachteil, weil, wie ich schon sagte, in dieser Frage überhaupt keine Eile geboten ist. Es liegt nicht in der Intention dieses Einstellungsvorbehalts, auf die Schnelle Entscheidungen zu haben, sondern der Personalabbau, um den es geht, soll schrittweise bei den Schulen bis 1986 und bei den Werkstätten bis 1988 vollzogen werden. Von diesem Zeitablauf her ergibt sich schon, daß keine Eile geboten ist und in einer sehr ruhigen und der Sache angemessenen Weise entschieden werden kann.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage.

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, können Sie mir aus Ihrer Antwort heraus erklären, wie beispielsweise ein Behördenleiter, der die Stelle einer Reinigungsfrau, die kündigt, wieder zu besetzen hat, der damit rechnen muß, daß der Dienstweg bis zur Entscheidung des Bundesfinanzministers und zurück drei Monate und beliebig länger dauert, dafür sorgen soll, daß in dieser Zeit die Reinigungsaufgaben erledigt werden?

Dr. Rolf Böhme (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000221

Ich glaube, diese Frage kann ich im einzelnen damit beantworten, daß der ganze Frage- und Antwortvorgang zeigt, daß es höchste Zeit ist, daß die notwendigen Einsparungen vorgenommen werden und die zuständigen Behörden sich Gedanken darüber machen, das in vernünftiger Weise durchzuführen. ({0}) Ihre Fragen sind letztlich eine Bestätigung der Richtigkeit der Feststellung des Bundesrechnungshofs.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die Fragen 55 und 56 des Herrn Abgeordneten Dr. Jahn ({0}) werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich komme zu den Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts. Ich rufe die Frage 9 des Herrn Abgeordneten Dr. Friedmann auf: Treffen Pressemitteilungen zu, daß der Bundeskanzler eine Kabinettsumbildung beabsichtigen soll und davon insbesondere die Bundesminister Dr. Ehrenberg, Gscheidle, Dr. Graf Lambsdorff sowie Ertl betroffen sein sollen? Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Huonker zur Verfügung.

Not found (Gast)

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Friedmann, Ihre Frage beantworte ich mit Nein.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Friedmann.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Staatsminister, könnte es sein, daß die Namen der Herren Minister, die im Zusammenhang mit Kabinettsumbildungen immer wieder genannt werden, auch deshalb gehandelt werden, weil die betreffenden Herren politische Aussagen gemacht haben, die sich hinterher als gravierend falsch erwiesen haben, so z. B. die Aussage des Herrn Matthöfer, daß während seiner Amtszeit der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung nicht erhöht werde, und die Aussage von Herrn Minister Ehrenberg, daß es keiner zusätzlichen Zuschüsse für Nürnberg bedürfe, obwohl sich in diesen Tagen erweist, daß dies eine ganz gravierende Fehlschätzung war?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das ist natürlich schon eine sehr umfangreiche Ausweitung dieser Frage.

Not found (Gast)

Sehr geehrter Herr Kollege, Sie werden verstehen, daß ich mich an haltlosen Spekulationen nicht beteiligen werde. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage.

Prof. Dr. Bernhard Friedmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000589, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Staatsminister, könnte es sein, daß der Herr Bundeskanzler zur Zeit von einer Kabinettsumbildung nichts mehr wissen will, weil er sich angesichts der in der Koalition und in der Bundesregierung umgehenden Endzeitstimmung keine Verbesserung seiner Situation verspricht?

Not found (Gast)

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Friedmann, ich verweise auf die Antwort, die ich auf Ihre erste Zusatzfrage gegeben habe. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, könnte es sein, daß Ihr Dementi auf die Frage des Kollegen Friedmann auf denselben Erwägungen beruht, die die Bundesregierung immer veranlassen, vor der Veränderung des Kurswertes der Deutschen Mark in gleicher Weise zu dementieren, bis am Tag der Änderung des Kurswertes die Wahrheit ans Licht kommt - um auf diese Weise irgendwelchen Spekulationen vorzubeugen?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, diese Frage steht wirklich nicht mehr unmittelbar im Zusammenhang mit der Fragestellung. ({0}) Der Herr Staatsminister braucht sie nicht zu beantworten. ({1}) Graf Stauffenberg, Sie möchten eine Zusatzfrage stellen.

Franz Ludwig Schenk Stauffenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002222, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, bedeuten Ihre erleuchtenden Antworten auf die beiden Zusatzfragen des Kollegen Friedmann, daß der Bundeskanzler über die Namen seines Kabinetts überhaupt nicht mehr nachdenkt?

Not found (Gast)

Ich verweise hier mit allem gebührenden Respekt, Herr Kollege Graf Stauffenberg, erneut auf meine Antwort, die ich auf die erste Zusatzfrage des Herrn Kollegen Dr. Friedmann gegeben habe.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jaunich.

Horst Jaunich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001022, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Staatsminister, könnte es sein, daß die Fragen des Fragestellers reinen Schaucharakter haben?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Auch diese Frage kann ich nicht zulassen. - Danke schön, Herr Staatsminister. Ich rufe die Frage 10 des Herrn Abgeordneten Linsmeier auf: Kann die Bundesregierung Meldungen bestätigen, nach denen die Mitarbeiter des Bundespresse- und Informationsamts jene Rundfunkrede, mit der General Jaruzelski über Polen das Kriegsrecht verhängte, „prompt verschliefen" und deshalb die Rede im Originalton von der Deutschen Welle besorgen mußten? Bitte, schön, Herr Staatssekretär Becker.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, der Zeitungsbericht, auf den Sie Ihre Frage stützen, ist in dem von Ihnen angezogenen Punkte vollständig falsch. Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung hat die Rundfunkrede des polnischen Generals Jaruzelski, in der er die Verhängung des Kriegsrechts bekanntgab, keineswegs prompt verschlafen; das Gegenteil ist richtig. ({0}) Das Amt hat das Tonband mitgeschnitten und anschließend sofort übersetzt und veröffentlicht. Wir waren nicht auf die Arbeiten der Deutschen Welle angewiesen, wie es hier behauptet worden ist. Jede andere Behauptung ist eine leichtfertige oder vorsätzliche Verleumdung.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Linsmeier.

Josef Linsmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001350, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie dann der Öffentlichkeit die Tatsache, daß diese Rede von der Deutschen Welle bezogen wurde, und zwar im Originalton, und wie erklären Sie, daß Versuche beim Bundespresse- und Informationsamt zwischen 6.20 Uhr und 6.25 Uhr am Morgen, nachdem die Rede um 6.00 Uhr begonnen hatte, die entsprechenden Monitordienste zwecks eines kollegialen Zusammenwirkens zu erreichen, leider vergeblich waren?

Not found (Staatssekretär:in)

Den ersten Teil Ihrer Frage kann ich natürlich nicht beantworten, weil ich die tatsächlichen Anstrengungen des Berichterstatters in der entsprechenden Zeitung nicht kenne, die dieser angestellt hat, um der Wahrheit auf den Grund zu kommen. Die Anstrengung kann nicht sehr groß gewesen sein. Zum zweiten Punkt möchte ich feststellen, daß diese Rede des polnischen Generals Jaruzelski auf Tonband aufgenommen worden ist, weil wir zu dieser Uhrzeit, am Sonntagmorgen um 6 Uhr, nur eine begrenzte Zahl von Übersetzern anwesend haben. Unverzüglich nach der Aufnahme ist der Rundfunkauswerter mit polnischen Sprachkenntnissen zu Hause angerufen worden. Er hat dann die Rede vom Tonband sofort übersetzt. Der erste Teil dieser Rede ist bereits im „Nachrichtenspiegel I" des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung enthalten, der auch an diesem Sonntagvormittag herausgegeben worden ist. Der gesamte Wortlaut der Rede konnte zu dieser Zeit noch nicht veröffentStaatssekretär Becker licht werden. Das geschah dann einen Tag später in unserem Dienst „Ostinformation". Das Angebot der Deutschen Welle, diese Rede zur Verfügung zu stellen, ist mit freundlichem Dank nicht angenommen worden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Linsmeier.

Josef Linsmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001350, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, auf Grund dieses unterschiedlich dargestellten Vorfalls frage ich: Würden Sie mir zustimmen, daß es nach wie vor eine gute Übung wäre, wenn die Deutsche Welle einerseits und das Bundespresse- und Informationsamt andererseits auch künftig getrennte Monitordienste unterhalten würden?

Not found (Staatssekretär:in)

Es gibt eine Aufforderung des Bundesrechnungshofes, mögliche Doppelarbeiten zu vermeiden. Bemühungen, auf diesem Gebiet Kooperation walten zu lassen, sind im Gange. Aber es ist nicht immer ganz einfach, hier zu konkreten Ergebnissen zu kommen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Reddemann.

Dr. h. c. Gerhard Reddemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001790, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, da Sie es für notwendig gehalten haben, einen gemeinsamen Berufskollegen von Ihnen und mir der leichtsinnigen oder vorsätzlichen Verleumdung zu zeihen, möchte ich Sie fragen: Was kann angesichts des klaren Straftatbestandes der Verleumdung nach Ihrer Sicht eine leichtsinnige und eine vorsätzliche Verleumdung sein?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich bin kein geprüfter Rechtskandidat. Aber mir kam es darauf an, deutlich zu machen, daß derjenige, der hier eine politisch relevante Behauptung in die Welt gesetzt hat, sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, im Amte selbst den Wahrheitsgehalt eines Gerüchtes zu prüfen. Und hier ist mein Urteil in der Tat sehr herbe. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, kann ich Ihre Antwort so verstehen, daß die Deutsche Welle einen gewissen Zeitraum früher über die Rede des polnischen Oberbefehlshabers Jaruzelski verfügte als das Bundespresseamt?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, das wäre nach meiner Auffassung ein Fehlschluß. In der Deutschen Welle ist diese Rede ebenso mit einem Tonband aufgenommen worden wie im Presse- und Informationsamt. Hier gibt es keinen Unterschied. Die Rede ist nur einmal gesendet worden und konnte nur einmal aufgenommen werden. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich danke Ihnen schön, Herr Staatssekretär. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministers des Auswärtigen auf. Herr Staatsminister Dr. Corterier steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe Frage 11 des Herrn Abgeordneten Dr. Hupka auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß für das Deutsche Rote Kreuz laut eigener Auskunft „keine Möglichkeit besteht, in Verbindung mit dem Polnischen Roten Kreuz in Ausreiseanliegen behilflich zu sein", und ist sie bereit, dagegen zu protestieren, weil dieses Verhalten der polnischen Seite ein Verstoß gegen die „Information" zum Warschauer Vertrag darstellt? Bitte sehr, Herr Staatsminister.

Not found (Gast)

Das Deutsche Rote Kreuz konnte das Polnische Rote Kreuz nach dem 13. Dezember 1981 nicht bitten, Ausreiseanliegen zu fördern, weil wegen des Kriegsrechtes in Polen keine Kommunikationsmöglichkeiten bestanden. Nach Wiederaufnahme des indirekten fernschriftlichen Kontaktes zum Polnischen Roten Kreuz, zunächst über unsere Botschaft in Warschau, später und bis jetzt über das Internationale Komitee vom Roten Kreuz in Genf, ergaben sich auf Rot-Kreuz-Ebene immer noch Schwierigkeiten, weil von den zuständigen polnischen Behörden nach der Verhängung des Kriegsrechts für eine gewisse Zeit weder Ausreisegenehmigungen erteilt noch Ausreiseanträge entgegengenommen oder Rot-Kreuz-Interventionen akzeptiert wurden. Inzwischen konnte, wenn auch nicht landesweit, die von der Bundesregierung wiederholt erbetene Wiederaufnahme des Antrags- und Bearbeitungsverfahrens festgestellt werden. Damit dürften diesbezügliche Rot-Kreuz-Interventionen wieder möglich sein. Im übrigen erhofft sich die Bundesregierung von den Gesprächen, die der Generalsekretär des Deutschen Roten Kreuzes in dieser Woche in Warschau führt, die volle Wiederherstellung der Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Rot-Kreuz-Gesellschaften.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Hupka.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist jetzt davon auszugehen, daß nunmehr, auch entsprechend dem Text der Information, die Verbindung zwischen dem Deutschen Roten Kreuz und dem Polnischen Roten Kreuz wiederhergestellt wird, wenn es um die Frage der Ausreise geht?

Not found (Gast)

Ein abschließendes Urteil wird erst möglich sein, wenn der Generalsekretär des Roten Kreuzes zurück sein und berichtet haben wird.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage, bitte.

Dr. Herbert Hupka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000982, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, hatte die Bundesregierung zuvor die Verhältnisse nur zur Kenntnis genommen und vor sich selbst mit dem Kriegsrecht entschuldigt, oder hatte sie dagegen Verwahrung eingelegt, daß hier ein Verstoß gegen die Information zum Warschauer Vertrag vorliegt?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, Sie wissen ganz genau, wie überflüssig diese Frage ist. Ich bedaure, das so deutlich feststellen zu müssen. Sie haben selbst nach diesem Sachverhalt in der Fragestunde gefragt und von mir Auskunft darüber bekommen, welche Schritte die Bundesregierung unternommen hat - auf höchster Ebene. Ich darf hinzufügen, daß auch unser Botschafter und die Botschaft insgesamt in Warschau ständig in diesen Fragen vorstellig geworden sind und werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Frage 12 des Herrn Abgeordneten Dr. Jentsch ({0}) wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 71 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf: Unterstützt die Bundesregierung die Absichten der Regierung der USA, zukünftige Ostkredite und technologische Hilfen an Ostblockländer in Sicherheits- und politische Überlegungen einzubinden und in Verbindung mit notwendigen Gegenleistungen zugunsten der kontrollierten Abrüstung, des Verzichts auf Gewaltandrohung und der Menschenrechte zu bringen?

Not found (Gast)

Die Bundesregierung ist sich mit der Regierung der Vereinigten Staaten in der Überzeugung einig, daß die Verantwortung der Sowjetunion für die Entwicklung in Polen nicht ohne Rückwirkungen auf das Gesamtgeflecht unserer Beziehungen mit der Sowjetunion einschließlich der Wirtschaftsbeziehungen bleiben kann. Dies hat die Bundesregierung auch gegenüber der Sowjetunion stets deutlich gemacht. Hiervon unabhängig hält die Bundesregierung ebenso wie alle ihre Vorgängerinnen die Handhabung kommerzieller Auslandsgeschäfte deutscher Unternehmen als Instrument der politischen Einflußnahme gegenüber anderen Staaten, in welchem Teil der Welt auch immer, für ungeeignet.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wie wollen Sie eigentlich die friedlichen wirtschaftlichen Beziehungen sichern, wenn Sie nicht auch mit dem Ostblock zur kontrollierten Abrüstung und zur Sicherung der Menschenrechte kommen, und haben Sie nicht auch bei Rhodesien politische außenwirtschaftliche Bedingungen zur Geltung gebracht?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, es fällt mir schwer, den Sinn der Frage zu verstehen. Ich möchte aber auf jeden Fall den Versuch, der in Ihrer Frage gemacht wird, eine Verbindung z. B. zwischen Abrüstungs- und Rüstungskontrollverhandlungen und Handelsbeziehungen herzustellen, zurückweisen. Es geht doch bei Abrüstungs- und Rüstungskontrollverhandlungen nicht darum, daß wir der Sowjetunion in diesen Verhandlungen einen Gefallen tun wollen, sondern es geht um das gemeinsame Interesse an der Sicherung des Friedens. Und dafür können wir doch wohl kaum Konzessionen in anderen Bereichen verlangen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bedeutet diese Antwort also, Herr Staatsminister, daß Sie den wirtschaftlichen Hebel für Einlenken der Sowjetunion in Fragen der Abrüstung und der Menschenrechte nicht nutzen wollen, so wie es die amerikanische Regierung letztens durch die Erklärung des stellvertretenden Außenministers Stoessel am 17. März zum Ausdruck brachte?

Not found (Gast)

Herr Abgeordneter, ich habe meiner Antwort auf Ihre Frage nichts hinzuzufügen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, werden denn nicht auch nach Auffassung der Bundesregierung die technologischen Hilfen und die Kredite von der Sowjetunion gerade deswegen besonders hartnäckig angestrebt, weil sie die schweren Mängel ihrer eigenen Infrastruktur dadurch mildern kann und weil erst dadurch die Ausbeutung ihres Rohstoffreichtums überhaupt möglich wird und Kapazitäten für die eigenen Rüstungsanstrengungen freigesetzt werden?

Not found (Gast)

Uns geht es darum, einen Handel im beiderseitigen Interesse zu betreiben. Wenn Sie von Rüstung sprechen, so sind wir, wie Sie wissen, Herr Kollege, bereit, alles zu tun, was notwendig ist, um zu vermeiden, daß für die Rüstung notwendige sensitive Güter an die Sowjetunion geliefert werden. Wir haben deshalb zum Beispiel bei der hochrangigen COCOM-Konferenz in Paris am 19. und 20. Januar dieses Jahres ausdrücklich unsere Bereitschaft zur Mitarbeit bei der Verschärfung des Embargos für sensitive Güter und Technologien erklärt und uns entsprechend verpflichtet.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 72 des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja auf: Sind wirtschaftliche Maßnahmen der Bundesregierung gegen Staaten, die das Verbot von Gewaltanwendung und Gewaltandrohung oder das internationale Recht gravierend verletzen, staatsrechtlich durch das Außenwirtschaftsgesetz und völkerrechtlich durch Artikel 41 der UN-Charta gerechtfertigt?

Not found (Gast)

Bei den wirtschaftlichen Maßnahmen, die die Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit den Verbündeten ergriffen hat, handelt es sich um eine politische Reaktion, die im Ermessen der Bundesregierung liegt. Bei der Ausübung ihres Ermessens kann sich die Bundesregierung, soweit Rechtsgeschäfte und Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr betroffen sind, auf das Außenwirtschaftsgesetz stützen. Maßnahmen nach Art. 41 der VN-Charta setzen dagegen einen Beschluß des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen voraus.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, die Bundesregierung spricht immer von unzulässigen Eingriffen in bestehende Verträge. Ist es denn nicht nach dem allgemeinen Völkerrecht zulässig, gravierende Verletzungen internationaler Verträge durch einen Staat durch Repressalien zu beantworten?

Not found (Gast)

Ja, Herr Kolllege Czaja, nur ist unter anderem die Vorschrift des Art. 41, die Sie hier anziehen, überhaupt keine Grundlage für Maßnahmen, die ein einzelner Staat ergreifen will oder kann. Denn hier geht es darum, daß der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vorher einen entsprechenden Beschluß gefaßt haben muß. Dieser liegt in dem Fall, den Sie hier offenbar meinen, nicht vor.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte Sie im Sinne der Erweiterung meiner Zusatzfrage noch einmal fragen, ob nach dem allgemeinen Völkerrecht Repressalien nach gravierenden Verletzungen internationalen Rechts zulässig sind.

Not found (Gast)

Nach dem Völkerrecht ist zulässig, was völkerrechtlich zulässig ist. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, wären Sie bereit, mit mir darin übereinzustimmen, daß die besonderen Wirtschaftsbeziehungen zur Sowjetunion auch unter dem Vorbehalt der in dem allgemeinen Wirtschaftsabkommen von 1978 zwischen dem Generalsekretär Breschnew und dem Bundeskanzler vereinbarten allgemeinen Friedenspflicht stehen, deren Verletzung es dem Vertragspartner möglich macht, seinerseits darauf hinzuweisen, daß er insoweit an bestimmte Gegenleistungen nicht mehr gebunden ist?

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Ich bin mir keiner Verletzung der Friedenspflicht uns gegenüber bewußt, Herr Kollege.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Die Fragen 84 und 85 werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Grüner steht zur Beantwortung zur Verfügung. Die Fragen 57 und 58 des Abgeordneten Dr. von Wartenberg sowie die Frage 59 des Abgeordneten Milz werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Frage 60 des Herrn Abgeordneten Rapp ({0}): Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Export von „Blaupausen" ({1}) aus der Bundesrepublik Deutschland dadurch beeinträchtigt wird, daß Planungsbüros mangels eigener banküblicher Sicherheiten die von ausländischen Abnehmern geforderten Leistungsgarantien oft nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen beibringen können, und sieht die Bundesregierung darin eine Beeinträchtigung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, daß sich die Exporteure von Plänen und Konstruktionszeichnungen in anderen Industriestaaten staatlicher Einrichtungen bedienen können?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Beibringung geforderter Leistungsgarantien im Exportbereich kann für unsere Planungs- und Consultingfirmen im Einzelfall schwierig sein. Das gilt insbesondere für kleinere Planungsbüros, die bei geringer Eigenkapitalausstattung nur in begrenztem Umfange Bankkredite in Anspruch nehmen können. Soweit von den Planungs- und Consultingfirmen Gegengarantien - hierzu rechnen auch die erwähnten Leistungsgarantien - zu stellen sind, so können diese nach den geltenden Bedingungen durch eine Bundesbürgschaft gegen das Risiko der ungerechtfertigten Inanspruchnahme aus politischen Gründen durch den ausländischen Besteller gedeckt werden. Daneben bieten praktisch alle Bundesländer, wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung und in unterschiedlichem Umfang, Hilfsprogramme an, die ihre Unternehmen, insbesondere kleine und mittelständische Firmen, bei der Gestellung von Gegengarantien entlasten sollen. Die Bemühungen des Bundes, eine Harmonisierung der bestehenden Rückbürgschaftsprogramme der Länder zu erreichen, sind leider vorerst gescheitert. Trotz längerer Gespräche konnte zwischen Bund und Ländern keine Einigkeit über Bedingungen und Verfahren sowie den finanziellen Rahmen eines gemeinsamen Rückbürgschaftsinstrumentariums erreicht werden. Unter diesen Umständen sieht die Bundesregierung derzeit keine Möglichkeit, neue Instrumente zu schaffen. Ich verweise aber auf bestehende flankierende Hilfen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rapp.

Heinz Rapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001774, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich bei dieser Sachlage, die mir auch nicht bekannt war, den Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 5. März, wonach ein Mangel im Angebot an solchen Leistungsgarantien bestehe?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich kann mir das nur insofern erklären, als möglicherweise die Instru5628 mentarien der Länder nicht einbezogen worden sind. Ich sehe auch, daß eine Vereinheitlichung durchaus sinnvoll gewesen wäre, weil das der Transparenz gedient hätte. Ich habe darauf hingewiesen, daß das nicht möglich war. Frau Präsident, ich darf mich entschuldigen, ich habe beide Fragen zusammen beantwortet. Ich habe leider nicht um Erlaubnis gefragt. Ich bitte um Entschuldigung.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, reicht das für Sie aus, oder haben Sie noch Zusatzfragen?

Heinz Rapp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001774, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das geht in Ordnung, danke schön.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Dann gilt auch die Frage 61 des Abgeordneten Rapp ({0}) als beantwortet: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, diesem Mangel abzuhelfen? Frage 62 des Herrn Abgeordneten Schmitt ({1}): Wie beurteilt die Bundesregierung die Entscheidung der Firma Rotaprint, 300 Arbeitsplätze in Wiesbaden abzubauen mit der Begründung, durch Verlagerung der Produktion in ihren Berliner Betrieb könnte die Firma die Präferenzen der Berlinförderung für ihr Berliner Unternehmen in Anspruch nehmen, und ist die Bundesregierung mit mir der Meinung, daß bei aller Anerkennung der Notwendigkeit der Förderung der Berliner Wirtschaft solche Förderungsmaßnahmen nicht zu Lasten schon seit Jahren bestehender Arbeitsplätze im Bundesgebiet gehen sollten?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, bei der Firma Rotaprint GmbH handelt es sich um ein seit 1904 in Berlin bestehendes Familienunternehmen, das seit 1959 in Wiesbaden eine unselbständige Zweigniederlassung unterhält. Nach Kenntnis der Bundesregierung hat die Gesellschafterversammlung beschlossen, eine Reihe von Rationalisierungsmaßnahmen durchzuführen. In diesem Zusammenhang soll auch die Wiesbadener Betriebsstätte geschlossen und das Produktionsprogramm im Berliner Stammwerk konzentriert werden. Ausschlaggebend für diese Entscheidung dürften unternehmensinterne Entwicklungen sein. Es ist durchaus möglich, daß für die Frage, ob und wo die Fertigung konzentriert wird, im größeren Berliner Stammwerk oder an einem anderen Standort, auch die Förderung nach dem Berlinförderungsgesetz eine Rolle gespielt hat. Dies läge in der Zweckbestimmung dieses Gesetzes. Die Bundesregierung hat keinen Einfluß auf die Entscheidung. Sie liegt vielmehr in der Verantwortung des Unternehmens.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt.

Rudi Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002032, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß die Berlinförderung in erster Linie der Sicherung und Neuschaffung von Arbeitsplätzen in Berlin und der Stärkung der Berliner Wirtschaftskraft dienen sollte, daß sie aber nicht dazu gebraucht werden sollte, betriebsinterne Rationalisierungen zu Lasten von anderen Arbeitsplätzen zu finanzieren?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich bestätige den erwähnten Grundsatz. Es liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, daß in diesem Falle etwa anders verfahren worden wäre.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage.

Rudi Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002032, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, räumen Sie ein, daß bei den betroffenen Arbeitnehmern, ihren Familien und nicht zuletzt auch bei den beteiligten Kommunen eine große Unzufriedenheit über solche Regelungen besteht, wenn die Unternehmensleitung ihre Entscheidungen allein aus den günstigen Berlinpräferenzen erklärt und öffentlich vertritt?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Eine solche öffentliche Begründung wäre sicher eine einseitige Darstellung. Ich würde bedauern, wenn das in dieser Weise einseitig erklärt worden wäre, weil das unser Förderinstrumentarium in Berlin naturgemäß in Verruf bringen müßte.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe Frage 63 des Herrn Abgeordneten Lambinus auf: Welche Erlöse wurden jeweils in den Jahren 1975 bis einschließlich 1981 für aus der Bundesrepublik Deutschland exportierte Kriegswaffen erzielt, und wie teilen sich diese Erlöse bezüglich der Exporte insgesamt in NATO-Staaten und andererseits in Staaten, die gleichzeitig Entwicklungshilfeleistungen von der Bundesrepublik Deutschland erhalten, auf?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

In den Jahren 1975 bis 1980 - Zahlen für 1981 liegen noch nicht vor - wurden Ausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffen im Wert von 8,108 Milliarden DM erteilt. Den niedrigsten Genehmigungswert gab es 1978 mit 624 Millionen DM, den höchsten 1980 mit 2,182 Milliarden DM. Es handelt sich, wie gesagt, um Genehmigungswerte, die nicht immer zu tatsächlichen Ausfuhren führen. Vom Gesamtwert der Ausfuhrgenehmigungen für Kriegswaffen entfielen im genannten Zeitraum auf NATO-Länder und diesen gleichgestellte Länder - dies sind westliche Industrieländer - 4,340 Milliarden DM oder 54 % und auf sonstige Länder - dies sind im wesentlichen Entwicklungsländer, die auch Entwicklungshilfeleistungen von uns erhalten -3,768 Milliarden DM oder 46 %. Wenn man allerdings Schiffslieferungen außer Betracht läßt, die ja relativ teure Einzelobjekte darstellen, blieben die Kriegswaffengenehmigungen für die sogenannten sonstigen Länder - also im wesentlichen Entwicklungsländer - seit Mitte der 60er Jahre wertmäßig konstant. Sie gingen also real eher zurück. Sie machten in den Jahren von 1975 bis 1980 453 Millionen DM aus. Das sind 5,6 % des bereits erwähnten Gesamtwerts der Kriegswaffenausfuhrgenehmigungen von 8,108 Milliarden DM.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine Zusatzfrage. Die Fragen 64 und 65 des Abgeordneten Dr. Rumpf und die Fragen 66 und 67 des Abgeordneten Vizepräsident Frau Renger Weirich werden auf Wunsch der Fragesteller schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 68 des Herrn Abgeordneten Rayer auf: Hält die Bundesregierung die weitverbreitete Rabattgewährung, insbesondere Naturalrabattgewährung, beim Vertrieb von Tierarzneimitteln von bis zu 200 Prozent für gerechtfertigt, und was kann gegen diese Vertriebspraxis der Pharmaunternehmen, die mit als Ursache für den Mißbrauch angesehen wird, von seiten der Bundesregierung unternommen werden?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Bundesregierung ist von Landesbehörden darauf hingewiesen worden, daß pharmazeutische Unternehmen bei der Abgabe von Tierarzneimitteln zum Teil erhebliche Rabatte gewähren sollen. Diese Rabattgewährung wird teilweise als entscheidende Ursache für die übermäßigen und damit gesundheitsschädlichen Einsätze von Arzneimitteln bei Tieren angesehen. Die Bundesregierung hält diese Sicht nicht für zutreffend. Sie ist vielmehr der Auffassung, daß ein übermäßiger Einsatz von Tierarzneimitteln wirksam nur durch spezielle arzneimittelrechtliche Maßnahmen verhindert werden kann. Sie hat daher im Rahmen der zur Zeit in der parlamentarischen Beratung befindlichen Novelle zum Arzneimittelgesetz eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung des Nachweises über die Abgabe und Verwendung von Tierarzneimittel vorgeschlagen. Darüber hinaus soll den Vollzugsbehörden ein rechtliches Instrumentarium in die Hand gegeben werden, das es ermöglicht, den Verbleib der Produktion apothekenpflichtiger Tierarzneimitteln vom Hersteller bis zum Anwender zu verfolgen. Der Preis für Tierarzneimittel bzw. der Umfang der Rabattgewährung spielt bei einem in dieser Weise auf den ärztlich notwendigen Umfang beschränkten Arzneimitteleinsatz unter gesundheitspolitischen Gesichtspunkten keine ausschlaggebende Rolle. Eine staatlich verordnete Rabattbegrenzung oder gar ein Rabattverbot wären schon vom Ansatz her nicht geeignet, einen gesundheitspolitisch unerwünschten Arzneimitteleinsatz bei der Tierhaltung zu verhindern. Insbesondere könnte eine staatliche Rabattregelung mit dem Ziel einer künstlichen Heraufschleusung des Preisniveaus für Tierarzneimittel dem in jedem Einzelfall unterschiedlichen Kosten-Nutzen-Verhältnis beim Einsatz von Tierarzneimitteln kaum Rechnung tragen. Die Frage, ob eine Rabattgewährung in der Form von Naturalrabatten von bis zu 200 % gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstößt, ist in erster Linie vom Bundeskartellamt zu prüfen. Das Amt wird hierzu im April dieses Jahres ein Gespräch mit der Tierärzteschaft, den Herstellern und dem pharmazeutischen Großhandel mit Tierarzneimitteln führen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage.

Wolfgang Rayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001787, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann die Bundesregierung der Auffassung zustimmen, daß neben den von Ihnen genannten Zusammenhängen und den vorgesehenen Neuregelungen natürlich erst ein so hoher Anteil von Naturalrabatten die Möglichkeit eines grauen Marktes, d. h. eines nicht ordnungsgemäß verwalteten Marktes schafft, und könnten Sie mir ferner darin zustimmen, daß das für die von Ihnen angesprochene vorgesehene Neuregelung dann nicht ausreichende Handhaben bieten würde?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich sage noch einmal, daß die von uns als außerordentlich erwünscht angesehene Eindämmung des Absatzes von Tierarzneimitteln nicht auf dem Weg eines Rabattverbots erreicht werden kann, sondern daß wir dafür andere Wege, wie sie im Arzneimittelgesetz vorgesehen sind, für richtig halten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die zweite Zusatzfrage. Bitte.

Wolfgang Rayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001787, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, in Fortführung meiner ersten Frage frage ich: Kann die Bundesregierung ausschließen, daß bei beibehaltener Möglichkeit der Naturalrabatte auch bei allen verstärkten Bestimmungen in anderen Bereichen in Zukunft aus dieser Naturalrabattgewährung ein sogenannter grauer Markt wird gespeist werden können?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich würde dieser Schlußfolgerung nicht zustimmen, Herr Kollege, weil etwa ein Verbot der Rabattgewährung nicht kontrollierbar und sehr viel schwieriger nachzuvollziehen ist als die im Arzneimittelrecht vorgesehenen Maßnahmen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Dr. Martiny.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da die Tierpharmahersteller über die abgegebenen Arzneimittel Buch führen müssen, um den grauen Markt möglichst gar nicht erst aufkommen zu lassen, müßte es möglich sein, die Mengen einigermaßen zu erfassen. Könnten Sie mir vielleicht heute oder später schriftlich Auskunft geben, in welcher Größenordnung sich die regulär abgegebenen Mengen bewegen und welche Mengen auf dem Wege des Naturalrabattes in den Kreislauf gelangen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Frau Kollegin, ich werde mich gerne um diese Informationen bemühen. Ich glaube allerdings, daß der Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit die Antwort übernehmen wird. Ich werde mich aber darum bemühen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe auch eine Wirtschaftsfrage. Haben Sie einmal erforscht, Herr Staatssekretär, wie die Tierarzneimittelbestimmungen in anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft sind? Ist Ihnen klar, daß die Frage der Kosten der Arzneimittel auch eine Wettbewerbsfrage innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ist?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich glaube nicht, daß uns der Blick über die Grenzen in allen Fällen einen guten Ratschlag für die Handhabung der Wirtschaftspolitik in unserem Lande gibt. Ich bin aber gerne bereit, wenn Sie an dieser Frage interessiert sind, Ihnen dazu eine Information zu übermitteln, wenn sie in unserem Hause vorhanden ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Zutt.

Ruth Zutt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da Sie von einem Gespräch von Vertretern des Kartellamtes mit Arzneimittelherstellern sprachen, meine Frage an Sie: Bei wieviel Prozent Naturalrabatt könnten Sie sich denken, daß das Bundeskartellamt nichts dagegen hat? Gibt es da prozentuale Vorstellungen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich möchte dem Ergebnis dieses Gesprächs beim Bundeskartellamt nicht vorgreifen, Frau Kollegin. Ich bitte dafür um Verständnis.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Frau Abgeordnete Blunck.

Lieselott Blunck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000207, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, gibt es diese Naturalrabattgewährung auch bei den Berufsgruppen der regionalen Kleinhändler, bei den Futtermittelhändlern? Können Sie mir sagen, wie hoch sie dort ist?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich bin auf diese Frage nicht vorbereitet und würde gerne schriftlich darauf zurückkommen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter Purps, eine Zusatzfrage.

Rudolf Purps (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001760, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, können Sie bestätigen, daß die Hersteller von Tierpharmaka zur Zeit selbst darüber nachdenken, die Naturalrabatte einzuschränken?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ich kann bestätigen, daß derartige Bestrebungen im Gange sind.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 69 des Herrn Abgeordneten Eigen auf: Wie haben sich die Inlandspreise für Stickstoffdüngemittel in den ersten Monaten des Jahrs 1982 entwickelt, und welche Preise erhält die Stickstoffindustrie beim Export von Stickstoffdüngemitteln in Länder der EG, die ja dann direkt bei Agrarprodukten mit den Landwirten der Bundesrepublik Deutschland konkurrieren?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Der Erzeugerpreisindex für den Inlandsabsatz von Stickstoffdüngemitteln ist nach der amtlichen Statistik in den ersten beiden Monaten dieses Jahres gegenüber den betreffenden Vorjahresmonaten bei dem in der Bundesrepublik Deutschland wichtigsten Ein-NährstoffDünger Kalkammonsalpeter mit 26 % Stickstoffanteil um knapp 19 %, bei den hauptsächlichen stickstoffhaltigen Mehr-Nährstoff-Düngern -13 bis 20 % Stickstoffanteil - um zwischen 11 und 16 % gestiegen. Für den Exportbereich gibt es amtliche Zahlen nur für chemische Düngemittel insgesamt. Die Preise für den Gesamtexport dieser Waren in die EG sind in den ersten beiden Monaten 1982 gegenüber dem betreffenden Vorjahreszeitraum um knapp 5 % gestiegen. Ein Preisvergleich für zwei Monate hat allerdings nur beschränkte Aussagekraft. Im Jahresdurchschnitt 1981 im Vergleich zu 1980 ergibt sich ein anderes Bild. Hier liegen die Steigerungsraten für den Erzeugerinlandspreisindex bei den eingangs genannten Düngemittelsorten zwischen 11 und 17 % und für den Export chemischer Düngemittel in die EG bei über 12 %. Anzumerken ist jedoch, daß die Steigerungsraten für Inlands- und Auslandsabsatz nicht voll miteinander vergleichbar sind, weil im Warenkorb für die Exportpreise zusätzlich Harnstoff, der beim Inlandsabsatz praktisch keine Rolle spielt, enthalten ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, nun sind ja nicht nur die prozentualen Veränderungen bedeutsam, sondern es kommt auch auf die nominalen Unterschiede zwischen den Preisen in der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern der Europäischen Gemeinschaft an. Es könnte ja so sein, daß sich die Preisunterschiede aus früherer Zeit erhalten haben. Wie steht es damit? Sie im Wirtschaftsministerium haben diese Dinge doch sicher untersucht, weil Sie j a die Preis- und Rabattkartelle der Stickstoffindustrie genehmigen müssen.

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Das letztere ist nicht der Fall, Herr Kollege. Damit bin ich gleich bei Ihrer zweiten Frage. Darf ich das gleich mit aufgreifen, Frau Präsidentin?

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Gern. Dann rufe ich Frage 70 des Abgeordneten Eigen auf: Nach welchen Kriterien genehmigt die Bundesregierung die Preisfestsetzung der deutschen Stickstoffindustrie für die Bundesrepublik Deutschland?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Eine staatliche Genehmigung der Preisfestsetzung der deutschen Stickstoffindustrie für die Bundesrepublik Deutschland besteht nicht. Die früheren Vorschriften über die staatliche Festsetzung von Höchstpreisen für stickstoffhaltige Düngemittel sind 1970 aufgehoben worden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gibt es denn innerhalb der Bundesrepublik Deutschland beispielsweise ein Frachtkartell, und beobachtet die Kartellbehörde, die Ihnen doch sehr nahesteht, die Preisentwicklung für Stickstoffdünger in der Bundesrepublik Deutschland auch im Vergleich zum Export in die EG-Länder?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Die Kartellbehörde ist verpflichtet, allen Hinweisen und Informationen nachzugehen, die etwa auf eine kartellmäßige Verhaltensweise hindeuten, und ich bin sicher, daß die Kartellbehörde auch diesen Markt sehr intensiv im Auge hat.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Eigen.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß gerade diese Unterschiede in den Preisen der Produktionsmittel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den anderen Ländern der Europäischen Gemeinschaft doch für den Wettbewerb der Agrargüter zwischen diesen Ländern eine sehr große Rolle spielen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Das ist richtig, Herr Kollege. Das ist ein wichtiger Faktor.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe Frage 73 des Herrn Abgeordneten Gerster ({0}) auf: Ist die Bundesregierung unter Beachtung ihrer besonderen Verantwortlichkeit für die nationale Wirtschaftspolitik in der Lage und bereit, die Bemühungen des Landes Rheinland-Pfalz und der Stadt Mainz zur Erhaltung der Arbeitsplätze bei Magirus-Deutz in Mainz insbesondere dadurch zu unterstützen, daß sie in Verbindung mit der derzeit anstehenden und den künftigen Auftragsvergaben, z. B. des Bundesverteidigungsministeriums und des Bundesinnenministeriums, prüft, ob hierbei Wege gefunden werden können, die Schließung des Mainzer Werks zunächst zu verhindern, um dadurch auf Dauer eine Sicherung der Arbeitsplätze mit Hilfe von Magirus-Deutz oder anderen Partnern zu erreichen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Ob das Mainzer Werk von Magirus-Deutz fortgeführt wird oder nicht, müssen die zuständigen Unternehmensgremien entscheiden. Etwaige staatliche Hilfen würden gemäß Art. 30 des Grundgesetzes als Wirtschaftsförderung in erster Linie in die Kompetenz des Landes Rheinland-Pfalz fallen. Soweit in der Kürze der für die Beantwortung der Frage zur Verfügung stehenden Zeit festgestellt werden konnte, besteht im Bundesverteidigungsministerium zur Zeit keine Absicht, in den Produktionsbereich von Magirus-Deutz fallende Beschaffungen auszuschreiben. Im Bereich des Bundesgrenzschutzes ist das Unternehmen zur Zeit im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung aufgefordert, ein Angebot über mehr als 20 Busse abzugeben. Beginnend mit dem Jahr 1983 soll Magirus-Deutz in die beschränkte Ausschreibung über 100 schwere Lastkraftwagen aufgenommen werden. Ebenso soll das Unternehmen aufgefordert werden, ein Angebot über 100 Fahrgestelle abzugeben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Gerster.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, würden Sie angesichts der Tatsache, daß das Land Rheinland-Pfalz - wie andere Bundesländer - im wesentlichen nur mit Investitionszuschüssen helfen kann und daß dieses Werk gerade in den letzten Jahren für über 50 Millionen DM investiert hat, nicht meine Auffassung teilen, daß in Zeiten eines Verdrängungswettbewerbs auf diesem Sektor der Staat nicht nur das Interesse, sondern auch die grundsätzliche Pflicht hat, bei seiner Auftragspolitik darauf zu achten, daß nicht eine Konzentration auf ein oder wenige Unternehmen stattfindet?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, diese Pflicht nimmt der Staat, soweit die Bundesbehörden in Frage stehen, auch wahr, allerdings mit dem Hinweis darauf, daß öffentliche Ausschreibungen stattfinden und der Wettbewerb entscheidet. Wichtig ist bei jedem staatlichen Eingreifen, daß die wirtschaftlichen Fakten, die den Schwierigkeiten, in die ein Unternehmen geraten ist, zugrunde liegen, offen auf den Tisch gelegt werden und daß ein Unternehmenskonzept zur Überwindung dieser Schwierigkeiten auf den Tisch gelegt wird. Mein Hinweis auf die Zuständigkeit des Landes Rheinland-Pfalz hatte auch den Sinn, gerade auf ein solches Unternehmenskonzept gegenüber dem Land Rheinland-Pfalz hinzuwirken. Denn Voraussetzung für jede Überlegung, in irgendeiner Weise Hilfestellung zu geben, ist ein klares Konzept in der Frage, wo überhaupt eine solche Hilfe sinnvoll ansetzen kann. Ich möchte deutlich machen, daß mir bisher keine Informationen vorliegen, die mich in die Lage versetzen würden, hier ein Urteil abzugeben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Die zweite Zusatzfrage. Bitte, Herr Gerster.

Dr. h. c. Johannes Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000671, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wäre denn die Bundesregierung unter Berücksichtigung der Tatsache, daß bei dieser Problematik nicht nur Landesgrenzen von Bundesländern, sondern auch europäische Landesgrenzen überschritten werden, bereit, die Bemühungen der Stadt Mainz und des Landes auch bei der Erarbeitung eines derartigen Konzepts zu unterstützen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, wir sehen die Erhaltung jedes einzelnen Arbeitsplatzes gerade in dieser Lage als so entscheidend wichtig an, daß wir selbstverständlich alles tun würden, was in unserer Zuständigkeit liegt, um Arbeitsplätze zu erhalten. Voraussetzung dafür ist aber ein konkretes Ersuchen, das natürlich nicht etwa auf eine Änderung unserer Wettbewerbsrichtlinien bei den öffentlichen Ausschreibungen gerichtet sein kann.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Jäger ({0}).

Claus Jäger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001002, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Auffassung, daß es zumindest außerordentlich unbefriedigend sein muß, daß wir uns in diesem Hause noch in dieser Woche über die Möglichkeiten unterhalten, wie neue Arbeitsplätze geschaffen und vorhandene gesichert werden können, während wir gleichzeitig mit ansehen müssen, wie infolge verschiedener Schwierigkeiten, aber auch möglicherweise infolge einer zu vorsichtigen Hal5632 Jäger ({0}) tung der Bundesregierung in dieser Frage konkret Arbeitsplätze „bachab" gehen, um mich eines schweizerischen Ausdrucks zu bedienen?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich kann nicht bestätigen, daß hier die Haltung der Bundesregierung irgendeinen Einfluß auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen haben kann; denn Voraussetzung für ein solches Urteil wäre es, daß konkrete Vorschläge an die Adresse der Bundesregierung herangetragen würden, die im Verantwortungsbereich der Bundesregierung liegen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dolata.

Werner Dolata (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000402, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, was hat die Bundesregierung mit und innerhalb ihrer Wirtschaftspolitik in anderen vergleichbaren Fällen, z. B. in Bremen, konkret getan, um Betriebsschließungen und den Verlust von Arbeitsplätzen zu vermeiden?

Martin Grüner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000738

Herr Kollege, ich weiß nicht, auf welche Fälle Sie hier abzielen. Ich kann Ihnen aber sagen, daß wir in jedem Einzelfall alles in unseren Kräften Stehende getan haben, soweit wir dafür zuständig waren, um Arbeitsplätze zu erhalten. Das würden wir auch in diesem Falle tun. Das muß aber bitte mit dem Hinweis darauf verbunden werden, daß die, die Verantwortung tragen - das ist in der ersten Linie die Unternehmensleitung und in zweiter Linie, wenn es um staatliche Hilfe geht, die nach der Verfassung zuständige Landesregierung - das Ihre tun. Dabei muß geklärt sein, ob es ein solches Konzept zur Rettung von Arbeitsplätzen gibt und ob die Bundesregierung nach ihrer Zuständigkeit dabei eine Rolle spielen kann. Wenn diese beiden Voraussetzungen gegeben sind, werden wir unverzüglich handeln.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Damit sind Ihre Fragen beendet. Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung auf. Frau Staatssekretärin Fuchs steht zur Beantwortung zur Verfügung. Ich rufe die Frage 74 des Herrn Abgeordneten Schmitt ({0}) auf: Ist der Bundesregierung bekannt, daß durch die Einziehung des Selbstbeteiligungsbeitrags von 5 DM von den Kassenpatienten durch die Träger der Krankentransporte diesen Kostenbelastungen bis zu 7,50 DM je Fall entstehen und damit das Ziel einer Kostendämpfung nicht erreicht wird, und ist die Bundesregierung bereit, durch einen Gesetzentwurf oder eine Verordnung den Streit zwischen den Krankenkassen und den Trägern der Krankentransporte über die Frage der Einziehung der Selbstbeteiligungsbeträge zu entscheiden und damit die beabsichtigte Kostendämpfung in diesem Bereich zu erreichen?

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, ich kann Ihre Angaben nicht bestätigen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schmitt.

Rudi Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002032, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ist Ihnen bekannt, Frau Staatssekretär, daß Berechnungen der Spitzenverbände sogar noch höhere Beträge ergeben haben, die etwa 20 DM pro Fall ausmachen?

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Diese Kosten können in dieser Höhe nicht anfallen, Herr Kollege. Sie wissen, daß die Neuregelung der Fahrtkostenbeteiligung bei Krankenfahrten seit dem 1. Januar 1982 wiederholt Gegenstand von Erörterungen gewesen ist. Die Bundesregierung hat die Durchführung dieser Aufgabe der Selbstverwaltung überlassen. Sie hat keine Ermächtigung, nunmehr noch weiter einzugreifen. Wir sehen auch keinen Anlaß für gesetzliche Regelungen; denn bislang hat sich in dieser Gesamtproblematik der Weg über Vereinbarungen bewährt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine zweite Zusatzfrage.

Rudi Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002032, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, können Sie mir darin zustimmen, daß durch die zusätzlichen Verwaltungskosten, die durch die Erhebung dieser Pauschale entstehen, letzten Endes auch den Krankenkassen neue Belastungen über die Gebührenfestsetzung für Krankentransporte entstehen, und wären Sie bereit, wenn Ihnen von den Verbänden konkrete Berechnungen vorgelegt würden, Ihre Auffassung noch einmal zu bedenken?

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Ich kann Ihre Auffassung nicht bestätigen, Herr Kollege. Wenn Sie mir andere Zahlen nennen, bin ich gern bereit, das zu überprüfen. Ich habe die herzliche Bitte, daß Sie sich in dieser Frage an die Selbstverwaltung wenden; denn wir haben im Gesetz extra vorgesehen, daß diese die Vereinbarung zu treffen und die gesetzliche Regelung durchzuführen hat.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer Zusatzfrage, Frau Dr. Martiny-Glotz.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, hat denn die Bundesregierung einen Überblick darüber, wieviel solcher Anträge bei einer großen Ortskrankenkasse - nehmen wir beispielsweise einmal Dortmund mit einem besonders hohen Anteil der Krankenkassenkosten in der AOK - monatlich bearbeitet werden müssen?

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Frau Kollegin, diese Regelung besteht seit 1. Januar. Wir sind dabei zu beobachten, wo es Schwierigkeiten und wo es besondere Anträge gibt. Mir liegen im Moment keine einschlägigen Daten von Ortskrankenkassen vor. Aber diese werden schon vorstellig werden, wenn sie meinen, mit dem Problem nicht klarzukommen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 75 des Abgeordneten Freiherr von Schorlemer auf. - Der Fragesteller ist nicht im Saal. Die Frage wird nicht beantwortet. Vizepräsident Frau Renger Die Fragen 76 und 77 des Abgeordneten Feile werden auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 79 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf: Wie ist das Zahlenverhältnis von Vollarbeitskräften zu Unfallrentenbeziehern bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften bzw. bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften?

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Frau Präsident, ich würde die Fragen 79 und 80 gern gemeinsam beantworten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Der Fragesteller ist einverstanden. Daher rufe ich auch die Frage 80 des Herrn Abgeordneten Horstmeier auf: Welche Schlußfolgerungen bezüglich der Finanzierung zieht die Bundesregierung aus diesem Zahlenverhältnis?

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Im Jahr 1980 standen bei den gewerblichen Berufsgenossenschaften - umgerechnet auf Vollzeitarbeitskräfte -20 185 000 Versicherte 725 870 Rentenbeziehern gegenüber; dies sind 3,6 %. Bei den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften kamen 197 392 Rentenbezieher auf - ebenfalls umgerechnet -2 047 300 Versicherte; das sind 9,6 %. Bei einem Vergleich muß berücksichtigt werden, daß die Unfallhäufigkeit in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung erheblich höher ist als in der gewerblichen Unfallversicherung, 1980 beispielsweise 2,5mal so hoch. Die Bundesregierung sieht keinen Anlaß, aus den genannten Zahlen Schlußfolgerungen für die Finanzierung der gesetzlichen Unfallversicherung zu ziehen. Die Unfallversicherung wird grundsätzlich von den in den Berufsgenossenschaften zusammengeschlossenen Unternehmern finanziert. Die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften erhalten seit 1963 Bundeszuschüsse. Diese dienen der Beitragsentlastung der landwirtschaftlichen Unternehmer und der Zahlung einer Schwerverletztenzulage. Ihnen ist bekannt, daß der Deutsche Bundestag die Bundeszuschüsse für das Haushaltsjahr 1962 von 400 auf 340 Millionen DM gekürzt hat. Die mittelfristige Finanzplanung sieht bis 1985 einen stufenweisen Abbau der Bundeszuschüsse auf 160 Millionen DM vor. Im Zusammenhang mit diesen Kürzungen hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten entsprechend einer Koalitionsvereinbarung ein Forschungsvorhaben vergeben, das die Belastung der landwirtschaftlichen Betriebe mit Beiträgen zur Unfallversicherung untersuchen soll. Das Gutachten ist noch nicht abgeschlossen. Inwieweit aus ihm Schlußfolgerungen für die Höhe der Bundeszuschüsse zu ziehen sind, ist noch nicht abzusehen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Horstmeier.

Martin Horstmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000962, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, da es sich offenbar um Wanderungsverluste handelt, frage ich Sie: Sind nicht auch Sie der Meinung, daß diese Wanderungsverluste irgendwie aufgefangen werden müßten?

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Wenn Sie damit meinen, daß wir höhere Bundeszuschüsse zahlen sollten, glaube ich nicht, daß das der richtige Weg ist.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage, bitte.

Martin Horstmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000962, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Welche anderen Möglichkeiten sehen Sie denn, diese Belastung zu mindern?

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Ich habe auf ein Gutachten hingewiesen, dessen Erarbeitung vergeben worden ist. Darin wird auch die Frage untersucht, wieweit die landwirtschaftlichen Betriebe mit Beiträgen zur Unfallversicherung belastet werden können. Ich habe darauf hingewiesen, daß wir dieses Gutachten abwarten müssen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Kolb auf: Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung in ihrem Verantwortungsbereich, das „Austricksen" der Fremdenpolizei und ähnlicher Behörden zu verhindern, daß illegal beschäftigte ausländische Arbeitnehmer mit Namen von legal beschäftigten ausländischen Arbeitnehmern abgedeckt werden, ja selbst bei Unfällen, mit deren Krankenschein auch noch die Solidargemeinschaft ausgenutzt wird?

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, die Bundesregierung hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß sie die vielfältigen Probleme der illegalen Ausländerbeschäftigung mit Sorge betrachtet. Illegale Ausländerbeschäftigung kann weder unter arbeitsmarkt- noch unter sozial- und gesellschaftspolitischen Gesichtspunkten geduldet werden. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung wurden die gesetzlichen Instrumente zur Aufdeckung illegaler Beschäftigung jetzt erheblich verbessert und eine verstärkte Zusammenarbeit der beteiligten Behörden ermöglicht. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die für die Durchführung des Gesetzes zuständigen Behörden in vollem Umfang von den gesetzlichen Möglichkeiten Gebrauch machen, um Mißbräuche im Bereich der Ausländerbeschäftigung abzustellen. Zu der von Ihnen weiter angesprochenen Frage der betrügerischen Verwendung von Krankenscheinen wurde mir mitgeteilt, daß dies bei illegal arbeitenden Arbeitnehmern zwar vereinzelt vorkommt; um eine Erscheinung größeren Ausmaßes handelt es sich dabei aber wohl nicht. Wie ich bereits am 20. Januar 1981 Herrn Kollegen Dr. Wittmann mitgeteilt habe, hat das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung anläßlich der Verbreitung einer „Untergrundbroschüre" die Spitzenverbände der Krankenkassen und der ärztlichen Organisationen gebeten, auf ihre Mitglieder einzuwirken, um eine mißbräuchliche Inanspruchnahme von Leistungen zu unterbinden. Sollten Ihnen, Herr Kollege, Einzelfälle der von Ihnen angesprochenen Art bekannt sein oder bekannt werden, würde ich es begrüßen, wenn Sie die zuständigen Behörden oder auch das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung unverzüglich verständigten, damit konkret sichergestellt werden kann, daß die gesetzlichen Vorschriften beachtet werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Kolb.

Elmar Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001170, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, daß die Kontrollbehörden sagen, für sie sei die Kontrolle der draußen angetroffenen Personen deswegen so schwierig, weil sie keine Kontrollmöglichkeiten über die Person selbst hätten? Meine Frage geht dahin, ob es nicht möglich ist, ähnlich den Großbetrieben oder z. B. auch den Skiliften im Winterurlaub, einen Ausweis mit Lichtbild zu erstellen, so daß die exakte Identifizierung der Person möglich ist.

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege, ich will Ihre Anregung sehr gern aufgreifen. Ich hoffe, daß es gelingt, auf diesem Weg einen Schritt voranzukommen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage, bitte, Herr Kolb.

Elmar Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001170, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wäre es Ihnen in diesem Fall dann auch einmal möglich, bei den Großbetrieben nachzufragen, mit welchen Kosten dies verbunden ist, damit das Argument, dies sei eventuell zu teuer, damit auch abgefangen würde?

Anke Fuchs (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000611

Ich bin dazu gern bereit. Ich danke Ihnen für Ihre Anregung.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Schönen Dank, Frau Staatssekretärin. Ihr Fragenbereich ist damit abgeschlossen. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung auf. Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Penner steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe Frage 81 des Herrn Abgeordneten Würtz auf: Wie beurteilt der Bundesverteidigungsminister die zunehmende Nebentätigkeit von Soldaten als Fahrlehrer bzw. selbständiger Fahrschulleiter, und wird er gegebenenfalls dienstliche Unterstützung gewähren? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Würtz, eine Nebentätigkeit von Soldaten als Fahrlehrer oder Fahrschulleiter kann nach § 5 der „Verordnung über die Nebentätigkeit der Bundesbeamten, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit" nur versagt werden, wenn dafür gesetzliche Gründe vorliegen. Das Bundesministerium der Verteidigung hat keine Erkenntnisse darüber, daß zunehmend mehr Soldaten einer solchen Nebentätigkeit nachgehen oder dienstlich unterstützt werden.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Würtz.

Peter Würtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002571, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, da Sie mir durch Ihre Antwort bestätigen, daß Sie die ironische Zusatzbemerkung in meiner Frage erkannt haben, darf ich Sie fragen, ob Sie zukünftig Anträge auf Nebentätigkeit von Soldaten restriktiver entscheiden werden.

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Würtz, wir müssen uns bei der Entscheidung über solche Anträge an das geltende Recht halten.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Haben Sie noch eine Zusatzfrage? ({0}) - Bitte schön, Herr Kollege Würtz.

