Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 5/5/1961

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die Sitzung ist eröffnet. Die folgende amtliche Mitteilung wird ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen: Der Herr Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat unter dem 2. Mai 1961 die Kleine Anfrage der Abgeordneten Behrend, Hufnagel, Frau Rudoll und Genossen betr. Rechtsgrundlage für die Durchführung von Maßnahmen des Härteausgleichs und der sozialen Anpassungsbeihilfen im Kohlenbergbau - Drucksache 2663 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache 2720 verteilt. Wir fahren in .der Debatte über das Bundessozialhilfegesetz. Ich rufe also auf: Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Bundessozialhilfegesetzes ({0}) ({1}): a) Bericht des Haushaltsausschusses ({2}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({3}) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik und öffentliche Fürsorge ({4}) ({5}); ({6}). Wir stehen bei der Beratung der §§ 10 und 86. Da einige Wortmeldungen zurückgezogen sind, liegen im Augenblick keine Wortmeldungen mehr vor. Wird noch das Wort gewünscht? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Offensichtlich haben sich die Damen und Herren der Christlich-Demokratischen Union entschlossen, die Debatte nicht mehr fortzusetzen, weshalb die beiden Wortmeldungen zurückgezogen worden sind. Ich bin der Meinung, wir müssen aber dieses Problem nicht der Subsidiarität, sondern der Verpflichtung zum unfreien Handeln der Gemeinde noch etwas vertiefen. Ich darf Sie darauf hinweisen: in § 10 Abs. 3 werden die Träger der Sozialhilfe verpflichtet, die Verbände der freien Wohlfahrtspflege in ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet der Sozialhilfe angemessen zu unterstützen. Steigen wir doch einmal von den allgemeinen Worten in die Beispiele hinein. Ich wäre sehr dankbar, wenn ich von der Regierungsbank eine Antwort auf eine präzise Frage bekäme, In meiner Nachbarschaft befindet sich eine kreisfreie Stadt. Es wird ja nicht jede Gemeinde betroffen, sondern nur die kreisfreien Städte und die Kreise sind von dieser Anordnung betroffen. Diese kreisfreie Stadt gibt den freien Wohlfahrtsverbänden zur Zeit je 1000 DM. Sie kann im Augenblick keinem Verband mehr geben, es sei denn, sie erhöht ihre Steuern. Ihre Steuerlast ist aber noch nicht auf dem Landesmittel angelangt. Es ist ganz klar, daß ein Betrag von 1000 DM im Verhältnis zur Größe der Stadt - mit 30 000 Einwohnern - nicht angemessen ist und ,daß eine Unterstützung von 1000 DM auch kein angemessener Betrag im Hinblick auf die Arbeit ist, die die Verbände leisten. Kann nun diese kreisfreie Stadt durch die Aufsichtsbehörde gezwungen werden, mehr zu geben, indem sie ihre Steuern erhöht oder nicht? Das ist eine Frage, die beantwortet werden muß und auf Grund deren Beantwortung Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, dann die Entscheidung leichter oder schwerer fallen wird. Damit möchte ich es zunächst einmal bewenden lassen und um Beantwortung der gestellten Frage bitten.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.

Helene Wessel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002487, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte eigentlich gewünscht, daß Herr Abgeordneter Barzel auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Jahn geantwortet hätte, um noch einmal die verfassungsrechtliche Seite, aber auch die Stellung der Kommunen in diesem Gesetz darzulegen von der Sicht aus, von der her er seinen Ausführungen gesprochen hat. Wir können nicht umhin, bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung dieses Gesetzes doch noch einmal das Subsidiaritätsprinzip herauszustellen. Wir müssen uns klarmachen: dieses Prinzip, das vor allen Dingen in der Enzyklika Quadragesimo anno niedergelegt ist, setzt auch bestimmte gesellschaftspolitische und staatspolitische Prinzipien voraus. In dieser Enzyklika ist festgelegt, daß die Auffassung der katholischen Kirche hinsichtlich der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung von der berufsständischen Ordnung und vom Ständestaat ausgeht. Man kann das Prinzip, über das wir gestern so ausführlich gesprochen haben, nicht von dieser Auffassung lösen. Dazu ist ein Zweites zu sagen. Es scheint mir gegenüber den Ausführungen meines Fraktionskollegen Metzger notwendig zu sein, herauszustellen, daß dieses Prinzip nicht ein Dogma der katholischen Kirche ist. Herr Kollege Barzel oder ein anderer Herr Kollege der CDU hat das schon eingeworfen. Das stimmt durchaus. Vielmehr handelt es sich hier um ein Prinzip, bei dem auch der Katholik verschiedener Auffassung darüber sein kann, wie es im gegebenen Augenblick und in der gegebenen Staatssituation durchzuführen ist. Hier möchte ich doch zwei immerhin beachtliche Auffassungen gerade aus katholischen Kreisen wiedergeben. So sagt z. B. Franz Klüber in seiner Schrift „Grundlagen der katholischen Soziallehre": Gesellschaftspolitik allein mit Prinzipien ohne Soziologie, Nationlökonomie und Rechtswissenschaft wäre in der Gegenwart ein aussichtsloses Unternehmen. Hier zeigt es sich, meine Damen und Herren, daß man nicht so einfach vom Sozial- oder Gesellschaftsprinzip her zu Entscheidungen in Fragen kommt, die zunächst einmal von der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung, in der wir leben, und von der Sache her gestellt werden müssen. Und ein zweiter, sicherlich nicht uninteressanter Vertreter dieses Prinzips, nämlich Nell-Breuning, sagt ganz klar, daß das Subsidiaritätsprinzip überhaupt erst dann angewendet werden kann, wenn man die Zweckmäßigkeit dieser Anwendung von den Sachfragen her festgestellt hat. Wenden wir diese Aussagen konkret auf das Bundessozialhilfegesetz an, so müssen wir sagen: Hier muß der Sachverstand der Fachleute entscheiden, hier können eben die Entscheidungen sehr verschieden ausfallen, und sie sind nicht immer vom Subsidiaritätsprinzip her zu erfassen. Die gestrige Diskussion über dieses Prinzip wäre völlig überflüssig gewesen, wenn die Dinge hier so klar und eindeutig lägen, wie es gestern von Ihren Vertretern dargestellt wurde. Ich sagte schon, dieses Prinzip setzt eine bestimmte Gesellschafts- und Staatsordnung voraus. Angesichts der gesellschaftlichen, beruflichen und staatlichen Verhältnisse im Mittelalter würden wir durchaus alle miteinander ja zu diesem Prinzip sagen können. Wir leben aber nicht mehr im Mittelalter. Wir leben im 20. Jahrhundert, in dem eine ganz andere Gesellschafts- und und Staatsordnung als im Mittelalter gegeben ist. Das müssen wir bei der Beurteilung dieses Gesetzes berücksichtigen. Heute sind eben die Voraussetzungen zur Durchführung des Subsidiaritätsprinzips in dem Sinne, wie es in diesem Bundessozialhilfegesetz und in noch schärferer Form in der Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz vorgesehen ist, nicht mehr gegeben. Jeder, der in unserem Staat und in unserem Volk lebt, weiß doch, daß dieses Bild der Gesellschaft, das Voraussetzung für die Anwendung des Subsidiaritätsprinzip in der im Bundessozialhilfegesetz vertretenen Form ist, nicht mehr gegeben ist, sondern daß unsere gesamte Gesellschaft heute anders aufgebaut ist. Wir leben - um mit den Soziologen zu sprechen; und auch gestern ist dies zu einer Frage meines Fraktionskollegen Metzger gesagt worden - in einer pluralistischen Gesellschaft, die so vielfältig ist, daß es gar nicht mehr möglich ist, zu entscheiden, in welchem Sinne das Subsidiaritätsprinzip durchgeführt werden soll: ob die Gemeinde, der große Wohlfahrtsverband, die größere Gemeinschaft oder die kleinere Gemeinschaft ist. Ich behandle diese Frage einmal unter diesem Gesichtspunkt, um Ihnen damit zu zeigen, daß sie nicht ganz so einfach gesehen werden kann. Auch von meinem Kollegen Nellen ist schon dargelegt worden, daß wir gegen das Subsidiaritätsprinzip als solches durchaus nichts einzuwenden haben. Die Frage ist nur, ob es in dieser Form im Bundessozialhilfegesetz durchgesetzt werden soll und ob wir damit nicht Rechte der Gemeinden, die ihnen aus unserem demokratischen Staatsprinzip heraus gegeben worden sind, verletzen. Ich bin der Meinung - um das einmal herauszustellen -, daß auch mit dem Partnerschaftsverhältnis, das wir Ihnen in unseren Anträgen zu den §§ 10 und 86 vorschlagen, das Subsidiaritätsprinzip durchaus gewahrt ist. ({0}) Wir müssen uns klar darüber sein - ich spreche auch das ganz offen aus -, daß man die Zweckmäßigkeit prüfen muß, daß man prüfen muß, ob ein solches Prinzip in dieser Form durchgeführt werden kann. Um es noch deutlicher auszudrücken: in sozialpolitischen Entscheidungen kann nicht etwa der Theologe unter allen Umständen das Subsidiaritätsprinzip so angewandt wissen wollen, wie es hier geschieht. Wir müssen uns doch einmal fragen, ob wir mit unserer Auffassung von der Zusammenarbeit von freien Organisationen und Gemeinden erstens uns nicht durchaus in Einklang mit diesem Prinzip befinden und zweitens auf diese Art und Weise nicht auch den Rechten der Kommunen und damit den Rechten ,der Staatsbürgerschaft Rechnung tragen. Ich will Ihnen gar nicht unterstellen - um Ihnen das einmal in aller Deutlichkeit zu sagen -, daß Sie, die Kollegen und Kolleginnen von der CDU, mit diesem Prinzip einen Machtstandpunkt durchzusetzen beabsichtigen. Meine Damen und Herren, ein Prinzip kann durchaus gut und richtig sein. Aber wenn es mißbraucht wird, kann es gefährlich werden. Ich will dazu nur einen Vergleich anführen. Auch der Art. 48 der Weimarer Verfassung war gar nicht schlecht. Er war durchaus gut und vernünftig. Er stammte von dem Staatsminister Preuß, der sicherlich ein liberaler, fortschrittlicher und toleranter Mann war. Aber was ist in Wirklichkeit aus diesem Artikel geworden? Er ist von Hitler mißbraucht worden, bis zu den Konzentrationslagern, bis zur Vernichtung und bis zu all den Verbrechen, wofür wir heute im Eichmann-Prozeß angeklagt werden. ({1}) Ich möchte nur einmal herausstellen, daß ein Prinzip an sich nicht falsch zu sein braucht, sogar richtig sein kann, daß man aber sehen muß, was in einem Volke daraus gemacht werden kann, wie wir es nun einmal bewiesen haben. Ein Weiteres zu dieser Frage. Mit dem vorliegenden Bundessozialhilfegesetz wird den Hilfsbedürftigen von vornherein ein Rechtsanspruch auf die Sozialhilfe des Staates gegeben. Dabei kann man doch nicht sagen, wie es der Familienminister in seinen Darlegungen zur Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtgesetz getan hat, daß das Wächteramt der Kirche nun den Verbänden und Organisationen übertragen werden kann, und das nun noch mit dem Elternrecht begründet. Ich vertrete, um das von vornherein klarzustellen, das Elternrecht, aber, meine Damen und Herren, das echte Elternrecht, das von den Eltern ausgeübte Elternrecht und nicht das von Verbänden und Organisationen. Wir müssen die Differenzierung unserer heutigen Gesellschaft sehen. Genauso ist es mit der Differenzierung der Fürsorge. Sicher ist es gut und notwendig, die Selbsthilfe zu fördern, und keiner von uns, auch nicht von den Rednern der Sozialdemokratie und auch nicht von den Mitarbeitern im Ausschuß für Kommunalpolitik und öffentliche Fürsorge, wird jemals den Standpunkt vertreten haben, daß es nicht in einem demokratischen Staat möglich sein müsse, ja, nicht die Möglichkeit geschaffen werden müsse, daß aus Opferbereitschaft und Initiative heraus eine Wohlfahrtsfürsorge und sonstige, etwa jugendpflegerische, Organisationen ins Leben gerufen werden, ) um den bestehenden Notständen abzuhelfen. Aber die Frage ist doch die, ob nicht mit diesem Gesetz und mit der Vorrangstellung, die dieses Gesetz den freien Organisationen gibt, der Charakter der freien Organisationen ein ganz anderer wird, wenn das vornehmlich mit den Steuermitteln des Staates geschehen soll statt aus der Opferbereitschaft der Organisationen, aus der diese einmal gegründet worden sind. Wenn man den Vorrang der freien Organisationen mit 'der Bürokratisierung der Hilfe durch den Staat, mit der Machtposition des Staates begründet, so ist doch ganz schlicht und einfach zu fragen, ob nicht die Gefahr der Bürokratisierung, der Überorganisation, der Seelenlosigkeit sich genauso bei den privaten Organisationen entwickeln kann, ({2}) wenn sie in die Vorrangposition der §§ 10 und 86 kommen. Noch eine Bemerkung, meine Damen und Herren, zu den §§ 10 und 86 möchte ich wiederholen, die von meinem Kollegen Metzger gemacht worden ist. In der Sozialpolitik sind wir darum bemüht - und auch Sie alle mit uns bemüht -, eine Partnerschaft in der Zusammenarbeit herbeizuführen. Diese Partnerschaft, die sich mit dem Prinzip der Solidarität verträgt, die ja auch in „Quadragesimo anno" verlangt wird, will die SPD, wie bei den übrigen Sozialgesetzen, auch bei diesem Bundessozialhilfegesetz angewandt wissen, und darauf sind ihre Änderungsanträge zu § 10 und § 86 gegründet. Wir sehen die Aufgaben der freien Verbände in diesem partnerschaftlichen Verhältnis auch darin, daß sie entsprechend ihrer Aufgabe Zeichen der Nächstenliebe, der Hilfsbereitschaft aufrichten- wie gestern abend in so eindrucksvoller Weise von Herrn Kollegen von Bodelschwingh gesagt worden ist - und die Fürsorge durch ihre Kräfte davor bewahren, ein Apparat und dadurch seelenlos zu werden, daß sie durch ihr Dasein und durch ihre Mitarbeit die Fürsorge vor dem „Abwickeln von Fürsorgefällen" bewahren. Und noch ein Letztes, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir zu sagen. Ich möchte nicht, daß durch die Entwicklung, die wir mit diesem Gesetz einleiten, die christlichen Kräfte auf der einen Seite in den freien Organisationen gesammelt werden und auf der anderen Seite dann eben die, sagen wir einmal, von einem anderen weltanschaulichen Gedanken getragenen Kräfte in der öffentlichen Fürsorge wirken sollen. ({3}) Lassen Sie mich das doch auch einmal in diesem Hause aussprechen: Christus hat den Christen die Verpflichtung auferlegt, daß sie das Salz der Erde sind. Dieses Salz muß hineinwirken in die ganze Welt, auch auf die Menschen, die sich nicht zu Christus bekennen. Darum sollte es unser Ziel sein, daß Staat und Gesellschaft in den bestehenden Einrichtungen in freier Partnerschaft sich ergänzen und stützen, sich nicht zurückziehen auf christliche Organisationen und ihre Vorherrschaft, weil sonst - wie ich schon sagte - die Gefahr auf uns zukommt, daß die aktiven Christen aus der Fürsorgearbeit des Staates herausgezogen und dann in konfessionellen Einrichtungen beschäftigt werden. ({4}) Auch von diesem Gesichtspunkt aus sollten wir das Partnerschaftsverhältnis sehen, nämlich daß wir mit ganzem Herzen und mit ganzer Kraft wünschen, mit all denen in der Fürsorge zusammenzuarbeiten, die in der Sozialpolitik, in der Fürsorge, in der Jugendhilfe in diesem Geiste wirken. Nur aus diesem Gesichtspunkt heraus spreche ich zu Ihnen, nicht um Ihnen ,irgendwelche Ratschläge hinsichtlich der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips zu geben oder Ihnen zu sagen: „Sie wissen ja gar nicht, was einmal auch aus dieser Vorherrschaft sich entwickeln kann". Ich habe im Ausschuß gesagt: Wir alle miteinander wollen nicht Verhältnisse wie in Spanien und Portugal; Sie wollen das sowenig wie wir. Aber wir wollen uns von Anfang an darüber klar sein: wir dürfen auch nicht die leiseste Möglichkeit schaffen, daß es bei uns einmal zu solchen Verhältnissen kommen kann. Und weil wir darauf hoffen, meine Damen und Herren, gerade bei Ihnen von der CDU darauf hoffen, daß es Ihnen nicht um irgendwelche machtpolitische und weltanschaulich-ideologische Ziele bei diesem Gesetz geht, darum wird unser Ja oder Nein zum Bundessozialhilfegesetz von Ihrer Haltung zu unseren Anträgen zu den §§ 10 und 86 abhängen. ({5})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Willeke. ({0}) - Er verzichtet. Weitere Wortmeldungen? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. ({1}) - Wenn Sie das Wort wünschen, bitte sehr! Herr Abgeordneter Spitzmüller!

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich habe vorhin eine sehr klare Frage hier vorgetragen und bitte den Herrn Regierungsvertreter, diese Frage zu beantworten. Es ist nämlich sehr entscheidend, welche Antwort gegeben wird. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium des Innern.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte eigentlich nicht die Absicht, in dieser langen Debatte noch das Wort zu ergreifen, weil ich annehme, daß die Standpunkte für und gegen ausreichend geklärt sind. Zu der Frage des Herrn Abgeordneten Spitzmüller darf ich folgendes sagen: Die Regelung des § 10 wird, wie der Herr Minister gestern schon ausgeführt hat, in ihrer Bedeutung überbewertet. In der beanstandeten Vorschrift des § 10 Abs. 3 Satz 2 steht in keiner Weise, daß ,der Gemeinde irgendeine Leistung auferlegt wird, die sie nicht erbringen kann. Ich bitte ausdrücklich, auf das Wort „angemessen" zu achten. Die Frage, was angemessen ist, richtet sich natürlich auch nach der Leistungskraft der einzelnen Gemeinde. Es wird also keine Gemeinde überfordert. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Herr Abgeordneter Eilers.

Jan Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000457, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß schon sagen, daß diese Antwort des Herrn Regierungsvertreters nicht befriedigen kann. ({0}) So leicht dürfen wir es uns bei einem so weittragenden Gesetzentwurf nicht machen. ({1}) Es ,ist gestern hier sehr ernst und mit schwerwiegenden Argumenten darauf hingewiesen worden, daß das, was in den §§ 10 und 86 zum Ausdruck kommt, sehr stark an die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden und Städte rührt. In der Weise, wie man gestern abend über diese Bedenken hinwegzukommen versuchte, sollten wir in diesem Hohen Hause, in dem höchsten Parlament der Bundesrepublik Deutschland, die Dinge nicht behandeln. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt in Deutschland sehr gewichtige Stimmen von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens - auch Persönlichkeiten der Bundesregierung haben es in den letzten Jahren wiederholt erklärt -, die bedauern, daß ,die deutsche Bevölkerung, vor allem die Jugend, dem Aufbau des parlamentarisch-demokratischen Staates, unseres rechtsstaatlichen Gemeinwesens offenbar nicht das Interesse entgegenbringt, das wir eigentlich erwarten sollten. Wenn wir aber so leichtfertig über die Grundsätze hinwegzugehen geneigt zu sein scheinen, die im Grundgesetz verankert sind, dann dürfen wir uns über eine solche Entwicklung und einen solchen Mangel an Interesse nicht beklagen. Warum sage ich das gerade jetzt noch einmal? Gestern ist gesagt worden: Wenn diese Formulierung der §§ 10 und 86 beibehalten wird, muß darin ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung gesehen werden, und den sollten wir in diesem Hause nicht hinnehmen. Gestatten Sie mir noch einen Hinweis, den gestern Herr Kollege Bucher und auch Herr Kollege Jahn schon gegeben haben. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes eine große Wertschätzung auch bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Kommunalwahlgesetze beigemessen. Es ist hier zum Ausdruck gebracht worden, daß der Bürger, daß die Gemeinschaft der Bürger das Recht behalten muß, ihre eigenen Angelegenheiten, alle ihre eigenen Angelegenheiten in eigener Zuständigkeit zu behandeln. Wenn man jetzt der Gemeinschaft der Bürger das Selbstverwaltungsrecht, das nach dem Grundgesetz ein so wesentliches Recht darstellt, nimmt, geht man leichtfertig mit diesen grundgesetzlichen Rechten um. ({2}) Es hat mir schon nicht gefallen, daß wir, als wir vor kurzem über das Gesetz betreffend den Betriebs- und Belegschaftshandel berieten und der Rechtsausschuß dieses Hohen Hauses und danach der Rechtsausschuß des Bundesrates erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit geltend machten, dennoch geneigt waren, über diese Bedenken hinwegzugehen. Wenn jetzt in einem anderen Zusammenhang wieder so schwerwiegende Bedenken geltend gemacht werden, sollten wir dem Bundesverfassungsgericht nicht die Entscheidung der Frage überlassen, ob die Gesetze, die wir beschließen, verfassungsmäßig sind oder nicht. Sollten wir nicht der Anregung folgen, die in diesem Hohen Hause von seiten der Opposition vorgebracht worden ist? Sollten wir nicht den Entwurf noch einmal dem Rechtsausschuß zuleiten, damit er die Frage der Eilers ({3}) Verfassungsmäßigkeit prüft und eine Entscheidung trifft? ({4}) - Wie Sie das bezeichnen, ist mir in diesem Augenblick nicht so wichtig wie mein Anliegen, dieses Hohe Haus davor zu bewahren, daß es gesetzliche Bestimmungen beschließt, von denen offensichtlich ein wesentlicher Teil dieses Hauses der Meinung ist, daß sie verfassungswidrig sein können. Lassen wir es nicht zu, daß diese Entscheidung bei uns so leicht gefällt wird! Wir sollten das noch einmal überlegen. Ich bitte Sie, die Formulierung der §§ 10 und 86 entsprechend unserer Anträge zu ändern. Wenn Sie dazu nicht bereit sind, wenn die CDU/CSU auf ihren Anträgen besteht und wenn Sie die Bestimmungen so beschließen, ist diese Gesetzesfassung nach unserer Meinung allerdings verfassungswidrig. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren der CDU/CSU, haben die Mehrheit in diesem Hause, das war das Votum bei der lezten Bundestagswahl. Sie haben damit aber auch eine besondere Verantwortung hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit solcher Gesetze, die nur mit Ihrer Zustimmung zustande kommen. Es war mein Anliegen, Ihnen das nochmals ins Gewissen zurückzurufen. Sie sollten sich - auch Sie, sehr verehrter Herr Kollege Barzel, der Sie vielleicht meinen, darüber lächelnd hinweggehen zu können - den Anträgen der FDP anschließen und eine Fassung wählen, die der Gemeinschaft der Bürger in den Städten und Gemeinden das Recht der kommunalen Selbstverwaltung auch für die Zukunft gewährleistet. ({5})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern abend war es, wenn ich nicht irre, der Kollege Spitzmüller, der die Mahnung an uns richtete, wir möchten die Ruhe der Nacht dazu benutzen, über die Dinge noch einmal nachzudenken. Offenbar hat das bei Ihnen dazu geführt, daß Sie sich Ihrer Mehrheit vollends sicher geworden sind, daß Sie Ihre Entscheidung getroffen haben, daß Sie keine Diskussionen mehr wünschen und daß die Opposition reden möge, was sie wolle; man hört ihr vielleicht noch höflich zu, verschließt aber im Grunde doch seine Ohren vor den Argumenten. Daß sich das auch auf die Regierungsbank erstreckt, daß der Herr Staatssekretär, als ihm soeben eine präzise Frage vorgelegt wurde, mehr oder weniger allgemein und ausweichend antwortete, bedauern wir außerordentlich. Denn hier geht es doch wirklich nicht um irgendeine gesetzliche Regelung; hier geht es um Bestimmungen, die umstritten sind und von denen der Kollege Eilers soeben noch einmal mit Recht erklärt hat, daß sie auch verfassungsrechtlich der Klärung bedürfen, daß sie mit tiefen Eingriffen in die kommunale Selbstverwaltung verbunden sind. Sie sprechen hier ständig vom Subsidiaritätsprinzip und meinen, daß dieses Prinzip nur im gesellschaftspolitischen Raum eine Bedeutung habe. Nur als Ordnungsbild für Sie, in einem eingeschränkten Sinne, scheint es interessant zu sein. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß dieses Prinzip ja auch im allgemeinpolitischen Raum seine Bedeutung hat. Es scheint doch so, als ob Sie in diesem Zusammenhang die Stellung der Gemeinden im Staatsverband nicht recht würdigen. Hier ist doch einiges zu klären. Die Pflicht zur Daseinsvorsorge, die Rechte, die sich für die Gemeinden ergeben, alles das, was mit der Organisationsgewalt und Zuständigkeit der Gemeinden zusammenhängt, wird außerordentlich stark berührt. Nun ja, wir werden, nachdem Sie die Klärung im Rechtsausschuß nicht akzeptiert haben, uns an anderer Stelle über diese Dinge unterhalten müssen. Aber lassen Sie mich noch einmal an ein paar Bemerkungen erinnern, die in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs in diesem Hause gefallen sind. Da hat der Herr Bundesinnenminister u. a. sehr betont herausgestellt, daß dieser Entwurf, wie er meinte, den wohlgelungenen Versuch mache, öffentliche Fürsorge und freie Wohlfahrtspflege in Partnerschaft zusammenzuhalten. Just das aber ist hier nicht der Fall. Wenn dieser Entwurf Gesetz wird, meine Damen und Herren, dann haben wir eine recht merkwürdige Partnerschaft, eine Partnerschaft, bei der der eine Partner, nämlich die öffentliche Fürsorge, insonderheit in Kommunen, mit einer Funktionssperre belegt ist. Das ist eine recht eigenartige Behandlung des Begriffs der Partnerschaft. Das ist einfach mit einer loyalen Regelung nicht vereinbar. Es ist aber auch mit den Rechten der Kommunen und ihrem Pflichtenkreis nicht vereinbar. Durch Ihr Gesetz wird die freiwillige Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Fürsorge und freier Wohlfahrtspflege durch eine Art Zwangsordnung abgelöst, eine Zwangsordnung in der Weise, daß die Kommunen in ihrem Betätigungsbereich eingeengt sind und daß ihnen beispielsweise weitgehend die Möglichkeiten verbaut werden, auf dem Gebiete der öffentlichen Fürsorge - denken wir nur an notwendige Einrichtungen - auf weite Sicht zu planen. Was das mit kommunaler Selbstverwaltung, was das mit der Entscheidungsmöglichkeit noch zu tun hat, weiß ich nicht. ({0}) - Sie können doch nicht bestreiten, daß die Tatsache, daß man immer erst abwarten muß, daß man immer erst darauf sehen muß, ob ein freier Verband dasselbe nicht auch tun könnte, von Bedeutung ist. Wir haben in einer Bestimmung, die sich in den Gemeindeordnungen findet, auch eine Art Subsidiaritätsregelung hinsichtlich der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden. Aber da gibt es immerhin noch eine Klausel, nach der vorausgesetzt wird, daß ein anderer es besser machen kann. Das haben Sie hier nicht festgelegt. Wer entscheidet hier, was sich daraus ergeben wird? Nein, Sie schaffen mit diesem Gesetz unklare Verhältnisse und Unruhe, und Sie werfen den Zankapfel nicht nur zwischen die freien Verbände, sondern auch in die Gemeindevertretungen und Kreistage. Da wird es ein Raufen und Ringen um Etatmittel geben, und dahinter wird die Frage der Liebestätigkeit für den Hilfsbedürftigen zurückstehen. Statt friedlicher Absprachen gibt es in Zukunft den Streit. ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie deklassieren die Gemeinden als Sozialhilfeträger und deren amtliche und ehrenamtliche Kräfte, Menschen, die Sie offenbar gering einschätzen, insofern sie sich der Hilfsbedürftigen annehmen. Sie denaturieren die freien Verbände, indem Sie sie in die Rolle von Interessenten drängen. Sie sagen „Subsidiarität" und meinen nicht zuletzt „Subvention". ({2}) - Das ist nicht unerhört; die Praxis wird erweisen, daß selbst, wenn Sie das nicht wollen, es sich in Zukunft so entwickelt. ({3}) Dabei setzen Sie mit diesem Gesetz erst einen Anfang. Es geht ja weiter mit dem Jugendwohlfahrtsgesetz. Wir können schon einigermaßen voraussehen, wie sich die Dinge hier beim Bundessozialhilfegesetz und beim kommenden Jugendwohlfahrtsgesetz entwickeln. Wir übersehen nicht, wie es weitergeht. Wir sind voller Sorge, und wir meinen, Sie sind in dieser Sache schlecht beraten. ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird noch das Wort gewünscht? - Das scheint diesmal wirklich nicht der Fall zu sein. Ich darf die Aussprache zu diesem Punkt schließen und komme nunmehr zur Abstimmung über die Änderungsanträge zu § 10. ({0}) - Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge zu § 10. ({1}) - Zur Geschäftsordnung! ({2})

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich höre gerade, Herr Rasner: „So geht es doch nicht!" Wir haben gestern festgestellt - ich wollte das ja bei § 86 machen; da wären wir weitergekommen -, daß wir zu § 10 und zu § 86 grundsätzliche Ausführungen machen und über die Anträge reden wollten. Ich bitte, mir hier im Hause zu bestätigen, daß ich zu keinem Antrag meiner Fraktion oder einer anderen Fraktion bisher etwas gesagt habe. Wir kommen jetzt zur Beratung der Anträge, das ist ganz klar.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Zur Geschäftsordnung der Herr Abgeordnete Rasner.

Will Rasner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001777, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Generalaussprache zu einzelnen Anträgen gibt es grundsätzlich nicht. Wir waren der Meinung, die gestrige Aussprache habe dazu gedient, gleichzeitig die Änderungsanträge zu § 10 und § 86 zu begründen. Wir werden uns auch an diese unsere Auffassung halten. Herr Kollege Könen, es steht Ihnen selbstverständlich frei, weiterhin zu begründen. Wir halten uns an die zweckmäßige und dem Grunde nach auch logische Auffassung. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, die Vorgänge, auf die hier von den beiden Rednern zur Geschäftsordnung Bezug genommen worden ist, sind mir nicht bekannt. Ich habe die Debatte unter der Voraussetzung geschlossen, daß sie nach jeder Seite beendet sei. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Wir können also die Debatte fortsetzen und sie nunmehr zur Begründung der Anträge benutzen. Herr Abgeordneter Könen, wollen Sie begründen? ({0}) - Bitte sehr! ({1})

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Abgesehen davon, daß es mir dieses Gesetz wert ist, daß wir seit gestern nachmittag 6 Uhr darüber diskutieren, möchte ich Ihnen sagen, Herr Kollege Horn, daß ich nicht alles wiederholen werde, was gestern gesagt worden ist. Und zweitens, Herr Rasner: Es liegt kein System darin. Meine Damen und Herren, gestern hat der amtierende Präsident, Herr Professor Schmid, eine Reihenfolge für die Erledigung der Anträge bekanntgegeben. Ich nehme also an, daß jetzt so entschieden worden ist - wenn ich richtig verstanden habe -, daß wir von uns aus zu den Anträgen zu § 10 an diesem Pult Stellung nehmen können, wie wir es für richtig halten. Darf ich das feststellen! Meine Damen und Herren, auf Umdruck 872 haben wir Ihnen eine Neufassung des § 10 vorgeschlagen. Ich habe bereits gestern über den Referentenentwurf gesprochen. Ich muß Ihnen übrigens sagen, es hat mich doch ein wenig gekränkt, daß Herr Bundesminister Dr. Schröder gemeint hat, das sei unfair gewesen. Ich habe noch ein wenig darüber nachgedacht. So vertraulich ist das mit den Referentenentwürfen gar nicht. Ich entsinne mich, Könen ({0}) daß Herr Minister Blank bei der Krankenversicherungsneuregelung uns als Abgeordneten den Referentenentwurf verweigerte. Dann haben wir uns ihn in Godesberg für 70 Pf schön sauber gedruckt gekauft. ({1}) Ich möchte also noch einmal sagen: Ich war mir einer unfairen Handlungsweise nicht bewußt. Aber ich möchte hier darauf zurückkommen. Unser Antrag, das möchte ich ausdrücklich sagen, bezieht sich auf den Referentenentwurf der Bundesregierung. Wir haben die Kirchen und Religionsgemeinschaften eingebaut, weil wir im Ausschuß ,die CDU nicht davon überzeugen konnten, daß man es in einem Fachgesetz nicht notwendig hat, die Selbständigkeit einer Kirche in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgabe besonders festzulegen. Man hat uns aber geantwortet, da die Kirchen und Religionsgemeinschaften in diesem Raum tätig sind, müssen sie erwähnt werden. Ich habe gemeint, dann gehören sie auch in den Lücke-Plan, da die Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht nur Grundstücksbesitzer, sondern auch Bauherren sind. Aber uns stört das nicht. Wenn es die CDU, die Christlich Demokratische Union, nicht stört, uns stört es nicht. Darum steht es im Gesetzentwurf mit drin. Wir haben den Referentenentwurf genommen; ich will auch sagen warum - Herr Kollege Horn, ich wiederhole nichts von gestern -: das ist die Anlehnung an die frühere Fürsorgepflichtverordnung. Das ist das, was nach Auffassung des Bundesinnenministeriums vollauf genügte, um die Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden zu sichern. Es ist sehr interessant, daß sich im Laufe der Zeit auch die Überschrift geändert hat. In der Überschrift des § 10 ist statt von „Zusammenarbeit" heute von „Verhältnis" die Rede. Das heißt, der Vorrang wird schon in der Überschrift klar ausgesprochen. Wir möchten diese alte Fassung wiederherstellen. Wir hoffen, daß Sie schon deshalb, weil wir auf die Gedankengänge des Bundesinnenministeriums zurückgegangen sind, uns nicht den Vorwurf machen werden, wir hätten irgendwelche versteckte Absichten. Ich möchte heute vormittag noch einmal betonen, das hat mit dem Aushungern der freien Wohlfahrtsverbände oder etwas Ähnlichem überhaupt nichts zu tun. Ich möchte noch einmal ausdrücklich feststellen, das hat bisher funktioniert und wird auch weiter funktionieren. Was wir auf uns zukommen sehen - wenn Sie Einzelheiten darüber wissen wollen, komme ich noch einmal herauf und gebe sie Ihnen -, ist, daß die Zusammenarbeit und die Partnerschaft, die vertrauensvolle Zusammenarbeit in die Brüche geht, wenn die Entwicklung so läuft, wie es hier von Ihnen beabsichtigt ist. ({2}) - Das hat mit der inneren Einstellung zur Kirche nichts zu tun, hat Frau Dr. Weber mir im Ausschuß gesagt. Wenden Sie bei diesen Dingen nicht dieses überspitzte Prinzip an. Das wird auf die Dauer nicht gut gehen. Stimmen Sie unserem Antrag zu! ({3})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Antrag auf Umdruck 888 Ziffer 1 begründen. Bei dieser Gelegenheit darf ich etwas korrigieren, was ich gestern gesagt habe. Ich habe davon gesprochen, daß wir verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 10 Abs. 5 haben. Dabei habe ich mich versprochen. Ich meinte § 10 Abs. 3. ({0}) Im Protokoll ist es korrigiert. Gegen § 10 Abs. 5 ist in der Tat nichts einzuwenden, insbesondere in der Fassung, die er durch den Antrag der CDU-Fraktion auf Umdruck 857 bekommen soll. Denn es ist ja dem einzelnen Hilfsbedürftigen überlassen, ob er sich an den Verband der freien Wohlfahrtspflege oder an die Gemeinde wenden will. Wir beanstanden aber in § 10 Abs. 3 den Satz 2, was auch schon von seiten der SPD gesagt worden ist, weil wir hierin einen Zwang zur Alimentierung der freien Verbände durch die Gemeinden sehen. Wir meinen, das greift in die Selbstverwaltung der Gemeinden ein. Ich lasse es ganz dahingestellt, ob man sagen kann, daß der Wesensgehalt der Selbstverwaltung angetastet wird, und ob die Selbstverwaltung ein Grundrecht ist. Ich darf bei dieser Gelegenheit bemerken, was Sie, Herr Kollege Barzel, gestern gesagt haben, indem Sie Art. 19 Abs. 2 des Grundgesetzes zitiert haben, ist nicht richtig. Denn wenn Art. 19 Abs. 2 sagt, daß ein Grundrecht nicht in seinem Wesensgehalt angetastet werden darf, so heißt das ja, nicht einmal durch Grundgesetzänderung, nicht einmal mit Zweidrittelmehrheit und nicht einmal durch Hineinschreiben in das Grundgesetz darf ein solcher Wesensgehalt angetastet werden. Aber das sagt nichts zu der Frage, ob überhaupt ein solches Grundrecht berührt wird oder nicht. Das ist nach unserer Ansicht hier der Fall. Der Abs. 3 Satz 1 ist in Ordnung; er spricht von der Zusammenarbeit, davon, daß sich beide Teile wirksam ergänzen sollen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber dann darf eben nicht der Satz 2 folgen mit dem ominösen Wort „sollen". Denn daß dieses „sollen" „müssen" bedeutet, ist gestern schon zur Genüge ausgeführt worden. Wir sehen davon ab, noch einmal unseren Geschäftsordnungsantrag auf Rückverweisung an den Rechtsausschuß zu stellen. Aber ich darf daran erinnern, daß wir diesen Antrag gestellt haben; das möchte ich doch mit allem Nachdruck feststellen. Dieser Antrag hätte Gelegenheit gegeben, im Ausschuß darüber in Ruhe zu beraten. Sie sehen schon an der zeitlichen Dauer dieser Verhandlungen, wie schwierig es ist, solche nicht einfachen rechtlichen Probleme hier im Plenum zu behandeln. Deshalb erinnere ich an unseren Antrag. Sie haben es vorgezogen, ihn abzulehnen. Nun gibt es wenigstens 9068 Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode noch die Möglichkeit, in der Sache selber unserem Antrag Umdruck 888 Ziffer 1 zuzustimmen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich darf daran erinnern, daß auch die Änderungsanträge zu § 86 - soweit es noch nicht geschehen ist - begründet werden müssen, ({0}) weil ich dann die Debatte endgültig schließen werde. Wünscht noch jemand das Wort? - Herr Abgeordneter Könen!