Peter Würtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002571, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, warum wird die Nebentätigkeit von Soldaten nicht zentral genehmigt und dann auch dort registriert?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Würtz, die Gründe dafür kann ich Ihnen im Moment nicht nennen, aber Sie wissen j a, daß die Genehmigungsstellen gestaffelt sind. Wenn Sie Wert darauf legen, will ich Ihnen die Gründe dafür, warum es unterschiedliche Genehmigungsstellen gibt, gern schriftlich darlegen. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe Frage 82 des Herrn Abgeordneten Peter auf: In welcher Form wird die Kommandeurtagung der Bundeswehr 1982 durchgeführt werden? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Peter, die 26. Kommandeurtagung der Bundeswehr 1982 wird in der Zeit vom 19. bis 21. Oktober 1982 in der Stadthalle in Hagen als dreitägige Vortrags- und Informationsveranstaltung durchgeführt. An ihr nehmen die militärischen Führungsspitzen der Streitkräfte und hohe deutsche Offiziere auf NATO- und Auslandsdienststellen - insgesamt zirka 380 Personen - teil. Gastredner bei der diesjährigen Kommandeurtagung werden der Bundespräsident, der NATO-Generalsekretär sowie der US-Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland sein. Mit dieser Form der Kommandeurtagung werden folgende Intentionen verbunden: Es sollen Leitlinien für die Führung der Streitkräfte und für die Haltung der militärischen Führer deutlich gemacht werden, und zwar durch Impulse zur einheitlichen Führung, Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls der mittleren und oberen militärischen Führer, Förderung des teilstreitkraftübergreifenden Denkens der Angehörigen von Heer, Luftwaffe und Marine und einen Gedankenaustausch über aktuelle Themen militärischer Führung.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peter.

Horst Peter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001693, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie viele Soldaten sind direkt oder indirekt mit welchen Tätigkeiten mit der Vorbereitung und Durchführung der Tagung befaßt?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Wir gehen davon aus, daß voraussichtlich elf Soldaten längerfristig mit der Vorbereitung befaßt sein werden und daß zirka 380 Soldaten abgestellt werden müssen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tagung eingesetzt werden müssen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage, bitte schön.

Horst Peter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001693, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In meiner Zusatzfrage war „mit welchen Tätigkeiten" enthalten. Ich bitte, das nicht als Zusatzfrage zu werten.

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Peter, es sind unterschiedliche Tätigkeiten. Was die elf Soldaten anlangt, so sind es im wesentlichen planerische Tätigkeiten. Hinsichtlich der 380 Soldaten sehe ich mich außerstande, alle Tätigkeiten aufzuführen. Aber dazu gehört auch die Wahrnehmung der Sicherungsfunktionen, die bei einer solchen Tagung unabdingbar ist. Das stellt einen wesentlichen Prozentsatz dar.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Würtz. ({0}) - Sie hatten zwei Fragen eben. ({1}) - Nein, nein, Sie hatten zwei Fragen. Nachfragen gibt es nicht. Tut mir leid. ({2}) - Verehrtester, Sie haben ja nochmal eine Frage. Dann können Sie noch einmal nachhaken. Herr Würtz, Sie haben noch eine Zusatzfrage.

Peter Würtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002571, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, werden Sie dafür Sorge tragen, daß sich die diesjährige Kommandeurtagung von ihrem finanziellen Ansatz her gegenüber dem Vorjahr doch erheblich abhebt?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Würtz, wir werden dafür Sorge tragen, daß sich die Kosten in einem Rahmen bewegen, der erträglich erscheint. Sie wissen ja, daß sich die Kommandeurtagung in Ingolstadt in einem Rahmen bewegt hat, der sogar die Zustimmung des Rechnungsprüfungsausschusses gefunden hat, wenn ich recht erinnere.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 83 des Herrn Abgeordneten Peter auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, künftige Kommandeurtagungen in Kasernen oder anderen Einrichtungen der Bundeswehr ({0}) durchzuführen?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Peter, die Möglichkeit, Kommandeurtagungen in Kasernen oder anderen Einrichtungen der Bundeswehr durchzuführen, ist geprüft worden. Prinzipiell kommen für Veranstaltungen dieser Größenordnung nur solche Kasernenanlagen in Frage, die über entsprechende infrastrukturelle Einrichtungen verfügen, z. B. Bundeswehrhochschulen, Offizierschule der Luftwaffe. Die Durchführung einer Kommandeurtagung an einer solchen Lehrinstitution hätte zur Folge, daß der Lehr- und Ausbildungsbetrieb unterbrochen werden müßte, weil ein Nutzen nur dann zu erzielen wäre, wenn die Teilnehmer der Kommandeurtagung nicht nur den möglicherweise vorhandenen Konferenzsaal nutzen, sondern insbesondere auch innerhalb der Liegenschaft untergebracht werden könnten. Für Vorbereitung, Aufbau, Durchführung und Abbau einer solchen Tagung müßte ein Zeitraum von zirka 14 Tagen veranschlagt werden. Des weiteren sind die Kommandeurtagungen seit Bestehen der Bundeswehr Veranstaltungen mit beabsichtigter politischer Wirkung in der Öffentlichkeit. Bundespräsident, Mitglieder der Bundesregierung, der verschiedenen Landesregierungen und Kommunen haben diese Gelegenheit zu öffentlichen Erklärungen über ihr Verhältnis zu Fragen der Sicherheitspolitik und zur Bundeswehr gesucht und genutzt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Peter.

Horst Peter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001693, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wäre es beispielsweise möglich, in den Trimesterferien die Bundeswehrhochschulen für die Ausgestaltung solcher Tagungen zu nutzen?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Peter, ich habe darauf hingewiesen, daß nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die Kommunen auf solche Veranstaltungen Wert legen, die außerhalb des Bundeswehrgeländes stattfinden. Im übrigen erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, daß die Unterbringung gerade in Bundeswehrkasernen nur schwierig zu lösen wäre.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Horst Peter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001693, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, würde sich bei der Durchführung solcher Tagungen in Einrichtungen der Bundeswehr der Aufwand reduzieren, beispielsweise die Sicherheitskosten bei der Vorbereitung?

Dr. Willfried Penner (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001688

Herr Kollege Peter, ich kann das im Moment nicht quantifizieren. Aber eine solche Tagung würde ja nicht notwendigerweise nur intra muros, also innerhalb der Bundeswehranlagen stattfinden, sondern würde auch Begegnungen mit der Außenwelt zur Folge haben.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weitere Zusatzfrage. - Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit auf. Herr Staatssekretär Dr. Fülgraff steht zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 86 des Herrn Abgeordneten Lennartz auf. - Der Abgeordnete ist nicht im Saal. Dann können die Fräge 86 und auch die Frage 87 des Abgeordneten Lennartz nicht beantwortet werden. Ich rufe die Frage 88 des Herrn Abgeordneten Purps auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die öffentliche Aufstellung von Videospielgeräten in Hinsicht auf das Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit, und gedenkt sie, gegebenenfalls § 7 dieses Gesetzes auf Videospielgeräte auszudehnen? Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung hat ihre kritische Haltung zu Videospielgeräten bereits mehrfach in Antworten auf Anfragen im Deutschen Bundestag erläutert, u. a. in den Antworten auf die Fragen der Herren Abgeordneten Vogelsang, Merker und Dr. Meyer zu Bentrup. Im Rahmen der Novellierung des Gesetzes zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit, die zur Zeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt wird, ist ein Aufstellungsverbot für Videospielgeräte mit gewalt- und kriegsverherrlichenden Darstellungen vorgesehen. Anregungen, Regelungen auch über den Zugang zu anderen Videounterhaltungsspielgeräten zu treffen, werden noch geprüft.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Abgeordneter Purps, bitte.

Rudolf Purps (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001760, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, könnten Sie mir dahin gehend zustimmen, daß viele dieser Geräte mit pädagogisch wenig vertretbaren Spielinhalten auch dann in § 7 des Jugendschutzgesetzes einbezogen werden könnten, wenn man den pädagogischen Gehalt und nicht nur die Möglichkeit eines gewinnbietenden Spiels berücksichtigte?

Not found (Staatssekretär:in)

Wie ich bereits sagte, Herr Abgeordneter, prüfen wir, inwieweit man den Zugang zu diesen Geräten mit rechtsstaatlichen Mitteln beschränken kann. Etwas anderes ist es, ob es eine Möglichkeit gibt, die weitere Aufstellung von solchen Geräten in öffentlich zugänglichen Bereichen - etwa in Vorhallen von Kinos oder in Bahnhöfen oder in anderen öffentlich zugänglichen Bereichen - zu erschweren.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Keine weiteren Zusatzfragen. Die Frage 89 des Abgeordneten Dr. Faltlhauser wird auf Wunsch des Fragestellers schriftlich beantwortet. Die Antwort wird als Anlage abgedruckt. Ich rufe die Frage 90 der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz auf: Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, daß in der Tiermast inzwischen anstelle von DES andere Hormonpräparate trotz Verbot gespritzt, gefüttert oder implantiert werden, für die noch keine praktikablen Analyseverfahren entwickelt sind, und welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen, um möglichst schnell diesen für die Verbraucher gefährlichen Tierarzneimittelmißbrauch zu verhindern?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung hat keine Kenntnisse darüber, daß in der Tiermast inzwischen anstelle von DES andere Hormonpräparate trotz Verbots gespritzt, gefüttert oder implantiert werden, für die noch keine praktikablen Analyseverfahren entwickelt sind. Die Bundesregierung hat die vorliegende Frage zum Anlaß genommen, um die für die Überwachung zuständigen Länder um Mitteilung ihrer Erkenntnisse zu bitten. Soweit aus den inzwischen vorliegenden Antworten fast aller Bundesländer zu entnehmen ist, liegen auch bei den Ländern keine Kenntnisse darüber vor. Die Bundesregierung ist dennoch seit längerem bemüht, die bestehenden Analyseverfahren weiter auszubauen, um insbesondere dem DES verwandte andere Hormonpräparate analytisch besser erfassen zu können. Solche Verfahren sind u. a. im Bundesgesundheitsamt in Vorbereitung und stehen zum Teil kurz vor dem Abschluß.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zusatzfrage, Frau Abgeordnete.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, könnte der Mangel an Zahlen oder Informationen auch darauf zurückzuführen sein, daß eben die Analyseverfahren noch gar nicht da sind?

Not found (Staatssekretär:in)

Für einige Präparate, die dem DES ähnlich sind, also Stilben-Präparate, gibt es solche Verfahren. Für andere gibt es sie, wie ich ausführte, noch nicht. In der Tat ist der Mangel an Kenntnis und der Mangel an auffälligen Befunden bei der Überwachung sicherlich auch darauf zurückzuführen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Zweite Zusatzfrage, bitte.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wann rechnen Sie damit, daß das novellierte Tierarzneimittelgesetz verabschiedet wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Da wage ich keine Prognose. Das Gesetz ist vom Bundesrat behandelt worden und geht in den nächsten Wochen dem Deutschen Bundestag zu. Ich möchte mich jetzt nicht dazu äußern, wie lange es dort in der Beratung braucht.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich rufe die Frage 91 der Abgeordneten Frau Dr. Martiny-Glotz auf: Vizepräsident Frau Renger Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, was mit dem wegen Preisverfall in Folge des Östrogenskandals zwischen dem 7. November und 6. Dezember 1980 eingelagerten Kalbfleisch geschehen ist, und sind Östrogenrückstände in diesem Fleisch oder daraus hergestellten Konserven gefunden worden?

Not found (Staatssekretär:in)

In dem genannten Zeitraum wurden in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt 212 t Kalbfleisch eingelagert, das ab März 1981 wieder verkauft werden durfte. Durch zusätzliche Kontrollen der zuständigen Überwachungsbehörden sollte sichergestellt werden, daß nur Kalbfleisch, bei dem keine Östrogenrückstände festgestellt wurden, eingelagert wurde. Kalbfleischerzeugnisse, bei denen Anfang 1982 im Rahmen amtlicher Untersuchungen DES nachgewiesen wurde, sind nach Auskunft der zuständigen Überwachungsbehörden der Länder in den Jahren 1979 und 1980 hergestellt worden, so daß davon auszugehen ist, daß das Kalbfleisch, das zu ihrer Herstellung verwendet wurde, nicht aus den Beständen der hier angesprochenen Lagerhaltung stammt.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Frau Kollegin, bitte nur zwei kurze Zusatzfragen, weil die Fragestunde abgelaufen ist.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir gehen nahtlos in die Agrardebatte über; das paßt hier wunderbar hinein. Herr Staatssekretär, läßt die Formulierung, daß durch zusätzliche Kontrollen sichergestellt werden sollte, daß kein östrogenverseuchtes Kalbfleisch eingelagert wird, darauf schließen, daß das nicht sichergestellt werden konnte?

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Abgeordnete, dies kann naturnotwendig nie sichergestellt werden im Sinne von „sicher"stellen, da ja bei einer Untersuchung das Untersuchungsgut zerstört wird. Man kann also immer nur für das Untersuchungsgut selbst „sicher" stellen, daß es frei von Rückständen war. Man muß sich notwendigerweise auf Stichproben beschränken und kann dann nur eine entsprechende Wahrscheinlichkeitsaussage machen.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Eine letzte Zusatzfrage.

Dr. Anke Riedel-Martiny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001428, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Könnten Sie bitte sagen, wie die Bundesregierung den Vorgang insgesamt beurteilt, nämlich daß Kalbfleisch, das auf Grund von Preisverfall wegen gesetzeswidriger Handlungsweisen nicht verkauft werden konnte, eingelagert werden mußte?

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Abgeordnete, die Frage einer Preisintervention durch Einlagerung muß in diesem Fall von der Ursache des Preisverfalls getrennt gesehen werden. Die Ursache des Preisverfalls war ein verändertes Verbraucherverhalten auf Grund der damals gefundenen Rückstände. Soweit man nach verstärkten stichprobenartigen Kontrollen sicherstellen kann, daß man kein Kalbfleisch mit Rückständen einlagert, ist es vom gesundheitlichen Standpunkt aus unbedenklich.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Ich danke Ihnen, Herr Staatssekretär. - Die Fragen 131 der Frau Abgeordneten Dr. Wilms, 132 des Abgeordneten Pfeifer, 133 des Abgeordneten Rossmanith, 134 des Abgeordneten Graf von Waldburg-Zeil und 135 des Abgeordneten Daweke wurden von den Fragestellern zurückgezogen. Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die nach der Geschäftsordnung noch zu beantwortenden Fragen werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Meine Damen und Herren, wir fahren in der Debatte zu Tagesordnungspunkt 2, Agrarbericht 1982, fort. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Holsteg.

Erwin Holsteg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000947, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Der Agrarbericht 1982, den wir heute hier diskutieren, weist für das Wirtschaftsjahr 1980/81 - nach einem Einkommensrückgang von durchschnittlich 1,9 % bereits im Wirtschaftsjahr 1979/80 - erneut einen durchschnittlichen Rückgang des Gewinns je Familienarbeitskraft um 12,6 % auf 21 245 DM aus. Dies ist eine bittere und harte Tatsache, an der es für keine Fraktion in diesem Hohen Hause im Ergebnis etwas zu beschönigen gibt, wenngleich der Agrarbericht einige Ursachen für diese negative Entwicklung deutlich macht, die nicht in erster Linie von der Agrarpolitik dieser Regierung zu verantworten sind. ({0})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Meine Damen und Herren, ich bitte doch um etwas mehr Aufmerksamkeit für den Redner. - Bitte, fahren Sie fort.

Erwin Holsteg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000947, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Mein Fraktionskollege Hans Paintner hat bereits das Wesentliche in diesem Zusammenhang gesagt, indem er neben einem gebremsten Strukturwandel insbesondere auf den überproportionalen Kostenanstieg bei den Produktionsmitteln als Hauptursache für den Ertragseinbruch in der Landwirtschaft hingewiesen hat. Für äußerst aussagekräftig halte ich in diesem Zusammenhang eine Übersicht des vorliegenden Agrarberichts. Es handelt sich um die Übersicht 12, in der dargelegt wird, daß die im Durchschnitt negative Gewinnentwicklung trotz der Zunahme der landwirtschaftlichen Produktionsmengen sowie gestiegener Absatzpreise auf der Ertragsseite durch die im Verhältnis hierzu weit höher gestiegenen Kosten auf der Aufwandsseite zustande kommt. Wie wir alle wissen, betrifft dies vor allem den Aufwand für Futter-, Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie für Treibstoffe, Maschinen und Gebäudeunterhaltung und nicht zuletzt für das Fremdkapital, dessen Preise sich auf Grund der zum Teil weltwirtschaftlichen Verschiebungen und Verwerfungen drastisch verändert haben. Hierfür allerdings allein die Bundesregierung und den Bundeslandwirtschaftsminister verantwortlich zu machen, halte ich in der Tat für etwas zu einfach und vordergründig. Denn gerade die Bundesregierung hat alle Anstrengungen unternommen, durch drastische, aber sozial vertretbare Haushaltseinsparungen die Voraussetzungen zu schaffen, um mittelfristig z. B. wieder zu einem niedrigeren Zinsniveau zu kommen, um den sozialen Konsens gerade in dieser schwierigen Zeit zu erhalten und damit zu maßvollen Lohnabschlüssen in diesem Jahr zu kommen, die für die Produktionskosten und vor allen Dingen für die Geldwertstabilität in unserer Volkswirtschaft äußerst wichtig sind. Alle diese Faktoren beeinflussen auch unmittelbar die Einkaufspreise für landwirtschaftliche Betriebsmittel und sind somit für Landwirte, Landhandel und die Landmaschinenindustrie von großer Bedeutung. Wenn ich hier in einer Agrardebatte von sozialem Konsens spreche, dann deshalb, weil ich es gerade in unserer Zeit für eine etwas zu enge und kurzsichtige Betrachtungsweise halte, ausschließlich auf den Agrarsektor fixiert zu sein und volkswirtschaftliche Verflechtungen nicht zu beachten. Jeder Landwirt draußen spürt doch heute das Gegenteil, nämlich wie sehr sein Wirtschaften und sein Einkommen durch die allgemeine Wirtschaftspolitik beeinflußt werden. Wir als Agrarpolitiker können es uns doch nicht leisten, allein durch diesen Einkommensvergleich mit den außerlandwirtschaftlichen, gewerblichen Arbeitnehmern die Beziehung zwischen dem Agrarsektor und der Volkswirtschaft herzustellen, ohne die Arbeitslosigkeit oder die Realeinkommensrückgänge auch in anderen Wirtschaftsbereichen, z. B. durch Kurzarbeit oder Abbau kochbezahlter Überstunden, auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Was die Kostensituation in der Landwirtschaft betrifft, bin ich andererseits aber auch der Meinung - lassen Sie mich das hier ganz klar sagen -, daß gerade in der derzeitigen schwierigen Situation noch verstärkt unternehmerisches Verhalten der Landwirte erforderlich ist. Die Sachverhalte treten niemals als statistische Durchschnittswerte, sondern vielmehr in differenzierter Auswirkung auf jeden einzelnen Betrieb auf. Das unternehmerische Verhalten zeichnet sich doch gerade dadurch aus, daß auch in schwieriger Situation verstanden wird, Chancen zu nutzen, und z. B. bisherige Einsatzmengen landwirtschaftlicher Betriebsmittel noch stärker unter dem Gesichtspunkt der Grenzkosten und der Grenzerträge geprüft werden. Meine Damen und Herren, neben den Anstrengungen, die einerseits Regierung und Parlament durch das Setzen allgemeiner wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen und andererseits die Landwirte durch das Bemühen um weitere Rationalisierung und Kostensenkung unternehmen, setzt die Bundesregierung bei den europäischen Agrarpreisverhandlungen direkt ein ganz entscheidendes Datum für die landwirtschaftlichen Einkommen. Das ist heute schon mehrfach angesprochen worden. Die Verhandlungen über die gemeinsamen Agrarpreise stehen in diesem Jahr vor gewaltigen Schwierigkeiten. Drei Problembereiche wurden von den Mitgliedsländern zu einem Verhandlungspaket zusammengeschnürt, wofür von den EG-Agrar- und -Außenministern bisher keine befriedigende Lösung gefunden werden konnte. Zum einen haben wir es mit dem Problem zu tun, über die Erhöhung der Preisgarantien z. B. bei Milch, Fleisch, Getreide, Obst und Gemüse für das neue Erntejahr 1982/83 Einigung zu erzielen. Daneben sollen endlich einige Reformansätze verwirklicht werden, wofür die Kommission dankenswerterweise seit rund zwei Jahren Vorarbeiten geleistet hat. Schließlich wird von seiten Großbritanniens wieder eine Entlastung von Beitragszahlungen zum EG-Haushalt verlangt und damit der Fortschritt der Verhandlungen bisher blokkiert. In Anbetracht dieser Schwierigkeiten halte ich daher die heute hier geäußerte Kritik der Opposition an den bisherigen Fortschritten und an der Person des Bundeslandwirtschaftsministers schlicht für unberechtigt. ({0}) Was die fälligen Preisbeschlüsse betrifft, so bedaure ich, daß es in diesem Jahr nicht möglich sein wird, noch vor Beginn des Wirtschaftsjahres 1982/83 - Sie wissen, daß es für Milch und Rindfleisch zum 1. April beginnt - eine Einigung und damit Klarheit für die Erzeuger zu erreichen. Im Namen meiner Fraktion möchte ich jedoch ausdrücklich die Tatsache begrüßen, daß die Agrar- und Außenminister sowie die Regierungschefs nach langen Vordiskussionen in den einzelnen Ländern nunmehr daran gehen, Weichen für eine Neuorientierung der europäischen Agrarpolitik zu stellen. Sollte es dabei gelingen, erstens die Zuwachsrate der Agrarausgaben dauerhaft unter der Anstiegsrate der eigenen Einnahmen zu halten, zweitens Produktionsziele für einige Hauptüberschußbereiche wie Milch oder Getreide abzustecken, drittens die nationalen Beihilfen einer stärkeren Disziplin zu unterwerfen sowie viertens die Agrarstrukturpolitik, stärker auf die benachteiligten Regionen zu konzentrieren, so hielte ich das für einen Meilenstein in der europäischen Agrarpolitik und damit für die gesamte europäische Politik. Es kann nach meiner Meinung gar kein Zweifel darüber bestehen, daß die gemeinsame Agrarpolitik schon bisher ganz entscheidend zur europäischen Integration beigetragen hat und auch jetzt wieder ganz deutlich zu einem Angelpunkt der Europapolitik geworden ist. Nach den bisherigen Erfahrungen kann der europäische Agrarmarkt jedoch nur dann auch in Zukunft ein tragender Pfeiler des europäischen Integrationsprozesses bleiben, wenn die Grundlagen der Finanzierung des gemeinsamen Agrarmarktes weiterentwickelt werden. Denn die Haushaltskosten, die dieser am weitesten integrierte Politikbereich verursacht, sind meiner Meinung nach mit zu einem bestimmenden Faktor auf dem Weg zu einem gemeinsamen Europa geworden. Um das Ziel einer Europäischen Union zu verwirklichen, bedarf es neben dieser wichtigen Reform des Agrarmarktes allerdings darüber hinaus auch eines neuen politischen Impulses. Ich möchte daher erwähnen, daß gerade der Parteivorsitzende der Freien Demokraten, der Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, es war, der diese Initiative zur Wiederbelebung des Gedankens der europäischen Einigung ergriffen hat und den Ausbau neuer Gemeinschaftspolitiken auf dem Gebiet der AußenHolsteg und Sicherheitspolitik und eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen dem europäischen Parlament und den nationalen Parlamenten gefordert hat. ({1}) Meine Damen und Herren, lassen Sie mich in aller Kürze noch einige konkrete Probleme ansprechen. Natürlich müssen auch in diesem Jahr bei den Preisentscheidungen die gestiegenen Betriebsmittelkosten gebührend berücksichtigt werden; das ist gar keine Frage. Ich halte es angesichts der kritischen Finanzlage der Gemeinschaft und der auch in anderen Wirtschaftsbereichen ungünstigen Verhältnisse jedoch für unmöglich, daß der Rückgang der landwirtschaftlichen Einkommen in der Bundesrepublik Deutschland durch die Erhöhung der Preisgarantien allein und sofort ausgeglichen werden kann. Ich glaube, wir dürfen da keine Illusionen wecken. Denn es wird auf jeden Fall etwas Zeit brauchen, bis die Preiserhöhungen am Markt durchsetzbar sein werden. Darauf in der Öffentlichkeit und bei unseren Landwirten hinzuweisen, halte ich auch für eine Aufgabe aller Agrarpolitiker. Denn die administrierten Preise haben zweifelsohne zwar eine große Bedeutung für die Abstützung der Einkommen unserer Bauern, aber für die landwirtschaftlichen Verkaufspreise ist bei einigen Produkten darüber hinaus gerade die Marktlage entscheidend. Die Preise für die Veredelungsprodukte im letzten Halbjahr sind hierfür ein treffender Beweis. Ich halte es für angebracht, auch in einem zweiten Punkt mehr Klarheit und Wahrheit in die agrarpolitische Diskussion zu bringen. Wie Ihnen als Agrarexperten bekannt ist, hat die COPA - der Zusammenschluß der europäischen Bauernverbände - in diesem Jahr eine Agrarpreiserhöhung von im Schnitt 16,3 % gefordert. Ähnlich hohe Forderungen werden auch aus den Kreisen der sozialistischen Regierung in Frankreich laut. In einigen Versammlungen - es wird vielen von Ihnen nicht anders ergangen sein - wurden folglich diese Preisforderungen auch an mich herangetragen nach dem Motto: Was den Sozialisten in Frankreich recht ist, das kann uns doch nur billig sein. Wir können ja, wenn nötig - je höher die gemeinsamen Beschlüsse, um so leichter -, zur Optik ein kleines bißchen mehr am Abbau des Grenzausgleichs tun. Sehr verehrte Damen und Herren, genau diese Argumentation halte ich für unverantwortlich und irreführend. Ich halte es für unsere Aufgabe, unseren Landwirten und auch der Öffentlichkeit gegenüber zwei Zusammenhänge klar aufzuzeigen. Erstens ist schon heute abzusehen, wenn wir von einer durchschnittlichen Entwicklung der Weltmärkte für Agrargüter ausgehen, daß die Preisbeschlüsse in dieser Höhe den finanziellen Rahmen der Gemeinschaft, der durch den Beschluß der EinProzent-Mehrwertsteuer-Bemessungsgrenze gezogen wird, sicherlich sprengen würden bzw. zur Folge hätten, daß die Ausgaben im Agrarsektor voraussichtlich wieder stärker steigen würden als die eigenen Mittel der Gemeinschaft. Unberücksichtigt ist bei der dargestellten populären Argumentation zweitens, daß ein relativ hoher Abbau des währungsbedingten Grenzausgleichs auf die Preise deutscher Agrarprodukte - ganz im Gegensatz zu einer Preisanhebung, die erst allmählich über den Markt wirkt - sofort und unmittelbar wirkt und z. B. bei Schlachtschweinen sofort eine Verschiebung der Wettbewerbsposition zur Folge hätte. Dies wäre für unsere landwirtschaftlichen Erzeuger doch auf jeden Fall abträglich und verhängnisvoll. Die Agrarpolitiker der FDP wenden sich daher gegen dieses populäre, aber unverantwortliche Hochjubeln der Preisforderung, das sich für den europäischen Integrationsprozeß wie für unsere Bauern doppelt negativ auswirken würde. ({2}) Gerade was die Preisverhandlungen betrifft, meine Damen und Herren - lassen Sie mich das abschließend sagen -, bauen wir auch in diesem Jahr wieder auf das Verhandlungsgeschick und die langjährige Erfahrung unseres Bundesministers Josef Ertl, dem ich hiermit ausdrücklich von dieser Stelle aus Dank und mein volles Vertrauen aussprechen möchte. ({3})

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Das Wort hat der Abgeordnete Michels.

Meinolf Michels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001502, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der öffentlichen Meinung wird der Agrarbericht allzuoft so dargestellt, als beziehe er sich einseitig auf die in der Land- und Ernährungswirtschaft tätigen Menschen. Agrarpolitik, meine Damen und Herren, ist Politik für unser gesamtes Volk, ist Politik für 60 Millionen Menschen in unserem Land. ({0}) In diesen Bereichen wird überdurchschnittlich lange und hart gearbeitet, um die Ernährung unseres Volkes sicherzustellen, um unseren Lebensraum, unsere Kulturlandschaft zu erhalten. Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, daß unsere Landfrauen durch ihre Doppelbelastung in Haus und Betrieb keine 40-Stunden-Woche kennen und daß sie überall da, wo andere Freizeit haben und sie auch mit Recht verlangen, letztlich für uns alle einstehen. ({1}) Es sollte mehr als eine Selbstverständlichkeit sein, denen, die dafür Sorge tragen und getragen haben, daß unser Tisch reichlich, gut und gesund gedeckt war, und die aus Verantwortung vor der jetzigen und kommenden Generation unsere Umwelt gepflegt und ihren Erholungswert erhalten haben - ich möchte hier ganz besonders unsere mitarbeitenden Freunde in der Landwirtschaft, in Land-, Forst- und Gartenbaubetrieben einbeziehen -, aus diesem Hohen Hause einmal einhellig unseren ganz besonders herzlichen Dank zum Ausdruck zu bringen. Dies müßte unser aller Anliegen sein. ({2}) Der Agrarbericht versucht, einen Einblick in die Lage der Landwirtschaft zu geben, seinem Auftrag gemäß vor allem einen Einblick in die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der in der Landwirtschaft tätigen Menschen, in einem Bereich also, der für viele, ja manchmal für zu viele zu unbekannt ist und zu weit weg liegt. Gewiß, der Bauer hat seinen sicheren Arbeitsplatz. Aber was ist dieser Arbeitsplatz wert, wenn Arbeit und Einkommen nicht mehr zueinander passen, wenn ein Viertel unserer Bauern 1981 mit Verlust abgeschnitten hat und vom ererbten Betriebsvermögen, somit praktisch von der Substanz, leben mußte und wenn ein weiteres Viertel nicht mehr erreicht, als wenn es zum Arbeitsamt oder zum Sozialamt ginge, um sich Hilfe für den Lebensunterhalt abzuholen? Dieses Wirtschaftsj ahr war für die Landwirtschaft das schlechteste seit 1948. ({3}) Aber nicht nur die Bauern, sondern der gesamte ländliche Raum spürt die wirtschaftliche Schwächung der deutschen Landwirtschaft. Der Einzelhandel, das Handwerk, das Baugewerbe und besonders - heute morgen ist schon wiederholt darauf hingewiesen worden - der Landmaschinenbereich sind gleichfalls Leidtragende. In der Bundesrepublik Deutschland hängt jeder sechste Arbeitsplatz direkt von der Landwirtschaft ab, in den ländlichen Regionen unseres Landes sogar jeder vierte. Mit zunehmendem Anteil der landwirtschaftlichen Bevölkerung verschlechtert sich die Wirtschaftskraft der ländlichen Region. Herr Paintner hat heute morgen sehr lobend die Ausführungen des Vertreters der Landjugend, des Herrn Ritter, hier erwähnt, nämlich daß Herr Ritter gesagt habe - Herr Paintner, ich war dabei -: „Für uns ist entscheidend, was auf den Häfen ankommt." Das kann ich nur voll unterstützen. Aber, Herr Paintner, Sie gehören j a einer Fraktion an, die die Regierung trägt. Deshalb frage ich: Was ist denn auf unseren Höfen in den letzten Jahren angekommen, und was hat zu dem geführt, was auch Sie anerkennenswerterweise dargestellt haben? Der Rückgang der Betriebsmittelausgaben ist ein Alarmzeichen erster Ordnung. Wer in der Landwirtschaft sich umsieht und dort Bescheid weiß, erlebt, wie die Kreditgeber zunehmend und immer heftiger an das Tor der landwirtschaftlichen Kreditnehmer pochen. Der Notverkauf von Grund und Boden im ländlichen strukturschwachen Bereich zeigt die schwindende Eigenkapitalbindung und den soeben erwähnten Substanzverzehr. Dabei handelt es sich, Herr Staatssekretär, zu einem großen Teil um solche Betriebe, die in den letzten Jahren animiert worden sind, entsprechend zu investieren, heute aber mit hohen Zinsen, gestiegenen Kosten - 130 %, hat der Minister heute morgen gesagt - und niedrigeren Erlösen allein gelassen sich der schicksalhaften Situation gegenübersehen. Warum haben die Regierungsparteien diese klare und jedem vernehmbare nüchterne Analyse nicht früh genug gemacht? Wir alle wissen doch: Früh geholfen, zur rechten zeit geholfen, ist doppelt geholfen. Im Gegenteil. Die Mittel für die Hilfe im sozialen Bereich wurden, Herr Paintner und Herr Holsteg, auch mit voller Unterstützung durch die FDP gekürzt. Und das, meine ich, sollten wir uns einmal hier in aller Deutlichkeit wenigstens vor Augen führen. ({4}) Herr Müller, Sie sprachen heute morgen davon, daß wir mit Konsequenz die Belange der Landwirtschaft sehen und angehen müßten. Wenn diese Konsequenz so vorhanden gewesen wäre, dann muß sich doch jeder in der Landwirtschaft Tätige fragen: Warum mußte es soweit kommen, daß wir allein im letzten Jahr eine derartige Zunahme der Verschuldung hatten, daß wir heute mit 3600 DM je Hektar verschuldet sind? War das die Konsequenz regierungsverantwortlichen, gerade auch allen unseren Bürgern gegenüber Verantwortung tragenden Handelns der Regierung und der sie tragenden Parteien? ({5}) - Wir haben keine Staatslandwirtschaft, aber wir haben die nötigen Rahmenbedingungen zu erstellen, damit die Menschen, die 60 und mehr Stunden in der Woche arbeiten, letztlich nicht dabei noch ihre Substanz verzehren müssen. ({6}) Der diesjährige Agrarbericht weist - wir haben das heute wiederholt hören können - einen Einkommensrückgang von 12,6 % aus. Hier möchte ich, meine Damen und Herren, vor einer Entwicklung warnen, die wir landauf, landab immer mehr zu hören bekommen - auch heute morgen klang es an - und die dahin geht, diesen Problemen in Teilbereichen mit Einkommensübertragungen beikommen zu wollen. Herr Kiechle hat heute morgen gesagt, daß die Landwirtschaft einen Produktionswert von 55 Milliarden DM habe. Stellen Sie sich einmal vor, wir würden eine nötige Preisanhebung von 10 % nicht bekommen und müßten dann im Haushaltsplan die Mittel für eine Einkommensübertragung bereitstellen. Das wären 5,5 Milliarden! Ich glaube, niemand von uns, die wir hier zusammen sind, ist so optimistisch, daß er glaubt, daß das heute oder morgen möglich wäre. Deshalb kann Politik nur dahin gehen, daß derjenige, der arbeitet, für seine Arbeit einen Lohn empfängt, von dem er letztlich leben kann. ({7}) - Ja, Herr Staatssekretär, davon habe ich gehört. Auf den Markt komme ich gleich noch zurück. Die Bedeutung, Herr Staatssekretär, die diese Regierung der Sicherstellung der Ernährung unseres Volkes und der Landwirtschaft beimißt, mögen Sie an folgendem erkennen: Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat nicht einmal Gelegenheit bekommen, den Agrarbericht im Kabinett vortragen zu können. ({8}) Sehen Sie sich einmal die Regierungsbank an! Der Herr Minister Ertl sitzt ganz einsam und verlassen da. ({9}) - Keine Aufregung, Herr Kollege, Sie können sich darüber gleich entsprechend auslassen. ({10}) Der Einkommensabstand zum außerlandwirtschaftlichen Bereich betrug im letzten Wirtschaftsjahr rund 32 %.

Dr. h. c. Annemarie Renger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001821

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Paintner?

Meinolf Michels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001502, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte, gern.

Johann Paintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001672, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, darf ich Sie fragen, wenn Sie schon kritisieren, daß die Minister hier nicht auf der Regierungsbank sitzen, ob Sie vielleicht festgestellt haben, daß die Fraktionsvorsitzenden heute - mit Ausnahme von Herrn Wehner - hier auch nicht anwesend sind! ({0})

Meinolf Michels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001502, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Paintner, wenn Sie heute morgen hingeschaut haben, haben Sie festgestellt, daß der Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion über längere Zeit zugegen war. ({0}) Noch stellen wir j a nicht die Regierung, aber wenn wir die Regierung bald stellen, werden unsere Minister anwesend sein. ({1}) - Keine Aufregung, nur ruhig! ({2}) Meine Damen und Herren, die Bundesregierung ignoriert eben diese Forderung, entsprechend zur Einkommensbildung in der Landwirtschaft durch Leistung beizutragen. Sie spricht in Brüssel von einer „vorsichtigen Preispolitik", statt sich an Frankreich ein Beispiel zu nehmen, erhöht die Belastungen - ich kann Ihnen das im einzelnen vortragen, wenn Sie es wünschen - und kürzt die Mittel des Einzelplans 10 ({3}) um 7,8 °A), während der Gesamthaushalt in dem betreffenden Jahr um 8 °A° gestiegen ist. Allein die Förderungsmittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" sind - damit bin ich wieder bei der Gesamtwirtschaft - innerhalb von zwei Jahren um 25 % gekürzt worden. Wie viele Arbeitsplätze hätten gerade im ländlichen Raum erhalten werden können, so daß wir das Ergebnis, das wir heute in Sachen Arbeitslosigkeit haben, nicht hätten beklagen müssen? Wie teuer kommt dem deutschen Volk diese Fehlentscheidung - durch die Zahlung von Arbeitslosengeld, was Sie nachrechnen können, durch Steuereinnahmeverluste und durch die beabsichtigte, aber nicht ordentliche Finanzierung des vorgesehenen Beschäftigungsprogramms - zu stehen? ({4}) Wer den bäuerlichen Familienbetrieb retten will, muß auch dafür sorgen, daß über vernünftige, angemessene Preise das nötige Familieneinkommen erzielt werden kann. Zur Zeit der Regierung der CDU/ CSU - -({5}) - Nein, ich will Ihnen, Herr Staatssekretär, den Beweis antreten. Von 1950 bis 1969 war die Preis-Kosten-Schere fast immer geschlossen. Seit dieser Zeit haben fast 50 % der damals noch aktiv wirtschaftenden Betriebe aufgehört. ({6}) Denken wir dabei auch einmal an die menschliche Situation, wenn, sehr oft aus wirtschaftlicher Not heraus, ein seit Generationen sich in Familienbesitz befindender Betrieb aufgegeben werden muß. ({7}) - Herr Staatssekretär, Sie lachen darüber! ({8}) - Ja, ich werde ihm gleich Gelegenheit dazu geben. Vielleicht kann er dann noch etwas mit einbauen. Denn Herr Staatssekretär Gallus sagt, daß weitere 100 000 Betriebe ausscheiden müssen. 100 000 Betriebe bedingen 150 000 Arbeitsplätze. Herr Staatssekretär, wo sollen diese Menschen Arbeit angesichts der Tatsache finden, daß wir jetzt - Gott sei Dank mit abnehmender Tendenz - 2 Millionen Arbeitslose haben? Grenzt diese Empfehlung auf der Basis der gesamten Situation nicht an Unausgewogenheit, um nicht von Zynismus zu sprechen? ({9}) Bitte schön.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, ich muß Sie darauf hinweisen, daß Ihre Redezeit zu Vizepräsident Windelen Ende geht; sonst hätte ich Sie gefragt, ob Sie eine Zwischenfrage zulassen.

Meinolf Michels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001502, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte, Herr Staatssekretär Gallus, ich habe Ihnen die Möglichkeit eingeräumt.

Georg Gallus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000628, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, sind Sie nicht der Auffassung, daß der Strukturwandel in Deutschland - die Reduzierung von 1,6 Millionen auf 800 000 Betriebe in den letzten 20 Jahren - für viele kleine landwirtschaftliche Betriebe ein Segen gewesen ist, weil die Betreffenden in der Landwirtschaft nie das Einkommen hätten erzielen können, das sie durch Aufnahme einer anderen Tätigkeit erzielt haben? ({0})

Meinolf Michels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001502, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das kann zum Teil richtig sein. Sie haben soeben genickt, und deswegen habe ich das gesagt. Die Betriebe, die aufgegeben haben, konnten unter der Regierung der CDU/CSU in ihren Betrieben ihr Einkommen noch erwirtschaften, und dann war es nicht mehr möglich. ({0}) An dieser Stelle möchte ich noch einiges zum deutschen Obst-, Gemüse- und Gartenbau sagen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, ich muß Sie daran erinnern, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist. Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.

Meinolf Michels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001502, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann muß ich mich natürlich sehr kurz fassen und diesen wichtigen Bereich des Obstes und Gemüses in zwei Sätzen zusammenfassen. Einmal bitte ich die Regierung, in Brüssel dafür zu sorgen, daß endlich etwas gegen die Wettbewerbsnachteile des deutschen Unterglasgartenbaus unternommen wird. Wenn wir z. B. 580 DM für 100 Kubikmeter Gas zahlen müssen, während das in Holland nur 280 DM sind, können unsere Unterglasbetriebe damit nicht wirtschaftlich über die Runden kommen. Lassen Sie mich abschließen, indem ich die Regierung und uns alle bitte, dafür Sorge zu tragen, daß der nächste Agrarbericht ein anderes, ein positives Ergebnis hat. Sonst trifft das zu, was man bei mir zu Hause sagt - Herr Präsident, mit Ihrer Zustimmung darf ich das in der Mundart meiner Heimatgemeinde, auf Plattdeutsch, sagen -: „De Gäule, de den Havern verdent, de kriet ne selten. - Die Pferde, die den Hafer verdienen, die kriegen ihn selten." Ich meine, es gilt, das zu verhindern. - Schönen Dank. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten Blunck.

Lieselott Blunck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000207, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann kein Zweifel bestehen, die Zahl der Menschen, die sich um die Erhaltung unserer Umwelt Sorgen macht, nimmt von Jahr zu Jahr zu. Viele Menschen in unserem Land, keineswegs nur die junge Generation, haben Angst, daß nicht allein unsere Tier- und Pflanzenwelt bedroht ist. Sie fürchten auch, daß unsere Wirtschafts- und Lebensweise zu einer Bedrohung der Menschen selbst führen könnte. Kritische Stellungnahmen, wie etwa die des angesehenen Club of Rome oder der Bericht Global 2000 haben uns drastisch vor Augen geführt, welche Probleme für Ernährung und Umwelt eintreten werden, wenn es nicht zu einem Umdenken, wenn es nicht zu einer grundlegenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Änderung kommt. ({0}) Gewiß hat es in unseren Medien manche unrichtige und einseitige Darstellung der Problematik gegeben, ({1}) die zur Verunsicherung und wohl auch zur unnötigen Verängstigung der Bevölkerung beigetragen hat. Sicherlich dürfte es auch falsch sein, wenn man bei der Schuldzuweisung allein die Landwirtschaft ins Visier nimmt. Es wäre im Interesse aller zu wünschen, daß die Problematik mit größerer Gewissenhaftigkeit, Sorgfalt und Seriosität angegangen wird. ({2}) Falsch wäre es aber allemal, wenn wir nun die Medien als Buhmänner und eigentlich Verantwortliche für die Misere hinstellen würden. Jedenfalls würden die Probleme dadurch nicht beseitigt. Außerdem habe ich durchaus den Eindruck, daß uns heutzutage nicht selten erst die drastische Darstellung, die Überzeichnung eines Problems in die Lage versetzt, angesichts der vielfach komplizierten Zusammenhänge die Problematik zu erfassen und, wenn möglich, Abhilfe zu schaffen. ({3}) So gesehen kann ich auch dem heftigen brieflichen Austausch zwischen Herrn Minister Baum und dem Präsidenten des Bauernverbandes, Freiherr Heereman, nur Positives abgewinnen. Man muß schon sehr verbohrt sein, wenn man den Bundesinnenminister der Beteiligung an einer Diffamierungskampagne gegen die Bauern bezichtigt. ({4}) Unseren Bauern ist mit solcher verbaler Kraftmeierei am wenigsten und, wenn überhaupt, nur vordergründig geholfen. ({5}) Auf den eigentlichen Problemen bleiben Sie weiterhin sitzen. Der horrend gewachsene Verbrauch von Pestiziden ({6}) und der ähnlich gewachsene Düngereinsatz oder der Mißbrauch von Tierarzneimitteln, um nur Beispiele zu nennen, werden nicht damit aus der Welt geschafft, indem wir alles negieren oder verniedlichen. Und wie stünden wir und stünde unsere Landwirtschaft heute da, wenn es die vom Herrn Bundesinnenminister Baum kritisch aufgezeigten Problembereiche der landwirtschaftlichen Nutzung nicht gäbe! Und welche Entlastung und Erleichterung würden der Land- und Forstwirtschaft zuteil, wenn die von Freiherrn Heereman zu Recht beklagte Belastung der Böden mit Schwermetallen oder die „sauren" Niederschläge in unseren Wäldern abgestellt werden könnten! ({7}) Um die Zukunft unserer Umwelt brauchten wir dann weiß Gott weniger besorgt zu sein. Was jetzt not tut, ist, daß wir ohne ideologische Bretter vor dem Kopf und ohne Vorurteile gegen die Landwirtschaft, aber auch ohne Ressentiments gegenüber der Wissenschaft, den Verbrauchern und all den Bevölkerungsgruppen, denen die Unbedenklichkeit der Ernährung und der Schutz der Umwelt am Herzen liegen, an die Beseitigung der gröbsten Mißstände und der größten Gefahrenquellen gemeinsam herangehen. ({8}) Eines dürfte indessen sonnenklar sein: Die Zeit des Redens, des Herabspielens, des Verniedlichens, des Tabuisierens - von welcher Seite auch immer - ist vorbei. Von dieser Stelle möchte ich sehr nachdrücklich dem Präsidenten Freiherrn Heereman recht geben, wenn er in seiner Rede auf der außerordentlichen Delegiertenversammlung des Deutschen Bauernverbandes am Dienstag, dem 23. März, in Bonn die Frage stellte, ob denn die Alternative „Bauer oder Brachvogel" tatsächlich auf einem Gegensatz beruht. Der Agrarbericht 1982 sagt dazu: Ökonomische und ökologische Ziele stehen grundsätzlich gleichrangig nebeneinander. Ich möchte einen Schritt weitergehen und sagen: Ökonomie und Ökologie greifen wie zwei Zahnräder ineinander. Im Agrarbereich ist es eigentlich am deutlichsten; dort bedingen sie einander. Durch die Förderungspolitik der Europäischen Gemeinschaft gerät die Landwirtschaft unter dem Zwang zu ständig steigender Produktivität in zunehmendem Maße in einen Konflikt zwischen Rentabilität und Umweltschutz. Der Zwang, preiswerte Nahrungsmittel zu produzieren, begünstigt den rationell wirtschaftenden Großbetrieb. Die immer intensivere Nutzung des Bodens, zu der man im Laufe der Jahre verstärkt übergegangen ist, läßt die Landwirtschaft in manchen Gebieten fast zur Industrie anwachsen mit der Tendenz zur einseitigen und großräumigen Produktion. Die Landwirtschaft wird großmaschinengerecht eingerichtet, so daß für Knicks oder, um das zu übersetzen - ich bin j a Schleswig-Holsteiner -, Feldraine oder Wassergräben mit den ihnen eigenen Kleinökosystemen kein Raum mehr ist. Je günstiger - sprich: maschinengerechter - die Produktionsbedingungen für den Landwirt sind, um so weniger Platz besteht für ökologische Ausgleichsflächen. Die Folge ist nicht selten eine verstärkte Erosion. Die Fruchtfolge, dazu bestimmt, im wesentlichen die Bodenauslaugung trotz reicher Nutzung zu verhindern, ist praktisch ganz aufgegeben worden. Stattdessen wird dem Boden zum Ausgleich reichlich Chemie zugeführt, um auch weiterhin steigende Erträge sicherzustellen. Der stark angewachsene Düngereinsatz hat zwar die Erhöhung der Erträge gewährleisten können, gleichzeitig aber auch das Auftreten neuer Krankheiten bei den Pflanzen begünstigt. Die Zahl der Halmbruch- und Blattkrankheiten hat zugenommen, ebenso wie Rost und Mehltau. Die Folge ist: Man muß mit neuen chemischen Mitteln die unliebsamen Nebenwirkungen bekämpfen. So schließt sich an die übermäßige Stickstoffdüngung die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, Insektiziden, Herbiziden und was unsere chemische Industrie sonst noch für diese Fälle parat hat, an. ({9}) Nützliche Kleinstlebewesen und Pflanzen bleiben auf der Strecke. Außerdem treten Resistenzerscheinungen auf, denen man wiederum mit neuen Chemikalien begegnen muß. Ist dies unter ökologischen Gesichtspunkten schon beklagenswert genug, so gewinnt der ungehemmte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln eine neue, besondere Dimension, wenn man die Frage nach den Auswirkungen der chemischen Pflanzenbehandlung auf die Nahrungsmittel, auf die Agrarprodukte stellt. Die Wissenschaft versichert uns, daß die chemische Pflanzenbehandlung bei Einhaltung der vorgeschriebenen Höchstmengen keine Gesundheitsgefährdung bedeute; jedenfalls hat sie keine nachweisen können. Auch der Agrarbericht weist darauf hin, daß sich durch unsere Agrarprodukte und die daraus hergestellten Lebensmittel keine akute Gefährdung der menschlichen Gesundheit ergibt. Die Frage nach den Restrisiken, nach den Langzeitwirkungen, die nach dem heutigen Stand der Technik noch unerforscht sind, bleibt damit unbeantwortet. Hier möchte ich die dringende Bitte an die Bundesregierung richten, ihrer Ankündigung, der Schadstoffproblematik weiterhin große Aufmerksamkeit zu widmen, sehr ernsthaft nachzukommen. Ich will hier keineswegs dem Verzicht auf die Anwendung jeglicher Chemie in der Landwirtschaft das Wort reden; ich bin realistisch genug, zu wissen, daß es kein Zurück zu den Anbaumethoden unserer Großväter geben kann. Die daraus resultierenden höheren Preise könnten nur bei einem Teil unserer Bevölkerung durchgesetzt werden; für die einkommensschwachen Haushalte dagegen würde dies zu erheblichen sozialen Härten führen. Das wollen wir sicher alle nicht. Aber man könnte sich immerhin die Frage stellen, ob denn diese Unmengen von che5644 mischen Mitteln überhaupt und in jedem Fall erforderlich sind, ({10}) ob nicht unter Berücksichtigung aller anderen Möglichkeiten die Verwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln so gering wie notwendig gehalten werden kann. ({11}) Ich könnte mir vorstellen, daß beispielsweise durch die Züchtung krankheitsresistenter Pflanzensorten oder durch die Verwendung biologischer Bekämpfungsmittel ein dem Einsatz chemischer Mittel vergleichbarer Effekt erzielt werden könnte. Ein Teil unserer Landwirte hat wohl schon erkannt, daß die Devise „Viel hilft viel" beim Pflanzenschutz keineswegs immer richtig ist. Wie Versuche etwa bei der Wintergerste gezeigt haben, ist oft genau das Gegenteil zutreffend. Eine größere Zurückhaltung bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln könnte in doppelter Hinsicht nützlich sein: einmal für den Landwirt, der auf die Anschaffung teurer Chemikalien verzichten und somit seine Produktionskosten senken könnte, zum anderen für unsere Umwelt und erst recht für den Verbraucher, dem weniger Chemie in den Nahrungsmitteln allemal lieber wäre. Allerdings sind hier unsere Landwirte auf eine entsprechende Unterrichtung und Schulung angewiesen. ({12}) Da tut sich ein breites Betätigungsfeld für die Kammern und die landwirtschaftlichen Verbände auf. ({13}) Fragen der menschlichen Ernährung sind existentielle Fragen. Man kann daher die im Agrarbericht getroffene Feststellung, daß die gesundheitlich einwandfreie Beschaffenheit der Lebensmittel Vorrang vor wirtschaftlichen Überlegungen habe, nur nachdrücklich unterstreichen. Unsere Bevölkerung ist hinsichtlich unbedenklicher rückstandsfreier Lebensmittel zunehmend sensibler und anspruchsvoller geworden. Wir alle erinnern uns an den im Jahre 1980 in Nordrhein-Westfalen aufgedeckten Östrogen-Skandal. Man kann dem Landwirtschaftsminister Bäumer nicht dankbar genug sein, ({14}) daß er damals allen Widerständen zum Trotz der Sache unbeirrt nachgegangen ist und schonungslos die Mißstände aufgedeckt hat. Der Erfolg hat ihm recht gegeben. ({15}) Die skrupellosen Geschäftemacher haben nicht nur die Verbraucher gefährdet, sondern sie haben auch die seriösen, gewissenhaften Landwirte in Mißkredit gebracht und ihnen großen finanziellen Schaden zugefügt, ({16}) denn diese Landwirte mußten ja schließlich die Zeche zahlen, die daraus resultierte, daß der Verbraucher auf den Verzehr von Kalbfleisch verzichtet hat. Es bleibt zu hoffen, daß die Behörden ihre Kontrollpraxis weiter verfeinern und fortsetzen. Der Östrogen-Skandal hat leider auch erhebliche Mängel unseres Arzneimittelrechts aufgedeckt. Es ist daher zu begrüßen, daß die Bundesregierung jetzt einen Entwurf vorgelegt hat, der dem Tierarzneimittelmißbrauch einen Riegel vorschieben und die Voraussetzungen für eine bessere Kontrolle der Gewinnung rückstandsunbedenklicher Lebensmittel schaffen soll. Ich will nicht weiter auf Einzelheiten eingehen; die Zeit läuft mir auch davon. Ich möchte anschließend nur noch ein Wort zum Küstenschutz sagen. Ich nehme an, der Herr Landwirtschaftsminister Flessner wartet sogar darauf. Bei der Diskussion über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" im vergangenen Jahr erkenne ich dankbar an, daß wir gemeinsam - Koalition und Opposition - im Agrarausschuß den einstimmigen Beschluß gefaßt haben, der Deichverstärkung so weit wie irgend möglich den Vorrang vor Neueindeichungen zu geben. ({17}) Immerhin finanziert der Bund Küstenschutzmaßnahmen zu 70%. Unstrittig war zwischen uns allen auch die Notwendigkeit - erhärtet durch die Aussagen im Sondergutachten „Umweltprobleme der Nordsee" -, das Wattenmeer als einmaligen Lebensraum besonders zu schützen. Auch hier erweist sich im übrigen einmal mehr, daß sich Ökonomie und Ökologie nicht als Gegensatz gegenüberstehen. Ich merke nur einmal ganz kurz an: Watt gleich Kinderstube der wirtschaftlich wichtigsten Nordseefische, Zufluchts- und Rückzugsgebiet für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Damit wir uns auf keinen Fall mißverstehen: Die Sicherheit der Menschen hinter dem Deich und der Schutz des Landes vor Sturmfluten sind höchstes Ziel. Genau dieser Schutz hätte aber nach meiner Überzeugung schon längst durch eine Erhöhung des bestehenden Deiches mit minimaler Umweltschädigung erreicht werden können. ({18}) Ich appelliere an alle Verantwortlichen, Einsicht zu zeigen und keine Zerstörung von 34 Quadratkilometern unwiederbringlicher Wattenmeerfläche zuzulassen. ({19}) Im Interesse der gefährdeten Natur müssen Landwirtschaft sowie Natur- und Umweltschützer zusammenarbeiten. ({20}) Unser gemeinsames Ziel muß es sein, daß die Landwirtschaft nicht länger als Zerstörer der Natur hingestellt werden kann. ({21}) Unser aller Anliegen muß es sein, daß sich der Landwirt wieder mit Recht als Umweltschützer Nummer eins fühlen kann. - Vielen Dank. ({22})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Brunner. ({0})

Josef Adalbert Brunner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000282, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach diesem „ausgezeichneten" Exkurs in landwirtschaftliche Gefilde und Wissensgebiete fällt es mir schwer, verehrte Frau Kollegin - zumal wir Ihnen schon schwer folgen konnten -, in meinem Referat noch einmal auf die Dinge einzugehen, die Sie so kunstgerecht angesprochen haben. ({0}) Zunächst wende ich mich in meinem Referat aber noch kurz einem anderen Bereich zu. Agrarpolitik ist ein Stück Politik für den ländlichen Raum. Dieser Aussage kommt ein immer größerer Stellenwert zu. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist der ländliche Raum unentbehrlich als ökologischer Ausgleichsraum, als Standort der Produktion, als Siedlungsgebiet und als Erholungsgebiet für die Bewohner der Verdichtungsräume. Ohne ländliche Gebiete gibt es auf die Dauer auch keine lebensfähigen Ballungsgebiete. Das hat insbesondere die Diskussion über den Umweltschutz deutlich gemacht. Die Agrarpolitik der Bundesregierung, die sich in einem permanenten Einkommensrückgang der Landwirtschaft widerspiegelt, leistet derzeit indes keinen Beitrag zum Ausbau des ländlichen Raumes und zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der dort lebenden Menschen. Im Gegenteil: Die prekäre Einkommenslage der Landwirtschaft wird in Verbindung mit der ungünstigen außerlandwirtschaftlichen Beschäftigungslage die Situation der ländlichen Bevölkerung weiter verschlechtern. ({1}) Wachsende Disparität zwischen Landwirtschaft und übriger Wirtschaft heißt auch wachsende Disparität zwischen Land und Stadt. Daran kann die Behauptung im Agrarbericht nichts ändern, daß die agrarstrukturellen Mittel vorrangig in strukturschwachen ländlichen Gebieten einzusetzen seien. Diese Aussage verschweigt, daß die Bundesmittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" 1982 im Vergleich zu 1980 um 360 Millionen DM auf 1050 Millionen DM gesenkt werden. Dies allein entspricht einer Kürzung um 25 %. Unter Einbeziehung der Mittel des Programms für Zukunftsinvestitionen stehen 1982 sogar nur 580 Millionen DM, also 36 % weniger, zur Verfügung. Wenn sich vorgestern auf der außerordentlichen Delegiertenversammlung des Deutschen Bauernverbands die Vertreter der Regierungsparteien grundsätzlich hinter die Forderungen des Deutschen Bauernverbands gestellt haben, dann sollten sie alles tun, um die nationalen Möglichkeiten für die strukturschwachen Gebiete auszuschöpfen. Lassen Sie mich zunächst einige Anmerkungen zu einem Bereich machen, der seinen Ausdruck in der Strukturschwäche findet. Die Bundesrepublik befindet sich mit weiten Teilen ihrer Fläche weitab vom Markt. Betroffen davon ist die Landwirtschaft gleichermaßen wie die gewerbliche Wirtschaft. Zum Absatz landwirtschaftlicher Produkte auf den Märkten sind weite Strecken zu überwinden. Wenn die Landwirtschaft in diesen Räumen eine Chance haben soll und im Wettbewerb bestehen will, muß die Bundesregierung darauf achten, daß dies auch möglich ist. ({2}) Eine Maßnahme dazu ist der Frachtausgleich, wie wir ihn schon einmal hatten. In diesem Zusammenhang möchte ich vor allen Dingen auch auf die Frachthilfe für Industrieholz eingehen, die zum 1. Juli 1981 auf die Hälfte gekürzt wurde. Die erneuten enormen Schneebruchschäden des vergangenen Winters und der vorausgegangenen Jahre erfordern eine Anhebung sowohl der Frachthilfe als auch hilfsweise steuerliche Vergünstigungen. Letztlich hat der Wald sowohl eine volkswirtschaftliche als auch eine wichtige landeskulturelle Bedeutung. Ein anderer landwirtschaftlicher Produktionsbereich, der ebenfalls eine große Bedeutung für den ländlichen Raum hat, ist die Alkoholerzeugung aus landwirtschaftlichen Rohstoffen. Seit 1972 wird der Vorschlag einer Alkoholmarktordnung beraten. Trotz mehrfacher Änderungen des Kommissionsvorschlags kommen aber die Arbeiten nicht voran. Andererseits hat der Europäische Gerichtshof 1976 das bis dahin geltende deutsche Einfuhrmonopol für Alkohol aufgehoben, so daß seitdem Alkohol aus anderen EG-Mitgliedstaaten hereinkommt, die unter völlig anderen Voraussetzungen produzieren. So wird der teuerste Alkohol, nämlich der Weinalkohol, in Italien und Frankreich in steigendem Umfang aus dem EG-Agrarfonds gestützt, in den bekanntlich die Bundesrepublik den Löwenanteil einzahlt. Diese beiden vom Weinalkohol profitierenden Länder führen aber gleichzeitig ihre preiswerteste Alkoholsorte, nämlich Melassealkohol, aus Großbetrieben in die Bundesrepublik aus, wo er in Wettbewerb tritt mit dem deutschen Alkohol aus Kartoffeln, Getreide und Obst aus zumeist landwirtschaftlichen Brennereien. Das hat zu den heutigen Schwierigkeiten der deutschen Brennereien geführt. ({3}) - Sicherlich. Wir erkennen an, daß die Bundesregierung bisher durch die Zuwendungen an das Branntweinmonopol die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Alkohols und damit die Existenz der deutschen Brennereien erhalten hat. Wegen der bestehenden Haushaltsschwierigkeiten hat sie jedoch begonnen, die Stützung der deutschen Brennereien abzubauen. Auf Grund des Subventionsabbaugesetzes wird den Brennereien nunmehr der Übernahmepreis um 5 % gekürzt, so daß sie im Durchschnitt nicht mehr kostendeckend arbeiten können. Hinzu kommen andere Abstriche beim Übernahmepreis, u. a. auch die Umstellung der kalkulatorischen Kosten und der Wegfall des süddeutschen Zuschlags, ganz abgesehen davon, daß der Alkoholabsatz durch die zweimalige Erhöhung der Branntweinsteuer innerhalb eines Jahres erheblich gestört wurde. Darüber hinaus dürfen die Brennereien im laufenden Jahr nur noch 90 % - im kommenden Jahr spricht man von nur mehr 80 % - ihres Kontingents herstellen. ({4})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Paintner?