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren, ich habe nicht die Absicht, die CDU zu provozieren, indem ich hier wieder heraufkomme, besonders nachdem wir feststellen dürfen, daß das Verhalten der Fraktion in diesem Hause dem entspricht, was wir im Ausschuß erlebt haben. Herr Dr. Barzel hat auf die Ausführungen von Herrn Jahn nichts mehr zu sagen gewußt ({0}) - nichts mehr gesagt; ich darf mich also verbessern -, so daß Sie mir persönlich das Recht geben, daraus herzuleiten, daß er dazu nichts mehr zu sagen gewußt hat. ({1}) Zweitens bedauern wir außerordentlich, daß Sie ) von den freien Wohlfahrtsverbänden sprachen, während wir vom überspitzten Subsidiaritätsprinzip gesprochen hatten. Ich darf deshalb hier vor der Öffentlichkeit feststellen, daß Sie dieser entscheidenden Angelegenheit bei diesem Gesetz sowohl im Ausschuß als auch in diesem Hohen Hause ausgewichen sind und nicht dazu Stellung bezogen haben. ({2}) - Lesen Sie das Protokoll der gestrigen Sitzung, dann wissen Sie, was Sie von ,der Subsidiarität gesagt haben! Aber ich möchte etwas für meine Allgemeinbildung tun. Die CDU - ich bitte Sie, mir darauf eine Antwort zu geben, Frau Niggemeyer - beantragt mit Umdruck 857, den Abs. 4 und 5 eine neue Fassung zu geben. In Ihrem Abs. 4 heißt es: „Wird die Hilfe im Einzelfalle durch die freie Wohlfahrtspflege gewährleistet ... ". Sie haben also die von uns gemeinsam im Ausschuß in Berlin eingesetzen Worte „eingeleitet und" gestrichen. Herr Rasner hat vorhin angekündigt, daß Sie nicht daran denken, Ihre Anträge zu begründen. ({3}) - Dann darf ich daran erinnern, 'daß gestern im Hohen Hause die CDU nicht gesagt hat, warum sie das gestrichen hat. Warum haben Sie das gestrichen, was wir 14 Tage vorher in Berlin hineingesetzt haben? ({4})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Herr Abgeordneter Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir haben zu § 86 einen Antrag auf Umdruck 887 vorgelegt. Wir beantragen, daß der Regierungstext des § 86 wiederhergestellt wird und daß die Worte „ausgebaut oder geschaffen werden können" gestrichen werden. Nach den Erfahrungen im Ausschuß haben wir wenig Hoffnung, 'daß Sie sich zu unserem Antrag bekennen werden. Deshalb möchte ich vorsorglich den Antrag stellen, daß bei der Abstimmung über § 86 Abs. 1 des Umdrucks der CDU - Umdruck 857 - wenigstens das Wörtchen „können" gestrichen wird. Ich habe dazu bereits gestern abend Ausführungen gemacht. Wie es 'die CDU jetzt wünscht, heißt es doch nur: 'die Träger können bauen, können schaffen. Aber es ist gar nicht festgelegt, wann sie das tun müssen. Es kann tatsächlich der Fall eintreten, daß die Leistungen für einen oder mehrere Hilfesuchende nicht schnell genug gewährt werden können, weil die Errichtung einer kommunalen Anstalt unmöglich geworden ist, nachdem sich ein freier Wohlfahrtsverband bereit erklärt hat, die Leistungen zu übernehmen, aber mit einer Frist, die nicht genau festliegt, zumindest nicht mit einer Frist, die ein sofortiges Tätigwerden bedeutet. Ich darf hier noch einmal darauf hinweisen, daß es kein geringerer als Professor Muthesius gewesen ist, der uns im Ausschuß dringend darum gebeten hat, 'das Wort „können" zu streichen, weil sonst tatsächlich 'die Möglichkeit bestehe, daß ein Zustand der Rechtsunsicherheit eintrete. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird zu den §§ 10 und 86 noch das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Könen! ({0})

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr verehrter Zwischenrufer, ich hoffe, daß Sie nicht hier schon anfangen wollen, meine Bewegungsfreiheit einzuschränken. ({0}) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ({1}) - Ja, wir können doch nicht dafür, daß man sich hier ausschweigt, so daß ich so schnell hintereinander hier heraufsteigen muß. Wenn es ermüdend wirkt, - wir haben einen großartigen Ruheraum für Abgeordnete. ({2}) - Ich sehe gerade, daß Sie graues Haar haben. Darum erspare ich mir eine Antwort. Ich hätte sonst Könen ({3}) auf diese dumme Bemerkung eine passende Antwort gehabt, seien Sie unbesorgt! ({4}) - Ja, wollen Sie mich noch lange hier oben haben, dann müssen Sie so weitermachen; ich habe Zeit. Wenn Sie hier ein System hereinbringen wollen, dann können Sie das haben. ({5}) - Darf ich nun zu § 86 etwas sagen oder nicht?! Meine Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, daß Sie nicht zu überzeugen sind. ({6}) Darum will ich Ihnen eines sagen, und ich wiederhole nichts von gestern: Wenn der § 86 so bestehen bleibt, wie Sie ihn haben wollen, dann gehen Sie damit über 'die Bedenken aller derjenigen hinweg, die aus vielen Gründen gegen die Fassung der §§ 10 und 86 gewesen sind. Das sind nicht nur Sozialdemokraten; das sind die Fürsorgefachleute der ganzen Bundesrepublik, das sind sämtliche Sozial- und Innenminister der Bundesrepublik, das sind sämtliche Spitzenverbände der Gemeinden und Gemeindeverbände, das sind alle diejenigen, die etwas davon verstehen und Sorge darum haben. Die Frage, ob man es so oder so macht, betrifft keine parteipolitische Entscheidung - das sage ich Ihnen, die Sie nicht vom Bau sind -, sondern betrifft eine Entscheidung, die weit darüber hinausgeht. Sie sollten sich - darum bin ich noch einmal hier heraufgekommen - darauf angesprochen fühlen. Überlegen Sie sich das, bevor Sie die Hand hochheben! ({7})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiterhin das Wort gewünscht? ({0}) Damit ist nunmehr auch die Einzelaussprache, wenn ich das überhaupt so bezeichnen darf, zu den §§ 10 und 86 beendet. Wir kommen zu den Abstimmungen. ({1}) - Nun ist es wohl wirklich ausdiskutiert; ein „Wieso" ist da nicht mehr angebracht. Ich lasse zuerst über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 872 Ziffer 1 abstimmen. Wer dem zustimmen will, den darf ich um das Handzeichen bitten. - Gegenprobe! Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme zum Antrag der Fraktion 'der FDP Umdruck 888 Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme nunmehr zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 857 Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Ich komme zu § 10 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. -Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? -Das erste war die Mehrheit; § 10 ist angenommen. Darauf komme ich nun zu § 86, und zwar zuerst zum Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 872 Ziffer 10. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt. Ich komme zum Antrag der Fraktion der FDP Umdruck 887. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Abgelehnt. Nunmehr komme ich zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck 857 Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über § 86 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 86 ist angenommen. Wir haben § 10 verabschiedet, und ich darf nunmehr zu den anderen Paragraphen zurückkommen. Ich rufe auf §§ 11, - 12, - 12 a, - 13, - 14, - 15, - 15 a. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Bestimmungen sind angenommen. Ich rufe die §§ 16, 17, 18 und 19 auf. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Nunmehr komme ich zu § 20, zugleich zum Antrag Umdruck 872 Ziffer 2. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Könen!

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei dem Streichungsantrag Umdruck 872 Ziffer 2 darum, daß wir das Wiedererstehen der sogenannten Auffanggrenze verhindern möchten. Früher war es in der Fürsorge so, daß dort, wo Fürsorgeleistungen einem bestimmten Arbeitseinkommen nahekamen, eine Grenze gezogen wurde. Diese nannte man die Auffanggrenze. Sie traf in erster Linie und sozusagen ausschließlich kinderreiche Familien. Man ging davon aus, daß 90 % dies ortsüblichen Lohnes als Auffanggrenze zu betrachten seien, und ging dabei vom Hilfsarbeiterlohn aus. Wir haben im Ausschuß bei der ersten Beratung dieses § 20 beschlossen, den Passus „sowie über das Verhältnis der Regelsätze zum Arbeitseinkommen" zu streichen. Wir erlebten dann, daß er später doch wieder hereingebracht wurde, so daß wir uns heute genötigt sehen, den Streichungsantrag noch einmal im Plenum zu stellen. Könen ({0}) Meine Damen und Herren, ich will es kurz machen. Es gibt darüber interessante Untersuchungen. Ich habe das Stuttgarter Ergebnis dieser Untersuchungen bei mir und bin gern bereit, Ihnen mit Zahlen zu dienen. Uns ist bekannt, daß es eine ganze Anzahl niedrig bezahlter arbeitender Menschen gibt, deren Einkommen nicht an das heranreichen, was man die Auffanggrenze nennt, bzw. nicht an das heranreichen, was Fürsorgeleistungen ergeben würden. Aber es ergibt sich im Bundessozialhilfegesetz folgende originelle Situation. Wir verankern im Bundessozialhilfegesetz einen Rechtsanspruch, und zwar den Rechtsanspruch auf den notwendigen Lebensunterhalt. Dieser notwendige Lebensunterhalt ist im Gesetz fixiert. Wenn Sie nun durch die Formulierung „sowie über das Verhältnis der Regelsätze zum Arbeitseinkommen" den notwendigen Lebensunterhalt bei einer kinderreichen Familie kappen, indem Sie nicht die Regelsätze auszahlen, schädigen Sie damit den Rechtsanspruch des Hilfebedürftigen. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite steht die mit Recht - mit Recht! - vorgetragene Argumentation, die da sagt: Ja, du lieber Gott, es ist doch ein schlechter Zustand, wenn der arbeitende Mensch sich auf den Standpunkt stellen kann, er stehe sich ja besser, wenn er zur Sozialhilfe gehe, da habe er ein größeres Einkommen, als wenn er mit seiner Hände Arbeit seine Familie ernähre. Es ist wirklich wahr: das ist eine böse Situation. Aber die Sozialhilfe kann deshalb nicht das zusammenstreichen, was „notwendiger Lebensunterhalt" ist. Ich halte es für einen Skandal, wenn ein Mensch so wenig verdient, daß er noch nicht einmal das für seine Familie erwerben kann, was in einem Fürsorgegesetz als das Notwendigste vom Notwendigen angesehen wird. Da sollen sich die Tarifpartner einmal zusammensetzen und dafür sorgen, daß eine ordentliche Lohnpolitik getrieben wird. Wir lehnen es auf alle Fälle ab, daß auf dem Weg über die Fürsorge, auf dem Weg über die Sozialhilfe lohnpolitische Angelegenheiten geregelt werden. Hier steht der Anspruch auf den notwendigen Lebensunterhalt, und den wollen wir ungekürzt denen zugute kommen lassen, die darauf einen Rechtsanspruch haben. Darum bitte ich Sie recht herzlich - es steckt gar nichts Geheimnisvolles dahinter, meine Damen und Herren von der CDU -, unserem Antrag zuzustimmen und die frühere Fassung wiederherzustellen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Niggemeyer.

Maria Niggemeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001613, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bitte Sie doch, auch Herrn Könen, die Verwirrung der Begriffe nicht weiterzutreiben. Herr Könen, Sie als ein Praktiker der Fürsorge wissen genau, daß die Angleichung an das Arbeitseinkommen nicht, wie Sie einmal gesagt haben, die Wiederkehr der Auffanggrenze bedeutet. Die Auffanggrenze haben wir in den fürsorgerechtlichen Richtlinien 1953 beseitigt. Wäre sie wieder in das Gesetz hineingekommen, Herr Könen, hätte ich mich dagegen gewandt. Sie haben auf die verschiedenartige Leistungsfähigkeit in den verschiedenen Gebieten der Bundesrepublik hingewiesen. Ein Vergleich zwischen dem Arbeitslohn eines Industriearbeiters und dem eines Arbeiters im Bayerischen Wald zeigt, daß die Löhne unterschiedlich sind. ({0}) Sie wissen genau und haben das in den Ausschußsitzungen auch oft gesagt, daß gerade der Landkreistag große Bedenken gegen die durch das Sozialhilfegesetz entstehenden Kosten vorgebracht hat. Ich stimme Ihnen zu: der Hilfesuchende hat ein Recht auf den notwendigen Lebensunterhalt. Ich verwende mit Absicht nicht das häßliche Wort vom Brotkorb. Die Richtlinien für den Regelbedarf werden vom Bundesinnenministerium erarbeitet und von den Ländern geprüft. Herr Könen, Sie wissen genau, daß über den notwendigen Lebensunterhalt jedem einzelnen Hilfesuchenden eine individuelle Hilfe zuteil wird, die über den Bedarf an Kartoffeln und Brot hinausgeht. Entschuldigen Sie, wenn ich jetzt mit diesen primitiven Ausdrücken operiere. Das alles wissen Sie! Sie wissen genau, daß im Rahmen der individualisierten Hilfe auch dort, wo die Leistungsfähigkeit nicht so groß ist, entsprechend der Notlage vor allem im Rahmen einer familiengerechten Hilfe geholfen werden kann. Sie haben auch das Thema Tarifpolitik angesprochen. Wir können im Bundessozialhilfegesetz - da gebe ich Ihnen recht - den Tarifpartnern nicht vorschreiben, was sie tun sollen. Ich empfehle mit Ihnen den Tarifpartnern, dort, wo nach ihrer Ansicht Arbeitslöhne gezahlt werden, die nicht den notwendigen Lebensbedarf decken, andere Löhne auszuhandeln. Aber wegen des Prinzips, das dem gesamten Gesetz zugrunde liegt und dem Sie zugestimmt haben - Weckung des Willens zur Eigenleistung -, können wir der Streichung der Worte „sowie über das Verhältnis der Regelsätze zum Arbeitseinkommen" nicht zustimmen. Dies habe ich schon im Ausschuß ausgeführt, und die Mehrheit des Ausschusses hat diese Auffassung akzeptiert. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird des weiteren das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Spitzmüller!

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Namens der Fraktion der FDP kann ich erklären, daß die FDP diesem Antrag der SPD nicht zustimmt. Gerade unsere Fraktion ist es gewesen, die in der zweiten Lesung des Bundessozialhilfegesetzes stärkstens dafür eingetreten ist, daß der zunächst in der ersten Lesung gestrichene Halbsatz wieder in diese Vorlage hineinkam. Wir bitten also, den Antrag der SPD abzulehnen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 872 Ziffer 2 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wer § 20 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste ist die Mehrheit; angenommen. Ich rufe auf §§ 21, - 22, - 23. - Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Bestimmungen sind angenommen. Ich rufe § 24 und dazu den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 872 Ziffer 3 auf. - Bitte sehr, Frau Eilers!

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Unter Ziffer 3 des Umdrucks 872 beantragt die SPD-Fraktion, im Bundessozialhilfegesetzes die Altersgrenze, bis zu der die Einweisung in Arbeitshäuser unzulässig ist, von 18 auf 21 Jahre zu erhöhen. Ich möchte diesen Antrag wie folgt begründen. In der Novelle zum Jugendwohlfahrtsgesetz, die ja höchstwahrscheinlich noch von diesem Bundestag verabschiedet werden wird, ist vorgesehen, daß die Altersgrenze für die Anordnung der Fürsorgeerziehung auf das 20. Lebensjahr heraufgesetzt wird. Damit wird es möglich sein; bis zum 21. Lebensjahr die Fürsorgeerziehung durchzuführen. Außerdem fällt eine wesentliche Voraussetzung der heutigen Fürsorgeerziehung weg: die Aussicht auf Erfolg. Von Fachleuten wird das sehr bedauert; aber es ist in diesem Gesetz vorgesehen und wird wohl auch so kommen. Damit ist aber zugleich auch eine Möglichkeit gegeben, die jungen Menschen zwischen 18 und 21 Jahren, bei denen keine Aussicht auf Erfolg besteht und die wir bisher nur schwer erfassen können, durch die Fürsorgeerziehung, d. h. durch das Jugendwohlfahrtsgesetz, zu erfassen. Wir halten es für unvertretbar, daß hier im Bundesozialhilfegesetz eine Gruppe von jungen Menschen angesprochen wird, die wirklich nur über eine jugendfürsorgerische und pädagogische Betreuung zu erreichen ist. Wir können es nicht verantworten, junge Menschen von 18 Jahren in Arbeitshäuser einzuweisen, in denen sie mit einem Personenkreis zusammengeführt werden, zu dem sie nicht gehören. In den heute vorhandenen Arbeitshaus-Einrichtungen ist eine erzieherische Beeinflussung junger Menschen nicht möglich. Diese jungen Menschen müssen und können nur durch das Jugendamt und durch vormundschaftsgerichtliche Maßnahmen Hilfe erhalten. Wir bitten Sie daher, unserem Antrag zuzustimmen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird hierzu das Wort gewünscht? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Memmel.

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Kollegin wäre dann richtig, wenn der Entwurf des Jugendhilfegegesetzes schon ein Gesetz. wäre. Es ist aber noch ein Entwurf, und solange dieses Gesetz noch nicht beschlossen ist, ist Ihr Antrag, verehrte Frau Kollegin, etwas verfrüht. ({0}) Unter der Voraussetzung, daß das Jugendhilfegesetz, so wie es im Entwurf vorliegt, durchgeht, könnte man dann Ihrem Antrag zustimmen. Aber im gegenwärtigen Stadium ist es nicht möglich. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 872 Ziffer 3 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wer § 24 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um ,die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf § 25, - § 26, - § 27 - und § 28. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte uni die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Wir kommen zu § 29 sowie zum Antrag Umdruck 888 Ziffer 2. Wird das Wort gewünscht? -Bitte sehr, Herr Abgeordneter Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir wollen lediglich, daß in Abs. 2 im letzten Satz das Wort „soll" durch das Wort „kann" ersetzt wird. Wir sind der Meinung, daß es nicht Aufgabe der Kommunen ist, Begabtenförderung zu betreiben. In diesem Gesetz wird mit dem Wörtchen „soll" ein Rechtsanspruch für die Kinder der Eltern aufgestellt, die wenig verdienen. Wir wollen nicht, daß es heißt: „Weil mein Vater wenig verdient, habe ich einen Rechtsanspruch auf Hochschulstudium", und daß der andere sagen muß: „Weil mein Vater nicht mehr unter das Sozialhilfegesetz fällt, muß ich sehen, wo ich sonst zu einem Stipendium komme." Das ist der ganze Grund, warum wir den Antrag stellen. Die Gemeinde soll das können. Aber es soll kein Gesetzesbefehl durch das Wörtchen „soll" gegeben werden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Könen ({0}).

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion wird dem Antrag der FDP nicht zustimmen. Neben dem § 29 muß man auch den § 30 sehen, Herr Kollege Spitzmüller. In § 30 sind mit Recht - wir haben das Könen ({0}) mitbeschlossen - so viel einschränkende Bestimmungen hinsichtlich der Begabtenförderung niedergelegt worden, daß das „soll" ruhig stehenbleiben kann. Es wird keinen Run der Kinder der Sozialhilfeempfänger auf die Hochschulen geben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird noch das Wort gewünscht? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Herr Kollege Könen, selbstverständlich werden dort bestimmte Voraussetzungen gefordert. Aber was heißt schon „über dem Durchschnitt liegend"?" Das ist doch ein Begriff, den man dehnen kann. Über dem Durchschnitt liegen muß jeder, der sich um ein Stipendium bemüht. Wir sind absolut. mit Ihnen darin einig, daß nicht sehr viele auf Grund dieser Bestimmung studieren können. Aber schon der Optik wegen halten wir es für schlecht, wenn durch das Wörtchen „soll" ein Gesetzesbefehl ausgesprochen wird.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 888 Ziffer 2 der Fraktion der FDP zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wer § 29 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf die §§ 30, - 31, - 32, - 33 - und 34. - Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich komme zu § 35 und zu den Ziffern 3, 4 und 5 des Antrages Umdruck 888. Sollen sie begründet werden? - Herr Abgeordneter Spitzmüller!

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir haben diesen Antrag nicht gerade mit freudigem Herzen gestellt, halten es aber trotzdem für erforderlich, daß der von uns vorgeschlagene Abs. 3 angefügt wird. § 35 Abs. 1 lautet: „Kranken ist Krankenhilfe zu gewähren." In Abs. 2 wird aufgeführt, was alles dazugehört. Es ist gar keine Begrenzung nach oben gesetzt, es ist gar nichts darüber ,ausgesagt, wie weit diese Krankenhilfe gehen kann. Man kann natürlich sagen: In § 4 Abs. 2, der das Ermessen anspricht, ist etwas darüber ausgesagt, daß es natürlich begrenzt werden kann. Wir halten es aber doch für wichtig, schon im Interesse der in der Krankenversicherung Pflichtversicherten, in § 35 anzufügen, daß die Hilfe nicht über die Leistungen hinausgehen soll, die den Versicherten gewährt werden. Denn wo kommen wir hin, wenn den nicht Versicherten eine größere Hilfe gewährt wird als demjenigen, der von seinem Arbeitsentgelt Pflichtversicherungsbeiträge bezahlt. Die Änderungsanträge unter Ziffer 4 und Ziffer 5 des Umdruck 888 wird Herr Kollege Dr. Stammberger begründen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Maucher.

Eugen Maucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001443, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP ist ohne Zweifel gut gemeint. Ich glaube aber, im Interesse der einheitlichen Regelung in Krankheitsfällen ist es absolut richtig, daß wir es bei der Ausschußvorlage belassen. Darin ist ganz klar und eindeutig festgestellt, in welchen Fällen und in welchem Umfange hier Hilfe gewährt werden soll. Gerade dieser Paragraph ist als ein gewisser Rehabilitationsparagraph aufzufassen; es soll nämlich alles getan werden, um den Kranken, den Behinderten wieder in das Arbeitsleben einzugliedern. Das hängt hiermit zusammen. Deshalb sind wir der Meinung, den Antrag der FDP ablehnen zu sollen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Stammberger.

Dr. Wolfgang Stammberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002215, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Änderungsanträge unter Ziffer 4 und Ziffer 5 des Umdrucks 888 befassen sich wieder einmal mit dem Problem der freien Arztwahl. Ich möchte auch hier wieder sagen, daß wir das nicht in erster Linie als ein ärztliches Anliegen ansehen, sondern in der freien Arztwahl ganz einfach die Grundlage eines gesunden Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patienten sehen; und von der Würde des Menschen, von der Sorge um den Menschen gerade im Bundessozialhilfegesetz ist ja gestern schon so viel die Rede gewesen. Nun wird zwar im Ausschußbericht zu § 3 Abs. 2 behauptet, die freie Arztwahl sei darin enthalten. Aber, meine Damen und Herren, machen wir uns doch nichts vor! Es handelt sich hier um nicht mehr und nicht weniger als um einen frommen Selbstbetrug. Denn wenn Sie einmal den § 3 Abs. 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 und in Verbindung mit der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 3 Abs. 2 lesen, dann werden Sie sehr schnell feststellen können, daß es sich hier um eine reine Ermessensentscheidung handelt, ob der Sozialhilfeträger im Einzelfall den Wünschen des Sozialhilfeempfängers nach freier Arztwahl nachgeben will oder nicht. In der Bundeshauptstadt Bonn beispielsweise haben wir ja die Regelung, daß der Betreffende eben nicht freie Arztwahl hat, sondern die Poliklinik in Anspruch nehmen muß, ob er will oder nicht. Meine Damen und Herren, wenn Sie schon der Meinung sind. die freie Arztwahl soll auch in diesem Gesetz gewährleistet werden, dann wollen wir das doch auch klar und deutlich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise im Gesetz niedergelegt wissen. Zweifellos spielt die Kostenfrage eine Rolle. Aber auch in dieser Hinsicht sind in unserem Antrag Sicherungen vorgesehen, die dafür sorgen, daß die Kosten nicht zu hoch werden und die Bäume nicht in den Himmel wachsen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Könen.

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Stammberger. wir haben an und für sich die Absicht, den Ziffern 4 und 5 zuzustimmen, obwohl wir der Meinung sind, daß das, was wir im Ausschuß gesagt haben, kein frommer Selbstbetrug ist, sondern die freie Arztwahl tatsächlich gesichert ist. Aber wenn Sie das doppelt moppeln wollen - von mir aus! Ich habe aber zuvor eine Frage an Sie, Herr Dr. Stammberger. Es gibt eine Menge Sozialämter, die ähnlich wie eine Krankenkasse Pauschalisierungsverträge mit Ärzten abschließen und ihre Kranken und Hilfebedürftigen dort hinschicken. Herr Stammberger, dürfte ich Sie fragen - Sie sind Arzt, ich bin es nicht -, welche Rückwirkungen die Änderung in § 35 auf diesem Gebiet haben würde. Dann wären wir schon ein Stückchen weiter. Können wir das vielleicht im Wege der Zwischenfrage machen, Herr Präsident? ({0}) - Danke sehr! Nun zu Nr. 3! Herr Kollege Spitzmüller, die Antragsteller des Antrages, wonach die Hilfe nicht über ,die Leistungen hinausgehen soll, die nach den Vorschriften des Krankenversicherungsgesetzes den Versicherten gewährt werden sollen, haben etwas übersehen. Heute ist die Situation so, daß das Sozialamt, also die Fürsorge und in Zukunft die Sozialhilfe, ausgerechnet einspringt, wenn die Krankenkassenleistung nicht genügt. Dann übernimmt das Sozialamt die weitere Betreuung im Rahmen der Krankenhilfe. Es gibt also aus seiner Aufgabe heraus mehr, als die gesetzliche Krankenversicherung gibt, weil es darum geht, jemanden gesund zu machen, wobei die gesetzliche Krankenkasse nicht mehr weiter kann bei den jetzigen Bestimmungen, die wir noch haben. Dann tritt das Sozialamt ein. Die Krankenhilfe nach diesem Gesetz geht also von einem völlig anderen Gesichtspunkt aus. Sie können das nicht an eine gesetzliche Krankenversicherung binden. Dann können wir all den Leuten, die versicherst sind und denen die Krankenkasse nicht mehr helfen kann, denen aber geholfen werden muß, nicht mehr helfen. Das ist ein unmöglicher Zustand. Abgesehen davon müßten wir dann auch bestimmte Fristen festlegen. Ich bitte Sie, ziehen Sie Ihren Antrag zurück! Wir werden auf alle Fälle dagegen stimmen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Niggemeyer.

Maria Niggemeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001613, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen!, Herr Stammberger, wir sind an sich der Ansicht, daß die Verankerung des Wahlrechts in § 3 und die Erläuterungen, die dazu im Bericht gegeben sind, die freie Arztwahl garantieren. Sonst würde ja überhaupt kein Wahlrecht praktikabel sein, wenn es beim kranken Menschen nicht mit der freien Arztwahl anfangen könnte. Ich glaube, darin geben Sie mir recht. Sie haben dann die Stadt Bonn zitiert. Herr Stammberger, Sie wissen genau, noch haben wir kein Bundessozialhilfegesetz. Noch praktizieren die Sozialämter nach der Fürsorgepflichtverordnung. Wir wissen, daß hier viele Fürsorgeträger in einem Vertragsverhältnis mit bestimmten Ärzten stehen. Aber ich bin der festen Überzeugung, daß auch Bonn das Wahlrecht des einzelnen achten wird, wenn das Bundessozialhilfegesetz wirksam wird. Um aber für alle Fälle Klarheit zu schaffen, ist meine Fraktion trotz allem bereit, den Ziffern 4 und 5 Ihres Antrags zuzustimmen, aber nicht der Ziffer 3.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich lasse nunmehr abstimmen über den Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 888, zuerst über Ziff. 3. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt. Ziff. 4! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Ziff. 5! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Wir stimmen ab über § 35 in der Ausschußfassung mit den beiden soeben beschlossenen Änderungen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf § 36. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer § 36 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Wir kommen zu § 37. Dazu liegt vor der Antrag der Fraktion der FDP Umdruck 901. Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Wir haben diesen Antrag gestellt, weil wir uns davon überzeugen ließen, daß bei der jetzigen Gesetzesfassung Ausweitungen erfolgen können, die nicht erwünscht sind, die nicht im Sinne des Gesetzgebers liegen. Ohne den Zusatz, den wir beantragen, könnte die Ausweitung des Begriffes „bedroht" sehr stark werden. Sie können einwenden: kein Gesundheitsamt wird das so auslegen, daß nun alle möglichen Personen davon betroffen würden. Ich kann Ihnen aber sagen, daß das Staatliche Gesundheitsamt einer Stadt in meiner Heimat einem Kranken, der in die Sprechstunde für Körperbehinderte kam, eine Gurtmahn-Bandage verordnet hat. Das ist sozusagen das allereinfachste Mittel, um Haltungsschäden zu beseitigen. Wenn ich so in den Saal sehe, habe ich den Eindruck, daß der eine oder andere von uns auch einmal ganz gut eine solche Gurtmahn-Bandage gebrauchen könnte. In einem anderen Fall sind in einer solchen Sprechstunde für Körperbehinderte wegen einer ganz leichten Erkrankung BerkemannSandalen verordnet worden. Wenn das alles unter den Begriff „bedroht" gebracht wird und dann diese Leute in den Sprechstunden beraten werden müssen, wird der staatliche Gesundheitsdienst ungeheuer ausgeweitet, wie es weder wir noch sicherlich auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU, wollen. Wir sollten alles tun, um nicht einer allzu starken Ausbreitung des staatlichen Gesundheitsdienstes Tür und Tor zu öffnen. Wir bitten deshalb, den Antrag anzunehmen, damit die notwendige Einschränkung des Begriffs „bedroht" erfolgt, die auch im Sinne des Gesetzgebers liegt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Pannhoff.

Dr. Maria Pannhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Anliegen, das in dem Antrag Umdruck 901 der FDP zum Ausdruck kommt, ist inhaltlich voll berechtigt. Ich stehe dahinter, meine Fraktionsfreunde ebenfalls. Aber wir müßten vom medizinischen Gesichtspunkt aus statt des Wortes „Erkrankungen" das Wort „Leiden" oder „Skelettabwegigkeiten" gebrauchen; denn es handelt sich nicht um Erkrankungen, sondern um Leiden. Das müßte geändert werden. Aber ich halte den formalen Weg nicht für gut. Es liegt Ihnen sicher daran, daß die Sache in der Praxis wirksam wird. Darauf kommt es auch uns an, wir möchten das gleiche. Aber es ist nicht schön, eine Legaldefinition zu bringen; das ist perfektionistisch. Sie werden mir recht geben, daß wir nach einem anderen Weg suchen sollten. Von der Bundesebene her können wir keine Ausführungsbestimmungen machen, sondern die bleiben den Ländern überlassen. Hier liegt die Schwierigkeit. Aber es geht auf dem Wege über die Ermächtigung nach § 44 oder über die Vorschrift des Art. 84 Abs. 2 ,des Grundgesetzes, d. h. durch Erlaß allgemeiner Verwaltungsvorschriften. Wir stimmen also inhaltlich zu, schlagen aber diesen anderen Weg vor. Deswegen möchte ich dem Hohen Hause empfehlen, dem Änderungsantrag Umdruck 901 nicht zuzustimmen, sondern es auf dem Wege, den ich gerade vorschlage, machen zu lassen. Ich bin sicher, daß es in der Praxis voll wirksam werden wird.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Könen.

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Bedenken dagegen, daß der von meiner verehrten Frau Vorrednerin vorgeschlagene Weg beschritten wird, um dem Anliegen dieses Änderungsantrags zu entsprechen. Das, was der Herr Kollege Spitzmüller will, wollen wir alle. Diesem Geschwätz, wonach jeder mit Senkfüßen unter das Körperbehindertengesetz fällt und jeder, der sich beim Skilaufen einen Knöchel bricht, in eine Meldekartei kommt, dem wollen wir endlich einmal ein Ende bereiten. Es wird so viel von Ermessensfragen gesprochen. Ich weiß nicht, ob ein Beamter, der das Gesetz so auslegt, nicht sein Ermessen mißbraucht. Zweitens möchte ich gern wissen, wie das eigentlich geschehen soll, wenn man schon bei einem fünfjährigen Kind „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" feststellen soll, daß eine spätere „dauernde wesentliche Behinderung" im Bereiche des Möglichen liegt. Ich möchte nicht in der Haut des Arztes stecken, der eine falsche Prognose bei einem Dreijährigen stellt und erklärt, das sei nur eine einfache, vorübergehende Sache, und dem zehn Jahre später irgendein Professor „bestätigt": Hättet ihr dies oder das getan, wäre dies oder jenes nicht geschehen. Man sollte auch vom Arzt nichts Menschenunmögliches verlangen. Auch aus diesem Grunde lehnen wir diesen Antrag ab. Ich betone ausdrücklich: einen Mißbrauch ,des Gesetzes, wie Herr Kollege Spitzmüller hier dargetan hat, wünschen wir selbstverständlich auch nicht.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 901 der Fraktion der FDP zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit großer Mehrheit abgelehnt. § 37 in ,der Ausschußfassung! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf die §§ 38, - 39, - 40, - 41, - 41 a - und 42. Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, ,den bitte ich um ,das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Wir kommen zu § 43. Dazu liegt vor der Antrag Umdruck 888 Ziffer 6. Das Wort hat der Abgeordnete Spitzmüller.

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich möchte den Antrag der Fraktion der FDP kurz begründen. Wir wollen hier die Worte „oder einem Facharzt" eingeschaltet wissen. In vielen Fällen wird nämlich ein Zusammenwirken mit dem Gesundheitsamt wenig sinnvoll sein, wenn dem Gesundheitsamt kein Facharzt mit langjähriger Erfahrung angehört. Wir sind der Meinung, daß durch die Einfügung der Worte „oder einem Facharzt" dem Träger der Sozialhilfe die Möglichkeit eröffnet wird, entweder mit dem Gesundheitsamt zu verhandeln, wenn er dort die entsprechende Fachkapazität findet, oder aber mit einem Facharzt die Dinge viel besser zu regeln. Ich glaube, wir haben gestern beim BundesseuchenSpitzmüller gesetz schon wieder einen Schritt zu einer stärkeren Verankerung des staatlichen Gesundheitsdienstes getan. Wenn wir ,den § 43 ohne die Einfügung „oder einem Facharzt" annehmen, spielen wir den Gesundheitsämtern noch mehr ausschließliche Aufgaben zu. Daß sie zuständig sein sollen, wollen wir gar nicht bestreiten; aber daß ihnen immer wieder eine ausschließliche Zuständigkeit zugespielt werden soll, damit können wir uns nicht einverstanden erklären. Wir bitten deshalb, unserem Antrag auf Einfügung der Worte „oder einem Facharzt" zuzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Könen.

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beim Änderungsantrag der FDP zu § 43 müssen wir den Zusammenhang zwischen Abs. 1 und Abs. 2 sehen. In § 43 Abs. 2 wird gesagt, in welcher Art und Weise das Zusammenwirken bei der Aufstellung des Gesamtplans vor sich gehen soll. Hier wird auch der behandelnde Arzt genannt. Wir sehen also nicht ein, warum, wenn der Träger der Sozialhilfe, der ja alles finanzieren muß, den Gesamtplan aufstellen läßt, das Gesundheitsamt gegebenenfalls noch einen Facharzt beschäftigen soll bei einer Sache, die bei der Gesamtplanung mit dem behandelnden Arzt besprochen und meiner Auffassung nach gewissenhaft entschieden worden ist.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck 888 Ziffer 6 der Fraktion der FDP. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über § 43 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf §§ 44, - 45, - 46, - 47, - 48, - 49, - 50, - 51, - 52, - 53, - 54, - 55, - 56, -57, - 58, - 59, - 60, - 61, - 62 - und 63. - Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf § 64 und den Änderungsantrag Umdruck 872 Ziffer 4. Das Wort hat der Abgeordnete Lautenschlager.

Hans Lautenschlager (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001297, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit diesem Antrag erstrebt meine Fraktion, eine Besitzstandswahrung in einem gewissen Ausmaß. Im § 11 Abs. 1 der Reichsgrundsätze über Voraussetzungen, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge in der Fassung des Fürsorgerechts-Änderungsgesetzes von 1953 wurde die Altersgrenze für die Gewährung eines obligaten Mehrbedarfes im Falle der Blindheit auf zwei Jahre festgesetzt. Darüber hinaus sah man einen Mehrbedarf nach § 10 der Reichsgrundsätze - das sind die Bestimmungen über die sogenannte Individualfürsorge - auch für Kinder unter zwei Jahren vor, wenn es im einzelnen Fall geboten erscheint. Ich darf auf die Ausführungen in der 271. Sitzung dieses Hohen Hauses in der ersten Legislaturperiode vom 12. Juni 1953 hinweisen, desgleichen auf die Verhandlungen im Fachausschuß, ,der sich von Februar bis Mai 1953 in mehreren Sitzungen eingehend mit diesem Problem beschäftigt hat und dabei der einmütigen Auffassung war, daß ein Mehrbetrag generell gewährt werden sollte. Was damals im Grundsätzlichen galt, gilt auch heute noch. Es besteht auch keine Veranlassung, eine Änderung im negativen Sinne hinsichtlich der Voraussetzungen für den Empfang des Blindengeldes eintreten zu lassen. § 65 a Abs. 3 und § 4 Abs. 2 des vorliegenden Gesetzentwurfs in der Ausschußfassung werden dem Anliegen nicht gerechnet, weil die Blindheit bei einem sonst normal entwickelten Kind keinen solchen Zustand hervorruft, daß es für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens in erheblichem Umfang der Wartung und Pflege dauernd bedarf. Beim blinden Kleinkind liegen zweifellos Umstände vor, die zu der berechtigten Annahme führen, daß es einerseits vom dritten Lebensjahr an wohl eine gewisse Selbständigkeit erreicht, daß diese Selbständigkeit andererseits mit der eines normalsinnigen Kindes nicht verglichen werden kann. Den Eltern oder Erziehungsberechtigten eines solchen Kindes entstehen unbestreitbar besondere Mehraufwendungen, die mit dessen Blindheit zusammenhängen. Das blinde, sonst normal entwikkelte Kind erfüllt, wenn es eine gewisse Selbständigkeit erreicht hat, was in der Regel bei einem Alter von drei Jahren anzunehmen ist, unseres Erachtens die Voraussetzungen für die Gewährung des Blindengeldes nach § 64 Abs. 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs. Selbstverständlich muß beim Zusammentreffen der Voraussetzungen nach § 64 Abs. 1 - das ist also die Blindheit - mit den Voraussetzungen nach § 65 Abs. 3 - das ist zusätzlich vorliegende körperliche Hilflosigkeit usw. - dem gesteigerten Pflegebedürfnis entsprechend in Kauf genommen werden, daß in diesen sehr seltenen Fällen beide Hilfen nebeneinander gewährt werden. Ich bitte Sie, nach dieser meiner Begründung unserem Antrag zuzustimmen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Maucher.

Eugen Maucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001443, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns über diese Frage im Ausschuß eingehend und wiederholt unterhalten. Der Ausschuß ist an sich zu der Auffassung gekommen, daß der Antrag auf Gewährung von Blindenhilfe schon vom dritten Lebensjahr an abzulehnen sei, weil dieses Anliegen für Kinder bis zum sechsten Lebensjahr durch die Bestimmungen über die Hilfe zur Pflege ausreichend berücksichtigt wird. Ich darf in diesem Zusammenhang sagen, daß man das nicht etwa verwechseln darf und daß nicht der Eindruck entstehen darf, daß man einem wichtigen Anliegen nicht entsprechen wolle. Ich glaube, es ist auf der anderen Seite unsere Pflicht, bei diesem Gesetzentwurf genau zu überlegen, wo die Hilfe am notwendigsten und am dringendsten ist. Wir haben das im Ausschuß eingehend überlegt und sind bei der Aussprache zu ,der Auffassung gekommen, daß die Hilfe für die Erziehung und die Pflege des Kindes etwas anderes ist als das Blindengeld. Wir haben mit diesem Gesetzentwurf das Blindengeld - das darf ich in diesem Zusammenhang feststellen - erstmalig in derselben Höhe festgelegt, wie sie im Bundesversorgungsgesetz vorgesehen ist. Ich glaube, wir haben damit generell einen entscheidenden Schnitt vorwärts getan, so daß es im Augenblick wirklich nicht möglich ist, weiterzugehen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck 872 der Fraktion der SPD zu Ziffer 4. Wer zuzustimmen wünscht, ,den bitte ich um das Handzeichen. Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme zur Abstimmung über § 64 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte 'ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf §§ 65, - 65a, - 66 und 67. Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen, - Gegenprobe! - Die Bestimmungen sind angenommen. Ich rufe § 68 auf und zugleich Ziffer 5 des Umdrucks 872. - Bitte sehr, Frau Abgeordnete!

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe in ähnlicher Weise wie schon zu § 24 des BSHG im Namen der SPD-Fraktion zu beantragen, daß hier das achtzehnte durch das zwanzigste Lebensjahr ersetzt wird. Die Begründung ist dieselbe, wie eben. Wir stehen auf dem Standpunkt, ,daß hier das zwanzigste Lebensjahr eingesetzt werden müßte. Da für einen jungen Menschen von zwanzig Jahren keine Möglichkeit der Anordnung der Fürsorgeerziehung mehr besteht, sollten ihm bei Mangel an Festigkeit zur Führung eines geordneten. Lebens in der Gemeinschaft Hilfen durch das Sozialhilfegesetz gegeben werden. Sie müssen dabei bedenken, meine Herren und Damen, daß ,das Bundessozialhilfegesetz ja erst elf Monate nach Verkündung in Kraft treten wird. Ich muß sagen, daß ich eigentlich über den Pessimismus überrascht gewesen bin, den Herr Kollege Memmel soeben bezüglich der Verabschiedung der Novelle zum Jugendwohlfahrtsgesetz noch in diesem Bundestag zum Ausdruck gebracht hat, nachdem hier so eifrig urn das Bundessozialhilfegesetz gekämpft wird. Ich möchte also darum bitten, unserem Antrag zuzustimmen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Bitte, Herr Abgeordneter!

Dr. Carl Reinhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001810, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Freund Memmel hat bereits zu § 24 gesprochen. Ich brauche nicht zu wiederholen, weshalb wir den Antrag der SPD ablehnen müssen. Es sind formelle Gründe; das Jugendwohlfahrtsgesetz ist noch nicht da. Aber auch vom Sachlichen her sind wir der Ansicht, daß in dem jugendlichen Alter von achtzehn bis zwanzig Jahren der Gefährdete erzieherisch mehr ansprechbar ist als zu einem späteren Zeitpunkt. Gerade dieser Personenkreis sollte so früh wie möglich angesprochen werden und wieder zu einem nützlichen Glied der Gesellschaft erzogen werden. Aus diesem Grunde bitte ich das Hohe Haus, den Antrag der SPD abzulehnen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Frau Eilers!

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn hier davon gesprochen wurde, daß möglichst früh Erfassungs-, Erziehungsmöglichkeiten für junge Menschen gegeben werden, dann frage ich Sie: Wo sind sie im RJWG und in der künftigen Novelle nicht gegeben? Sie sind ja gerade in der Novelle zum RJWG von Fachverbänden bestätigt; denn der Antrag kommt ja nicht nur von der Bundesregierung in ihrer Gesetzesvorlage, sondern auch vom Allgemeinen Fürsorgeerziehungstag. Gerade der AFET als das vorhandene wirkliche Fachgremium in unserer Bundesrepublik, als das richtige Sprachrohr in diesen Fragen der Jugenderziehung stellt fest, daß für junge Menschen von achtzehn bis einundzwanzig Jahren - daher die Heraufsetzung der Fürsorgeerziehungsmöglichkeiten - im Jugendwohlfahrtsgesetz die Möglichkeiten gegeben sein müssen, diese junge Menschen erziehlich zu beeinflussen. Ich weiß nicht, ob Sie die Einrichtungen und Anstalten kennen, die für die Erwachsenenerziehung - so möchte ich es einmal nennen - heute gegeben sind. Ich möchte keine Namen nennen, aber ich hoffe, daß die Einrichtungen bekannt sind. Mir graut davor, wenn ich achtzehn- bzw. zwanzigjährige junge Menschen in diese heute vorhandenen Einrichtungen hineingeben soll, um sie dort pädagogisch beeinflussen zu lassen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Memmel.

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin, sind Sie nach dem gestrigen und heutigen Auftakt in puncto Bundessozialhilfegesetz fest davon überzeugt, daß diese Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz noch durchkommt, und werden Sie mit Ihrer Fration dafür sorgen, daß sie noch durchkommt? Das wäre meine Zwischenfrage an Sie.

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Darf ich jetzt etwas darauf erwidern?

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Frau Abgeordnete Eilers, ich erteile Ihnen gern nachher das Wort, bitte aber jetzt erst Frau Kollegin Niggemeyer, zu sprechen.

Maria Niggemeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001613, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bitte doch, keine Begriffe zu verwirren, Frau Eilers! Sie als Fürsorgerin wissen doch genau: wenn in der Novelle zum RJWG durchkommt, daß das Alter für die Fürsorgeerziehung von 18 auf 21 heraufgesetzt wird, wird selbstverständlich bei allen Maßnahmen für gefährdete Jugendliche dieses Gesetz angewandt werden. Aber Sie wissen auch, Frau Eilers, daß im Augenblick die Gerichte nicht geneigt sind, bei gefährdeten verwahrlosten Jugendlichen über 18 Jahre hinaus überhaupt noch Fürsorgeerziehung zu verhängen. Es war immer ganz schwer. Ich habe eine jahrzehntelange Praxis, Frau Eilers, und weiß, wie die Dinge sind. Ich möchte aber auch noch vor etwas anderem warnen. Ich möchte davor warnen, in diesem Hause ein so grundlegendes Urteil über Erziehungsanstalten zu fällen, wie Sie es getan haben. ({0}) Es würde mir eine Freude sein, Frau Eilers, Ihnen Einrichtungen vorzuführen, die vorbildlich und musterhaft sind, so daß jeder, der ein gefährdetes Kind hat, es gern in diese Einrichtungen schicken wird. Das bezieht sich nicht nur auf das Äußerliche, sondern auch auf die gesamte Gestaltung des Lebens und auf die Fähigkeiten der Erzieher. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Frau Abgeordnete Eilers! Sprechen Sie bitte von hier oben, damit das ganze Haus Sie verstehen kann!

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Niggemeyer, ich stehe selber in der Arbeit und kenne die Einrichtungen. Ich kenne gute Erziehungsheime. Ich kenne leider zur Zeit wenige gute Arbeitseinrichtungen. Ich hoffe, daß mit diesem Gesetz die Möglichkeit zur Schaffung weiterer gegeben wird. Trotzdem weiß ich nicht, ob ich junge Menschen hineingeben würde. Daher wäre ich gern bereit, Ihre Einladung anzunehmen, gute Einrichtungen zu besuchen, die Sie mir zeigen wollen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich zu melden, wenn Sie das Wort zu nehmen wünschen. - Es meldet sich niemand mehr. Wir kommen zur Abstimmung; zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD, Umdruck 872 Ziffer 5. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über § 68 in der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Wir kommen zu § 69 und zu den Anträgen Umdruck 872 Ziffern 6 und 7. Frau Abgeordnete Eilers!

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte die Anträge der Fraktion der SPD auf Umdruck 872 Ziffer 6 Buchstaben a bis d und Ziffer 7 a zusammen begründen, erstens weil sie in einem inneren Zusammenhang stehen, zum anderen auch, um dem Hohen Hause Zeit zu ersparen. Abgesehen von den verfassungsrechtlichen Bedenken möchte ich mir erlauben, zu § 69 fachliche Bedenken zu äußern. Ohne Absicherung sind die dort aufgeführten Begriffe der Willensschwäche, Triebhaftigkeit und Verwahrlosung, die zu einer Einweisung führen können, für einen Arzt, Gutachter oder auch für einen Richter zu allgemein gehalten und zu schwer zu fassen. Ich halte es für notwendig, daß zu den Begriffen der Verwahrlosung, der Triebhaftigkeit und der Willensschwäche Tatsachen hinzukommen müssen, die die Annahme rechtfertigen, daß der Betroffene sich und andere gefährdet. Ohne die Beachtung solcher Tatsachen kann leicht die Gefahr einer zu subjektiven Beurteilung bei der Beantragung einer so schwerwiegenden Maßnahmen gegeben sein, und die Einweisung könnte dadurch zu unterschiedlich gehandhabt werden. Um diese Gefahr auszuschließen, beantragen wir, § 69 Abs. 2 mit den Ziffern 1, 2 und 3 und Abs. 3 Satz 1 die von uns in Umdruck 872 unter Ziffer 6 Buchstaben a bis d vorgeschlagene Fassung zu geben. Damit wollen wir dafür sorgen, daß diejenigen, die andere gefährden, nicht erst bei sich selbst eine Verwahrlosung haben eintreten lassen müssen, damit auch ihnen im Sinne dieses Paragraphen geholfen werden kann. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Niggemeyer.

Maria Niggemeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001613, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ein Kampf der Fürsorgerinnen! Frau Eilers, glauben Sie nicht, daß das Gericht, das einen Gefährdeten anweist, sich in einer Anstalt aufzuhalten, das also letztlich Freiheitsentziehung anordnet, von Tatsachen ausgehen wird, die die Maßnahme rechtfertigen? Man kann des Guten zuviel tun. Ich finde, unsere Formulierung genügt, um Mißbräuche zu verhüten. Das gleiche trifft auf Ihre Anträge unter den Buchstaben b, c und d der Ziffer 6 des Umdrucks 872 zu. Zu dem Buchstaben d muß ich sagen, daß ich nicht ganz verstehe, warum Sie unbedingt das Wort „und" eingefügt haben wollen. Ich kann darin keine Klarstellung erblicken. Meine Fraktion wird also, so leid es mir tut, daß wir gerade bei unserem Hauptanliegen, dem Einbau der Gefährdetenhilfe, nicht einig gehen können, die Anträge ablehnen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Memmel.

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier ist eben das Wort von einem Kampf der Fürsorgerinnen gefallen. Das war bei diesem Passus nicht richtig. Denn was hier beschlossen wird, das gilt nur für den Richter. Ich möchte voll unterstreichen, was Frau Niggemeyer gesagt hat: Man sollte den Richter nicht durch allzu starke Konkretisierung binden. Er wird bei der Anordnung von solchen Maßnahmen der Freiheitsentziehung ohnedies mit der notwendigen Sorgfalt verfahren und nach seinem Gewissen handeln. Ich halte also die von Ihnen, sehr verehrte Frau Kollegin Eilers, beantragte Formulierung für zu streng und zu starr. Danach bliebe dem richterlichen Ermessen kein Spielraum. Auch ich bitte also, die Anträge der SPD zu § 69 abzulehnen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck 872 Ziffer 6 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme zu Ziffer 7 des gleichen Umdrucks. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt. Wer § 69 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf die §§ 70, - 71, - ({0}) - Frau Abgeordnete Eilers!

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Ausführungen, die ich soeben gemacht habe, bezogen sich nur auf die Ziffern 6a bis d und 7a des Antrags Umdruck 872. Die Ziffern 7b und c habe ich noch nicht begründet.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Über die Ziffer 7 habe ich soeben abstimmen lassen; niemand hat getrennte Abstimmung verlangt.

Elfriede Eilers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000456, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich hatte in meiner Begründung gesagt, Herr Präsident - ich habe es vor mir liegen -, daß ich zu den Ziffern 6a bis d und 7 a spräche, da sie in einem inneren Zusammenhang ständen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Frau Abgeordnete, vorhin haben wir abgestimmt. Niemand hat gegen .die Abstimmung Protest eingelegt; ich kann das also nicht mehr ändern. Für jemanden, der nicht in der Fürsorge tätig ist, ist es ,schwierig, in der Diskussion jede Einzelheit mitzubekommen, wie Sie sie sicherlich vorgetragen haben. Als ich zur Abstimmung aufgerufen habe, hätten Sie sofort Ihren Protest einlegen müssen. Das ist nicht geschehen. Sie können ja in der dritten Beratung einen neuen Änderungsantrag einbringen; dann kann darüber noch einmal diskutiert werden. Wir kommen zu den §§ 70, - 71, - 72, - 73, -74, - 75 und 76. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist sobeschlossen. Ich rufe nun auf § 77 und dazu den Antrag Umdruck 872 Ziffer 8 und den Antrag Umdruck 894 Ziffern 1 und 2. Wer wünscht das Wort? - Wünscht niemand 'das Wort? ({0}) - Es wird nicht dazu gesprochen. Dann, meine Damen und Herren, darf ich gleich abstimmen lassen, zuerst über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 872 Ziffer 8. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; abgelehnt. Wir kommen dann zum Antrag Umdruck 894 Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Nunmehr Ziffer 2! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Wer nunmehr § 77 mit den beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um Idie Gegenprobe. - Angenommen. ({1}) - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. §§ 77 a, - 77 b, - 78, - 79, - 80, - 80 a, -81, - 82, - 83, - 84. - Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um .das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Wir kommen zu § 85 und dem Antrag Umdruck 872 Ziffer 9; es ist die Ziffer des letzten Antrags, über den noch nicht entschieden wurde. - Bitte, Herr Abgeordneter!

Friedrich Kraus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001201, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Auftrage meiner Fraktion den Antrag Umdruck 872 Ziffer 9 zu begründen. In § 85 Abs. 3 heißt es in der Regierungsvorlage, daß der „Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt und sein Ehegatte ... zum Ersatz der Kosten verpflichtet" sind, „soweit ihr monatliches Einkommen zusammen ,die Einkommengrenze nach § 77 übersteigt und ... soweit ihr Vermögen zusammen über dem Zwölffachen des Betrages der Einkommensgrenze nach § 77 liegt". Diese Bestimmung ist im Ausschuß sehr eingehend diskutiert worden. Die Mehrheit des Ausschusses war der Auffassung, daß hier das Sechsfache des Einkommensbetrages den beabsichtigten Schutz ausreichend gewähren würde. Der Ausschuß war ferner der Auffassung, daß nach § 81 Abs. 2 bestimmte Vermögen geschützt werden sollen, und weiter war er der Auffassung, daß auch nach § 81 Abs. 3 noch Vermögen geschützt werden sollen, wenn bestimmte Härten vermieden werden sollen. Ich darf nun auf § 81 Abs. 2 zurückkommen, wo unter den Nummern 1 bis 8 eine ganze Reihe von. Vermögen genannt sind, von deren Einsatz die Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden darf. Das betrifft u. a. § 81 Abs. 2 Nr. 5, also den Einsatz von Vermögen bei Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für den Hilfesuchenden oder seine Familie eine Härte bedeuten würde, oder unter Nr. 7 den Einsatz eines kleinen Hausgrundstücks, besonders eines Familienheims, wenn der Hilfesuchende das Hausgrundstück allein oder zusammen mit Angehörigen, denen es nach seinem Tode weiter als Wohnung dienen soll, ganz oder teilweise bewohnt. Meine Damen und Herren, wir sehen in den Bestimmungen des § 81 einen ganz besonderen Schutz des Vermögens, und der ist in § 85 Abs. 3 nicht gewährleistet. Dort ist nur von einem sechsfachen. Betrag die Rede. Das bedeutet, daß derjenige, der meinetwegen ein Vermögen von etwas über 3000 DM hat, zur Kostenerstattung für die Hilfe zum Lebensunterhalt herangezogen werden kann, während derjenige, der ein Eigenheim mit einem sehr viel größeren Wert besitzt, dieses Vermögen nicht einzusetzen braucht. Wir dürfen Sie bitten, an Stelle des sechsfachen den zwölffachen Betrag wieder einzusetzen. Sie beschließen damit nichts Zusätzliches, sondern durch einen derartigen Beschluß würde nur die Regierungsvorlage wiederhergestellt. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird hierzu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Maucher.

Eugen Maucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001443, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über diese Frage haben wir uns im Ausschuß einen ganzen Tag unterhalten. Man kann wirklich nicht sagen, daß die Dinge nicht eingehend geprüft worden sind. Ich muß vorausschicken und klar und eindeutig sagen: es handelt sich hier um eine Kostenerstattung. Dabei ist nicht etwa maßgebend, ob Sozialhilfe gewährt wird, wenn es notwendig ist, oder nicht. Das steht nach meiner Auffassung im Vordergrund. Nun kommt die Prüfung, ob und inwieweit Kosten von dem Vermögen erstattet werden sollen. Bei einer Prüfung der Fortschritte gegenüber dem bisherigen Stand und bei einer Betrachtung der Gesamtverhältnisse kann man sagen, daß mit diesem Gesetz in bezug auf die Kostenerstattung ein entscheidender Schritt in Neuland getan wird. Ich brauche dem nichts weiter hinzuzufügen und bin der Meinung, daß man es bei der Ausschußvorlage belassen sollte.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiterhin das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, von der Fraktion der SPD ist vorgeschlagen worden, bei § 85 absatzweise abzustimmen. Ich nehme an, daß diesem Vorschlag nicht widersprochen wird. Abs. 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; es ist só beschlossen. Abs. 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Bei Abs. 3 muß ich zuerst über den Änderungsantrag unter Ziffer 9 auf Umdruck 872 abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Abgelehnt. Abs. 3 der Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Abs. 4, Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Abs. 5, Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist so beschlossen. Abs. 6, Ausschußfassung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen beschlossen. Ich lasse abstimmen über § 85 als Ganzes. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen links und bei Gegenstimmen rechts beschlossen. § 86 ist bereits verabschiedet. Ich komme zu den §§ 87, - 88, - 89, - 90, -90 a, - 91. - Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ohne Gegenstimmen und Enthaltungen beschlossen. Ich rufe auf § 92 und dazu den Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 888 Ziffer 7. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Spitzmüller!

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Hier beantragen wir, daß auch die Gewährung der Leistungen nach § 65a Abs. 3, d. h. des Pflegegeldes von 100 DM im Monat, in die sachliche, also in die finanzielle Zuständigkeit des Landesfürsorgeverbandes heraufgezogen wird. Ich darf Ihre Aufmerksamkeit auf den Schriftlichen Bericht der Frau Abgeordneten Niggemeyer auf Drucksache 2673 lenken, in dem unter Ziffer 3 Buchstabe e) ausgeführt ist, daß mit dem § 65 a etwas Neues in das Gesetz eingeführt worden sei. Die Frau Berichterstatterin hat hier ausgeführt: Die Anzahl der hierdurch Begünstigten ist nicht bekannt. Der Ausschuß ist sich bewußt, daß durch die von ihm vorgeschlagene Regelung Mehraufwendungen entstehen, ,deren Höhe noch nicht zu übersehen ist. Wir sind der Meinung, daß man, wenn hier Aufwendungen entstehen, deren Ausmaß nicht zu übersehen ist, die finanziellen Auswirkungen nicht die unterste Ebene der Kreise und Städte treffen lassen, sondern daß man diese Auswirkungen auf die höhere Ebene des Landesfürsorgeverbandes heben sollte. Damit wird bei dieser neuen Art der Sozialhilfe ein besserer Ausgleich ermöglicht. Aus diesem Grunde bitten wir um Ihre Zustimmung.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Willeke.

Dr. Friedrich Wilhelm Willeke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002516, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine und Herren! An sich ist uns der Antrag außerordentlich sympathisch. Er scheint auch auf den ersten Blick berechtigt zu sein. Ich habe mich aber mit Fachleuten darüber unterhalten. In den Fällen, in denen der überörtliche Träger für die finanzielle Betreuung zuständig sein soll, müssen die Tatbestände klar sein. So ist z. B. beim Blindengeld ein vollkommen klarer Tatbestand gegeben. Hier beim Schwerbehinderten-Pflegegeld muß jedoch örtlich geprüft werden, ob beispielsweise die Familie in der Lage ist, diese Pflege zu stellen. Das ist ja die Voraussetzung für die Gewährung dieses von uns neu eingeführten Pflegegeldes. Vielleicht wird örtlich klargestellt, daß die Familie einen solchen Pfleger gar nicht stellen kann. Dann muß unter Umständen der Sozialhilfeträger - oder wem die Betreuung obliegt - selbst eine Hilfe stellen. Dadurch entstehen Mehrkosten. Wenn für die Gewährung des Pflegegeldes der überörtliche Träger zuständig sein soll, müssen also eventuell die Kosten gespalten werden. Wegen dieser technischen Schwierigkeiten meinen wir, es ist richtiger, die Sache erst einmal so anlaufen zu lassen, wie es in der Regierungsvorlage vorgesehen ist. Meine Fraktion wird daher dem Antrag der FDP nicht zustimmen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Könen!

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen unseres Kollegen Dr. Willeke zwingen mich dazu, ein Wort zu sagen. Die Begründung, die Sie gegeben haben, Herr Dr. Willeke, sticht nicht. Das Bundessozialhilfegesetz betrifft noch eine Menge anderer Fälle, die auf Grund ihrer Natur örtlich gesehen, geprüft und eventuell entschieden werden müssen und in denen die Leistungen trotzdem vom überörtlichen Träger angewiesen werden und zu tragen sind. Das kann man hier ganz genauso machen. Ihre Begründung, die darauf hinausläuft, daß hier ein großer Verwaltungswirrwarr entstehen würde, trifft, glaube ich, nicht zu. Aus den sachlichen Gründen, die der Kollege Spitzmüller angeführt hat, sollte man, meine ich, dem Antrag zustimmen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Ich komme zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 888 Ziffer 7 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wer dem § 92 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit beschlossen. Ich rufe auf § 93 und § 94. - Das Wort wird nicht begehrt. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen; angenommen. Ich rufe auf § 95 mit dem Antrag Umdruck 888 Ziffer 8. Herr Abgeordneter Spitzmüller!

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Diesen Antrag mußten wir stellen, nachdem leider die Ankündigung des Herrn Bundeskanzlers in der Regierungserklärung vom 29. Oktober 1957, daß das Finanzministerium durch die Finanzreform außerordentlich in Anspruch genommen werden würde, nicht verwirklicht wurde; die Finanzreform wurde nicht durchgeführt. Hier sind nun die Steuereinkünfte tatsächlich nicht mehr gerecht verteilt. Man kann sich fragen: Wie kommt der Bund dazu, in einem Fürsorgegesetz Verpflichtungen des Bundes festzulegen? Man kann sagen, das sei ein Systembruch. Aber in demselben Gesetz, das uns vorliegt, ist eine Bestimmung über die Tragung der Hälfte der Kosten durch den Bund bereits enthalten, nämlich in § 63. Dort ist festgelegt, daß der Bund die Hälfte der Kosten für die Tbc-Asylierung übernimmt. Hier ist also ein Bruch. Nun kann man sagen, dort handle es sich ja um eine Maßnahme der Seuchenbekämpfung. Dann aber hat die ganze Tbc-Hilfe in dem Fürsorgegesetz nichts mehr zu suchen. Dann ist es eben in erster Linie ein Seuchenbekämpfungsgesetz und hat mit der Fürsorge nur ganz am Rande etwas zu tun. Deshalb können wir also in diesem unserem Antrag keinen Systembruch sehen. Wir setzen nur das fort, was in § 63 auf yorSpitzmüller schlag der Bundesregierung durch dieses Hohe Haus bereits beschlossen ist. Da gar keine Aussichten bestehen, daß die kommunale Finanzreform in Bälde kommt, geht es nicht an, daß wir den Gemeinden immer mehr Einkünfte wegnehmen und ihnen immer mehr Aufgaben auflasten. Fast jedes Gesetz, das hier oder in den Landtagen beschlossen wird, trifft die Gemeinden mindestens mit zusätzlichen Verwaltungsaufgaben. Wir sollten uns deshalb davor hüten, hier ein neues Bundessozialhilfegesetz zu machen und den Gemeinden damit zusätzliche Lasten aufzubürden, ohne uns unserer kommunalpolitischen Verpflichtung und Verantwortung bewußt zu werden. Der Bund trägt die Verantwortung für dieses Gesetz. Also sollte er auch etwas finanzielle Mitverantwortung übernehmen und sie nicht so großzügig auf die Länder und auf die Gemeinden und Kreise abwälzen. Denken wir nur einmal daran, welche Opfer gerade der Bundestag den Gemeinden in den letzten zehn Jahren an Steuerausfällen schon zugemutet hat! Wir sind der Meinung, daß dieser Antrag gerechtfertigt ist. Denn er gibt uns ,die Möglichkeit, in Bonn nicht nur schöne Gesetze zu machen, die bei den Betroffenen gut ankommen, sondern auch die finanziellen Folgen dieser Gesetzeswohltaten selber mit zu tragen. Angesichts der kommunalpolitischen Verantwortung, die auch der Deutsche Bundestag hat, bitten wir um Ihre Zustimmung. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen.