Josef Adalbert Brunner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000282, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Mein lieber Kollege Paintner, ich habe noch einige Seiten. Ich bitte Sie um Entschuldigung, wenn ich Sie in Anbetracht der kurzen Zeit jetzt Ihre Frage nicht stellen lasse. ({0}) Hervorzuheben ist, daß die Zuschüsse an das Monopol keine echten Zuwendungen, sondern lediglich eine Umschichtung von Mitteln darstellen. 1976 wurde der Verkaufspreis des Monopols um 150 DM pro Hektoliter gesenkt und gleichzeitig die Branntweinsteuer um denselben Betrag erhöht. Somit hat der Fiskus durch die Stützung der Brennereien keinerlei Nachteile, genausowenig wie die Verarbeiter und Verbraucher dieses Alkohols. Im übrigen stellen diese Mittel nur 5% des Betrages dar, den der Fiskus aus der Branntweinsteuer von jährlich 4,5 Milliarden DM erzielt. Der deutsche Alkohol wird ganz überwiegend in mittelständischen Brennereien erzeugt, die unmittelbar mit landwirtschaftlichen Betrieben verbunden sind. Diese Betriebe sind nach ihrer Lage und den Bodenverhältnissen ihrer Umgebung zum großen Teil auf den Anbau bestimmter Rohstoffe, z. B. von Kartoffeln, und deren Verarbeitung zu Alkohol angewiesen. Erst die Brennerei und die dabei anf al-lenden Nachprodukte in Form von Schlempe geben einer großen Anzahl von landwirtschaftlichen Betrieben die Existenzmöglichkeit. Von vielen dieser Brennereien wird nachhaltiger Landschaftsschutz betrieben. Ich erinnere nur an die 30 000 Abfindungsbrennereien, insbesondere im Schwarzwald, und die damit verbundenen 200 000 Obstanbauer. Die deutschen Brennereien konzentrieren sich in den Regionen, die ohnehin unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen leben. Die Alternative zu der heutigen, auf die regionalen agrarwirtschaftlichen Bedürfnisse ausgerichteten Brennereiwirtschaft wäre die Erzeugung durch einige wenige multinationale Großkonzerne mit erheblicher Umweltbelastung oder der Bezug des gesamten Alkohols aus dem Ausland. Leider stammt schon heute fast die Hälfte des in der Bundesrepublik konsumierten Alkohols aus dem Ausland. Die deutschen Brennereien, die aus landwirtschaftlichen Gründen relativ klein sind, stehen in technischer Hinsicht auf hohem Stand. Gerade jetzt sind sie mit Erfolg dabei, trotz der Kürzungen ihrer Übernahmepreise ihren Energiebedarf durch neue Verfahren drastisch zu senken und somit Kosten zu sparen. In Zukunft könnten Biogasanlagen dazu führen, daß sie praktisch ohne Fremdenergie auskommen. Fachleute sind zudem der Auffassung, daß der Agraralkohol als nachwachsender Rohstoff eine große Zukunft hat. Durch Umwandlung in Alkohol könnten Agrarüberschüsse aus dem Markt genommen werden und als Zusatz zum Treibstoff oder als Grundstoff für die chemische Industrie die Abhängigkeit vom Mineralöl verringern. ({1}) Dem Agrarbericht ist zu entnehmen, daß die Erzeugung von Agraralkohol wie die Produktion und Verwertung nachwachsender Rohstoffe insgesamt, gerade auch in den strukturschwachen ländlichen Räumen, zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen beitragen können. Mit Erstaunen muß man aber feststellen, daß die Politik der Bundesregierung in diesem Bereich eher zu einer Zerschlagung der bisherigen Produktion als zu ihrer Förderung führt. ({2}) Ich fordere die Bundesregierung daher auf, sich für das Zustandekommen der Marktordnung für gebrannten Alkohol auf EG-Ebene nachhaltig einzusetzen, jedenfalls aber für eine Harmonisierung der Alkoholpreise in der EG zu sorgen, die nicht einseitig zu Lasten der Bundesrepublik geht, und auf nationaler Ebene im Hinblick auf die Zukunftschancen des Agraralkohols eine Konzeption zu entwickeln, die die Fortführung der bestehenden Brennereien mit ihren bewährten Funktionen im agrarwirtschaftlichen und regionalen Bereich absichert. Zum Schluß, meine sehr verehrten Damen und Herren, stelle ich im Auftrag der CDU/CSU-Fraktion den Antrag, den vorliegenden Entschließungsantrag an die zuständigen Ausschüsse zu überweisen. - Schönen Dank. ({3})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Herberholz.

Ralph Herberholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000876, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte auf eine Bemerkung des Kollegen Kiechle zurückkommen. Mein Freund Rudi Müller hat zwar schon darauf geantwortet, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, daß es durch die Wiederholung vielleicht doch etwas klarer wird und eventuell auch noch bis nach Bayern dringt. Herr Kollege Kiechle, Sie haben mit Recht wie Sprecher aller Fraktionen den Rückgang der Einkommen besonders hervorgehoben. Sie haben gesagt, ein Großteil der Landwirtschaft liege mit seinem Einkommen unter dem Sozialhilfesatz. ({0}) - Entschuldigung, ich hatte das so verstanden; 40 %. ({1}) Wer wie Ihre Fraktion das Schüler-BAföG streichen will, muß folgendes bedenken: ({2}) Sie wissen, daß bei 75 % von 500 000 geförderten Schülern die Einkommen der Eltern unter 2 000 DM liegen, bei 50 % unter 1 500 DM und bei 25 % unter 1 000 DM. ({3}) Die 25 %, bei denen das Einkommen der Eltern unter 1 000 DM liegt, entsprechen 125 000 Schülern. Wenn Sie sagen, daß 40 % der landwirtschaftlichen Einkommen unter dem Sozialhilfesatz liegen, können Sie bei einem Anteil der Schüler aus der Landwirtschaft am BAföG von 5 bis 10 % davon ausgehen, daß es 50 000 bis 60 000 dieser Schüler in der Landwirtschaft gibt. Wenn Sie es durchbringen, auch noch das Schüler-BAföG zu streichen, nehmen Sie also knapp 300 DM zusätzlich monatlich vom Familieneinkommen weg. ({4}) Dieses Geld ist komplementär zum Einkommen. Man finanziert mit diesem Geld in diesen Schichten doch bestimmt nicht den Drittwagen. Das sollten Sie sich mal merken. ({5}) - Bei einem Familieneinkommen unter 1 000 DM können Sie als Schiller sicherlich keinen BMW finanzieren. Da ist das Geld aus dem Schüler-BAföG komplementär zum Einkommen. Davon kauft man höchstens Brötchen oder Koteletts. ({6}) - Wir werden immer wiederholen, daß wir gegen eine Streichung des Schüler-BAföG sind, weil dies gerade die Schichten träfe, die Herr Kiechle heute morgen so gestenreich herausgestrichen hat, das untere Viertel in der Landwirtschaft. ({7}) - Dazu komme ich auch noch, Herr Kollege. In einem seiner Werke - und damit komme ich zur Nebenerwerbslandwirtschaft - fragt Tolstoi: Wieviel Erde braucht der Mensch?, um herauszustellen, wieviel landwirtschaftliche Nutzfläche notwendig ist, um ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. - Um Tolstois Frage für unsere Zeit zu beantworten, streben wir Flächen- und Bestandsaufstockungen im Rahmen einer bäuerlichen Betriebsstruktur an. Diese Entwicklung der vorsichtigen Strukturveränderung - die Zahlen der Voll- und Nebenerwerbslandwirte sind im letzten Zehnjahreszeitraum um durchschnittlich 1,6 bis 1,8 % zurückgegangen - verläuft nach wie vor ohne soziale Härten. Der Nebenerwerbslandwirtschaft kommt dabei eine große Bedeutung zu. In allen anderen EG-Staaten ist die Pufferwirkung der Nebenerwerbslandwirtschaft bei der strukturellen Anpassung erheblich geringer bzw. die sozialen Härten sind für die Betroffenen spürbar. Dies wird an Beispielen wie Italien und Frankreich deutlich. Überall da, wo die Durchdringung landwirtschaftlicher Gebiete mit gewerblichindustriellen Arbeitsplätzen wenig ausgeprägt ist, kann die Nebenerwerbslandwirtschaft diese Ausgleichsfunktion nicht übernehmen. Die Verbesserung der Lebensverhältnisse im ländlichen Raum wird nach unserer Auffassung nach wie vor am ehesten durch die Vielfalt der Betriebsgrößen und -formen gewährleistet. Eine dieser Formen ist die nebenberufliche Landbewirtschaftung, die bedeutsame Beiträge zu verschiedenen Aufgaben leistet. Diese sind: Aufstockung insbesondere niedriger Familieneinkommen, Sicherungsfunktion insbesondere in Gebieten mit unzureichenden konjunkturabhängigen Branchen, Erhaltung einer gewissen Besiedlungs- und Bevölkerungsdichte im ländlichen Raum sowie Schutz, Erhaltung und Ausbau der Kulturlandschaft. Diese Funktion kann die nebenberufliche Landwirtschaft deshalb erfüllen, weil sie an den meisten agrarpolitischen Förderungsmaßnahmen teilnimmt. Wir werden auch künftig darauf achten, daß die Nebenerwerbslandwirtschaft ihren Beitrag zur Verbesserung der Lebensverhältnisse im ländlichen Raum leisten kann. Eines muß uns klar sein: Die Nebenerwerbslandwirtschaft ist eine Dauerform der Landbewirtschaftung und keine Übergangsform. Bäuerlicher Familienbetrieb heißt für uns: im Haupt-, Zu- und Nebenerwerb. Nicht nur die klassische Produktionspolitik hat ihre Berechtigung, nein, die Nebenerwerbslandwirtschaft erfüllt ebenfalls Funktionen im ländlichen Raum, auch wenn sich die Wissenschaft hauptsächlich mit den Betriebsstrukturproblemen beschäftigt. Wir verkennen dabei nicht, daß die Bäuerin die Hauptlast im Nebenerwerb zu tragen hat. ({8}) Gerade Sie identifiziert sich in besonderem Maße mit dem Betrieb. Umfragen haben ergeben, daß diese Frauen ein enormes Arbeitspensum zu bewältigen haben, im Durchschnitt über 12 Stunden täglich, selten oder nie in Urlaub fahren, aber dennoch nicht mit einer vergleichbaren berufstätigen Frau in der Stadt tauschen möchten. Es stellt sich die Frage, ob im Interesse dieser Frauen gerade im Nebenerwerb nicht verstärkt zu extensiverer Landbewirtschaftung übergegangen werden sollte. Auch nach der Neuregelung der Einkommensbesteuerung erzielt der Landwirt nicht unbeträchtliche steuerfreie Einnahmen aus der nebenberuflichen Landbewirtschaftung. Das Gesamteinkommen der Nebenerwerbslandwirte stieg gegenüber 1979/80 leicht an und liegt mit rund 39 000 DM weit über dem Gesamteinkommen der Voll- bzw. Zuerwerbsbetriebe. Darüber hinaus ist die Nebenerwerbslandwirtschaft in das System der agrarsozialen Sicherung integriert. Nebenerwerbslandwirte sind Mitglied in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung und kommen in den Genuß entsprechender Bundeszuschüsse. Nebenerwerbslandwirte erhalten die Altershilfe für Landwirte, wenn sie die regional unterschiedlichen Mindestgrößen bewirtschaftet haben. Altenteiler sind für den Fall in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung, daß die Rentnerkrankenversicherung, aus welchen Gründen auch immer, nicht den Vorrang genießt. Meine Damen und Herren, halten wir fest: Was die soziale Sicherung betrifft, so ist die Nebenerwerbslandwirtschaft durchaus der Vollerwerbslandwirtschaft gleichgestellt. Das gute Nebeneinander von haupt- und nebenberuflicher Landwirtschaft ist bei den Sonderkulturen besonders ausgeprägt. Nebenerwerbslandwirte füllen Marktlücken aus oder ergänzen die Haupterwerbslandwirtschaft. ({9}) Eine Beurteilung der wirtschaftlichen Lage im Garten- und Weinbau ist aber allein schon wegen des hohen Anteils der Nebenerwerbslandwirtschaft schwer durchführbar. Im Gartenbau ist die Ertragslage dennoch deutlich besser als in der übrigen Landwirtschaft. Die j ährliche Zunahme des Durchschnittsgewinns je Familienarbeitskraft gegenüber dem Vergleichsjahr 1974/75 liegt bei den Gemüsebetrieben bei 5,5 %, bei den Zierpflanzenbetrieben bei 3,3 %, bei den Baumschulen bei 0,2 %. Aber gerade die Baumschulen sind auch 1980/81 wieder Spitzenreiter mit einem Gewinn von rund 61 000 DM je Arbeitskraft. Liebe Kolleginnen und Kollegen, herauszustellen ist: Für die gartenbaulichen Betriebe sind die Wettbewerbsverhältnisse in der Gemeinschaft von besonderer Bedeutung. Da es bei der Einfuhr von Gemüse, Obst, Zierpflanzen und Baumschulerzeugnissen keinen Währungsausgleich gibt, stellen Möglichkeiten billigerer Erzeugung in anderen EG-Ländern direkte Wettbewerbsvorteile bei der Belieferung des deutschen Marktes dar. Staatliche Subventionen zur Senkung der Kosten in anderen Staaten wie z. B. Erdgassondertarife für den niederländischen Gartenbau können und dürfen deshalb nicht hingenommen werden. ({10}) Ich' will aber gerne hervorheben, daß der deutsche Gartenbau immer Anstrengungen gemacht hat, sich im freien Wettbewerb zu behaupten. Wir unterstützen seine Forderung, die niederländischen Erdgassondertarife unverzüglich abzubauen, den unlauteren Wettbewerb durch ambulante Blumenhändler zu beseitigen - man schätzt allein den diesbezüglichen Steuerausfall auf etwa 100 Millionen - und Maßnahmen zur Energieeinsparung bzw. Abwärmenutzung zu ergreifen. Wir sind darüber hinaus der Ansicht, daß man nicht alle Möglichkeiten zur Verbesserung der Vermarktung inländischer Gartenbauerzeugnisse ausgeschöpft hat. Niederländische Vermarktungseinrichtungen sind darin durchaus beispielhaft und wegweisend. Bessere Marktorganisationen und eine verbesserte Vermarktung der Erzeugnisse sind auch auf anderen Gebieten des Sonderkulturanbaus erforderlich. Dies gilt insbesondere für den Weinbau. Nur der vermehrte Zusammenschluß in Weinbaugenossenschaften oder in Erzeugergemeinschaften, die Verbesserung der Qualität durch Anhebung, nicht durch Absenkung der Mindestanforderungen, gepaart mit flankierenden Maßnahmen wie beschleunigter Flurbereinigung in der Steillage sowie Hilfen zur größtmöglichen Mechanisierung können z. B. den Erhalt des Weinbaus im nördlichsten Anbaugebiet garantieren. Die Novellierung des deutschen Weingesetzes steht an. Wir wollen uns bemühen, die von mir aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Die Fragen Herbstkontrolle, Bezeichnungsrecht, Landwein, effektivere Weinkontrolle über die Ländergrenzen hinweg mit einem eigenen Berufsbild des Weinkontrolleurs sind die zu lösenden Probleme. Nur dies ist ein sinnvoller Weg, die Ertragslage des ehrlichen Weinbaubetriebes zu verbessern. Dabei darf nicht verkannt werden, daß nicht die bisherigen gesetzlichen Vorschriften, sondern deren Nichtbeachtung auch durch die zuständigen Behörden Skandale verursacht, deren Ausmaß und Folgen verschlimmert und dem guten Ruf des deutschen Weins schweren Schaden zugefügt hat. Jahrelang haben offizielle Stellen auf Länderebene tatenlos zugesehen, wie wenige einflußreiche schwarze Schafe den ehrlichen Winzer an den Rand des Ruins gebracht haben. Noch heute lehnt die Landesregierung von Rheinland-Pfalz die Einführung der Warenbegleitscheinregelung, die als EG-Kontrollmaßnahme seit Jahren innerstaatliches Recht ist, schlichtweg ab. Was mir eine Industrie- und Handelskammer in diesem Zusammenhang schreibt, nämlich „nicht die Erntemenge, sondern die Vermarktungsmenge ist von Bedeutung", das muß man wirklich aufmerksam hören. Ich wiederhole es: „Nicht die Erntemenge, sondern die Vermarktungsmenge ist von Bedeutung." Das ist symptomatisch für die offizielle Praxis. Diesem Geist des Nichts-Sehen, Nichts-Hören und Nichts-Sagen müssen wir gemeinsam energisch entgegentreten. ({11}) Im Hinblick auf die ins Haus stehende Erweiterung der EG muß auch die Frage der Überproduktion gerade im Bereich der Sonderkulturen Obst, Gemüse, Oliven und Wein in neuem Licht gesehen werden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist die EG nicht in der Lage, die damit verbundenen agrarwirtschaftlichen und finanziellen Fragen zu meistern. Selbst bei einer langen Übergangszeit sind die Folgen des Überangebots, ohne die erwarteten und möglichen Ertragssteigerungen in Spanien und Portugal zu berücksichtigen, nicht vorhersehbar. Die EG sollte zuallererst ein besseres Konzept für die europäische Agrarpolitik finden, das die Frage der Überschüsse angeht und auch in Zukunft finanzierbar ist. Heute ist die Forderung Heinrichs IV. an den Herzog von Savoyen, daß jeder Bauer sonntags ein Huhn in seinem Topf haben soll, Geschichte. Heute - und das ist nicht zuletzt ein Verdienst dieser SPD/FDP-Koalition - hat jeder Landwirt, egal, ob im Haupt- oder Nebenerwerb, trotz aller Schwierigkeiten sein Auskommen und ist sozial abgesichert. ({12})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich bei allen bedanken, die durch Beiträge in vielfältiger Form daran mitgewirkt haben, daß es eine ganztägige Agrardebatte wurde. Die mir zur Verfügung stehende Zeit erlaubt es nicht, auf alle erwähnten Punkte einzugehen; denn sonst müßte ich die Debatte wiederholen. Ich möchte mich daher auf einige Punkte konzentrieren. Ich möchte mit Nachdruck die verehrte Kollegin Blunck unterstützen: Wir sollten Fragen der Ökonomie und der Ökologie mehr mit Sachkunde als mit Emotionen besprechen. Da haben Sie meine volle Unterstützung. Ich kann das Hohe Haus nur darum bitten. Meine Bitte richtet sich jedoch nicht nur an das Hohe Haus. Es hat ja auch ein Vertreter einer Landesregierung gesprochen, und es sitzen noch mehrere Vertreter der Länder da. Ich appelliere leidenschaftlich an die Kultusminister, alles zu tun, daß diese Thematik sachkundig und weniger emotional an unseren Schulen behandelt wird. Das wäre ein wesentlicher Beitrag. ({0}) - Ja. Dafür wäre ich sehr dankbar. Aber ich bin für den Druck der Schulbücher und erst recht für die Ausbildung der Lehrer nicht zuständig. Auch die Bundesregierung ist dafür nicht zuständig. ({1}) - Nein, auch nicht in Bayern; in keinem Land. Wissen Sie: Mich trifft das Problem zutiefst. Ich will das nur einmal aus meiner Wissenslage sagen. Jeder kann nur in der Begrenztheit seines eigenen Wissens sprechen. Darum bitte ich auch, daß sich jeder an diese Grundnorm hält. Denn die Zeit des universellen Wissens ist - wie ich meine: Gott sei Dank - zu Ende. Aus dieser begrenzten Wissenslage, die ich habe, muß ich sagen: Wer so leichtfertig von der Chemisierung des Lebens redet, spricht eigentlich seiner Lebensfunktion die Basis ab. Unser ganzes Leben ist schlichtweg Chemie. ({2}) Und wenn jemals die Assimilation auf diesem Planeten beendet ist, brauchen wir uns über Kernenergie und negative Folgen dieser überhaupt nicht zu unterhalten, weil wir bereits gestorben sind. ({3}) Ich möchte wirklich bitten, daß man an die Elemente herangeht und nicht immer im Hinblick darauf, daß gewisse Teile der Bevölkerung da möglicherweise emotionale Ängste haben, bewußt mit Pauschalurteilen operiert. ({4}) - Ja, jeder spricht so, wie er etwas weiß. ({5}) - Jeder spricht so! Ja, natürlich! Ich auch. Deshalb kann auch jeder irren. ({6}) - Oh, Sie dürfen mir glauben, daß ich da nicht Ihre Empfehlung brauche. Ich wollte, die CDU hätte in der Zeit, als sie Kabinettsmitglieder hatte, so viel Mut gehabt. ({7}) - Das verstehe ich ja. Ich habe ja noch Erinnerungen! Ich bin ein Sechs-Sterne-Mann dieses Hauses. Wissen Sie, daraus habe ich vielfältige Erinnerungen. Vielfältige Erinnerungen! Ich möchte dieses Thema damit gern beenden. Ich möchte auch bitten - das sage ich hier deutlich -, daß man bei der Veterinärmedizin nicht andere prinzipielle Maßstäbe anwendet als bei der Humanmedizin, nur, weil Veterinärmedizin zufällig etwas mit Landwirtschaft zu tun hat. Ich weiß, was ich hier sage. Damit ich nicht Gefahr laufe, Ängste zu wecken, möchte ich das nicht weiter ausführen. Ich bitte aber darum, hier einmal Klarheit zu beziehen. Sie sollen in wenigen Sätzen mein Credo hören. Ich habe es schon in meiner Rede versucht. Es ist ja so wunderschön zu sagen: „Diese ganzen Maschinen ...!" Ich habe noch nicht gemerkt, daß jemand sein Auto abgemeldet hätte. Dieser Fortschritt und diese ganze industrielle Welt, die sicherlich Probleme beinhaltet, auch für einen wie mich bedrükkende Probleme hat, hat es fertiggebracht, daß Gott sei Dank heute in der Kirche der Arbeiter neben dem Minister stehen kann und niemand von der Kleidung her einen Unterschied merkt. Ich halte das für einen großen Fortschritt im Interesse der Menschheit. Das muß man erhalten und wird man erhalten können, wenn man Arbeitsplätze sichert und neue schafft. ({8}) Meine Damen und Herren, man muß einen vernünftigen Kompromiß finden. Man darf dann nicht an den Staat appellieren, daß er das Risiko für das Leben in Form einer Pension, beginnend an der Wiege, übernimmt. So geht es nicht. ({9}) Entschuldigen Sie, ich mußte das hier einmal sagen. Jetzt komme ich zu einem anderen Thema. Ich wäre aber sehr dankbar, wenn wir das einmal beachteten. Lieber Herr Michels, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Jungfernrede. Ich möchte Sie jetzt nicht belästigen. Aber es gibt eine Tabelle über die Einkommenssituation in den letzten 20 Jahren. Ich werde Ihnen die Tabelle bei Gelegenheit zuschicken. Damit können Sie Vergleiche anstellen. Sie werden sehen: So einfach, wie Sie es sich gemacht haben, ist es in der Tat nicht. Mehr will ich dazu gar nicht sagen. ({10}) - Ich schicke sie ihm j a zu und dann wird man sehen. Es hat immer ein Auf und Ab gegeben. Ich weiß natürlich, daß dies heute die Stunde der Opposition war und sie das weidlich nutzte. Wenn ich Oppositionssprecher wäre, hätte ich es vielleicht auch so getan. ({11}) Ich bekenne das freimütig. Nur hätte ich mich nicht so erwischen lassen. Das hätte ich dann besser gemacht. ({12}) Das hätte ich ein bißchen routinierter getan. Aber bei der Jungfernrede ist das alles gestattet. Es gilt aber auch für andere. Sie werden in dieser Liste sehen, es hat immer ein Auf und Ab gegeben. Das ist ja auch ganz logisch. Mit Recht wurde der Einwand gebracht, Herr Michels, Sie werden doch nicht staatlich garantierte Einkommen für die Landwirtschaft fordern. Das können Sie nicht fordern. Sie können fordern, daß Rahmen gesetzt werden. ({13}) Sie hat es zu allen Zeiten gegeben. Aber der Rahmen muß gesamtwirtschaftlich und ordnungspolitisch in eine marktwirtschaftliche Landschaft hineinpassen und nicht in eine Staatswirtschaft. Das ist doch der Punkt. ({14}) Lesen Sie Ihre Reden nach. Ich komme zum zweiten Punkt. Ich habe hier eine Drucksache: Bonn, 14. März 1979 - Berichterstatter: Carstens ({15}). Hier heißt es im Bericht des Abgeordneten Carstens aus dem Haushaltsausschuß im Hinblick auf die gegebene Regelung - 1 % von der Mehrwertsteuer -: ({16}) Die Ausgaben sollen sich nach Auffassung des Ausschusses bei der Europäischen Gemeinschaft in erster Linie nach den Einnahmen richten und nicht umgekehrt. ({17}) Dem haben alle Parteien zugestimmt. - Herr Kiechle, mir wäre es sehr lieb und wert, wenn Sie auch in Ihren Versammlungen von diesem Tatbestand berichten würden. Das gebietet die Fairneß. Mehr will ich gar nicht. ({18}) Ich will gar nicht mehr als die Fairneß, die besagt: Auch wir sind in diesem Punkt für die Einhaltung der Grenze von 1 % von der Mehrwertsteuer. Ich kann auch hergehen und sagen: Wie kommt ihr dazu? 10 % Preiserhöhung ist ja viel zuwenig. Wir wollen 20 %, aber wir sind auch bereit, den Mehrwertsteueranteil von 1 % zu erhöhen. Dann ist das konsequent. ({19}) - Warum haben Sie die nicht gebraucht? Weil wir Beschlüsse herbeigeführt haben, die es Gott sei Dank Realität werden ließen, Herr Eigen, daß wir das nicht gebraucht haben. Aber ich mußte bei meinen Beschlüssen in dieser Frage zum Teil Konzessionen machen. Ich will das freimütig zugeben. Wenn ich diese Barriere nicht gehabt hätte, wären meine Beschlüsse - sei es bei flankierenden Maßnahmen oder bei Prozenten - ein klein bißchen anders ausgefallen. Das wollte ich nur nebenbei sagen. Ich stehe unter dem Diktat dieses Beschlusses, Freunde, und man muß sagen, wo man steht. Aber ich habe noch einen interessanten Beitrag bei mir. Darin heißt es - Herr Präsident, ich darf zitieren, nehme ich an -: Leider hat man ja den Vorschlag der europäischen Finanzminister vor zehn Jahren nicht mehr weiterverfolgt - aus welchen Gründen, das würde hier den Rahmen dieses Vortrags überschreiten -, nämlich die europäische Agrarproduktion jedenfalls der einer Marktordnung unterliegenden Produkte auf einem bestimmten Niveau einzufrieren, eine jährliche Zuwachsrate noch in die Gemeinschaftsfinanzierung aufzunehmen, aber alles, was über die Zuwachsrate hinausgeht, dann nicht in die Gemeinschaftsfinanzierung einzubeziehen. So der CDU/CSU-Finanzminister in spe Franz Josef Strauß am 22. Mai 1979. ({20}) Ich frage Sie: Gilt das? Muß sich der Kanzler Helmut Kohl unter dieses Diktat stellen? Oder gilt das nicht? Ich muß Ihnen hier einmal sagen, Freunde, wenn Sie schon auf diese Dinge kommen, dann müssen Sie auch darauf antworten.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schröder ({0})?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Ja, bitte.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Bitte, Herr Abgeordneter.

Diedrich Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002076, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ist denn nicht der Beschluß, über die eigenen Einnahmen der EG hinaus das Mehrwertsteueraufkommen von 1 % nicht zu überschreiten, erstens ein Beschluß, der von allen Fraktionen getragen worden ist, und ist das zweitens nicht etwa fast dasselbe, was der Kollege Strauß früher gefordert hat? ({0})

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Nein, das geht viel weiter, Herr Schröder. ({0}) Ich habe eine Fotokopie da und bin bereit, Ihnen den ganzen Vortrag vorzulesen. ({1}) Ich habe nur eine wichtige Passage zitiert, damit die deutsche Landwirtschaft weiß, welchen Finanzminister sie möglicherweise bekommen kann. ({2}) Weil ich schon dabei bin, Herr Kollege Schröder: Herr Kollege Flessner - er hat sich bei mir entschuldigt; das möchte ich ausdrücklich betonen - hat ausführlich das Thema der Substitute angesprochen. Natürlich ist das ein Problem. Ich habe auch darauf hingewiesen: Die holländische Futterfläche liegt zu 50 % in den Vereinigten Staaten von Amerika. Ich mache das immer zum Thema, mit wem auch immer ich bei den Amerikanern verhandle, ob Minister oder andere. Ich frage daher: Haben Herr Strauß und Herr Stoltenberg auch darüber verhandelt? Das hätte die Bundesregierung sehr unterstützen können. ({3}) Hätte er darum gebeten, hätte ich ihm Material gegeben. Ich möchte noch ein bißchen weitergehen, denn das ist ein sehr ernstes Thema. - Herr Oostergetelo meldet sich auch, er ist diesem Thema ein klein bißchen mit verhaftet. Das macht auch nichts, es ist in der Tat ein sehr ernstes Thema. Nur, meine verehrten Damen und Herren, es liegen völkerrechtlich verbindliche Verträge vor, z. B. in Form der Kennedy-Runde, aber auch viel frühere wie das GATT. Sie müßten konsequenterweise sagen: Wir sind für die Aufkündigung des GATT in diesem Punkt, wir sind für eine Dekonsolidierung. - Es nutzt nichts, hier mit dem Kopf zu nicken, Sie müssen hier einen Beschluß fassen. Sie haben einen Entschließungsantrag vorgelegt; bringen Sie das doch in diesen Entschließungsantrag ein. Darüber kann man reden. Ich bin für die Alternative - das wissen Sie -, weil ich weiß, welche Folgen das andere außenpolitisch und außenhandelspolitisch hätte. - Ein Vorredner hat darauf hingewiesen. Ich bin für die Umkehr aus einer Einbahnstraße in die Zweibahnstraße. ({4}) Das sage ich in allen meinen Gesprächen. Soweit es meine Zeit erlaubt, werde ich Ende August, Anfang September zu solchen Gesprächen wieder in Washington sein. Ich werde dort sagen: Wenn ihr uns das Rohmaterial in Form von Substituten liefert, ({5}) dann müßt ihr die Kontingente für Käse und Fleischveredelungsprodukte beseitigen und den Markt öffnen ({6}) - das halte ich für den faireren Weg -, oder ihr müßt zumindest im Rahmen von Selbstbeschränkungsabkommen liefern. Ich darf Ihnen sagen, hier waren sowohl die Kommission wie die Bundesregierung nicht inaktiv. Das Selbstbeschränkungsabkommen mit Thailand ist unter Dach und Fach. Es tut sich auf diesem Gebiet einiges. Ich wollte das hier nur noch kurz erwähnen. Aber wie gesagt: Mir ist es lieber, daß der Weltagrarhandel keine Einbahnstraßen darstellt, sondern Mehrbahnstraßen. Es wurde dann zum wiederholten Male hinsichtlich des Vorschlages zur Staffelung der Beiträge in der landwirtschaftlichen Altershilfe behauptet, eine Staffelung, so, wie sie vorgelegt worden ist - wobei ich mich gar nicht auf jede Mark festlegen will; alles, was Einteilungen hat, hat Randzonen und Problemzonen -, würde die kleinen Landwirte bzw. die Nebenerwerbslandwirte besonders treffen. Ich habe mir das hier aufschreiben lassen. Die Staffelung hätte für 1983 ausgeschaut: 94 DM bis 141 DM. Ohne Staffelung beträgt, glaube ich, der Beitrag 115 DM. Vorgesehen war eine Staffelung in fünf Stufen für Betriebe unter 48 000 DM Wirtschaftswert. Von den Nebenerwerbsbetrieben wären rund 27 % oder 80 000 Betriebe mit vollem Beitrag herangezogen worden. Alle übrigen Nebenerwerbsbetriebe, soweit sie überhaupt in der Altershilfe versichert sind, wären in die Staffelung gefallen, hätten also niedrigere Beiträge. Die genannten 80 000 Betriebe sind allerdings diejenigen, die aus außerlandwirtschaftlichen und landwirtschaftlichen Quellen ein so hohes Einkommen haben, daß sie einen vollen Beitrag finanzieren können. Das ist der Punkt. Ich bitte, das wirklich einmal so abzunehmen. Das haben mir meine Mitarbeiter fünfmal so vorgerechnet. Ich habe mich davon überzeugen lassen, und ich glaube, daß die Zahlen meiner Mitarbeiter stimmen. Ich bedaure zutiefst, daß man hier immer wieder - auch um bewußt Gefühle heraufzubeschwören - diese Behauptungen wiederholt. Zum nächsten Punkt: Mitverantwortungsabgabe. Lieber, verehrter Kollege Kiechle, es stimmt überhaupt nicht, daß sie nur einem Zweck dient. Sie wird entweder über besondere Programme nach Art. 4 der Verordnung abgewickelt oder zur Vergrößerung des Absatzes in breiter Form genutzt. Ich will Ihnen dazu auch ganz offen meine Meinung sagen. Zunächst hat die Mitverantwortungsabgabe mitgeholfen, daß sich die Märkte stabilisiert haben. Sie war nicht allein dafür verantwortlich. Sie hat mitgeholfen. Ich halte die Stabilisierung der Märkte, d. h. die Beseitigung der Überschüsse, für eine gute Perspektive. Wir sehen auch am gesamten Milchmarkt - Sie sind fachkundig im Milchmarkt -, daß diese Stabilisierung der Märkte, d. h. die Beseitigung der Überschüsse, den Marktspielraum erheblich vergrößert hat. Dies halte ich eigentlich für das Normale. Jetzt gleich zu sagen: weg damit - wobei ich einräumen muß, daß Sie selber auch nur von 1 % sprechen -, wäre möglicherweise ein sehr riskanter Schritt. Man kann darüber reden, ob man die Mitverantwortungsabgabe in diesem Jahr in voller Höhe braucht. Aber es ist doch besser, man hat hier eine Möglichkeit, gegebenenfalls rechtzeitig prophylaktisch gegenzusteuern, als wieder hinterherzulaufen und sich mit dieser öffentlichen Polemik - Butterberg usw. - herumzuplagen. Ich glaube, das ist vernünftiger. ({7}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, damit komme ich zu der Frage der Gemeinschaftsaufgabe. Auch dazu möchte ich nur in aller Kürze eine Bemerkung machen. Ich wäre wirklich sehr dankbar, wenn die Ministerpräsidenten in dieser Frage von sich aus mindestens soviel Verantwortung übernehmen würden, wie es dem 50 %igen Stimmenanteil dem Plan nach entspricht, weil der Bund hier in Zugzwang ist. Das sage ich einmal, aber ich habe sie nie dazu gehört; ich höre davon immer nur hier. ({8}) - Ja, ich habe elf. Ich habe 50 %. Ich verlange auch nur 50 % der Aktivität der Herren Ministerpräsidenten. Ich verlange gar nicht mehr; denn natürlich ist die Gemeinschaftsaufgabe auf einen unteren Level zurückgefahren worden. Das bestreitet niemand.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Ja, aber ich will noch diesen Satz zu Ende bringen. - Aber es ist doch so, meine Damen und Herren - das ist das, was den Agrarminister zutiefst trifft, und das, was das Puzzlespiel bei dieser Gemeinschaftsaufgabe ausmacht -, daß hier ein permanentes Nebeneinander von Finanz- und Landwirtschaftsministern besteht, daß z. B. der Bundesfinanzminister mit den Länderfinanzministern abspricht: Wir werden schauen, daß wir das wieder wegbringen, und die Länderfinanzminister zum Bundesfinanzminister vielleicht sogar sagen: „Das muß du machen", und im Landwirtschaftssektor läuft das Spiel umgekehrt. Ich halte das für keinen guten Stil. Hier wären saubere Verhältnisse sehr wichtig. Aber als es darum ging, daß die Länder ihre Stimme erheben sollten, haben sie sie nicht für die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz" erhoben.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Eigen?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Ja.

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich stehe jetzt schon seit der Mitverantwortungsabgabe - der ganzen Passage, die Sie dazu gebracht haben.

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Sie werden doch gestatten, daß ich den Gedanken zu Ende führe, oder?

Karl Eigen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000455, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte dazu eine Frage stellen. Wenn Sie eben sagten, daß Sie bereit seien, mit uns über eine Senkung der Mitverantwortungsabgabe zu diskutieren, kann ich dann davon ausgehen, daß, wenn die CDU/CSU-Teilfraktion des Ernährungsausschusses doch wieder einen Antrag stellt, dieser Antrag dann nicht, sowohl von den Abgeordneten Ihrer Koalition wie auch durch die Aussagen Ihrer Mitarbeiter, einfach so abgeschmettert wird?

Josef Ertl (Minister:in)

Politiker ID: 11000493

Sie kennen doch den Vorschlag der Kommission, daß 60 000 DM frei sein sollen. Das bedeutet doch indirekt eine Senkung der Mitverantwortungsabgabe. ({0}) Das ist die Frage. Die kennen Sie j a. Sie wissen, daß dieser Vorschlag aus der Gesamtkonstellation heraus eine Realität ist; ob das nun genau 60 000, 50 000 oder 65 000 sind, das kann ich heute gar nicht sagen. Ich werde in diesem Bundestag nie hingehen und mich auf Zehntel oder Prozente festlegen lassen, und zwar im Interesse meines Verhandlungsspielraums in Brüssel. Das wäre das Dümmste, was ich jemals tun könnte. Aber daraus ersehen Sie ja, daß nichts gelaufen ist. Ich wollte noch einmal auf diese Wichtigkeit hinweisen. Ich wäre, weil ich ein überzeugter Föderalist bin, sehr dankbar, wenn hier auf lange Sicht Klarheit geschaffen würde, in welcher Form und in welchem Ausmaß man die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz" gemeinsam bewältigen will. Damit komme ich noch zur allerletzten Bemerkung, zu Brüssel und zum EG-Agrarmarkt. Ich habe Ihnen heute früh schon gesagt - das war auch für mich ein Prozeß, der mehr durch Erfahrungen geprägt wurde -, daß ich zu dieser Gemeinschaft keine Alternative sehe. Ich möchte aber hier und heute bei dieser Debatte sagen: Man kann nicht dem Agrarmarkt alle Lasten einschließlich der Soziallasten für Mittelmeerländer auflasten und sagen: Das muß alles aus dem vorhandenen Finanzstock bezahlt werden. Dies geht politisch nicht. ({1}) Das gilt speziell für den Beitritt. Lassen Sie mich hierzu noch ein Zweites hinzufügen. Das habe ich nämlich in meiner Rede nicht gebracht; ich habe nur darauf hingewiesen, daß es unterschiedliche Interessen gibt. Nehmen Sie zur Kenntnis - ich müßte mich schwer täuschen; ich glaube aber, daß es in diesem Punkt nicht der Fall ist -: Länder wie die Niederlande, Irland, Dänemark, Frankreich, zum Teil auch die Beneluxstaaten und - bei Mittelmeerprodukten - Italien wollen bewußt Agrarexportländer, d. h. Agrarüberschußländer bleiben. Wer ihre Wirtschaftsstruktur, wer ihre Handelsbilanz und ihre Leistungsbilanz kennt, wird wissen, daß sie zum Teil auf diese Einnahmen angewiesen sind. Es ist so schwierig, immer den vernünftigen, finanzierbaren und tragbaren Kompromiß zu finden, weil es hier vitale Interessen gibt. Es wäre falsch - dagegen muß ich mich wirklich leidenschaftlich wehren -, zu sagen, daß dann das ganze agrarpolitische System nicht mehr stimme. Man kann darüber reden. Man muß dann aber den Mut haben, zu sagen: Wir wollen dieses System nicht mehr. Das macht übrigens eine Reform so schwierig, wenn man unter „Reform" etwas Neues versteht. Wenn man darunter versteht, daß man mehr Markt herbeiführen will, kann man sehr viel machen. Das beweisen die Zahlen. Es wäre aber ein zusätzlicher Irrtum zu dem Irrtum der 60er Jahre, zu glauben, wir könnten diese Fakten und vor allen Dingen die ungelösten europäischen Probleme, soweit sie wirtschaftspolitischer Art sind, über Agrarpolitik lösen. Ich habe ein Anrecht, das hier festzustellen, denn jeder kann das Protokoll der Rede des Bundestagsabgeordneten Ertl aus dem Jahre 1964 nachlesen, in der ich darauf hingewiesen habe, daß dieses System nur funktioniert, wenn der Rahmen durch eine stabile und durch feste Wechselkurse gekennzeichnete Währung abgesichert ist. Und das können Sie nicht mit Agrarpolitik; hier ist Agrarpolitik nicht der Vollziehende. Deshalb kann ich am Schluß sagen - damit komme ich zu einer Frage, die hier gestellt wurde -: Unsere Vorleistung und unsere Leistung zugunsten der deutschen Landwirtschaft, die Leistung der Bundesregierung besteht darin, daß wir in den letzten Jahren eine größere Stabilität gewahrt haben und in Zukunft wahren werden, damit unsere Inflationsrate im Vergleich zu allen anderen Ländern immer die niedrigste ist. ({2}) Aber wir verfolgen damit auch das Ziel, unsere Partner zu zwingen, von ihren Inflationsraten herunterzukommen. Denn wenn das nicht möglich ist, wenn die zweistelligen Inflationsraten in Europa nicht überwunden werden, wird man niemals den Rahmen für stabile Währungsverhältnisse finden. Ohne stabile Währungsverhältnisse wird es immer ein Kraftakt sein, dieses System von Agrarmarktordnungen beizubehalten. Das ist die Frage, meine Freunde. ({3}) Wegen der fortgeschrittenen Zeit kann ich das nicht weiter vertiefen. Nichtsdestoweniger sollten sich die Deutschen wirklich vor Augen halten: Unsere Handelsbilanz in dieser Zehner-Gemeinschaft ist positiv. Der Handelsbilanzüberschuß beträgt nicht Hunderte von Milliarden DM, sondern rund 10 Milliarden DM. Unsere Handelsbilanz gegenüber unserem Hauptpartner Frankreich ist positiv; der Überschuß macht eine Summe von rund 2 Milliarden DM aus. Ich habe die Zahlen genannt, die nach Italien gehen, vorwiegend aus dem bayerischen Raum. Dies sind wirtschaftliche Komponenten, ich halte aber noch viel mehr von der politischen Komponente, nämlich von jenem Tatbestand, daß diese Gemeinschaft die größte Gemeinschaft von Demokratien in der Welt ist, und daß sie mit dazu beitragen kann und auch mit dazu beiträgt, politische Stabilität in dieser Welt zu garantieren. Das ist nicht allein meine persönliche Meinung. Ich war zutiefst beeindruckt, als ich jüngst als Vertreter der Bundesregierung ein deutsch-irakisches Gespräch eröffnen mußte, in dessen Verlauf der Erdölminister sagte: Wir Araber vertrauen auf die dynamische Kraft dieser Europäischen Gemeinschaft, diese Welt im Gleichgewicht zu halten und zu stabilisieren. - Ich glaube, das ist eine große Herausforderung, unabhängig davon, daß ich meine Kinder eigentlich beneide. Sie haben nämlich die Chance, in eine Völkergemeinschaft hineinzuwachsen, in der man sich nicht primär über Nationalitäten, sondern über Gemeinsames unterhält, und in der jeder sein Leben führen kann, wo es ihm am besten gefällt, wo er seine größten Hoffnungen erfüllt sieht. Ich wünschte, ich wäre in einer Zeit groß geworden, in der man so problemlos nicht nur Urlaub, Ferien bei unseren Nachbarn verbringen, sondern auch auf Dauer leben kann. Ich glaube, das ist in der Tat eine große Faszination. Wir sollten mehr das Positive dieses Europas herausstellen als manche Ungereimtheiten, mit denen man in einer Gemeinschaft notfalls wohl längere Zeit leben muß. ({4}) Das ist meine Auffassung. So sehe ich diese Dinge. - Ich bedanke mich für Ihre Geduld, Herr Präsident. Eines wurde immer wieder unterschlagen. Meine Mitarbeiter - wir machen Selbstkontrollen - rech5654 nen in der Regel überaus korrekt; sie rechnen sogar so korrekt, daß sie dann meistens recht haben. Nach allen Hochrechnungen kann ich sagen: Der nächste Agrarbericht wird sicherlich keine negative Zahl enthalten, sondern eine positive. Ich betone noch einmal: Damit sind nicht alle Probleme vom Tisch. Wir werden noch ein Jahr brauchen, vielleicht auch zwei Jahre. Aber es ist nicht so, daß diese Landwirtschaft abgeschrieben ist, und es ist auch nicht so, daß diese Landwirtschaft im Stich gelassen wird. Deshalb warne ich - auch im Interesse der jungen Menschen auf dem Lande - davor, nur schwarzzumalen. ({5}) Wir sollten auch nicht euphorisch sein, aber ich bin sicher, daß ich mit dem Satz nichts Falsches sage: Unsere Landwirtschaft hat Zukunft! ({6})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt vor, den Agrarbericht 1982 der Bundesregierung - Drucksachen 9/1340, 9/1341 - zur Beratung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Haushaltsausschuß - zur Mitberatung - zu überweisen. Ist das Haus mit den vorgeschlagenen Überweisungen einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Zum Agrarbericht 1982 der Bundesregierung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Drucksache 9/1492 vor. Wird das Wort zur Begründung des Antrags gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Es ist beantragt, den Entschließungsantrag an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Haushaltsausschuß - zur Mitberatung - zu überweisen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt gegen den Überweisungsvorschlag? - Enthaltungen? - Der beantragten Überweisung wird einmütig zugestimmt. Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Lammert, Kiep, Dr. Waigel, Müller ({1}), Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Müller ({2}), Dr. Warnke, Frau Pack, Ganz ({3}), Günther, Frau Hürland, Link, Löher, Prangenberg, Sauer ({4}), Stutzer, Gerstein, Metz, Vogel ({5}), Borchert, Kittelmann, Vogt ({6}), Frau Fischer, Frau Karwatzki, Reddemann, Schwarz, Breuer und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Strukturkrise der deutschen Stahlindustrie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über Umstrukturierungspolitik Stahl zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Erster Bericht der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Anwendung der Beihilferegelung zugunsten der Eisen- und Stahlindustrie zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zur Umstrukturierungspolitik Stahl - Drucksachen 9/612, 9/389, 9/784, 9/454, 9/1423 Berichterstatter: Abgeordneter Reuschenbach Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die Aussprache eine Stunde dauern. Darf ich davon ausgehen, daß das Haus damit einverstanden ist? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Wünscht der Berichterstatter das Wort? ({7}) - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lammert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Landwirtschaftsminister und der Agrardebatte über Probleme der Stahlindustrie zu sprechen, ist nicht ohne Delikatesse, zumal der Vergleich der volkswirtschaftlichen Bedeutung dieser beiden Wirtschaftszweige, der Strukturprobleme und des notwendigen Ausmaßes an öffentlichen Beihilfen zur Aufrechterhaltung der Lebensfähigkeit beider Bereiche sicher aufschlußreiche Bezüge erbringen würde. Wer in den Fraktionen dieses Hauses das zweifelhafte Vergnügen hat, für Stahlfragen zuständig zu sein, wird ziemlich genau wissen, daß er fast keine Chance hat, dabei viele Freunde zu gewinnen; denn was immer er angesichts der gigantischen Probleme dieses Bereichs an Maßnahmen vorschlagen will oder muß, wird regelmäßig außerhalb der Grenzen des ordnungspolitisch Vertretbaren und gleichzeitig unterhalb der Schwelle des betriebswirtschaftlich Notwendigen liegen. So wird er folgerichtig zunächst von den Betroffenen kritisiert, weil seine Vorschläge hinter ihren Erwartungen zurückbleiben, und anschließend von den eigenen Kollegen, weil dieselben Vorschläge weit über das hinausgehen, was man in anderen Bereichen zu tun bereit und in der Lage ist. Beide Seiten haben bedauerlicherweise recht. Die desolate Lage der deutschen und der europäischen Stahlindustrie, über die heute zu reden ist, geht sicher auf vielfältige Ursachen zurück, die keineswegs alle im Verantwortungsbereich der Politik liegen. Ich will das ganz bewußt vorab sagen, weil ich nicht mutwillig falsche Akzente setzen will und weil ich im folgenden naturgemäß einige kritische Anmerkungen zum politischen Teil der Verantwortlichkeit für dieses Problem zu machen habe. Die Bundesregierung hat die Probleme der deutschen Stahlindustrie jahrelang übersehen, jedenfalls aber unterschätzt. ({0}) Sie hat schließlich nur zögerlich und mit unzureichenden Mitteln auf diese Probleme geantwortet. ({1}) Ganze Serien ergebnisloser Beratungen des Europäischen Ministerrats, Herr Wolfram, haben als Rechtfertigung für die Vertagung eigener Entscheidungen herhalten müssen. Das schließlich Ende Juni vergangenen Jahres zustande gekommene Ergebnis dieser Beratungen in Gestalt des zweiten Subventionskodex' der Europäischen Gemeinschaft war erstens verspätet und zweitens unzureichend. Die Zweifel der Union, die wir ständig vorgetragen haben, ob der ökonomisch unsinnige Subventionswettlauf in der EG mit diesem Kodex erfolgreich gestoppt werden könnte, haben sich schon ein halbes Jahr später deprimierend eindeutig bestätigt. ({2}) In der Fragestunde vom 13. Januar dieses Jahres hat der Parlamentarische Staatssekretär Grüner einräumen müssen, daß die Subventionen in der Europäischen Gemeinschaft inzwischen transparenter geworden seien, keineswegs aber wirklich gestoppt werden konnten. Meine Damen und Herren, allein in dem Zeitraum von August bis Dezember 1981 wurden mit oder ohne Genehmigung der Europäischen Kommission etwa 8 Milliarden DM an Notbeihilfen für Stahlunternehmen in dieser Gemeinschaft gezahlt. Ende letzten Jahres sind von der Kommission gegen drei Mitgliedsländer Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden. ({3}) - Sie sind doch auch bekannt, Herr Urbaniak; deswegen wird man es hier doch zu Protokoll geben dürfen. Wenige Tage später wurde trotz dieser anhängigen Verfahren denselben Ländern die Vergabe nationaler Finanzbeihilfen in Höhe von 3 Milliarden DM von derselben Europäischen Kommission zugestanden. Meine Damen und Herren, verehrte Kollegen, die Absichten des europäischen Stahlkodex' und die Wirksamkeit der vorgesehenen Sanktionen werden durch diesen grotesken Vorgang auf eindrucksvolle Weise ad absurdum geführt. ({4}) Allein in den vier Mitgliedsländern Italien, Belgien, Großbritannien und Frankreich werden die nationalen Subventionsmaßnahmen im Zehnj ahreszeitraum von 1975 bis 1985 sich auf die Gesamtgrößenordnung von etwa 85 Milliarden DM belaufen. Ich frage die Bundesregierung, wie lange sie das eigentlich noch hinnehmen will. ({5}) Ich wäre sehr dankbar, wenn der Bundeswirtschaftsminister sich in genau diesem Zusammenhang entschließen könnte zu erläutern, was denn nun eigentlich gemeint war, als man im Beschluß der Bundesregierung vom 30. Juli vergangenen Jahres ausdrücklich festgehalten hat, die Bundesregierung sei nicht bereit hinzunehmen, daß massive Wettbewerbsverfälschungen deutsche Arbeitsplätze, die auf Dauer auch im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig sind, gefährden und unsere Stahlindustrie in ihrer Existenz bedrohen. ({6}) Inzwischen ist das acht Monate her; an dem Zustand hat sich im wesentlichen nichts geändert. Wir fragen die Bundesregierung in aller Bescheidenheit, Herr Beckmann, was sie nun eigentlich zu tun gedenkt, um diese Situation zu beseitigen. ({7}) Die Bemühungen der Europäischen Kommission, die Stahlindustrie in der Gemeinschaft den gesamtwirtschaftlichen Veränderungen des Bedarfs und des internationalen Wettbewerbs anzupassen, sind geradezu kläglich gescheitert. Das einzig sichtbare Ergebnis der europäischen Stahlpolitik ist die konzertierte Anhebung des Preisniveaus - eine sicher notwendige, aber nicht ausreichende Maßnahme, die einerseits der Stahlindustrie sicher eine gewisse Erleichterung, gleichzeitig aber der stahlverarbeitenden Wirtschaft beträchtliche Schwierigkeiten gebracht hat. ({8}) So werden, meine Damen und Herren, die Probleme von einer Branche in die andere verschoben, aber eben nicht gelöst. ({9}) Wollte man das europäische Stahltheater, das seit Monaten andauert, auf ein knappes Resümee bringen, so könnte dieses Resümee lauten: Was die Europäische Kommission durchsetzt, macht keinen Sinn; was Sinn macht, das setzt sie nicht durch. ({10}) Weder der Europäischen Kommission noch der Bundesregierung ist es bislang gelungen, das von der Union immer wieder geforderte Strukturprogramm vorzulegen und mit einem überzeugenden Konzept zur Förderung von Zukunftsindustrien so zu flankieren, daß die Stillegung von veralteten Kapazitäten mit der Schaffung neuer und dauerhafter Arbeitsplätze verbunden wird, wie dies in Japan und übrigens interessanterweise in diesem Bereich auch in Großbritannien mit bemerkenswertem Erfolg geschehen ist. Die CDU/CSU-Fraktion hat trotz der offensichtlichen Versäumnisse und Unzulänglichkeiten ihre Bereitschaft zur Kooperation in diesem Bereich nie verweigert. Nach unserer konstruktiven Mitwirkung an der Lösung der Strukturprobleme der saarländischen Stahlindustrie haben wir auch dem Stahlprogramm der Bundesregierung zugestimmt, dessen Zustandekommen im Rahmen des Haushaltsstrukturgesetzes auf die ausdrückliche Aufforderung der Unionsfraktion durch unseren Antrag vom Juni vergangenen Jahres zurückgeht. Insofern ist dieser Antrag in der Tat erledigt. Diese Zustimmung hat immer und ausdrücklich die Bereitschaft der Union eingeschlossen, an einem gezielten Stahlstandortprogramm mitzuwirken, für das freilich die sachlich gebotenen Voraussetzungen gegeben sein mußten. ({11}) Wir begrüßen, daß nach der Einigung im gemeinsamen Planungsausschuß von Bund und Ländern nun ein Sonderprogramm für Stahlstandorte verabschiedet worden ist. Insofern ist die entsprechende Aufforderung in der Beschlußempfehlung des Wirtschaftsausschusses, die heute zur Beschlußfassung vorliegt, längst überholt. ({12}) - Das werde ich nachher noch ausdrücklich bestätigen, um Sie auch in diesem Punkt keineswegs zu enttäuschen, Herr Urbaniak; seien Sie da ganz beruhigt. ({13}) Es wäre sicher besser gewesen, wenn die nordrheinwestfälische Landesregierung mit ihrem Antrag nicht leichtfertig Erwartungen erzeugt hätte, die in diesem Umfang nicht zu halten waren, wie auch das Bundeswirtschaftsministerium mehrfach zu Recht angemerkt hat. Ein Programm, das sich nicht traut, Schwerpunkte zu setzen, hat den Verdacht der Wirkungslosigkeit von vornherein gegen sich. ({14}) Mit all den heute vorliegenden Programmen, Absichtserklärungen und Maßnahmen sind die eigentlichen Strukturprobleme dieses Bereichs noch gar nicht angefaßt, geschweige denn gelöst. Dies scheint inzwischen auch die FDP bemerkt zu haben. Jedenfalls läßt sie jetzt Mitglieder des Bundeskabinetts bei Landesparteitagen schon mit bemerkenswerten Formulierungen dazu aufmarschieren, auf die wir im Bundestag allerdings bislang vergeblich gewartet haben. ({15}) Nachdem die SPD schon 1966, also vor 16 Jahren, die Auflösung der Monostrukturen im Ruhrgebiet angekündigt hatte, erklärte der FDP-Landesvorsitzende Burkhard Hirsch nun am vergangenen Wochenende, die SPD habe diese Strukturprobleme nicht einmal angepackt. ({16}) Und der Bundesinnenminister macht seinen eigenen Koalitionspartner für die Arbeitslosigkeit im Ruhrgebiet ausdrücklich verantwortlich. ({17}) Ich kritisiere diese Äußerungen überhaupt nicht, zumal sie den seltenen Vorzug haben, zuzutreffen. Aber man muß doch fragen dürfen, warum die gleiche Partei eine Politik mit ihren Stimmen erst mehrheits- und regierungsfähig macht, die sie dann mit so markigen Formulierungen ausdrücklich für falsch und unzulänglich erklärt. ({18}) Für die absehbaren Herausforderungen und Entwicklungsrisiken der Stahlindustrie in den 80er Jahren und danach sind verbindliche, überzeugende Auskünfte der Bundesregierung bislang ausgeblieben. Der spezifische Stahlverbrauch je Kopf der Bevölkerung hat sowohl in Westeuropa als auch in den USA inzwischen ein Niveau erreicht, das nur noch geringe Steigerungsraten zuläßt. Vom Weltstahl- markt Entlastungen zu erwarten, erscheint nicht sehr realistisch, zumal ein Weltstahlmarkt im eigentlichen Sinne überhaupt nicht existiert. Sämtliche stahlerzeugenden Länder haben ihre heimische Stahlindustrie mittlerweile dem internationalen Wettbewerb durch Importbeschränkungen sehr effektiv entzogen. ({19}) - Eben nicht. Aber man wird die Regierung fragen müssen, was sie in einer solchen Situation zu tun gedenkt, um die eigene nationale Stahlindustrie, hinsichtlich der sie in markigen Erklärungen bekannt gibt, nicht bereit zu sein, sie einem solchen Subventionswettlauf zu opfern, zu schützen. Solche Auskünfte werden bislang pausenlos verweigert. Aber wir lassen uns durch den Verlauf dieser Debatte gern angenehm überraschen, Herr Wolfram. ({20}) - Ich verweise, Herr Wolfram, wenn Sie dafür vielleicht noch zwei Minuten aufbringen können, ({21}) auf die Ausführungen, die ich zu genau diesem Punkt schon im vergangenen Jahr gemacht habe und die mir übrigens eine Reihe von sehr interessanten, unfreundlichen Briefen aus dem Bereich der Stahlindustrie eingetragen haben. Damit möchte ich vermuten, daß ich Ihrer Erwartung, was die Deutlichkeit solcher Anmerkungen zur Stahlindustrie angeht, hinreichend gerecht geworden bin. Die nach wir vor starke Stellung der Stahlindustrie der Bundesrepublik im europäischen Raum ist durch die jahrelange Expansion der Kapazitäten in der EG und ihre teilweise Modernisierung auf der Basis massiver nationaler Subventionen in steigendem Maße gefährdet. Der technologische Vorsprung der deutschen Stahlindustrie ist im Zusammenhang mit dieser Entwicklung in den vergangenen Jahren in nicht unwesentlichen Bereichen aufgeholt, von manchen Ländern tendenziell sogar überholt worden. Auch die Bundesrepublik wird auf Grund dieser Gegebenheiten langfristig vor der Frage stehen, welche Kapazitäten sie zu welchen Kosten aufrechterhalten kann und will. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung, ein im Ruhrgebiet angesiedeltes Wirtschaftsforschungsinstitut, hat als Minimum von Kapazitätstillegungen 20 Millionen Jahrestonnen angegeben. Das Wirtschaftsministerium verweist in solchen Zusammenhängen regelmäßig auf die Schwierigkeit von Prognosen. Das ist immer richtig, löst aber natürlich das Problem nicht. Jedenfalls muß eine Politik, die massiv in den Markt eingreift, die Frage beantworten können, mit welchen Aussichten sie das eigentlich tut und welche Ergebnisse dabei anzustreben sie bereit ist. ({22}) Die seit 1975 andauernde Stahlkrise hat die Ertragssituation und damit die Investitionsfähigkeit der deutschen Stahlindustrie stark beeinflußt. Verluste und Substanzverzehr haben sich allein im Zeitraum von 1975 bis 1980 auf eine Größenordnung von mehr als 10 Milliarden DM addiert. Die Investitionen je Tonne Rohstahlerzeugung liegen folgerichtig in der deutschen Stahlindustrie seit langem unter dem Durchschnitt für die Europäische Gemeinschaft. ({23}) Nach Ermittlungen der Europäischen Kommission ist eine Erhöhung der Investitionen in der deutschen Stahlindustrie in diesem Jahr um 5 % geplant. Dagegen sollen in Belgien die Stahl-Investitionen gegenüber dem Vorjahr um 44 %, in Italien um 56,6 % und in Frankreich um 13,6 % gesteigert werden. ({24}) Niemand sollte doch so tun, als könnte das folgenlos für die Lage unserer eigenen Industrie bleiben. Und niemand sollte so tun, als könnte man durch entrüstetes Gebrüll die Probleme von sich wegdrängen, die sich auf diese Weise für zigtausende von Arbeitnehmern in den betroffenen Regionen und Branchen stellen. ({25}) Geht man von den folgenden Voraussetzungen aus, von denen ich vermute, daß dazu zwischen der Opposition und jedenfalls dem Wirtschaftsministerium keine große Meinungsverschiedenheit besteht, erstens von der Notwendigkeit des Fortbestehens einer weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung, zweitens der langfristigen Gültigkeit der augenblicklichen Faktorpreisrelationen, und berücksichtigt man drittens die bestehenden Industriekomplexvorteile, dann erscheint es unter ökonomischen Gesichtspunkten höchst zweifelhaft, ob die verschiedenen Stahlstandorte in der Bundesrepublik gerade in bezug auf Massenstahlproduktion langfristig überlebensfähig sind, wenn nach den zutreffenden Einlassungen des Bundeswirtschaftsministers eine Dauersubventionierung aus öffentlichen Kassen nicht in Betracht kommen kann. Interventionen gegen den Markt aber sind, wie wir alle wissen, auf Dauer völlig sinnlos. ({26}) Hier muß die Bundesregierung die Frage beantworten, wohin die Reise eigentlich gehen soll. ({27}) Und wir hoffen sehr, daß der Bundeswirtschaftsminister die Gelegenheit dieser Debatte nutzen wird, um diese Frage zu beantworten.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Urbaniak?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Bitte schön, Herr Abgeordneter Urbaniak.