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß ein verfassungsrechtliches Argument gegen den Antrag vortragen. Der Hinweis auf die Kostenbeteiligung des Bundes bei der Tuberkulose-Hilfe zieht hier nicht. Denn sie ist in der Tat, wie schon ausgeführt wurde, im wesentlichen aus Gründen der Seuchenbekämpfung vorgesehen. Im übrigen müssen wir auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Fernsehstreit in seinen tragenden Grundgedanken beachten. Gerade dieses Urteil hat erneut unterstrichen, daß eine Beteiligung des Bundes an den Kosten anderer Aufgabenträger, sowohl an denen der Länder, wie an denen der Gemeinden, grundsätzlich nicht der verfassungsrechtlichen Aufgabenzuordnung entspricht.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Willeke. ({0}) - Verzichtet. Wird das Wort sonst noch gewünscht? - Herr Abgeordneter Jacobi!

Werner Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001000, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der unselige Fernsehstreit und das Karlsruher Urteil sind hier mit gemischten Gefühlen aufgenommen worden. Es ist aber nicht uninteressant, daß von seiten der Regierung und von Ihrer Seite, meine Damen und Herren, dieses Urteil immer dann gern zitiert wird, wenn Sie veranlaßt werden, Ausgaben zu Lasten des Bundes zu vertreten. Ich verstehe das. Ich muß aber dem Herrn Staatssekretär entgegenhalten, daß nach einen wiederum grundsätzlichen Ausführungen es notwendig erscheint, einmal die Frage zu prüfen, ob nicht eine Durchforstung vieler Bestimmungen notwendig wäre. Wir haben nämlich in einer Reihe ähnlicher Fälle durchaus solche Regelungen getroffen, wie sie der FDP-Antrag verlangt. Heute nachmittag steht z. B. bei der Beratung einer Novelle zum Zweiten Wohnungsbaugesetz auch eine Regelung an, bei der den Ländern Ausgaben erstattet werden. Es gibt Viele ähnliche Fälle. Wir halten von flüchtig hingeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht sehr viel; wir meinen, man muß das sorgfältiger prüfen. Wir werden schließlich, so glaube ich, 'doch nicht daran vorbeikommen, Regelungen wie die hier begehrte zu treffen. Die Sachzusammenhänge und die Finanzverantwortung, die der Gesetzgeber den verschiedensten Instanzen auferlegt, erfordern eine Regelung über kurz oder lang. Wir werden dem FDP-Antrag zustimmen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FDP Umdruck 888 Ziffer 8. Wer der beantragten Einfügung eines neuen § 95 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Eine weitere Abstimmung erübrigt sich, weil nach dem Ausschußbeschluß § 95 entfällt. Ich rufe auf die §§ 96, - 97, - 98, - 99, - 100, - 101, - 102, - 103, - 104, - 105, - 106, -107, -108,- 109,-110,-111,-112,-113,114, - 115, - 116. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Die aufgerufenen Paragraphen sind einstimmig beschlossen. Ich komme zu § 117 und dem Änderungsantrag Umdruck 888 Ziffern 9, 10, 11 und 12. Wer wünscht das Wort? - Bitte, Herr Abgeordneter Spitzmüller!

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ganz kurz: Es handelt sich darum, daß die Ärzte nicht die Pflicht haben, sondern die Aufgabe, dies zu tun. Es ist eine Klarstellung im Text, die im Interesse einer besseren Anwendung des Gesetzes liegt. - Ich bitte, unseren Änderungsanträgen zuzustimmen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Könen hat das Wort.

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! So kurz die Erklärung des Kollegen Spitzmüller war, so falsch war sie auch. Herr Kollege Spitzmüller, es ist eben nicht eine Klarstellung. Wenn Sie in dem angezogenen Abschnitt immer davon reden, daß die Ärzte „die Aufgabe haben", und wenn Sie davon reden, daß das Wort "das Recht" eingefügt werden muß, dann stellen Sie nicht etwas klar, sondern dann stellen Sie etwas auf den Kopf. Wir werden gegen den Antrag stimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Frau Abgeordnete Pannhoff.

Dr. Maria Pannhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001675, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die unter den Ziffern 9, 10, 11 und 12 auf Umdruck 888 gestellten Änderungsanträge entsprechen der Grundkonzeption unserer Partei, und ich bitte meine Parteifreunde, hier mitzustimmen. Wir bejahen sie.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Könen!

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin über die Bekanntgabe dieser Grundkonzeption meiner verehrten Kollegin und Kollegen aus dem Ausschuß für Kommunalpolitik und öffentliche Fürsorge einigermaßen überrascht. - Einigermaßen überrascht, Herr Dr. Willeke. Nun muß ich also doch etwas mehr sagen, Herr Spitzmüller, als ich gesagt habe. Meine Damen und Herren, ich will versuchen, die CDU davon zu überzeugen, daß das, was gerade behauptet worden ist, gar nicht ihre Grundkonzeption ist. Wir haben uns bereits bei der Beratung des Körperbehindertengesetzes und bei allem, was damit zusammenhängt, über die Stellung der Ärzte usw. sehr eingehend auseinandergesetzt. Wir waren dabei der Auffassung, daß auch die Ärzte verpflichtet sein müßten - ich erinnere an die große Debatte, die wir darüber gehabt haben -, das durchzuführen, was im Interesse der Menschen durchgeführt werden muß, denen hier Hilfe gewährt werden soll. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU-Fraktion, sich durch diese sogenannte Grundsatzerklärung nicht irre machen zu lassen. Es handelt sich hier darum, ein Prinzip nicht abändern zu lassen, das Sie vor kurzem mit in diesem Hohen Hause beschlossen haben.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag der FDP Umdruck 888 Ziffern 9 bis 12 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag der FDP ist angenommen. Wer § 117 in der so geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 117 ist in der geänderten Fassung angenommen. Zu § 118 liegt der Änderungsantrag der FDP Umdruck 888 Ziffern 13 und 14 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter Spitzmüller!

Kurt Spitzmüller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002202, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der Antrag unter Ziffer 13 wird zurückgezogen. Es wäre eine redaktionelle Richtigstellung gewesen. Wir legen aber nicht einen so starken Wert darauf. Zu Ziffer 14 darf ich bemerken, daß wir gerne das Wort „hauptamtlich" eingefügt haben möchten. Es ist nämlich Übung geworden, daß nach dem Körperbehindertengesetz in freier Praxis niedergelassene oder in Krankenanstalten tätige Ärzte zu Landesärzten berufen werden. Mit dieser Art der Berufung von Landesärzten hat man im Grunde genommen keine allzu guten Erfahrungen gemacht. Wir sind der Meinung, wenn man schon einen Landesarzt bestimmt und ihm ,den Titel gibt, dann sollte er auch ein Landesarzt sein. In Nordbaden - wenn ich das anführen darf - ist bei jedem Gesundheitsamt irgendein frei praktizierender Arzt zum Landesarzt bestimmt worden. Es kann aber nicht der Sinn dieser Bestimmung sein, 'daß bei jedem Gesundheitsamt irgendein frei praktizierender Arzt als Landesarzt bestimmt wird, ,der dann durch Abhalten von Sprechtagen die Bestimmungen dieses Gesetzes zu erfüllen versucht. Wir sind der Meinung, daß mit einem hauptamtlichen Landesarzt dem Sinn und dem Zweck des Gesetzes besser gedient ist. Wir bitten deshalb um Ihre Zustimmung.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 888 Ziffer 14 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Die Abstimmung muß wiederholt werden. Wer für den Änderungsantrag Umdruck 888 Ziffer 14 ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck 888 Ziffer 14 ist abgelehnt. Wir stimmen nun über § 1,18 in der ungeänderten Fassung des Ausschusses ab. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe -Enthaltungen? - Angenommen. Ich rufe ,auf die §§ 119 bis 131. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Der ,ganze Abschnitt 14 entfällt. Ich fahre fort mit dem Abschnitt 15 und rufe auf die §§ 133 bis 144. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer den aufgerufenen Paragraphen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Zu § 145 liegt der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Willeke, Frau Niggemeyer, Könen ({0}), Spitzmüller und Genossen, Umdruck 894, vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Willeke!

Dr. Friedrich Wilhelm Willeke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002516, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es handelt sich um einen interfraktionellen Antrag, der nur diese Form bekommen hat.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Interfraktioneller Antrag? Das enthebt die Herren Antragsteller der Notwendigkeit, den Antrag zu begründen. Das begrüße ich im Interesse der Arbeitslage. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 894 Ziffer 3 zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig. § 145 in der so geänderten Fassung! - Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen! Einleitung und Überschrift! - Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen! Wir kommen nun zur dritten Lesung. Allgemeine Aussprache! - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jahn ({0}).

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gestern den Versuch gemacht, das, was durch die Ablehnung des Antrages der FDP-Fraktion auf Überweisung an den Rechtsausschuß verhindert worden ist, wenigstens hier im Plenum noch anzubahnen, nämlich eine Klärung der ernsten verfassungsrechtlichen Bedenken, die wir gegen eine Reihe von Bestimmungen dieses Gesetzes im Hinblick auf Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes haben. Wir haben heute morgen zur Kenntnis genommen, daß Sie, meine Damen und Herren von der Mehrheitsfraktion dieses Hauses, nicht mehr bereit sind zu diskutieren. Das ist nicht nur eine bemerkenswerte liederliche Art der Auseinandersetzung und Verabschiedung von Gesetzen, ({0}) sondern das ist eine Entwürdigung des Parlaments, wie wir sie uns trauriger nicht vorstellen können. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter! Was 'haben Sie gesagt? Liederlich?

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liederlich.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Widerlich? Jahn ({0}) (({1}) : Liederlich.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort höre ich gar nicht gern. Ich würde dann einen etwas charmanteren, aber ebenso treffenden Ausdruck empfehlen. Zur Rüge reicht es jedoch nicht ganz! ({0}) - Nun also, beruhigen Sie sich! Fahren Sie fort!

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Diese Einwendungen ändern nichts daran, daß die verfassungsrechtlichen Bedenken wenigstens beim Abschluß der Beratung dieses Gesetzes hier noch einmal in aller Deutlichkeit genannt werden müssen. Herr Kollege Dr. Barzel hat versucht, in einer nicht sehr überzeugenden und auch nicht sehr tiefgehenden Bemerkung gestern hier darzutun, daß unsere Auffassung, mit diesen Bestimmungen werde an den Kern der Selbstverwaltung gerührt, nicht richtig sei. Ich halte dem noch einmal entgegen, daß nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das ich gestern hier zitiert habe, die Frage, was den Kern des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden berührt und was nicht, wesentlich danach zu beurteilen ist, was dem Herkommen, dem historischen Ursprung nach wesentliche, ursprüngliche Aufgabe der Gemeinde ist. Ich stelle noch einmal fest: die Fürsorge, die Sozialhilfe ist eine der wesentlichsten Aufgaben der gemeindlichen Selbstverwaltung seit Jahrhunderten. ({0}) Diese Aufgabe der Gemeinden wollen Sie einschränken, obwohl dazu nicht der mindeste Anlaß besteht. Das Bundesverfassungsgericht hat auch ausdrücklich gesagt, wann und unter welchen Voraussetzungen es möglich ist, die gemeindliche Selbstverwaltung überhaupt einzugrenzen. Das Bundesverfassungsgericht hat erklärt, daß beim Vorliegen eines besonderen Notstandes ausnahmsweise unter ganz einschränkenden Bedingungen in die gemeindliche Selbstverwaltung eingegriffen werden kann. Ich frage Sie: Wo liegt hier bei den Fragen, die es zu regeln gilt, ein Notstand vor, der so weitgehende Eingriffe in die gemeindliche Selbstverwaltung rechtfertigt, wie Sie sie beabsichtigen? Von einem Notstand kann überhaupt keine Rede sein. Das, was auf dem Gebiete der Fürsorge, der Sozialhilfe im Rahmen der gemeindlichen Selbstverwaltung heute geschieht, funktioniert nicht nur einigermaßen, sondern klappt zur Zufriedenheit aller Beteiligten großartig. ({1}) Sie versuchen hier, das genaue Gegenteil herbeizuführen. Das, was Herr Kollege Eilers heute morgen dazu gesagt hat, halte ich für durchaus überzeugend. Wir können Sie nur sehr eindringlich bitten: gehen Sie über diese verfassungsrechtlichen Bedenken nicht hinweg! Die Frage, ob das, was Sie hier Jahn ({2}) beschließen, verfassungsgemäß ist, werden Sie durch Mehrheitsbeschlüsse nicht entscheiden. ({3}) Sie wissen, daß, wenn Sie bei Ihren Entscheidungen, die Sie in der zweiten Lesung des Gesetzes getroffen haben, bleiben, der Weg zum Bundesverfassungsgericht absolut sicher ist. ({4}) Ich glaube, es ist eine sehr traurige Feststellung, noch während der Beratung eines Gesetzes hier sagen zu müssen, daß es mit Sicherheit beim Bundesverfassungsgericht landen wird. ({5}) Ich halte es für beschämend für unser Haus, daß Verfassungsfragen in dieser Weise behandelt und abgetan werden. ({6}) Ich habe gestern in der Geschäftsordnungsdebatte die Frage aufgeworfen, ob Sie tatsächlich Verfassungsfragen als Machtfragen behandeln wollen. Nach der zweiten Lesung, glaube ich, kann man diese Frage nur noch mit einem klaren Ja beantworten. Das ist mehr als bedauerlich. Für Sie geht es nicht um die Frage der rechtlichen Nachprüfung, sondern für Sie geht es lediglich darum, Ihre Auffassung mit der Mehrheit, über die Sie verfügen, durchzusetzen. Sie irren sich nur, wenn Sie glauben, daß Sie damit die Rechtsfragen lösen können. Die Verantwortung dafür, wie Sie damit unser Haus abwerten, tragen Sie, meine Damen und Herren. Meine Fraktion wird dabei nicht mitmachen. ({7})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Abgeordneter Könen.

Willy Könen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001156, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns überlegt, ob wir in der dritten Lesung die uns als ganz besonders wichtig erscheinenden Anträge noch einmal vorlegen sollten. Ich kann . mich zu meinem Bedauern hinsichtlich des Verfahrens, das bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs vor sich geht, nur der Betrachtungsweise meines Kollegen Jahn anschließen. Wir legen Ihnen also diese Anträge in der dritten Lesung deshalb nicht mehr vor, weil wir davon überzeugt sind, daß Sie, komme, was kommen will, in Abwandlung der berühmten Bemerkung vom „Sachverstand" hier nach anderen Gesichtspunkten entscheiden werden. Wir bedauern das außerordentlich bei einem Gesetz, von dem die Fachwelt gehofft hat, daß dieses Hohe Haus es einmütig verabschieden würde, wie es für die Arbeit draußen auch wesentlich besser wäre. Dieses Gesetz, so wie Sie es jetzt in der dritten Lesung verabschieden werden, wird zur Folge haben, daß ein Streit zwischen Verbänden und Gemeinden auf dem Buckel des Hilfsbedürftigen ausgetragen werden wird. Das wird dabei herauskommen. ({0}) - Herr Dr. Willeke, rufen Sie meinen Namen nicht so beschwörend. Im Ausschuß hat man uns erklärt - ich wollte eigentlich auf Einzelheiten nicht mehr eingehen; aber weil Sie mir so beschwörend meinen Namen zurufen, muß ich es doch tun -, daß z. B. in § 10 Abs. 5, wo von der Einzelhilfe die Rede ist, der Rechtsanspruch des Hilfeempfängers nicht so hundertprozentig abgesichert ist und daß ihm das eigentlich auf Grund bestehender Gesetze und Verpflichtungen vom Amtsleiter oder einem anderen Beamten des Sozialamtes gesagt werden muß. Warten wir diese Dinge doch einmal ab. Sie exerzieren uns hier etwas vor, meine Damen und Herren, was wir aus der fachlichen und aus der politischen Sicht außerordentlich bedauern müssen und wogegen wir uns wehren. Aber ich habe nicht die Absicht, auf diese Dinge noch einmal einzugehen: Wahlrecht, Rechtsanspruch und was alles dazu gehört. Wir haben uns lange genug darüber unterhalten. Wir wollen keine Anträge mehr stellen. Wir wollen Ihnen in der dritten Lesung nur sagen, was wir am Schluß einer solchen Beratung zu sagen haben. Wir wissen auch, daß Sie wahrscheinlich, wie das gestern schon angeklungen ist, den Leuten draußen erzählen werden: Diese bösen Sozialdemokraten wollen die Mittel für die freie Wohlfahrtspflege sperren! Meine Damen und Herren, das dürfen Sie selbst dann nicht behaupten, wenn Sie bei der Auswahl unter den drei Wahrheiten des Herrn Bundeskanzlers nur die kleinste nehmen. ({1}) Selbst dann dürften Sie das noch nicht behaupten! Wir werden ja sehen, was dabei herauskommt. In monatelanger Arbeit hat der zuständige Bundestagsausschuß für Kommunalpolitik und öffentliche Fürsorge diesen Gesetzentwurf beraten und sich seine Arbeit nicht leicht gemacht. Die SPD-Fraktion hat dabei durch ihre Mitglieder tatkräftig mitgewirkt. Sie ist mit Recht stolz darauf, daß manches, was auf der Leistungsseite dieses Gesetzentwurfs zu finden ist, ihrer Mitarbeit zu verdanken ist. Die SPD-Fraktion ist sich dessen bewußt, daß ein modernes Fürsorgerecht dringend erforderlich ist, wie sie es auch seit langem gefordert hat. Desto bedauerlicher ist es, daß der Gesetzentwurf entgegen der ursprünglichen Planung des Bundesinnenministeriums in einer entscheidenden, weit über den Rahmen eines Fachgesetzes hinausgehenden Frage Bestimmungen enthält, deren Annahme der sozialdemokratischen Fraktion unmöglich ist. Die Regelung des Gesetzes über das Verhältnis der freien Wohlfahrtspflege zu den Trägern der Sozialhilfe, also zu den Gemeinden, natürlich auch zu den Gemeindeverbänden, bedeutet erstens den Versuch, ein in seiner Auslegung selbst von seinen Verfechtern umstrittenes überspitztes, einzeitiges Prinzip, das man fälschlicherweise Subsidiaritätsprinzip nennt, für alle Menschen in der Bundesrepublik zur Richtschnur zu machen, und zweitens, die Gemeinden, die zum Segen für die Hilfsbedürftigen jahrhundertelang in eigener Verantwortung Sozialarbeit leisteten, zu Zahlmeistern und Lückenbüßern herabzuwürdigen, verbunden mit einer Kränkung der Rohde vielen tüchtigen Fachkräfte, die in den Gemeinden tätig sind. ({2}) - Ich wünsche, Sie hätten recht, Herr Rasner. Daran ändert auch das Wahlrecht des Hilfesuchenden nichts. Sein Wahlrecht und der Rechtsanspruch auf bestimmte Leistungen stehen in Widerspruch zu den Festlegungen der §§ 10 und 86. Vielleicht glauben Sie das, Herr Rasner. ({3}) - Das vermutete ich. Die Tatsache, daß die Verantwortung für die Durchführung des Gesetzes bei den Gemeinden und den überörtlichen Trägern der Sozialhilfe verbleibt, bedeutet die Notwendigkeit von Kontrollen in einem solchen Ausmaß, daß die Selbständigkeit der Wohlfahrtsverbände gefährdet ist. Ich mache bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam, daß im Ausschuß von der CDU ausdrücklich erklärt worden ist: Selbstverständlich müssen diese Kontrollmaßnahmen durchgeführt werden. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einschränkung der Selbstverwaltung der Gemeinden wurden leichtfertig zur Seite geschoben. Nachdem das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hauses mangelndes bundesfreundliches Verhalten gegenüber den Ländern vorgeworfen hat, wollen sich die Bundesregierung und die Mehrheit dieses Hauses offensichtlich bescheinigen lassen, daß sie unter Mißachtung des Art. 28 'des Grundgesetzes mangelndes gemeindefreundliches Verhalten üben. Die Mehrheit dieses Hauses hat es abgelehnt, es bei der bisherigen vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen den Wohlfahrtsverbänden und den Gemeinden zu belassen. Sie ist bereit, künftig eine schwere Störung dieser Zusammenarbeit auf sich zu nehmen. Sie hat aus der einmütigen Ablehnung der §§ 10 und 86 durch die Ländersozialminister, durch die kommunalen Spitzenverbände und die gesamte Fachwelt keine Folgerungen gezogen. Sie hat es unbeachtet gelassen, daß die Einmütigkeit zwischen Menschen verschiedener weltanschaulicher und parteipolitischer Auffassung besteht. ({4}) Die Mehrheit dieses Hauses scheint entschlossen zu sein, in diesem Gesetz gesellschaftspolitische Entwicklungen anzubahnen, die nicht nur dem Buchstaben, sondern auch dem Geist ides Grundgesetzes widersprechen. ({5}) - Was zu beweisen ist, Herr Dr. Willecke. Wir warnen eindringlich davor, diesen Schritt mitzumachen. Aus ihrer politischen Verantwortung heraus muß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dieses Gesetz ablehnen. Unsere Mitarbeit am Körperbehindertengesetz und Tuberkulasehilfegesetz, die beide in das Bundessozialhilfegesetz eingearbeitet wurden und maßgeblich von uns beeinflußt und mitbeschlossen wurden, zeigen unsere positive Haltung zur Schaffung eines den heutigen Zeiten entsprechenden Sozialhilferechts. Die wertvolle Arbeit der freien Wohlfahrstpflege und der darin tätigen Menschen wird von uns bejaht. Auch ohne die von uns abgelehnten Bestimmungen wäre sie in Zukunft gesichert gewesen und hätte ausgebaut werden können. Unsere Entscheidung richtet sich nicht gegen sie, sondern gegen die Absicht, einseitigen und rückschrittlichen Machtansprüchen zum Durchbruch zu verhelfen. ({6})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Even.

Dr. Bert Even (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000501, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte ursprünglich geglaubt, daß das Gespenst der Verfassungswidrigkeit einiger Bestimmungen dieses Gesetzes über Nacht verflogen wäre, nachdem es gestern abend von dem Herrn Kollegen Jahn hier heraufbeschworen worden war. Da die Ausführungen des Kollegen Jahn nach unserer Auffassung bereits in sich unschlüssig waren und ihm der Nachweis nicht in geringster Weise gelungen ist, daß die §§ 10 und 86 dieses Gesetzes nicht verfassungskonform seien, und vor allem auch den zutreffenden Ausführungen meines Kollegen Dr. Barzel keine überzeugende Gegenargumentation entgegengestellt worden war, hielten wir es nicht für notwendig, noch näher darauf einzugehen. Nachdem aber nun Herr Kollege Jahn auch in der dritten Lesung an seinen verfassungsrechtlichen Bedenken festgehalten hat, können wir nicht umhin, zu dieser Frage noch einmal Stellung zu nehmen. Ich glaube zunächst sagen zu müssen, daß ich es nicht für einen guten Stil der parlamentarischen Auseinandersetzung halte, wenn man jede sich bietende Gelegenheit wahrnimmt, an die Stelle einer politischen Meinungsbildung verfassungsjuristische Debatten zu setzen, ({0}) das um so mehr, wenn es sich um die Aufstellung von Thesen handelt, die bei näherer Sicht in sich zusammenfallen. Lassen Sie mich dazu ein paar Bemerkungen machen. Im wesentlichen hat sich Herr Kollege Jahn auf zwei Thesen gestützt, mit denen er darzutun versuchte, daß der Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes verletzt sei, in dem es heißt, daß den Gemeinden das Recht gewährleistet sein müsse, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Seine erste These war die Behauptung, daß die Sozialhilfe nach dem Herkommen ein uraltes eigenes Recht der Gemeinde sei; seine zweite These war, es bedeute einen Eingriff in die Finanzhoheit der Gemeinden, wenn ihnen eine gewisse Subventionspflicht unter bestimmten Voraussetzungen auferlegt werde. Beide Thesen sind nicht haltbar. Dr. Even ({1}) Zunächst zu der Frage der eigenverantwortlichen Regelung der Selbstverwaltung in den Gemeinden! Ausdrücklich hebt zunächst Art. 28 Abs. 2 hervor, daß diese nur im Rahmen der Gesetze zu erfolgen habe. Der gemeindlichen Selbstverwaltung sind also von vornherein die Schranken der Gesetze, der Landesgesetze wie auch der Bundesgesetze, vorgegeben. Im Grunde kann das Herr Kollege Jahn auch nicht bestreiten. Er sagt nun: Das gilt aber nicht in dem Fall, wo (der Wesenskern der gemeindlichen Selbstverwaltung getroffen würde. Er hätte daher nachweisen müssen, daß in diesem Gesetz der Wesenskern der gemeindlichen Selbstverwaltung verletzt wird. Dieser Nachweis ist ihm nicht gelungen. Gerade das Urteil des Bundesverfassungsgerichts - im ersten Band -, das er angezogen hat, spricht gegen ihn. Darin ist nämlich davon die Rede, daß die Gesetze nicht so weit gehen dürfen, daß die gemeindliche Selbstverwaltung innerlich ausgehöhlt und zu einem Scheindasein verurteilt würde. Vernünftigerweise läßt sich einfach nicht die Behauptung aufrechterhalten, daß durch die Bestimmungen der §§ 10 und 86 die Gemeinden zu einem solchen Scheindasein degradiert würden, ({2}) Das gilt um so mehr, als ,die Behauptung des Herrn Kollegen Jahn, nach Geschichte, Tradition und Herkommen sei hier ein ureigener Bereich der Gemeinden getroffen, einfach nicht richtig ist. Im Gegenteil, nach Geschichte, nach Recht und Praxis ist das gerade nicht der Fall. ({3}) Zunächst einmal muß darauf hingewiesen werden, daß lange, bevor es auf deutschem Boden Gemeinden und Staat im heutigen Sinne des Wortes gab, bereits die freie, vor allem die kirchliche Wohlfahrtspflege vorhanden war. ({4}) Zweitens ist nicht richtig, daß die Sozialhilfe eine Domäne der örtlichen Gemeinschaft ist, von der Art. 28 spricht. Denn sogar in dem Gesetzentwurf, der uns vorliegt - ich bitte, die §§ 9 und 89 Abs. 2 zu lesen, denen Sie, meine Damen und Herren von der Linken, zugestimmt haben -, ist ausdrücklich von überörtlichen Trägern der Sozialhilfe die Rede, und in § 89 Abs. 2 heißt es sogar, daß die Landesregierungen diese überörtlichen Träger bestimmen können. Es kann also gar keine Rede davon sein, daß es eine ureigene Domäne der kommunalen Selbstverwaltung sei, in die hier eingegriffen werde. Drittens. Wenn wir die Verfassungswirklichkeit in Betracht ziehen, kann nicht übersehen werden, daß heute bereits ein großer Prozentsatz der Sozialhilfe losgelöst von der öffentlichen Sozialhilfe erfolgt, daß in der Verfassungspraxis weitgehend die freie Wohlfahrtspflege überwiegt. ({5}) Infogedessen kann nicht die Rede davon sein, ein ureigenes Recht der Gemeinde sei in seiner Kernsubstanz berührt worden. Das gilt um so mehr, wenn Sie bedenken, daß das Bundesverfassungsgericht sogar die Personalhoheit, die sicherlich zur Kernsubstanz gehören könnte, als einschränkbar bezeichnet hat. Das ist das Beispiel des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes. Ich erinnere Sie neben dem Baurecht an große Bereiche des Schul- und Polizeiwesens, die auch der gemeindlichen Selbstverwaltung entrissen worden sind, ohne daß jemand auf den Gedanken gekommen wäre, dadurch seien die Gemeinden zu einem Scheindasein verurteilt worden. Ein Weiteres! Die Gemeinde bleibt nach dem Gesetzentwurf zuständig für die Bereiche der Sozialhilfe. ({6}) Es wird ihr keine Kompetenz entzogen, sondern es wird lediglich das Verhältnis der öffentlichen Sozialhilfe zur freien Wohlfahrtspflege geregelt. Nach § 10 Abs. 4 und § 86 Abs. 1 entscheidet der Rat der Gemeinde nach pflichtgemäßem Ermessen. ({7}) Kein Mensch will dem Rat der Gemeinde dieses Recht entziehen. Es liegt in seiner Entschlußfreiheit, ob er die Voraussetzungen als gegeben annimmt oder nicht. Infolgedessen kann hier auch von einer Aushöhlung nicht die Rede sein. Lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zum Eingriff in die Finanzautonomie, zum angeblich unzulässigen Eingriff in das Haushaltsrecht der Kommunen machen. Zunächst einmal muß wiederholt werden, daß ein Rechtsanspruch für die freien Wohlfahrtsverbände nicht begründet wird und daß die Grenze der Leistungsfähigkeit der Gemeinden klar erhalten bleibt. Vor allen Dingen aber müssen Sie berücksichtigen, daß mit dem Vollzug aller Gesetze, die von den Gemeinden ausgeführt werden, begrifflich-notwendig das Erfordernis der Bereitstellung gewisser Mittel verbunden ist. Es ist überhaupt nicht denkbar, daß ein Gesetz durch die Gemeinde vollzogen wird, ohne daß der Gemeinde dadurch in irgendeiner Form finanzielle Belastungen durch personelle Aufwendungen oder Sachleistungen entstehen. Hier sind es nun einmal Sach- bzw. Geldleistungen, die im einzelnen Fall zu erbringen sind. Es ist aber bisher niemand auf den Gedanken gekommen, den Vollzug der Gesetze deshalb, weil er für die Gemeinde mit finanziellen Aufwendungen verbunden ist, als einen Eingriff in die Kernsubstanz der gemeindlichen Hoheit zu bezeichnen. Infogedessen findet die Auffassung, die Herr Kollege Jahn vertreten hat, auch in diesem Punkt keine Stütze im Grundgesetz. Im Gegenteil, wenn man dieser Betrachtungsweise folgte, würde man praktisch zu einer totalen Aushöhlung der gesetzlichen Bestimmungen kommen, die besagen, daß die Gemeinden und die Länder die Gesetze des Bundes zu vollziehen haben. Es ist gestern bereits darauf hingewiesen worden, daß diese Rechtsfragen nicht erst jetzt in die Debatte geworfen worden sind, daß vielmehr die Bundesregierung, der Bundesrat, die Arbeitskreise der Fraktionen und die beteiligten Ausschüsse sich bereits sehr häufig und sehr intensiv mit diesen Fragen befaßt haben. Ich weise noch einmal darauf hin, Dr. Even ({8}) daß insbesondere der Bundesrat keine Bedenken in diesen Fragen erhoben hat. Ich bin daher der Meinung, daß hier eine Rechtsfrage künstlich dramatisiert worden ist, ({9}) um einer klaren politischen Entscheidung ,aus dem Wege zu gehen oder sie zu übertünchen. ({10}) In Wahrheit geht es hier um den Kampf zweier politischer Ordnungsbilder. ({11}) Wir gehen von dem Leitbild einer freiheitlichen Gesellschaft aus, ({12}) in der der Staat nur dort eingreift, wo es erforderlich ist, und in der der Staat sich glücklich schätzt, wenn ihm aufopfernde Arbeit freier Wohlfahrtsverbände Lasten abnimmt. Dieses Leitbild ist es, das wir vertreten, und aus diesem Ordnungsbild einer freiheitlichen Gesellschaft heraus bejahen wir dieses Gesetz. Diese politische Frage muß hier und heute entschieden werden. Wir bekennen uns zum Vorrang der freien Initiative auch auf dem Gebiet der Sozialhilfe. ({13})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Jahn.

Gerhard Jahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001012, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich freue mich zunächst einmal feststellen zu können, daß der Herr Kollege Even, wenn auch recht spät, entdeckt hat, daß es vielleicht ganz nützlich ist, diese Verfassungfragen etwas ernster zu nehmen. Wir hätten gewünscht, daß diese Debatte, die in ,dem gegenwärtigen Stadium der Beratung nicht mehr sehr tiefgehend geführt werden kann, gründlicher geführt worden wäre. Aber immerhin ist aus der Verschwörung des Schweigens so ganz nichts geworden. ({0}) Der Kollege Even hat hier den angeblich schlechten Stil beklagt und gesagt, daß man jede Gelegenheit politischer Meinungsbildung benutze, statt dessen mit verfassungsrechtlichen Bedenken zu kommen. Ich möchte ihn in aller Bescheidenheit darauf hinweisen - ich habe es gestern an Ihre Adresse schon einmal tun müssen -, daß wir auch einen Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes haben, wonach auch wir uns in diesem Hause an die Grundsätze der Verfassung zu halten haben, ({1}) Ich finde es recht merkwürdig, daß den Bedenken, die hier vorgetragen werden, mit der Bemerkung begegnet wird, es sei ein schlechter Stil, darüber zu sprechen. Ich muß Ihnen noch einmal sagen, meine Damen und Herren von der Mehrheitsfraktion, haben Sie eigentlich immer noch nicht gelernt, daß Sie allen Grund haben, sorgsamer mit der Verfassung umzugehen! ({2}) Das ist keine Theorie. Ich glaube, darüber läßt sich eine ganze Liste aufstellen. ({3}) Aber ich möchte einige Bemerkungen zu dem machen, was der Kollege Even hier vorgetragen hat. Er ist offenbar der Meinung, mit seinen Ausführungen seien die Einwendungen widerlegt, die ich hier vorgetragen habe. Er hat zunächst behauptet, die Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden würde auf dem Gebiet der Sozialhilfe durch dieses Gesetz nicht eingeschränkt. Er hat erklärt, daß eine Bindung der eigenen Entscheidung nicht erfolge. Das ist, ganz schlicht gesagt, falsch. ({4}) - Das ist, ganz schlicht gesagt, falsch, Herr Kollege Even; denn „in der Kernsubstanz" berühren Sie hier ein altes Recht und eine alte Aufgabe der gemeindlichen Selbstverwaltung. Den Vergleich, den Sie anstellen wollen, können Sie nicht heranziehen, um das zu widerlegen, was ich hier gesagt habe. Ich habe ja nicht behauptet, daß es seit jeher das ausschließliche Recht der Gemeinden gewesen sei, Fürsorge und Sozialhilfe zu betreiben. Ich habe gar nicht in Frage gestellt, daß es seit eh und je daneben auch die freie Liebestätigkeit gegeben hat. Nur ist diese Aufgabe der Gemeinden, die sie in sehr, sehr langer Tradition - ich will mit Ihnen hier nicht um Jahrzehnte und Jahrhunderte feilschen - erfüllen, eine der vornehmsten und uralten eigenverantwortlichen Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinden. Was Sie hier tun, ist ein Eingriff in dieses Recht der Selbstverwaltung der Gemeinden. Vielleicht lesen Sie sich selber noch einmal durch, was Sie in § 86 beschlossen haben. Da steht es in aller Deutlichkeit drin: Die Gemeinden dürfen - ich übersetze das jetzt in die Sprache, in der die Bestimmung in der Praxis nachher angewandt wird - eigene Einrichtungen nicht neu schaffen, soweit geeignete Einrichtungen der in § 10 Abs. 2 genannten Träger der freien Wohlfahrtspflege vorhanden sind, ausgebaut oder geschaffen werden können. Damit, meine Damen und Herren, legen Sie eine regelrechte Funktionssperre der selbstverantwortlichen Tätigkeit der Gemeinden fest und greifen an den Wesenskern gemeindlicher Selbstverwaltung. Das werden Sie mit Formulierungskünsten nicht hinwegdebattieren können. Die Frage der Finanzierung. Auch hier greifen Sie durchaus in das Hoheitsrecht der Gemeinden der eigenen und eigenverantwortlichen Haushaltsgestaltung ein. Hier hat niemand behauptet - das habe auch ich gestern abend nicht getan; ich weiß nicht, Herr Kollege Even, ob Sie gestern abend überhaupt im Saale gewesen sind -, ({5}) Jahn ({6}) daß ein Rechtsanspruch gegen die Gemeinden im Gesetz ausdrücklich verankert worden sei. Nur führen die Bestimmungen, die Sie in § 10 Abs. 3 und in § 86 Abs. 1 eingebaut haben, in der Praxis dazu, daß daraus ein Rechtsanspruch konstruiert werden wird und damit an die Gemeinden zwingende Forderungen herangetragen werden, die ihnen die Möglichkeit, nach eigenem Ermessen und in eigener Verantwortung zu entscheiden, nehmen. Sie haben die freiheitliche Gesellschaft beschworen. Ich weiß nicht, ob Sie das so ganz mit innerer Überzeugung getan haben. Ich kann mich des dummen Gefühls dabei nicht erwehren, daß Sie von der freiheitlichen Gesellschaft reden und die Herrschaft der Verbände damit meinen. ({7}) Wenn es Ihnen darum geht, die freiheitliche Gesellschaft zu bewahren, dann könnten Sie nichts Vernünftigeres tun, als es bei dem geltenden Zustand zu belassen; denn da haben Sie die wahrhaft freie Verantwortung der Gemeinden und der freien Verbände gleichrangig nebeneinander. ({8}) Sie zu erhalten, darum geht es uns. ({9})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Mühlen.

Klaus Mühlen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001538, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedaure auch im Namen meiner Parteifreunde sehr, daß die Debatte zu diesem Gesetz heute an einer Wand der Voreingenommenheit die Chance zerrinnen ließ, die gestern abend gegeben war. Wir sind nach der Rede und nach den Vorschlägen meines Kollegen Spitzmüller zu § 10 doch bei Gott sehr nahe beieinander gewesen, um die Erörterung über verschiedene grundsätzliche strittige Probleme in anständigem parlamentarischem Sinne zu Ende zu führen und ein Beispiel dafür zu geben, daß in einem Parlament, auch wenn es von der absoluten Mehrheit einer Regierungspartei beherrscht wird, sachliche Debatten und Entscheidungen aus einem sachlichen Denken heraus möglich sind. Sie haben aber anscheinend die Nachtruhe nicht dazu benützt, wie das von hier aus angeraten worden ist, über die Argumente, die gestern abend in der Grundsatzaussprache vorgebracht worden sind, noch einmal nachzudenken. ({0}) - Sie haben offenbar geschlafen ({1}) oder die Mehrheitsmaschinerie noch einmal geölt, um sie heute morgen ohne Sand im Getriebe in Gang zu bringen. ({2}) Das ist Ihnen gelungen. Hiermit erübrigt sich auch, die verschiedenen strittigen Probleme, die Sie durch Einsatz der Mehrheit in Ihrem Sinne glaubten entscheiden zu müssen, ,die Sie aber - das will ich Ihnen sagen - damit nicht aus der Welt geschafft haben, noch einmal aufzugreifen. Ich bewundere eigentlich meine Herren Kollegen von der Sozialdemokratischen Partei, daß sie sich nach ,der Abstimmung in der zweiten Lesung noch einmal so viel Mühe gemacht haben, all die einzelnen Fragen erneut vorzubringen und zu versuchen, wenigstens nachträglich noch - ich möchte sagen: in memoriam - Sie darauf hinzuweisen, daß in solchen Dingen nicht Mehrheitsdenken, sondern das sachliche Denken zu den Einzelproblemen notwendig ist. Ein Gesetz wie das, das wir hier beschließen, umfaßt einen großen Problemkreis. Bei einer Partei aber, die einen solchen Spannungsbogen umfaßt wie die Ihrige, findet sich nicht ein einziger Abgeordneter, der wenigstens einmal vielleicht durch eine Enthaltung ({3}) eine eigene Meinung zum Ausdruck bringt. Das ist eine Erscheinung, ({4}) die mich etwas traurig und nachdenklich stimmt. ({5}) - Aber bitte, es wurde immerhin so gesagt. Wenn Sie mich hier korrigieren können, dann kann ich das nur dankbar und mit Freude zur Kenntnis nehmen. ({6}) Ich glaube, wir müssen zum Schluß kommen. Mein Kollege Dr. Bucher wird nachher noch zu den verfassungsrechtlichen Problemen etwas sagen. Durch die Wortmeldungen ist die Reihenfolge etwas durcheinandergekommen. Meine Partei hat von Anfang an die Notwendigkeit erkannt, die Sozialfürsorge an die neue Zeit anzupassen. Sie hat in den Ausschußsitzungen bei jedem einzelnen Paragraphen mitgearbeitet. Ich möchte hiermit von mir aus und auch im Namen meiner Freunde dem Ausschußvorsitzenden Dr. Willeke sowie der Frau Kollegin Niggemeyer als Berichterstatterin den Dank für die Mühe und die wirklich sachliche Kleinarbeit aussprechen, die sie mit uns zusammen geleistet haben. Das hat mit unserer grundsätzlichen Einstellung zu diesem Gesetz nichts zu tun. Diesen Dank möchte ich darüber hinweg hiermit zum Ausdruck bringen, Sie kennen unsere Argumente insbesondere zu den Grundsatzparagraphen 86 und 10 Abs. 3, die uns von Ihnen trennen. Der Herr Kollege Dr. Even hat soeben noch große Worte von der freiheitlichen Gesellschaftsordnung deklamiert. Es hat keinen Sinn, daß wir uns hierüber noch auseinandersetzen. Diese Worte sind sehr geeignet für eine hübsche Pressemeldung. Sie ändern aber an dem sachlichen Gehalt dieses Gesetzes und an den Folgen, zu denen es führen wird, nichts. Wir sind deshalb nicht in der Lage, dem Gesetz als Ganzem zuzustimmen, und so wird das Bundessozialhilfegesetz, das wirklich ein Volksgesetz hätte sein können, mit der kleinen Gerade-noch-Mehrheit der CDU/CSU über die Bühne gehen. Es ist schade, daß damit die Chance nicht wahrgenommen worden ist, hier zum Abschluß der Legislaturperiode noch einen Beweis zu erbringen, daß dieses Haus über einzelne grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten hinweg in so entscheidenden Sachfragen einen bei gegenseitigen gutem Glauben möglichen Weg des Kompromisses zu gehen vermag. Ich bedauere deshalb nochmals, Ihnen mitteilen zu müssen, daß meine Fraktion dem Gesetz als Ganzem ihre Zustimmung nicht erteilen kann. ({7})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bucher.

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich veranlaßt, nur wenige Worte zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Even zu sagen. Er hat davon gesprochen, daß hier eine freiheitliche Konzeption zugrunde liege; denn die Stellung der Verbände gegenüber den Gemeinden werde gestärkt. Nun, Freiheit wird doch nicht dadurch geschaffen, daß man möglichst viele Institutionen an einer Sache beteiligt, sondern es kommt darauf an, wieweit in diesen Institutionen Freiheitlichkeit lebt und wieweit der Bürger die Möglichkeit hat, in diesen Institutionen zu Wort zu kommen. Wir können doch nicht generell sagen, daß das in den Gemeinden nicht der Fall sei, daß die Gemeinde also irgendeine Art von Bürokratie sei. Die Gemeinde ist doch ein Selbstverwaltungsorgan, in dem der Bürger am allerersten das Recht und die Möglichkeit hat, zu Wort zu kommen. Es mag Gemeinden geben, wo das nicht der Fall ist. Ganz sicher gibt es aber auch Verbände, in denen das nicht der Fall ist. Weiter hat Herr Kollege Dr. Even gesagt, wir hätten den rechtlichen Ausführungen, die hier von Herrn Barzel, von ihm und anderen Herren gemacht worden seien, nichts entgegenzusetzen. Nun, die Stärke einer Reaktion bestimmt sich im allgemeinen nach der Stärke der Aktion. Das heißt, wenn hier juristische Bretterzäune errichtet werden, brauchen wir nicht unbedingt mit schwersten Panzern dagegen anzugehen. ({0}) Herr Kollege Dr. Even, Sie haben wieder von dem Wesenskern gesprochen. Ich habe mir heute früh erlaubt, darauf hinzuweisen, daß die Frage des Wesenskernes eines Grundrechtes hier gar keine Rolle spielt. Sie spielt nur insofern eine Rolle, als der Wesenskern eines Grundrechtes überhaupt nicht, auch nicht durch eine Verfassungsänderung, berührt werden darf. Das habe ich ja heute früh gesagt. Sie sind dann beinahe bis zur Völkerwanderung zurückgegangen, um Ihre These zu beweisen. ({1}) Das ist im allgemeinen nicht sehr fruchtbar. Würden wir noch weiter zurückgehen, so würden wir sicher erst recht zu der Feststellung kommen, daß die Gemeinde doch verhältnismäßig sehr früh da war. Ich möchte nochmals betonen: es geht uns hier nicht darum, Debatten über Rechtsfragen zu führen. Sie sehen doch, wie unersprießlich das ist. Wenn diese Rechtsfragen nicht vorher in den zuständigen Ausschüssen wirklich geprüft worden sind, führt es hier zu keinem Ergebnis, daß man sich gegenseitig Gerichtsentscheidungen vorhält. Man ist im allgemeinen in einem so großen Gremium nicht bereit und nicht in der Lage, darauf einzugehen. Aber es ist 'doch wirklich etwas leichtfertig von Herrn Kollegen Even, zu sagen, hier werde das Gespenst der Verfassungswidrigkeit beschworen. Wir dürfen doch wohl den Eindruck haben, daß es all denen, die hier verfassungsrechtliche Bedenken erhoben haben, wirklich nicht darum ging, ein Gesetz zu verzögern oder unmöglich zu machen, sondern daß es ernste verfassungsrechtliche Bedenken sind. Denen kommt man eben nicht mit beliebiger Auswahl aus drei oder mehr Wahrheiten bei. Am Schluß steht vielmehr, wenn es dann in Karlsruhe zu einer Entscheidung kommt, eben nur eine Wahrheit. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Die allgemeine Aussprache in dritter Lesung ist geschlossen. Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich stelle deshalb den Gesetzentwurf in dritter Lesung zur Abstimmung in der durch die zweite Lesung veränderten Fassung. Wer dem Gesetzentwurf im ganzen in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Das Präsidium ist sich nicht einig. Ich lasse die Abstimmung wiederholen. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Hammelsprung! - Ich gebe das Ergebnis der Auszählung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 193 Mitglieder des Hauses, mit Nein haben gestimmt 150 Mitglieder des Hauses, enthalten haben sich drei. Damit ist das Gesetz in ' dritter Lesung angenommen. Meine Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. Wir sind in Eile. Ich lasse abstimmen über den Antrag des Ausschusses auf Seite 13 der Drucksache 2673. Wer diesem Entschließungsantrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte Drucksache 1110), Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({0}) ({1}) ({2}). Präsident D. Dr. Gerstenmaier Ich frage ,den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. ({3}) - Herr Abgeordneter Berberich verzichtet. Ich bedanke mich. ({4}) - Meine Herren, zwingen Sie mich doch nicht, jetzt die Verhandlungen zu unterbrechen! Wir sind noch nicht in der Mittagspause. Ich bitte, Platz zu nehmen. Ich rufe in der zweiten Lesung § 1 auf. Wird dazu das Wort gewünscht? - Keine Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung über § 1. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig. angenommen. Zu § 2 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 886 Ziffern 1 und 2 vor. - Zur Begründung Herr Abgeordneter Weber!

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich darf den Antrag Umdruck 886 zu § 2 Abs. 2 begründen. Vorweg möchte ich sagen, ich glaube, es wird notwendig sein, daß wir diese Beratung mit demselben Ernst wie vorhin die über die Sozialhilfe verfolgen, damit wir mit dem Gesetz möglichst rasch über die Bühne kommen. Unser Antrag geht dahin, daß bei der Abgabe des Unternehmens - die die Voraussetzung dafür ist, daß das Altersgeld für Landwirte vom 65. Lebensjahr an gegeben wird - das Unternehmen auch verpachtet werden kann. Dazu war im Regierungsentwurf eine Fassung vorgeschlagen, die den Wirklichkeiten des Lebens direkt ins Gesicht schlägt. Bei den Beratungen im Ausschuß kam leider nur ein sehr fauler Kompromiß zustande. Lassen Sie mich ,das ganz kurz erklären! In dem Regierungsentwurf war vorgesehen, daß als Abgabe auch der Fall gilt, daß ein Landwirt von der nach dem Gesetz gegebenen Möglichkeit Gebrauch macht, nach dem 50. Lebensjahr zu verpachten. Das trifft vor allem auf die Fälle zu, in denen der Einzelbauer infolge von Krankheit oder Tod nicht mehr in der Lage ist, den Hof zu bewirtschaften, vielleicht weil er keinen oder einen zu jungen Erben hat, vielleicht 'den Enkel, der den Betrieb noch nicht übernehmen kann. In diesem Falle hat er nur die Möglichkeit, den Hof zu verpachten. Dann sollte er nach dem Regierungsentwurf bis 15 Jahre über sein 65. Lebensjahr hinaus gebunden sein. Das würde bedeuten - ich darf hier die äußerste Grenze, den krassesten Fall zeigen -, daß der Bauer, wenn er mit 50 Jahren den Hof verpachten muß - was rechtlich zulässig ist - und der Erbe zehn Jahre alt ist, nach dem ursprünglichen Regierungsentwurf seinen Hof bis 15 Jahre über sein 65. Lebensjahr hinaus, also auf 30 Jahre verpachten muß. Das ist ein Eingriff in das Verfügungsrecht des einzelnen, der dem Sinn des Gesetzes nicht entspricht. Auf die Frage, was eigentlich der Sinn dieser Bestimmung ist - ich habe diese Frage im Ausschuß gestellt -, habe ich auch von der Regierungsseite keine zureichende Antwort bekommen. Die Regierung wollte das Gesetz sowieso unter dem Gesichtspunkt der Beseitigung des Defizits behandeln, ohne Rücksicht auf Recht und soziale Gerechtigkeit. Hier ist nun eine Maßnahme, die sogar vom Standpunkt der Regierung aus falsch ist. Denn wenn ich fordere, daß einer etwa 15 Jahre, über sein 65. Lebensjahr hinaus, verpachtet, schaffe ich einen neuen Anspruchsberechtigten. Lassen wir doch jedem Unternehmer die Freiheit zur Verpachtung auf den Grundlagen, die _seither im Gesetz vorhanden waren, nämlich an Verwandte und Verschwägerte bis zum zweiten Grad bis zu einer Dauer von mindestens sechs Jahren und an andere Personen auf die Dauer von mindestens neun Jahren, wie es in den Überleitungsvorschriften in Art. 2 § 2 steht. Wenn man schon eine Verschärfung will, schlagen wir eine Verpachtung auf zwölf Jahre vor; wir lehnen uns dabei an das Pachtrecht an, wie es nach den bestehenden Gesetzen gültig ist. Es kann dagegen eingewendet werden, daß es notwendig sei, Scheinpachtverträge zu verhindern. Wir haben in dieser Beziehung sogar eine schärfere Formulierung vorgeschlagen, als sie jetzt in der Ausschußfassung enthalten ist, daß es nämlich nicht genügen soll, die Pachtverträge schriftlich abzufassen, sondern daß sie auch der Landwirtschaftsbehörde anzuzeigen seien. Wo ist heute noch eine junge Familie, selbst wenn es sich um Verwandte handelt, die mit einem alten Bauern, der sich nicht vom Hofe trennen kann, der in bäuerlicher Eigenwilligkeit und aus Egoismus seinen Betrieb in der Hand behalten will, einen Pachtvertrag zum Schein abgeschlossen hat? Wenn das - das Leben bringt Spannungen - der Landwirtschaftsbehörde angezeigt werden muß, werden alle diese Schwierigkeiten von vornherein vermieden. Ich bitte deshalb, unserem Vorschlag, der der Wirklichkeit des Lebens entspricht, zuzustimmen. Wenn Sie das nicht tun, kommt das Problem in den nächsten Jahren erneut auf uns zu. Herr Präsident, darf ich gleich die nächste Ziffer mit begründen?

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das ist die Ziffer 2? - Ja, bitte sehr.

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die Ziffer 2 unseres Änderungsantrages sieht vor, daß bei der Abgabe dem Unternehmer die Möglichkeit gegeben wird, einen Teil seines Eigentums bis zum Ende seines Lebens im eigenen Verfügungsrecht zu behalten. Die anderen Fragen, die den Erbgang betreffen, haben wir im Grundstücksverkehrsgesetz geregelt. In meiner Heimat, im Schwäbischen, gibt es ein Sprichwort: „Man zieht sich nicht aus, bevor man nicht ins Bett geht." ({0}) Es gewährt eine Sicherung, wenn man sich nicht jeglichen Verfügungsrechts über sein Eigentum beWeber ({1}) gibt. Ich denke vor allen Dingen an Mittelgebirgslagen, wo viel Wald ist. Der Bauer sollte die Möglichkeit haben, einen Teil seines Waldes in eigener Verfügung zu behalten. Die Ausschußvorlage sieht vor, daß dabei 25 % der festgesetzten Mindestgröße des Unternehmens nicht überschritten werden dürfen. Wir schlagen vor, eine etwas freiere Fassung zu wählen, daß nämlich bei teilweiser Abgabe die Voraussetzung des Abs. 1 Buchstabe c erst dann erfüllt ist, wenn der Einheitswert oder der Arbeitsbedarf des nichtabgegebenen Teils 25 % des Unternehmens und die nach § 1 Abs. 4 festzusetzende Mindesthöhe nicht erreicht. Es kann sowieso nicht die Gefahr entstehen, daß der abgegebene Teil unter die Beitragsgrenze sinkt. Es sind sämtliche Sicherungen eingebaut, nur wird etwas mehr Freiheit gegeben. Die Bauern werden das im praktischen Leben schon von selbst so handhaben, daß dem Ziel des Gesetzes - einer geordneten Hofübergabe und einer gesunden Strukturentwicklung - Rechnung getragen wird. Ich darf Sie herzlichst bitten, unseren beiden Anträgen zuzustimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Berberich, - als Berichterstatter oder als Abgeordneter? ({0}) - Bitte sehr.

August Berberich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000144, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Anliegen, das Herr Kollege Weber hier vorgetragen hat, ist sowohl im Ernährungsausschuß wie im Sozialpolitischen Ausschuß sehr eingehend erörtert worden. Wir sehen uns aus den Gründen, die Herrn Kollegen Weber sehr genau bekannt sind, nicht in der Lage, diesem Anliegen zuzustimmen. Ich muß kurz auf die von ihm vorgebrachten Argumente eingehen. Die Verpflichtung zur Abgabe bzw. zur Verpachtung würde einen Eingriff in das Verfügungsrecht des Bauern über seinen Betrieb darstellen. Jeder, der hier den Anspruch erhebt, muß sich schließlich auch der Zielsetzung dieses Gesetzes beugen, daß man durch das Altershilfegesetz erreichen will, daß erstens der Weg zum besseren Wirt gefunden wird und daß zweitens die junge Familie eigenes Verfügungsrecht in ihrem Betrieb, den sie bearbeiten muß, erhalten soll. In der Frage, wie lange verpachtet werden muß, sind Sie, Herr Kollege Weber, davon ausgegangen, daß die 65-Jahres-Grenze völlig gestrichen werden sollte. Gerade das aber ist unser Anliegen, daß an dieser 65-Jahres-Grenze festgehalten wird; denn nur dann, wenn wir einen Abgabetermin nach dem 65. Lebensjahr festlegen, ist die Umgehung der bisherigen Bestimmungen einigermaßen zu verhindern. Ich sage ausdrücklich: einigermaßen zu verhindern. Aber jede andere Formulierung, die auf die Pachtdauer allein abstellt, beinhaltet, daß der Betreffende seinen Pachtvertrag abschließen kann und daß dieser bereits im 66. Lebensjahr endet, ohne daß die Alterskasse dann in der Lage ist, das zu überprüfen. Dann müßte man eine Meldepflicht der Gemeinden einführen, und das wollen Sie nicht und wollen auch wir nicht. Deshalb sind wir nicht in der Lage, diesem Ihrem Antrag zuzustimmen. Nun zu dem zweiten Punkt, den Sie hier begründet haben und der den Rückbehalt des einzelnen Landwirts betrifft. Sie wissen ja, daß sich die Meinungen hier gegenübergestanden haben: auf der einen Seite Ihre Meinung, 25 % der Betriebsgröße vorzusehen, auf der andern Seite die Meinung unseres Kollegen Frehsee, diesen Betrag noch wesentlich zu senken. Das, was wir hier erarbeitet haben, ist ein Kompromiß zwischen diesen beiden Meinungen, und an diesem Kompromiß halten wir fest. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Frehsee.

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es läge im allseitigen Interesse, wenn wir bis zur Mittagspause noch den Abs. 1 des § 4 erledigen könnten. Das ist ein sehr wichtiger Absatz. Ich will versuchen, mich sehr kurz zu fassen. Ich kann mich den Ausführungen von Herrn Berberich weitgehend anschließen. Auch die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, Herr Kollege Weber, sieht sich zu ihrem Bedauern aus den hier vorgetragenen Gründen nicht in der Lage, diesen beiden Anträgen zu entsprechen. Das Für und Wider ist lange und eingehend im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten besprochen worden. Was in der Ausschußvorlage enthalten ist, ist ein Kompromiß. Wir sollten es dabei belassen. Was den zweiten Antrag betrifft, so müssen wir im Auge behalten, daß dieses Gesetz nicht nur eine sozialpolitische, sondern auch eine agrarpolitische, insbesondere agrarstrukturpolitische Seite hat. Es würde dem strukturpolitischen Sinn und Zweck dieses Gesetzes, auf den wir noch zu sprechen kommen werden, widersprechen, wenn man den Altenteilern einen Teil des Betriebes im Umfang der sogenannten Existenzgrundlage, also mit Flächen von 8 bis 24 Morgen, von 2 bis 6 ha, beließe. Man sollte es bei der Ausschußvorlage belassen, die diese dem Altenteiler zu belassende Grundfläche auf 25 % der sogenannten Existenzgrundalge beschränkt. Das ist in jeder Beziehung, in betriebswirtschaftlicher wie auch in sozialer Beziehung, ausreichend und voll gerechtfertigt. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Weber!

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz! Herr Kollege Berberich, ich habe mich eigentlich gewundert, daß Sie hier das Zitat „Weg zum besseren Wirt" von Professor Aereboe gebracht haben. Aus dieser Haltung glaube ich, daß es absolut richtig ist, unserem Antrag zuzustimmen. Daß die Frak9092 Weber ({0}) tion der SPD hier anderer Auffassung ist, ist verständlich. Aber eben, wenn man hier der Freiheit, der eigenen Bestimmung über das Eigentum auch im Verhältnis zu den Erben ein einigermaßen freies Spiel lassen will, glaube ich, daß es notwendig ist, dem Antrag der FDP zuzustimmen. Darum möchte ich Sie deshalb noch einmal herzlich bitten. Die Argumente, die hier vorgetragen wurden, haben nicht überzeugt. Auch der Kompromiß, der geschlossen wurde, gerade bezüglich der 65 Jahre, hat keinerlei Sinn. Warum soll jemand, der in eine Notlage kommt - das könnte Herr Kollege Berberich genauso sein wie irgendein anderer -, so daß er mit 52 oder 53 Jahren nicht mehr in der Lage ist, den Hof zu bewirtschaften, daran gehindert werden, wenn er z. B. durch einen Unglücksfall seine Frau verliert und der Erbe noch zu jung zur Übernahme ist, den Hof auf 12 Jahre oder bei Verwandten auf sechs Jahre zu verpachten? Ich möchte auch fragen, was die Festlegung auf neun Jahre über 65 Jahre hinaus nützen soll. Ich glaube, unsere Gesichtspunkte sind klar durchdacht. Herr Kollege Berberich, auch die Ausschußberatungen und gerade die Anträge von der CDU-Fraktion haben deutlich gezeigt, daß vieles, bei dem es uns nicht möglich war, Sie sachlich zu überzeugen, im Ausschuß in Ihren eigenen Reihen doch Widerhall gefunden hat. Ich habe mich sehr darüber gefreut, daß heute Anträge vorliegen, die in Gegensatz zu dem stehen, was die Mehrheit des Ausschusses beschlossen hat.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen; wir kommen zur Abstimmung. Sind Sie einverstanden, daß über die Anträge der Fraktion der FDP unter Ziffern 1 und 2 des Umdrucks 886 gemeinsam abgestimmt wird? - Wer diesen beiden Anträgen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Anträge Umdruck 886 Ziffern 1 und 2 sind abgelehnt. Wer dem § 2 in der Fassung des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Zu § 3 liegen keine Änderungsanträge vor. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. - Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -- Angenommen. Nun kommt § 4. Hierzu liegen Änderungsanträge auf Umdruck 859 Ziffer 1 ,der CDU/CSU und Umdruck 886 Ziffer 3 der FDP vor. Wir behandeln zunächst Umdruck 859 Ziffer 1. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Keine Begründung. Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Weber. ({0}) - Nein, zu dem Antrag der CDU/CSU Umdruck 859 Ziffer 1. Wünschen Sie dazu das Wort? ({1}) Bitte sehr.

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es hier mit einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zu tun, der einen Beschluß des Ausschusses wieder rückgängig machen soll. ({0}) Es handelt sich um die im Ausschuß beschlossene Erhöhung der Altersgelder um 20 N. Lassen Sie mich dazu folgende grundsätzliche Ausführungen machen. Ich möchte der CDU-Fraktion mit aller Deutlichkeit entgegenhalten: Was haben Sie und die Bundesregierung vor vier Jahren - 1957 - bei Verabschiedung dieses Gesetzes verkündet? - Ein Altersruhegeld in Höhe von monatlich 40 DM für den einzelnen und in Höhe von. monatlich 60 DM für den verheirateten ehemaligen Landwirt bei einer Beitragshöhe von 10 DM! Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben damals im Ausschuß gesagt - auch ich -, daß das wohl nicht reichen wird. Nun, die Entwicklung hat gezeigt, daß die seinerzeitigen Berechnungen nicht zutreffend sind. Die Selbstverwaltung des Gesamtverbands der landwirtschaftlichen Alterskassen hat in eigener Regie eine Erhöhung des Beitrags um 20 % vorgenommen, und zwar von 10 auf 12 DM, ohne Leistungserhöhungen. Mit ,aller Deutlichkeit ist von allen Seiten erklärt worden, daß bei der jetzigen - ich möchte das mit allem Nachdruck sagen - gespannten sozialen Lage der gesamten Landwirtschaft und zumal in Hinsicht auf die Schwierigkeiten, die in der europäischen Wirtschaftsintegration auf die deutsche Landwirtschaft, auf die Agrarwirtschaft zukommen, die Belastungsmöglichkeit vor allem unserer klein- und mittelbäuerlichen Betriebe auf ,das höchste angespannt ist und keine höhere Beitragsleistung möglich ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie haben damals die Rentenneuregelungsgesetze verabschiedet, in denen Sie die automatisch-dynamische Rente beschlossen haben. Heute wird in Ihren eigenen Kreisen ein Kampf um die Begriffsfassung über dieses Altershilfegesetz geführt: Ist es ein sozialpolitisches Gesetz oder ein agrarpolitisch-strukturelles Gesetz? Es gibt gar keinen Zweifel darüber, daß mit diesem Gesetz die gesamte Frage der landwirtschaftlichen Alterssicherung auf dem sozialpolitischen Gebiet angefaßt worden ist und gesetzlich verankert wurde. Daß dieses Gesetzgleichzeitig auch noch eine strukturelle Wirkung hat, 'ist ja notwendig, damit man möglichst zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Ich darf aber diese Dinge noch etwas näher beleuchten. Sie haben ursprünglich - und tun es auch heute noch - in Ihrem § 5 die Bezogenheit auf die Rentendynamik aufrechterhalten. Ich wundere mich, daß Sie heute diese Dinge ablehnen. Wenn heute der sogenannte rechte Flügel Ihrer Fraktion glaubt, diese Entwicklung zum Wohlfahrtsstaat und Versorgungsstaat - und wir Freien Demokraten haben das Recht, das mit aller Offenheit zu sagen ({1}) Weber ({2}) - Herr Kollege Ruf, hören Sie bitte in aller Ruhe zu. Wenn Sie glauben, daß Sie diese Entwicklung hemmen können, wenn Sie sagen, es wäre ein Präzedenzfall für die übrigen Gruppen der Selbständigen, sage ich Ihnen mit aller Offenheit, meine Damen und Herren, dieser Zug ist längstens abgefahren. Sie haben seinerzeit das Startsignal bei der Rentenreform gegeben, und bitte, stehen Sie dazu! Hier stehen wir im Ringen um die Möglichkeiten. Das zeigen auch die Anträge, die von den anderen Richtungen kommen. Hier geht es um die Frage des Anteils am Bundeszuschuß. Dazu muß ich noch grundsätzliche Ausführungen machen. Der Bundeszuschuß in seiner heutigen Form hat seinen Ausgangspunkt gefunden bei der Schaffung der Bismarckschen Sozialgesetzgebung. Seinerzeit wurde als Starthilfe vom Reich eine Leistung erbracht, indem das Reich Aufwendungen für die Frühinvalidität, die Berufsunfähigkeit mit übernommen hatte. Das ist so geblieben bis heute, obwohl es heute nichts mehr damit zu tun hat, obwohl wir vor der Aufgabe stehen, eine große Sozialreform zu schaffen und alle diese Dinge nach heutigen, modernen sozialen Gesichtspunkten neu zu ordnen. Das wird eine Aufgabe des neuen Bundestages sein. Dann will ich einmal sehen, was geschieht, wenn man es wagt, diesen Zopf abzuschneiden. Ich möchte jetzt ein anderes Problem anschneiden; darin sehen Sie die sozialpolitische Verflochtenheit dieses Gesetzes. Wir von den Freien Demokraten haben damals - meine Kollegen Frühwald und Mauk -, 1955, den ersten Vorschlag zu einem zusätzlichen Alterssicherungsgesetz gemacht, und zwar auf derselben Grundlage ,des Umlageverfahrens. Ich habe von diesem Platz vor anderthalb Jahren auch Ihnen angeboten, den Freien Demokraten die Möglichkeit zu geben, bei der Rentenneuregelung mitzureden und ja zu sagen. Ich habe Ihnen die Voraussetzungen dazu gesagt. Hier beinhalten beide Gesetze ein Umlageverfahren, und wir können unter bestimmten Ordnungen und Voraussetzungen auch zum Umlageverfahren ja sagen. Das bedeutet nämlich, daß im Zuge ,dessen, was man mit dem Gesetz erreichen will, nämlich des Strukturwandels, ,die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe immer niedriger wird. Die junge Mannschaft der sich auflösenden und aufgelösten Betriebe ist in andere Sozialversicherungsträger abgewandert. Sie zahlen mit ihrer Leistungskraft in die anderen Sozialversicherungen. Wenn dieser Zustrom vom Land, der heute festzustellen ist, nicht vorgekommen wäre, dann hätten Sie längst entweder die Bundeszuschüsse oder man hätte 'die Beiträge zu den Rentenversicherungen erhöhen müssen. Darüber gibt es gar keinen Zweifel. Wir haben es heute mit einem neuen Wanderungsproblem in der Sozialpolitik zu tun, das die klassischen Sozialpolitiker von heute leider zum großen Teil nicht sehen, wo sie sich bis zu einem gewissen Grade betriebsblind stellen, möchte ich einmal sagen. Hier ist ein Problem, das auf uns zukommt, nicht nur hier, auch im Verhältnis der Arbeiterrentenversicherung zur Angestelltenversicherung. Jede Verschiebung - Strukturverbesserung - im Umlageverfahren beinhaltet ein Sozialversicherungs-Wanderungsproblem, da bekanntlich die heutigen Beiträge von den Arbeitenden aufgebracht und für die Renten auch aufgebracht werden. Die Sozialpolitiker müssen davon überzeugt werden. Ich sagte schon, daß ,es nicht richtig ist, daß die eine Seite verzichtet, die wirklich sozial bedürftig, schutzbedürftig ist - das sind die alten Landwirte -, während die anderen mit der Rentendynamik und gleichzeitig steigenden Staatszuschüssen davon laufen. Ich könnte Ihnen ein hohes Lied aus dem praktischen Leben davon singen. Ein Bürgermeister einer größeren Landgemeinde mit gemischten Verhältnissen, über 2000 Einwohner, hatte mich gebeten, diesen Antrag zu stellen, denn er sagte: Wir haben im Industrieballungsgebiet so viele alte Bauern, die nicht einmal in der Lage sind, das Dach des Hauses, aus dem die junge Mannschaft abgewandert ist, über dem Kopf in Ordnung zu halten. Was bedeutet denn diese Erhöhung, für die diese Beiträge geleistet wurden, die Erhöhung um 20 %, die in der Rentenanpassung in der Zwischenzeit überall vorgenommen wurde? Lassen Sie mich einmal die Größenverhältnisse aufzeigen! Der Bundeszuschuß, in seiner Gesamtheit auf alle Renten aufgeteilt einschließlich der Witwen- und Waisenrente - ich habe das vor etwa anderthalb Jahren einmal für mich gemacht -, bedeutet einen Zuschuß im Schnitt für jede Rente im Jahr von 615 DM im Jahre 1959, pro Monat 51,30 DM, also mehr als die Altershilfe im Durchschnitt ausmacht. Heute liegt er etwa mit ,dem Neuen, was kommt, um 10 % schon wieder höher, weil auch der Bundeszuschuß an der dynamischen Rente mitwirkt. Wer möchte bei einer Korrektur dieses Gesetzes verweigern, daß die mäßige, in sich abgeschlossene und, so möchte ich einmal sagen, bescheidene Altersrente von 40 und 60 DM um 20 % wie der Beitrag erhöht wird - wenn die Leistung eine Beitragserhöhung von 10 auf 12 DM selbst erbracht hat -, also auf 48 bzw. 72 DM? Wie haben wir sonst in der Gesetzgebung mit voller Hand ausgestreut! ({3}) - Bitte ,das vertreten Sie! Ich stelle im Namen der Fraktion der Freien Demokraten zu der kommenden Abstimmung den Antrag auf namentliche Abstimmung. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dröscher!