Hans Eberhard Urbaniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, würden Sie mir, wenn Sie ausführen, daß nach Ihrer Meinung nicht alle Stahlstandorte zu halten seien, weil sie gegen den Markt produzierten, konkret sagen, welche Stahlstandorte Sie meinen und aufzugeben gedenken. ({0})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, Sie werden wahrscheinlich die Frage selber nicht für sonderlich intelligent halten und deswegen sicherlich nicht auf eine übertrieben aufwendige Antwort rechnen. ({0}) Ich habe gerade ganz vorsichtig formuliert, daß es unter Berücksichtigung der Vorgaben, von denen ich vermute, daß dazu zwischen Wirtschaftsministerium und Opposition keine Meinungsverschiedenheit besteht - wenn der Wirtschaftsminister das anders sieht, kann er das gleich vortragen -, ({1}) ökonomisch zweifelhaft erscheint, ob wir die Vielzahl der Stahlstandorte auf Dauer aufrechterhalten können, wenn gleichzeitig eine Dauersubventionierung nicht in Betracht kommen kann. Und ich habe den Bundeswirtschaftsminister gefragt, wie er das sieht und welche Antworten die Bundesregierung auf dieses Problem zu geben bereit ist. Sie müssen sich wahrscheinlich noch ein paar Minuten gedulden, weil der Wirtschaftsminister später zu reden beabsichtigt. ({2})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des abgeordneten Urbaniak?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Bitte, Herr Abgeordneter Urbaniak.

Hans Eberhard Urbaniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, da Sie konkret keine Antwort auf Fragen geben, frage ich Sie, ob Sie mir bestätigen können, daß Ihre abenteuerlichen Darstellungen, die Sie rhetorisch sehr gut und intelligent vortragen, ({0}) für unsere Stahlarbeitnehmer nichts bringen. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde das getrost dem Auffassungsvermögen des betroffenen Stahlarbeitnehmers überlassen, welche Art von Ausführungen zu diesem Problem er plausibler findet. Ich denke, daß es auch nicht unsere Aufgabe ist, hier wechselseitig zu entscheiden, was den Stahlarbeitnehmer überzeugt und was nicht. Das kann der in Frieden und sehr viel besser ganz allein tun. ({0})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klejdzinski?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn der Herr Präsident freundlicherweise nicht alles von meiner Redezeit abgehen läßt, gerne.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Der Präsident ist an die gemeldeten Redezeiten gebunden.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Versuchen wir das noch einmal.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, bitte.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, nachdem Sie die Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Urbaniak als nicht besonders intelligent bezeichnet haben, ({0}) darf ich Sie fragen, ob Sie Ihre bisherigen Ausführungen als besonders intelligent erachten. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich denke nicht, daß es angemessen wäre - auch unter Berücksichtigung der Auslegung der Geschäftsordnung durch den Präsidenten -, noch weitere Redezeit darauf zu verwenden, diese Frage zu beantworten. ({0}) Auf die zentrale Frage, wohin die Reise eigentlich gehen soll, erwarten wir von der Bundesregierung eine Antwort. Bislang ist sie ausgeblieben. Die Beschlußempfehlung der Koalitionsparteien im Wirtschaftsausschuß, Herr Urbaniak, genügt diesem Anspruch eben nicht. Neben einer eher peinlichen Dankadresse an die eigene Regierung enthält diese Empfehlung kaum mehr als eine Wiederholung des von allen Fraktionen im Zusammenhang mit den Haushaltsberatungen gemeinsam beschlossenen Stahlprogramms. Damit täuscht dieser neuerliche Beschluß neue Aktivitäten vor, die gar nicht stattfinden. Die Koalitionsparteien verweigern damit eine konsistente Antwort auf die absehbaren Herausforderungen der Zukunft und feiern stattdessen ihre unzulänglichen Maßnahmen aus der Vergangenheit. Niemand wird von der Opposition ernsthaft erwarten können, daß wir uns daran beteiligen. Wir lehnen daher selbstverständlich diese Beschlußempfehlung ab. Wir erwarten von der Bundesregierung, endlich ihr politisches Gewicht in den europäischen Gremien dafür geltend zu machen, daß das bescheidene Ziel erreicht wird, daß geschlossene Verträge auch tatsächlich eingehalten werden. Wir erwarten andererseits, daß politische Handlungsalternativen für den Fall eines offensichtlichen Scheiterns einer europäischen Lösung vorbereitet und dem Bundestag vorgelegt werden. Wenn diese Bundesregierung dazu nicht mehr bereit oder nicht mehr in der Lage ist, dann muß dies gegebenenfalls und möglichst schnell eben eine andere Bundesregierung tun. ({1})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Reuschenbach.

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Lammert hat sich heute genauso verhalten wie die Union in den zurückliegenden Monaten bei den Beratungen des Wirtschaftsausschusses und anderer Ausschüsse zum gleichen Thema; er hat nämlich peinlich vermieden, zu irgendeinem konkreten Punkt etwas Konkretes zu sagen. ({0}) Ich meine, darüber täuscht auch nicht hinweg, daß der einzige Schwerpunkt, der immer wiederkehrt, der Vorwurf ist, daß die Bundesregierung in den Kommissionen und in den Gremien der Europäischen Gemeinschaft nicht diktiert habe, was das Richtige für die europäische Stahlwirtschaft sei. Dieser Vorwurf wirkt auf mich so, wie wenn ein Vater seinem Sohn, der von einer Keilerei mit acht anderen nach Hause kommt, vorhält, daß er ein blaues Auge davongetragen habe. Ich weiß nicht, wie Sie nachweisen wollen, daß die Bundesregierung sich nicht mit Nachdruck für notwendige Regelungen in Europa eingesetzt habe. Diese Ergebnisse hätten noch besser sein können, wenn man allein etwas zu sagen gehabt hätte. Diese Ergebnisse sind im Streit mit zumeist konservativen Regierungen zustande gekommen. Sie hätten also alle Veranlassung, in Ihrer Europäischen Volkspartei solche Reden zu halten, wie Sie sie hier gehalten haben. Die Bilanz dieser Bemühungen in Europa ist, daß entgegen früheren Praktiken eine Regelung herbeigeführt worden ist, die notfalls - das sage ich deutlich - eines Tages auch von einem Gericht zu prüfen ist. Wir sind jedenfalls der Meinung, daß das Erreichbare seitens der Bundesregierung erreicht worden ist. Jetzt kommt es in der Tat darauf an, in der Praxis zu verfolgen, ob und wie diese Verabredungen gelten und eingehalten werden. Wir haben wirklich Veranlassung, auch in diesem Zusammenhang Dank zu sagen - auch wenn Sie dieses als nicht wünschenswert bezeichnen - für erfolgreiche Bemühungen um eine Sozialplanregelung, die bewirkt, daß sich Strukturänderung und Strukturwandel nicht auf dem Buckel der Arbeitnehmer vollziehen. ({1}) Das ist überhaupt etwas Symptomatisches an Ihrer Rede, an den Reden Ihrer Kollegen bei anderer Gelegenheit und an den vielen Entschließungen, die die Union jeweils zu dem Thema vorgelegt hat: das Wort Mensch, das Wort Arbeitnehmer, das Wort Werktätiger, das Wort Stahlarbeiter kommt in Ihren Reden und Entschließungen niemals vor. ({2}) Dieses ist demaskierend. In Ihren Entschließungen und Ihren Reden kommt wohl vor „Markt", kommt wohl vor, daß es Sache der Unternehmen sei, die Krise zu bewältigen. Das kommt alles vor. Aber ein Wort zu dem, was das für die dort Beschäftigten bedeutet, lassen Sie vermissen. Wir werden übrigens morgen bei der Beratung des Beschäftigungsförderungsgesetzes wieder erleben, wie ernst es Ihnen wirklich mit der Flankierung und Hilfe für eine geordnete Umstrukturierung ist. ({3}) Im Wirtschaftsausschuß des Deutschen Bundestages hat Ihre Fraktion, Herr Dr. Lammert, auch den Teil dieser Gesetzgebung, der die Stahlindustrie betrifft, abgelehnt. ({4}) Da hat es einen gegeben, der sagte, er halte dieses aber für richtig. Alle übrigen haben sich entweder der Stimme enthalten oder haben dagegengestimmt. So groß ist der Unterschied zwischen Ihren Worten und Ihren Taten! ({5}) Die Union hat auf diesem Feld in der Tat bis heute eine ganz dubiose Rolle gespielt. Sie haben nicht einmal mehr den Mut gehabt, Ihren eigenen Entschließungsantrag in Drucksache 9/612, der Anlaß unserer Debatte im Wirtschaftsausschuß war, aufrechtzuerhalten. Sie haben aber auch zum Antrag der Sozialdemokraten und der Freien Demokraten keine Stellung bezogen. Ihr Sprecher hat gesagt: „Wir beteiligen uns an dieser Debatte und Abstimmung überhaupt nicht." Für so wichtig haben Ihre Kollegen im Wirtschaftsausschuß die Bewältigung der Stahlkrise in Europa und in der Bundesrepublik gehalten, daß sie sich an der Debatte und an der Abstimmung erst gar nicht beteiligten. ({6}) Sie werden morgen unter Beweis zu stellen haben, ob Sie zu dem Teil des Beschäftigungsprogramms, der Investitionshilfen für Modernisierung und Umstrukturierung der Stahlindustrie vorsieht, auch nein sagen werden. Dann wäre Ihre Rede, die den Eindruck erwecken sollte, als ob Ihre Fraktion sich Sorgen um die Zukunft der Stahlindustrie macht, entsprechend kommentiert. Im übrigen haben Sie bei Ihren einleitenden Bemerkungen selbst den Grund dafür angegeben, warum Sie nicht konkret werden, Sie und Ihre Fraktion. Sie haben gesagt, man könne auf diesem Felde j a vorschlagen, was man wolle, man werde entweder von der einen oder der anderen Seite kritisiert. Diese Feststellung ist nicht falsch, aber Sie haben die Schlußfolgerung daraus gezogen, dann am besten überhaupt keine konkreten Vorschläge zu machen. Damit entzieht man sich dann auch der Kritik von der einen und von der anderen Seite. ({7}) Wir halten es für richtig, daß das auf den Weg gebracht worden ist und auf den Weg gebracht wird, was zur Rede steht, wozu heute Stellung zu nehmen wäre: Investitionszulage für die Modernisierung der Stahlwirtschaft, Forschungs- und Entwicklungsmittel, die dieses begleiten und unterstützen können, 300 Millionen DM im Haushalt 1982 als Zusatzmittel. Dieses zusammen empfinden wir als eine geeignete Unterstützung zur Modernisierung und Umstrukturierung der Stahlwirtschaft. ({8}) Dieses muß jetzt realisiert werden. Es gibt das gemeinsame Konzept auch der beiden Unternehmen, die zusammengehen wollen und zusammengehen müssen. Wir erwarten, daß die beteiligten beiden Regierungen schnellstens prüfen. Dem Bundesrat müssen wir sagen, daß er ein hohes Maß an Verantwortung dafür trägt, ob die Stahlwirtschaft gesunden kann, denn sein absolutes Nein zu diesem Teil im Beschäftigungsprogramm würde auf jeden Fall schwerwiegende Folgen, um nicht zu sagen, nicht wieder gutzumachende Folgen heraufbeschwören. Wir haben immer festgestellt und kommentieren auch heute die bisherigen Beschlüsse und Beratungsergebnisse so, daß es sich hier nicht um einseitige und deshalb etwa überflüssige Begünstigungen für das Ruhrgebiet handele. Was eine Reihe von Unionspolitikern draußen im Land fortgesetzt auch in dieser Zeit als Kommentar zu den Hilfen und den Unterstützungen und den Maßnahmen zur Gesundung der Stahlwirtschaft erklärt, läuft darauf hinaus, daß sie so tut, als habe die Aufgabe der Bewältigung dieser Stahlkrise etwas mit einer bestimmten Region zu tun. Nein! Was die Bundesregierung beschlossen hat und die Koalitionsfraktionen verlangt haben und worauf sie gedrängt haben, betraf und betrifft den ganzen Sektor Stahl, egal, wo der Standort liegt. Es gibt keinen Grund und keinen Anlaß, Neid und Mißgunstgefühle zu mobilisieren, um eine bestimmte mißliebige Maßnahme doch noch torpedieren zu können. Gerade die Revierabgeordneten haben immer für die Einsicht geworben, daß nicht nur überall, wo es nötig ist, Hilfen für Modernisierung und Umstrukturierung gegeben werden, sondern daß auch überall, wo es nötig ist, eine regionale Flankierung stattfinden soll. Deshalb haben die Koalitionsfraktionen die Umstrukturierung der Stahlwirtschaft auf dem Weg über Hilfen für neue Arbeitsplätze außerhalb der Stahlindustrie in den betreffenden Regionen für nötig gehalten. Die CDU hat auch zu diesem Thema weder durch ihren heutigen Redner noch in dem vorliegenden Entschließungsantrag ein Wort gesagt. Ganz im Gegenteil. In den bisherigen Erörterungen und Beratungen in Bundestagskommissionen hat die CDU mehr oder weniger verdeckt ihre Ablehnung der regionalen Flankierung zum Ausdruck gebracht. ({9}) Sie hat zwar im Düsseldorfer Landtag gemeint, die Landesregierung müsse hurtiger sein. Aber die Haltung der Union im Deutschen Bundestag ist alles andere als eine Hilfe oder Unterstützung für diese regionale Flankierung. ({10}) Es war ja auch ein mühsames Geschäft und Gerangel in der Bund-Länder-Kommission, bis der Beschluß am Montag dieser Woche gefaßt werden konnte, aber am Ende bei Enthaltung von Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Baden-Württemberg und Berlin. Das ist doch kein Zufall, daß es sich da um vier schwarze Länder handelt. ({11}) Und es handelt sich um vier Länder, die durch den Beschluß über die regionale Flankierung in Stahlstandorten zum Teil selber günstig sind. Schleswig-Holstein hat sein Teil in den Beschluß hineinbekommen und hat sich doch der Stimme enthalten. Niedersachsen hat eine vorzügliche Regelung für Salzgitter erhalten und hat sich trotzdem der Stimme enthalten. Und da wollen Sie uns hier und der Öffentlichkeit den Eindruck vermitteln, als tue die Union nichts anderes, als sich täglich und stündlich den Kopf zu zerbrechen, wie man den schwierigen Problemen der Stahlwirtschaft und der Stahlregionen beikommen kann! In Wirklichkeit war das, was die Union in diese Aufgaben investiert hat, nicht einmal ein halbes Herz. ({12}) - Nein, vielen Dank. Auch ich habe nur eine begrenzte Redezeit. Sie haben Ihre Ansichten hier dargelegt. ({13}) - Ich will nicht in die Gefahr kommen, über Herrn Lammert urteilen zu müssen. ({14}) - Ihre Lautstärke, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Union, überdeckt Ihr schlechtes Gewissen nur ganz mühsam! ({15}) Vor dem Hintergrund des Verhaltens dieser schwarzen Länder ({16}) muß man um so deutlicher sagen, daß zwei Bundesländer, von denen das eine in seiner Region mit der Stahlwirtschaft überhaupt nichts am Hut hat und das andere Stahlschwierigkeiten im eigenen Haus hat, zu diesem Programm ja gesagt haben: Hessen und Bremen. ({17}) Die Unionsvertreter in der Bund-Länder-Kommission haben dafür gesorgt, daß die vorhandenen Bremer Probleme unbeachtet geblieben sind. Trotzdem hat der bremische Senat zu diesem Standorteprogramm ja gesagt. Dafür sind wir sehr dankbar. Wir begrüßen das Ergebnis der Beratungen der Bund-Länder-Kommission insgesamt und vor allem, daß überall da, wo gleichartige Probleme entstehen, auch gleichartige Maßstäbe angelegt werden. Ich stehe dennoch nicht an, unser Bedauern und Unverständnis darüber auszusprechen, daß keine Regelung - auch keine Kulanzregelung - für die mit über 10 % Arbeitslosigkeit befrachtete Stadt Gelsenkirchen gefunden wurde. ({18}) Es hat dort in den letzten 10 Jahren einen Rückgang der Industriebeschäftigten von 90 000 auf 45 000 gegeben. Weiß Gott sind die Umstände so, daß der gesunde Menschenverstand zu einer Lösung gedrängt hätte. ({19}) Ich weiß gut, daß der Maßstab, der für die Auswahl von Stahlstandorten angelegt worden ist und angelegt wird, bei strenger Auslegung formal die Auswahl Gelsenkirchens jetzt nicht hergibt. Aber der eigentliche Sündenfall ist der, daß es die Union bei der Neugestaltung der Gemeinschaftsaufgabe im vorigen Jahr in der Bund-Länder-Kommission abgelehnt hat, den Faktor Arbeitslosigkeit beim Maßstab für die Auswahl von Fördergebieten stärker zu bewerten als den Faktor Einkommen. ({20}) Das war der Sündenfall, mit dem die Mehrheit der Union in der Bund-Länder-Kommission dafür gesorgt hat, daß Arbeitsmarktregionen wie Gelsenkirchen mit 10% Arbeitslosigkeit und Aachen mit nicht viel weniger nicht in die Förderkulisse gekommen sind und andere Arbeitsmarktregionen mit 3 und 4 % Arbeitslosigkeit darin enthalten sind. ({21}) - Sie täuschen damit die Öffentlichkeit. Das ist Ihrer nicht würdig, mein lieber Herr Spieß. ({22}) Sie wissen ganz genau, daß eine Mehrheit nur dann zustande kommt, wenn sieben Bundesländer und der Bund zusammen stimmen. Wenn sieben Länder sich verweigern, dann kann sich der Bund auf den Kopf stellen und hurra schreien - er kann nach dem Verfassungsrecht überhaupt nichts machen. ({23}) Der Bund hat im vorigen Jahr seinen Vorschlag einer modifizierten Kriterienliste dargelegt. Nach diesem Vorschlag wären in der Tat Arbeitsamtbezirke mit so hoher Arbeitslosigkeit in die Förderkulisse gekommen. Das haben die schwarzen Länder zerstört und unmöglich gemacht. Sie tragen damit Verantwortung dafür, daß Gelsenkirchen trotz seiner schwierigen Probleme nicht in die Förderkulisse hineingekommen ist. Das ist mehr als ein Schönheitsfehler. Deshalb werden wird uns nicht damit abfinden, sondern bei der nächsten Gelegenheit, wenn es erneut um den Rahmenplan geht, auf der Ebene unserer Zuständigkeit einen neuen Versuch unternehmen. Ich weiß auch, daß, wenn man sich mit der besonderen kommunalen Problematik wie z. B. Gelsenkirchen befaßt, auch andere Sektoren der Politik mit angesprochen sind. Deswegen nehme ich es auf meine eigene Kappe, wenn ich sage: Die Entwicklung des gemeindlichen Steuersystems hat in den letzten Jahren zu einer interkommunalen Verteilung geführt, die mit dem realen Finanzbedarf, insbesondere der größeren und vom Strukturwandel hart betroffenen Städte, nicht mehr harmoniert. ({24}) Ich glaube schon, daß wir alle Veranlassung haben, uns darum zu bemühen, das gemeindliche Steuersystem, soweit wir es beeinflussen können, zu modifizieren und zu reformieren mit dem Ziel der Erfüllung solcher skizzierter Aufgaben. Zum Hauptthema zurück und zum Schluß. Meine Fraktion anerkennt das engagierte Bemühen der Bundesregierung, die schwierigen Probleme zu bewältigen. ({25}) Sie hält die Ziele und die Maßnahmen für richtig, die auf den Weg gebracht worden sind bzw. die morgen noch zu beschließen sind. Das ist auch das Ergebnis unseres eigenen Drängens auf eine Politik, die die Folgen eines internationalen Strukturwandels nicht einfach wie gottgegeben auf die Menschen und Regionen niedergehen läßt und sich ausschließlich damit zufrieden gibt, auf Brüssel zu verweisen, zu meinen, daß dort der Markt wiederhergestellt werden müßte; der Markt würde dann schon dafür sorgen, daß alles seine Ordnung bekäme. Die Kräfte des Marktes, die hier gemeint sind, die Leitungen der Unternehmen der Stahlwirtschaft in Europa, waren über die Jahre hinweg nicht in der Lage, diese Probleme zu lösen, so daß sich schließlich die Politik in Brüssel und in Bonn der Fragen annehmen mußte. Sie feiern immer noch die Kräfte des Marktes und meinen, ließe man sie nur walten, dann würden sie die Probleme schon regeln. Nichts haben sie geregelt! Da hat einer auf den Tod des anderen gewartet - in der Hoffnung, man könnte den Verblichenen beerben. So war die Lage in der europäischen und in der deutschen Stahlwirtschaft! ({26}) Die Union hat diese Anstrengungen, die in dieser Woche einen vorläufigen Abschluß finden, mit Kritik und mit Enthaltsamkeit in concreto begleitet. Das ist auch ein Beispiel dafür, wie Sonntagsreden, wonach Menschen im Mittelpunkt der Politik stehen, in der praktischen Politik nicht ihren Niederschlag finden. Bei allen Unzulänglichkeiten, die die Koalition ansonsten aufzuweisen hat: ({27}) In dieser Frage trinken wir keinen Wein, wenn wir Wasser predigen, und das, was wir auf den Weg gebracht haben und heute und morgen beschließen werden, ist eine große Hilfe, jedenfalls eine größere Hilfe als allgemeine Sprüche, Wünsche und Sonntagsreden. - Vielen Dank. ({28})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Beckmann das Wort.

Klaus Beckmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die Situation in der Stahlindustrie der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Gemeinschaft gibt auch nach mehr als vierjährigem europäischen Krisenmanagement immer noch Anlaß zu größter Sorge. ({0}) ({1}) Was endlich nottut, ist, daß alle europäischen Stahlhersteller zu einer nüchternen Analyse ihrer Marktmöglichkeiten gelangen und auf der Basis realistischer Einschätzungen ihre Produktionskapazitäten entsprechend anpassen. Nach unserer Auffassung kann nur so vermieden wrden, daß einige EG-Mitgliedsländer durch massive Erhaltungssubventionen Arbeitslosigkeit in andere Länder transportieren und daß der gemeinsame Stahlmarkt mehr und mehr zerfällt und letztlich auch andere Industriezweige vom kranken Stahlbereich angesteckt werden. Trotz der anhaltenden und nachdrücklichen Bemühungen der Bundesregierung, insbesondere des Bundeswirtschaftsministers, dem wir hierfür auch ausdrücklich danken wollen, ist es nicht hinreichend gelungen, unsere Nachbarn zu einer Änderung ihrer Verhaltensweisen zu bewegen. ({2}) Ein Blick auf die Staatshilfen insbesondere der Partnerländer Belgien, Italien und Frankreich erhellt dies; dort sind in den Jahren zwischen 1975 und 1982 an die 60 Milliarden DM Subventionen gezahlt worden. Wir werden deshalb nicht nachlassen, zu fordern, daß die staatlichen Subventionen an die Stahlunternehmen im Rahmen des Subventionskodex abgebaut werden. Meine Damen und Herren, heute vor 25 Jahren sind die Römischen Verträge unterzeichnet worden, ein Vertragswerk, das die europäische Einigung zum Nutzen aller Partnerländer begründen sollte. Diese europäische Verpflichtung gilt auch heute noch; sie gilt um so mehr für den Bereich, mit dem wir uns hier zu beschäftigen haben. Besonders verantwortlich ist hier die EG-Kommission, die wir auffordern, den Subventionskodex Stahl strikt anzuwenden, in allen Fällen für eine gleichartige Durchsetzung zu sorgen und sicherzustellen, daß auch wirklich in allen Fällen Kapazitäten in angemessenem Verhältnis zur Höhe der Beihilfen abgebaut werden. ({3}) Wir erwarten auch, daß die Kommission Vertragsverletzungen entschieden entgegentritt, sie ahndet und dafür sorgen wird, daß ungenehmigte staatliche Subventionen zurückgezahlt werden. Mit großem Interesse sehen wir daher den Ergebnissen der eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien, Frankreich und Italien entgegen. Was wir auf dem Beihilfesektor wünschen, ist, endlich zu einer vollen Transparenz zu gelangen. Das gilt sowohl für die Meldepflichten der einzelnen Länder als auch für die Entscheidungsgrundlagen der Kommission hinsichtlich ihrer Genehmigungen. In der Zwischenzeit, um auf den deutschen Bereich zurückzukommen, haben einige unserer deutschen Stahlunternehmen Konzeptionen vorgelegt, die einerseits einen gewissen Kapazitätsabbau, andererseits aber auch eine sinnvolle Zusammenlegung von Neuinvestitionen vorsehen. Dies sind erste Schritte in die richtige Richtung. Wenn der Steuerzahler aber hierfür nicht unerhebliche Mittel zur Verfügung stellen soll, dann muß er auch darauf bestehen, daß diese Mittel darauf konzentriert werden, Investitionen zielgerecht durchzuführen. Für uns Freie Demokraten ist es selbstverständlich, daß wir die deutschen Stahlunternehmen bei den notwendigen Bemühungen, Rationalisierungs- und Umstellungsmaßnahmen durchzuführen, nach Kraft und Möglichkeit unterstützen. Deswegen haben wir auch die verschiedenen Maßnahmen und Programme der Bundesregierung mitgetragen. Ich will sie noch einmal erwähnen, damit nicht der Eindruck hier stehenbleibt, den der Kollege Lammert zu erregen versucht hat, daß die Bundesregierung in den letzten Jahren nicht gehandelt hätte. Genau das Gegenteil ist der Fall, Herr Lammert. Wir haben hier beschlossen und auf den Weg gebracht: das Gesetz über die Investitionszulagen für Investitionen in der Eisen- und Stahlindustrie, die verstärkte Förderung des Stahlforschungsprogramms, verstärkte Umstellungshilfen für die aus der Stahlindustrie ausscheidenden Arbeitnehmer und einiges andere mehr. Dies bedeutet, daß allein im Haushaltsjahr 1982 für die Stahlindustrie und für die Stahlregionen rund 600 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden sind. So werden allein für die Stahlforschung 150 Millionen DM, für Anpassungshilfen 60 Millionen DM und für Investitionszuschüsse 80 Millionen DM gewährt. Darüber hinaus sind, wie Sie wissen, im Haushalt 1982 300 Millionen DM für zusätzliche Maßnahmen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur für das Stahlstandorteprogramm zur Verfügung gestellt worden. Herr Kollege Lammert, Sie haben die Koalition gescholten und gesagt, wir hätten nichts zu tun. All das, was ich soeben an Maßnahmen aufgezählt habe - das war nicht vollständig -, haben die Koalitionsfraktionen beschlossen und verabschiedet. Die Union hat bei all diesen Abstimmungen ihre Zustimmung versagt. Dies müssen Sie an den Stahlstandorten vertreten; das müssen Sie gegenüber den Stahlunternehmen und den Stahlarbeitern vertreten. ({4}) Wir begrüßen es, daß der Bund-Länder-Ausschuß am Montag ein Sonderprogramm für Ersatzarbeitsplätze an verschiedenen Stahlregionen unseres Landes verabschiedet hat. Hiermit sind im Ruhrgebiet die Städte Dortmund, Bochum und Duisburg als förderungswürdige Standorte in den Stahlregionen anerkannt worden, wobei ich als Abgeordneter aus dem Ruhrgebiet nicht meine Enttäuschung darüber verhehle, daß Gelsenkirchen nicht mit aufgenommen werden konnte. ({5}) Der Kollege Reuschenbach hat mit Recht darauf hingewiesen, daß es die unionsgeführten Länder gewesen sind, die seinerzeit bei der Festlegung der Kriterien ihre Zustimmung zum Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers versagt haben. Auch das werden Sie an der Ruhr und in Aachen vertreten müssen, meine Damen und Herren von der Opposition. ({6}) Wir haben unser Augenmerk im Bund nicht nur auf Nordrhein-Westfalen gerichtet. Im Rahmen dieses Stahlstandorteprogramms findet auch die Sorge Berücksichtigung, die die für den Stahl Verantwortlichen in den anderen Bundesländern, insbesondere an der Saar, in Niedersachsen und in Bayern, umtreibt. Mit -dem Beschluß vom letzten Montag kann in den geförderten Regionen für Investitionen zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen außerhalb der Stahlindustrie für drei Jahre eine Zulage in Höhe von 8,75 % der Investitionen gewährt werden. Das ist ein wichtiger Beitrag des Staates insbesondere zur Lösung von Beschäftigungsproblemen in diesen Regionen. Ich will eines hinzufügen: Angesichts der knappen Haushaltsmittel und der Notwendigkeit, in vielen anderen Bereichen einzusparen und manches Liebgewordene und Angenehme zu streichen, was für die Betroffenen oft außerordentlich schmerzhaft ist, unterstreichen die genannten Maßnahmen, daß die Koalitionsfraktionen den Schwierigkeiten der deutschen Stahlregionen und insbesondere den Existenzsorgen der in ihnen beschäftigten Arbeitnehmer nicht gleichgültig gegenüberstehen. ({7}) Wir erwarten nun aber auch von den betroffenen Unternehmen der Stahlindustrie, daß sie nach diesen Vorgaben der Bundesregierung selbst überzeugende Konzepte zur Umstrukturierung vorlegen und hierbei auch eigene konkrete Maßnahmen, Zahlen und Planungen, auf den Tisch legen. ({8}) - Herr Kollege Urbaniak, Sie machen es, j a. Aber Sie machen es nach meinem Dafürhalten noch nicht in ausreichendem Umfang. Ich will hier nur das berühmte gelbe Heft erwähnen, das die Planungen für die Ruhrstahl AG darlegen soll. Ich glaube, gerade in diesem Bereich ist noch viel an Feinarbeit und Ergänzung notwendig. Wir müssen die Unternehmen auch darauf aufmerksam machen, daß die Antragsfristen für die Investitionszulage im Stahlbereich am 30. Juni dieses Jahres ablaufen. Die Bundesregierung muß die Notifizierung in Brüssel bis zum 30. September vornehmen. Deshalb weisen wir noch einmal nachdrücklich darauf hin, daß für die deutschen Stahlunternehmen nunmehr Eile geboten ist. ({9}) - Herr Urbaniak, da sind Sie gut unterrichtet. Als diejenigen, die für den Steuerzahler das Geld hinblättern müssen, würden wir uns sehr freuen, wenn die konkreten Planungen bis zu diesem Zeitpunkt vorliegen sollten. Die Stahlindustrie darf - das sage ich hier mit allem Nachdruck - aber auch nicht immer, wie wir das in der Vergangenheit leider oft gehört haben, mit dem Finger auf die Politik zeigen; sie muß nun auch das Ihrige tun. Wir wissen zwar, daß die deutschen Stahlunternehmen in den vergangenen sieben Jahren Verluste in Höhe von rund 7 Milliarden DM zu tragen gehabt haben. Dennoch müssen uns auch die Eigentümer und Banken jetzt endlich sagen, welchen eigenen Beitrag sie leisten wollen und können. Denn der Ruf nach dem Staat wirkt für uns nur dann überzeugend, wenn eigene Initiativen und Leistungen zu erkennen sind. ({10}) Ich möchte hervorheben, daß für uns Freie Demokraten alle staatliche Hilfe auch in diesem Bereich nur als Hilfe zur Selbsthilfe in Frage kommt. Wenn unsere Politik jetzt flankierend eingreift, dann muß auf jeden Fall gewährleistet sein, daß die Unternehmen in absehbarer Zeit wieder ohne staatliche Hilfen die notwendigen Anpassungsinvestitionen vornehmen können. Unsere Wirtschaftspolitik - das wissen wir alle und das bringt uns als Ordnungspolitiker nicht gerade in Begeisterung - wird in Kauf nehmen müssen, daß zur Erleichterung des Anpassungsprozesses marktregelnde Krisenmaßnahmen wie Preisabsprachen, Mengenregelungen, Außenschutz für eine eng begrenzte Zeitdauer in Kraft bleiben können. Aber ich stelle klar: diese Krisenmaßnahmen müssen zeitlich eng und strikt limitiert bleiben, damit ihr provisorischer Charakter betont wird und man den unbedingt notwendigen Anpassungspunkt erreicht. Wir wünschen uns vor allen Dingen, daß die Stahlunternehmen - Herr Kollege Lammert hat an dieser Stelle mit Recht darauf hingewiesen - die Interessen der Stahlverarbeiter mit berücksichtigen, damit es nicht auf der zweiten Stufe zu Verwerfungen kommt, die dauerhaft sind und die wir nicht wollen. ({11}) Meine Damen und Herren, damit niemand in Versuchung kommt, sage ich: Die FDP-Fraktion fordert die Bundesregierung auf, jedem Versuch zentraler Struktur- oder Investitionssteuerung im Zusammenhang mit dem Krisenmechanismus oder der Subventionsregelung entschieden entgegenzutreten. Dies ist und bleibt unsere Politik. ({12})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, ich bitte, zum Schluß zu kommen; die Redezeit ist abgelaufen.

Klaus Beckmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident, ich komme zum Ende. In diesem Zusammenhang will ich für meine Fraktion noch einmal ausdrücklich hervorheben, daß für uns Freie Demokraten die Bildung einer deutschen Stahl-Einheitsgesellschaft nach wie vor nicht in Frage kommt. Wir nehmen die Zusammenarbeit der einzelnen Unternehmen nur dann hin, wenn dadurch gewichtige zusätzliche betriebliche Rationalisierungsmöglichkeiten verwirklicht werden können und ein wirksamer Wettbewerb unter den deutschen Stahlunternehmen sichergestellt bleibt. Eine wirtschaftlich gesunde und leistungsfähige Stahlindustrie ist für die Wirtschaft der Bundesrepublik Deutschland unverzichtbar. Die Politik der Freien Demokraten wird in Zukunft wie bisher alle Anstrengungen unternehmen, hierzu den notwendigen Beitrag zu leisten. - Ich danke Ihnen. ({0})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Minister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Minister Dr. Jochimsen ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mit einem Dank an den Deutschen Bundestag beginnen. ({1}) Der Wirtschaftsausschuß hat sich am 10. März 1982 auch mit den Anträgen aus den Ländern für ein Stahlstandorte- Sonderprogramm zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen befaßt. Wir haben - da spreche ich wohl im Namen aller Länder - diese Unterstützung sehr begrüßt. Das hat sicherlich auch den Bundesminister für Wirtschaft und den Bundesfinanzminister in die Lage versetzt, einen Kompromißvorschlag vorzulegen, der schließlich eine Mehr5664 Minister Dr. Jochimsen ({2}) heit im Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe gefunden hat. Ein Wort zu dem eben in der Debatte erhobenen Vorwurf, Nordrhein-Westfalen habe seinen Antrag falsch gestellt. Wir haben keine falschen Erwartungen erweckt, sondern wir haben 80 % unseres Antrages durchsetzen können und für den größten Teil des Restes eine Offenhalte-Klausel erreicht; ich füge hinzu: erreichen müssen. Das liegt doch alles nicht im Belieben der Politik. Die Probleme liegen doch auf dem Tisch und auch in der regionalen Zusammensetzung. Das hat ja übrigens auch die Opposition im Landtag von Nordrhein-Westfalen längst eingesehen. Allerdings - das darf ich anfügen - hat sich dabei auch gezeigt, daß die Praxis der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur derzeit nicht in der Lage ist, die tiefgreifenden Probleme der alten Industrieregionen nachhaltig aufzugreifen. Dies gilt etwa für unser Problem Gelsenkirchen, es gilt aber auch für die Stadt Bremen. Ich füge an - mit großem Ernst und mit starkem Nachdruck -, daß dies für uns inzwischen eine verfassungspolitische Dimension erreicht hat. ({3}) Es geht dabei um die Kernfrage, ob der Verfassungs- nd Gesetzesauftrag bei dieser Gemeinschaftsaufgabe in der konkreten Ausgestaltung noch als erfüllt angesehen werden kann, wenn es nicht gelingt, bei einem so schwerwiegenden Zusammentreffen von Wirtschafts- und Strukturschwäche wirksame Lösungen zu finden. Ich bedaure sehr, daß Bremen keine Berücksichtigung finden konnte und daß Gelsenkirchen trotz der doch wohlwollenden Haltung des Wirtschaftsausschusses des Bundestages am Ende auf der Strecke geblieben ist, weil eine Mehrheit der Länder nicht zu erzielen war. ({4}) Wir müssen mit dieser Situation jetzt fertig werden. Erklären kann man das den Bürgern draußen kaum. Die interessiert ja nicht das Gedankengebäude der verschiedenen Indikatoren und Kriterien der Gemeinschaftsaufgabe und ihre über zehnjährige Tradition; die interessieren sich mit Recht für die gegenwärtigen, brennenden Arbeitsmarktprobleme und die hohen Arbeitslosenzahlen. Wenn Gelsenkirchen weniger gut ausgebaute Straßen hätte, wenn Gelsenkirchen über einen weniger gut funktionierenden Bundesbahnanschluß verfügte, dann wäre es im vergangenen Jahr schon in die Gemeinschaftsaufgabe aufgenommen worden. ({5}) Darauf müssen wir Antworten finden. Ich sage, daß es der Politik in den 80er Jahren ungemein schwerfallen wird, darauf überzeugende Antworten zu formulieren. ({6}) Ich gehe daher, so wie es sich nach dem Votum im Wirtschaftsausschuß abzeichnet, davon aus, daß Bremen und Gelsenkirchen zum 12. Rahmenplan erneut auf die Tagesordnung kommen. ({7}) Nordrhein-Westfalen wird sich ebenso wie im Planungsausschuß am Montag auch in Zukunft für beide einsetzen. In den 11. Rahmenplan ist aber immerhin aufgenommen worden, daß auch für andere Stahlstandorte, die nicht Fördergebiete sind oder geworden sind, die Gleichbehandlung für den Fall zugesagt wird, daß heute noch nicht übersehbare Auswirkungen von Anpassungsentscheidungen der Stahlunternehmen dazu führen, daß hier die gleichen harten Folgen - mit Arbeitsplatzverlusten - wie für die neu aufgenommenen Stahlstandorte-Arbeitsmarktregionen eintreten werden. Das gilt für Hagen, das gilt für Siegen. Es ist geeignet, den politisch-psychologischen Zusammenhang deutlich zu machen, daß sich Stahlunternehmen - die ja auch Konzerne sind und Konzernspitzen haben - nicht durch einen Rückzug aus der Fläche sanieren. ({8}) Das wäre für die mittelständische Wirtschaft, das wäre für die regionale Wirtschaft insgesamt eine verheerende Auswirkung. Deshalb habe ich, Herr Kollege Lammert, Ihre Einlassung zu den Schwerpunkten, die Nordrhein-Westfalen in seinen Antrag gesetzt hat, überhaupt gar nicht verstanden. ({9}) Gerade die CDU in unserem Landtag hat - wie auch die Mehrheitsfraktion - mit Recht immer wieder darauf verwiesen, daß Hagen und Siegen in ihrer gesamten Wirtschaftsstruktur j a mit davon abhängen, wie sich die Zukunft der Stahlunternehmen, die ihren Sitz woanders haben, ganz konkret gestaltet. ({10}) Nach der letzten Stahldebatte des Bundestages im September 1981 sind wir auch beim Stahl selbst ein gutes Stück vorangekommen. Auch hier danke ich zunächst der Bundesregierung, die maßgeblich eine Erlösstabilisierung durchzusetzen half. Lassen Sie mich zu dem Problem Eisen und Stahl hier sagen: Wenn dieser Bereich in Nordrhein-Westfalen wegbricht, dann ist das ganze Land in Not; das reicht weit über das Land Nordrhein-Westfalen hinaus. Das ist auch keine Frage von wenigen Städten im Revier, und das ist auch nicht nur eine Frage des Siegerlandes oder des märkischen Raumes oder des Sauerlandes, sondern das ist auch eine Frage, die das niederbergische Land, den linken Niederrhein und das Bergische Land insgesamt berührt. Das wird deutlich, wenn ich nur die stahlverarbeitenden Industrien, die auf der Stahlerzeugung aufbauen, im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen nehme. Diese Angst ist durch die Erlösstabilisierungspolitik, die die Bundesregierung mit Nachdruck vertreten hat, von den Unternehmen gewiMinister Dr. Jochimsen ({11}) chen. Eine nervöse, aber zunehmende Zuversicht ist da, die Krise überstehen zu können. Die Landesregierung wie die Bundesregierung haben sich für die Überwindung dieser Stahlkrise massiv eingesetzt. Erst dies hat den Unternehmen überhaupt die Möglichkeit zu einem neuen Anfang gegeben, der im Jahre 1982 möglich ist. Wir wissen dies in Nordrhein-Westfalen sehr zu schätzen und zu würdigen. Nun muß dieser Anfang aber auch tatsächlich gewagt werden. Auch hier sind wir ein gutes Stück vorangekommen. Es liegen von Krupp und Hoesch verbindliche, einstimmige und übereinstimmende Vorstands- und Aufsichtsratsbeschlüsse vor; einstimmig, d. h. von allen getragen, und zwar bei der Mitbestimmung. Das ist eine Sache, die man nicht hoch genug einschätzen kann. ({12}) Ich darf hier einmal den Aufsichtsratsvorsitzenden von Hoesch, Herrn Dr. Kleffel, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, zitieren, der nach dem Aufsichtsratsbeschluß seinen Respekt vor den Arbeitnehmern und der Industriegewerkschaft Metall bezeugt hat und der auf die Leistungsfähigkeit der Montan-Mitbestimmung verwiesen hat. ({13}) Meine Damen und Herren, übereinstimmende, einstimmige Beschlüsse zur Gründung einer neuen Ruhrstahl AG sind mehr, als mancher überhaupt für möglich gehalten hat. Das ist schon heute mehr als eine Absichtserklärung. Ich hatte gestern ein Gespräch mit den Vorstandsmitgliedern der beiden Unternehmen und mit dem für den Stahlbereich zuständigen Mitglied der IG-Metall, Rudolf Judith. Übereinstimmendes Ergebnis: Zur Gründung der Ruhrstahl AG gibt es nach wie vor keine Alternative. Die Ruhrstahl AG ist in jedem Fall notwendig. Hier gibt es keinen Millimeter Zwischenraum zwischen Krupp, Hoesch, der IG-Metall und der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. ({14}) Seitdem nun die konkreten Beschlüsse der Unternehmen auf dem Tisch liegen, regt sich aus der Kulisse der Widerstand. Die IG-Metall hat dies gestern öffentlich kritisiert. Ich habe für diese Kritik großes Verständnis. Man sollte Ruhrstahl jetzt nicht zerreden, sondern endlich anfangen. Darauf haben auch die Arbeitnehmer ein Anrecht, auf deren Rücken ein großer Teil des tiefgreifenden Strukturwandels ausgetragen werden muß, da ja buchstäblich Tausende von Arbeitsplätzen wegfallen. ({15}) Hier liegt noch nicht ein bis ins letzte ausformulierter Plan auf dem Tisch. Es fehlt da auch noch die eine oder andere Unterlage. Eine Unterlage fehlt vollständig: die Finanzierungsübersicht nach Quellen. Nur, wer ist darüber eigentlich mit Recht erstaunt? Hat denn tatsächlich jemand erwartet, unsere Stahlindustrie käme wie durch ein Wunder von ganz allein wieder auf die Beine, wenn in Europa mit Milliardenbeträgen subventioniert wird? Der Bundeskanzler hat gebeten, daß man prüfen solle, ob nicht einige Projekte auf dem Wege zur Ruhrstahl vorgezogen werden könnten, um ein Investitionssignal zu setzen. Auch wir in Nordrhein-Westfalen hatten schon am Tage der Aufsichtsratsbeschlüsse im Februar angemahnt, daß man rasch konkrete Anträge nach dem Stahlinvestitionszulagengesetz stellen möge. Die Unternehmen haben diesen deutlichen mahnenden Hinweis verstanden. Ich gehe nach meinem Gespräch mit den Unternehmensvorständen davon aus, daß wir diese Anträge morgen auf dem Tisch haben werden. ({16}) An uns wird eine zügige Prüfung nicht scheitern. Meine Damen und Herren, wir sind auf einem guten Wege, wenn wir an den Prinzipien, die die Bundesregierung in Übereinstimmung auch mit der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen festgelegt hat, tatsächlich festhalten, nämlich Umstrukturierung mit Kapazitätsabbau, tragfähige, auch unternehmensübergreifende Konzepte und die Einhaltung des Subventionskodexes nach innen, aber vor allen Dingen auch nach außen, durchzusetzen. Da haben wir sehr große Sorgen. Unsere herzliche Bitte an die Bundesregierung lautet, ihre konsequente Politik hier fortzusetzen, sie noch wirksamer zu gestalten. ({17}) Und als letztes Element erwähne ich: Hilfen auch über das beschlossene Maß hinaus zu geben, wenn dies erforderlich ist. - Danke sehr. ({18})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).

Hans Werner Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001550, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Ergänzung der hier dargestellten Problematik möchte ich einige wenige Bemerkungen über die Stahlkrise in der Region machen, aus der ich komme, nämlich dem Saarland. Die Stahlindustrie an der Saar befindet sich im achten Jahr in einer erheblichen Strukturkrise. Die schlechte Konjunktur, die Rohstoffpreise, die Überkapazitäten, wettbewerbsverfälschende Stützungsmaßnahmen durch Subventionierung laufender Produktionskosten in unseren Nachbarländern, das alles - es ist eingehend darauf hingewiesen worden - hat zu einem existenzgefährdenden Umstellungsprozeß geführt. Ich muß mir doch erlauben, Herr Kollege Reuschenbach, zwei Bemerkungen, die Sie hier in Ihren Ausführungen gemacht haben, richtigzustellen. Zum einen war Ihre Aussage über das Abstimmungsverhalten gestern im Wirtschaftsausschuß sachlich falsch. Es hat keine Neinstimme unserer Fraktion zu Artikel 2 des morgen zu verabschiedenden Gesetzes über eine Investitionszulage für Investitionen der Eisen- und Stahlindustrie gegeben. ({0}) Zum anderen war unser Versagen der Zustimmung gegenüber Ihrer seinerzeitigen Entschließung Müller ({1}) zur Stahlproblematik mit dem begründet, was Sie selbst in Ihrem Bericht auf Seite 10 der Drucksache 9/1423 sagen. Sie haben in diesem Bericht als Berichterstatter unterschrieben. Ich darf hier vorlesen: Im übrigen sieht sich die Minderheit im Ausschuß - also die CDU/CSU nicht in der Lage, der mehrheitlich beschlossenen Beschlußempfehlung zuzustimmen, weil ihre inhaltliche Substanz bereits mit Zustimmung aller Fraktionen beschlossen sei. Das war der Punkt, Herr Reuschenbach. ({2}) Es ging bei unserem Votum lediglich um die Verpak-kung. Diese Entschließung ist mit einer Lobhudelei an die Regierung eingeleitet worden. Dies konnten wir j a wohl nicht mit tragen. ({3}) In einer Erklärung unserer Fraktion vom 19. Januar dieses Jahres kommen im wesentlichen zwei Punkte zum Ausdruck. Zum einen wird die Bundesregierung aufgefordert, auf die EG-Kommission hinzuwirken, daß der Subventionskodex von allen EG-Staaten eingehalten und nicht, wie geschehen, unterlaufen wird. Zum zweiten werden die Stahlunternehmen in Deutschland und Europa aufgefordert, klare Unternehmenskonzepte über künftige Struktur, Kapazitätsabbau und mittelfristigen Personalabbau vorzulegen. ({4}) Der erste Punkt geht an die Adresse der Bundesregierung und wird in unserer heute vorgelegten Entschließung wiederholt. Sollten die Bemühungen der Regierung scheitern, so bedeutet dies, daß die deutsche Stahlindustrie langfristig in größte Schwierigkeiten kommen könnte, oder aber wir müßten den Subventionswettlauf in der Gewißheit mitmachen, hierbei den gleichen langen Atem zu haben, oder aber wir müßten uns Stichworte wie Importbeschränkung und Ausgleichsabgabe neu überlegen. Dies alles wollen wir ja wohl nicht. Für die Saar bedeutet dies, um es einmal mit dem „Handelsblatt" zu sagen: Im Wettbewerb mit den versammelten Staatskassen in den anderen europäischen Ländern muß ein im Umbruch befindliches Unternehmen wie Röchling, Burbach/Neunkirchen, besonders hart getroffen werden. Dazu hinterläßt die so nicht erwartete Hochzinsphase Strangulationserscheinungen. Ein Kenner vor Ort drückt es so aus: Gegen die vereinigten Steuerzahler Europas läßt sich auch an der Saar keine Stahlindustrie langfristig halten. Zum Punkt 2, d. h. dem Unternehmenskonzept, Kapazitätsabbau, Personalbedarf: Dazu hat der saarländische Ministerpräsident Werner Zeyer vor wenigen Tagen vor dem saarländischen Landtag die Lage dargestellt. Bereits 1978 ist zwischen Bundesregierung, Landesregierung, den Gewerkschaften und dem Unternehmen in vorbildlicher Zusammenarbeit ein Restrukturierungsprogramm ausgehandelt und inzwischen - angepaßt - fortgeschrieben worden. Seit 1977/78 hat dieses Programm einen Kapazitätsabbau von 23 % gebracht. Der Abbau geht bis zu einer monatlichen Fertigproduktmenge von 223 000 Tonnen in dem erwähnten Werk. Dies ist nach Aussage von Fachleuten eine Kapazität, die nicht mehr unterschritten werden sollte, weil die Dinge sonst in der betriebswirtschaftlichen Rechnung problematisch werden. Bis 1985 werden insgesamt 9 500 Stahlarbeiter ihren Arbeitsplatz verloren haben - ein für die Betroffenen, ihre Familien, ja für die ganze Region schmerzlicher, aber wohl unumgänglicher Vorgang. Für die Strukturprobleme der saarländischen Stahlindustrie hat niemand eine bessere Lösung als die jetzt vorgelegte parat. Diese Lösung bedingt öffentliche Mittel in erheblichem Umfang. Die Menschen an der Saar sind dafür dankbar. So ist vieles auf den Weg gebracht worden: gemeinsame Roheisenerzeugung, Zentralkokerei usw. Zu rechtfertigen sind diese Hilfen letztlich auch deswegen, weil die Kosten für die Wiedererstarkung der Region nach einem Zusammenbruch weit höher sind als die Stahlhilfen. Sind - wie geschehen - Unternehmenskonzept, Kapazitätsabbau geklärt, so ist auch unserer Meinung nach der Weg für Programme zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen frei. Als Abgeordneter der betroffenen Region begrüße ich es außerordentlich, daß es im Planungsausschuß - trotz der schwierigen Lage der öffentlichen Haushalte - zu einer Fortsetzung der Fördermaßnahmen für das Saarland gekommen ist. Diese Entscheidungen helfen, bruchartige Entwicklungen zu vermeiden. Die Erhaltungsstrategie wird durch eine Entwicklungsstrategie ergänzt. ({5}) Die notwendigen Stahlpreiserhöhungen bereiten den Stahlverbrauchern Sorge; jeder weiß es. Aber auch den Stahlverbrauchern muß angesichts der gegebenen Verflechtungen, die wir alle kennen, an einer funktionsfähigen deutschen Stahlindustrie gelegen sein. Meine Damen und Herren, an der Saar sind wir noch nicht über den Berg. Für den arbeitenden Menschen in diesem Bundesland bedarf es der Anstrengungen aller Verantwortlichen. - Ich bedanke mich, daß Sie mir zugehört haben. ({6})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hoffmann ({0}).