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ein Antrag eingebracht wird, der der großen Mehrheit des Hauses klar und selbstverständlich erscheint, kann man sicher leicht auf eine Begründung des Antrags verzichten. Wenn aber ein Antrag gestellt wird, der eine so wichtige Entscheidung beinhaltet wie ;die, die heute morgen zu dieser Frage getroffen werden soll, dann kann es nur ein Zeichen der inneren Unsicherheit sein, wenn man auf die Begründung verzichtet. ({0}) Warum stellt die Fraktion der CDU/CSU überhaupt diesen Antrag, der ja eine Situation verändern soll, die vom Sozialpolitischen Ausschuß mit Mehrheit geschaffen warden war? ({1}) - Es war keine Zufallsmehrheit, sondern es war bei denen, die da waren, eine klare und saubere Mehrheit, nämlich derjenigen, die das machen wollten. ({2}) - Gut. Nun, meine Damen und Herren, warum stellen Sie den Antrag? Doch nur wegen der finanziellen Auswirkungen. Das hätte man in Ihrer Begründung ganz klar sagen sollen. Sie haben sich dazu offenbar sogar Schützenhilfe von einem Verband erbeten, ({3}) die mittlerweile geleistet warden ist, nämlich vom Bauernverband, der - offenbar nur zu Ihrer Unterstützung - gesagt hat, er habe nie einen Antrag auf Erhöhung der Altershilfe gestellt. Wenn wir das zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren dann können wir uns des Ein) drucks nicht erwehren, daß diese Schützenhilfe nur von Landesverbänden getragen werden kann, in denen die Mehrheit der ihnen angehörenden Bauern in der Altershilfe nur ein Tabaksgeld und ähnliches sieht. Die große Mehrheit der ,deutschen Bauern und der Altersgeldempfänger sieht darin aber nicht nur ein Tabaksgeld und eine Beihilfe, sondern für sie, die kleinen Leute auf dem Lande, ist diese Altershilfe das tragende Element ihres Lebensabends. ({4}) - Warum sollen es bei den Bauern nur die Kinder sein, Herr Franzen? Sie kommen doch vom Lande, und Sie wissen, wie nötig die Leute die 60 und jetzt 72 Mark brauchen. ({5}) - Meine Damen und Herren, warum regen Sie sich so auf? Ich meine, Sie sollten hier gar nicht so krakeelen, sondern in Ihre Wahlkreise gehen und dort die Bauern einmal fragen, ob sie von dem Anstieg des ,allgemeinen Sozialprodukts ausgeschlossen sein wollen. ({6}) - Wenn Sie das gefragt hätten, dann hätten Sie eine andere Antwort erhalten als die, die der Bauernverband Ihnen gegeben hat. Da wird man sehen: Überall, wo diese Altershilfe wirklich gebraucht wird - und das ist in den weiten Gebieten unserer kleinbäuerlich strukturierten Länder der Fall -, kann eine solche Haltung, wie Sie sie hier heute vertreten, nicht entsprechend gewürdigt werden. Warum nicht? Die Fakten sprechen doch einfach dagegen. Alle Renten sind in dieser Zeit, seit vier Jahren, seit dem die 60 DM festgesetzt wurden, um rund 20 % erhöht worden. Die Lebenshaltungskosten sind um etwa 7 % gestiegen. Der Grundsatz, den Sie hier immer vertreten, daß die sozial Schwachen einen steigenden Anteil am Sozialprodukt erhalten müssen, wird durch Ihre Entscheidung nicht gewürdigt, sondern in sein Gegenteil verkehrt. ({7}) Denn wenn Sie nicht mitgehen, verringern Sie doch den Anteil am Sozialprodukt. Das wissen Sie auch selbst; deshalb sind Sie in dieser Frage so unsicher geworden. Ein anderer Gesichtspunkt, der hier angeführt werden muß, ist die Parität für die Landwirtschaft. Sollen die Leute in der Landwirtschaft denn durch eine neuerliche Entscheidung abgedrängt, in eine noch schlechtere Situation gebracht werden? Sie sprechen doch immer von der Parität für die Landwirtschaft. Hier schaffen Sie aber eine neue Disparität ,auf weitere Jahre, eine Disparität für die Alten und die Schwächsten des Berufsstandes. Meine Damen und Herren, auch ,die Frage des Sozialprestiges für unsere Landwirte, die Ihnen doch am Herzen liegt, wird durch Ihren Antrag berührt. Das Sozialprestige setzt sich ja nicht nur aus den Einkommens- und Vermögensverhältnissen, sondern auch aus der Altersversorgung zusammen. Wenn von den Leuten, die in den kleinbäuerlichen Gebieten leben, immer mehr erkannt wird, daß z. B. die Heiratsaussichten reines jungen Betriebsinhabers heute gegenüber früher wesentlich verschlechtert sind, daß es unsere jungen Bauern im heiratsfähigen Alter sehr schwer haben, die richtige Frau zu bekommen - das müssen Sie doch zugeben -, dann spielt dabei auch eine Rolle, daß die Altersversorgung ,der Bauern sehr viel schlechter geregelt ist als in anderen Berufsständen. Sie sagen, ,den Altenteilern solle mehr Hilfe vom Betrieb her gegeben werden; das klang vorhin in Ihrem Zwischenruf an, wonach sie auf die Hilfe der Kinder angewiesen sein sollten. Sie müssen aber doch zugeben, daß die Grünen Berichte, die Situationsschilderungen der Landwirtschaft, nicht zu der Hoffnung 'berechtigen, daß von dorther eine verstärkte Hilfe kommen kann. Außerdem hat eine Reihe von Altersgeldempfängern überhaupt keinen Kontakt mehr zum arbeitenden Betrieb. Also können diese Altersgeldempfänger auch nichts vom Ertrag bekommen, weil sie durch die Betriebsabgabe da, wo keine Betriebsnachfolger sind, losgelöst vom Ertrag des Betriebes sind. Schon 1957, bei der seinerzeitigen Beratung des Gesetzes, hatten unsere Kollegen Dr. Martin Schmidt und Max Seither namens unserer Fraktion den Antrag gestellt, den Betrag von 60 DM auf 90 DM zu erhöhen, weil 60 DM zu wenig waren. Das ist damals ,abgelehnt worden. Aber bei ,der Beratung haben die Herren von der CDU gesagt, man müsse einmal sehen, man müsse sich das entwickeln lasDröscher sen und man werde dann später unter Umständen zu höheren Beträgen kommen. Von diesen höheren Beträgen ist heute nichts mehr zu hören, da man aus dem finanziellen Interesse heraus nicht mehr Mittel für die Altersversorgung der Landwirtschaft bereitstellen will. Schließlich wird Ihnen die Situation vielleicht auch noch dadurch erleichtert, ,daß aus dem Kreis der Altersgeldempfänger keine organisierten Wünsche an Sie herangetragen werden. Denn diese Altersgeldempfänger sind ja dank Ihres seinerzeitigen Beschlusses gegen unseren Antrag aus den Vertretungen der Alterskassen ausgeschlossen. Alle diese Gründe zusammen haben bewirkt, daß Sie heute einen Antrag auf Wiederherabsetzung der Beträge auf 60 und 40 DM stellen. Wir können diesem Antrag der CDU/CSU nicht zustimmen, weil wir der Meinung sind, daß heute die Bedingungen anders aussehen und daß deshalb nunmehr, vier Jahre nach der ersten Beratung des Gesetzes, eine Verbesserung der Leistungen des Gesetzes herbeigeführt werden muß, wie sie der Sozialpolitische Ausschuß vorgesehen hat. Wir schließen uns deshalb auch dem Antrag der FDP Umdruck 886 Ziffer 3 an. ({8})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ruf.

Thomas Ruf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001901, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich mich erst jetzt zur Begründung unseres Antrags melde, so eben nur deshalb, weil wir höfliche Leute sind und als höfliche Leute anderen den Vortritt lassen wollen. ({0}) Der Kollege Weber hat im Ausschuß zu unserer Überraschung den Antrag gestellt, die Leistungen der Altershilfe für Landwirte um 20 % zu erhöhen. Im Grunde hat uns das nicht so sehr überrascht, denn wir sind seitens der FDP nichts anderes gewohnt, auch wenn sie das Gegenteil behauptet. Sie hat uns im Kampf gegen eine übertriebene Ausweitung der Sozialleistungen nicht so unterstützt, wie sie es draußen immer wieder behauptet. Im Gegenteil! ({1}) Der Wunsch, das Altersgeld der Landwirte um 20 % zu erhöhen, ist bisher von keiner Seite an uns herangetragen worden. Dieses Verlangen ist bis zu der damaligen Ausschußsitzung nie in der Öffentlichkeit laut geworden. Selbst der Bauernverband hat uns in diesen Tagen noch einmal bestätigt, daß von seiten des Berufsstandes zu keiner Zeit und bei keiner Gelegenheit eine solche Erhöhung gefordert worden ist. Und was das Wichtigste ist: Der Herr Kollege Weber hat sich die Sache seinerzeit sehr leicht gemacht, indem er seinen Antrag - mit dem er in der damaligen Sitzung leider Gottes durchgekommen ist - ohne einen Deckungsvorschlag gestellt hat. Sie wissen, daß auch die FDP nicht bereit ist, die Beiträge über 12 DM zu erhöhen. Höhere Beiträge sind einfach nicht erwünscht und nicht durchzusetzen. Da aber die Sozialleistungen nun einmal nicht als Geschenk vom Himmel fallen, bliebe nichts anderes übrig, als den Bundeszuschuß zu erhöhen. Das würde dazu führen, daß die Alterskassen zu über 50 % aus öffentlichen Mitteln subventioniert würden. Das kann wahrhaftig nicht im Sinne der Landwirtschaft selber sein, das will die Landwirtschaft selber nicht. Eine solche Regelung wäre auch mit Rücksicht auf ähnliche Einrichtungen für andere Berufszweige einfach nicht zu vertreten. Herr Kollege Weber, Sie haben einen Vergleich mit den Rentenanpassungen angestellt, die wir auf Grund der Rentenneuregelungsgesetze aus dem Jahre 1957 in den letzten Jahren vorgenommen haben. Dieser Vergleich sticht einfach nicht. Sie wissen, daß die Rentenversicherungen die Aufgabe haben, bei einem normalen Verlauf des Arbeitslebens die Existenzgrundlage im Alter sicherzustellen. Das Altersgeld für Landwirte hat dagegen eine andere Aufgabe. Es ist zunächst einmal eine agrarstrukturpolitische Maßnahme, es soll die Hofübergabe fördern und lediglich den alten Landwirten zu den üblichen Naturalleistungen, die sie als Altenteiler beziehen, einen Bargeldzuschuß gewähren. Lediglich einen Bargeldzuschuß! Diesen Sinn, diesen Grundcharakter des Gesetzes dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren. ({2}) Insofern ist also der Hinweis auf die Rentenversicherungen, auf die Rentenanpassungen einfach nicht richtig. Von seiten der SPD ist gesagt worden, in der Zwischenzeit seien die Lebenshaltungskosten gestiegen. Aus diesem Grunde müßten auch die Leistungen in der Altershilfe für Landwirte angehoben werden. Dazu wäre zu sagen, daß die normale Lebenshaltung der Altenteiler durch die Naturalleistungen befriedigt wird. Sie haben ihre Wohnung auf dem Hof, und ihre Lebensmittel bekommen sie nach wie vor vom Hof. ({3}) Insofern hat sich nichts geändert. Wir haben also dringende Gründe, warum wir dafür sind, in § 4 Abs. 1 den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen und zu sagen: Das Altersgeld beträgt für den verheirateten Berechtigten 60 Deutsche Mark, für den unverheirateten Berechtigten 40 Deutsche Mark monatlich. Gleichzeitig darf ich auch um die Ablehnung der Anträge zur Erhöhung der Bestandsrenten, die die FDP gestellt hat, bitten. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Meine Damen und Herren, ich stehe vor der Frage, ob wir jetzt die Sitzung unterbrechen oder die Diskussion Präsident D. Dr. Gerstenmaier mit der Abstimmung zu diesem Paragraphen noch vornehmen sollen. ({0}) - Ich will Ihnen aber sagen, hier ist ein Antrag auf namentliche Abstimmung gestellt. Herr Abgeordneter Weber, bringen Sie mir erst 50 Mann! ({1}) - Dann sehen Sie sich einmal die Besetzung des des Hauses an! Na schön, wenn Sie das haben wollen, gern. Ich mache vorher darauf aufmerksam. Jedenfalls haben Sie hier die Waffenhilfe der SPD, und damit kann die namentliche Abstimmung stattfinden, Herr Abgeordneter Weber. ({2}) Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Neue Koalition" ist ein völlig falscher Zwischenruf. Sie holen sich auch Ihre Mehrheiten da, wo Sie sie finden. ({0}) - Sie haben sie gar nicht immer selbst, sonst kämen nicht immer im Ausschuß Abstimmungen zustande, die Sie hier korrigieren müssen. Herr Kollege Ruf hat hier den Vorwurf erhoben, die FDP-Fraktion habe mit ihrer Forderung, statt 60 DM in Zukunft 72 DM zu zahlen, wieder einmal bewiesen, daß es ihr gar nicht so ernst sei mit der Forderung, den Staat nicht einzuschalten, um immer höhere Sozialleistungen zu gewähren. Lieber Herr Kollege Ruf, es ist bekannt, daß Sie sehr oft unsere Meinung, zu bremsen, wo Bremsen notwendig ist, unterstützen. Leider habe ich immer feststellen müssen, daß Sie, wenn wir entsprechende Anträge, sei es im Plenum oder im Ausschuß, gestellt haben, bei der Abstimmung zwar manchmal mit uns gestimmt haben, daß Sie aber die meisten Anträge abgelehnt haben, die wir gestellt hatten, um solche Ausweitungen zu verhindern. Sie müssen jetzt aus Ihren eigenen Beschlüssen im 2. Deutschen Bundestag von 1957 die Konsequenzen ziehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, Sie dürfen sich nicht wundern, wenn diese Konsequenzen nicht nur bei der Rentenreform, sondern auch bei allen anderen Gesetzen deutlich werden. Wir haben 1957 davor gewarnt. Wir haben Sie damals gebeten, zu bedenken, was es bedeutet, auf verschiedenen Gebieten die automatische Dynamik einzuführen. Das sind die Folgen. Sie haben sie jetzt mitzutragen. Sie wollen sich diesen Folgen bei den Landwirten entziehen. Seien Sie endlich bereit, diese Konsequenz auch auf sich zu nehmen. ({1}) - Doch! Ein letztes Wort. Sie haben gesagt, Herr Kollege Ruf, es zeige sich immer deutlicher, daß die FDPFraktion bereit sei, die „Staatssicherung" zu unterstützen. ({2}) Der Gesetzentwurf, nach dem den Angehörigen der freien Berufe praktisch eine staatliche Hilfe für ihre Altersvorsorge gegeben werden soll, kommt nicht von der FDP, er kommt von der Bundesregierung, die Sie unterstützen. ({3}) Sie haben diesen Weg beschritten, nicht wir. Wir haben auch bei der Handwerkerversicherung davor gewarnt, diesen Weg zu gehen. Zeigen Sie endlich, daß Sie entweder bereit sind, auf diesem Weg umzukehren oder - lieber - für alle Berufsgruppen die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. ({4})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Frehsee!

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder nur ganz wenige Worte, weil die Zeit schon so weit vorgeschritten ist! Herr Kollege Ruf, jetzt verstehe ich, warum Sie den Antrag gar nicht begründet haben; denn Ihre Argumente waren doch sehr, sehr schwach, um mich vorsichtig auszudrücken. Wollen Sie denn damit, daß Sie darauf hinweisen, eine Erhöhung des Altersgeldes sei nicht offiziell, nicht seitens des Bauernverbandes gefordert, im Gegenteil habe dieser erklärt, daß er eine solche Forderung zu keiner Zeit gestellt habe, vielleicht sagen, daß die Betroffenen, die Altersgeldempfänger, gegen ,die Erhöhung um 20 %, also von 60 auf 72 bzw. von 40 auf 48 DM, seien? Meine Damen und Herren, wer die Verhältnisse insbesondere in den Gebieten mit kleinbäuerlicher Struktur - und das sind weite Gebiete unseres Landes - kennt, der weiß, wie sehr eine solche 20 %ige Erhöhung dieser bescheidenen Altersgelder begrüßt wird und wie dringend sie aus sozialen Gründen erforderlich ist. Nicht immer - ,darauf hat der Kollege Dröscher schon hingewiesen - ist das eine sogenannte Altenteils-Zuschußrente, also das Tabakgeld zu dem in Naturalien, in freier Kost und Wohnung gewährten Unterhalt. Häufig ist das ein wesentlicher Bestandteil des Einkommens dieser alten Leute. Und daß die Steigerung der Lebenshaltungskosten diese Leute nicht treffe, Herr Kollege Ruf, weil sie die Lebensmittel und die Wohnung ja hätten, ist doch wohl auch ein ganz schwaches Argument. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick! Meine Damen und Herren, Sie können nichts Unmögliches verlangen. Gegen diese Geräuschkulisse anzusprechen, ist beim allerbesten Willen nicht mehr möglich. Ich bitte, sich doch zu beruhigen. - Bitte, fahren Sie fort.

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das einzige Argument, Herr Kollege Ruf, das ich Ihnen abnehme, ist Ihr Argument zur Frage der Finanzierung. Das hat ja auch Herr Kollege Dröscher schon gesagt. ({0}) Bitte schön, wir bemühen uns doch mit einer Vielzahl von Maßnahmen, die auf dem Landwirtschaftsgesetz basieren, die Situation in der Landwirtschaft zu verbessern. Wir wollen doch nicht so skeptisch, so pessimistisch sein, zu unterstellen, daß uns das niemals gelingen wird. Ich ,glaube schon, daß wir da Fortschritte erzielen werden. Aber nach dem Grünen Bericht, der hier in ,diesem Jahr vorgelegt worden ist, kann man jetzt eben keine Beitragserhöhung beschließen, sondern muß das, was für diese Zwecke erforderlich ist, aus Bundesmitteln zuschießen. ({1}) Dabei, Herr Kollege Ruf, kann man hier im Zusammenhang mit dem Altersgeld, das nun 72 DM betragen soll, nicht von übertriebenen Sozialleistungen sprechen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist hinreichend unterstützt. Zur Abstimmung steht der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 859 Ziffer 1. Wer dafür ist, muß mit Ja stimmen, wer dagegen ist, muß mit Nein stimmen. Ich bitte, die ) Stimmkarten einzusammeln. Wir haben noch die Abstimmung über den Antrag Umdruck 886 Ziffer 3 vorzunehmen. Wird zu diesem Änderungsantrag der Fraktion der FDP noch das Wort gewünscht? ({0}) Wenn der CDU-Antrag abgelehnt wird, kommt Ihr Antrag. - Gut dann muß ich warten. Ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 194 Mitglieder des Hauses, mit Nein 165, enthalten haben sich drei. Mit Ja haben gestimmt 6 Berliner Mitglieder des Hauses, mit Nein haben gestimmt 6 Berliner Mitglieder des Hauses. Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU ist angenommen. Damit erübrigt sich der Antrag der FDP Umdruck 886 Ziffer 3. Ja Bausch Becker ({1}) CDU/CSU Berberich Frau Ackermann Berger Graf Adelmann Dr. Bergmeyer Dr. Aigner Dr. Besold Baldauf Dr. Birrenbach Balkenhol Fürst von Bismarck Dr. Bartels Frau Dr. Bleyler Dr. Barzel Blöcker Bauereisen Brand Frau Brauksiepe Kuntscher Brese Lang ({2}) Brück Lenz ({3}) Bühler Lenze ({4}) Burgemeister Leonhard Dr. Conring Lermer Dr. Czaja Leukert Demmelmeier von Lindeiner-Wildau Diebäcker Dr. Lindenberg Dr. Dollinger Lücker ({5}) Drachsler Lulay Draeger Maier ({6}) Dr. Dr. h. c. Dresbach Dr. Baron Manteuffel-Szoege Eichelbaum Dr. Martin Engelbrecht-Greve Maucher Frau Engländer Meis Enk Memmel Eplée Mengelkamp Etzenbach Menke Dr. Even ({7}) Meyer ({8}) Even ({9}) Mick Finckh Muckermann Dr. Franz Mühlenberg Franzen Müller-Hermann Dr. Frey Müser Dr. Fritz ({10}) Nieberg Fritz ({11}) Oetzel Fuchs Frau Dr. Pannhoff Funk Pelster Frau Dr. Gantenberg Dr. Pflaumbaum Gaßmann Dr. Preiß Gedat Probst ({12}) Gehring Rasner Frau Geisendörfer Frau Dr. Rehling Gerns Dr. Reinhard D. Dr. Gerstenmaier Richarts Gewandt Riedel ({13}) Gibbert Frau Rösch Glüsing ({14}) Rösing Goldhagen Rollmann Dr. Gossel Rommerskirchen Gottesleben Dr. Rüdel ({15}) Günther Ruf Freiherr zu Guttenberg Ruland Hackethal Scharnberg Häussler Scheppmann Hahn Dr. Schild Dr. Hahne Schlee Harnischfeger Schlick Dr. Hauser Dr. Schmidt ({16}) Heix Frail Schmitt ({17}) Dr. Graf Henckel Schmücker Dr. Hesberg Schneider ({18}) Hesemann Dr. Schneider ({19}) Heye Schütz ({20}) Hilbert Schulze-Pellengahr Höcherl Frau Dr. Schwarzhaupt Dr. Höck ({21}) Seidl ({22}) Höfler Siebel Holla Dr. Siemer Hoogen Simpfendörfer Horn Solke Huth Spies ({23}) Dr. Huys Dr. Stecker Jahn ({24}) Josten Stiller Katzer Dr. Storm ({25}) Kemmer Storm ({26}) Dr. Kempfler Struve Kisters Teriete Dr. Kliesing ({27}) Tobaben Knobloch Dr. Toussaint Dr. Knorr Varelmann Koch Vehar Dr. Kopf Frau Vietje Kraft Vogt Kramel Wacher Krammig Dr. Wahl Krüger ({28}) Wehking Krüger ({29}) Weimer Krug Weinkamm Frau Dr. Kuchtner Werner Kühlthau Wieninger Dr. Willeke Frau Keilhack Windelen Frau Kettig Winkelheide Keuning Dr. Winter Killat ({30}) Wittmann Kinat ({31}) Wittmer-Eigenbrodt Könen ({32}) Worms Koenen ({33}) Dr. Wuermeling Frau Korspeter Wullenhaupt Kraus Dr. Zimmer Dr. Kreyssig Kriedemann Berliner Abgeordnete Kurlbaum Benda Lange ({34}) Dr. Gradl Lantermann Hübner Lautenschlager Dr. Krone Lohmar Lemmer Ludwig Stingl Lücke ({35}) Lünenstraß Marx Nein Matzner Meitmann SPD Merten Frau Albertz Dr. Meyer ({36}) Altmaier Meyer ({37}) Altvater Frau Meyer-Laule Dr. Arndt Dr. Mommer Auge Müller ({38}) Bading Müller ({39}) Bäumer Nellen Bals Odenthal Bauer ({40}) Paul Baur ({41}) Peters Bay Pöhler Dr. Bechert Prennel Behrendt Priebe Frau Bennemann Pütz Bergmann Pusch Berkhan Rehs Berlin Reitz ) Bettgenhäuser Reitzner Frau Beyer ({42}) Frau Renger Dr. Bleiß Rimmelspacher Börner Ritzel Dr. Brecht Rohde Bruse Frau Rudoll Büttner Dr. Schäfer Corterier Scheuren Dewald Dr. Schmid ({43}) Dopatka Dr. Schmidt ({44}) Dröscher Schmidt ({45}) Frau Eilers ({46}) Schmitt-Vockenhausen Erler Schoettle Eschmann Schröder ({47}) Felder Seidel ({48}) Folger Seither Franke Frau Seppi Frehsee Seuffert Geiger ({49}) Sträter Geritzmann Striebeck Haage Frau Strobel Hamacher Dr. Tamblé Hansing Theil ({50}) Dr. Harm Theis ({51}) Heide Wegener Dr. Dr. Heinemann Wehner Hellenbrock Welke Frau Herklotz Welslau Herold Weltner ({52}) Höcker Frau Wessel Höhmann Wilhelm Höhne Wischnewski Hörauf Wittrock Iven ({53}) Zühlke Jacobs Jahn ({54}) Berliner Abgeordnete Jaksch Frau Krappe Jürgensen Neumann Junghans Dr. Schellenberg Jungherz Dr. Seume Kalbitzer Frau Wolff ({55}) FDP Stahl Dr. Achenbach Dr. Stammberger Dr. Bucher Walter Dr. Dehler Weber ({56}) Frau Dr. Diemer-Nicolaus Zoglmann Döring ({57}) Berliner Abgeordnete Dürr Eilers ({58}) Dr. Will Keller Dr. Kohut Fraktionslos Kühn ({59}) Behrisch Lenz ({60}) Matthes Logemann Schneider ({61}) Margulies Dr. Schranz Mauk Freiherr von Mühlen Enthalten Murr Ramms CDU/CSU Dr. Schneider ({62}) Kunst Schultz Leicht Spitzmüller Stauch Wir kommen zur Abstimmung über den § 4 in der durch die Annahme des Änderungsantrages der CDU/CSU geänderten Fassung. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 4 in der geänderten Fassung ist angenommen. Damit, meine Damen und Herren, unterbreche ich die Sitzung bis 14.20 Uhr. Die Sitzung ist unterbrochen. ({63})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Ich wäre dankbar, wenn die Lücke zu meiner Linken bald geschlossen würde. Aber ich unterstelle Ihr Einverständnis, daß wir trotzdem mit den Beratungen beginnen. Wir stehen beim Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte, und zwar beim § 5. Ich rufe § 5 hiermit auf. Dazu liegt ,der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 859 Ziffer 2 vor. - Ich nehme an, er wird begründet. Das Wort hat Herr Abgeordneter Berberich.

August Berberich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000144, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf unseren Änderungsantrag wie folgt begründen. Der Satz 2 des § 5 soll deshalb gestrichen werden - ,er lautet: „Der Beschluß bedarf der Zustimmung der Bundesregierung" -, weil er durch die von uns beantragte Anfügung eines Abs. 2 überflüssig wird. Danach ist das zusätzliche Altersgeld aus dem Beitragsaufkommen zu decken. In dem Moment, in dem ein zusätzliches bzw. ein erhöhtes Altersgeld beschlossen wird, das allein aus dem Beitragsaufkommen zu decken ist, ist die ursprüngliche Bestimmung, daß diese Erhöhung der Zustimmung der Bundesregierung bedarf, überflüssig geworden. Sie wäre notwendig, wenn die Organe mit diesem Beschluß gleichzeitig auch über einen Zuschuß des Bundes beschlössen. Nachdem dies nicht mehr der Fall ist, haben wir die Streichung dieses Satzes und die Anfügung des Abs. 2 beantragt. Im übrigen bedarf dieser Paragraph keiner weiteren Änderungen. Ich glaube, daß darüber allgemeines Einverständnis besteht.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Sie, lieber Herr Kollege Berberich, leider enttäuschen. Es besteht nicht allgemeines Einverständnis; wenn auch in anderen Fragen, auf die wir nachher zu sprechen kommen, nunmehr weitgehendes Einverständnis hergestellt ist, worüber wir sehr froh sind. In diesem Punkte besteht es aber nicht. Der Satz 2 ist ja wohl nicht überflüssig, Herr Kollege Berberich, sondern er ist einfach nicht mehr berechtigt. Ihm fehlt die innere Berechtigung, wenn so beschlossen wird, wie Sie es beantragt haben, wenn also ein zweiter Absatz angefügt wird, der bestimmt, daß alles zusätzliche Altersgeld aus dem Beitragsaufkommen zu decken sei. Es fehlt außerdem eine bestimmte Konsequenz, Herr Kollege Berberich; denn eigentlich hat dann auch der dritte Satz in § 5 keine Berechtigung mehr. Wenn Sie schon der Selbstverwaltung völlig überlassen, ob und wieweit sie die Altersgelder erhöht, dann müssen Sie ihr die Entscheidung ganz überlassen, dann können Sie nicht sagen: Aber nur im Rahmen der Prozentsätze, um die in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten die Renten erhöht worden sind. Das besagt dieser dritte ,Satz. Es ist nicht ganz logisch und nicht ganz schlüssig, aber ganz abgesehen davon wollte ich auf diese Dinge nur einmal hingewiesen haben. Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei sieht sich nicht in der Lage, dein Antrage zuzustimmen. Wir sind der Auffassung, daß es bei der Fassung des § 5 der Ausschußvorlage bleiben soll, wonach die Erhöhungen der Altersgelder auch in Zukunft der Zustimmung der Bundesregierung bedürfen sollen. Wir sind der Meinung, daß bei den Erhöhungen der Altersgelder ein entsprechender Anteil durch Bundeszuschüsse getragen werden sollte. In diesem Falle folgen wir also Ihrer im Gesetzentwurf weitgehend geänderten Konzeption nicht. Da sind Sie nun auf dem halben Wege oder auf fünf Sechstel des Weges stehengeblieben, und deswegen können wir der Ziffer 2 auf Umdruck 859 ({0}) nicht zustimmen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Weber!

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Das, was Kollege Berberich hier vorgetragen hat, bedarf noch einer näheren Erläuterung. Wir sind in letzter Zeit von der CDU auf sozialpolitischem Gebiet allerhand gewohnt. ({0}) - Vom Stilwandel in der Sozialpolitik zum Wandelstil, und hier haben Sie direkt Kapriolen geschlagen! Lassen Sie sich dazu an Hand der Vorgänge folgendes sagen. Als der Ausschuß beschlossen hatte, daß die Altershilfe erhöht werden soll, haben Sie - ich habe davor gewarnt, nichts im Ärger und im Verdruß zu machen, sondern sich die Sache ruhig zu überlegen - im Ausschuß vorgeschlagen und durchgesetzt, daß das Defizit neben dem Beitragsaufkommen, soweit es nicht von den Alterskassen nach den Bestimmungen des § 5 des Landwirtschaftsgesetzes gedeckt wird, aus Mitteln des Grünen Plans geleistet werden soll. Man hatte ferner vorgeschlagen, einen Abs. 4 in den § 7 einzusetzen: „Setzt die Vertreterversammlung den Beitrag nicht in der erforderlichen Höhe fest, ist die Bundesregierung ermächtigt, den Beitrag im Rahmen des Abs. 3 Satz 2 mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung festzusetzen." Meine Damen und Herren, damals wollten Sie - ich habe es sehr deutlich gesagt - im Ausschuß die Selbstverwaltung beschneiden. Heute wollen Sie durch Ihren Antrag in dem freien Spiel zwischen der Selbstverwaltung auf der einen Seite und der Korrektur, der Überwachung durch die Regierung auf der anderen Seite der Regierung das Recht der Zustimmung wieder wegnehmen. Früher haben Sie die dynamische Rente vertreten, jetzt wollen Sie ein Sozialrecht regelrecht zementieren. Kein Mensch von uns hat gefordert, daß der Beitrag erhöht werden soll; das ist auf allen Seiten ganz klar gesagt worden, das wurde auch von seiten des Bauernverbandes sehr deutlich gesagt. Diese Gedanken sind allein in der Fraktion der CDU/CSU geboren, sind von ihr in die Welt gesetzt worden; darüber gibt es gar keinen Zweifel. Und nun wollen Sie - Herr Kollege Frehsee hat es gesagt - festlegen, daß jede Erhöhung ausschließlich auf Kosten der Beitragszahlung geht, obwohl ich Ihnen, meine Damen und Herren, sehr deutlich dargelegt habe, daß gerade in diesem Strukturwandel ein Wanderungsproblem steckt und daß man von den verbleibenden Bauern nicht erwarten kann, daß sie die Last der Abgewanderten tragen. Deshalb ist es, auch vom sozialpolitischen und organisatorischen Standpunkt aus, völlig falsch, was Sie hier vorschlagen. Herr Kollege Frehsee hat recht. Behalten Sie die jetzige Fassung bei und streichen Sie nachher in § 7 den Abs. 4, wie wir und wie auch Sie beantragt haben. Weiteres hierzu ist nachher, wenn die Anträge zu § 7 aufgerufen werden, zu sagen. Ich möchte also 'das Hohe Haus bitten, den Antrag der CDU abzulehnen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wird zu § 5 und zu dem Änderungsantrag weiter das Wort gewüscht? - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich über den Änderungsantrag Umdruck 859 ({0}) Ziffer 2 der Fraktion der CDU/CSU abstimmen lassen. Wer diesem Antrag zuzustim9100 Vizepräsident Dr. Jaeger men wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Ich lasse über § 5 in der Ausschußfassung mit der soeben beschlossenen Änderung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; es ist so beschlossen. § 6. Keine Änderungsanträge. Keine Wortmeldung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Das ist die große Mehrheit; angenommen. Ich komme zu § 7 und zu den Umdrucken 859 Ziffer 3, 873 Ziffern 1, 2, 3 und 386 Ziffer 4. Wer wünscht das Wort zur Begründung der Änderungsanträge? - Bitte sehr, Herr Frehsee!

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begründe zu § 7 den Antrag auf Umdruck 873 Ziffer 2 und, wenn Sie, Herr Präsident, erlauben, auch gleich Ziffer 3. Diese beiden Anträge stehen in einem engen Zusammenhang.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Bitte sehr!

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir beantragen, dem Abs. 2 des § 7 folgende Fassung zu geben: Der Beitrag beträgt für jedes von dem Beitragspflichtigen betriebene landwirtschaftliche Unternehmen 12 Deutsche Mark im Monat. Wir beantragen ferner, die Abs. 3 und 4 des § 7 zu streichen. In gewisser Beziehung decken sich diese Anträge der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei mit den Anträgen, die jetzt von der Fraktion der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union vorgelegt werden. Sie unterscheiden sich insofern, als wir fordern, daß für jeden landwirtschaftlichen Betrieb ein Monatsbeitrag von 12 DM erhoben wird. Nun, der Tatbestand, daß sich die Anträge der CDU und der SPD weitgehend decken, verdient herausgestellt zu werden. Dieser Tatbestand bedeutet, daß sich die Fraktion der Christlich-Demokratischen Union nunmehr der Konzeption der Sozialdemokratischen Partei in bezug auf die Finanzierung der landwirtschaftlichen Alterskassen und des landwirtschaftlichen Altersgeldes weitgehend angeschlossen hat. Wir begrüßen das außerordentlich. Meine Damen und Herren, erinnern Sie sich bitte daran, was am 2. und 3. Juli 1957 von dieser Stelle aus zu dem Thema der Finanzierung der landwirtschaftlichen Alterskassen gesagt worden ist. Die Herren, die damit zu tun haben, haben das ja ganz sicher vor der zweiten und dritten Lesung dieser Novelle noch einmal nachgelesen; ich habe es auch getan. Ich muß schon sagen, dieser Sinneswandel ist gewaltig, aber er ist zu begrüßen. ({0}) Aus der Sache heraus, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, freuen wir uns über diesen Sinneswandel. Wir freuen uns darüber, daß unser Kollege Dr. Martin Schmidt damals am 2. Juli 1957 bei der zweiten und dritten Lesung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte doch recht gehabt hat, als er Herrn Kollegen Horn zugerufen hat: „Sie irren!", als nämlich Herr Kollege Horn sagte: „Wir können hier keine laufenden Bundeszuschüsse einbauen", und als er Herrn Kollegen Winkelheide zurief: „Wir werden ja sehen!", als nämlich der Kollege Winkelheide sagte: „Das ist eine Alterssicherungseinrichtung, die auf Selbstverantwortung, auf Eigenverantwortung, Eigenfinanzierung usw. beruht". Wir haben damals schon gewarnt. Nun, ich will zugeben, daß auch wir damals nicht übersehen konnten, wie sich die Finanzverhältnisse der Alterskassen entwickeln würden. Wir sind ja damals alle miteinander davon ausgegangen, daß auf einen Altersgeldempfänger fünf Beitragspflichtige kommen würden. Dieses Verhältnis ist nun in Wirklichkeit 1 zu 2,4, auf einen Altersgeldempfänger entfallen also nur 2,4 Beitragspflichtige. Das ist der Grund für die Finanzmisere, in die die Alterskassen geraten sind, und für dieses große Defizit, über ,das wir Jahr für Jahr immer wieder gesprochen haben, bei den Haushaltsberatungen und auch im Zusammenhang mit dem Grünen Plan, also bei den „grünen Debatten". Sie werden sich daran erinnern. Wir haben immer den Standpunkt vertreten, daß man dieses Defizit aus allgemeinen Haushaltsmitteln decken sollte und daß diese Mittel beim Haushaltsplan 11, also beim Haushalt des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, ressortieren sollten. Ich verweise nur deshalb darauf, um Sie an die fortlaufenden Diskussionen über diese Frage zu erinnern. Wir haben damals schon in Erwartung eines Defizits - allerdings nicht eines so großen - einen Bundeszuschuß beantragt. Sie haben ,das vor vier Jahren abgelehnt. Wir haben eine Bundesgarantie beantragt, Sie haben sie abgelehnt. Nun ja, Sie können heute herkommen und sagen: Was wollen Sie denn? Wir haben sie ja nicht nötig gehabt, haben zumindest eine gesetzliche Bundesgarantie nicht nötig gehabt! - Der Herr Finanzminister, Herr Schäffer, ist damals hier ans Rednerpult gegangen und hat erklärt, er gebe im Namen der Bundesregierung die Versicherung ab, daß das Defizit aus Bundesmitteln gedeckt werde. Es ist gedeckt worden, aber nicht auf gesetzlicher Grundlage. Über den landwirtschaftlichen Alterskassen, über ihren Mitgliedern und über den Altersgeldempfängern hing während der ganzen Zeit, in der wir die Altershilfe haben, das Damoklesschwert der Ungewißheit, ob die Altersgeldzahlung aufrechterhalten werden kann, ob .die Beiträge in der hier festgesetzten Höhe aufrechterhalten werden können und vieles mehr. Wir haben schon am 1. Juli 1958, nachdem dieses Gesetz dreiviertel Jahre in Kraft war, jenen Antrag gestellt, der heute auch noch auf der Tagesordnung steht, man möge einen Bundeszuschuß gewähren, und die Bundesregierung möge eine Novelle vorlegen, in der dieser Bundeszuschuß verankert wird. Sie ist dann im Mai 1959 vorgelegt worden. Der Bundeszuschuß steht immer noch nicht darin. Jetzt sind wir glücklich so weit. Wir haben uns zwei Jahre lang in den Ausschüssen über diese Frage unterhalten, und bis vor zwei Tagen war die Entscheidung noch immer nicht gefallen. Vorgestern nachmittag - es war ein wahrhaft historischer Tag für die landwirtschaftliche Altershilfe - hat sich die Mehrheitsfraktion dieses Hohen Hauses endlich entschlossen, diesen Bundeszuschuß, der dringend erforderlich ist, gesetzlich zu verankern. Insofern befinden wir uns jetzt, was die Finanzierung der landwirtschaftlichen Alterskassen betrifft, auf einer Linie. Wenn es noch den Streit über die Frage gibt, ob jeder landwirtschaftliche Betrieb beitragspflichtig ist oder nur der landwirtschaftliche Unternehmer unabhängig davon, wieviele landwirtschaftliche Betriebe er getrennt voneinander bewirtschaftet, so ist das in diesem Rahmen nur eine zweitrangige Frage. Sie wird an anderer Stelle noch einmal aufgeworfen werden. Aber in der Grundsatzfrage sind wir nunmehr einer Auffassung. Das bedeutet, Herr Präsident, ,daß, wenn Sie über Ziffer 3 des Antrages der CDU abstimmen lassen - der zwar noch nicht begründet ist, aber ich darf es vielleicht zur Erleichterung der Geschäfte gleich sagen -, die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei den Absätzen 1 und 2 unter Ziffer 3 des Umdrucks 859 ({1}) zustimmen würde und damit ihren Antrag unter Ziffer 2 des Umdrucks 873 als erledigt ansehen würde. Das gilt aber nicht für Abs. 3 des § 7, wie er von der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 859 ({2}) unter Ziffer 3 vorgeschlagen wird. Ich beantrage deshalb absatzweise Abstimmung über Ziffer 3 des Antrages der CDU/CSU.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Weber!

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verschiedene Erscheinungen sind bei diesem Sinneswandel in der Mehrheitsfraktion zu begrüßen. Ich möchte es ganz kurz machen. Ich habe vorhin schon unseren Antrag, der hier gleichlautend ist, nämlich Abs. 4 des § 7 zu streichen, begründet. Zu den Absätzen 1 und 2 des § 7 sagen wir in der von Ihnen in Umdruck 859 ({0}) vorgeschlagenen Fassung ein volles Ja. Abs. 3 beantragen wir zu streichen. Ich möchte deshalb den Antrag unterstüzen, Herr Präsident, daß auch in diesem Fall absatzweise abgestimmt wird. Die Abstimmung über die Absätze 1 und 2 kann zusammen erfolgen, während über Abs. 3 eine eigene Abstimmung erforderlich ist.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Berberich!

August Berberich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000144, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Frehsee hat hier den Standpunkt der SPD-Fraktion zu unseren Änderungsanträgen zu § 7 Abs. 1 und 2 dargelegt. Ich war von vornherein davon überzeugt, daß er diesen Änderungsanträgen, die ja auch den Auffassungen der SPD-Fraktion entsprechen, zustimmen wird. Er hat von einem Gesinnungswandel innerhalb der Fraktion gesprochen, und insbesondere auch der Herr Kollege Weber hat dies getan. Dazu möchte ich sagen: vielleicht haben es die Oppositionsfraktionen in solchen Fragen etwas leichter als die Mehrheitsfraktion, die für die Finanzierung der einzelnen Anträge auf dem Umweg über Steuermittel verantwortlich ist. ({0}) Es ist doch eben manchmal notwendig, daß die Diskussionen etwas ausgedehnter geführt werden, als es sonstwo notwendig ist. Nun möchte ich noch etwas zu den Ausführungen des Kollegen Frehsee über die Auffassung der SPD-Fraktion sagen, daß zwar jeder Betrieb einen Beitrag zahlen soll, daß aber der Betriebsinhaber - auch wenn er mehrere Beiträge geleistet hat - nur eine Leistung, nur ein Altersgeld erhalten soll. Wir haben ja in den Ausschüssen unseren Standpunkt in dieser Frage klargelegt. Wir müßten ganz erhebliche rechtliche Bedenken geltend machen, wenn jemand öfters zu einem Beitrag veranlagt wird und man ihm nur eine Leistung gewährt. Wir können uns aber auch nicht entschließen, dem damaligen Anliegen der FDP-Fraktion zuzustimmen, die für jeden Betrieb einen Beitrag und auch eine Leistung wollte. Meine Damen und Herren, gerade dort, wo verschiedene Betriebe in einer Hand vereinigt sind, besteht überhaupt keine Veranlassung dazu, aus Bundesmitteln verschiedene Male den Zuschuß zu einem Altersgeld zu gewähren. Wir würden dem Sinn des Gesetzes, den landwirtschaftlichen Betrieben, die in einer schwierigen Situation sind, zu helfen, geradezu entgegenarbeiten, wenn wir dem Betriebsinhaber, der auf Grund seiner finanziellen Situation in der Lage ist, verschiedene Betriebe zu bewirtschaften, das Altersgeld zwei- oder dreifach gäben und damit auch den Zuschuß des Bundes, der darin einbegriffen ist. Das halten wir für falsch. Wir sind der Meinung, man muß an dem Grundsatz „Ein Beitrag, eine Leistung" festhalten; diesen Grundsatz enthält unser Antrag. Von der ursprünglichen Formulierung, von der Festsetzung durch die Organe sind wir aus folgendem Grunde abgegangen: Wenn man den Zuschuß des Bundes in der Form, wie wir ihn hier vorgesehen haben, festlegt, ist es notwendig, daß auch der Beitrag im Gesetz festgelegt ist. Deshalb unser Antrag dazu. Herr Kollege Frehsee hat ausgeführt, von seiner Fraktion sei schon im 2. Deutschen Bundestag darauf hingewiesen worden, daß erhebliche Bundeszuschüsse notwendig sind. Herr Kollege Frehsee, mit Ihren Zahlen, die Sie hier gegeben haben, nämlich Beitragszahler 5, Leistung 1, hätte die damalige Konzeption - 10 DM Beitrag - absolut gestimmt. Die ganze Misere der Finanzierung der Alterskasse ist ja daher gekommen, daß alle statistischen Unterlagen, die dafür herangezogen worden sind, sich nachträglich als nicht richtig erwiesen haben. Das sagen ja die Zahlen aus, die heute feststehen. Nur deshalb sind die Alterskassen notleidend geworden, nicht etwa aus einer damals falsch entworfenen Konzeption, sondern weil man diese Konzeption auf einer Grundlage aufgebaut hat, die sich als nicht richtig erwiesen hat, wie wir heute sehen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Meine Damen und Herren, wird weiterhin das Wort zu § 7 und den dazu gestellten Änderungsanträgen gewünscht? - Herr Abgeordneter Weber!

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ganz kurz! Diese Ausführungen können nicht unwidersprochen bleiben. Erstens: Herr Kollege Berberich, wir hatten im Ausschuß den Antrag auf 12 DM gestellt. Wir haben es nicht mehr gewagt, ihn zu wiederholen, weil er uns abgelehnt wurde, und wir hätten eis auch der Selbstverwaltung der Alterskassen zugetraut, daß sie von sich selbst aus nicht erhöhen. Zweitens: Sie haben den einen Grundsatz hervorgezogen, unseren Hauptgrundsatz - ohne dogmatisch zu werden -: Ein Hof, ein Beitrag, eine Leistung. Wir haben gleichzeitig aber auch entgegen der jetzigen Gesetzesfassung beantragt, daß der, der zwei Höfe hat, zweimal zahlen soll. Wir haben jetzt einen Kompromiß geschlossen, und es war unfair, daß Sie das einseitig geschildert haben. Im Grundsatz: Den Absätzen 1 und 2 Ihres Antrages stimmen wir zu, Abs. 3 muß gestrichen werden!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiterhin das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen nun zum Abstimmen, und zwar zuerst über den Antrag der CDU/CSU Umdruck 859 ({0}). Von einem der Herren Redner ist vorgeschlagen worden, getrennte Abstimmung vorzunehmen. Ich nehme an, daß die Antragsteller einverstanden sind. - Die Änderung des § 7 betrifft die Absätze 1 bis 3. Jetzt lasse ich über die einzelnen Absätze abstimmen; so war es gewünscht. ({1}) - 1 und 2 zusammen. Wir stimmen also ab über den Antrag der CDU/CSU Umdruck 759 ({2}) Ziffer 3 a betreffend § 7: Absätze 1 und 2. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen. Einstimmig angenommen. Abs. 3! Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? ({3}) - Bei 873? Das habe ich nicht verstanden. ({4}) - Ich bin schon in der Abstimmung, das hätten Sie eher machen müssen! Ich darf wiederholen, damit es keine Unklarheiten gibt: Wer ist für Abs. 3? - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen. Nun komme ich zu Ziffer 3 b des gleichen Umdrucks: Absatz 4 wird gestrichen, Absatz 5 wird Absatz 4, Absatz 6 wird Absatz 5. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Wir kommen nun zu dem Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 873. Der Antrag Ziffer 2 ist für erledigt erklärt. Abzustimmen ist über den Antrag Ziffer 1 betreffend Abs. 1. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Abgelehnt. Wir kommen zu Ziffer 3, zu dem Antrag, Abs. 3 und 4 zu streichen. ({5}) - Auch dieser war vorhin schon erledigt? - Gut. Der Antrag der FDP Umdruck 886 Ziffer 4 ist erledigt. Wer § 7 mit den soeben beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Ich komme zu § 8. Dazu liegen die Änderungsanträge Umdruck 859 Ziffer 4, 873 Ziffer 4 und 886 Ziffer 5 vor. Das Wort hat der Abgeordnete Berberich.

August Berberich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000144, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der jetzt vorgesehenen Fassung des § 8 soll der Bundeszuschuß im Rahmen der Maßnahmen nach §§ 5 und 6 des Landwirtschaftsgesetzes geleistet, also im Grünen Plan veranschlagt werden. Wir beantragen, die Worte „im Rahmen der Maßnahmen nach §§ 5 und 6 des Landwirtschaftsgesetzes" zu ersetzen durch die Worte „aus Bundesmitteln". Damit ändert sich nichts an der von uns immer vertretenen Auffassung, daß die Mittel in diesem Jahr wie auch in den kommenden Jahren im Rahmen des Grünen Plans veranschlagt werden können. Auch wenn die Bundesregierung vorschlägt, die Mittel im Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu veranschlagen, hätte der Bundestag haushaltsrechtlich die Möglichkeit, sie sonstwohin zu übertragen, ebenso wie der Bundestag bei Annahme der vom Herrn Kollegen Weber beantragten Fassung, wonach die Mittel im Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung untergebracht werden sollen, in seinen haushaltsrechtlichen Möglichkeiten nicht beeinträchtigt würde. Wir bitten deshalb, die von uns vorgeschlagene Formulierung anzunehmen und den Antrag der FDP abzulehnen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Weber!

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Berberich, wir haben Ihre Haltung zur Kenntnis genommen. Wir werden Ihrem Antrag zustimmen, weil er jetzt anders lautet als die von Ihnen im Ausschuß vorgelegte Fassung. Unter Antrag ist formuliert worden, als wir noch nicht ahnen konnten, welchen Lauf die Dinge hier nehmen würden. Die Formulierung des Herrn Kollegen Berberich ist also schon etwas weicher und vorsichtiger. Trotzdem wird die FDP an ihrem Standpunkt festhalten, und die Frage wird nicht vom Tisch kommen, bis die Mittel dort veranschlagt sind, wo sie hingehören.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Frehsee!

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Berberich, ich bin einigermaßen erstaunt über die Auslegung Ihres Antrags Umdruck 859 ({0}) Ziffer 4. Ich war der Auffassung, die von Ihnen beantragte, gegenüber dem Wortlaut des § 8 in der Ausschußfassung weitgehend geänderte Fassung solle bedeuten, daß die Zuschüsse für ,die landwirtschaftlichen Alterskassen aus dem Haushalt des Arbeitsministers genommen werden sollten. Ich hatte gemeint, das darin bestätigt zu finden, daß der Herr Bundeslandwirtschaftsminister, der bisher immer gegenteiliger Auffassung war, heute überhaupt nicht anwesend ist und das Feld dem Herr Bundesarbeitsminister bzw. seinem Vertreter überlassen hat. Im übrigen war auch bisher schon für dieses Gesetz immer das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung federführend. Es ist doch keine saubere Sache, daß die Mittel für diese Maßnahme auf dem Gebiet der sozialen Sicherung aus dem Haushalt des Landwirtschaftsministeriums genommen werden sollen. Unter Umständen ist das nicht einmal „verfassungsgerichtssicher", um den Ausdruck zu verwenden, der gestern früh vom Herrn Bundesminister des Innern neu geprägt worden ist und der allen so gut gefällt. ({1}) Im Landwirtschaftsgesetz steht nichts von Sozialpolitik. Dort sind ,die Mittel, die angewandt werden sollen, um die natur- und strukturbedingten Nachteile der Landwirtschaft auszugleichen, ausdrücklich in einem Katalog aufgeführt. Da steht: mit den Mitteln der allgemeinen Wirtschafts- und Agrarpolitik, der Kredit-, Handels-, Steuer- und Preispolitik. Da steht nicht: mit den Mitteln der Sozialpolitik. Ich habe im Ausschuß bereits mehrfach darauf verwiesen. Meine Damen und Herren, es wird wohl niemand kommen und deswegen eine Verfassungsklage beim Bundesverfassungsgericht erheben, aber ich verweise darauf. Das ist keine gute Sache! Das Geld kommt doch aus dem Haushalt des Bundes, und es sollte nicht erst im Grünen Plan aufgeführt werden. Es sollte der Ordnung halber dort aufgeführt werden, wo es hingehört. Nach der Geschäftsordnung der Bundesregierung gehört dieser Zuschuß in den Etat ,des Bundesarbeitsministers, d. h. in den Einzelplan 11. So haben wir den Antrag der CDU verstanden. Wenn er anders gemeint ist, wie soeben Herr Kollege Berberich ausgeführt hat, können wir ihm natürlich nicht zustimmen. Wir bitten, unserem Antrag zuzustimmen. Da steht es nicht expressis verbis wie in dem Antrag der FDP. Aber ich erkläre ausdrücklich, daß wir damit den Einzelplan 11 des Bundeshaushalts meinen. Wir sind dann auch bereit, dem Antrag der FDP unter den Gesichtspunkten zuzustimmen, die jetzt neu aufgetaucht sind. In dem FDP-Antrag steht ausdrücklich: Aus Mitteln des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur 'Abstimmung. Es ist nicht unbedingt klar zu ersehen, ob der Antrag Umdruck 859 oder der Antrag Umdruck 873 der weiter gehende ist. ({0}) - Es scheint die Meinung zu sein, daß Antrag Umdruck 886 der weitestgehende ist. Darüber besteht offensichtlich Einigkeit, so daß es mir nicht schwerfällt, mich dem anzuschließen. Ich lasse also über Antrag Umdruck 886 Ziffer 5 der Fraktion der FDP abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Nun kommen wir zu den beiden Anträgen der CDU/CSU und der SPD. Da ich da einen entscheidenden Unterschied nicht festzustellen vermag, gehe ich in der Reihenfolge vor, in der die Anträge eingereicht wurden. Ich lasse über den Antrag Umdruck 859 ({1}) Ziffer 4 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Ist damit der Antrag Umdruck 873 Ziffer 4 erledigt? ({2}) - Nein? Ich lasse abstimmen über Antrag Umdruck 873 Ziffer 4. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; abgelehnt. Ich lasse nunmehr über § 8 mit der beschlossenen Änderung abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Dann kommen wir zu § 9. Mit ihm werden aufgerufen die Anträge Umdruck 859 Ziffer 5 und Umdruck 873 Ziffern 5 und 6, evtl. Umdruck 886 Ziffer 6 und Umdruck 896. Wer wünscht zur Begründung das Wort? - Herr Abgeordneter Geiger ({3}).

Hans Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Ihnen auf Umdruck 873 unter Ziffer 5 einen Antrag vorgelegt, der bezweckt, daß für diejenigen gewerblichen Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer im allgemeinen, die gleichzeitig auch einen landwirtschaftlichen Betrieb haben, keine Doppelbelastung eintritt, indem sie Beiträge zur Rentenversicherung und Beiträge für die Alterskasse der Landwirtschaft zahlen. Nach dem vom Ausschuß beschlossenen Text wäre das tatsächlich der Fall und würde eine Schlechterstellung gegenüber dem seitherigen Recht bedeuten, eine Schlechterstellung aber auch derjenigen, die einen Beitrag für eine eigene Altersvorsorge geleistet haben; denn diese würden nach bisherigem Recht keine 60 DM Altershilfe mehr erhalten, sondern es wäre der Beitrag von 12 DM abzuziehen. Das betrachten wir als nicht den Verhältnissen entsprechend. Betroffen davon sind etwa 65 000 Menschen. Es handelt sich vorwiegend um Waldarbeiter, also überwiegend um kleinere Existenzen, sowohl im landwirtschaftlichen als auch im gewerblichen Sektor, weiter um Eisenbahnarbeiter, Bauarbeiter, teilweise auch um Forstbeamte und eine ganze Reihe von Angehörigen anderer Berufe, die darunter fallen würden. Es gibt allerdings nach den Ausschußvorschlägen eine Änderung dann, wenn auf eine Altersgeldzahlung für die Eltern oder für einen Elternteil verzichtet wird oder wenn die Eltern schon verstorben sind. Wir betrachten unseren Vorschlag als sinnvoller, während der Dauer des versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auf die Beiträge zur landwirtschaftlichen Alterskasse zu verzichten. Darüber hinaus meinen wir, daß bei einer Versicherungspflicht von neun Monaten das ganze Jahr in der landwirtschaftlichen Alterskasse versicherungsfrei bleiben sollte. Das wäre vor allen Dingen auch deshalb sinnvoll, weil Sie auch bei dieser doppelten Beitragszahlung später beim Rentenbezug die Leistungen entsprechend kürzen und allenfalls bis zur halben Höhe des Altersruhegeldes gewähren wollen. Sie sollten sich das noch einmal überlegen, zumal der Herr Kollege Berberich vorhin mit aller Wärme den Grundsatz vertreten hat, daß für einen Beitrag auch eine Leistung gezahlt werden müsse. Er hat mit dieser Begründung abgelehnt, daß ein Besitzer mehrerer Betriebe mehrfach zum Beitrag veranlagt wird, weil dann nur Beitrag gezahlt werde, ohne daß eine entsprechende Leistung gewährt werde. Dieser Grundsatz ist zu bejahen. Ich hoffe, daß Sie sich nun auch bei unserem Antrag zu diesem Grundsatz bekennen. Uns geht es darum, daß keine Kürzung eintritt, sondern daß ein Rechtsanspruch auf die jeweilige Rentenleistung, für die Beitrag gezahlt worden ist, besteht. Wir sind der Auffassung, jede Beitragszahlung begründet auch einen entsprechenden Anspruch. Ich freue mich, von Ihnen zu hören, daß Sie hinsichtlich der Aufbringung der Leistungen der gleichen Auffassung sind. Wir hoffen und wünschen, daß Sie sich auch zu der Zustimmung zu einem derartigen Antrag durchringen können, zumal wir auch im bisherigen Rentenrecht den Grundsatz festgelegt haben, daß keine gegenseitige Anrechnung mehr erfolgen soll, wenn für zwei Renten Beiträge geleistet worden sind und aus zwei verschiedenen Beitragszahlungen ein entsprechender Rechtsanspruch entstanden ist. Ich bitte Sie also, unserem Antrag zuzustimmen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiter das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Berberich.

August Berberich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000144, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Geiger, ich bedaure, Ihren Ausführungen nicht ganz folgen zu können. Sie haben gerade ausgeführt, Beitrag und Leistung müßten wirklich im Verhältnis zueinander stehen. Wenn Sie das wirklich ernst meinen, dann haben Sie, wie mir scheint, Ihren Antrag nicht ganz richtig durchdacht. Mit Ihrem Antrag würden Sie nämlich erreichen, daß ,derjenige, der sechs Monate lang eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausübt und es regelmäßig während seines ganzen Lebens bis zur Erreichung seines 65. Lebensjahres tut, mit genau dem halben Beitrag zur Alterskasse dieselbe Leistung aus der Alterskasse erhält wie sein Nachbar, der das ganze Jahr über den Beitrag zur Alterskasse geleistet hat. Wir streben mit der von uns im Sozialpolitischen Ausschuß vorgenommenen Änderung an, daß wir zu einer wirklichen Scheidung zwischen denjenigen kommen, die ihre spätere Alterssicherung in der Rentenversicherung finden wollen, und denjenigen, die sie in der Altershilfe suchen wollen. Gerade deshalb haben wir die große Zahl von Befreiungsmöglichkeiten in diesen Paragraphen eingebaut, damit es hier nicht zu Härten kommt. Was Sie hier vorschlagen, würde praktisch die Fortsetzung des bisherigen Zustandes bedeuten, der so unbefriedigend war, weil es überhaupt nicht möglich war, daß die Verwaltung die Fluktuation zwischen Rentenversicherung und Altershilfe überprüfen konnte. Nach Jahr und Tag wurde festgestellt, daß jemand zwar seine Beitragspflicht zur Alterskasse abgemeldet hat, weil er eine rentenversicherungspflichtige Tätigkeit aufnahm, es aber „vergessen" hat, sich wieder bei der Alterskasse anzumelden, wenn jene versicherungspflichtige Tätigkeit beendet war. Das führte dazu, daß Forderungszettel der Alterskassen über einige hundert Mark kamen, und man sprach in der Öffentlichkeit davon, wie unsozial die Alterskassen vorgingen, indem sie von diesen Ärmsten der Armen 200 oder 300 DM Beitrag nachforderten. Um hier zu einer reinlichen Scheidung zu kommen und es dem einzelnen zu überlassen, wo er Vorsorge für seine Alterssicherung treffen will, können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Leonhard.

Gottfried Leonhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001328, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hinter dem Antrag der Abgeordneten Leonhard, Bausch, Leicht, Hilbert und Genossen auf Umdruck 896 stehen nicht nur die Antragsteller, sondern ein großer Teil 'der Abgeordneten dieses Hauses, und ich hoffe zuversichtlich, daß die große Mehrheit des Hauses dem Antrag zustimmt. Denn es gibt wohl keinen Abgeordneten in diesem Hause, dem wegen des Altershilfegesetzes für Landwirte nicht schon zahlreiche Klagen vorgetragen wurden. Bisher waren die Befreiungsmöglichkeiten im wesentlichen auf Landwirte beschränkt, die im Kalenderjahr mindestens neun Monate in einer Rentenversicherung pflichtversichert waren. Wir begrüßen es deshalb, daß in § 9 Abs. 2 Buchstabe a die Möglichkeit geschaffen werden soll, daß Landwirte, die auf andere Weise einen Anspruch - ich will nicht sagen: auf eine Altersversorgung; denn in diesem Gesetz geht ,es ja gar nicht um eine Altersversorgung, sondern nur um eine Altershilfe - auf Altersgeld erworben haben, auf Antrag von der Beitragspflicht nach diesem Gesetz befreit werden. Da bei der Arbeiterrentenversicherung der Anspruch auf Altersruhegeld gesichert ist, wenn für 180 Kalendermonate Beiträge geleistet wurden, ist es folgerichtig, daß dies auch für die Befreiung nach § 9 Abs. 2 Buchstabe a gilt. Unter keinen Umständen darf aber das Wort „Pflichtbeiträge" stehenbleiben. Denn ,es wäre nicht gerecht, denjenigen Landwirt, ,der für 180 Monate Pflichtbeiträge geleistet hat, auf Antrag von der Beitragspflicht zu befreien, demjenigen kleinen Landwirt jedoch, der vielleicht für 170 Monate Pflichtbeiträge geleistet und darüber hinaus noch 10 oder 20 oder vielleicht gar 200 freiwillige Beiträge gezahlt hat, diese Möglichkeit nicht zu geben. ({0}) Wer selbst für sein Alter gesorgt hat, den sollte man nicht gegen seinen Willen zwingen, zusätzlich noch zu einer weiteren Alterskasse Beiträge zu leisten. ({1}) Zudem sind diese Leute mit ihrem kleinen Einkommen kaum in der Lage, gleichzeitig Beiträge zu zwei Altersversicherungen zu bezahlen. Dies beweist die unwahrscheinlich hohe Zahl von Pfändungsanträgen, die schon durch die Alterskassen gestellt wurden. Der Landwirt, der heute vielleicht noch freiwillig in der Arbeiterrentenversicherung ist, kann morgen schon pflichtversichert sein und umgekehrt. Wir erleben ja diese Abwanderung dauernd. Wir müssen hier gleiches Recht schaffen. Beitrag muß gleich Beitrag gewertet und behandelt werden, gleichgültig ob es sich um freiwillige oder um Pflichtbeiträge handelt. Gerade in unserem südwestdeutschen Raum haben viele Leute, die in jüngeren Jahren in der Industrie, auf dem Bau, in Steinbrüchen oder im Winter als Holzfäller gearbeitet haben, ihre Versicherrungsbeiträge freiwillig weiterbezahlt. Nur wenn wir das Wort „Pflichtbeiträge" durch das Wort „Beiträge" ersetzen, wie wir es mit unserem Antrag verlangen, schaffen wir gleiches Recht. Dann kann und muß aber jeder Betroffene prüfen, welchen Anspruch auf Altersruhegeld er in der Arbeiterrentenversicherung bereits erworben hat oder noch erwerben kann. ({2}) Darauf weise ich mit allem Nachdruck hier an dieser Stelle hin. Er muß dann überlegen und sich beraten lassen, was für ihn in seinem Fall zweckmäßig ist. Er m u ß sich nicht befreien lassen, aber er kann sich befreien lassen. Wenn wir diese Möglichkeit hier schaffen, dann kostet das dem Bund keinen Pfennig; denn für aus der .Alterskasse ausgeschiedene Landwirte braucht der Bund auch keinen Zuschuß zu zahlen. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren: Helfen Sie durch Ihre Zustimmung zu unserem Antrag mit, daß ein bestehendes Unrecht beseitigt und eine Quelle dauernder Unzufriedenheit verstopft wird. Ich darf Ihnen versichern, daß viele kleine Landwirte auf die heutige Entscheidung des Bundestages in dem von uns beantragten Sinne sehnlichst warten. Würde sich dieses Hohe Haus anders entscheiden, dann allerdings - dessen dürfen Sie versichert sein - würde in den nächsten Tagen der Gerichtsvollzieher wieder vor mancher Tür stehen, ({3}) um die Beiträge für eine nicht gewünschte Doppelversicherung einzutreiben. Ich bitte Sie, Herr Kollege Horn, mir zu ersparen, hier die Zahlen zu nennen, wieviel Pfändungsaufträge von der Alterkasse Baden gegeben wurden.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Leonhard, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Geiger ({0})?

Hans Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Leonhard, ich habe Ihre Ausführungen begrüßt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ich bitte, eine Frage zu stellen.

Hans Geiger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Entschuldigung, Herr Präsident. - Ich freue mich, daß Sie ein so warmes Herz haben. Ich wollte Sie fragen, ob Sie nicht auch der Meinung sind, daß es die gleiche Hilfe für die alten Landwirte bedeutet hätte, wenn wir das Altersgeld auf 72 DM erhöht hätten. ({0})

Gottfried Leonhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001328, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie wissen, Herr Kollege Geiger, daß jede Erhöhung Geld kostet. Was man dem einen ,gibt, muß man dem anderen wieder nehmen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Weber ({0}).

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Leonhard, Ihnen und Ihren Genossen, die unterschrieben haben, herzlichen Dank für diese Schützenhilfe! Wir hatten es nicht mehr gewagt, für den Grundsatz der freien Entscheidung einzutreten und demjenigen, der anderweitig vorgesorgt hat, diese Möglichkeit zu schaffen. Ich möchte es ganz kurz machen, um Ihre Zeit nicht über Gebühr in Anspruch zu nehmen - Unser Antrag unter Ziffer 6 bezweckt dasselbe wie der CDU-Antrag unter Ziffer 5, d. h. wir wollen, daß für Handwerker, die, ganz allgemein ausgedrückt, versichert sind, diese Doppelversicherung vermieden wird. Die hier in Frage stehenden Personen können nach unserem Antrag trotzdem zur Alterkasse gehen. Der Weg ist ihnen nicht versperrt, sie können für beide Versicherungen Beitrag zahlen. Zu dem, was die SPD will, müssen wir ein konsequentes Nein sagen. Wir sind froh, daß bei der jetzigen Gesetzesnovellierung eine solche Klarheit geschaffen worden ist. Wer das Altersgeld will und einen landwirtschaftlichen Betrieb hat, zahlt, auch wenn er sonst eine Alterssicherung hat. Er kann sich ja auch sonst eine zusätzliche Alterssicherung schaffen. Wer zweimal zahlt, hat das Recht, zweimal zu bekommen. Wir begrüßen, daß dieser Grundsatz hier nun endlich Gestalt gewinnt. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Becker ({0}).