Hans Joachim Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000937, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich das etwas auf die leichte Schulter nähme, könnte ich sagen, man müßte jetzt eine Philosophie von Verpackung und Inhalt betreiben. Denn mein werter Kollege Müller hat gesagt, Ihnen habe, als Sie abzuHoffmann ({0}) stimmen, also die Hand zu heben gehabt hätten, die Verpackung nicht gefallen. ({1}) Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Nuancen sind sehr interessant: Die betroffenen Regionen wissen ziemlich genau, wie schwer sie das getroffen hat. Deshalb sind auch die jeweiligen Abgeordneten der betroffenen Regionen wahrscheinlich nicht mehr in der parteipolitischen Kontroverse, ob sie so etwas mittragen sollen oder nicht. Sie befinden sich in einer - zugegebenermaßen - etwas schwierigen Situation. Denn auf der einen Seite müßten sie eigentlich sehr dankbar sein für das, was geschehen ist. Auf der anderen Seite haben sie nicht die Courage, in ihrer Fraktion dafür zu kämpfen, daß die Fraktion in dieser Frage geschlossen zustimmt, weil sie eben diese übergroße Bedeutung hat. ({2}) Das hat natürlich auch die saarländische Landesregierung erkannt. Daher hat sie entsprechend mitgeholfen, in dieser Frage voranzukommen. Aber ohne den Bund, ohne diese Hilfestellung wäre das nicht möglich gewesen. Im übrigen: Herr Müller, da Sie gerade den Ministerpräsidenten des Saarlandes erwähnt haben, möchte ich Sie bitten, daß Sie ihm einmal empfehlen, seinen Kollegen in den anderen CDU/CSU-regierten Ländern zu sagen, sie sollten auch hier einmal springen und nicht so tun, als gehe sie das nichts an. ({3}) Das ist nicht in Ordnung. Ich respektiere, daß die saarländische Landesregierung mit uns zusammen versucht, die Interessen der Bevölkerung so weit zu vertreten, wie das ihrer Funktion entspricht. Aber dann muß man konsequent sein und darf nicht auf zwei Klavieren spielen. ({4}) Ein weiteres: Wenn sich dann das Finanzministerium oder der Haushaltsausschuß zu überlegen hat, woher denn die Gelder kommen sollen, dann kann man diese Gelder nicht einerseits dankbar mitnehmen und andererseits bei der Frage, wie denn die Finanzfragen generell zu behandeln sind, etwas schamhaft beiseite stehen. Auch das ist eine Frage, die angesprochen gehört. ({5}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle zuerst meinen Kollegen im Bundestag, besonders in den betreffenden Ausschüssen und natürlich in der Koalition, herzlich Dank sagen. Ich bin ganz sicher, daß wir die schwere Situation im Saarland bisher nicht überstanden hätten, wenn wir diese Hilfe nicht gehabt hätten. Haben Sie Dank dafür. Denn es ist nicht selbstverständlich, daß man dies in diesem Umfang tut. Wir hoffen natürlich, daß wir die jetzige Krise auch weiter überstehen. Dazu wird sicher notwendig sein, daß wir an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit noch einmal darüber sprechen. Meine Damen und Herren, in der kurzen Zeit, die ich zur Verfügung habe, möchte ich aber vor einem Fehlschluß warnen. Vorhin ist von der CDU/CSU auch gesagt worden, was alles die Bundesregierung auf europäischer Ebene nicht erreicht habe. Herr Reuschenbach hat dies schon einigermaßen klargestellt. Ich will dazu sagen: Wir sollten an bestimmter Stelle den Mund nicht zu weit aufmachen. Ich habe mir einmal die Zahlen bezüglich der Arbeitsplatzverluste angesehen, und wir hatten einen kurzen Dialog im Wirtschaftsausschuß, Herr Köhler, über die Frage der Arbeitsplatzverluste. Ich habe es, Ihrer Empfehlung entsprechend, einmal etwas länger nachgerechnet. Das kann ich im einzelnen jetzt nicht vortragen. Ich sage Ihnen nur: Wenn Sie den Anteil der Produktion an Roheisen und die entsprechenden Arbeitsplatzzahlen vergleichen, werden Sie feststellen, daß die größten Verluste nicht in der Bundesrepublik entstehen. Ich sage Ihnen nur einmal die Nettoverluste seit dem Boom - sie lassen sich durchaus zurückverfolgen -: Deutschland hat dabei 47 000 Arbeitsplätze verloren - das ist sehr viel -, Frankreich hat 61 000 Arbeitsplätze verloren, in Italien ist es mit Null ausgegangen, Belgien hat 20 000 Arbeitsplätze verloren, Luxemburg 10 000, und der dicke Brocken ergab sich in Großbritannien: 106 000 verlorene Arbeitsplätze. Vielleicht wertet man das auch einmal politisch. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe ein sehr interessantes Zitat der Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie gefunden, das ich hier vortragen möchte, weil es sich vielleicht als Fragezeichen am Schluß dieser kurzen Rede eignet. Die Wirtschaftsvereinigung sagt in ihrem Bericht vom Februar 1982: Die Zufuhr neuen Eigenkapitals zum Ausgleich von Verlusten der Staatsunternehmen - im Stahlbereich wird vom Beihilfebegriff des Kodex nach wie vor nicht erfaßt. Dieser Mangel kann sich angesichts der fortgeschrittenen Veränderungen in der Eigentümerstruktur zu voller oder mehrheitlicher staatlicher Beteiligung in den meisten EG-Ländern zu einem fortdauernden Element der Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der Privatunternehmen entwickeln. Wenn das richtig ist - ich zweifle nicht daran, daß das eine Beschreibung einer Wettbewerbsverzerrung ist -, dann muß man zumindest ein Fragezeichen machen, nämlich, wenn man merkt, daß bestimmte Konkurrenzsituationen anders nicht durchzustehen sind, sich fragen, ob nicht die öffentlichen Steuergelder in anderer Form in die Unternehmen eingebracht werden sollten, als wir das bisher diskutiert haben. Zum Schluß möchte ich, da ich leider nicht das Vergnügen habe, jetzt noch einen FDP-Kollegen zu hören, an die Adresse von Herrn Gärtner sagen - weil er uns in dieser Frage so manifest mit unterstützt hat -: Ich habe gehört, die FDP des Saarlandes sucht zur Zeit einen Wirtschaftsminister. Helfen Sie doch mal ein bißchen mit bei der Suche. Wir könnten vielleicht sehr viele kreative Elemente im Hoffmann ({6}) Saarland schaffen, so daß das vorwärtsweisend und stabil wird. - Herzlichen Dank. ({7})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hoffmann, Ihre engagierte Suche nach FDP-Wirtschaftsministern erfreut mich natürlich. Das finde ich völlig in Ordnung. ({0}) - Herr Urbaniak, ich weiß, am Hochofen sind Sie es. ({1}) Meine Damen und Herren, ich möchte gerne einigen Betrachtungen zur Situation in der Stahlindustrie zwei kurze Bemerkungen vorherschicken. Erstens. Wir sind uns hoffentlich alle darüber einig, daß wir hier über eine massive Verstärkung öffentlicher Subventionen miteinander reden und das offensichtlich alle wollen. Daran sollten wir auch dann denken, wenn die völlig gerechtfertigten und sinnvollen, heftig vorgetragenen Gesänge vom Subventionsabbau wieder durch den Bundestag schallen. ({2}) Zweitens. Meine Damen und Herren, ich verstehe, daß Sie die Bundesregierung kritisieren, sie habe im Planungsausschuß dieses und jenes nicht erreicht, sie habe im Ministerrat ungenügende Regelungen zustande gebracht. Aber ich will mich sehr zurückhaltend ausdrücken: Im ersten Fall wird die Notwendigkeit der Abstimmung und der Übereinstimmung in einem föderalistischen System verkannt: Mit Gewalt geht nichts im Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe. Im anderen Fall werden die rechtlichen Möglichkeiten, die die Bundesregierung in Europa hat, überschätzt. Hier reichen nicht einmal qualifizierte Mehrheiten. Der Subventionskodex war nur einstimmig zu verabschieden. Daß er auf diese Weise nicht zufriedenstellend werden konnte, hat die Bundesregierung unmittelbar, nachdem wir ihn verabschiedet hatten, von dieser Stelle aus mehrfach gesagt. Wir müssen mit ihm leben und müssen versuchen, das Beste daraus zu machen. Aber ich warne davor, die Bundesregierung in eine Rolle zu bringen, in der sie etwa aggressiv gegen die Kommission, die j a diesen Subventionskodex anzuwenden hat, vorgehen sollte. Wir brauchen die Zusammenarbeit mit der Kommission, und wir bemühen uns darum. Das ändert nichts daran, daß wir dort, wo es notwendig ist, unsere unterschiedliche Meinung deutlich zum Ausdruck bringen. ({3}) Das im übrigen die Situation in unseren europäischen Nachbarländern, deren Subventionspraxis wir oft genug und deutlich genug angeprangert haben, auch nicht so einfach ist, haben die Zahlen, die Herr Hoffmann hier soeben richtig vorgetragen hat, deutlich und für jeden verständlich gemacht. Ich will, meine Damen und Herren, hier keinen großen Bericht über die derzeitige Marktsituation der Stahlindustrie geben; Sie kennen sie. Aber so viel sei gesagt, die erreichte Preisstabilisierung ist nach wie vor labil. Ob sie auf Dauer hält, kann kein Mensch vorhersagen. Es gibt eine ganze Menge von Anzeichen dafür, daß die Gefährdungsmomente sich eher durchsetzen können als die Gesundheitsaussichten. Wir tun, was in unseren Kräften steht, gemeinsam mit der Stahlindustrie, gemeinsam auch mit der Europäischen Kommission, um das, was zur weiteren Stabilisierung notwendig ist, zu erreichen. Aber wir wissen natürlich auch, daß eine langfristige Marktberuhigung und langfristig kostendeckende Preise nur zu erwarten sind, wenn Angebot und Nachfrage aneinander angepaßt werden. Deshalb müssen nicht-wettbewerbsfähige Überkapazitäten abgebaut werden, nicht nur in den anderen europäischen Staaten, sondern auch bei deutschen Unternehmen. Wir wissen das, die Unternehmen wissen das, und auch die Arbeitnehmerorganisationen bestreiten diese Notwendigkeit nicht. Eine wesentliche Voraussetzung für den Abbau unrentabler Anlagen - das geht nun allerdings mehr an unsere europäischen Nachbarländer - ist die Rückführung aller Beihilfen, vor allem die Beseitigung der Erhaltungssubventionen. Gerade deswegen haben wir auf den Subventionsabbau in den EG-Mitgliedstaaten hingearbeitet. Daß die Rechtslage zur Erzwingung eines solchen Subventionsabbaus nach dem EGKS-Vertrag unsicher ist, haben wir hier ebenfalls schon einmal vorgetragen. Gerade deswegen war es notwendig, den Subventionskodex für Stahl oder die beiden Kodices, nämlich 1980 und 1981, zu schaffen und damit eine sicherere Rechtsgrundlage zu erreichen. Dieser Subventionskodex, Herr Lammert, entfaltet mehr Wirkungen, als Sie es hier dargestellt haben. Auf der Grundlage dieses Kodexes wirkt die Kommission sehr viel nachhaltiger auf eine Eingrenzung von Subventionen und, was ja langfristig noch viel wichtiger ist, auf den Abbau unrentabler Anlagen hin, als sie das früher getan hat. Wir haben es selber zu spüren bekommen - denn der Kodex gilt j a auch für uns; ich komme darauf nachher noch zurück -, als wir mit der Kommission über die Verlängerung der Saarhilfen - in einer stundenlangen Nachtsitzung habe ich das tun müssen - zu verhandeln und zu diskutieren hatten. Die Kommission hat mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen andere Mitgliedstaaten wegen deren Subventionen eingeleitet. Sie hat nicht - Herr Lammert, das war ein Irrtum, dem Sie unterlegen sind - dieselben Beihilfen dann zum 31. Dezember vorigen Jahres genehmigt. Dies sind unterschiedliche Beihilfen. Die einen Beihilfen, nämlich Notbeihilfen, sind noch einmal genehmigt worden. Die gibt es aber in Zukunft nicht mehr. Sie sind seit 1. Januar 1982 verboten. Gegen andere Beihilfen sind Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden, und zwar solche, die von Belgien, Italien und Frankreich gewährt werden. Die Kommission hat negative Stellungnahmen nach Art. 54 des EGKS-Vertrages bei den Kapazitätsausbauplänen in Belgien abgegeben. Auch die Transparenz der Beihilfen wurde erheblich verbessert. Ich bitte, das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Denn erst, seitdem wir die Transparenz haben, können wir überhaupt vorstellig werden und gegen Beihilfen vorgehen. Vorher haben wir nicht einmal gewußt, was geschah. Alle Regierungen der europäischen Mitgliedstaaten außer Italien stellen ihre Beihilfeprogramme der kritischen Würdigung der anderen Regierungen. Wir finden es nicht erfreulich, daß sich die italienische Regierung dazu bisher nicht entschließen konnte. Meine Damen und Herren, wir werden auch weiterhin die Genehmigungspraxis der Kommission aufmerksam und kritisch verfolgen. Die Bundesregierung ist auch bereit, wie sie das mehrfach erklärt hat, notfalls die deutsche Stahlindustrie gegen subventionsbedingte Billigimporte aus anderen EG- Staaten zu schützen. Wir haben uns die Möglichkeit geschaffen, an unseren Grenzen zu überprüfen, ob Preisunterbietungen in so erheblichem Ausmaß vorkommen, daß wir einen Anlaß haben, deswegen vorstellig zu werden. Preisunterbietungen sind festgestellt worden; wir sind vorstellig geworden. In einigen Fällen ist Abhilfe geschaffen worden, bisher nicht in allen. Wir werden uns aber weiter darum kümmern und wir werden darauf drängen, daß die vereinbarten Preise eingehalten werden. Wir haben die grundsätzliche Zusage der EG-Kommission für einen solchen Schutz. Herr Lammert, ich habe natürlich mit innerer Zustimmung gehört, daß Sie gesagt haben - ich glaube, Ihr Kollege Müller hat dasselbe gesagt -, Importbeschränkungen für Stahl wollen wir nicht. Wir haben sie aber längst, denn das Außenregime der Europäischen Gemeinschaft und die Drittlandsabkommen, die die Stahlimporte in die Gemeinschaft beschränken, sind natürlich Importbeschränkungen. Ohne die könnten wir im übrigen auch nicht leben. Wir müssen also in diesem unerfreulichen Zustand auch das akzeptieren. Ich mache darauf nur aufmerksam, weil es in der gegenwärtigen Situation ohne Importbeschränkungen ganz sicherlich nicht gehen würde. Wir verhandeln auch gegenwärtig - genauer gesagt: die Europäische Kommission - über weitere Abkommen mit Drittländern, die die Importe begrenzen sollen. Bevor ich auf die Instrumente zu sprechen komme, die die Bundesregierung der Stahlindustrie zur Verfügung gestellt hat, möchte ich, Herr Lammert, auf Ihren Hinweis eingehen, es gebe kein Strukturprogramm der Bundesregierung, und mich zu der Frage äußern, welche Stahlstandorte bleiben sollen und welche nicht. Ich habe die größten Zweifel daran, daß es zu den Aufgaben oder Möglichkeiten einer Bundesregierung und auch einer Landesregierung gehören könnte, verbindlich festzulegen, wie die zukünftige Struktur der Stahlindustrie aussehen sollte, und vor allem auch, welche Stahlstandorte wirklich nachhaltig garantiert und gesichert werden sollen. Auf dem Stahlgebiet haben wir doch ein Musterbeispiel dafür, wie staatlich - oder in diesem Falle durch die EG-Kommission, früher die Hohe Behörde - zu genehmigende Investitionen dazu geführt haben, daß nicht etwa ein Marktgleichgewicht herbeigeführt worden ist, sondern daß wir vor einem entsetzlichen Marktungleichgewicht stehen. Keine der Kapazitätserweiterungen in der Europäischen Gemeinschaft ist in den letzten 20 oder 25 Jahren ohne die Genehmigung der Hohen Behörde durchgeführt worden. Nichts durfte ungenehmigt oder unangemeldet gebaut werden. Das meiste ist sogar, jedenfalls teilweise, manchmal mit geringen Beträgen, mit Krediten und Mitteln der Europäischen Gemeinschaft finanziert worden. So fabelhaft ist die Tätigkeit des Staates bei der Bestimmung von Strukturen, der Auswahl von Standorten, der Erweiterung und der Rationalisierung vom Ergebnis her wohl nicht gewesen! Ob man auf dem Weg dringend weitergehen muß - da mache ich meine Fragezeichen. Ich sage noch einmal, wir wollen in diesen Fragen mit der Europäischen Kommission gemeinsam arbeiten, wir wollen nicht gegen sie marschieren. Die Bundesregierung hat der deutschen Stahlindustrie folgende Instrumente angeboten: die Investitionszulage Stahl, die Forschungshilfen, die verbesserten Sozialhilfen nach Art. 56 des EGKS-Vertrages. Anträge der Stahlunternehmen müssen auf dieses Instrumentarium ausgerichtet sein, und sie müssen die rechtlich vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen. Investitionen im Stahlbereich können nicht nur mit der Investitionszulage Stahl in Höhe von 10 % gefördert werden. Dieses Gesetz läßt vielmehr eine Kumulation von Hilfen - das ist sonst nicht der Regelfall - bis zu 20 % und bei besonders schweren wirtschaftlichen Auswirkungen bis zu 30 % zu. Daneben können noch die Investitionszulage auf Grund der Gemeinschaftsinitiative sowie Forschungshilfen gewährt werden. Meine Damen und Herren, wenn man das alles einmal zusammenrechnet, dann landet man immerhin - ich kann das jetzt nur schnell im Kopf zusammenrechnen - bei Größenordnungen, über den Daumen, zwischen 40 und 50 %, und das ist doch eine ganze Menge. Für eine eventuelle Aufstockung der Investitionshilfe auf 20 % oder, im äußersten Fall, auf 30 % könnten die im Haushalt 1982 im Einzelplan 60 vorsorglich eingestellten 300 Millionen für „Weitere Maßnahmen im Stahlbereich" sowie Haushaltsmittel der Länder eingesetzt werden. Insoweit besteht die grundsätzliche Bereitschaft der Bundesregierung, über die Beschlüsse vom 30. Juli und 3. September 1981 hinauszugehen - um auf das zu antworten, was Herr Jochimsen hier gefordert hat. Die Hilfen müssen sich aber natürlich im Rahmen des Subventionskodex Stahl bewegen. Sie müssen bei uns bis zum 30. Juni beantragt sein und bis zum 30. September in Brüssel notifiziert sein. Entscheidend ist, daß von den Unternehmen schlüssige Konzeptionen für die Anpassung vorgelegt werden. Denn auf dieses eine möchte ich aufmerksam machen: Auch Überprüfungen durch Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder andere Institutionen - ganz zu schweigen von den Überprüfungs5670 möglichkeiten, die etwa das Bundeswirtschaftsministerium und, ich will ihm nicht zu nahe treten, auch das Landeswirtschaftsministerium haben - geben uns keine Gewißheit, daß die Konzeptionen der Unternehmen geeignet sind, wettbewerbsfähige Unternehmen und damit dauerhaft sichere Arbeitsplätze zu schaffen. Die sicherste Gewähr dafür, daß ein Konzept Zukunftschancen hat, ist dann gegeben, wenn Eigentümer und Banken durch substantielle Beiträge eigene Risiken übernehmen und damit ihr Vertrauen in das Konzept beweisen. ({4}) Wir haben von den Unternehmen Krupp und Hoesch am 15. Februar 1982 Grundlinien eines Strukturkonzepts für ihren Stahlbereich bekommen. Aber diese Unterlagen bieten an Informationen nur wenig mehr als die vom September und Oktober 1981. Herr Reuschenbach hat gesagt, wir sollten die Konzepte prüfen. Aber dazu müssen wir prüffähige Konzepte auf den Tisch bekommen, und die haben wir bisher nicht. Ich höre, daß heute solche Konzepte oder Vorschläge beim Landeswirtschaftsministerium in Düsseldorf eingereicht worden sein sollen. Wenn das der Fall ist, kann ich das nur begrüßen und nur hoffen, daß sie auch schnell nach Bonn kommen. Es ist allerhöchste Zeit. ({5}) Es ist außerordentlich viel Zeit verloren gegangen. Das liegt nicht an der Bundesregierung, auch nicht an der Landesregierung.

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Verzeihen Sie, Herr Bundesminister. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Urbaniak?

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

Bitte sehr.

Hans Eberhard Urbaniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, daß gestern Herr Gödde und Herr Rohwedder vor Betriebsräten und SPD-Parlamentariern unter Beteiligung des Parlamentarischen Staatssekretärs Haehser in der Landesvertretung Nordrhein-Westfalen erklärt haben, daß sie für ihre Hauptversammlungen die Fusion beider Unternehmen vorbereiten, daß die Kapazitäten bei den Hoesch-Werken um 50 % abgebaut werden, daß die Belegschaften um 45 % abgebaut werden und daß der Bundesregierung in der nächsten Woche die Anträge zum Gesamtkonzept und den beiden Investitionsvorhaben Doppelinvestitionen vermeidend - vorgelegt werden? Ist das nicht eine Grundlage, auf der die Bundesregierung dann entscheiden kann, um endlich in dieser Region ein Investitionssignal zu setzen? ({0})

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

Herr Kollege Urbaniak: Erstens. Wir wissen ja - das hat j a vorhin Herr Jochimsen schon vorgetragen -, daß die Aufsichtsratsbeschlüsse einstimmig gefaßt worden sind und daß die Fusion zur Ruhrstahl AG vorbereitet wird. Zweitens. Ich gebe natürlich zu, daß es ein politisch außerordentlich gewichtiges Gremium gewesen ist, dem diese Ankündigungen gemacht wurden. ({0}) Das ist überhaupt nicht zu bestreiten. Es wäre gut, das würde bei dem Kollegen Jochimsen und bei mir nun endlich mal in Form von Papier und Zahlen, von Angaben und Rechnungen auf dem Tisch liegen. ({1}) Ich muß Ihnen wirklich sagen, Herr Urbaniak: Ich bin es leid, wie da oft mit den Arbeitnehmern in Dortmund umgegangen wird. Wie lange warten sie denn eigentlich, bis die Vorstände und die Eigentümer und die Banken sich entscheiden, bis wir mal etwas auf den Tisch bekommen, zu dem wir ja oder nein sagen können? ({2}) Aber ich sage Ihnen: Ich kann erst dann ja oder nein sagen, wenn ich die Angaben, die anderen Kreisen angekündigt werden, wirklich auf dem Tisch habe. Erst dann können wir entscheiden. ({3})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Urbaniak?

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

Ja.

Hans Eberhard Urbaniak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002360, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, können Sie uns bestätigen, daß gerade die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen sich sehr intensiv darum bemüht haben, ({0}) die Vorstände und Aufsichtsräte zu drängen, so etwas der Bundesregierung so schnell wie möglich vorzulegen?

Dr. Otto Lambsdorff (Minister:in)

Politiker ID: 11001272

Herr Kollege, das kann ich durchaus. Ich wünschte mir, sie hätten das mit noch größerem zeitlichen Erfolg tun können. ({0}) Meine Damen und Herren, ich möchte das hier noch einmal sagen: Die Unternehmen sind dringend aufgefordert - wir haben sie bereits mehrfach aufgefordert, ich tue das hier noch einmal -, zusätzliche Unterlagen über die Grundlinien eines Strukturkonzepts hinaus vorzulegen. Wir brauchen Angaben über einzubringende Anlagen- und Vermögensteile, über substantielle Eigenbeiträge der Anteilseigner, über Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Dies muß ich in Richtung der Kollegen sagen, die hier als Abgeordnete aus dem Saarland gesprochen haben. Dort hatten wir 1978 sehr frühzeitig ein prüf- und entscheidungsfähiges Konzept, und das hat die Sache dort leichter gemacht. ({1}) Dort hatten wir auch die Bereitschaft zur Risikoübernahme durch ein privates Unternehmen. Das ist auch heute noch so. Wir werden keine Zeit verlieren, die Vorschläge der Unternehmen daraufhin zu untersuchen, ob sie geeignet sind, Probleme zu lösen. Wir werden keine Zeit verlieren und uns mehr beeilen als mancher andere, der in dieser Sache mitzuarbeiten hat, weil es um Arbeitsplätze und um die Schicksale der Menschen geht, die mit diesen Arbeitsplätzen verbunden sind. Wir wissen das sehr genau. Aber bisher, Herr Urbaniak, liegen ja auch noch keine konkreten Anträge auf staatliche Hilfe vor. Keiner von uns kann über einen DM-Betrag entscheiden, wenn er nicht einmal einen Antrag dafür hat. Und den gibt es bisher nicht. ({2}) Meine Damen und Herren, jetzt haben beide Unternehmen angekündigt, in nächster Zeit Anträge auf staatliche Unterstützung für Einzelinvestitionen im Vorgriff auf das Gesamtkonzept zu stellen. Auch diese Anträge werden wir im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften prüfen. Aber auch dabei muß, wie es im Gesetz vorgesehen ist, nachgewiesen werden, und zwar vor einer Entscheidung, daß die Unternehmen eine realistische Überlebenschance haben. Das heißt: die Tragfähigkeit des Konzeptes muß auch in diesem Zusammenhang untersucht werden. Denn sonst bestünde die Gefahr, daß der Staat in eine unbeschränkte Nachschußpflicht für ein wirtschaftlich und technisch unsicheres Unternehmenskonzept hineingezogen wird. Aus den im Ruhrgebiet geführten Diskussionen und aus dem Gespräch mit den Beteiligten, aber auch aus einigen Zeitungsberichten der letzten Tage ergibt sich aus meiner Sicht, daß zum Teil unrealistische Erwartungshorizonte für staatliche Hilfen aufgebaut werden oder bereits bestehen. Wenn ich gestern in Ruhrgebietszeitungen gelesen habe, daß für Einzelinvestitionen zweier Objekte in der Größenordnung von zusammen 580 Millionen DM eine hundertprozentige Finanzierung durch den Staat angestrebt werden soll, kann ich nur hoffen, daß die Zeitungen falsch informiert gewesen sind. Denn darin sind wir uns auch mit Nordrhein-Westfalen einig, daß das selbstverständlich nicht gehen kann. Niemand hier im Hause wird so etwas vertreten wollen. Die Unternehmen selbst scheinen zu befürchten, daß sie nicht in der Lage sind, eine Reihe von Problemen, wie z. B. die Estel-Problematik im Falle Hösch und die Bewertung der einzubringenden Betriebsteile, in absehbarer Zeit zu lösen. Deswegen wachsen die Unruhe und die Versuchung, Blankozusagen vom Staat zu verlangen. Ich möchte aber noch einmal in aller gebotenen Ruhe, aber auch in aller gebotenen Deutlichkeit sagen: Die Bundesregierung hat gemeinsam mit der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen sehr frühzeitig dafür gesorgt, daß wir nicht in der Ecke derjenigen stehen, die Anträge und gerechtfertigte Petiten nicht beantworten. Unsere Bereitschaft haben wir sowohl den Unternehmensleitungen wie den Betriebsräten, den Belegschaftsvertretern und der IG-Metall zu jeder Stunde und zu jeder Zeit erklärt. Wir haben uns in kurzen Fristen zusammengefunden, wenn das notwendig und richtig war. Und dabei bleibt es auch. An unserer Bereitschaft wird hier nichts scheitern. ({3}) Meine Damen und Herren, ich möchte im übrigen sehr anerkennend bemerken, daß es gerade die Arbeitnehmervertreter gewesen sind, die für das Argument „Hier geht es um das Geld des Steuerzahlers, und das kann natürlich nicht ohne Prüfung ausgegeben werden" volles Verständnis gezeigt haben. ({4}) Wir wissen, daß hier auch die Frage der Zusammenarbeit über die Grenze zu den Niederlanden hinweg eine Rolle spielt. Ich werde mit dem niederländischen Wirtschaftsminister in den nächsten Tagen wieder sprechen. Dieses Gespräch ist notwendig, weil es beim Estel-Konzern intern zu keinen Entscheidungen kommt und auch deshalb die Gefahr besteht, daß sich erstens das Ganze verzögert und sich zweitens auch noch eine politische Diskussion zwischen den Regierungen entwickelt. Wir haben bisher mit der niederländischen Regierung in den wesentlichen Fragen Einigkeit erzielt. Wir wollen uns darum bemühen, daß diese Einigkeit auch fortbesteht. Bisher haben sich die Bundesregierung und die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen in keiner Weise auseinanderdividieren lassen. Wir wollen, daß das so bleibt. Ich sage nicht, daß ernsthaft ein Auseinanderdividieren versucht worden ist, aber wir haben von Anfang an jedermann klargemacht, daß ein solcher Versuch erfolglos sein müßte. Wir werden uns deshalb - der Bundesfinanzminister und ich von seiten der Bundesregierung, von nordrhein-westfälischer Seite die Minister Professor Joachimsen und Dr. Posser - in Kürze zusammensetzen, wie wir das Anfang Oktober vergangenen Jahres und auch bei anderen Gelegenheiten getan haben. Im Anschluß daran wollen wir erneut mit Unternehmens- und Arbeitnehmervertretern sowie mit den Banken sprechen, um ihnen einerseits die äußersten Grenzen möglicher staatlicher Hilfen zu erläutern, andererseits aber auch völlig klarzumachen, daß diese staatlichen Hilfen zur Verfügung gestellt werden und daß wir - wie Herr Jochimsen es eben formuliert hat - auch zur Hilfe über die Beschlüsse vom 30. Juni und 3. September 1981 hinaus bereit sind. Deutlich sichtbar geworden ist das durch die Einstellung von 300 Millionen DM in den Bundeshaushalt 1982 im Einzelplan 60. Meine Damen und Herren, ein Wort noch zum Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Dies ist ja nun nicht unmittelbar Stahlindustrie, sondern es geht um Ersatzarbeitsplätze in den Stahlstandorten, in den von der Stahlkrise betroffenen Regionen. Lassen Sie mich bitte nur sagen, daß die Einnahmeausfälle des Staates allein aus der Investitionszulage, die wir hier beschlossen haben - diese Investi5672 tionszulage ist das Hauptförderinstrument -, auf weit über 600 Millionen DM geschätzt werden. So ganz ohne ist dies ja nicht. Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihr Verständnis dafür, daß ich bei diesen Entscheidungen des Planungsausschusses, die j a gleichzeitig die Verlängerung des Sonderprogramms für das Saarland bedeuten und die gleichzeitig die Stahlstandorte Salzgitter, Osnabrück, Amberg und Sulzbach/Rosenheim begünstigen, hier nicht in eine Diskussion darüber eintreten möchte, wer zugestimmt hat, wer sich der Stimme enthalten hat, wer sich nun „ordentlich" benommen hat oder wer sich „unordentlich" benommen hat. Zum Schluß brauchen wir für die Rechtsverordnung über diese Investitionszulage noch die Zustimmung des Bundesrates. Ich bin ja gelegentlich gern einmal bereit, auch ein paar lockere Reden zu halten ({5}) - ein Kommentar, Herr Wolfram? -, aber, meine Damen und Herren, ich möchte nicht gern das aufs Spiel setzen, was wir in der Abstimmung im Planungsausschuß nach sehr mühsamen Kompromißverhandlungen erreicht haben. Mit Recht, Herr Lammert, hat Herr Professor Jochimsen auf eines hingewiesen: Gemessen an der Zahl der betroffenen Arbeitsplätze hat das Land Nordrhein-Westfalen 80 % seiner Forderungen erreicht. Ich weiß ja nicht, ob die am Anfang gesagt haben, wir halten einmal vor, und dann bekommen wir 80 %. Auch das wäre noch eine erlaubte Taktik. Aber nachdem ich gehört habe, daß in der nächsten Sitzung des Planungsausschusses im nächsten Jahr die Probleme wieder kommen, gehe ich davon aus, daß das Land es ernst gemeint hat. Meine Damen und Herren, ich möchte zum Schluß mit großer Befriedigung, aber auch mit Respekt von seiten der Bundesregierung die Haltung der betroffenen Belegschaften, der betroffenen Arbeitnehmer in den Stahlstandorten würdigen. ({6}) Dies ist ja, wie wir alle wissen, keine leichte Situation. Die Bundesregierung hat zu jeder Zeit in dieser Diskussion die Grenzen der ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten genannt. Wir wollen niemanden täuschen und niemandem vormachen, wir könnten mehr geben, als wir selber haben. Es gibt Grenzen, jeder weiß das, und jeder soll auch auf sie aufmerksam gemacht werden. Aber wir wollen nicht die Grenzen überbetonen. Wir wollen nicht nur von den Grenzen sprechen, sondern innerhalb dieser Grenzen auch unsere Bereitschaft zeigen, so unbürokratisch wie möglich, so wirtschaftlich sinnvoll wie möglich und so sozial gerechtfertigt wie möglich zu helfen. Dazu sind wir nach wie vor bereit. ({7})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lammert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde die Debatte nicht unnötig verlängern; ({0}) aber ich habe jenseits aller sicher unterschiedlichen Bewertung, die man über diese oder jene politische Maßnahme hier vortragen kann, für meine Fraktion drei notwendige Klarstellungen vorzutragen. Ich möchte eine persönliche Anmerkung vorwegschicken, die vielleicht nicht notwendig ist, die mir aber persönlich am Herzen liegt. Herr Urbaniak, ich habe vorhin in einer Antwort auf eine Frage, die Sie mir gestellt haben, eine, wie ich nachträglich empfinde, etwas abwertende Kommentierung gefunden, die ich in dieser Formulierung nicht aufrechterhalten möchte. ({1}) Ich halte selbstverständlich die Kontroverse in der Sache aufrecht; aber ich bin der Meinung, daß sich dafür auch glücklichere und vielleicht diszipliniertere Formulierungen finden lassen, um die ich mich künftig bemühen werde. Ich will hier aber drei für unsere Fraktion völlig unverzichtbare Klarstellungen vornehmen, was die Darstellung von Sachverhalten angeht, wo es nicht darum geht, ob man sie so oder so beurteilt, sondern darum, ob sie zutreffend oder nicht zutreffend wiedergegeben worden sind. Erstens. Herr Reuschenbach hat gesagt, die Union halte ihren eigenen Stahlantrag nicht aufrecht. Das ist in dieser Weise natürlich nicht zutreffend. ({2}) - Der Sachverhalt ist folgender, Herr Reuschenbach. Wir haben im vergangenen Jahr einen Antrag eingebracht, mit dem wir auf die Notwendigkeit politischer Maßnahmen zur Regelung der immer unerträglicher werdenden europäischen Stahlsituation hingewiesen haben, und wir haben die Bundesregierung in einer Reihe von Einzelpunkten zu Maßnahmen aufgefordert. Ergebnis dieser Aufforderung war, daß die Bundesregierung wenige Wochen später ein Stahlprogramm vorgelegt hat. Diesem Stahlprogramm haben wir zugestimmt, und damit war die Aufforderung unseres Antrages insofern erledigt. Durch unseren Obmann im Wirtschaftsausschuß haben wir genau auf diesen Sachverhalt ausdrücklich hingewiesen. Dies mag ein Unterschied zwischen der Opposition und der Mehrheit dieses Hauses sein, aber wir sehen nicht so fürchterlich viel Sinn darin, Anträge mit Aufforderungen aufrechtzuerhalten, die in der Sache inzwischen erledigt sind, obwohl dies in der Beschlußempfehlung der Mehrheit des Wirtschaftsausschusses anschließend nun gleichwohl wieder geschieht. ({3}) Zweiter Punkt. Es ist natürlich nicht wahr, daß die Union dem Stahlprogramm nicht zugestimmt hätte. Ich meine, hier sollten wir völlig unabhängig von dem Streit darüber, was wir für ausreichend oder nicht ausreichend halten, die Fakten nicht verwischen. Der Kollege Müller hat vorhin unter Zitierung der Drucksache ausdrücklich auf die Berichterstattung des Kollegen Reuschenbach hingewiesen. Ich verstehe nicht, Herr Reuschenbach, warum Sie als Koalitionsredner das dementieren, was Sie als Berichterstatter selber schriftlich niedergelegt haben. ({4})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Reuschenbach?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte schön!

Peter W. Reuschenbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001827, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Kollege Lammert, habe ich gelogen oder ist es die Wahrheit, daß Ihre Fraktionskollegen im Wirtschaftsausschuß am Mittwoch dieser Woche den Investitionszulagenteil im Beschäftigungsprogramm, etwas verkürzt gesagt, für die Stahlindustrie abgelehnt haben?

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich muß in der Beantwortung dieser Frage deswegen ein bißchen vorsichtig sein, weil ich selber am Mittwoch wegen meiner Teilnahme an einer anderen Ausschußsitzung nicht dabei war. ({0}) - Nein. Beim Beschäftigungsprogramm geht es um die Frage, ob die Investitionszulagen, die für die Stahlindustrie gesondert im Stahlprogramm beschlossen sind, mit denen additionsfähig sein sollen, die das Investitionszulagengesetz nun zusätzlich vorsieht. ({1}) - Selbstverständlich, Herr Reuschenbach. Ich habe darauf verwiesen - das ist sachlich völlig eindeutig -, daß wir den Investitionszulagen im Stahlprogramm der Bundesregierung im Wirtschaftsausschuß ausdrücklich zugestimmt haben. Sie haben das in der Berichterstattung über die Vorlagen ja auch ausdrücklich angemerkt. Dritte Anmerkung. Wir haben, da dies Bestandteil auch des Stahlprogramms war, auch unsere Zustimmung für ein Stahlstandortprogramm ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, allerdings darauf hingewiesen, daß dies nicht voraussetzungslos erfolgen kann, sondern bestimmten Kriterien genügen muß. Nun habe ich viel Verständnis dafür, daß der Wirtschaftsminister von Nordrhein-Westfalen hier erklärt, er habe unsere kritischen Anmerkungen zu diesem Programm oder diesen Antrag nicht verstanden. Nur, Herr Jochimsen, es wäre vielleicht ganz fair gewesen, wenn Sie gleichzeitig darauf hingewiesen hätten, daß die kritischen Anmerkungen, die wir gemacht haben, nahezu mit denjenigen identisch sind, die aus dem Bundeswirtschaftsministerium zum gleichen Programm zu hören waren und die etwa der Bundeswirtschaftsminister, zitiert von der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" vom 12. Februar 1982, im Turm-Gespräch in Dortmund vor dem Presseverein Ruhr selber vorgetragen hat. ({2}) Wenn Sie, Herr Reuschenbach, in diesem Zusammenhang gegen die sogenannten schwarzen Länder polemisieren, was ihre Bereitschaft zur Mitwirkung an einem solchen Programm angeht, dann wird kein Mensch verstehen, wie - da beziehe ich mich auf Ihre Einlassungen, unter welchen Voraussetzungen im gemeinsamen Planungsausschuß überhaupt Entscheidungen zustande kommen können - dann trotzdem dieses Standortprogramm offensichtlich zustande kommen konnte, offenkundig deshalb, weil die Bundesländer, die in der Mehrheit unionsgeführt sind, bereit waren, auch und gerade dem Land Nordrhein-Westfalen in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation durch ein solches Programm zu helfen. Wir wären ein Stück weiter, wenn wir bei allen Meinungsverschiedenheiten in Einzelfragen diese konstruktive Bereitschaft zur Mitarbeit nicht durch unnötig polemische Darstellung gefährden würden. - Danke schön. ({3})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlußempfehlung des Ausschusses. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1423 unter I die Annahme einer Entschließung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimme? ({0}) Enthaltungen? - Die Entschließung ist angenommen. Der Ausschuß empfiehlt auf Drucksache 9/1423 unter II, den Entschließungsantrag Drucksache 9/ 612 für erledigt zu erklären. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? ({1}) Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist damit angenommen. Meine Damen und Herren, ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses ({2}) als 1. Untersuchungsausschuß nach Artikel 45 a Abs. 2 des Grundgesetzes zu den Anträgen der Fraktion der CDU/CSU vom 16. Februar 1981 auf Einsetzung des Verteidigungsausschusses als 1. Untersuchungsausschuß nach Vizepräsident Wurbs Artikel 45 a Abs. 2 des Grundgesetzes zur Untersuchung der Umstände, die zu den Finanzierungsproblemen beim Kampfflugzeug MRCA/TORNADO geführt haben, sowie der daraus sich ergebenden Konsequenzen der Fraktionen der SPD und FDP vom 17. Februar 1981 zur Konstituierung des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages zum 1. Untersuchungsausschuß nach Artikel 45 a Abs. 2 des Grundgesetzes zur Untersuchung des Beschaffungsvorhabens MRCA/ TORNADO und der damit zusammenhängenden Sachverhalte - Drucksache 9/1465 Berichterstatter: Abgeordnete Jung ({3}) Kolbow Lowack Wimmer ({4}) Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll die Aussprache drei Stunden dauern. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich sehe keinen Widerspruch. Es ist so beschlossen. Wird das Wort von einem der Herren Berichterstatter gewünscht? - Das ist der Fall. Ich darf den Herrn Berichterstatter fragen, ob er gleichzeitig in der Aussprache oder nur als Berichterstatter sprechen will. ({5}) - Bitte, Herr Abgeordneter Kolbow, Sie haben das Wort.

Walter Kolbow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001175, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einleitung des Herrn Präsidenten hat gezeigt, wie schwierig diese Berichterstattung ist und die Untersuchung über die Monate hinweg waren. Von mir als Berichterstatter der Koalitionsfraktionen ist nun zu berichten über die Tätigkeit des Verteidigungsausschusses als Untersuchungsausschuß nach Art. 45 a Abs. 2 unseres Grundgesetzes bei der Untersuchung des Beschaffungsvorhabens MRCA/Tornado und der damit zusammenhängenden Sachverhalte, insbesondere der Umstände, die zu den Finanzierungsproblemen in den Jahren 1980 und 1981 geführt haben, und der sich daraus ergebenden Konsequenzen. Am 18. Februar 1981 konstituierte sich der Verteidigungsausschuß auf Grund entsprechender Anträge der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktionen von SPD und FDP als 1. Untersuchungsausschuß, nachdem Ende des Jahres 1980 Schwierigkeiten bei der Finanzierung des Waffensystems MRCA in den Haushalten 1980 und 1981 bekanntgeworden waren und es im Januar und Februar 1981 zu Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der dem Verteidigungsausschuß vom Bundesminister der Verteidigung zur Verfügung zu stellenden Dokumente und Auskunftspersonen gekommen war. ({0})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter; einen Augenblick. - Meine Damen und Herren, ich bitte doch, Platz zu nehmen. ({0})

Walter Kolbow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001175, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Der Untersuchungsausschuß hat die Untersuchungsgegenstände, nachdem er sich auf einen einheitlichen zusammengefaßten Beschluß nicht hatte verständigen können, getrennt für die Fraktionen von SPD und FDP einerseits und für die CDU/CSU-Fraktion andererseits niedergelegt. Gemeinsam waren den von den Fraktionen der Koalition und der Opposition im Untersuchungsausschuß beantragten Untersuchungsgegenständen die Frage nach erstens Funktion und Aufgabenerfüllung des Waffensystems MRCA im Verteidigungskonzept der Bundesrepublik Deutschland, zweitens den Auswirkungen der Abwicklung bzw. Finanzierung des Beschaffungsvorhabens MRCA auf andere Beschaffungsvorhaben und die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr sowie drittens die sich aus den Erfahrungen der Abwicklung des Beschaffungsvorhabens ergebenen Konsequenzen. Darüber hinaus zielten die von der Koalition beantragten Untersuchungsgegenstände im wesentlichen auf die Aufklärung der Ursachen der eingetretenen Finanzierungsschwierigkeiten; die von der Opposition weiter beantragten Untersuchungsgegenstände hatten vornehmlich die Frage nach dem Kenntnisstand des Bundesministers der Verteidigung, seines Geschäftsbereichs und anderer Beteiligter zum Gegenstand. Um diese ihm vorgegebenen Untersuchungsgegenstände aufzuklären, hat der Untersuchungsausschuß, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie ich meine, fleißig gearbeitet. Er hat insgesamt 24 Sitzungen vornehmen müssen, von denen 18 der - überwiegend öffentlichen - Beweisaufnahme dienten, in deren Verlauf 17 Sachverständige Zeugen als Auskunftspersonen vernommen wurden. Er hat zudem zahlreiche und umfangreiche Aktenvorgänge des Bundesministeriums der Verteidigung beigezogen und eingesehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der umfangreichen Drucksache 9/1465 liegt Ihnen das Ergebnis unserer Arbeit vor, über das das Plenum des Deutschen Bundestages nunmehr zu befinden hat. Als Berichterstatter für die Fraktionen der SPD und der FDP gestatte ich mir anzumerken, daß das Klima im Untersuchungsausschuß bei allen anzuerkennenden Bemühungen der Vorsitzenden nicht immer das beste war. ({0}) Die Ermangelung eines gemeinsamen Zieles, gemeinsamer, in einem einheitlichen Beschluß fixierter Untersuchungsgegenstände, hat den Untersuchungsausschuß geprägt und sich auch in dem vorliegenden Abschlußbericht mit der Trennung in Mehrheits- und Minderheitsvotum niedergeschlagen. Mit Sicherheit haben auch vorweggenommene und eilfertig publizierte Wertungen einzelner Zeugenaussagen dazu beigetragen, Wertungen, die, wie ich beklagen muß, auch vor persönlichen Verunglimpfungen selbst einzelner Beamter nicht zurückschreckten. ({1}) Meine Kollegen werden hierauf noch eingehen. Für die Ausschußmehrheit darf ich berichten, daß der von ihr getragene Bericht die Beweisthemen der Mehrheit ebenso eingehend abhandelt wie die der Ausschußminderheit. Demgegenüber läßt der Minderheitenbericht der Opposition selbst solche Beweisthemen außer Betracht, die die Opposition selbst beantragt hat. Die Untersuchung, die Aussagen der angehörten Sachverständigen Zeugen und das Studium ganzer Aktenberge haben Ergebnisse gebracht, die mich zu dem Urteil berechtigen: Der Ausschuß hat sich gelohnt. Er hat ein Schlaglicht auf die vielfältigen Schwierigkeiten geworfen, denen die Abwicklung komplexer multinationaler Großbeschaffungsvorhaben ausgesetzt ist, und damit eine bestehende Lücke im System unserer nationalen Rechnungsprüfung geschlossen. Die Untersuchung hat am Rande auch gezeigt, wie schwer es der militärischen Planung fällt, gesamtwirtschaftlich notwendige Haushaltsvorgaben dieses Hohen Hauses gegenüber verfestigtem Wunsch- und Anspruchsdenken umzusetzen. Indes muß die Frage erlaubt sein: Wiegt diese an Hand vieler Details gewonnene Einsicht, wiegt dieser Gewinn das Defizit an parlamentarischer Willensbildung und begleitender Kontrolle auf, das durch die Bindung der Arbeitskraft des Verteidigungsausschusses durch drei Untersuchungsausschüsse in den letzten drei Jahren zu einer bedrohlichen Bugwelle aufgelaufen ist? ({2}) Ich stelle auch diese Frage zur Debatte dieses Hohen Hauses. Die Ihnen als umfangreiche Bundestagsdrucksache vorliegenden Untersuchungsergebnisse kann ich als Berichterstatter der Ausschußmehrheit, da ich die Grenzen Ihres Langmutes ebenso zu respektieren gewillt bin, wie die meiner Redezeit, nur in ausgewählten Schwerpunkten - und auch diese lediglich in starkem Konzentrat - vortragen. Ich muß mich daher auf drei Punkte beschränken: erstens die Ursachen des in den Jahren 1980 und 1981 zutage getretenen Haushaltsmehrbedarfs, zweitens die Auswirkungen dieser Finanzierungsschwierigkeiten auf andere Beschaffungsvorhaben und die Bundeswehrplanung sowie drittens den Informationsstand der Leitungsebene im BMVg in den Jahren 1979 und 1980 über einen für 1980 und 1981 tatsächlich oder vermeintlich drohenden Haushaltsmehrbedarf. Für MRCA/Tornado entstand im Haushaltsjahr 1980 gegenüber dem Haushaltsansatz ein Mehrbedarf in Höhe von 683 Millionen DM, der in Höhe von 171 Millionen DM durch einen Haushaltsausgaberest aus dem Jahre 1978 gedeckt werden konnte und so zu einer Haushaltsunterdeckung in Höhe von 512 Millionen DM führte. Für das Jahr 1981 zeichnete sich Ende 1980 gegenüber der damaligen Haushaltsanmeldung des BMVg ein Mehrbedarf in Höhe von 803 Millionen DM ab. Der Mehrbedarf beider Haushaltsjahre ist - das steht zur Überzeugung der Ausschußmehrheit auf Grund der Beweisaufnahme fest - auf folgende Ursachen zurückzuführen. Erstens. Im Jahre 1979 wurden für die Jahre 1980 und folgende Verbindlichkeiten zu Lasten des Verteidigungshaushalts begründet, die durch die Ansätze des 12. und des 13. Finanzplanes nicht gedeckt waren. Das hatte wiederum folgende Ursachen: Im Jahre 1978 flossen wegen einer sechsmonatigen Produktionsverzögerung der britischen Bauteilefertigung gegenüber der italienischen und deutschen mit 350 Millionen DM ein Drittel des damaligen Haushaltsansatzes nicht ab, weil die Industrie wegen des verzögerten Zulaufs der britischen Bauteile weniger Flugzeuge montieren und liefern konnte als geplant. Der im BMVg für die Programmsteuerung von MRCA zuständige Systembeauftragte reduzierte 1978 angesichts dieser Minderlieferung seine Anmeldung zum 12. Finanzplan und legte seiner Neuanmeldung die eingetretene sechsmonatige Verzögerung zugrunde. Die von beiden Staatssekretären gebilligte Haushaltsanmeldung des Bundesministeriums der Verteidigung zum 13. Finanzplan schrieb die vorgenannte reduzierte Mittelanmeldung des Systembeauftragten um die allgemeine Kostensteigerungsrate fort. Eine höhere Bedarfsanmeldung des Systembeauftragten vom Februar 1979 konnte dieser weder gegenüber dem für Rüstung zuständigen Staatssekretär noch gegenüber der Haushaltsabteilung begründen. Seine Anmeldung, die nach wie vor auf einer verzögerten Lieferung beruhte, konnte nicht mit dem Nachweis in 1980 fällig werdender Verbindlichkeiten in Höhe des geltend gemachten Mehrbedarfs belegt werden. Wiewohl, meine Damen und Herren, die Ansätze des 12. Finanzplans und die BMVg-Anmeldung zum 13. Finanzplan auf der vom Systembeauftragten 1978 als fortdauernd prognostizierten Lieferungsverzögerung der Industrie beruhten, vereinbarte die trinationale NATO-Agentur NAMMA im Sommer 1979 mit der Industrie ein neues losübergreifendes Produktions- und Lieferprogramm, mit dem die eingetretene sechsmonatige Lieferverzögerung über eine Harmonisierung der Industrieproduktion, nämlich eine Anpassung der verzögerten britischen an die ohne Verzögerung weiterlaufende italienische und deutsche Produktion, wieder ausgeglichen werden sollte. Die zwischenzeitlich in Deutschland und in Italien auf Halde produzierten Bauteile sollten im Fertigungszeitraum des dritten Loses in den Jahren nach 1982 in einem großen Aufholprogramm nachmontiert werden. Diesem neuen Programm stimmte der damalige Abteilungsleiter Rüstungstechnik zu, ohne die Ent5676 scheidung des zuständigen Staatssekretärs einzuholen, wiewohl der Leiter der Haushaltsabteilung die Finanzierbarkeit dieses Programms ausdrücklich nicht bestätigte. Zuvor hatte der zuständige Staatssekretär Dr. Schnell entschieden, daß dem Abschluß eines dritten Ergänzungsabkommens zur Regierungsvereinbarung über die Serienfertigung dann keine Bedenken entgegenstünden, wenn künftige Haushalts- und Finanzpläne dadurch nicht präjudiziert würden. Das mit dem neuen Lieferprogramm eingegangene Haushaltsrisiko ist in seinen Auswirkungen allerdings Bediensteten des BMVg nur teilweise zuzurechnen. Die NATO-Agentur NAMMA schätzte nämlich, wie sie im November 1980 mitteilte, im Jahre 1979 und Anfang 1980 den zu erwartenden Mehrbedarf um 250 Millionen DM zu niedrig. Den für den Vertragsschluß im BMVg Verantwortlichen muß indes das Haushaltsrisiko in Höhe des von der NAMMA bei Vertragsschluß geschätzten Mehrbedarfs von 240 Millionen DM über dem Ansatz des Haushalts 1980 zugerechnet werden. Das mit dem vertraglich vereinbarten neuen Lieferprogramm 1979 begründete Haushaltsrisiko trat in seinem vollen Umfang im Sommer 1980 zutage, als die NAMMA für 1980 einen Mehrbedarf von über 600 Millionen DM geltend machte und für 1981 einen Mehrbedarf von über 800 Millionen DM avisierte. Vorherige NAMMA-Mitteilungen über Mehrbedarfsschätzungen für 1980 und 1981 konnten weder von der NAMMA noch vom Systembeauftragten mit Nachweisen entsprechender Vertragsverpflichtungen begründet werden. Aus demselben Grund kam es, wie insbesondere auch der frühere Staatssekretär Dr. Schnell vor dem Ausschuß ausgeführt hat, auch nicht zu einer Mehrbedarfsmeldung für MRCA zum Nachtragshaushalt 1980. Die zweite Ursache für den in den Jahren 1980 und 1981 aufgetretenen Mehrbedarf liegt in den einschlägigen Haushaltsaufstellungserlassen des Bundesministers der Finanzen, nach denen Haushaltsmeldungen der Preisstand zum 31. Dezember des vorvergangenen Haushaltsjahres zugrunde zu legen war. Voraussehbare Preisteigerungen vom Aufstellungsstichtag bis zum laufenden Haushaltsj ahr in Höhe von 138 Millionen DM für 1980 und 201 Millionen DM für 1981 durften so im Haushalt nicht veranschlagt werden. Die dritte Ursache schließlich liegt in den Auswirkungen der Umsatzsteuernovelle 1980 auf den Mehrwertsteuerbedarf bei MRCA, die im BMVg seinerzeit nicht übersehen wurden und über die meines Wissens noch heute - noch heute! - Verhandlungen mit den zuständigen Finanzbehörden des Freistaates Bayern geführt werden. - Soweit die Ursachen. Aus der militärischen Planung herrührende Ursachen konnte die Ausschußmehrheit nicht feststellen. Der Generalinspekteur der Bundeswehr hat bei seiner Anhörung insoweit zutreffend festgestellt - ich zitiere -, daß es sich bei Tornado nicht um ein Organisations- oder Planungsproblem handelt, sondern daß wir es vielmehr mit einem Finanzierungsproblem, im wesentlichen mit einem Haushaltsproblem 1980, bezogen auf die Zeitachse, zu tun haben. ({3}) Mit der Frage nach den Auswirkungen der in den Jahren 1980 und 1981 aufgetretenen Finanzierungsschwierigkeiten komme ich zum zweiten Schwerpunkt meines Berichts. Der in den Jahren 1980 und 1981 angefallene Mehrbedarf von insgesamt 1 486 Millionen DM wurde, wie Sie wissen, mit dem Haushalt 1981 über eine Erhöhung der ursprünglichen BMVg-Anmeldung von 1 750 Millionen DM auf den von diesem Hause beschlossenen Ansatz von 3 065 Millionen DM in Höhe von 1 315 Millionen DM und im übrigen durch einen Haushaltsausgaberest aus dem Jahre 1978 in Höhe von 171 Millionen DM gedeckt. Bei anderen Titeln wurden hierbei Einsparungen in Höhe des Haushaltsausgaberestes von 171 Millionen DM im Haushalt 1980 und in Höhe von 175 Millionen DM im Haushalt 1981 vorgenommen. Diese Einsparungen, für die der Mehrbedarf bei MRCA unmittelbar ursächlich wurde, haben nach dem Urteil des Planungsbeauftragten der Bundeswehr, nämlich des stellvertretenden Generalinspekteurs - ich zitiere wiederum -, „entsprechend ihrer gemessen am Gesamtplafond unbedeutenden Größenordnung in den Jahren 1980 und 1981 zu einer geringen, jedoch nicht im einzelnen quantifizierbaren und qualifizierbaren Einschränkungen der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr geführt". Eine kausale Zuordnung weitergehender Auswirkungen insbesondere auf andere Beschaffungsvorhaben zu den Finanzierungsschwierigkeiten bei MRCA ist nach dem einhelligen Urteil aller militärischen Planer vor dem Untersuchungsausschuß weder qualitativ noch quantitativ möglich. Allerdings hat MRCA, nicht wegen der hier zu untersuchenden Finanzierungsschwierigkeiten der Jahre 1980 und 1981, sondern im Verein mit allen anderen Großbeschaffungsvorhaben zur „Runderneuerung" der Bundeswehr zu einer Planungsenge insoweit beigetragen, als die von diesem Hause bewilligten realen Zuwachsraten des Einzelplans 14 die Preissteigerungen aller dieser als „Biehle-Vorhaben" bezeichneten Vorhaben nicht zu decken vermögen. ({4}) Auf Grund dieser gesamtwirtschaftlich notwendigen Haushaltsvorgaben ist die Bundeswehr, liebe Kolleginnen und Kollegen, zunehmend genötigt, an der Peripherie dieser Großvorhaben, d. h. bei der Bewaffnung, dem Fernmeldematerial und anderem, zu strecken, zu schieben und zu streichen. Dies soll nicht beschönigt werden. Nur ist es eben keine spezifische MRCA-Folge, schon gar nicht eine Folge der 1980 und 1981 eingetretenen Finanzierungsschwierigkeiten. Es ist vielmehr die Folge verbindlicher Beschaffungsaufträge, die wir zu Zeiten des großen Füllhorns bestellt, nun aber zu Zeiten des Klingelbeutels zu zahlen haben. ({5}) Ich komme nun, meine Damen und Herren, zum letzten Schwerpunkt meines Berichts, dem Ergebnis der von der Ausschußminderheit - ich wende mich nach rechts - besonders emsig betriebenen Untersuchung der Frage, wer was im BMVg gewußt oder geahnt hat. Für die Ausschußmehrheit galt und gilt hier der schlichte Erfahrungssatz, daß der Minister nicht mehr wissen konnte als seine verantwortlichen Staatssekretäre, diese nicht mehr als die ihnen zuarbeitenden Abteilungsleiter. Wird dieser angesichts des bewährten hierarchischen Aufbaus unserer Ministerien eigentlich selbstverständliche Ausgangspunkt akzeptiert, wird das Bemühen, den Informationsstand auf jeder Ebene der innerministeriellen Hierarchie möglichst lückenlos darzustellen, und damit zugleich der Umfang des vorgelegten Untersuchungsberichts verständlich. Im Ergebnis ist auf dieser Grundlage die Frage nach dem Kenntnisstand des Ministers einfach zu beantworten. Im Jahre 1979 stimmte er der von seinen Staatssekretären einvernehmlich gebilligten Anmeldung zum 13. Finanzplan zu. Von dem kurze Zeit danach mit einem neuen Lieferprogramm begründeten Risiko für die Haushaltsjahre 1980 ff. erfuhr nicht einmal der zuständige Staatssekretär, schon gar nicht der Minister. ({6}) Eine Vorlage des Generalinspekteurs vom 1. Juni 1979, mit der dieser den Minister bat, in den Chefgesprächen mit dem Bundesminister der Finanzen zum Haushalt 1980 bzw. zum 13. Finanzplan die zuvor festgelegte Haushaltsanmeldung nachhaltig zu vertreten, hielt Staatssekretär Dr. Hiehle an: Ihre Weiterleitung an den Minister erübrigte sich, weil die vom Minister selbst vorgesehene Verhandlungslinie dem Anliegen des Generalinspekteurs voll entsprach. Nachdem der Bundesminister der Finanzen den Aufwandsforderungen des Verteidigungsministers nur zu 35 % entsprechen konnte, erreichte den Minister im Jahre 1979 lediglich eine Vorlage des Generalinspekteurs vom Oktober, in der er mitteilte, daß die Arbeit am Fünfjahresprogramm 1984 nunmehr zugunsten des Fünfjahresprogrammes 1985 eingestellt werde, da das Fünfjahresprogramm 1984 seinen Zweck als Grundlage der Finanzverhandlungen mit dem Bundesminister der Finanzen erfüllt habe. Ich halte für die Ausschußmehrheit fest: Im Jahre 1979 erreichte den Minister zu einem möglichen Mehrbedarf bei MRCA im Jahre 1980 keine Information. ({7}) Im Februar 1980 wird dem Minister ein Vermerk seines damaligen Staatssekretärs Dr. Schnell vorgelegt, betreffend den Haushalt 1981 und das Fünfjahresprogramm 1985. Weder in der Vorlage des Staatssekretärs selbst noch in den als Anlage beigefügten Stellungnahmen der Inspekteure der Teilstreitkräfte noch in der Gesamtbewertung des Generalinspekteurs zum Fünfjahresprogramm 1985 war eine mögliche Haushaltsunterdeckung für das Jahr 1980 erwähnt. ({8}) Einer der genannten Anlagen war als weitere Anlage u. a. ein Referentenvermerk des Systembeauftragten MRCA betreffend den Haushalt 1981 beigefügt. Dieser erwähnte im Rahmen der Bedarfsprognose für das Haushaltsjahr 1981 in konjunktivischer Bezugnahme auf NAMMA-Mehrbedarfsschätzungen für das Jahr 1980, zog sie indes nur hilfsweise zur Begründung der Bedarfsschätzung für 1981 heran. Am 15. September 1980, nachdem zwischenzeitlich die NAMMA die aus dem 1979 vereinbarten neuen Lieferprogramm erwachsenen Mehrbedarfsforderungen der Industrie geltendgemacht hatte, unterrichtete Staatssekretär Dr. Schnell mündlich den Minister, nicht ohne darauf hinzuweisen, daß Rechtsverbindlichkeit und Höhe derzeit noch geprüft würden. Noch am 27. Oktober 1980 konnte - dies hat Dr. Schnell ebenso wie der stellvertretende Generalinspekteur bei seiner Anhörung besonders betont - die Frage des Ministers nach der Rechtsverbindlichkeit dieses Mehrbedarfs nicht beantwortet werden. Die Aussage des Ministers, genaue Informationen über Höhe und Rechtsverbindlichkeit des von der Industrie geforderten Mehrbedarfs nicht vor dem 17. und 18. November 1980 erhalten zu haben, wurde durch die dem Ausschuß vorliegenden Dokumente und die zu dieser Frage angehörten sachverständigen Zeugen nicht nur nicht widerlegt, diese Aussage des Ministers wurde eindrucksvoll bestätigt. ({9}) Zum Abschluß meines Berichtes gestatten Sie mir noch einige wenige Worte zu den vom Minister aus den genannten Erfahrungen bereits vor Beginn des Untersuchungsverfahrens gezogenen Konsequenzen. Die Ausschußmehrheit hat als mitursächlich für die Finanzierungsprobleme der Jahre 1980 und 1981 organisatorische Schwachstellen festgestellt, insbesondere die fehlende Erfassung der von der NAMMA zu Lasten des deutschen Haushalts gegenüber der Industrie eingegangenen Verpflichtungen. Minister Dr. Apel hat mit dem von ihm unter dem 22. Januar 1982 übersandten Katalog organisatorischer Maßnahmen die Behebung der festgestellten Schwachstellen angeordnet. ({10}) Im Haushaltsplan 1982 wurde zudem MRCA/Tornado erstmals nicht mit dem Preisstand des vorvergangenen Haushaltsjahres, sondern mit dem hochgerechneten Preisstand zur Jahresmitte 1982 veranschlagt. Wir, die an der Untersuchung Beteiligten - ich hoffe, das darf ich auch für die Ausschußminderheit sagen -, haben viel gelernt. Unsere Achtung vor der Kompetenz und der Einsatzbereitschaft vieler Mit5678 arbeiter des Bundesverteidigungsministeriums ist gewachsen. Mein Dank gilt den Mitarbeitern des Ausschußsekretariats und der Fraktionen, deren Einsatz der vorliegende Bericht - ich meine, dies ist ein Lehrbuch für die Komplexität moderner Rüstungsvorhaben - wesentlich zu verdanken ist. Auf der Grundlage der in diesem Bericht lückenlos aufbereiteten Ergebnisse der Beweisaufnahme stelle ich für die Ausschußmehrheit fest: Dem Minister vorwerfbare Versäumnisse hat die Untersuchung nicht erbracht. ({11}) Wir aber, die Mitglieder des Verteidigungsausschusses, sollten uns gehalten sehen, die gewonnenen Einsichten bei der Kontrolle des Bundesministeriums der Verteidigung, des größten Investors in der Bundesrepublik Deutschland, einzubringen und bei künftigen Entscheidungsprozessen mit dem Haushaltsausschuß verstärkt mitzuwirken. - Ich habe mich bei Ihnen für Ihre Geduld zu bedanken. ({12})

Richard Wurbs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002576

Meine Damen und Herren, ich darf fragen: Wird das Wort weiterhin zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Wimmer.

Willy Wimmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002524, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht über den Untersuchungsausschuß „Tornado" kann nicht gegeben werden, wie mein verehrter Herr Vorredner schon gesagt hat, ohne denen zu danken, die in besonderer Weise zum arbeitsmäßig soliden Ablauf beigetragen haben. Mein Dank gilt aber besonders den stets zuverlässigen Mitarbeitern des Stenographischen Dienstes und dem Sekretariat des Ausschusses, das uns in besonderer Weise geholfen hat, mit der Papierflut fertig zu werden. Dem Vorsitzenden unseres Ausschusses, dem Herrn Kollegen Dr. Marx, kommt das Verdienst zu, in einer so wichtigen Untersuchung, die die Grundfragen unserer Verteidigungspolitik berührte und deshalb naturgemäß kontrovers war, durch seine verständnisvolle Art einen Ausgleich zu finden, der eine sinnvolle Arbeit ermöglicht hat. ({0}) Meine Damen und Herren, wo Licht ist, da ist naturgemäß auch Schatten, und diese Schatten waren bei den verehrten Damen und Herren der Koalitionsfraktionen besonders lang. So mußten wir nicht zuletzt wegen der Zusagen, die man uns gegeben hatte, bis vor zwei Wochen davon ausgehen, wir könnten über unsere eigentlichen Untersuchungen und deren Ablauf während eines Jahres einen gemeinsamen Bericht erstellen. ({1}) Diese Zusagen bezogen sich auf eine pure Selbstverständlichkeit, nämlich darauf, wesentliche Teile der tatsächlichen Untersuchungen in einen zunächst lückenhaften Berichtsentwurf aufzunehmen. Ich darf an die Problematik der internationalen Verträge zum MRCA/Tornado, die Planungswirklichkeit im Bundesministerium der Verteidigung seit Amtsantritt des Ministers und die Vorgänge, die zu den Anmeldungen für den Haushalt 1980 führten, ebenso erinnern wie an das sogenannte Aufholprogramm und die beiden Anträge, die zum Nachtragshaushalt 1980 gestellt worden sind. Entgegen den Zusagen und in einem handstreichartigen Verfahren versuchte man, uns zur Annahme eines lückenhaften und damit fehlerhaften Berichtes zu veranlassen. Unsere Weigerung, an einer offensichtlichen Manipulation teilzunehmen, kann man deshalb gewiß verstehen. ({2}) Aber auch weitere Vorfälle belasteten die Arbeit schwer. So sagte uns Herr Minister Dr. Apel in seiner Vernehmung als Zeuge zu, alle relevanten Dokumente seines Hauses, soweit sie den Untersuchungsgegenstand betrafen, dem Ausschuß unverzüglich auszuhändigen. Tatsächlich spielte sich aber ein wahres Drama ab. Wichtigste Unterlagen wurden entweder verspätet oder wie bei den Dokumenten zum Militärischen Führungsrat überhaupt nicht vorgelegt. ({3}) Andere liefen erst nach Monaten zu, und es sollte dadurch offensichtlich der Untersuchungszweck beeinträchtigt werden. ({4}) Abenteuerlich klingt das, was inzwischen zu den Versuchen des Ministers bekanntgeworden ist, die Existenz der Planungsstab-Studie zunächst verleugnen zu lassen und sie erst mit monatelanger Verspätung dem Ausschuß zuzuleiten. Ein Grund dafür kann nur darin gesehen werden, daß diese Studie bereits vor der Bundestagswahl 1980 seine, des Ministers Verantwortung für die Haushaltsmisere Tornado deutlich gemacht hat. Es muß davon ausgegangen werden, daß ihm diese Studie bereits Mitte September und nicht erst am 6. Oktober 1980 zugegangen ist, nachdem sie bereits Mitte September 1980 erstellt worden war, er sie aber wegen der Brisanz der Aussagen wieder zurückgegeben hatte. Daß die Koalition im Untersuchungsverfahren vor nichts zurückgeschreckt ist, ({5}) zeigt sich an mehreren Versuchen, zu wahrheitsgemäßen Aussagen verpflichtete sachverständige Zeugen durch Hinweise auf bestehende oder vermeintliche Loyalitätspflichten dem Minister gegenüber unter Druck setzen zu wollen. Wo man schon so offensichtlich ein vordemokratisches Rechtsverständnis an den Tag legen durfte, da konnte getreu dem Motto „Wie das Gescherr, so der Herr" auch Minister Dr. Apel natürlich nicht fehlen. Mitten in die Aussage des sachverständigen Zeugen und ehemaligen Generalinspekteurs der Bundeswehr, General a. D. Wimmer ({6}) Wust, platzte eine Presseerklärung, mit der Herr Dr. Apel Herrn Wust Falschaussagen in Punkten, zu denen sich Herr Wust überhaupt nicht geäußert hatte, nachzuweisen versuchte. ({7}) So bestritt in dieser Erklärung Herr Dr. Apel, daß Herr Wust sich in seinem Rücktrittsschreiben überhaupt auf das durch den Minister angerichtete Planungschaos im Bundesministerium der Verteidigung bezogen habe. Um so erstaunter mußten wir anschließend alle feststellen, daß genau dies der Grund war, den Herr General Wust in seinem Rücktrittsschreiben angegeben hatte. Nicht zuletzt durch diesen Versuch, die Integrität des ehemaligen Generalinspekteurs in Zweifel zu ziehen, wurde deutlich, daß die in sich geschlossenen, überzeugenden und sachlich fundierten Aussagen von Herrn Wust einen wesentlichen Kern des von Herrn Minister Dr. Apel auf der Hardthöhe ab 1978 verursachten Finanz- und Planungschaos getroffen hatten. So hat dieser Minister - und dies ist nach dem Ergebnis der Vernehmungen vor dem Ausschuß nicht streitig - das komplizierte, aber dennoch nötige und auch effektive Planungssystem mit einem Federstrich beseitigt, ohne etwas Neues an seine Stelle zu setzen. So mußte der oberste Soldat der Bundeswehr über Wochen vergeblich darauf warten, in wichtigen Planungsfragen dem Minister vortragen zu können, und wurde schließlich doch nicht vorgelassen. ({8}) Wichtigste Entscheidungen der Bundeswehr wurden ohne sachliche Vorarbeit durch den Minister getroffen. Vor allem beseitigte Herr Dr. Apel die Konsultation mit den Planungsverantwortlichen und damit das sogenannte dialogische Prinzip, das er selbst als den wichtigsten Planungsgedanken bezeichnet hat. ({9}) - Hören Sie doch auf Ihren Minister! So sah bereits nach wenigen Wochen die Amtspraxis eines Ministers aus, der offenbar nur mit einer Reihe lockerer Sprüche sein Amt angetreten hatte. Uns allen ist noch der von Herrn Dr. Apel geprägte Satz in Erinnerung, das Bundesministerium der Verteidigung fülle ihn nicht aus; er könne es gleichsam mit der linken Hand führen. ({10}) - Lieber einen Wimmer als einen Penner im Ministerium! Das von Herrn Dr. Apel dadurch verursachte Planungschaos ging mit einer anderen negativen Entwicklung einher. Seit 1978 bis heute wurde kein für die Bundeswehrplanung gültiger sogenannter Fünfjahresplan mehr mit der Unterschrift des Ministers versehen und damit verabschiedet. Eine verantwortliche Planung für die Streitkräfte kann seither nicht mehr betrieben werden. Auch die jährlich zu verabschiedende mittelfristige Planung in den sogenannten Finanzplänen wurde durch Herrn Dr. Apel in ein Chaos gestürzt, von dem sich das Beschaffungsvorhaben Tornado und die gesamte Bundeswehrplanung vermutlich nicht mehr erholen werden. Neben den finanziellen Folgen führte dies dazu, daß die Bundeswehrplanung nicht mehr im Rahmen klar umrissener Strukturen, sondern durch den Minister zusammen mit seinem berüchtigten Küchenkabinett mit dem ehemaligen Abteilungsleiter Haushalt, Herrn Dr. Padberg, durchgeführt wurde. ({11}) Damit wurde zweierlei völlig aus dem Blickfeld verloren bzw. bewußt anders strukturiert und organisiert. Die über einen mehrjährigen Zeitraum betriebene kontinuierliche Planung wurde außer Kraft gesetzt. Man mußte dazu übergehen, die Bundeswehrplanung mit der sogenannten Runderneuerung der Bundeswehr nach dem auszurichten, was jährlich an Haushaltsmitteln zur Verfügung stand, und nicht mehr an dem, was sich aus den eingegangenen Verpflichtungen und der Bedrohungslage ergab. Das Ganze war nach eigener Aussage von Herrn Dr. Apel seit seinem Amtsantritt durch einen sinkenden Anteil des Verteidigungshaushalts am Bundeshaushalt und einer negativen Entwicklung, bezogen auf den Anteil am Bruttosozialprodukt, bestimmt. So ging der Anteil des Einzelplans 14 am Gesamthaushalt von 1979 bis 1982 von knapp 21 % auf unter 18 % zurück; der prozentuale Anteil am Bruttosozialprodukt verringerte sich von weniger als 3 auf 2,1 %. ({12}) - Also Ihnen kann ich mit Sicherheit nicht genug sagen, Herr Kollege. In einer so negativ verlaufenden Haushaltslage wäre sorgfältige Planung oberstes Gebot gewesen. Sie wurde von Herrn Dr. Apel bewußt mißachtet. Für das Beschaffungsvorhaben Tornado bedeutete dies, daß hier, beispielhaft für die Gesamtplanung der Bundeswehr, auch wegen der finanziellen Größenordnung der Beschaffung die Finanzierung notleidend werden mußte. Dafür gab es zwei Gründe. Durch Herrn Dr. Apel wurde konsequent ignoriert, daß in den internationalen Verträgen, die der Beschaffung Tornado zugrundeliegen, vor allem in dem berühmten MoU 10 und seinen zahlreichen Zusatzverträgen aus 1976 - dazu hatte der Finanzminister Dr. Hans Apel der Freigabe der sogenannten Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von mehr als 14 Milliarden DM zugestimmt -, der jährlich von der Bundesrepublik aufzuwendende Finanzbedarf, bezogen auf die Gesamtfertigung und die Zahl der Flugzeuge, festgelegt ist. Bei AWACS und Roland, zwei großen Beschaffungsvorhaben, hat man das offensichtlich wieder respektiert. Die Bundesrepublik hat sich damit den Partnern - Großbritannien und Italien - gegenüber verpflichtet, in bestimmter Höhe Haushaltsmittel in ihren Jahreshaushalt einzusetzen. Geschieht dies nicht und wird dadurch die wirtschaftli5680 Wimmer ({13}) che Fertigung gestört, so wird die Bundesrepublik Deutschland schadensersatzpflichtig, und zwar in voller Höhe - dies dank verschärfender Bestimmungen aus der Zeit, der auch von Herrn Dr. Apel den europäischen Partnern gegenüber betriebenen Großmaulpolitik. Nur um von dieser Konsequenz abzulenken, hat die Koalition die Frage der sogenannten Industrieverträge zu den jeweiligen Losen hochstilisiert. Sie sind, mit aller Sorgfalt in der Aufstellung, nur die Ausfüllung der internationalen Verpflichtungen. Daß Herr Dr. Apel, der dieses Argument zur Entschuldigung für eigenes Fehlverhalten ebenfalls gerne verwendet, dies im Grunde nicht anders sieht, zeigt er deutlich. Nichts Wesentliches hat sich, obwohl ein weiteres Los unterschrieben worden ist, seit 1979 im Verfahren dazu geändert. Ein weiteres Geschehen offenbart noch deutlicher das Versagen von Herrn Dr. Apel, einen ordentlichen Haushalt für MRCA/Tornado sicherzustellen. 1978 flossen, streikbedingt in Großbritannien, in der Größenordnung von 350 Millionen DM Haushaltsmittel des Titelansatzes Tornado nicht ab. Nicht, daß man hinging und diese Mittel wieder für den Zeitpunkt einsetzte, wo das streikbedingte Fehl wieder aufgeholt war - man strich für den Zeitraum 1979 bis 1982 gleich 1,6 Milliarden aus dem Gesamtprogramm heraus. Auf den Preisstand 1980 hochgerechnet waren es 2,5 Milliarden DM. Nachdem die Misere nicht mehr zu verheimlichen war, wurden auch mit 2,7 Milliarden DM fast die fehlenden Mittel 1981 wieder in den Haushalt bzw. in die Planung eingestellt. Als Schutzbehauptung hat Herr Dr. Apel immer wieder dazu vorgetragen oder durch seinen getreuen Ekkehard aus seinem Küchenkabinett vortragen lassen. ({14}) - Herr Dr. Padberg, damit es Ihnen klar ist -, man habe gleichsam unter einem Schock gestanden und sich nicht getraut, die Mittel im Bundestag wieder zu beantragen. Diese durchsichtige Entschuldigung wird durch mehrere Argumente stichhaltig ad absurdum geführt. Die internationalen Partner - England als damaliges Streikland - und die Industrie wurden durch drakonische Vertragsbestimmungen gezwungen, die Fertigungsverträge pünktlich genau einzuhalten. Andernfalls wurde sofort und in voller Höhe Schadenersatz fällig. Die durch die rigorose Kürzung freiwerdenden Mittel wurden in etwa gleicher Höhe für die Beschaffung von AWACS unter anderem verwendet. Um einen Schock kann es sich auch deshalb nicht gehandelt haben, weil dies - ob positiv oder negativ - nach dem Jahresbericht 1980 des Bundesrechnungshofs ständige Praxis beim Bundesministerium der Verteidigung war. Der sachverständige Zeuge Wust hat dies überzeugend bestätigt. ({15}) In diesem Rahmen baut sich das Szenario auf, das 1979, 1980 und 1981 dazu führte, nicht genügend Mittel im Haushalt für Tornado zur Verfügung zu haben. So nimmt es nicht Wunder, daß die Anforderungen der dazu nach dem Beschaffungsvertrag berechtigten und verpflichteten NATO-Agentur NAMMA, im Haushalt 1980 gut 1,9 Milliarden zur Verfügung zu stellen, zum Teil durch eigenmächtige Kürzungen des Abteilungsleiters Haushalt auf von Anfang an völlig unzulängliche 1,2 Milliarden reduziert wurden. Seit dem Frühjahr 1979 nun wurde Herr Dr. Apel nachweislich über die Probleme in Kenntnis gesetzt, die sich aus dem zu geringen Haushaltsansatz für 1980 und in der Planung für 1981 ergaben. So unterrichtete ihn der Generalinspekteur mit Schreiben vom 1. Juni 1979 darüber, daß für 1980 und 1981 gut 1,2 Milliarden DM für Tornado fehlen würden. Dazu haben alle - alle - befragten Zeugen ausdrücklich festgestellt, daß Herr Dr. Apel, der diese Information wegen der sogenannten Chefgespräche beim Finanzminister benötigte, die in dem Schreiben wiedergegebene Information voll - voll - erhalten hat. ({16}) Offensichtlich kann sich in diesem Zusammenhang Herr Staatssekretär Dr. Hiehle rühmen, Pate für eine bedenkliche Vorlagepraxis, die bis heute ihr Unwesen im Bundesministerium der Verteidigung betreibt, gestanden zu haben. Seither kann er für sich in Anspruch nehmen, den sogenannten nachweislosen Entscheidungsvorgang erfunden zu haben. Nur haben die hier in Frage kommenden Zeugen deutlich gemacht, daß die Information, auf die es überhaupt nur ankam, an Herrn Dr. Apel zweifelsfrei weitergegeben worden ist. Auch Herr Dr. Hiehle hat dies bestätigt. Wenige Wochen später, im Juni 1979, machte es der MRCA-Jahresbericht erneut deutlich. Hier wurde definitiv festgestellt, daß bereits zu diesem Zeitpunkt feststand, daß für 1980 und 1981 der Tornado-Beschaffungstitel eine Unterdeckung aufweisen würde. Außerdem wurde auf die Untersuchung einer Kommission, die exakt zu diesem Zweck eingerichtet worden war, verwiesen. Nach eigenen - eigenen - Angaben hat Herr Dr. Apel diesen Bericht in vollem Umfang gelesen, obwohl er weniger als 48 Seiten hatte. Er wußte auch, welche Bedeutung das Parlament diesem Bericht beigemessen hatte. Gerade wegen der Bedeutung der Beschaffung ließ sich das Parlament jedes Jahr diesen Bericht vorlegen. Es blieb dem Bundesminister der Verteidigung vorbehalten, den anschließenden Jahresbericht 1980 über ein Jahr zu verschleppen, offenbar um seine Verschleierung im Jahre 1980 und damit über den Wahltag, den 5. Oktober 1980, hinaus betreiben zu können. ({17}) Obwohl ihm die Planungs- und damit die Finanzenge bei der Bundeswehr und insbesondere beim Tornado bekannt war, sicherte er dem Parlament noch im September 1979 bei der Vorlage der Liste Wimmer ({18}) über die Beschaffungsvorhaben wahrheitswidrig zu, alles sei finanzierbar und abgesichert. Zur Jahreswende 1979/80 brechen nun all die Schutzbehauptungen, die Herr Dr. Apel aufgestellt hat, um von seiner Verantwortung abzulenken, voll in sich zusammen. Originalton Dr. Hans Apel: Ich unterstreiche deshalb meine Aussage vor dem Verteidigungsausschuß vom 18.12. 1980 und 22. 1.1981. Auf Grund der Aktenlage und der an mich herangetragenen Informationen konnte ich das sich anbahnende Fehl für Tornado im Jahre 1980 vor Herbst letzten Jahres nicht erkennen. Und ich sage, über Planungsprobleme waren alle informiert, über aktuelle Haushaltsprobleme 1980 keiner von den Verantwortlichen, die mir zuarbeiten oder die zur politischen Leitung gehören. ({19}) Worauf ich Wert lege, - so Dr. Hans Apel ist, daß ich weder im Februar noch im Mai über Finanzierungsprobleme von MRCA 1980 unterrichtet worden bin. ({20}) Vorgetragen worden war das weitere Argument, das zwischen den Partnern vereinbarte Aufholprogramm sei schuld an der Unterdeckung. Daß dieses Programm nur ein Volumen von ca. 20 Millionen DM für uns ab 1982 hatte - in Anbetracht des Gesamtvolumens keine sehr erhebliche Größe -, störte die Koalition auch wenig. Gerade vor wenigen Wochen hat der Bundesminister der Verteidigung im Verteidigungsausschuß den Verzicht auf dieses Programm damit begründet, daß es finanziell ganz unerheblich sei und ohne weiteres aufgehoben werden könne. Beide, Herr Dr. Apel und die Koalition, betrieben jedoch fleißig Desinformation; so habe niemand „umgeschnallt" und sei zu ihm gekommen, um ihn über die besondere Problematik Tornado im Haushaltsjahr 1980 zu unterrichten. Bevor er das Märchen mit der Rechtsverbindlichkeit erfand, war das die beliebteste Ausrede von Herrn Dr. Apel. Was hat es damit auf sich? Bereits seit Sommer 1979 mehrten sich bei dem Systembeauftragten die Anzeichen dafür, daß die Produktion jetzt programmgemäß lief und daß schon für das noch laufende Haushaltsjahr 1979 das Geld im Bundeshaushalt nicht ausreichen würde. Das ergab sich aus den bis dahin geschlossenen Verträgen zum ersten und zum zweiten Los und zum sogenannten Aufholprogramm. Damit bricht auch das von der SPD und FDP zu Beginn des Apel-Skandals benutzte Argument, dieses Aufholprogramm sei schuld an der Haushaltsunterdeckung, in sich zusammen. Das gilt auch für das neue Märchen, das im Frühjahr 1979 unterzeichnete dritte Los habe die Unterdeckung 1979, 1980 und 1981 verursacht, weil sein Volumen höher gewesen sei als die Mittel in der mittelfristigen Planung und im Jahreshaushalt 1980 für diesen Zeitraum. Der Fertigungszeitraum für ein Los läuft über gut vier Jahre und erreicht erst im dritten und im vierten Jahr einen Höhepunkt der Mittelbereitstellung. Wenn im Frühsommer 1979 die Unterschrift unter das dritte Los vollzogen wurde, liefen Rechnungen in geringem Umfange aus diesem Los im Verlaufe des Jahres 1980, spätestens 1981, zu, keinesfalls aber in einer Größenordnung, die diese Dimension sprengen würde. 1979, als sich bereits im Sommer die Unterdekkung herausstellte, spielte das dritte Los überhaupt keine Rolle mehr. Die zahlenmäßige Unterdeckung belief sich 1979 bereits auf gut 250 Millionen DM bei einem Gesamtetat von 800 Millionen DM. Hinzu kam 1979, daß die Ansätze zum sogenannten 13. Finanzplan für den Zeitraum bis 1985 auf die Größenordnung des 12. Finanzplans zurückgeführt werden mußten und daß damit für Tornado erneut mehr als 1 Milliarde DM herausgenommen werden mußte. Wegen der krisenhaften Entwicklung läutete der Systembeauftragte für dieses Waffensystem wiederholt die Alarmglocke, und der Inspekteur der Luftwaffe sowie der Abteilungsleiter Rüstung schlossen sich dem voll an. Ziel der Aktivitäten war es, nach der Unterdeckung für 1979 das für 1980 in wesentlich größerem Umfang zu erwartende Loch rechtzeitig zu schließen. Außerdem sollte für die Jahre 1980 bis 1985 insgesamt ein Betrag von 1,2 Milliarden DM zusätzlich in die Planung eingestellt werden, um die Fehlentscheidung des Ministers in Verbindung mit dem Abteilungsleiter Haushalt aus dem Frühjahr 1979 zu korrigieren. Die Entwicklung war so krisenhaft, daß der Inspekteur der Luftwaffe beschloß, eine speziell für den Minister gedachte Vorlage zur finanziellen Situation 1980 und 1980 bis 1985 vorzulegen. Dabei gingen alle Teilnehmer an den dafür besonders einberufenen Besprechungen davon aus, daß für den Planungszeitraum 1981 bis 1985 bereits aus dem Jahr 1980 ein Verlustvortrag in der Größenordnung von rund 300 Millionen DM in das nächste Jahr 1981 übertragen werden mußte. Diese speziell für den Minister gefertigte Vorlage ist die berühmte, aus mehreren Seiten bestehende Vorlage vom 11. Februar 1980, aus der die erwartete Unterdekkung von gut 400 Millionen DM im Jahr 1980 hervorgeht. Der Inspekteur der Luftwaffe und der Systembeauftragte haben dazu deutlich gemacht, daß dies die Form der Darstellung war, die sie als Chef der deutschen Luftwaffe und Systembeauftragter für das Waffensystem Tornado verantwortlich vortragen konnten. Der Inspekteur der Luftwaffe als ehemaliger Systembeauftragter für das Waffensystem hat dazu erklärt, daß er mit seiner ganzen Verantwortung hinter dieser Vorlage stand und dies genau das war, was man von ihm erwarten konnte. Er hat auf diese speziell an den Minister gerichtete Vorlage keine Antwort erhalten. Sie war angekommen, und damit war ihre Information an den Minister gelangt. Des Ministers Aufgabe wäre es dann gewesen zu entscheiden, ob im Falle der Unklarheit nachzufragen war oder nicht. Weder er noch der Abteilungsleiter Haushalt haben je die Angaben des Inspekteurs der Luftwaffe oder des Systembeauftragten in begründetem Zweifel angegangen und zusätzliche Wimmer ({21}) Informationen erbeten. Der Inspekteur der Luftwaffe, der Abteilungsleiter Rüstung und der Systembeauftragte haben also das getan, was man von ihnen erwarten konnte. Sie haben also „umgeschnallt" und den Minister in einer besonders für ihn gedachten Vorlage unterrichtet. Aber was soll man von einem Minister erwarten, dessen Wappentiere offenbar an berühmte Vorbilder erinnern: nichts hören, nichts sehen, nicht handeln! Auch einer weiteren Schutzbehauptung in diesem Zusammenhang wurde nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme der Boden entzogen. Herr Dr. Apel hat immer wieder erklärt: Wenn doch nur jemand einen Antrag zum Nachtragshaushalt 1980 gestellt hätte, wäre er bestimmt aufmerksam geworden und hätte auch reagiert, aber genau das sei durch die kochbezahlten Mitarbeiter seines Hauses unterblieben. Die Tatsachen sind jedoch anders. Bereits im Januar 1980 wurde ein entsprechender Antrag für den Beschaffungstitel MRCA neben anderen Beschaffungsmaßnahmen in Höhe von 350 Millionen DM gestellt. Herr Dr. Apel trägt das selbst im Kabinett vor und bekommt durch die Entscheidung des Bundeskanzlers nichts. Am 22. Februar 1980 unternimmt der Systembeauftragte auf Anweisung des Führungsstabes der Streitkräfte einen erneuten Versuch, in Höhe des zu erwartenden Unterdekkungsbetrages von zunächst 400 Millionen DM Nachtragsmittel im Haushalt zu erhalten. Er muß jedoch erleben, daß die Bemühungen des Führungsstabes der Streitkräfte und seine eigenen, diese Mittel zu erhalten, durch den Abteilungsleiter Haushalt ({22}) - Sie hören das nicht gern - und den Minister im April 1980 erneut torpediert werden. ({23}) Als diese beiden Versuche mit dem Nachtragshaushalt scheiterten, fängt Herr Dr. Apel an, Schuldige zu suchen. Wer ihn kennt, weiß, daß er damit nicht bei sich selbst anfängt. ({24}) Im April 1980, in Tokio und auf der Luftfahrtausstellung in Hannover im gleichen Monat, macht er die Verantwortlichen aus: Kostenexplosion bei Rüstungsgütern und die Industrie. Er muß sich im Mai 1980 bei einer von ihm eigens dazu einberufenen Konferenz vom Systembeauftragten nachweisen lassen, daß er erneut nichts gesagt hat, was sich mit der Wirklichkeit deckte. In der Vorbereitung beider Reden hatte der Systembeauftragte Herrn Dr. Apel nämlich auch die wahren Gründe der Haushaltsmisere auf Anforderung mitgeteilt. Kein Wunder, daß nicht nur er erstaunt war, was der Minister aus seinen zutreffenden Angaben gemacht hatte! Das galt aber nicht nur für ihn. Auch der Generalinspekteur und der Führungsstab der Streitkräfte mußten sich am 28. Mai 1980 fragen, ob sie eigentlich eine Presseerklärung des Ministers vom gleichen Tag zutreffend mitbekommen hatten. Da haben sie, der Generalinspekteur, der Inspekteur der Luftwaffe und der Systembeauftragte, u. a. die Finanzlage Tornado und mit den anderen Inspekteuren die Gesamtlage der Streitkräfte erörtert, und der Generalinspekteur stellt fest, daß ohne wesentliche Eingriffe in die Substanz der Bundeswehr nichts mehr geht. Da gibt Herr Dr. Apel unter Umgehung der zuständigen Stellen zusammen mit Herrn Dr. Padberg eine Presseerklärung heraus: Es könne alles für die Bundeswehr finanziert werden, und die Befürchtungen der Presse und der Opposition seien wieder einmal nur schwarze Löcher. Aber auch bei dieser Brandsitzung hatte der Inspekteur der Luftwaffe versucht, das Haushaltsproblem Tornado erneut anzusprechen. Ihm war damals in Anwesenheit des Ministers das Wort abgeschnitten worden. Im Juni 1980 erreichte den Systembeauftragten die Mitteilung der NAMMA, die für 1980 eingeplanten Beträge seien zu Ende. Im Juli 1980 kam die Mitteilung, daß 600 Millionen DM Unterdeckung bestünden. Von welcher Bedeutung war dabei diese Information der NAMMA? Sie hatte die Aufgabe, die Rechtsverbindlichkeit von Forderungen festzustellen, da sie die Zahlungen an die Industrie zu leisten hatte. Auf Grund dieser Besprechungen waren im Ministerium Informationen erfolgt, und zwar bis zum 15. September 1980, als dem Minister durch den Staatssekretär Dr. Schnell diese konkrete Information über die Unterdeckung zugegangen war. Interessant in diesem Zusammenhang und bemerkenswert für den Herrn Minister ist, daß er in Kenntnis aller Tatsachen auf eine entsprechende Anfrage des damaligen Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Herrn Dr. Wörner, die Ursachen für die Unterdeckung vor der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 wahrheitswidrig damit zu erklären suchte, die Industrie produziere mehr, als sie nach den Verträgen dürfe. Ich glaube, daß dies eine totale Verdrehung der Tatsachen war, die auch Herrn Dr. Apel bekannt waren. ({25}) Was ist eigentlich von einem Minister zu halten, dem alle diese Informationen zugehen, der aber einfach nichts tut, der nicht handelt, der zu Pressekonferenzen wie der berühmten am 8 August 1980, wo die deutsche Presse bereits alle Fragen zu Tornado stellte, andere hinschickte, damit er nicht hingehen mußte, der die Presselandschaft, die seit Anfang 1980 voll von dem Haushaltsproblem Tornado war, einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollte? Ist Herr Dr. Apel eigentlich nur das 150 000-DM- Mßverständnis auf der Hardthöhe, liebenswürdig und sonst nichts? Sein ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär und heutiger Bundesforschungsminister, Herr Dr. von Bülow, hat es deutlich in einem Brief an Herrn Dr. Apel ausgesprochen: „Alle wußten Bescheid, ich auch." Alle redeten davon. Und Herr Dr. Apel will es als einziger in seinem Haus nicht gewußt haben? Die Untersuchung hat ergeben: Er hat alles gewußt. Dieser Mann hat den Eid auf die Verfassung abgelegt, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Wimmer ({26}) Er hat sein Haus verantwortlich zu führen. Er steht für mehr als 600 000 Menschen gerade, deren Dienstherr er ist. Er vertritt uns im Bündnis und stellt eine Säule der realistischen Politik gegenüber dem Osten dar. Und dieser Minister soll es sich leisten können, nur Ignorant zu sein, den toten Mann zu spielen und nicht zu handeln, mehr Sorgfalt auf das wöchentliche Fußballspiel mit handverlesenen Teilnehmern zu legen ({27}) als auf die verantwortliche Leitung seines Hauses?! ({28}) Wir haben noch seine Erklärung im Ohr, ihn fülle das Amt nicht aus, er mache das schon mit einem Halbtagsjob. Das Amt hat diesen Minister gewogen und für zu leicht befunden. - Ich bedanke mich. ({29})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile dem Abgeordneten Neumann das Wort.

Paul Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001597, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon ein Novum in der Parlamentsgeschichte, daß eine Minderheit keinen Berichterstatter für den Minderheitsbericht benennt. Das ist verständlich, wenn man sich den Bericht ansieht; er ist nicht nur von der Seitenzahl her schwach, sondern auch vom Inhalt. ({0}) Die starken Worte, die heute hier gefallen sind, wären besser in einen besseren Bericht eingegangen. Dann brauchte sich Ihr Kakadu nicht in Tränen zu hüllen. ({1}) - Nein, ich meine den Kakadu.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klejdzinski?

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, ich habe die ganze Zeit etwas von Tornado gehört. Ich gehe davon aus, daß das ein Begriff aus der Meteorologie ist. „Kakadu" kann ich da aber nicht unterbringen.

Paul Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001597, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Entschuldigung! Da wir die ganze Zeit mit militärischen Abkürzungen zu tun haben, ist mir das dazwischengerutscht. Diese Abkürzung heißt schlicht und einfach „Kanzlerkandidat der Union". ({0}) - Hören Sie einmal, Herr Biehle ist damals noch mit den Erbsen bierhergekommen. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich wäre sehr gern sofort auf den Bericht eingegangen, aber die Unverschämtheit des Kollegen Wimmer zwingt mit dazu, etwas geradezurücken. Am 29. Oktober war die Beweisaufnahme abgeschlossen. Am 11. November gab es den Entwurf einer Gliederung des Berichts. Entsprechend dem Vorschlag des Vorsitzenden sollte der Berichtsentwurf bis zur ersten Sitzungswoche im Januar vorgelegt werden. Ich habe dann am 12. November gefordert, daß die einzelnen Berichtsteile in der ersten Januar-Woche ausgetauscht werden sollten. Am 2. Dezember machte der Vorsitzende des Ausschusses einen Vorschlag. Er meinte, wir sollten auf den Bericht verzichten, den eventuell das Sekretariat zu erstellen hätte; die Minderheit und die Mehrheit sollten eigene Berichte vorlegen. Das widerlegt ja doch wohl die Behauptung des Kollegen Wimmer, wir hätten uns gesperrt, denn wir haben das abgelehnt. Am 3. Dezember gab es eine Vereinbarung, bis zur ersten Sitzungswoche im Januar 1982 den Austausch der im Sekretariat erarbeiteten Sachverhaltsteile und der von den Fraktionen erstellten Würdigungen vorzunehmen. Die Schlußredaktion sollte in der ersten Sitzungswoche im Februar 1982 erfolgen. Am 15. Januar: Übergabe eines vom Ausschußsekretariat erarbeiteten Berichts, dessen Teil 4 wieder zurückgezogen werden mußte, weil er nicht annehmbar war. Am 2. Februar haben die Obleute vereinbart, am 12. März im Plenum zu debattieren. Am 8. Februar legte dann der Kollege Jung angesichts der vom Vorsitzenden immer wieder angesprochenen arbeitsmäßigen Schwierigkeiten des Sekretariats einen eigenen Entwurf zu dem Teil vor, der vom Sekretariat wieder zurückgezogen werden mußte. Am 11. Februar bestand Einvernehmen in der interfraktionellen Besprechung, daß über den Gesamtbericht am 4. März im Ausschuß und am 12. März hier im Plenum beraten werden sollte. Am 3. März erklärten schließlich die Berichterstatter der CDU/CSU, ihre Ergänzungswünsche in hinreichend formulierter Form nicht vorlegen zu können; die vorgesehene Terminierung könne nicht eingehalten werden. ({1}) - Erzählen Sie doch keine Märchen, Herr Wimmer. - Die Koalitonsberichterstatter haben daraufhin am 3. März einen eigenen vollständigen Bericht vorgelegt, der der Mehrheitsbericht des Ausschusses geworden ist. ({2}) Am 9. März, meine Damen und Herren, waren schließlich die Kollegen der CDU/CSU soweit, daß sie ihren Berichtsteil, diese 24, 25 Seiten fertig hatten. Am 10. März hat dann die Oppositionsfraktion darüber beraten, und am 11. März haben wir das bekommen. Am 12. März hätten wir es im Ausschuß beraten müssen. Wir hätten Fristeinrede einlegen Neumann ({3}) müssen oder können. Um das zu vermeiden, haben wir die ganze Nacht den Minderheitsbericht den tatsächlichen Aussagen der Zeugen und den Dokumenten gegenübergestellt. Aus dem Minderheitsbericht ergaben sich Behauptungen, die weder durch Zeugen noch durch Dokumente belegt sind. ({4}) Und hier stellt sich ein Kollege hin, der nicht bereit ist, einen Bericht zu verteidigen, sondern hier Schaumschlägerei betreibt und behauptet, wir hätten einen gemeinsamen Bericht verhindert. ({5}) Meine Damen und Herren, der Abschlußbericht der Mehrheit macht vor allem zweierlei deutlich. Erstens. Die von der Ausschußmehrheit aufgeworfene Frage nach den Ursachen der in den Jahren 1980/81 aufgetretenen Finanzierungsschwierigkeiten fand ihre Antwort in einer 1979 mit der Industrie vertraglich vereinbarten Produktions- und Lieferbeschleunigung ohne entsprechende Absicherung in Haushalts- und Finanzplanung. Die vom Bundesminister der Verteidigung inzwischen veranlaßten Maßnahmen berechtigen mich zu der Hoffnung, daß in der Zukunft ähnliche Haushaltsrisiken ohne Kenntnis der politischen Leitung im Verteidigungsministerium nicht mehr begründet werden. Zweitens. Der großangelegte Versuch der Opposition, den Bundesminister der Verteidigung der Lüge zu bezichtigen, ist in sich zusammengebrochen. Das ist ganz eindeutig. ({6}) Lieber Herr Kollege Wimmer, ich brauche nur wenige Aussagen der Beteiligten vor dem Untersuchungsausschuß zur Frage des Kenntnisstandes des Ministers zu wiederholen, um Ihnen dies zweifelsfrei vor Augen zu führen. So hat der frühere Staatssekretär Dr. Schnell über seine Besprechung mit dem Minister am 15. September ausgeführt - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten -: Sicher ist aber - daran kann ich mich genau erinnern -, - so Herr Schnell daß ich dem Minister in dieser Besprechung mitgeteilt habe, daß auch heute, also am 15.9 und auch am 5. 9., die genaue Höhe der Rechnungen, die genauen Fälligkeitsdaten und auch die genaue Rechtsverbindlichkeit noch nicht vorgelegen haben. Zum Kenntnisstand des Ministers im Monat Oktober hat der frühere Staatssekretär ausgeführt - ich zitiere -: ... nicht nur am 9., sondern auch am 27. 10. waren trotz Drängens von uns, von der Haushaltsabteilung und auch der Rüstungsabteilung, die genauen Zahlen noch nicht auf dem Tisch. Wörtliche Aussage! Diesen Sachverhalt hat der stellvertretende Generalinspekteur mit folgenden Worten unterstrichen: Weder am 9. noch am 27. Oktober war die Rüstungsabteilung in der Lage, diese klare Frage des Ministers - nämlich nach der endgültigen Höhe und Wirksamkeit der Verpflichtungen zu beantworten. Somit hat sich bestätigt, was der Bundesminister der Verteidigung von Anfang an betont hat: Er habe Kenntnis von konkreten rechtsverbindlichen Industrie-Mehranforderungen für das Jahr 1980 nicht vor dem 17./18. November 1980 erhalten. ({7}) - der 17./18. November lag freilich nach der Bundestagswahl. Lieber Kollege Weiskirch, der Minister wird Ihnen nicht die Freude machen, seine damaligen Aussagen zu widerrufen, die durch Aussagen anderer Personen untermauert sind. Er wäre ja dämlich. Dieser Befund, meine Damen und Herren von der Opposition, ist Ihnen natürlich nicht verborgen geblieben. Was tun Sie also? Nehmen Sie den selbst erteilten parlamentarischen Untersuchungsauftrag weiter ernst und prüfen - wie das die Ausschußmehrheit konsequent und, wie ich meine, erfolgreich tat -, wie es im einzelnen zu den Finanzierungsschwierigkeiten der Jahre 1980/81 kommen konnte und wie man ähnliches für die Zukunft verhindern kann? Nein, natürlich nicht. Sie setzen der über 400 Schreibmaschinenseiten starken, lückenlosen Dokumentation aller relevanten Vorgänge des Ausschußberichts einen Minderheitenbericht entgegen, in dessen ersten Kapitel - zirka 30 Schreibmaschinenseiten lang - Sie den untauglichen Versuch unternehmen, durch eine Vermischung von Teilzitaten und Wertungen, wie sie sich jeder redliche Journalist verbitten würde, entgegen der eindeutigen Dokumentenlage Bundesminister Dr. Apel doch noch am Zeug zu flicken. Meine Damen und Herren von der Opposition, wer mit Wendungen wie „besonders entlarvende Schutzbehauptung" oder „bewußte Verfälschung der Tatsachen" schon beim Sachverhalt keine klare Trennung zwischen sauberer und schlüssiger Argumentation und Wertungen vornimmt, d. h. die Argumentation durch etwas anderes ersetzt, sollte sich sein Lehrgeld als Parlamentarier und in diesem Fall auch als Jurist zurückgeben lassen. ({8}) Lassen Sie mich der Ordnung halber feststellen: Die Schwierigkeiten der militärischen Planer, eine früher großzügigere Planungspraxis an die Vorgaben eines enger gewordenen Verteidigungshaushalts anzupassen - der aber, gemessen am Gesamthaushalt, immer noch überproportional steigt -, sind nicht auf die in den Jahren 1980/81 eingetretenen Finanzierungsprobleme bei MRCA zurückzuführen. Eine solche Kausalbeziehung kann schon deshalb nicht bestehen, weil die MRCA-Ansätze in Neumann ({9}) der militärischen Planung ab dem Fünfjahresprogramm 1983 exakt den Anmeldungen des BMVg zum 12. und zu den späteren Finanzplänen entsprachen. Die Vereinbarung eines beschleunigten Lieferprogramms im Jahr 1979 begründete zwar mit dem bereits erwähnten Haushaltsrisiko ein gleiches Planungsrisiko. Beide Risiken sind indes mit den Ansätzen des Haushalts 1981 und des 14. Finanzplans gedeckt worden. Für derartige Anpassungsprobleme der militärischen Planung an die Haushaltsvorgaben können daher die vergangenen Finanzierungsprobleme bei Tornado nicht herhalten. Das aus der Spannung zwischen Haushalt und Planung sich ergebende Problem ist ein anderes: Es rührt aus einer Zeit, in der die militärische Planung mit Alternativen von über 20 % über den ihr vorgegebenen Plankostenrahmen operierte, d. h. etwa 8 Milliarden DM - Beträge von der Größenordnung eines ganzen Beschäftigungsprogramms - alternativ mitverplante, die indes von keinem Haushaltsgesetzgeber je zur Verfügung gestellt worden wären. Diese weit über die Kernplanung hinaus reichenden Alternativen mußten schließlich den tatsächlichen Haushaltsvorgaben angepaßt werden. Ein weiteres Problem kam hinzu und wurde schließlich ursächlich für die Rüstungsklausur: Kostensteigerungen bei den vom Parlament gebilligten Großbeschaffungsvorhaben, die die realen Aufwuchsraten des Einzelplans 14 überstiegen und im Einzelplan 14 eben an anderer Stelle - durch Schieben, Strecken und in wenigen Fällen Streichen - auszugleichen waren. In dieser Situation hat die Luftwaffe bereits vor der Rüstungsklausur nach gründlicher Abwägung zwischen dem Abwehrsystem „Patriot" und dem Abwehrsystem „Roland" entschieden, zunächst auf „Roland" zu verzichten. ({10}) Wer nun heute hier diese Entscheidung der Luftwaffe beklagt, weil sie den Allwetterschutz von MRCA beeinträchtige, muß sich fragen lassen, wie er denn einen ansonsten fälligen Verzicht auf das flächendeckende Abwehrsystem „Patriot" vor der Öffentlichkeit hätte begründen wollen. ({11}) Aber Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, setzen sich solchen Begründungsschwierigkeiten nicht aus. Sie wollen alles, möglichst das Teuerste, und das sofort. ({12}) Die leisen Töne der Einsicht, wie sie dann und wann anklingen, z. B. als Herr Dr. Wörner am 3. Oktober 1981 gegenüber Herrn von Ilsemann in der „Stuttgarter Zeitung" erklärte, er würde, wenn man aus politischen Gründen in ein so enges Korsett gezwängt würde, eher an die Beschaffungsprogramme gehen, werden sogleich übertönt von den schrillen Forderungen des Alles oder Nichts, denen vornehmlich der Herr Kollege Würzbach seine Stimme leiht. ({13}) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere, der gewählten Abgeordneten Pflicht und Schuldigkeit, die uns überantworteten Steuergelder so einzusetzen, daß die Sicherheit unseres Landes im Bündnis, daß seine Fähigkeit zur Verteidigung unangetastet bleiben, daß aber über diesen Anstrengungen nicht in Vergessenheit geraten darf, was allein die Verteidigungsausgaben in Höhe von jährlich über 40 Milliarden DM zu rechtfertigen vermag: unsere sozialstaatliche Demokratie, unser innerer sozialer Frieden. ({14}) Ich nenne es verantwortungslos, meine Damen und Herren, wenn vor dem Hintergrund unserer derzeitigen Arbeitsmarktlage den Damen und Herren der Opposition nichts anderes einfällt, als mit dem Schlagwort einer angeblich nicht mehr bedrohungsgerechten und stattdessen finanzorientierten Bundeswehrplanung die schlichte Tatsache zu verschleiern, daß Pläne allein kein Geld schaffen, daß jede Mark nur einmal ausgegeben werden kann und daß jede Mark, die uns die Rüstung kostet, für dringende investive Ausgaben nicht mehr zur Verfügung steht. ({15}) - Ich lasse keine Frage zu. Ich habe nämlich nur noch ein paar Minuten. ({16}) - Liebe Frau Geier, was war denn vorher? Das war doch schrecklich! ({17}) Ich nenne weiter den verantwortungslos, der wider besseres Wissen Sicherheitspolitik allein mit dem Ziel der Verunsicherung betreibt. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben mit Ihren Presseverlautbarungen, mit denen Sie die Arbeit des Untersuchungsausschusses begleiten zu müssen glaubten, eine solche Verunsicherung betrieben. Sie haben der Bevölkerung zu suggerieren versucht, trotz eines gegenüber dem Bundeshaushalts insgesamt überproportional steigenden Verteidigungshaushalts sei die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr gefährdet. Sie haben dies getan in Kenntnis des fachlichen Urteils des Generalinspekteurs der Bundeswehr und der Inspekteure der Teilstreitkräfte auch vor dem Untersuchungsausschuß. ({18}) Es steht fest, daß die Bundeswehr ihre Einsatzbereitschaft halten und ihren Betrieb sicherstellen wird. Für die Luftwaffe hat dies ihr Inspekteur in der Januarausgabe der Zeitschrift „Luftwaffe" im Blick auf die Flugstundenzahl mit den Worten bekräftigt: „Wir werden die Flugstunden erbringen, die nach menschlichem Ermessen die Flugsicherheit si5686 Neumann ({19}) cherstellen und die Erfüllung der Einsatzfähigkeit gewährleisten." ({20}) Anfang Februar erklärte der oberste Soldat des Heeres, Generalleutnant Glanz: „Auch in diesem Jahr können wir den Betrieb des Heeres sicherstellen, es wird keine Einschränkung in der Ausbildung und bei Übungen geben." Er äußerte weiter: „... trotz vorhandener Schwierigkeiten in Einzelbereichen wird das Heer seine Einsatzbereitschaft halten". ({21}) So ist es, allen Unkenrufen zum Trotz. Unsere Bundeswehr ist - das haben die Inspekteure auch vor dem Untersuchungsausschuß nachhaltig betont - gut ausgerüstet und braucht keinen Vergleich mit ihren europäischen Bündnispartnern zu scheuen. Sie erfährt zudem mit MRCA/Tornado, um den uns beispielsweise die amerikanische Luftwaffe beneidet, einen beträchtlichen Kampfkraftzuwachs. ({22}) Der Bundesminister der Verteidigung hat zwischenzeitlich mit den Partnerstaaten vereinbart, daß es auch in Zukunft bei der ursprünglichen Lieferrate von maximal neun Flugzeugen pro Monat bleibt und daß das 1979 vereinbarte Aufholprogramm, das für die Jahre 1982 und folgende Lieferspitzen bis zu 13 Flugzeugen im Monat vorsah, nicht zum Tragen kommt. Dies gebot die deutsche Haushaltslage ebenso wie die englische. Mehrkosten werden hierdurch, wenn überhaupt, nur in sehr geringer Höhe anfallen. Die Behauptung des Kollegen Lowack in der Presse, es würden Mehrkosten von 1 Milliarde DM entstehen, entbehrt jeder Grundlage. ({23}) Läuft wegen der allgemeinen Mittelknappheit das eine oder andere neue Waffensystem etwas langsamer zu als geplant, ({24}) so kann nur ein ausgesprochener Unsicherheitspolitiker davon sprechen, es verschlechtere sich dadurch die Einsatzbereitschaft. Richtig ist vielmehr, daß die Einsatzbereitschaft ihren gegenwärtigen hohen Stand wahrt ({25}) und nur die allerneueste Technologie geringfügig später verfügbar sein wird. ({26}) Ich will in diesem Zusammenhang nicht vertiefen, welchen Schaden Sie dem Primat der Politik dadurch zufügten, daß Sie Indiskretionen, zuvor aus trüber Quelle in die Presse lanciert, im Untersuchungsausschuß einzig und allein zu dem Zweck aufgriffen, diese Indiskretionen dadurch noch weiter zu verbreiten. ({27}) Dies scheint Ihnen ins Bild parlamentarischer Kontrolle zu passen, von der Sie an anderer Stelle gesprochen haben. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben mit Ihrer Unsicherheitspolitik der Einsatzfreude unserer Soldaten einen schlechten Dienst erwiesen. ({28}) Die Einsatzfreude unserer Soldaten bestimmt sich nicht zuletzt nach dem Vertrauen, das sie in ihre Ausrüstung setzen dürfen. ({29}) Setzen angeblich Experten die mit Milliardenaufwand in einer Zeit allgemeiner Mittelknappheit beschafften Rüstungsgüter als nicht „bedrohungsgerecht" in der allgemeinen Einschätzung herab, wie soll dem Soldaten fortan Sinn und Zweck seines Dienstes glaubwürdig vermittelt werden? Sie haben schließlich unsere NATO-Bündnispartner verunsichert. In der gleichen Weise, wie Sie unsere bewährte Politik der Partnerschaft zur Sicherheit bei unseren amerikanischen Verbündeten anzuschwärzen bemüht sind, setzen Sie unsere beachtlichen Verteidigungsanstrengungen herab. Stimmen aus dem Bündnis, die auf dieses von Ihnen vermittelte unzutreffende Negativbild reagieren, führen Sie uns dann hier als Belege für die Richtigkeit des von Ihnen zuvor Verzeichneten an. ({30}) Das ist es, was man Unsicherheitspolitik nennt. Meine Damen und Herren, es wird harter Arbeit bedürfen, den von Ihnen angerichteten Vertrauensschaden zu beheben. ({31}) - Sie werden sehen, daß das so ist. - Es ist mir deshalb ein besonderes Anliegen, unseren Soldaten und zivilen Mitarbeitern im Bundesministerium der Verteidigung Dank dafür zu sagen, ({32}) daß sie Ihrer - der Opposition - Verunsicherungskampagne die fachliche Kompetenz und das berufliche Engagement entgegensetzten und weiter entgegensetzen werden. ({33}) Neumann ({34}) Ich möchte unsere Soldaten und zivilen Bediensteten im Bundesministerium der Verteidigung herzlich ermutigen, in diesem Engagement und in der Loyalität zu ihrem Minister im Dienste der Sicherheit unseres Landes nicht nachzulassen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. ({35})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Popp.

Karl Heinz Popp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001735, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Ende des von der Opposition als Forum der Polemik genüßlich ausgeschlachteten und ausgeweiteten Untersuchungsausschusses Tornado geht es nun darum, die Ursachen der Finanzierungsschwierigkeiten und die Verantwortlichkeiten sachlich aufzuspüren ({0}) und aus aufgedeckten Fehlern und Mängeln Folgerungen für die Zukunft zu ziehen. ({1}) Für die sogenannte Deckungslücke bei Tornado gab es nach unserer Auffassung eine unmittelbare Ursache und mehrere mitursächliche Faktoren. Als der Industrievertrag zwischen der NAMMA und der Firma PANAVIA über das 3. Fertigungslos mit Zustimmung der Bundesrepublik am 6. Juni 1979 abgeschlossen wurde, wurden Verpflichtungen eingegangen, die den damals auf 1200 Millionen DM festgelegten Haushaltsansatz für Tornado von 1980 bei weitem überstiegen. Keiner der Beteiligten, weder die Industrie noch die NAMMA noch die deutschen Vertreter in den internationalen Gremien des Tornado-Programms, war sich über die Höhe und die Verteilung der hierfür notwendigen Haushaltsmittel auf der Zeitachse im klaren. Als im Juli 1980 die ersten Meldungen der NAMMA über die Deckungslücke im Verteidigungsministerium eintrafen, explodierte die bereits im Juni 1979 gelegte Zeitbombe für alle überraschend. Für das Jahr 1980 läßt sich die Deckungslücke nach den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses so rekonstruieren: Fehleinschätzungen der Industrie: 150 Millionen DM; Fehleinschätzungen der NAMMA: nochmals 100 Millionen DM. Ein schwerwiegendes Risiko gingen auch der Abteilungsleiter Rüstungstechnik und der damalige Systembeauftragte ein. Sie legten Verpflichtungen für die Bundesrepublik fest, obwohl sie wußten, daß der Haushaltsansatz für 1980 mit 1 200 Millionen DM um 240 Millionen DM unter ihrer eigenen Haushaltsanmeldung lag. Schließlich wurde ein überholter Stichtag zugrunde gelegt, was für 1980 noch zusätzlich 138 Millionen DM ausmachte. Dies allein erklärt die Entstehung der Finanzierungslücke jedoch nicht. Auch organisatorische Schwachstellen im Tornado-Programm haben ursächlich mitgewirkt. So ist es einfach unbegreiflich, daß die zu Lasten des deutschen Haushalts eingegangenen Verpflichtungen bei der NAMMA weder erfaßt noch überwacht wurden. Die Mittelanmeldungen beruhten auf reinen Schätzungen und waren nicht mit der notwendigen Sicherheit und Transparenz belegbar. Schließlich haben auch die Sonderstellung des Systembeauftragten und die Sonderbehandlung des Tornado-Programms im Verteidigungsministerium durch fehlende Kontrollmechanismen verhindert, daß rechtzeitig die Warnlampe aufleuchete. Dagegen kann die Opposition ihre These, die fehlende Planungskontinuität sei die Ursache für die Unterdeckung gewesen, nicht schlüssig belegen. Behauptungen müssen hier die Begründung ersetzen. Gab es nun ein Verschulden von Verantwortlichen? Wer hat hier wann was gewußt und versäumt, rechtzeitig die notwendigen Gegenmaßnahmen zu treffen? Ich möchte mich an der in den vergangenen Monaten geführten, teilweise sehr unerfreulichen Kampagne gegen die Person des Ministers nicht beteiligen, sondern als Resümee des Untersuchungsausschusses für die FDP-Fraktion feststellen: Schon auf der untersten Ebene im Ministerium, beim Systembeauftragten, gab es keine zuverlässige und exakte Prognose über den Haushaltsbedarf für 1980. Wen wundert es, daß auf diesem schwankenden Boden auf den höheren Ebenen keine zuverlässige Kenntnis, sondern Zweifel und Skepsis gegenüber den Forderungen des Systembeauftragten bestanden? Eine andere Frage ist allerdings, ob die verschiedenen Vorstöße des Systembeauftragten nicht einen Anlaß zur Aufklärung und zum Nachfassen begründeten. ({2}) Keiner der Verantwortlichen, insbesondere der zuständige Rüstungs-Staatssekretär und der ihm unterstellte Bereich, gab eine gezielte Weisung, Klarheit als Grundlage für konkretes Handeln zu schaffen. Keiner schnallte um und verlangte eine Entscheidung des Ministers. Statt dessen wurde zugewartet, bis im Juli 1980 nach Verabschiedung des Nachtragshaushalts keine Chance mehr zur Lösung der Finanzierungsprobleme bestand. Die Frage nach der Verantwortung für die Finanzierungslücke läßt sich nach unserer Auffassung nicht mit einer eindeutigen Schuldzuweisung an einen Alleinschuldigen beantworten. Insbesondere läßt sich nach dem Ergebnis des Untersuchungsausschusses nicht der Vorwurf der Opposition rechtfertigen, Minister Apel trage in vollem Umfang die persönliche und politische Verantwortung an der finanziellen Unterdeckung bei Tornado. Zu viele waren beteiligt und tragen mehr oder weniger Mitverantwortung, mehr durch Unterlassung als durch Handeln. Auf der Grundlage des Mehrheitsberichts muß aber sorgfältig geprüft werden, ob und welche personellen Konsequenzen vom Minister gegenüber den Verantwortlichen noch gezogen werden müssen. Darüber hinaus muß, wie wir Freie Demokraten immer wieder gefordert haben, der Hebel im Ministerium selbst angesetzt werden. Die Diskussion um die Finanzierungslücke hat das eigentliche Problem von Tornado, nämlich die Kostensteigerung, nahezu verdeckt. Seit dem letzten Tornado-Bericht 1980 sind die Gesamtkosten für das Waffensystem bis Ende 1980 auf ca. 24,6 Milliarden DM gestiegen, eine Steigerung also in einem Jahr um 2,4 Milliarden DM. Allein seit der Beschaffungsvorlage von 1976 bis zum letzten Jahresbericht, also in vier Jahren, erhöhten sich die Kosten um 9 Milliarden DM. Schon heute ist erkennbar, daß die Kosten bei Fortsetzung dieses Trends am Ende der Produktion weit über der 40-Milliarden-DM-Grenze liegen werden. Ich bin mir durchaus bewußt, meine Damen und Herren, daß die Bundesrepublik aus dem Tornado-Programm nicht aussteigen kann, was sich mancher wünschen mag. Das Parlament hat diesem Projekt schließlich als Baustein der europäischen Integration bei Aufnahme Großbritanniens in die EG seinen Segen gegeben und trägt Mitverantwortung. So wurde am 11. Dezember 1969 mit nur einer Gegenstimme im Verteidigungsausschuß ein Entschließungsantrag zum Tornado aus den Reihen der Union angenommen, in dem dieser begrüßt wird. Aber, meine Damen und Herren, als Steuerzahler muß man angesichts der enormen Kosten die Gewißheit haben können, daß nichts unversucht gelassen wird, um die Kosten für dieses „größte Rüstungsvorhaben seit Christi Geburt", wie es genannt wurde, in den Griff zu bekommen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, als nehme man jährliche Steigerungsraten von 11 % gleichsam schicksalsergeben hin, wie dies bei manchen Äußerungen im Untersuchungsausschuß anklang. Ich fordere daher den Verteidigungsminister auf, die Vertragsgrundlagen bei Tornado nochmals durch unabhängige Sachverständige einer Prüfung zu unterziehen, die Preisprüfung im Tornado-Programm personell zu verstärken und zu intensivieren und schließlich Abstriche an technischen und militärischen Höchstforderungen vorzunehmen, wo immer dies machbar ist. ({3}) Eine besondere Rolle bei den Ausschußuntersuchungen spielte der Begriff des Verdrängungseffekts. Welchen Verdrängungseffekt hat nun Tornado auf andere Rüstungsvorhaben? Es besteht überhaupt kein Zweifel, daß Tornado mit einem Anteil von zur Zeit 30 % an den militärischen Beschaffungen eine Verdrängungswirkung auf andere Rüstungsvorhaben hatte und hat. Dies gilt in ähnlicher Weise, aber nicht in gleichem Ausmaß auch für andere Waffensysteme wie z. B. Leopard II und die Fregatten. Der Feststellung der Opposition in ihrem Bericht, daß die Finanzierungsschwierigkeiten bei Tornado sich auf die Rüstungsplanung aller Teilstreitkräfte ausgewirkt haben, ist insoweit durchaus zuzustimmen. Allerdings muß in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen werden, daß Tornado nach dem Urteil aller Inspekteure einen deutlichen Zuwachs an Kampfkraft aller Teilstreitkräfte bringt. Der sogenannte Tornado-Verdrängungseffekt ist weder quantifizierbar noch qualifizierbar. So erklärte denn auch beispielsweise der stellvertretende Generalinspekteur vor dem Ausschuß wörtlich: „Ich würde es nicht wagen, zu sagen, dies oder dieses System oder Vorhaben mußte wegen der Einplanung von Tornado aufgegeben oder geschoben werden." Meine Damen und Herren, es ist deshalb falsch, alle Ergebnisse der Rüstungsklausur auf die Tornado-Finanzierungslücke abwälzen zu wollen. Nach der Beweisaufnahme im Untersuchungsausschuß haben bei der Rüstungsklausur auch ganz andere Faktoren eine Rolle gespielt, nämlich die gegenüber der Planung zu niedrige Finanzerwartung, bestehende Vertragsbindungen in Höhe von 70 % der militärischen Beschaffung und schließlich überproportionale Preissteigerungen bei Rüstungsvorhaben. Für uns Liberale kam es vom Beginn des Untersuchungsverfahrens darauf an, aus der Tornado-Affäre die sachlich gebotenen Schlußfolgerungen zu ziehen, und zwar für das Tornado-Programm selbst und für die Bundeswehr insgesamt. Lassen Sie mich mit den Konsequenzen für Tornado selbst beginnen. Ich begrüße die vom Minister Apel bisher getroffenen Maßnahmen. Zwei Punkte möchte ich besonders hervorheben. Erstens: Die Abkehr vom sogenannten Stichtagsprinzip bei Tornado im Haushaltsjahr 1982, wo meines wissens erstmals der Preisstand des laufenden Haushaltsjahres dem Haushalt zugrunde gelegt wurde. Diese Praxis wird zu realistischen Haushaltsansätzen und zu einem Abbau von Risiken beim Haushaltsvollzug beitragen. Immerhin entfiel ein erheblicher Teil der Finanzierungslücke auf die nicht berücksichtigten Preissteigerungsraten von der Aufstellung des Haushalts 1980 zum Stichtag 31. Dezember 1978/Anfang 1979 bis zum Haushaltsvollzug. Zweitens. Ein anderer Punkt bereitet aber nach wie vor Sorge, nämlich die fehlende Erfassung und Fortschreibung der Zahlungsverpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland bei der NAMMA. Wir wissen, daß die fehlende Erfassung der Verpflichtungen die zentrale Ursache für die Finanzierungslücke bei Tornado war. Trotzdem ist es bisher nicht gelungen, eine Überwachung der eingegangenen Verpflichtungen gegenüber der NAMMA durchzusetzen. Vielmehr soll dies erst Mitte 1983 möglich sein. Nach wie vor besteht also das Risiko der Unsicherheit, die uns trotz der bisher eingeleiteten Schritte in Finanzierungsprobleme erheblicher Größenordnungen stürzen kann. Hier müssen alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um dieses Leck umgehend zu schließen. Für die Bundeswehr insgesamt ist die von der FDP seit langem geforderte Stärkung der Position des Generalinspekteurs im Erlaß zur Bundeswehrplanung vom 25. September 1981. Hier wird nicht nur die dringend notwendige Verzahnung der Bundeswehrplanung und der Finanzplanung festgelegt, sondern es werden auch das Informationsrecht und die Entscheidungsbefugnisse des Generalinspekteurs gegenüber den Führungsstäben verstärkt. Es gilt nun, diesen Ermächtigungsrahmen in der Praxis mit Leben zu erfüllen, um so zu einer den BedürfnisPopp sen der Bundeswehr, dem vorhandenen Finanzrahmen gerecht werdenden Planung zu gelangen. Das bei Tornado angewandte Verfahren der Abkehr vom Stichtagsprinzip sollte schrittweise auf weitere risikobehaftete Großbeschaffungsvorhaben ausgedehnt werden. Das führt zwar zur Einengung des Planungsspielraums, doch lassen sich nur so der finanzielle Bedarf und das Risiko von Preissteigerungen einigermaßen realistisch einschätzen und im Haushaltsvollzug auffangen. Schließlich, meine Damen und Herren, Tornado sollte ein Sonderfall bleiben. ({4}) Aus den Fehlern, die dort gemacht wurden, sollten für die Organisation, Vertragsgestaltung und Abwicklung anderer internationaler Rüstungsprogramme konkrete Folgerungen gezogen werden. Dabei habe ich sowohl die Schaffung der NAMMA wie die Preisgestaltung und Haushaltsüberwachung, aber auch die Abkehr von technischer Perfektion und Gigantomanie im Auge. - Danke schön. ({5})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Lowack. ({0})

Ortwin Lowack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001379, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich danke für diese vornehmen und freundlichen Hinweise. Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Ich bedaure, daß wir ein so wichtiges Vorhaben heute zu so später Stunde besprechen müssen, ein Vorhaben, das die Sicherheit unseres Staates in unwahrscheinlicher, bisher noch nicht gekannter Art getroffen hat. Ich bedaure es und darf feststellen, daß man manchmal den Eindruck hat, dahinter steckt etwas Methode: herunterzuspielen, damit bestimmte Fehler, die begangen wurden, nicht in der eigentlich angemessenen Form vor diesem Plenum aufgezeigt werden können. ({0}) Würde der Chronist über die Zeit, nachdem Hans Apel im Frühjahr 1978 sein Amt als Verteidigungsminister angetreten hatte, zu berichten haben, würde er sich an einen Liedtext halten können, der heißt „Von nun an ging's bergab", Herr Minister.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Würtz.

Ortwin Lowack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001379, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bitte im Hinblick auf die knappe Zeit um Verständnis für die Bitte, davon abzusehen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Gilt das für die ganze Redezeit, Herr Kollege? - Ja, danke.

Ortwin Lowack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001379, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Der „August der Nation", ({0}) wie er, der Bundesverteidigungsminister, sich selber im Zusammenhang mit der Tornado-Affäre, dem nachfolgenden Finanzierungsdebakel und den Vorwürfen aus seiner eigenen Fraktion genannt hat, hat durch Ungeeignetheit und Unlust zu dem ihm anvertrauten Amt dem Ansehen der Bundeswehr und damit unserer Sicherheit Schaden zugefügt. ({1}) Das wissen Sie, meine Damen und Herren, denn wie sonst könnte der Abgeordnete Möllemann zu dem Ergebnis kommen, in einem Interview zu sagen: „Mit Interesse sehen wir der Frage entgegen, ob und wielange die SPD an diesem Ressortminister festhält." ({2}) Auch die wohlmeinenden Worte des Herrn Bundeskanzlers im Dezember letzten Jahres ändern daran nichts. Wenn zudem richtig ist, daß Hans Apel in dieses Amt, wie er bekundet hat, abkommandiert wurde, stellt sich die Frage: Unter welchen Gesichtspunkten wird in diesem Staat eigentlich ein so hohes und wichtiges Amt vergeben? ({3}) Ich darf allerdings sagen, daß sich der Untersuchungsausschuß mit dieser Frage nicht besonders auseinandergesetzt hat. ({4}) Immerhin erscheint in diesem Zusammenhang das erste Mal eine Spur der Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers. Es hat in diesem Zusammenhang drei Punkte gegeben. Dies eben war einer. Ein anderer war, daß der Verteidigungsminister, als Zeuge vernommen, selbst bekundet hat, daß der point of no return bei diesem Waffensystem durch den Bundeskanzler in dessen Zeit als Verteidigungsminister gesetzt wurde. Der Bundeskanzler erscheint noch ein zweites Mal, und zwar im Zusammenhang mit den Beratungen zum Nachtragshaushalt 1980, als er sich in der Kabinettsitzung offenbar geweigert hat, zuzustimmen, daß weitere Mittel für MRCA/Tornado festgesetzt werden. Ich habe noch genau in Erinnerung, wie der frühere Staatssekretär Dr. Schnell in einem Gespräch am Rande der Sitzung gesagt hat: Der Minister hat sich um nichts gekümmert. ({5}) Der Inspekteur der Luftwaffe und frühere Systembeauftragte des Waffensystems Tornado hat als Zeuge ausgesagt, daß der Minister nicht ein einziges Mal ein aufklärendes Gespräch zum „größten Beschaffungsvorhaben seit Christi Geburt" - so Bundeskanzler Helmut Schmidt - gesucht habe. ({6}) Das ist wahrhaft eine großartige Qualifikation für einen Minister mit dem zweitgrößten Etat in unserem Bundeshaushalt. Die Union hat sich die Mühe gemacht, meine lieben Kollegen, aus vielen tausend Seiten Vernehmungsprotokollen und Beweisunterlagen sowie einer verwirrenden Vorlage der Mehrheitsfraktion im Ausschuß einen konzentrierten Bericht zu erarbeiten und gegenüberzustellen. ({7}) Die Beweislast ist erdrückend. Erstens. Der Verteidigungsminister wußte um das sich abzeichnende Finanzierungsdebakel. Zweitens. Er hat sich nicht darum bemüht, er hat sich nicht darum gekümmert, es abzuwenden. Drittens. Er hat Beweiserhebungen erschwert und versucht, die Auswertung wichtigen Urkundenmaterials zu verhindern. Herr Minister, ich könnte in Einzelheiten gehen. Ich habe es teilweise dargelegt. Heute stelle ich es zunächst einmal zurück. Aber was im Zusammenhang mit der Stützle-Studie passiert ist, wie wir uns von einer Sitzung zur anderen quälen mußten, bis es einmal möglich war, diese Studie, die ursprünglich gar nicht als geheim klassifiziert war, sondern erst im Laufe des Verfahrens in diese Klassifikation gekommen ist, vom Verteidigungsminister überhaupt zu erhalten, das allein ist ein Skandal, den man sich und den sich insbesondere ein Gremium dieses Bundestages so nicht leisten kann. ({8}) Dieser Minister hat das Vertrauen der ihm anvertrauten Menschen nicht verdient, weil er auch jetzt noch versucht, seine Verantwortung letztlich auf Untergebene, die sich nicht wehren können, abzuwälzen. ({9}) Ein Minister, der seinen Dienst antritt mit den Worten und mit dem entsprechenden Auftreten, er sei stolz darauf, nie Soldat gewesen zu sein, hat in diesem Amt nach unserer Auffassung nichts zu suchen. ({10}) Der Bericht der Ausschußmehrheit - jetzt komme ich zu Ihnen - enthält wahrlich erstaunliche Feststellungen, unter anderem die, daß der im Jahre 1980 aufgetretene Mehrbedarf - ich zitiere Sie jetzt - „1980 bereits auf der Ebene des Systembeauftragten nicht zweifelsfrei belegt werden konnte". ({11}) - Ich komme auf Sie zu sprechen, Kollege Neumann. Hierzu nur zwei Anmerkungen. Am 29. Februar 1980 erhielt der Minister die Vorlage, in der auf das bereits zu dem Zeitpunkt zu errechnende Minus von 350 bis 400 Millionen DM hingewiesen wurde. Diese Vorlage hat der Minister, wie er im Ausschuß bestätigt hat, gelesen. Herr Minister, ich räume ein, Sie hatten zunächst gesagt, Sie hätten sie nicht gelesen, dann überlesen, dann haben Sie sich durchgerungen, in der Sitzung zu sagen: Natürlich habe ich es gelesen. Aber damit haben Sie eingeräumt, daß Sie eben diese Kenntnis hatten. Am 23. April 1980 stellte der Minister in seiner Rede anläßlich der internationalen Luftfahrtausstellung in Hannover fest: ... machen mir die Kostensteigerungen speziell beim Tornado Sorge. Wir stehen damit vor einer den Verteidigungsetat belastenden Kostenexplosion für das Verteidigungssystem Tornado. Das Problem der Finanzierung, das sich hieraus für den Verteidigungsminister ergibt, ist unübersehbar. Das war am 23. April 1980. In einer Abteilungsleiterkonferenz am 20. Mai 1980 wurde ihm die drohende Finanzierungslücke nochmals eindringlich vorgeführt. Am 28. Mai 1980 ging bei ihm der dramatische Appell des Generalinspekteurs ein - ich zitiere -: Wie Ihnen bereits verschiedentlich, zuletzt mit Schreiben Staatssekretär Dr. Schnell vom 29.2. 1980, vorgetragen, übersteigt die mittelfristige Beschaffungsplanung nach derzeitigem Erkenntnisstand die nach realistischer Finanzerwartung in den Jahren 1981 bis 85 verfügbaren Mittel derart, daß es nicht mehr möglich ist, innerhalb des vorgegebenen Finanzrahmens eine zweckmäßige, durchführbare und annehmbare, militärisch, politisch, wirtschaftlich vertretbare Planung zu bewerkstelligen. Möglichkeiten und Alternativüberlegungen sind ausgeschöpft bzw. durchdiskutiert. Ich frage mich, was kann man denn noch mehr von der Leitung im Ministerium vortragen, damit der Minister endlich das tut, was notwendig ist, um die notwendigen Mittel im Haushalt durchzusetzen? ({12}) Nur, was tut der Minister? Am 29. Mai 1980, einen Tag danach, läßt er ohne jede Rücksprache mit seinem Generalinspekteur eine Presseerklärung herausgeben, in der es - in krassem Gegensatz zu seinem Kenntnisstand ganz lapidar heißt: „Mit dem Haushalt 1980 und dem geltenden Finanzplan hat die Bundeswehr die Mittel erhalten, die sie benötigt, um ihren Auftrag auch in den vor uns liegenden Jahren voll zu erfüllen." Meine Herren von der Mehrheitsfraktion, da glauben Sie immer noch an die Beteuerungen des Ministers? Sie sind wahrhaft arm dran, wenn Sie das heute noch so sagen wollen. ({13}) Ebenfalls wird im Mehrheitsbericht behauptet - Herr Kollege, ich lese Ihnen das vor, was in Ihrem Bericht drinsteht; haben Sie die Geduld, das wenigstens anzuhören -: „Eine auf vertraglich begründete Mehrforderungen der Industrie gestützte Bedarfsmeldung zum MRCA-Titel erreichte die Staatssekretärebene nicht." Auch diese Feststellung ist falsch. Bereits am 2. Oktober 1979 hatte der Systembeauftragte darauf hingewiesen, daß für das vierte Quartal 1980 die Mittel nicht mehr zur Verfügung stünden, wenn eine Aufstockung nicht erfolgte. Am 7./8. Februar 1980 wurde der Entwurf des Tornado-Berichtes 1979 vorgelegt, aus dem sich ebenfalls die Unterdeckung von 350 Millionen DM ergab. Sogar der Abteilungsleiter Haushalt hat am 31. März beantragt, daß noch 350 Millionen DM im Nachtragshaushalt für Beschaffungen untergebracht werden. ({14}) Die Schlußfolgerung der Ausschußmehrheit, daß der Verteidigungsminister aus den Vorlagen „keinen Hinweis auf eine mögliche Unterdeckung bei Tornado in 1980" entnehmen konnte, bedarf angesichts dessen wohl keiner weiteren ernstzunehmenden Betrachtung. ({15}) Einen Reim auf die ungewöhnlichen Verteidigungsanstrengungen von SPD und - bedauerlicherweise - auch FDP mögen Sie sich auch auf Grund der folgenden Äußerungen im Mehrheitsbericht machen: Der Minister und die Staatssekretäre waren im Bezugszeitraum - das war Mitte September bis Dezember 1980 „mit wachsender Intensität vornehmlich in Kollegiumssitzungen mit dem Problem der MRCA-Finanzierung befaßt". ({16}) Ich nehme an, da muß ja wohl einiges gelöst worden sein, nachdem j a schon lange feststand, daß die NAMMA in Verzug gesetzt worden war. Hier ist „in Kollegiumssitzungen" gearbeitet worden. Ich frage mich, verehrte Kollegen, warum wir dann allein für die Zwischenfinanzierung der im Haushalt 1980 nicht eingesetzten, aber fälligen Industrieforderungen, wegen der die NAMMA bereits in Verzug gesetzt worden war, über 6,5 Millionen DM Zinsen bezahlen und weswegen durch die auf Grund des Finanzierungsdebakels notwendige Streckung des Tornado-Programmes jährlich Mehrforderungen von über einer Milliarde DM entstehen mußten. ({17}) Kollege Neumann, wir haben sogar die Aussage eines sachverständigen Zeugen, der gesagt hat, die Mehrkosten durch die Verzögerungen würden mehr als 3,5 Milliarden DM ausmachen. Nicht umsonst kommt doch die Forderung von Ihrer Seite, das Programm nochmals zu strecken, weil man jetzt nicht die Mittel hat. Aber man denkt eben kurzfristig und nicht daran, a) wann man das Projekt braucht, und b) daß es letztlich immer teurer wird. Allerdings ist auch zweifelhaft, ob die Mehrheitskoalition dem Minister einen besonderen Gefallen getan hat, wenn sie feststellt: Die zentrale Ursache der späteren Haushaltsunterdeckung im Jahre 1980 und des Haushaltsmehrbedarfs im Jahre 1981- der neue losübergreifende Lieferplan 19 P, der die Industrie zu einer gegenüber dem Stand des Jahres 1978 erhöhten Lieferrate und zu entsprechenden Mehrforderungen berechtigte, der indes weder durch die Ansätze des geltenden 12. Finanzplanes noch durch die Ansätze des späteren 13. Finanzplanes gedeckt war - lief an der Leitung vorbei. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein Minister, der weiß, daß hier ein Projekt mit 30 bis 40 Milliarden DM aufliegt, an dem läuft alles vorbei, was in diesen Jahren seit Amtsantritt geschehen ist! Wenn das wahr wäre, hätte dieser Minister in diesem Amt damals nichts zu suchen gehabt, und dann müßte er - und ich darf sagen, das muß doch ein Parlament fordern können - längst schon die Konsequenzen gezogen haben. ({18}) Daß aber der Minister die Möglichkeit hatte, eine Aufstockung des MRCA-Titels spätestens im Nachtragshaushalt 1980 durchzusetzen, räumen Sie in Ihrem Bericht selbst ein, wenn formuliert wird - und bitte hören Sie mir zu -, „nichts hätte ihn" - den Minister - „gehindert, alles hätte dafür gesprochen, eine ihm bewußte konkrete Unterdeckungsgefahr bei MRCA über die zur Aufstockung des Verteidigungshaushalts durch den Nachtragshaushalt 1980 verfügbaren Mittel aufzufangen." - Das heißt doch, daß innerhalb der Regierungskoalition durchaus die Bereitschaft vorhanden war, einer Aufstockung der Mittel für MRCA im Nachtragshaushalt zuzustimmen. Ja, dann frage ich mich, weshalb dieser Minister bei der Kenntnis, die er selber in der Öffentlichkeit eingeräumt hat, diese Aufstockung nicht beantragt hat! Und Sie darf ich nur fragen: Halten Sie sich an Ihren Bericht oder nicht? Ergebnis: Der Minister soll nicht in der Lage gewesen sein, einen nach fälligen Industrieforderungen allein für 1980 anstehenden Mehrbedarf von 683 Millionen DM - das sind gegenüber dem Haushaltsansatz 57 % ({19}) - Sie brauchen immer ein besonderes Rechengerät, Herr Kollege - zu erkennen und daraus Konsequenzen zu ziehen. Der Minister soll nicht in der Lage gewesen sein, rechtzeitig ein Fehl für 1981 von über 800 Millionen DM zu erkennen? Das glaubt hier jemand? ({20}) Wir glauben das nicht. Als vernunftbegabte Wesen glauben wir nur eines: ({21}) Dieser Minister hat die drohende Lücke - leider kommt es hier auf ein paar Millionen aufwärts oder abwärts beileibe nicht an - gekannt. Er hat diese Lücke ignoriert. Er hat die Verantwortung abgeschoben. ({22}) Er hat den Tatsachen zuwider seine Untergebenen belastet. Er trägt die volle persönliche und politische Verantwortung für die hohen Mehrkosten von über 1 Milliarde DM jährlich auf Grund des verzögerten Programmfortschritts, die ich geschildert habe, und für die allein für 1980 angefallenen Mehrzinsen von 6,5 Milliarden DM. ({23}) Herr Minister, von den kleinen Leuten unten erwartet man, daß sie dann, wenn sie Fehler begehen, dafür geradestehen. Aber ein Minister, der so an der Wirklichkeit vorbeigeht, soll ungeschoren bleiben? Da soll man sagen, diese 6,5 Millionen, die hier unmittelbar und direkt verschuldet wurden, seien nicht zu bezahlen? ({24}) Wir verlangen diese 6,5 Millionen von Ihnen zurück, wir sehen, daß wir wegen der Mehrkosten bei diesem Projekt und der Verzögerung des Programms durch das Finanzierungsdebakel ein Absinken der Sicherheitsschwelle bei der Bundeswehr haben, und wir verlangen von Ihnen die Konsequenz: Treten Sie zurück! ({25}) Herr Minister, wenn Sie diese Konsequenz - egal, aus welchen Gründen - nicht ziehen wollen, habe ich die Bitte: Dann zeigen Sie auch einmal, daß Sie gegenüber Ihrer eigenen Fraktion das durchsetzen können, was notwendig ist, um die Sicherheit durch die Möglichkeiten unserer Bundeswehr auch in Zukunft zu garantieren. ({26}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte auf eine Anmerkung des Kollegen Neumann eingehen. Er hat gesagt, der Versuch, den Minister der Lüge zu bezichtigen, sei in sich zusammengebrochen. - Lassen Sie mich nur ein Schreiben des Ministers vorlesen; vielleicht glauben Sie mir dann. Es trägt das Datum des 19. März 1981 und ist an den Ausschußvorsitzenden gerichtet: Im Anschluß an die heutige Sitzung des Untersuchungsausschusses haben mich Teilnehmer an dieser Sitzung darauf aufmerksam gemacht, daß ich augenscheinlich auf eine Frage des Abgeordneten Lowack, ob ich mit Mitgliedern der Fraktion der SPD über den Untersuchungsausschuß gesprochen habe, mit Nein geantwortet habe. Ich bin mir nicht sicher, ({27}) ob ich wirklich mit Nein geantwortet habe. ({28}) In jedem Fall möchte ich sicherstellen oder sicherheitshalber zu Protokoll des . Untersuchungsausschusses geben, daß ich mit Ja antworten wollte, denn selbstverständlich habe ich auf Fragen von Fraktionsangehörigen Antwort gegeben. ({29}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe noch genau in Erinnerung, wie der Minister - ({30}) - Ich habe zitiert, Herr Kollege! - Ich habe den Minister klar gefragt, der Minister hat klar geantwortet. Der Minister hat hiermit eingeräumt, daß er die Unwahrheit gesagt hat. ({31}) Ich halte diesen Tatbestand fest. Sie können ihn gerne den Unterlagen entnehmen. ({32}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben uns bemüht, die Wahrheit zu finden. Wir haben festgestellt - das ist letztlich das Bedauerliche dabei -, daß viele, gerade Soldaten, aus Sorge, daß bei Ablösung dieses Ministers noch etwas Schlimmeres kommen könnte, große Schwierigkeiten hatten, das zu sagen, was sie möglicherweise vorher sagen wollten. ({33}) Ich glaube, auch hieraus sollte ein Minister seine Schlüsse ziehen. ({34})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Verteidigung.

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verstehe es natürlich, daß die Abgeordneten Wimmer und Lowack die Debatte so personalisieren; denn was sie ihrer eigenen Fraktion vor 13 Monaten angekündigt haben, daß das ein großer Erfolg mit einem großen Schlachtfest werden würde, ist nun überhaupt nicht eingetreten, und nun müssen sie natürlich sich selbst rechtfertigen. Ich kann verstehen, daß sie dabei dann Fakten manipulieren. ({0}) Es hat nur keinen Zweck, daß so gearbeitet wird, weil die Öffentlichkeit das nachlesen kann. Wir haben einen Ausschußbericht, der detailliert darstellt, wie die Dinge abgelaufen sind, und da hat es keinen Zweck, Herr Kollege Wimmer, wenn Sie nach der Methode verfahren: Haltet den Dieb! Das fällt auf Sie selbst zurück. ({1}) Die Fakten sind hier dargestellt worden, und ich werde mich deswegen auch nicht in die Faktendebatte einlassen. ({2}) - Nein, ich kann das sehr gut. Es gibt einen ausgedruckten Redetext von mir, Herr Abgeordneter Wimmer, der nachlesbar und von mir selbst formuliert ist. Dazu stehe ich. Es hat nur keinen Zweck, auf die Verdrehung der Fakten, die die beiden Vorredner der CDU hier gemacht haben, im Detail einzugehen. Wir wollen doch bitte die Stellungnahmen in der veröffentlichten Meinung abwarten. Im übrigen ist es natürlich aufgefallen, daß Sie einen Trick verwenden, der darin besteht, daß Sie ununterbrochen Planungsprobleme, die natürlich im Jahr 1980 erkannt wurden, mit Finanzproblemen des Haushaltsjahres 1980 so vermischen, daß dadurch der Eindruck entsteht, ich habe sehr frühzeitig über Haushaltsprobleme gewußt. ({3}) Ich habe stets gesagt: Ich habe über Planungsprobleme Bescheid gewußt. Es hat keinen Zweck, daß wir so miteinander umgehen. Fakten so zu manipulieren, bringt uns doch überhaupt nicht weiter. Ich fand es wirklich besonders bemerkenswert, Herr Wimmer, daß Sie eine Vorlage des Generalinspekteurs vom 1. Juni 1979 zitieren, die nun tatsächlich nicht auf meinen Tisch gekommen ist, ({4}) die auch nicht auf meinen Tisch kommen mußte, weil es überhaupt nicht um Haushaltsfragen ging, und schlicht und einfach behaupten, dieses sei mir voll zur Kenntnis gegeben worden. ({5}) - Die Fakten sprechen gegen Sie. Lesen Sie den Ausschußbericht, Herr Kollege Wimmer, und Sie wissen, um was es geht! ({6}) Nun eine letzte Bemerkung zu der hier wiederholt vorgebrachten Behauptung, wir hätten mit der Herausgabe von Dokumenten manipuliert und uns Zeit gelassen. Ja, es stimmt, wir haben in einem Fall lange mit Ihnen gerungen, damit Dokumente nicht auf den Markt kommen, weil es nicht angeht, daß die Protokolle des militärischen Führungsrates auf diese Art und Weise der Öffentlichkeit bekanntgegeben werden. ({7}) Ich darf vielleicht noch einen weiteren Punkt hinzufügen. Dieses ist hier als ein Beispiel angeführt worden. ({8}) Ich möchte noch ein weiteres hinzufügen. Ich will Ihnen nicht zu nahetreten, meine Damen und Herren. ({9}) Aber es kann wohl nicht übersehen werden, daß dieser Untersuchungsausschuß auch Steinbruch war, um systematisch in der Öffentlichkeit „geheim" gestempelte Dokumente zu lancieren und zu veröffentlichen. ({10}) Diese Art von Gefährdung des Sicherheitspotentials in unserem Land wirft ein echtes Problem auf. ({11}) Ich sage Ihnen, wir haben alle allen Grund, gerade diese Praxis, die in den letzten Monaten gang und gäbe war, kritisch zu überprüfen und wieder einzustellen, weil wir in eine unmögliche Situation kommen, wenn wir um parteipolitischer Vorteile willen Staatsgeheimnisse der Öffentlichkeit preisgeben. Dies geht nicht. ({12}) - Meine Damen und Herren, Sie selber wissen, daß eine ganze Reihe von Geheimdokumenten erschienen sind. Ich werde einen Teufel tun und sagen, woher es gekommen ist. ({13}) Aber das parteipolitische Interesse war eindeutig zu definieren und auch zu orten; damit wir uns hier einmal klar verstehen. ({14})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Neumann? - Bitte, Herr Abgeordneter.

Paul Neumann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001597, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, können Sie bestätigen, daß selbst im Untersuchungsausschußminderheitsbericht der Opposition noch Geheimdokumente zitiert und veröffentlicht sind?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Ich kann das bestätigen. ({0}) Wir haben die Dokumente dann, um die Opposition nicht in Verlegenheit zu bringen, heruntergestuft. ({1}) Meine Damen und Herren, ich möchte Bemerkungen zu den Themen machen, die in der Tat, wie ich finde, von großem Belang sind, weil sie über den Streit „wer hat was gewußt?" hinausführen. Ich möchte zu dem Stellung nehmen, was eigentlich die Konsequenz aus dem ist, was der Untersuchungsausschuß erarbeitet hat. Da kann ich mich kurzfassen, weil der Abgeordnete Popp von der FDP eine ganze Reihe von Dingen genannt hat, die zu verändern waren, die wir verändert haben und die in der Tat Probleme überwunden haben. Aber es bleibt natürlich bestehen, daß eine Reihe von Problemen anhalten werden. Ich möchte in einem Punkt sehr deutlich sagen, daß der Satz - -({2})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe, damit wir die Erklärung des Ministers anhören können.

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Ich möchte zu einem Punkt Stellung nehmen, der von zentraler Bedeutung ist. Herr Kolbow hat aus dem Bericht der Mehrheit zitiert. Er hat sinngemäß gesagt, der Minister könne nicht mehr wissen als die Staatssekretäre, diese wiederum könnten nicht besser informiert sein als ihre Abteilungsleiter. Diese Aussage ist zweifelsohne richtig. Nur denke ich, wir können uns mit dieser Aussage nicht zufriedengeben; denn hier liegt ein schwerwiegendes Problem. Wenn es so bliebe, wie es hier - sicherlich zu Recht - dargestellt worden ist, dann könnten wir nicht ausschließen, daß wir bei großen Beschaffungsvorhaben immer wieder in Überraschungen hineinlaufen. Deswegen müssen wir auch die Konsequenzen ziehen. Ich bin deswegen fest entschlossen, ein Frühwarn- und Kontrollsystem auf der Hardthöhe einzuführen, das uns in die Lage versetzt, die Informationen rechtzeitig so zu sortieren, daß wir Entscheidungen fällen können. Ich schiebe keinerlei Verantwortung auf Untergebene ab; ich weise eine solche Unterstellung mit allem Nachdruck zurück, Herr Abgeordneter Lowack. Aber eines haben die Ermittlungen ergeben: Über Monate war unklar, wie groß die Forderung war, und bestand Unklarheit über die Fälligkeit. Das sind die Gründe dafür gewesen, weswegen über Monate in großem Maße darüber debattiert wurde, ob und in welchem Umfang Forderungen aufgenommen werden sollten. Das kann so nicht bleiben. Deswegen werden wir Ihnen noch zum Sommer 1982, d. h. in wenigen Monaten ({0}) - nein; natürlich dürfen Zwischenfragen gestellt werden, wenn ich den Gedanken zu Ende geführt habe -, mit Hilfe der Firma McKinsey, die ja über einen Haushaltsansatz vom deutschen Steuerzahler finanziert wird, Vorschläge machen und sie dann auch in die Tat umsetzen, die zu dem Frühwarnsystem führen. Wir dürfen nicht wieder in eine Situation der Unklarheit, der Unbestimmtheit hineinkommen, sowohl was die Höhe der Forderungen, als auch was die Fälligkeiten anlangt. Ich weiß, daß das schwer wird; denn die Geschäftsordnung der Bundesregierung steht dem entgegen; es gibt das Personalvertretungsgesetz. Viele andere Probleme, die uns von der privaten Wirtschaft unterscheiden, stehen dem entgegen. Dennoch müssen wir dieses Problem lösen.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Lowack?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Ja, bitte schön.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Bitte, Herr Abgeordneter.

Ortwin Lowack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001379, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, möchten Sie damit zum Ausdruck bringen, daß der Systembeauftragte des Waffensystems die Unwahrheit gesagt hat, indem er - als Sachverständiger Zeuge vernommen - im Ausschuß festgestellt hat, er habe jederzeit von der NAMMA die Zahlen bekommen, die ihm eine Aufschlüsselung über den Stand der zur Zeit fälligen Forderung gegeben hätten?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Sie haben das Problem, um das es geht, augenscheinlich nicht erkannt. Das Problem, Herr Abgeordneter Lowack - das haben wir doch im Ausschuß erarbeitet - ist, daß uns die NAMMA im Juli 1980 für das Haushaltsjahr 1980 Forderungen präsentiert hat, die dann geprüft wurden, gegengeprüft wurden, erneut geprüft wurden, und daß im November 1980 - darüber ist j a hier gesprochen worden - Klarheit geschaffen wurde, wie es um die Rechtsverbindlichkeit steht. Das ist eben dann entschieden zu spät. Es kommt darauf an, daß wir rechtzeitig über Informationsstränge die Staatssekretäre, Minister, Abteilungsleiter in den gleichen Informationsstand setzen, Entscheidungsfähigkeit schaffen. Wir dürfen nicht Instanzenwege zulassen, die mit Unsicherheiten behaftet sind, die deswegen Debattenprozesse auslösen, die deswegen Mitzeichnungsprobleme aufwerfen. Wir müssen bei diesen Waffensystemen vielmehr in der Lage sein, rechtzeitig zu entscheiden. ({0}) Im November 1980, als wir wußten, wie die Dinge standen, war es eben zu spät. Diese Informationen hätten früher im Jahre 1980 kommen müssen, eigentlich bereits bei der Aufstellung des Haushalts 1980 im Jahre 1979. Ich erwarte von dem controling system, das wir derzeit erarbeiten, daß wir mit diesem Problem besser fertig werden.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Minister, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Vielleicht sollte ich einen Gedanken hinzufügen, damit Herr Lowack genauer nachfragen kann. Wir sollten ein zweites Problem aus der Ausschußarbeit herausnehmen und zur Kenntnis nehmen. Bei aller Bereitschaft der Menschen in der NAMMA, ihre Pflicht zu tun - sie haben mehr als das getan -, ist festzustellen, daß sich die Struktur nicht bewährt hat. Die Struktur ist zu kompliziert. ({0}) Sie ist im übrigen dann auch in ihrer Reinkultur am Ende durch nationale Einflüsse wieder verwässert worden. Wir sollten, glaube ich, zur Kenntnis nehmen, daß bei allen künftigen internationalen Beschaffungsvorhaben ein Land Pilotfunktion übernimmt - wie beim Alpha-Jet; dort hat es ja gut geklappt -, daß dann zugeliefert wird, und dann kann man auch nationale Interessen durchsetzen. Dieses System war überzüchtet, ist überzüchtet, bleibt problematisch. Herr Popp hat j a auf einige Probleme hingewiesen, die wir immer noch bei der NAMMA haben. Das können wir uns auch nicht leisten. Auch dieses ist Erfahrung dieses Ausschusses.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, Sie haben jetzt das Wort zu einer Zwischenfrage.

Ortwin Lowack (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001379, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, darf ich dann davon ausgehen, daß Sie die Aussage des Sachverständigen Zeugen Ambos nicht richtig oder nicht gelesen haben, weil Herr Ambos ganz klar gesagt hat, er habe jederzeit den Verpflichtungsstand - sogar durch Rückruf - feststellen können?

Dr. Hans Apel (Minister:in)

Politiker ID: 11000043

Ich muß erneut darauf hinweisen, daß die NAMMA in der Lage war - Sie haben das schon einmal gefragt, Herr Lowack -, in der Mitte des Jahres 1980 - im Juli genau - zum ersten Mal genau zu sagen, wie hoch die Anforderungen für 1980 waren. Das ist zu spät. Es kommt darauf an, früher Informationen zu haben. Es kommt auch darauf an, daß die NAMMA die Verpflichtungsstände festschreibt und wir nicht auf diese Weise festgezurrt werden. ({0}) - Meine Damen und Herren, natürlich müssen wir auch Verpflichtungsstände festschreiben. Dies ist ja ein weiterer Grund, den Herr Popp genannt hat, für Versäumnisse im Ministerium. ({1}) - Jetzt wird es hier zum Dialog. Es tut mir leid, aber ich möchte wirklich auch in der Zeit bleiben, denn meine Fraktion hat mir eine Zeit vorgegeben. ({2}) Ich komme zu einem weiteren Punkt; ich will es kurz machen. Wir sind uns sicherlich darüber einig, daß Tornado als Waffensystem geboten bleibt. Dies ist von keiner Seite in Zweifel gezogen worden. Wir sollten auch zur Kenntnis nehmen, daß der Gerätestückpreis von Tornado nicht aus dem Rahmen fällt. MRCA kostet - das ist der Gerätestückpreis - derzeit 47,6 Millionen DM. Die „Mirage 2000" kostet genau dasselbe. Damit rechtfertige ich nicht diesen Preis. Dieser Preis macht auch deutlich, daß wir Trends in der Bewaffnung unserer Streitkräfte nicht fortschreiben können. Aber wir sollten zur Kenntnis nehmen, daß ein hoher technologischer Fortschritt natürlich auch seinen Preis hat. Eine Bemerkung zur Bundeswehrplanung. Ich kann das kurz machen; Herr Abgeordneter Neumann hat darauf hingewiesen. Hier hat es ein zentrales Problem gegeben. Über viele, viele Jahre wurde, wenn Sie so wollen, mit einem Vorhaltewinkel nach der Melodie geplant: Wir veranschlagen etwa 20 % mehr, als wir im Budget zu erwarten haben; wenn Geld nicht ausgegeben werden kann, weil Rüstungsprojekte verschoben werden müssen, schieben wir eben andere Projekte nach. Wir haben das 1978 geändert, weil das nicht so weitergehen konnte. Das hat die Planungsüberhänge gebracht. Erst durch die Rüstungsklausur und jetzt demnächst durch den Fünfjahresplan 1987 kommen wir in einen neuen Phasen- und Planungsrhythmus. Ich will im übrigen keine Bemerkungen zu Herrn Wust machen. Ich finde es eher peinlich, daß Sie einen Pensionär der Bundeswehr, der, wie wir alle wissen, unter ganz anderen Umständen zurückgetreten ist, nun zu Ihrem Kronzeugen machen. Mir ist das zu unangenehm; nicht weil ich vor dieser Debatte Angst hätte, sondern weil ich meine, diesem Manne nicht zu nahe treten zu sollen. Ich bin dagegen, daß wir diese Auseinandersetzung so führen. ({3}) Zum Verdrängungsprozeß ist viel gesagt worden. Unser Problem besteht darin, daß eine Vielzahl von Waffensystemen, die wir in einer Zeit bestellt haben, in der es ökonomisch und finanziell sehr viel rosiger aussah, jetzt gleichzeitig zulaufen. Das bringt mit der gleichzeitig aufgetretenen Haushaltsenge die Probleme. Das schafft natürlich sowohl hinsichtlich der Bundeswehrplanung als auch des aktuellen Haushaltsvollzugs Probleme. Ich bitte nur sehr darum, zur Kenntnis zu nehmen, daß auch zu der Zeit, zu der Sie den Verteidigungsminister gestellt haben, stets ein Kompromiß zwischen finanzwirtschaftlich Gebotenem und bedrohungsgerecht Erforderlichem zu finden war. Es geht überhaupt gar nicht anders, als diesen Kompromiß immer wieder zu suchen. Im übrigen darf ich am Rande erwähnen, daß Sie Ihr Herz für Verteidigung zwar verbal stets entdekken, im Deutschen Bundestag aber niemals Anträge mit dem Ziel stellen, den Verteidigungshaushalt zu erhöhen. Nein, Sie lehnen ihn Jahr für Jahr mit der Regelmäßigkeit von Kalenderfesten ab. ({4}) Nur noch ein letztes Wort zu diesem Thema. Nehmen wir doch bitte zur Kenntnis, was die militärische Führung, die Inspekteure der Teilstreitkräfte und der Generalinspekteur, gesagt hat. ({5}) - Der Generalinspekteur der Bundeswehr. - „Die Bundeswehr ist trotz der Haushaltsenge, trotz der Probleme, die wir haben, voll einsatzbereit." Dann hat es doch keinen Zweck, so zu tun, als wäre das nicht so. Wem dienen Sie eigentlich mit diesen ununterbrochen vorgebrachten Kassandrarufen? ({6}) - Das ist durchaus auch mein Gefühl, Herr Kollege Möllemann. Lassen Sie mich eine Schlußbemerkung machen, wobei ich erneut an Herrn Lowack anknüpfen möchte. Was hat dieser Bericht denn nun eigentlich erbracht? Das erste, was Sie wollten, nicht. Alle die teilweise sehr bösen Bemerkungen über meine Person haben sich nicht bestätigt. Daran können auch die heutige Debatte und Ihre sehr aggressive Form der Auseinandersetzung - die ich j a durchaus verstehe, nämlich um die Probleme zu überdecken - nichts ändern. ({7}) Der Untersuchungsausschuß hat zweifelsohne Fehler aufgezeigt. Bürokratie in der öffentlichen Verwaltung wie in Großunternehmen neigt dazu, sich zu verfestigen. Wir müssen daraus lernen. Die Verantwortung für sein Ressort trägt stets der Minister. Das habe ich doch immer gesagt. Was soll es dann eigentlich, das immer wieder in Zweifel zu ziehen? ({8}) Wir alle haben aus diesen Arbeiten sehr gelernt. Ohne die sehr gründliche Arbeit des Untersuchungsausschusses wäre manches nicht klar geworden, könnten wir auch nicht die Remedur schaffen, die wir brauchen. Dafür bin ich Ihnen allen sehr dankbar. Ich hoffe sehr, daß wir uns nach 13 Monaten Arbeit des Untersuchungsausschusses jetzt wieder stärker den brennenden sicherheitspolitischen Fragen zuwenden können. In mir finden Sie stets einen Partner, der zu diesem Dialog bereit ist. ({9})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Würzbach.

Peter Kurt Würzbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für unsere Fraktion sollte jetzt der Ausschußvorsitzende, unser Kollege Dr. Werner Marx sprechen, der jedoch durch am Nachmittag eingetretenes hohes Fieber und eine starke Stimmband- und Halsentzündung nicht mehr in der Lage ist, auch nur leise gesprochen ein Wort herauszubekommen. Ich rede für unsere Fraktion ein wenig unvorbereitet zu diesem Problem. Eines, Herr Minister, steht als Ergebnis des Untersuchungsverfahrens unstreitig zwischen allen Seiten, wie ich glaube, fest, nämlich daß Sie als Verteidigungsminister entweder von den Fehlbeträgen und dem daraus folgenden Durcheinander und den Schäden, die das verursacht, gewußt haben und trotz dieses Wissens geschwiegen, dieses verdrängt und sich im Verteidigungsausschuß, im Haushaltsausschuß, im Kabinett nicht eingesetzt haben, um die Ordnung wiederherzustellen. Wenn dies nicht zutrifft, trifft andererseits zu, daß Sie tatsächlich, wie Sie vorgeben, nicht gewußt haben, wie es in diesem wichtigsten Feld Ihres Ministeriums tatsächlich aussieht. Eines von beiden ist unstrittig der Fall. Nun will ich die Kollegen der SPD fragen: Wie muß Ihnen eigentlich in der Sache - bestimmte Verhaltenszwänge verstehe ich - als Fraktion, als Partei, als Abgeordnete zumute sein, daß Sie diese aus welchem Grund auch immer zustande kommende Unwissenheit des Ministers gegenüber diesem großen Projekt in seinem Amt quasi zu einer Tugend hochstilisieren und meinen, dies sei doch eine gute Verhaltensweise dieses Mannes im Amt gewesen? ({0}) Gehen Sie einmal mit einer ähnlichen sich auch nur im Ansatz . so auswirkenden Verhaltensweise die Aufgaben irgendeines Stadtkämmerers, eines Dorfvereinskassierers an, der auf diese oder die andere Art versucht, sich aus seiner Verantwortung herauszustehlen! ({1}) Eines, verehrte Kollegen, sollen Sie wissen: Wenn durch die Strategie der Anlage Ihrer Reden heute - das zeigt sich querdurch und wird sich sicherlich gleich noch fortsetzen - von den Inhalten abgelenkt werden soll, ({2}) dann werden Sie wie wir registrieren, daß die Öffentlichkeit, daß die Bürger draußen - nicht nur unsere Mitglieder und Freunde, sondern auch Ihre Mitglieder und Wähler, die es noch gibt - genauso sensibel auf diese Angelegenheiten reagieren, wie wir das hier als Ergebnis kennzeichnen. Sie können mit Kollegen von Ihrer Partei sprechen: Sie werden wie wir von einer tragischen Verhaltensweise, von einer eigentlich schon nicht mehr komischen und in dieser berühmten Mischung zusammengeführten Verhaltensweise sprechen. ({3}) Dies spürt ein jeder von Ihnen bis zum Kollegen Wehner, bis zu Ihrem Bundeskanzler in derselben Form wie wir. ({4}) Der Verteidigungsminister hat in den Jahren seiner Verantwortung für den Haushalt seines Ressorts, für das er die Verantwortung übernehmen mußte - wir konzedieren Ihnen ja, daß Sie sich dort nicht hineingedrängt haben -, den Verteidigungshaushalt ständig mehr praktisch als Reservekasse für den Bundeshaushalt insgesamt benutzt. Er hat nicht einmal den einfachsten Ansatz unternommen, um die gestiegene Bedrohung und die sich daraus ergebenden Notwendigkeiten und Konsequenzen für uns vor der eigenen Fraktion, vor der Öffentlichkeit und vor der Partei deutlich zu machen. ({5}) Der Minister Apel - das ergibt sich als Konsequenz daraus - hat nicht die hohe Verantwortung dieses Amts in den Vordergrund gestellt, ({6}) sondern er hat seine ganz persönliche parteipolitische Verhaltensweise danach eingerichtet, in diesem von ihm ungeliebten und in seiner Partei schwierigsten Ressort persönlich als Politiker zu überleben, um möglicherweise später nach einer Kavalierszeit, ungeliebt in diesem Ressort, für andere Aufgaben ungeschoren zur Verfügung zu stehen. Er hat dafür eine Sache nach der anderen geopfert. ({7}) Wir kennen die große Zahl der Aussagen, daß weitere Kürzungen nicht mehr hinnehmbar seien. Dies ginge dann wirklich an die Einsatzfähigkeit. Das Ende der Fahnenstange sei erreicht; wieder ein Ende einer Fahnenstange. Dies sind nur ein paar Dinge, die ich in Erinnerung rufe. ({8}) Meine Damen und Herren, der Minister geht dann dazu über, ein - so nenne ich es einmal sehr vornehm - Ablenkungsmärchen zu erzählen, indem er sagt: Ich, der arme Minister an der Spitze dieses ja viel zu großen und überbürokratisierten Ministeriums, konnte gar nicht um die Dinge wissen, weil keiner „umgeschnallt" hat und zu mir gekommen ist. Herr Minister, eine Ihrer Tugenden, die Sie ja sonst sehr deutlich herausgestellt haben, ist es doch gewesen, sich - auch in diesem Amte - so unmilitärisch wie irgend möglich zu verhalten. Ich will nur fragen: ({9}) Warum haben Sie als verantwortlicher Minister, wissend, wie Sie sagen, um die Planungsprobleme, die Leute nicht gerufen, aufgefordert und immer wieder aufgefordert, Ihnen zu diesem schwierigen Bereich Vorträge zu halten, Vorlagen zu geben und überprüfbare Unterlagen auf den Tisch zu legen? ({10}) Als volle persönliche Verantwortung, Herr Minister, trifft Sie das totale Aushebeln der Planungsmechanismen. ({11}) Sie haben seit Ihrem Dienstantritt kein einziges Fünfjahresprogramm - und das ist die mittelfristige Finanzplanung als Grundlage für jeden einzelnen Haushaltsplan - rechtsverbindlich verabschiedet. ({12}) - Dies ist das Thema, im Unterschied zu manch anderem, was Sie hier vorhin zelebriert haben. - Sie haben hier vorhin von dem Trick der Opposition gesprochen, daß wir dauernd von den durcheinandergerüttelten Finanzen sprächen und Ihnen vorhielten, Sie hätten sich um die Finanzen, um die finanziellen Fehlbeträge nicht gekümmert. Sie haben gesagt, Sie hätten als dies nicht gewußt, sehr wohl gewußt aber hätten Sie von Planungsproblemen. Nun, ich nehme ihre Worte, die Sie in diesem Zusammenhang benutzt haben, vom Abkoppeln von Planungskomponenten und Finanzierungskomponenten. Wenn Sie das Abkoppeln als Trick bezeichnen und sagen, wir würden, wenn man dies abkoppelt, die Fakten manipulieren - so sind Ihre Worte gewesen -, dann trifft dies genau Ihre Verhaltensweise, das, was Sie getan haben: daß Sie die Planungs- und Finanzierungskomponenten auseinandergerissen haben und nur auf das eine geschaut haben, während Sie sich sonst, wenn es besser paßte, nach dem anderen gerichtet haben. ({13}) Gesagt werden muß hier, daß Ihr Verteidigungsminister mit dieser Verhaltensweise die ganze Zeit ja nicht allein gewesen ist, daß nicht nur Sie dies gedeckt und verdeckt haben, sondern daß dies direkt auch durch Ihren Bundeskanzler die ganze Zeit entweder mit gutgeheißen oder ebenfalls mit Desinteresse zur Kenntnis genommen wurde. Meine Kollegen haben darauf hingewiesen, daß Sie die Planungsmechanismen, die in sich gewachsen sind, die zwar nicht hinsichtlich dessen erfüllt werden müssen, was oben zusammenwächst, die aber - in sich logisch und in sich geschlossen - gekürzt, gestreckt und geschoben werden müssen, total auseinandergehoben haben. Hier wurde darauf hingewiesen, daß Sie an dem gewachsenen Apparat vorbei mit bestimmten, Ihr Parteibuch habenden Kollegen dies und jenes aufgerissen, gestopft und verschoben haben, ({14}) anstatt sich auf den gewachsenen Sachverstand zu stützen, den zu wägen und zu gewichten und dann zu einer Entscheidung zu kommen. Ich will Ihnen hierzu zwei Beispiele geben. Der Haushaltsdirektor, um den es hier ja konkret geht, hat dem Generalinspekteur und seinem planungsverantwortlichen Stellvertreter - so im Protokoll nachzulesen - in diesem Zusammenhang geantwortet: Sie, die Planungsverantwortlichen, können im Grunde planen was sie wollen; das stimmt sowieso nicht. Die Planung machen die Haushälter. Das ist der Zustand, der nach Einzug dieses früheren Finanzministers in dieses Ministerium eingekehrt ist. Ein anderes Beispiel, füge ich hinzu: Als der Planungsverantwortliche - nachzulesen im Protokoll - Ihnen Vortrag zur Planung halten wollte, um die vielfältige Planungs- und Finanzproblematik für die nächsten Jahre zu schildern, und merkte, daß Sie wieder einmal überhaupt nicht hinhörten und völlig desinteressiert waren, fragte er Sie, ob Sie, Herr Minister, diesen Vortrag überhaupt noch wollten oder ob die Entscheidung schon gefallen sei. Ihre Aussage - im Protokoll nachzulesen - war: Den Vortrag brauche ich nicht; die Entscheidung ist schon gefallen. Herr Neumann, zu Ihrem Beitrag darf ich anmerken, daß ich hoffe, daß es nicht nur uns, sondern besonders auch Ihnen, den SPD-Verteidigungspolitikern, nicht zum Schaden wird, daß Sie hier im Plenum des Bundestages diese künstliche, gefährliche und unzutreffende Alternative von sozialen Leistungen hier und Verteidigungsausgaben da aufgebaut haben, wie Sie das hier soeben getan haben. Das ist eine gefährliche, törichte Alternative. ({15}) - Lesen Sie das Protokoll nach. ({16}) Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuß und die einzelnen Anhörungen sowie die während des Verfahrens uns zur Kenntnis gekommenen Unterlagen, Akten, Studien ({17}) haben nicht nur der Opposition, sondern insgesamt dem Parlament und darüber hinaus der Öffentlichkeit einen tiefen Einblick in den wirklichen Zustand der Bundeswehr heute und in die Möglichkeiten der Entwicklung - und daraus ergibt sich der Stand der Einsatzfähigkeit für die kommenden Jahre - gegeben, ({18}) wie es nötig und, der Pflicht des Parlaments gehorchend, geboten war, daß sich nicht nur eine Opposition, sondern die Abgeordneten aller Fraktionen einer solchen Problematik annehmen. Einige der Dokumente und der Ergebnisse sind hier sehr ausführlich geschildert worden. Aus den Unterlagen, die uns erst so zugänglich wurden, ergibt sich unter anderem, daß es ein Märchen von Ihnen ist, eine Verschönerung der wirklichen Tatsachen, daß die reale Steigerung - bei der zunehmenden Bedrohung in den letzten Jahren - die berühmte Zahl von 3 % nahezu erreicht oder in manchen Jahren überschritten hätte. Lesen Sie, was Sie selbst an Studien hierzu in Ihrem Hause haben erarbeiten lassen. Diese Unterlagen ergeben auch die gefährliche Folgewirkung der Verdrängungseffekte, und zwar nicht nur auf dem Gebiet der Beschaffung der Rüstung, sondern auf allen Feldern, der Infrastruktur, der Ausbildung, der Erziehung, der Übung, des Fernmeldematerials, des Sanitätsmaterials, der Munition, des Personalwesens. Und dies hängt auch wieder damit zusammen, daß überhaupt keine zusammenhängenden Planungen vorgenommen wurden. Heute ist der Fünfjahresplan als Grundlage für den nächsten Haushalt immer noch nicht dem Parlament zugeführt. Sie haben nicht einmal aus dem, was Sie angerichtet haben, gelernt und versuchen noch nicht jetzt, in unser aller Interesse, hier wenigstens nach vorne zu reparieren, was noch zu reparieren ist. ({19}) Herr Kollege Popp, Sie haben eine Bemerkung gemacht, die ich gerne aufnehme und sehr unterstreiche. Sie haben gesagt, der Hebel müsse im Bundesministerium der Verteidigung angesetzt werden. ({20}) In der Tat, aber nicht unten, bei irgendwelchen, sondern hier muß der Hebel angesetzt werden, und zwar ein kräftiger. ({21}) Ich möchte noch einmal zu dem Kollegen Neumann kommen - ich bitte um Verständnis, wenn es vielleicht der Kollege Kolbow war: Einer von Ihnen beiden hat davon gesprochen, daß die Verdrängungseffekte, die Sie nicht leugnen, auftreten, daß durch das Streichen von vielen Milliarden DM Peripherie-Geräte - so haben Sie formuliert - wegfallen müssen. Hier bitte ich, daß wir, wenn wir wieder ein wenig mehr zur nur sachlichen Arbeit zurückgefunden und Sie Ihre Pflicht- und Klimmzugübung hinter sich haben, ({22}) einem Mann, der seiner Verantwortung nicht gerecht wurde, wider besseren Wissens eine Schutzbescheinigung auszustellen, ({23}) sehr schnell feststellen, daß nicht Peripherie-Geräte, sondern tragende Bestandteile der Sicherheit, der Einsatzfähigkeit auf Grund dieses Verhaltens auf der Strecke bleiben mußten. Hier ließe sich eine Vielzahl von Dingen aufzählen, die den Namen „Peripherie-Geräte" überhaupt nicht zu Recht tragen. Hier betreiben Sie eine verniedlichende Bagatellisierung wirklicher Zusammenhänge. ({24}) - Wenn Sie dies rufen, will ich Ihnen ein, zwei Beispiele sagen: Für eine gewaltige Summe an Geld wird der Flugabwehrpanzer eingeführt. Wir hatten dort lange eine große Lücke auch in der Zeit der Union. ({25}) - Wir geben Dinge, wie sie sind und waren, zu, und haben ähnliche Übungen wie sie überhaupt nicht nötig. Der Flugabwehrpanzer ist also mit einem ausgesprochen modernen System eingeführt worden. Er könnte mit dem Fla-Panzer und mit dem Roland durch einen technischen Verbund zu einer hohen Abwehrfähigkeit beitragen, wenn das EDV-, Fernmelde- und Leitsystem oben drübergestülpt werden könnte, das Sie als „Peripherie-Gerät" bezeichnen. Berechnungen auch von Fachleuten von Ihnen ({26}) ergeben, daß durch das Wegnehmen dieser Systeme die Einsatzfähigkeit allein dieses Komplexes, den ich anspreche, um 70% beeinträchtigt wird. Ich könnte solche Beispiele in einer Vielzahl hinzufügen. Dies sind Dinge, die die Einsatzfähigkeit, die Abwehrfähigkeit, die Glaubwürdigkeit der Bundeswehr und damit den politischen Auftrag der Abschreckungserfüllung in nicht unerheblicher Weise in Frage stellen. ({27}) Ich möchte einen weiteren „Nebenkriegsschauplatz", den Sie hier dauernd aufzubauen versuchen, beim Namen nennen, einen übrigens, der ja in die letzten zehn und etwas mehr Jahre zurückfiele, wenn Sie ihn selbst ernst nähmen, nicht nur gegen Ihre Verteidigungsminister, sondern gegen alle von Ihnen, Ihre Haushaltspolitiker und die gesamte Fraktion, wenn Sie unterstellen, früher hätte man ohne große Sorge aus dem Füllhorn schöpfen können, ein Märchen, das - ich verstehe - bewußt hier aufgebaut wurde. Nie hat es ein volles Füllhorn gegeben, auch nicht unter den Vorgängern dieses Ministers. Das wäre ein blamables Zeugnis für Ihre Haushälter. Noch kurz vor der Wahl hat der gleiche Minister gesagt, alle Anschlußrüstungsvorhaben sind bezahlbar. Das hat er über die deutschen Medien verbreitet und hat dies stolz gefeiert. Meine Damen und Herren, hier wurde von einem Ihrer Redner die Frage gestellt, warum wir wieder einen Untersuchungsausschuß haben einführen müssen. ({28}) - Sie haben ihn j a einen Tag nach uns, sicherlich aus gutem Grunde, auch eingeführt. ({29}) - Glauben Sie, daß einer von uns in der Union stolz darauf ist, abgesehen von dem Aufwand an Zeit, an Einsatz und ähnlichem, daß wir in den wenigen letzten Jahren im Bereich allein der Verteidigung, der Sicherheitspolitik einen dritten Untersuchungsausschuß haben einrichten müssen? Ich darf in Erinnerung rufen - die Frage wurde von Ihnen hier hingelegt -: der erste Untersuchungsausschuß war der um den Spionagefall Lutze/Wiegel. Alle, die sich daran erinnern, wissen, daß ebenfalls - ich nenne das mal vornehm - großzügigster Umgang mit nötigen Sicherheitsvorschriften in Ihrem Ministerium, Hereinhieven von Leuten, die nur das Buch und nicht die Kenntnisse für dieses Amt mitbrachten, die entsprechenden Folgewirkungen hatte. ({30}) Das war keine Freude oder gar Wollust für uns, daß wir dies zum Untersuchungsgegenstand hier im Parlament gemacht haben. Der zweite Untersuchungsausschuß, den wir haben einrichten müssen, schlägt ebenfalls mittelbar oder unmittelbar auf Verhaltensweisen oder Nichtverhaltensweisen - es gibt kein Nichtverhalten - dieses Ministers zurück. Da ging es um die schlimmen Krawalle bei den öffentlichen Gelöbnissen anläßlich des Jubiläums der Bundeswehr, die auch nicht aus dem heiteren Himmel kamen und wo Genossen Ihrer Partei an hoher Stelle bis hin in Bonn und in Bremen oder sonstwo aktiv dagegen tätig waren. ({31}) Der dritte Ausschuß ist dieser hier.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Neumann?

Peter Kurt Würzbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte mich der Gepflogenheiten des Kollegen Neumann anpassen, der ebenfalls auf Zwischenfragen verzichten wollte. Herr Minister, ich möchte Sie nicht auffordern, sondern ich möchte Sie in diesem Punkt bei allen Unterschieden, die wir haben und die wir weiter ausfechten werden, bitten und ersuchen: kehren Sie heute noch einmal hierher zurück und revidieren Sie Ihre Aussage, die Sie an die Adresse meiner Fraktion, aufgenommen von einigen Ihrer Kollegen an bestimmte meiner Kollegen, in Verbindung mit Geheimnisverrat gemacht haben. Ich fordere Sie nicht auf, ich ersuche Sie, dieses mit allen Konsequenzen, die in einer solchen Aussage an Unterstellungen Ihrerseits hängen, in einer Ihnen angebracht erscheinenden Form hier und heute zu reparieren. ({0}) Meine Damen und Herren, ich komme noch einmal zu einem Kollegen Ihrer Fraktion, von dem ich höre, daß er nach mir hier für Sie reden wird; das ist der Kollege Würtz. Ich zitiere ihn hier aus einer Zeitung, dem „General-Anzeiger" vom 9. Dezember 1980. Das war so in den Anfängen, als man die Sache noch über die unbedingt zu stützende und zu haltende Person stellte. Da spricht der Kollege, gemünzt auf Ihren Minister, in diesem Zusammenhang - ich zitiere - von „Schlamperei", von „Unverfrorenheit", von „Unverschämtheit" und „schlimmer politischer Verantwortung". Meine Damen und Herren, das waren Äußerungen in der Zeit, als das Untersuchungsverfahren begann, die nicht wir, sondern die Sie gemacht haben. ({1}) Herr Minister Apel, wenn Sie, der Sie nichts zur Sache gesagt haben, gar nichts, sich hier hinstellen ({2}) und werfen der Opposition vor, unser Plan sei nicht aufgegangen - „Die Opposition wollte auf Kosten der Bundeswehr", so haben Sie gesagt „ein politisches Schlachtefest veranstalten" -, ({3}) dann muß ich dies für uns alle in aller Klarheit zurückweisen. Wenn es darum geht, Mißverhaltensweisen von Ihnen an der Spitze dieses Ministeriums in aller Form zu untersuchen, klarzustellen und - ich hoffe, gemeinsam - um des Ernstes der Sache willen Konsequenzen zu ziehen, dann ist dies kein „Schlachtefest" auf dem Rücken der Bundeswehr, ({4}) sondern dies ist, so weh uns manche Prozedur getan hat, eine notwendige Pflicht, der sich die Opposition, wenn hier verschönt, gekleistert, verdrängt wird, dringend unterziehen muß, wenn wir das Parlament überhaupt ernst nehmen wollen. ({5}) Herr Minister, eines hätte man Ihnen, als Sie in dieses Ressort gedrängt wurden, unwillig und sich eigentlich bis zum letzten Abend mit bestimmten kräftigen Aussagen wehrend, wenigstens unterstellt und von Ihnen erwartet, daß Sie nämlich als ehemaliger Finanzminister in diesem neuen Amt, an dessen Spitze Sie gesetzt wurden, mindestens die Finanzsituation, die Finanzplanung, die Finanzgrundlage, und zwar für diesen Haushalt, für den nächsten und mittelfristig in Ordnung gehalten hätten. Auch dies haben Sie nicht mit Erfolg getan. Das Gegenteil ist der Fall; Sie haben sie in einer ganz gefährlichen Form umgekrempelt und durcheinandergebracht. ({6}) Es muß ein trauriges Licht auf die Kollegen Ihrer Fraktion werfen, wenn Sie nach diesen „Leistungen" jetzt möglicherweise wieder für Verwendungen ins Gespräch kommen, wo diese Verhaltensweisen für die sprechen, die einen solchen Mann in eine solche andere Funktion, wo die Finanzen im Mittelpunkt stehen, stellen. ({7}) Herr Minister, wir sind am Ende des Ausschusses ohne Zweifel - und ich sage: leider, weil dies niemanden mit Schadenfreude erfüllt - der Auffassung, daß Sie in Ihrer Amtsführung der Bundeswehr, unser aller Sicherheit schweren Schaden zugefügt haben, daß Sie unsere Sicherheit gefährdet haben. ({8}) Meine Damen und Herren, wenn Sie in diesem Amt an einem solchen Mann festhalten, dann kennzeichnet das auch Sie, es kennzeichnet Ihren Bundeskanzler, ({9}) es kennzeichnet Ihre Politik. Ich kann Ihnen nur zurufen: Wechseln Sie diesen Mann aus, durch wen auch immer; keiner macht das schlechter als er. ({10})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Möllemann. ({0})

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Mein sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Ausschußbericht, über den hier gesprochen wird, liegt Ihnen allen vor. Die sachlichen Aussagen dieses Berichts, sowohl im Mehrheiten- als auch im Minderheitenteil, sind in ihren Schwerpunkten dargestellt worden. Ich glaube, es geht jetzt eigentlich mehr darum, in einigen Schwerpunkten zu sagen, welches die Schlußfolgerungen sind, welches die Bewertungen sein müssen. ({0}) - Es ist kurz vor zehn, ich verstehe ja, daß hier dann auch schon von „Wollust" und ähnlichem die Rede ist. Ich wäre aber ganz froh, wenn man das hier sachlich und dem Thema entsprechend abwickeln könnte. Zunächst zur Rolle dieses Untersuchungsausschusses. Ich denke, daß die Debatte heute bisher noch mal bewiesen hat, was wohl auch das Nachlesen der Protokolle belegt, ({1}) - ja, natürlich -, ({2}) daß unsere Position richtig war, daß der Verteidigungsausschuß besser gefahren wäre, hätte er sich nicht 14 Monate vorwiegend, ja nahezu ausschließlich in einer politisch, sicherheitspolitisch außerordentlich brisanten Phase mit kleinkariertem Kram zum Teil in einem Bereich beschäftigt, ({3}) dessen Betrachtungsweise - das ist heute nun wirklich schlagend belegt worden - ausschließlich von Parteitaktik geprägt war und bei der es schon nach dem dritten, vierten Sitzungstag überhaupt nicht mehr um die Sache gegangen ist. ({4}) - Ich möchte mich an das gute Beispiel der zahlreichen CDU-Vorredner halten und zunächst einmal ein paar Gedanken vortragen. Ich stehe dann gern für Zwischenfragen zur Verfügung. ({5}) Es ist nun mal so, daß wir, wenn wir die Verlautbarungen, die über die Pressedienste der SPD, der CDU/CSU und der FDP vor Beginn der Untersuchungsausschußarbeit herausgegeben worden sind, und die inhaltlichen Stellungnahmen, die nach wenigen Wochen der Untersuchungsausschußarbeit herausgekommen sind, ansehen, feststellen können, daß die wesentlichen politischen Schlußfolgerungen auf der Hand lagen: sowohl zu dem, was zu kritisieren war, als auch zu dem, was an Abhilfe zu leisten war. Es war danach nicht mehr notwendig, diesen Ausschuß, der, denke ich, nicht einer der unwesentlichen des Parlaments ist, fast ausschließlich mit diesem - ich wiederhole das - Kleinkram zu beschäftigen. Und ich sage Ihnen: Ich empfinde es als bedrückend, daß in der Bundesrepublik Deutschland, geprägt von Großkundgebungen, eine sicherheitspolitische Debatte ausgeprägten Ausmaßes an diesem Parlament vorbei abläuft und der federführende Ausschuß nichts anderes zu tun hat, als zwei, drei Stunden darüber zu debattieren, ob am 15. August, am 17. August oder am 19. August Herr Meier, Herr Schulze oder sonst wer etwas schon gewußt haben. Das ist unmöglich, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Bürger draußen fragen sich wirklich: Wofür hat dieses Parlament einen Verteidigungsausschuß, wenn er nicht in der Lage ist, sich mit den zentralen Fragen der Sicherheitspolitik zu beschäftigen, sondern über 14 Monate ein solches Spiel betreibt? Ich meine, das hat keinen Sinn. ({6}) - Herr Wimmer, ich habe Ihre Rede genauso aufmerksam angehört, wie Sie es vielleicht jetzt mit meiner tun könnten. ({7}) Das muß man mal vertragen können. ({8}) Das zweite. Als wir darüber sprachen, ob wir diesen Untersuchungsausschuß, den dritten innerhalb kurzer Zeit - auch die beiden Vorgänger waren sehr stark von Parteitaktik in ihrer Arbeit geprägt; die Termine ließen es j a auch geraten erscheinen -, einrichten sollten, haben wir uns Gedanken darüber gemacht - und ich entsinne mich noch sehr genau, daß auch Herr Marx das damals sagte -, daß wir beim Umgang mit bestimmten Sachverhalten darauf zu achten haben, daß wir nicht in unserer Bevölkerung den Eindruck erwecken, als seien nicht nur das Ressort, nicht nur die Internationale Rüstungsagentur, sondern auch das dieses Ressort kontrollierende Parlament und seine Ausschüsse absolut unfähig, Sicherheitspolitik in konkrete Beschlüsse umzusetzen. Sie tun hier die ganze Zeit so, als sei Tornado in seiner ganzen Geschichte nicht auch vom Parlament begleitet worden. Ja, haben Sie denn angefangen, über dieses Problem nachzudenken, als Sie am Wahltag - und das ist j a das auslösende Moment für Ihre Verbitterung; das kommt in jedem dritten Satz zum Ausdruck - bescheinigt bekamen, daß der Verteidigungsminister nicht Wörner, sondern weiterhin Apel heißen werde? Nur, da war es schon zu spät. Da war die Entscheidung der Bürger getroffen. Da half es nichts mehr. ({9}) - Ja, das muß man hier einmal so deutlich sagen. Sie können sich hier nicht hinstellen und mit Sechsunzenhandschuhen austeilen und sich, wenn Ihnen mal einer zurückgibt, darüber aufregen, daß das so ist. Das müssen Sie schon ertragen. ({10}) Im übrigen: Das Fröhliche an der Sache ist ja, daß, wenn man bei den spärlichen Sitzungen des Verteidigungsausschusses als Verteidigungsausschuß mit den Kollegen, auch den Kollegen der Union, darüber sprach, ob es nicht eigentlich ärgerlich ist, in einer solchen Situation nicht zu den uns bedrängenden Fragen zu kommen, alle einer Meinung waren und sagten: Jawohl, das ist ärgerlich, und im Grund ist das Quatsch. Ich will nicht sagen, was da noch alles gesagt worden ist. Das bringt auch nicht sehr viel, weil da eben noch diese und jene Übung bis zur Beförderungsstufe A absolviert werden muß. Es ist dann dazugesagt worden, liebe Kollegen, daß man auch in der Union wisse, daß die Bevölkerung dieses dauernde Indiskretionieren mit vermeintlichen oder tatsächlichen Sachverhalten längst leid ist. - Glauben Sie denn, daß außer uns, die wir hier sitzen, sich irgendwer draußen noch für die Darlegung zum 37. mal dieser Vorwürfe interessiert? Davon kann doch keine Rede sein. ({11}) Die armen beiden Journalisten, die dort oben sitzen, tun das j a auch nicht aus lauter Lust und Begeisterung, weil sie noch etwas Neues hören wollen, son5702 dern weil sie sich wahrscheinlich einen stilvollen Abschluß dieses Schauspiels erhofft haben. Wir sind dabei, das zu zelebrieren. - Aber die gleichen Kollegen haben mit uns beklagt ({12}) - gemach, Sie werden das ertragen müssen -, daß die Effekte so sind, wie ich sie beschrieben habe, nämlich öffentliches Desinteresse am Thema und Kritik daran, daß wir zu den eigentlichen substanziellen Fragen der Sicherheitspolitik nicht kommen: So, und jetzt kann fragen, wer will.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, Sie sind bereit, jetzt Zwischenfragen zuzulassen? - Zunächst eine Zwischenfrage des Abgeordneten Würzbach. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Peter Kurt Würzbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Möllemann, mögen Sie sich mit mir daran erinnern, daß wir zunächst in einer normalen Sitzung des Verteidigungsausschusses versuchten, Tornado und die Folgen zu klären, und daß der Minister dann auf unsere detaillierten, sicherlich bohrenden Fragen nahezu wörtlich geantwortet hat: Sie müssen sich zufrieden geben mit dem, was ich Ihnen sage; wenn Sie mehr wissen wollen, müssen Sie einen Untersuchungsausschuß beantragen?

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich finde es natürlich traumhaft, wenn Sie künftig alles sofort machen wollen, was Herr Dr. Apel Ihnen empfiehlt. ({0}) Sie werden mir doch nicht weismachen wollen, Sie haben das deswegen gemacht. Hier sitzen lauter Kollegen, die jeden Tag miteinander umgehen. Wir wissen doch ganz genau, wie das damals gespielt worden ist. Aber daß Sie jetzt auf die Idee kommen, Sie hätten das nur gemacht, weil der Herr Apel Ihnen das empfohlen hat, finde ich die traumhafteste Variante. ({1})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, Herr Abgeordneter Dallmeyer möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Sind Sie einverstanden?

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Aber herzlich gerne, Herr Kollege.

Harm Dallmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000350, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, diese Zwischenfrage ergibt sich in diesem Zusammenhang nicht, weil Sie gebeten haben, zunächst einige Ausführungen zu machen. Ich bitte aber dennoch, uns mitzuteilen - weil Sie angedeutet haben, der Untersuchungsausschuß habe die ordnungsgemäßen Beratungen des Verteidigungsausschusses gestört -, wie Sie darüber denken, daß in der letzten Sitzung des Verteidigungsausschusses zu den entscheidenden drei Tagesordnungspunkten sämtliche Beratungsunterlagen vom Verteidigungsministerium nicht geliefert wurden und deswegen die Beratungen nicht stattfinden konnten? ({0})

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich will das jetzt einmal so nehmen, wie Sie das gesagt haben. Es ändert j a nichts an der Kritik. Ich habe mir noch einmal das Verzeichnis genommen. Es waren alleine 24 Sitzungen außerhalb des normalen Sitzungsturnus. ({0}) Diese Zeit haben wir uns jedenfalls schon einmal nicht - obwohl es wichtige Fragen gegeben hat - mit sicherheitspolitischen Fragen als Ausschuß beschäftigen können. Worum es ging, möchte ich an einem Beispiel deutlich machen. Wir von SPD und FDP hatten uns darauf verständigt, den Punkt „Fortschreibung der Fünf-Jahres-Finanzplanung" in dieser Sitzung abzusetzen, weil der dazu zu erstellende schriftliche Bericht in der von uns gewünschten Form noch nicht vorlag. ({1}) Ich halte es für völlig normal, daß zwei Parlamentsfraktionen - im umgekehrten Fall, wenn Sie das beantragen würden, müßten wir das auch akzeptieren - darum bitten, einen Punkt abzusetzen. Wir hatten ihn abgesetzt, und dementsprechend konnte nichts vorgelegt werden und mußte nichts vorgelegt werden. Dieser Vorwurf trifft also nicht zu. ({2})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, lassen Sie noch eine Zwischenfrage zu?

Jürgen W. Möllemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001520, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich wollte jetzt gerne ein paar Bemerkungen machen, Herr Präsident, weil ich sonst wirklich zu ein paar anderen Punkten nicht mehr komme. Ich komme zu drei Schlußfolgerungen. Erstens. Ich glaube, daß das Thema MRCA/Tornado neben dem, was hier schon an Bedenkenswertem, an Schlußfolgerungen gesagt worden ist, uns auch veranlassen muß, künftig bei solchen Multifunktion-Waffensystemen dieser komplexen und hochteuren Art wirklich sehr gründlich darüber nachzudenken, ob wir uns noch Projekte, die einen so hohen Anteil vom Verteidigungshaushalt, etwa von dem Haushalt einer Waffengattung, abverlangen, leisten können, wenn wir den Gesamtauftrag der Streitkräfte sehen. Ich wage das zu bezweifeln. Für mich ist eine der Schlußfolgerungen, daß wir behutsamer vorgehen müssen, wenn wir darüber nachdenken, ob das alles, was machbar wäre, noch finanziert werden kann. Das gilt nicht nur wegen des Wettbewerbs zwischen Sozial- und Verteidigungsausgaben, den es natürlich gibt, sondern auch, weil die Streitkräfte in sich es als unbefriedigend empfinden müssen, wenn für ein solches Waffensystem ein so hoher Anteil weggeht und für viele andere wichMöllemann tige Aufgaben dann fast kein Spielraum mehr bleibt. ({0}) - Das gilt auch für den deutsch-französischen Kampfpanzer. Sie kennen meine Position und die meiner Fraktion dazu. Die große Skepsis gegenüber diesem System haben wir deutlich gemacht. Daran hat sich für uns nichts geändert. ({1}) - Wieso „Hört! Hört!"? Das ist j a nicht unbekannt. Ich kann das nur noch einmal unterstreichen. Nun zum Thema Führungsstruktur auf der Hardthöhe. Herr Dr. Apel, Sie haben unterstrichen, daß man auch in dieser Richtung Schlußfolgerungen ziehen mußte. Es sind j a einige gezogen worden, etwa was die Kompetenz des Generalinspekteurs angeht. Wir haben mit Zufriedenheit zur Kenntnis genommen, daß dessen Zuständigkeiten verbessert worden sind, klarer geworden sind. Aber ich möchte Sie bitten - ich glaube, nicht nur im Namen der Kollegen, die im Haushaltsausschuß tätig sind, sondern als einer derjenigen, der auch merkt, daß uns das immer enger wird -, noch einmal darüber nachzudenken, ob wir nicht das, was wir für den Führungsmantel der Streitkräfte - ganz oben angefangen bis hinunter zu den Führungsebenen der Korps, Divisionen und Bataillone - vorgesehen haben, zwangsläufig zurückschneiden müssen zugunsten der Soldaten in den Kampfverbänden und an den personell besetzten Waffensystemen. Wir kommen sonst nicht mehr hin. Ich bin von einem guten Freund, der bei Ihnen im Hause Dienst tut, gebeten worden, ich solle nicht wieder vom Wasserkopf reden. Das tue ich also nicht. Aber es ist einfach zu viel. Es ist einfach ein Apparat, der von keinem Verteidigungsminister - egal, ob der nun Apel oder sonstwie heißt - in seiner Komplexität durchschaut werden kann und der nach unserer Auffassung vor allen Dingen von der Funktion her so groß nicht sein muß. Nun zum letzten Punkt, den ich ansprechen möchte. Liebe Kollegen von der Union, Sie - insbesondere Herr Würzbach - haben vorhin gesagt, unsere Strategie sei es gewesen, hier den Minister zu verteidigen. Ich meine, das kann Sie nicht überrascht haben. Wir tragen diese Bundesregierung. ({2}) Deswegen tragen wir logischerweise auch die ihr angehörenden Minister und stützen sie selbstverständlich auch. Ich denke, das ist doch ein völlig normaler Vorgang. ({3}) - Stützen! Stützen! Wenn Sie, Herr Kollege, es schaffen, so gut zu stürzen, wie wir stützen, dann müssen Sie sich noch ganz schön anstrengen. Das ist Ihnen doch wohl bisher nicht gelungen. ({4}) Sie haben uns gesagt, wir würden die ganze Geschichte auch unter dem Gesichtspunkt der Stützung der Bundesregierung betreiben. Das ist richtig. Aber durch Ihre Reden hat sich j a wie ein roter Faden hindurchgezogen, daß es Ihnen überhaupt nicht um die Schlußfolgerungen aus dem Tornado-Projekt ging, überhaupt nicht um Strukturmechanismen innerhalb der Rüstungspolitik, überhaupt nicht darum, ob man Großwaffensysteme gebrauchen kann oder nicht. Keiner der Kollegen hat mit nur einem Wort davon überhaupt gesprochen. Sie haben von Anfang bis Ende klargemacht, Ihnen geht es darum, diesen Bundesminister zu attackieren. ({5}) In besonders eleganter Art und Weise glaubte Herr Lowack das machen zu können, indem er sagte: Eigentlich lassen wir den nur noch dran - Sie lassen ihn j a dran, so großzügig sind Sie -, weil wir nicht wissen, wer danach kommt. Ich will Ihnen eines sagen. So simpel kriegen Sie diese Koalition mit ihrer Politik und ihrer Regierung nicht ausgehebelt. Da müssen sie schon mit konkreten Alternativen kommen. Das haben Sie auch heute wieder einmal nicht getan. - Ich danke Ihnen. ({6})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Würtz.

Peter Würtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002571, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Marx, ich habe es sehr bedauert, daß Sie heute nicht reden konnten. Ich hätte gerne Ihren Ausführungen, die Sie der Presse übergeben hatten, noch gelauscht. Ich habe mir - wenn ich mir das erlauben darf -, Herr Kollege Würzbach, als Sie als Redner angekündigt waren, vorstellen können, wie Sie hier auftreten würden, nämlich in Ihrer alten bekannten Art, indem Sie stramm und überzeugt eine alte Platte vortragen, die Sie bei der Haushaltsberatung schon einmal vorgetragen haben. Da haben Sie dem Minister genau das gleiche vorgehalten, was Sie hier zum Tornado gesagt haben. Ich sehe Ihnen das nach, wenn Sie mir das gestatten, und zwar einfach deshalb, weil ich mir sage, Sie mußten einspringen. Ich hätte aber viel lieber gehört, was der Vorsitzende zu sagen hatte. Denn das, was Sie der Presse übergeben haben, Herr Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, war nicht sehr objektiv, wenn ich mir diese Kritik erlauben darf. Darin sind einige Formulierungen, die Sie so nicht hätten bringen sollen. Ich will aber auch eine Bemerkung zu Ihnen, Herr Lowack, machen, weil Sie hier den Minderheitenbericht gelobt haben. Warum sollten Sie ihn auch nicht loben; denn Sie haben ihn ja verfaßt. ({0}) - Ich sage: Sie haben Ihren Minderheitenbericht gelobt. Ich habe dafür Verständnis. Nur, wer sich diesen Minderheitenbericht ansieht und sich auch einmal den Bereich des Sachverhalts genau anschaut und dort feststellt, daß Sie mit Be5704 hauptungen und Unterstellungen arbeiten, der kann nur wie ich Ihnen und dem Kollegen Wimmer sagen: Mir graut vor diesen Anwälten oder Staatsanwälten, welcher Art auch immer. ({1}) Lassen Sie mich das einmal sagen: Ich war neben dem Kollegen Jung der einzige Berichterstatter, der keine juristische Ausbildung hat. Das, was Sie sich in Ihrem Minderheitenbericht geleistet haben, ist im Bereich des Sachverhalts ein ganz starkes Stück. Ich finde es unmöglich. Ich kann mir kaum erklären, warum Sie das gemacht haben. Es ist nur erklärbar, wenn man den Vorstellungen folgt, die hier der Kollege Möllemann vorgetragen hat, indem er gesagt hat: Sie haben nur die einzige Absicht, dem Minister am Zeug zu flicken. ({2}) Das Hohe Haus weiß, daß eine Anpassung unserer Verteidigungsplanung an die im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung zu erwartende Zuteilung mit dem Ziel eingeleitet worden ist, unter weitgehender Aufrechterhaltung der Kampfkraft eine Straffung der Streitkräfte herbeizuführen. Dabei kommt es darauf an, eine Synthese zwischen den Erfordernissen unserer Sicherheit, der strategischen Konzeption, den NATO-Verpflichtungen, den Anstrengungen unserer Verbündeten und den für uns verfügbaren Finanzmitteln zu finden. ({3}) Es bedeutet ferner, daß die Aufgaben, die wir übernehmen können, geprüft werden müssen, und daß sie mit den verfügbaren Mitteln so in Übereinstimmung gebracht werden, daß auch künftig ein wirkungsvoller Verteidigungsbeitrag sichergestellt ist. ({4}) - Herr Kollege Lowack, diese Worte - sie finden sich im Protokoll der 167. Sitzung der 5. Wahlperiode am 4. April 1968 - sprach ein christdemokratischer Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Schröder, von diesem Platz aus, als er einen Verteidigungshaushalt einbrachte, der gegenüber dem Vorjahr um über 12 % gekürzt worden war. ({5}) Er sprach diese Worte zu einer Zeit, als die CDU sich noch nicht abgemeldet hatte von einer verantwortlichen Finanz- und Sicherheitspolitik. ({6}) Welten liegen zwischen der gelassenen Einsicht, die Dr. Schröder hier vorgetragen hat, daß auch das militärisch Notwendige seine Begrenzung im gesamtwirtschaftlich Verantwortbaren findet und dem, was Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, hier und heute - zum Teil auch wider besseres Wissen - an Aufregung über eine angeblich schlecht ausgerüstete Bundeswehr zu schüren versucht haben, obwohl Sie wissen, daß der Verteidigungshaushalt in den letzten zehn Jahren real um 2,8 % erhöht worden ist. ({7}) - Ich weiß, es sind 2,8 % real. Schauen Sie sich das bitte an. Sie haben sich im Haushaltsausschuß ja nicht sehr lange aufgehalten. Sie sind nur einige Male Gast gewesen, Herr Würzbach. ({8}) Ich weiß, Dr. Schröder deklamierte noch nicht nach dem Würzbachschen Konzept. ({9}) Ich weiß, Dr. Schröder wußte sich im Gegensatz zu Ihnen für seine Worte verantwortlich. Meine Damen und Herren, wir debattieren heute einen Untersuchungsbericht über die in den Jahren 1980 und 1981 eingetretenen Finanzierungsschwierigkeiten beim Tornado. Dieser Sachverhalt gehört der Vergangenheit an. Der auf der Zeitachse vorgezogene Mehrbedarf wurde von diesem Haus mit dem Haushalt 1981 gedeckt. 175 Millionen DM wurden im Haushalt 1981 an anderer Stelle des Einzelplanes 14 in gleicher Weise eingespart wie bereits im Haushalt 1980 ein Betrag von 171 Millionen DM zur Deckung eines Haushaltsausgaberestes aus dem Jahre 1978. Beide Einsparungen konnten nach Auskunft des stellvertretenden Generalinspekteurs der Bundeswehr vor unserem Untersuchungsausschuß die Kampfkraft der Bundeswehr in den Jahren 1980/ 1981 nur geringfügig - und dies nicht quantifizierbar - beeinträchtigen. Ein Weiteres wurde bereits im Laufe des Verfahrens klar und steht nach dem Ihnen vorliegenden Bericht fest: Der Minister, der nicht mehr als seine Staatssekretäre wissen konnte, erfuhr von einer konkret für 1980 drohenden Haushaltsunterdeckung - und zwar durch rechtsverbindliche Industrieforderungen in bestimmter Höhe - nicht vor dem 18. November 1980. ({10}) Die Sandkastenspiele der Union können diesen Befund in dem Bericht nicht erschüttern. ({11}) Aber die doch recht müßige Frage, wer was wann im Bundesministerium der Verteidigung gewußt oder nicht gewußt oder entfernt geahnt hat, kann nach meiner Auffassung keine sinnvolle Vorstellung für die Zukunft bieten. ({12})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Herr Abgeordneter, lassen Sie ein Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dallmeyer zu?

Peter Würtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002571, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, ich gestatte sie gerne.

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Bitte, Herr Abgeordneter Dallmeyer.

Harm Dallmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000350, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Können Sie mir dann vor dem Hintergrund Ihrer Ausführungen, die Sie eben gemacht haben, sagen, wie der Minister am 23. April 1980 anläßlich der Luftfahrtschau in Hannover formulieren konnte: „... machen mir die Kostensteigerungen, speziell beim Tornado, Sorgen. Wir stehen damit vor einer den Verteidigungsetat belastenden Kostenexplosion"?

Peter Würtz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002571, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dies steht - um es deutlich zu sagen - in keiner Weise im Widerspruch zu dem, was ich ausgeführt habe und was in diesem Bericht deutlich dargelegt worden ist. ({0}) Wie andere Großbeschaffungsvorhaben der Runderneuerung der Bundeswehr ragt Tornado als ein Relikt der fetten Jahre in unsere magere Gegenwart. Diese vertraglich langfristig festgelegten Saurier wachsen sich heute nicht nur auf Kosten anderer geplanter Beschaffungsvorhaben aus, sie drohen sich auch auf Kosten ihrer eigenen Infrastruktur auszuwachsen. Diese Entwicklung ist es, die uns Sorge bereitet, nicht zuletzt dem Haushälter. Nun sagen manche - auch von Ihnen höre ich das immer -, dies sei nur ein Scheinproblem, das sich sofort löse, folge man bei den Beschaffungstiteln des Einzelplans 14 nur der militärischen Planung. ({1}) Dies sei schließlich bedrohungsgerecht - Sie haben das auch wieder vorgetragen, Herr Würzbach -, sofern sie nicht durch Haushaltsvorgaben kastriert werde. Diejenigen, die so argumentieren, liefern dann auch gleich das Rezept mit: Der Einzelplan 14 müsse eben fortwährend in dem gleichen Maße steigen wie der Bundeshaushalt insgesamt oder eventuell sogar noch stärker. Auf diese Weise würde zudem Haushaltspolitik recht einfach. Mit dem Gaspedal der militärischen Planung einerseits und der Bremse einer beschränkten Nettokreditaufnahme andererseits würde vieles, was an sozialstaatlicher Zuladung das Staatsgefährt erst zum Nutzfahrzeug macht, abgeworfen werden müssen. Nur, wer wollte eigentlich einen solchen Staat noch verteidigen? Nein, umgekehrt wird daraus ein Schuh. Die am gesamtwirtschaftlichen Gemeinwohl - dazu gehört derzeit vor allem die Sorge um die Arbeitsplätze - orientierte Haushaltsvorgabe muß endlich auch auf der Hardthöhe nicht nur vom Minister und der politischen Leitung, sie muß auch von dem militärischen Planer akzeptiert werden. Wir wissen, daß die Zeit, in der mit Alternativen von 20 % über dem Plankostenrahmen lustig drauflos geplant wurde, vorbei ist. ({2}) - Sie brauchen sich doch nur anzuschauen, wie die Planung aussah. Der Plankostenrahmen war immer mit dem Rubrum von 20 % versehen, eben auch in der Zeit, in der der von Ihnen so geschätzte Generalinspekteur, den Sie jetzt mehrmals genannt haben, geplant hat. ({3}) Wir wissen auch, daß es den Teilstreitkräften schwerfällt, das zu leisten, was auch militärische Planung leisten muß, nämlich das militärisch Notwendige mit dem gesamtwirtschaftlich Möglichen in Einklang zu bringen. ({4}) Hierbei helfen nach meiner Auffassung keine Krokodilstränen über ein vorgebliches Planungschaos, wie Sie es hier vorgetragen haben, hierbei hilft nur die Einsicht in die Notwendigkeit verstärkten teilstreitkräfteübergreifenden Kosten- und Nutzendenkens. ({5}) Ich darf als Zeugen für diese Notwendigkeit keinen Geringeren als Carl von Clausewitz anführen, der bereits vor 150 Jahren erkannte, daß der Leitsatz der Ökonomie, mit möglichst geringen Mitteln einen möglichst großen Nutzen zu erzielen, auch für das Militär gelten muß, wenn man im Frieden kein Geld und im Kriege kein Blut vergeuden soll. Der Bundesminister der Verteidigung hat - dafür möchte ich ihm persönlich sehr herzlich danken ({6}) die notwendigen Vorgaben angeordnet. Sie sollten nun mit Nachdruck in die Praxis umgesetzt werden. Ich möchte noch ein weiteres Problem ansprechen. In der für Tornado und andere Großbeschaffungsvorhaben gewählten Vertragsstruktur werden Beschaffungsverträge auf der Basis der Selbstkostenerstattung abgeschlossen - im Rahmen der MRCA-Beschaffung sind dies 40 % des Gesamtumfangs -, und der Auftragnehmer erhält neben seinen Kosten eine zuvor fest vereinbarten Prozentsatz als Gewinnzuschlag vergütet. Diese so ermittelten Kosten gehen später nach Umwandlung auch in die Festpreise ein. Ich möchte Sie und uns alle einmal fragen: Wer wird sich bei einer solchen Vertragsstruktur auch nur die geringste Mühe ge5706 ben, mit den Kosten zugleich auch seinen Gewinn niedrig zu halten, vor allem dann, wenn sein Unternehmen nur auf dem Weltmarkt Konkurrenten findet, die ihm aus bekannten Erwägungen des Auftraggebers nicht gefährlich werden können? Ich kann auch keinen vernünftigen Sinn darin erkennen, wenn - wie beim Tornado - noch ein Jahr nach Beginn der Serienproduktion in schöner Regelmäßigkeit Entwicklungskosten zum Teil in dreistelliger Millionenhöhe anfallen. Den Parlamentsausschüssen sollten Beschaffungsvorhaben zur Freigabe der Serienfertigung nur vorgelegt werden, wenn die Entwicklung abgeschlossen ist. Die von unserem früheren Kollegen Dr. Bussmann bereits zu Recht gerügte Praxis der Rüstungsbeschaffer, schon bei der Planung mit bewußt niedrigen Preisansätzen zu operieren, um dann nach Billigung durch das Parlament die tatsächlichen Kosten in Form zusätzlicher Entwicklungskosten peu à peu nachzuschieben, muß auch schon auf Grund der schwierigen Haushaltssituation endlich ein Ende finden. Lassen Sie mich ein Letztes ansprechen. Langfristige Verträge sollten nicht mehr so abgeschlossen werden, daß sie die Industrie zu optimaler Ausnutzung ihrer Ressourcen auf der Zeitachse und damit zu Forderungen berechtigen, denen der Haushaltsgesetzgeber - will er Mehrkosten des Gesamtprojekts vermeiden - nachzukommen gezwungen ist, gleichgültig, ob es nun gesamtwirtschaftlich vertretbar erscheint oder nicht. Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuß hat diese Fragen verstärkt in das Licht der allgemeinen Aufmerksamkeit gerückt. Er hat sich allein schon deshalb gelohnt. ({7}) Er hat sich um so mehr gelohnt, weil er die Stellung des Bundesministers der Verteidigung als eines Mannes gefestigt hat, der auch gegen den Widerstand lange verkrusteten Anspruchsdenkens den Entscheidungen unseres Hauses, des Deutschen Bundestages, über die Verwendung von Steuermitteln mehr Geltung zu verschaffen sucht. Herr Minister, ich habe selbst zu den Kritikern gehört. Ich sage Ihnen hier auch noch ein offenes Wort. Es ist damals vieles falsch dargestellt worden. Ich habe die Mängel, die in beiden Berichten - Mehrheit wie Minderheit - dargestellt worden sind, immer kritisiert. Daraus mache ich kein Hehl. Ich sage deshalb, Herr Minister: Machen Sie weiter so! Versuchen Sie, diesen Weg der Kostenbegrenzung auch im militärischen Bereich zu beschreiten! ({8})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Meine Damen und Herren, nach dem mir vorliegenden Stenographischen Protokoll hat der Abgeordnete Jungmann dem Abgeordneten Würzbach zugerufen: „Sie sind ein Schmutzfink!" Herr Abgeordneter, ich rufe Sie deswegen zur Ordnung. Zu einer Erklärung zur Aussprache nach § 30 der Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Dallmeyer.

Harm Dallmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000350, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anläßlich des Debattenbeitrages des Herrn Verteidigungsministers kam es zwischen den Bänken der Fraktionen zu Zwischenrufen. Der Kollege Klejdzinski fühlte sich zu dem Zwischenruf veranlaßt, mir auf meine diesbezügliche Frage vorzuwerfen, ich persönlich - „Dallmeyer & Co" war seine wörtliche Formulierung - hätte Geheimnisverrat begangen. ({0}) - Es mag sein, daß Sie inzwischen schon so abgestumpft sind, daß ein solcher Vorwurf Sie nicht mehr verletzt. Mich verletzt dieser Vorwurf. Deshalb habe ich um das Wort zu dieser persönlichen Erklärung gebeten. Ich weise diesen Vorwurf nicht nur für mich persönlich, sondern auch für meine Kollegen der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion auf das entschiedenste zurück. Lassen Sie mich sagen, wie es dazu kam. Ich hätte vielleicht auch aus Kollegialität diesen Zwischenruf nicht zum Anlaß einer persönlichen Erklärung genommen, weil es zwischen den Bänken heiß hin und her ging. So etwas gibt es j a von Zeit zu Zeit, wie wir alle wissen. Diesen Zwischenruf selbst hätte ich also nicht zum Anlaß genommen, eine persönliche Erklärung abzugeben. Offensichtlich fühlte sich der Kollege Klejdzinski aber zu diesem Zwischenruf veranlaßt, weil vorher der Verteidigungsminister in einer unkontrollierten Art und Weise ({1}) meiner Fraktion oder den Abgeordneten des Hauses - wie auch immer - pauschal vorgeworfen hat, sie hätten etwas aus Geheimdokumenten und geheimen Papieren an die Öffentlichkeit gegeben. Das ist es, Herr Minister, was ich auf das entschiedenste zurückweise. ({2}) Ich als ehemaliger Angehöriger der deutschen Bundeswehr, als Berufssoldat, ({3}) ausgestattet mit den entsprechenden Geheimhaltungsgraden, die die Bundeswehr dafür vorsieht, weiß genau, wie der Vorwurf zu verstehen ist, man habe aus geheimen Dokumenten zitiert, d. h. Geheimnisverrat begangen. Ich bitte Sie, entweder zu sagen, daß Sie mir und meinen Kollegen gegenüber diesen Vorwurf nicht aufrechterhalten, oder anderenfalls zu sagen, welche Schritte Sie beabsichtigen, um diesen Geheimnisverrat künftig zu unterbinden. ({4})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Das Wort zu einer Erklärung zur Aussprache gemäß § 30 der Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Klejdzinski.

Dr. Karl Heinz Klejdzinski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001124, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Ich nehme das Wort zu einer direkten Erwiderung auf den Vorwurf des Herrn Abgeordneten Dallmeyer. Herr Dallmeyer, ich habe Ihnen persönlich nie Geheimnisverrat vorgeworfen. Insofern gebe ich dazu folgende Erklärung ab. Erstens. Sofern in der von Herrn Dallmeyer angeführten Darlegung der Name „Herr Dallmeyer & Co" gefallen sein sollte ({0}) oder wenn das so aufgefaßt worden sein sollte, nehme ich das in diesem Zusammenhang mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück. Zweitens. Ich bleibe bei meiner inhaltlichen Stellungnahme, nämlich: In der ersten Fassung des CDU/CSU-Minderheitenberichtes befanden sich wörtliche Passagen, die aus Geheimdokumenten stammten. ({1}) - Herr Präsident, ich weiß nicht, ob ich im Rahmen einer Erklärung auf einen Zwischenruf antworten darf. Insofern gehe ich nicht darauf ein. ({2}) Drittens. Mein unter 2. angeführter Sachverhalt wurde durch die Beantwortung der Zwischenfrage des Abgeordneten Neumann vom Bundesminister der Verteidigung, Herrn Dr. Apel, bestätigt. Viertens. Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Ich habe davon auch nichts abzustreichen. ({3})

Heinrich Windelen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002525

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zum Abschluß dieses Tagesordnungspunktes. Der Verteidigungsausschuß als 1. Untersuchungsausschuß nach Art. 45 a - ({0}) - Ich darf um Ruhe bitten. Ich habe Ihnen mitgeteilt, daß die Aussprache beendet ist. Der Verteidigungsausschuß als 1. Untersuchungsausschuß nach Art. 45 a Abs. 2 des Grundgesetzes empfiehlt auf Drucksache 9/1465, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen. Ich stelle fest, daß das Haus von dem Bericht Kenntnis genommen hat. Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({1}) zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU Vorlage eines jährlichen Berichts zum Stand der Bemühungen um Rüstungskontrolle und Abrüstung sowie der Veränderungen im militärischen Kräfteverhältnis - Drucksachen 9/674, 9/1464 Berichterstatter: Abgeordneter Voigt ({2}) Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Zur Aussprache wird das Wort ebenfalls nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 9/1464 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist damit einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 30. Oktober 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Grenzberichtungen ({3}) - Drucksache 9/1443 Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: Auswärtiger Ausschuß Das Wort wird nicht gewünscht. Der Ältestenrat schlägt die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Auswärtigen Ausschuß vor. Ist das Haus mit der vorgeschlagenen Überweisung einverstanden? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe dann Punkt 7 der Tagesordnung auf: Beratung der Sammelübersicht 33 des Petitionsausschusses ({4}) über Anträge zu Petitionen - Drucksache 9/1427Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses auf Drucksache 9/1427, die in der Sammelübersicht 33 enthaltenen Anträge anzunehmen, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses ist damit einstimmig angenommen. Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses ({5}) zu den Anträgen des Bundesministers für Wirtschaft Rechnungslegung über das Sondervermögen des Bundes „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes" - Wirtschaftsjahre 1979 und 1980 - Drucksachen 8/4514, 9/1020 ({6}), 9/1452 5708

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Abgeordnete Esters Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 9/1452 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Auch diese Beschlußempfehlung des Ausschusses ist einstimmig angenommen. Der Tagesordnungspunkt 9 - 49. Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - wird morgen zusammen mit dem Tagesordnungspunkt 16 - 51. Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung - aufgerufen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 10 und 11 auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({0}) zu der aufhebbaren Achzigsten Verordnung der Bundesregierung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz -- Drucksachen 9/1245, 9/1434 Berichterstatter: Abgeordneter Wolfram ({1}) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft ({2}) zu der aufhebbaren Verordnung der Bundesregierung zur Änderung des Deutschen Teil-Zolltarifs ({3}) - Drucksachen 9/1240, 9/1435 Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Jens Der Ausschuß empfiehlt, die Aufhebung der Verordnung nicht zu verlangen. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse jetzt über die Vorlagen gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen des Ausschusses für Wirtschaft auf den Drucksachen 9/1434 und 9/1435 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen sind damit einstimmig angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 und 13 auf: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({4}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung ({5}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({6}) Nr. 876/68 hinsichtlich der bei der Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von Milcherzeugnissen im Ausschreibungsverfahren geltenden Grundregeln - Drucksachen 9/1131 Nr. 15, 9/1421 Berichterstatter: Abgeordneter Kiechle Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({7}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung ({8}) des Rates zur Änderung der Verordnung ({9}) Nr. 1119/78 über besondere Maßnahmen für zu Futterzwecken verwendete Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen - Drucksachen 9/1272 Nr. 37, 9/1422 Berichterstatter: Abgeordneter Funk ({10}) Das Wort wird nicht gewünscht. Ich lasse jetzt über die Vorlagen gemeinsam abstimmen. Wer den Beschlußempfehlungen des Ausschusses auf den Drucksachen 9/1421 und 9/1422 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Danke. Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlußempfehlungen sind damit einstimmig angenommen. Ich rufe den Punkt 14 der Tagesordnung auf: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses ({11}) zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen Bundeseigenes Krankenhaus in Bad Pyrmont, Maulbeerallee 4; Veräußerung an das Land Niedersachsen - Drucksachen 9/1229, 9/1470 Berichterstatter: Abgeordnete Grobecker Dr. Hackel Das Wort wird nicht gewünscht. Wer der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 9/1470, das bundeseigene Krankenhaus in Bad Pyrmont zu veräußern, zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlußempfehlung des Ausschusses ist damit einstimmig angenommen. Meine Damen und Herren, wir sind damit am Schluß der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 26. März 1982, 9 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.