Josef Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000128, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mich wegen unseres Antrages unter Ziffer 5 zu Buchstabe c zum Wort gemeldet. Gestatten Sie mir aber, Herr Präsident, daß ich vorweg zu dem Antrag, den der Herr Kollege Leonhard vorgetragen hat, einen Satz sage.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Sie können zu allem Stellung nehmen, was zu diesem Paragraphen gehört.

Josef Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000128, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte dem von dem Kollegen Leonhard mit soviel Wärme vorgetragenen Antrag doch etwas widersprechen. Dieser Antrag ist an und für sich nicht logisch. Er paßt in das System der Rentenversicherung nicht hinein, auch nicht in dieses Gesetz über die Altershilfe für die Landwirte. Ich bitte deshalb, diesen Antrag abzulehnen. ({0}) - Na, Herr Kollege Weber, ich meine, wir, die wir doch dauernd auf dem Gebiet der Sozialversicherung arbeiten, sollten uns gegenseitig nicht mehr sagen lassen, wieso und warum. Mehr möchte ich aber zu diesem Punkt nicht sagen. Ich darf jetzt zu unserem Antrag unter Ziffer 5, dem Antrag zu Buchstabe c, etwas sagen. Ich bitte um eine kleine redaktionelle Änderung dahingehend, daß sowohl die Anführungszeichen wie auch der Punkt wieder gestrichen werden. Es könnte sonst eine gewisse Unklarheit entstehen, und es könnte insbesondere der Übergang zu den folgenden, Zeilen in Abs. 2 etwas gestört werden. - Soviel zum Redaktionellen. Zur Sache selbst, meine verehrten Damen und Herren -

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Becker, darf ich Sie unterbrechen? Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Weber?

Josef Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000128, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte sehr!

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Becker, darf ich Sie fragen, weshalb Sie eine andere Behandlung beantragen für das, was der Antrag des Kollegen Leonhard besagt, gegenüber dem, was Sie selber für die Handwerker beantragen?

Josef Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000128, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Weber, ich habe zu dem, was Herr Kollege Leonhard hier beantragt, nur zu wiederholen, daß es systemwidrig wäre, wenn wir so handeln würden. Was ich jetzt zur Handwerkerversicherung, oder zur Hereinnahme oder Herausnahme der Handwerker, beantragen möchte, ist etwas ganz anderes. ({0}) - Vielleicht darf ich es aber doch noch in zwei Sätzen sagen; ich möchte die Debatte gar nicht unnötig aufhalten. Die Ausschußvorlage sieht in § 9 Abs. 2 Buchstabe c vor, daß selbständige Handwerker, die in der Handwerksrolle eingetragen sind und einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb haben, von der Versicherungspflicht bei der Altershilfe für Landwirte auf Antrag befreit werden, wenn sie in der Angestelltenversicherung bzw. ab 1. 1. 1962 in der Arbeiterrentenversicherung beitragspflichtig sind oder dort bereits 18 Pflichtbeitragsjahre erreicht haben. Mit dieser Regelung würden aber diejenigen Handwerker, die noch einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb unterhalten, beitragspflichtig nach dem Gesetz über die Altershilfe für Landwirte werden, die seinerzeit bei der Schaffung des Gesetzes über die Altersversorgung des Handwerks von der Möglichkeit des Gesetzes Gebrauch gemacht haben, die Versicherung in der Angestelltenversicherung durch den Abschluß einer Lebensversicherung zumindest in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe abzulösen. Wir möchten mit unserem Antrag - schon aus Gleichheitsgründen - erreichen, daß auch diese Handwerker aus der Versicherungspflicht in der Altershilfe für Landwirte herausgenommen werden. Deshalb unser Antrag, um dessen Annahme wir bitten. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hätten diesen Punkt ein wenig schneller abhandeln können; denn es handelt sich ja quasi um einen gleichen Antrag aller drei Fraktionen. Er ist nur jeweils etwas anders formuliert. ({0}) Bei dem Antrag der FDP und unserem Antrag handelt es sich darum, daß diejenigen, die auf Antrag auf Grund des Abschlusses von Lebensversicherungsverträgen versicherungsfrei sind, auch hier bei der Alterskasse beitragsfrei werden sollen; und das ist ja auch das, was Sie beantragen, wenn Sie einfach sagen: „ ... von der Beitragspflicht zu befreien, wenn sie ... c) als selbständige Handwerker in der Handwerksrolle eingetragen sind." Genau das gleiche! ({1}) Wir sind also einig; ich will deshalb gar nichts weiter dazu sagen. - Das bezieht sich, Herr Präsident, auf Ziffer 6 unseres Antrages Umdruck 873, auf den Eventualantrag. Er deckt sich also inhaltlich mit den Anträgen von FDP und CDU/CSU. Der CDU-Antrag ist lediglich anders formuliert; im materiellen Inhalt aber sind alle Anträge identisch. Eine kurze Bemerkung zu den Ausführungen der Kollegen Berberich und Weber zur Frage der Beitragsbefreiung der Arbeitnehmer, über die wir uns also nicht einigen können. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß mit den Ausschußvorschlägen zu § 9 Abs. 2, über die wir jetzt befinden sollen, eine Benachteiligung des betroffenen Personenkreises verbunden ist. Diejenigen, die bisher beitragsfrei gewesen sind und Altenteiler auf ihrem kleinen landwirtschaftlichen Hof gehabt und für diese Altenteiler 60 DM bekommen haben, müssen jetzt 12 DM Beitrag zahlen. Sie haben also in Zukunft nur 48 DM Einnahme aus Altersgeld. In diesem Falle ist bei diesen Leuten der soziale Besitzstand nicht gewahrt. Das war auch einer der Gründe für den Antrag, den der Kollege Geiger für die Fraktion der SPD hier vorgetragen hat. Der soziale Besitzstand ist hier nicht gewahrt, wenn wir uns im Sinne des Ausschußvorschlags zu § 9 Abs. 2 entscheiden. Deswegen bitte ich Sie noch einmal, dem Antrag, der von Herrn Kollegen Geiger vorgetragen worden ist, Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Werden noch weitere Wortmeldungen erstattet? - Das ist nicht der Fall. Wir können also bei § 9 zu ,den Abstimmungen kommen. Mir scheint, daß der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 873 Ziff. 5 der weitestgehende ist. Dann darf ich hierüber zuerst abstimmen lassen. Wer dem Antrag Umdruck 873 Ziff. 5 zuzustimmen wünscht - ich darf wohl Ziff. 5 als Ganzes, Buchstaben a und b, zur Abstimmung stellen -, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Nunmehr stellt sich die Frage nach dem Eventualantrag der SPD unter Ziff. 6 und nach dem Antrag der FDP, Änderungsanträgen, die sehr ähnlich sind, wenn auch nicht gleich formuliert. Ich gehe einmal in der Reihenfolge ,der Einreichung vor. Dann kommt zuerst der Eventualantrag der SPD auf Umdruck 873 Ziff. 6. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Mehrheit ist dagegen; der Antrag ist abgelehnt. Antrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 886 Ziff. 6! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit abgelehnt. Dann komme ich zum Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 859 ({0}) Ziff. 5. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Nunmehr kommen wir zum Änderungsantrag der Abgeordneten Leonhard, Bausch, Leicht, Hilbert, Dr. Hauser, Dr. Reinhard, Stauch und Genossen auf Umdruck 896. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich darf wiederholen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Wer nunmehr dem § 9 mit der beschlossenen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Ich rufe auf die §§ 10, - 11, - 12, - 13, - 14, - 15, - 16, - 17, - 18, - 19. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. Wir kommen zu § 20. Dazu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 859 ({1}) Ziff. 6 vor. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Berberich!

August Berberich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000144, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die Änderung der Beschlüsse in § 7 ist es erforderlich, daß auch der § 20, der die Ansammlung der Betriebsmittel betrifft, geändert wird. Nachdem gemäß § 7 der Bund praktisch die Garantie für die Zahlungsfähigkeit der Kasse übernimmt, ist es nicht mehr notwendig, daß der Bundesverband der Alterskassen Betriebsmittel ansammelt. Deshalb können die dafür bestehenden Abschnitte gestrichen werden. Lediglich die Abschnitte, nach denen die einzelnen Alterskassen Betriebsmittel ansammeln sollen, sollen nach unserer Auffassung in veränderter Form beibehalten werden, und zwar in der Art verändert, daß die Betriebsmittel, die angesammelt werden dürfen, auf die Hälfte dessen gekürzt werden, was ursprünglich vorgeschlagen war. Wir sind der Meinung, daß das vollkommen ausreichend ist.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Frehsee!

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl wir - wie ich schon einmal sagte - zwei Jahre an diesem Gesetz gearbeitet haben, sind wir uns im Ausschuß in der Frage der Betriebsmittel für die Alterskasse nicht einig geworden. Aber ich freue mich, daß nach Abschluß der Ausschußberatungen die Einsicht nun doch gewachsen ist. Wir ,stimmen - ich mache es ganz kurz - diesem berechtigten und logischen Antrag der CDU/ CSU unter Ziffer 6, den wir im Ausschuß schon wiederholt vertreten haben, zu.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird weiter das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen über den Umdruck 859 ({0}) Ziffer 6, Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Einstimmig angenommen. Damit ist der § 20 durch eine Neufassung ersetzt. Ich rufe auf die §§ 21, - 22, - 23, - 24, - 25. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Wir kommen zu § 26. Dazu liegen Änderungsanträge auf den Umdrucken 859 ({1}) unter Ziffer 7 und 886 unter Ziffer 7 vor. Das Wort hat Herr Dr. Reinhard.

Dr. Carl Reinhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001810, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte zunächst darum, eine redaktionelle Änderung vorzunehmen. In Ziffer 7 auf Umdruck 859 ({0}) muß es heißen: „In § 26 wird folgender Absatz 1 a eingefügt." Dann kommt der Absatz 1 a; die Klammer 1 b ist zu streichen. Dann heißt es weiter: Die Voraussetzung ,des Absatzes 1 ist nicht gegeben, wenn . . . Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat mit diesem Antrag besonders an eine kleine Gruppe von Landwirten gedacht, die bisher nicht den Anspruch auf Altersgeld hatten; zumindest war ihr Anspruch strittig, weil ihre Betriebsgröße unter der Einheitswertgrenze nach § 1 Abs. 4 lag. Es ist die kleine Gruppe, deren Betriebsgröße an sich nicht zur Sicherung der Existenz ausreicht, die aber tatsächlich von diesem Betrieb gelebt hat, weil sie eine andere Erwerbsmöglichkeit nicht hatte. Es ist eine Gruppe, die es praktisch heute gar nicht mehr gibt. Wir denken auch nur daran, die ehemaligen Landwirte, die keine Versorgung haben, hier zu berücksichtigen. Deshalb stellen wir den Antrag, die Härteklausel in 'den § 26 einzufügen. Für die künftigen Fälle, auch für die Fälle, die in § 27 geregelt werden, kommt dieser Härteausgleich nicht in Frage; denn wenn diese Leute glaubhaft machen können, daß sie eine Existenzgrundlage haben, können sie Beiträge zahlen und dann auch in den Genuß des Altersgeldes kommen. Ich bitte deshalb, unseren Antrag anzunehmen und den an sich gleichlautenden, aber von der SPD für den § 27 vorgesehenen Antrag abzulehnen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dröscher.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Reinhard hat soeben dankenswerterweise erklärt, daß die CDU/CSU-Fraktion ihre Meinung in dieser Frage geändert und den Antrag vorgelegt hat. Ich darf daran erinnern, daß wir im Ausschuß viele Diskussionen um dieses Problem hatten und daß unsere Anträge, mit denen wir etwas Ähnliches wollten, bisher immer abgelehnt wurden. Um so mehr freut es uns, daß das entscheidende Problem erkannt wurde und daß dem jetzt stark veränderten Gesetzgebungswerk noch zuletzt die Krone der Gerechtigkeit mit einem Härteparagraphen aufgesetzt wird, der gerade die Verhältnisse trifft, die bei der Vielfalt der bäuerlichen Situation draußen im Lande bisher nicht berücksichtigt werden konnten, obwohl die Betroffenen ihr ganzes Leben lang nur von dem Ertrag einer kleinen Landwirtschaft gelebt und dabei manchmal eine große Familie ernährt haben. Jeder von uns, der einen ländlichen Wahlkreis hat, wird wissen, daß ein Großteil der Probleme, mit denen wir Wahlkreisabgeordnete immer wieder befaßt werden, zu diesem Fragenkreis gehört. Wir können sie jetzt lösen. Ich darf bitten, Herr Präsident, den sozialdemokratischen Antrag auf Einfügung eines § 27 a - es ist Ziffer 7 unseres Antrags Umdruck 873 - jetzt bei der Stellungnahme zum CDU/CSU-Antrag mit behandeln zu dürfen, weil er in der Sache dasselbe meint.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Bitte sehr!

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Unser Antrag geht weiter als der CDU/CSU-Antrag, und ich darf deshalb doch bitten, unsern Antrag anzunehmen. Der Sinn des Gesetzes ist ja ein doppelter: einmal der agrarstrukturelle, der heute schon angeführt wurde, und zum andern der sozialpolitische, nämlich das Ziel, den alten Menschen auf dem Lande zu helfen, die durch zwei Inflationen in einem Leben ihre Altersversorgung verloren haben und denen zum Teil auch von ihren Kindern nicht geholfen werden kann. Eine Gruppe - das sagte ich schon -, nämlich die der Schwächsten, blieb bisher unberücksichtigt. Und nun ist in unserem Gesetz leider eine Schwelle gesetzt, über die man kommen muß, wenn man die Altershilfe erhalten will, nämlich die der „Existenzgrundlage". Sie gehen in Ihrem Antrag leider nicht von dieser Schwelle ab, die jetzt allerdings um ein Viertel reduziert wird, d. h. Sie gehen in Ihrem Vorschlag auf 75 % der bisherigen Mindestexistenzgrundlage. Unser Antrag geht demgegenüber davon aus, daß jeder, der nachweist, daß er sein ganzes Leben lang nur vom Ertrag der Landwirtschaft gelebt und seine Familie ernährt hat, ebenfalls in den Genuß der Altershilfe kommen kann. Die jetzt gesetzte Schwelle ergibt sich aus den ökonomischen Verhältnissen unserer Zeit. Wir vergessen aber dabei allzu leicht, daß die Menschen, denen wir helfen wollen, im Jahr 1892 geboren sind und 1910 praktisch schon in ihr landwirtschaftliches Berufsleben eingetreten sind, und zwar unter völlig anderen Verhältnissen. Die Frage, um die es hier geht, wird sich im Laufe der Zeit erledigen. Die Gruppe derer, die in Frage kommen, wird sich in Zukunft ständig verringern. Den Tatsachen, die wir hinsichtlich der Armut dieser Menschen, vor allem in den Höhengebieten, festgestellt haben, ist in den Ausschußberatungen nie widersprochen worden. Es ist immer nur gesagt worden, man könne es nicht machen. In dem Bericht, den Herr Kollege Berberich - dem man für diese Arbeit nur danken kann - erstattet hat, heißt es dazu auf Seite 5: Die Mehrheit des Ausschusses war der Auffassung, daß es solche Fälle zwar gebe, daß ihnen jedoch aus grundsätzlichen Erwägungen mit den Mitteln dieses Gesetzes nicht geholfen werden könne, zumal die Praktizierbarkeit solcher fürsorgeähnlichen Bestimmungen zweifelhaft erschien. Sie haben sich davon überzeugt, daß es doch eine Notwendigkeit der Hilfe gibt, und wir meinen, man sollte, wenn man das schon macht, wenn man also mit der Härteklausel eine Art Herzstück der Novelle schafft, wenigstens alle Härten beseitigen, die auftreten können, indem man die Tür für eine Untersuchung der subjektiven Verhältnisse öffnet, um festzustellen, ob der Betrieb tatsächlich die Lebensgrundlage der Familie in dieser Zeit war. Das bezweckt unser Antrag schlechthin.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr.

Dr. Carl Reinhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001810, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich fragen, Herr Dröscher: Gilt denn nach Ihrer Ansicht der § 27 Abs. 1 c? Sollen also diese Landwirte ohne Beitragszahlung in den Genuß des Altersgeldes kommen?

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Leute sollen, sofern die Voraussetzungen auf sie zutreffen, genauso wie die anderen ohne Zahlung in den Genuß des Altersgeldes kommen.

Dr. Carl Reinhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001810, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber sie müßten doch laufend Beiträge zahlen, wenn sie den Betrieb jetzt noch haben. Dann ist die Gewährung eines Altersgeldes idoch auch ohne die Einfügung dieses Paragraphen durchaus möglich.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, nach Ihrer Auffassung gibt eis nur die Feststellung, daß der Empfänger wenigstens 75 % der Mindestschwelle haben muß. Leute, die darunterliegen, gibt es aber in großer Zahl. Ich kann Ihnen zwei Fälle von den vielen hundert Fällen, die Sie selbst kennen, anführen. So gibt es in meinem Raum eine Kriegerwitwe, die als Kriegsbraut im ersten Weltkrieg Mutter wurde. Sie kennen den Fall; ich habe ihn schon einmal im Ausschuß zitiert. Diese Frau hat ihren und ihres Kindes Lebensunterhalt aus einer Fläche von 3 ha gezogen. Sie hat ihr Leben lang nur von dem Betrieb gelebt, und sie kommt nun keinesfalls in den Genuß der Altershilfe, weder als Kriegsbraut des ersten Krieges, weil für diese die Versorgung nicht vorgesehen ist, noch als Altersgeldempfängerin in der Landwirtschaft, weil der Betrieb auch in der zukünftigen Regelung unter die Mindestschwelle fällt. Ein solcher Fall spricht für viele, die Sie alle miteinander kennen. Deshalb unser weiter gehender Antrag, den ich hier begründen darf. Meine Damen und Herren, nun zum Schluß. Wir glauben, daß unser Antrag das gemeinsame Ziel, das Sie mit Ihrem Antrag nun auch als Ihr Ziel angesprochen haben, besser trifft, daß er umfassender helfen kann, daß er über die Norm hinaus, die Sie immer noch einhalten, den Begriff der Existenzgrundlage subjektiv erforschen läßt und daß in Ausnahmefällen die Möglichkeit der Hilfe auch bei Betrieben unter dieser Existenzschwelle gegeben wird. Wir glauben deshalb, daß unser Antrag besser ist, daß er eine einwandfreie Aktivlegitimation in allen Auseinandersetzungen um die Hilfe für die Betroffenen gibt, daß eine Fülle von Prozessen in Grenzfällen erledigt werden und daß der Gruppe, der wir alle helfen wollen, besser geholfen werden kann. Unser Antrag beinhaltet keine unerträgliche Finanzlast, er wird aber eine wesentliche Verbesserung mit sich bringen. Wenn man von dem Gedanken ausgeht, daß die Solidarität des Berufsstandes auch hier zum Ausdruck kommen muß, muß diese Solidarität auch dem Kleinsten gelten. Deshalb bitten wir um die Annahme unseres Antrages. ({0})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Weber ({0}).

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind nun verfahrensmäßig in einer Zwickmühle. Ich darf zur Sache folgendes sagen. Nachdem wir im Ausschuß vergeblich versucht hatten, etwas zu erreichen, begrüßen wir es, daß die CDU-Fraktion unter Punkt 7 diesen Passus aufgenommen hat. Ich möchte allerdings ganz klar dem beipflichten, was Herr Kollege Dröscher soeben gesagt hat, daß nämlich die in dem CDU-Antrag vorgesehene Einschränkung auf Einheitswert und Arbeitsbedarf sinnlos ist. Ich möchte es sehr scharf formulieren. Der CDU-Antrag zu § 26 betrifft gerade die Menschen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes älter als 65 Jahre sind, die also in einer ganz anderen Zeit gelebt haben. Wie wollen wir heute, im Zeitalter des starken Wandels, der Technisierung, die heutigen Maßstäbe des Arbeitskräftebedarfs anlegen an verflossene Zeiten? Man kann es auch nicht mit drei Vierteln tun. Früher bestand die Möglichkeit, den kleinen Betrieb auf klei9110 Weber ({0}) ner Fläche bis in die diffizilsten Einzelheiten selbst zu leiten und in seiner Leistung zu steigern. Wenn ich schon auf diesem Wege entgegenkomme, dann streichen Sie bitte im CDU-Antrag die Worte: und der Einheitswert oder der Arbeitsbedarf des Unternehmens . . . regelmäßig um nicht mehr als ein Viertel unterschritten hat. Dieser Satz ist meiner Ansicht nach völlig sinnwidrig. An und für sich wäre es nach unserer Auffassung richtig, es so zu lassen, wie es die SPD gemacht hat. Allerdings bedeutet das, Herr Kollege Dröscher, für § 27 a, ,daß die Betriebe, die heute noch bestehen, abgabepflichtig sein müßten. Weiterhin ist eine junge Mannschaft da, die für die Alten sorgt, und die hat meist schon gesorgt. Wir wären bereit, in § 27 a so weit zu gehen. Aber wir sind froh - und haben die härtesten Fälle, glaube ich, aus der Welt geschafft -, wenn der CDU-Antrag angenommen wird. Ich bitte die CDU/CSU-Fraktion, doch diesen Passus über den Einheitswert, den Arbeitsbedarf und die Mindesthöhe zu streichen. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Herr Abgeordneter Berberich!

August Berberich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000144, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Weber zwingt mich leider, noch einmal das Wort zu nehmen. Meine Damen und Herren, wir haben mit Bedacht diese 75 % eingebaut, gerade damit ,es nicht zu einer Unmenge von Prozessen vor den Sozialgerichten kommt. Wenn wir überhaupt keine Grenze einbauen, werden die Sozialgerichtsprozesse in all den Ablehnungsfällen der Alterskassen, wo irgend jemand glaubt, daß er noch einen Anspruch anmelden könnte, bis zur letzten Instanz durchgezogen. Das kann nicht Sinn einer solchen Härteregelung sein. Deshalb muß man irgendwo eine Mindestgrenze setzen. Gerade aus diesem Grunde können wir nicht so weit gehen, auch noch die zukünftigen Fälle mitzuerfassen. Meine Herren von der SPD, Herr Kollege Dröscher, so gut gemeint Ihr Antrag ist, wir könnten ihn ohne weiteres gehen lassen. Nur würden bei einer Menge von Leuten Hoffnungen erweckt werden, die nicht realisierbar sind, weil jeder, der nach Inkrafttreten des Altershilfegesetzes nicht beitragspflichtig ist, ohne weiteres an dieser Hürde stolpern würde. Deshalb sollte es bei der Fassung unseres Antrags bleiben, damit nicht Hoffnungen erweckt werden, die nicht erfüllbar sind.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Dröscher.

Wilhelm Dröscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000422, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um das noch zu klären: in dem CDU-Antrag ist zu § 26 ein neuer Abs. 1 b vorgesehen. Dieser Abs. 1 b muß unter allen Umständen abgelehnt werden; denn er sagt letztlich, daß jemand, der eine Kleinrente bekommt, unter Umständen nur 5 oder 6 DM - und wir kommen ja doch in die Situation, richtiger: wir sind schon drin, daß es nach der neuen Invalidenrentengesetzgebung viele solcher Leute gibt -, automatisch von dieser neuen Möglichkeit ausgeschlossen würde. Das kann doch nicht der Sinn Ihres Vorschlages sein, zumal wir hier einen Personenkreis ansprechen, dem Waldarbeiter usw. angehören, die gelegentlich einmal kurz „geklebt" haben. Ich bitte also ,die CDU/CSU-Fraktion, mindestens den Antrag zu § 26 Abs. 1 b zu streichen bzw. zurückzuziehen. Zum anderen möchte ich noch zu unserem Antrag zu § 27 sagen: Wir sind selbstverständlich der Meinung, über die Sie hier jetzt gesprochen haben, daß die Leute, die im Jahre 1957 zwischen 50 und 65 Jahre alt waren, auch in den Genuß der Hilfe kommen sollen, wenn sie nicht selbständige Betriebe im Sinne des Gesetzes hatten. Es ist doch der Sinn des Gesetzes, daß auch ,diesen Leuten geholfen wird.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Weitere Wortmeldungen? - Nicht. Dann kann ich jetzt ja die Änderungsanträge abstimmen lassen. Ich stelle die redaktionelle Änderung des Antrags Umdruck 859 ({0}) fest und mache sie zur Grundlage der Abstimmung. Über Ziffer 7 des Antrags der CDU/CSU wird nunmehr abgestimmt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ,das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Dann komme ich zu Ziffer 7 des Änderungsantrages der Fraktion der FDP, Umdruck 886. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Abgelehnt. Vor der Abstimmung über den ganzen Paragraphen erteile ich dem Berichterstatter das Wort.

August Berberich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000144, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch den soeben gefaßten Beschluß über die Einfügung eines Absatzes sind eine Reihe von redaktionellen Änderungen notwendig geworden. Wir haben diese redaktionellen Änderungen in einem interfraktionellen Antrag auf Umdruck 920 zusammengefaßt. Ich habe ihn dem Herrn Präsidenten übergeben, damit diese Änderungen eingefügt und die nötigen Berichtigungen vorgenommen werden können.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Der Antrag trägt die notwendige Anzahl von Unterschriften von Mitgliedern der drei Fraktionen. Erhebt sich Widerspruch, wenn ich feststelle, daß er bereits jetzt im ganzen als angenommen gelten kann? - Widerspruch erfolgt nicht; die in dem Antrag vorgeschlagenen redaktionellen Änderungen und Berichtigungen sind beschlossen. Dann darf ich über § 26 mit den beschlossenen Änderungen abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich Vizepräsident Dr. Jaeger bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen. ({0}) - Sie wollen zur Geschäftsordnung sprechen? ({1}) - Der Fehler liegt bei Ihnen, Sie hätten sich in der allgemeinen Aussprache zu § 26 zum Wort melden können. ({2}) Wir sind bei § 27, Umdruck 868 Ziffern 8 und 9. Wer wünscht das Wort? - Herr Abgeordneter Weber ({3}).

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu unserem Antrag Umdruck 886 Ziffer 8, der 'dasselbe beinhaltet, was soeben übergangen wurde, darf ich folgendes sagen. Beim letzten Paragraphen handelte es sich um diejenigen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes über 65 Jahre alt waren, ihren Betrieb abgegeben und eine andere Rente bezogen hatten; sie bekamen nun den ganzen Betrag (von ihrem Altersgeld abgesetzt. Ist das etwa gerecht? Jetzt in § 27 geht es um diejenigen, die bei Inkrafttreten ,des Gesetzes 1957 über 50 Jahre alt Waren und bis ,zum 65. Lebensjahr keine Möglichkeit mehr haben, weil vorher das Gesetz nicht bestand, die nötigen 180 Beitragsmonate vollzubekommen. In Wirklichkeit sind jetzt nur noch gefordert 71/2 Jahre, - also 90 Beitragsmonate - in denen diejenigen, die eine Vorsorge getroffen haben, in eine anderweitige Sozialversicherung bezahlten und von dort eine Rente bekommen, diese Rente vom Altersgeld abgesetzt bekommen und zwar bis zur Hälfte. Wir sind der Auffassung, daß dadurch die Empfänger all dieser kleinen Renten, die nur die Hälfte des Altersgeldes - 30 DM - betragen, ungerecht bestraft werden. Man kann den Grundsatz vertreten, hier bekomme jemand zweimal etwas aus einem allgemeinen Topf. Deshalb ging unser Vorschlag dahin, denjenigen, denen man den Vorwurf macht, sie hätten keine eigenen Beiträge geleistet, die Möglichkeit zu geben, monatlich 12 DM Beitrag von ihrer Altersrente abzusetzen. Dieser Vorschlag ist allgemein als gerecht bezeichnet worden. Ich habe mich gewundert, daß wir im Ausschuß damit nicht durchkamen. Ich würde mich sehr freuen, wenn nach dem Umschwung nun wenigstens auch diese Dinge klargestellt würden und soziale Gerechtigkeit gerade gegenüber den Schwächsten einträte. Ich bitte deshalb, diesen Antrag anzunehmen. Darf ich den nächsten Antrag gleich mit begründen, sonst geht es mir wieder wie vorhin.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Ritte sehr!

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ziffer 9 des Antrags Umdruck 886 der FDP beinhaltet ein Problem, das man heute noch nicht sieht, das aber in wenigen Jahren, und zwar schon im nächsten und übernächsten Jahr, mit aller Deutlichkeit auf uns zukommt. Alle diejenigen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes 1957 - ich will den äußersten Fall nehmen - 49 Jahre alt waren, also ein Jahr weniger, als das Gesetz es in den Übergangsvorschriften vorschreibt, und nach dem Gesetz mit 50 Jahren das Recht hätten, den Betrieb den Erben zu übergeben oder ihn zu veräußern - ich lasse dahingestellt, aus welchen Ursachen -, wissen, daß sie nicht die Möglichkeit haben, seit Inkrafttreten des Gesetzes 180 Monate eigene Beitragsleistungen aufzubringen und müssen in Zukunft neben ihrem Sohn oder ihrer Tochter oder sonstigem ,Erben, der den Betrieb übernommen hat, so lange selber, also doppelt Beitrag bezahlen, bis sie die 180 Beitragsmonate voll haben. Das bedeutet einen ungerechten scharfen Schnitt gegenüber demjenigen, der 50 Jahre alt war. Warum können wir hier nicht dasselbe tun wie zuvor? Wir wollen nicht alle erfassen. Wir sind nicht auf ein Alter von 35 Jahren wenn sie voll erfaßt gewesen wären - bei Inkrafttreten des Gesetzes zurückgegangen, sondern wir haben ein Drittel gekappt. Wer bei Inkrafttreten des Gesetzes 1957 über 40 Jahre alt war und aus irgendwelchen Gründen seinen Betrieb mit über 50 Jahren abgeben muß, dem soll auf seine Beitragsleistung die Zeit der Unternehmertätigkeit angerechnet werden, wie es im Gesetz auch sonst verankert ist. Ich glaube, das ist ein rechtlich fundiertes Anliegen, ein Anliegen, das uns alle angeht. Man hat mir von den zuständigen Herren des Ministeriums gesagt: Lassen wir das doch erst einmal auf uns zukommen! - Wir .sind der Meinung, wenn wir Gesetze machen, sollten wir sie gründlich machen und sollten solche Fehler ausscheiden. Sonst ist die Sache - das kann ich heute schon sagen - im nächsten Bundestag in Bälde wieder auf dem Tisch des Hauses. Ich bitte, unseren beiden Änderungsanträgen zuzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Memmel.

Linus Memmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001466, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Anrechnungsvorschrift des Abs. 3 entspricht dem geltenden Recht: das Altersgeld wird um die Hälfte gekürzt, wenn der Betreffende aus einer anderen Rente Bezüge hat. In den Ausschußberatungen hat die sozialdemokratische Fraktion beantragt, diesen Passus zu streichen. Der Streichungsantrag ist nicht angenommen worden. Wir haben jedoch eine kleine Milderung insofern eingefügt, als das Altersgeld auch um weniger als die Hälfte zu kürzen ist, nämlich dann, wenn die Rente, deretwegen das Altersgeld gekürzt wird, geringer ist als das halbe Altersgeld. Was nun der Herr Kollege Weber will, nämlich daß generell nur 12 DM angerechnet werden, also der Monatsbeitrag, bitte ich wegen der finanziellen Auswirkungen abzulehnen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag der Fraktion der FDP Umdruck 886 Ziffer 8 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit abgelehnt. Ziffer 9! Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt. Wer § 27 in der Ausschußfassung einschließlich der vorhin beschlossenen redaktionellen Änderung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Die Fraktion der SPD beantragt unter Ziffer 7 des Umdrucks 873 die Einfügung eines § 27 a. Der Antrag ist bereits begründet. Ich lasse abstimmen. Wer diesem Antrag auf Einfügung eines § 27 a zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt. Ich rufe auf § 28. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dieser Bestimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Wir kommen zu Art. 2. Zu § 1 liegt der Antrag Umdruck 873 Ziffer 8 vor. Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wegen des beklagenswerten Ergebnisses der namentlichen Abstimmung ({0}) ist der Antrag Umdruck 873 Ziffer 8 erledigt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Der Antrag ist erledigt. Ich kann also über § 1 in der Ausschußfassung abstimmen lassen. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Ich rufe auf die §§ 2 bis 15, Einleitung und Überschrift mit einer vorhin beschlossenen redaktionellen Änderung. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen; einstimmig angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Frehsee.

Heinz Frehsee (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000576, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei begrüßt, daß wir heute endlich die Verabschiedung der Novelle zum Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte vornehmen können. Wie Sie aus der Drucksache 2695 ersehen, haben der federführende Ausschuß für Sozialpolitik und der mit-beratende Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einen Gesetzentwurf zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte vorgelegt. Das, was wir heute beraten haben, unterscheidet sich weitgehend von der Regierungsvorlage Drucksache 1110, die dem Hohen Hause am 21. Mai 1959, also vor zwei Jahren, vorgelegt worden ist. Wir begrüßen es, daß sich die Ausschußvorlage und die Beschlüsse in zweiter Lesung so weitgehend von dem unterscheiden, was die Regierungsvorlage enthielt. Nach der Regierungsvorlage sollte das Defizit - und das war ja das Hauptproblem - der landwirtschaftlichen Altershilfe dadurch gedeckt werden, daß einerseits der Kreis der Beitragspflichtigen ausgeweitet - ich erinnere an die Zahl von 65 000 Arbeitnehmern, die mein Kollege Dröscher vorhin genannt hat - und zum andern Renten- und andere Versorgungsbezüge auf das Altersgeld angerechnet werden sollten. In beiden ,entscheidenden Vorschlägen der Regierung ist der Ausschuß also dieser Vorlage nicht gefolgt, und das begrüßen wir außerordentlich. Wir begrüßen auch, daß in den Beschlüssen der soeben abgeschlossenen zweiten Lesung für die Finanzierung eine Konzeption gefunden wurde, ,die der unsrigen weitgehend entspricht und die wir für eine gesunde und gute Konzeption halten. Es ist endlich in Ordnung gebracht worden, womit wir uns Jahr für Jahr, wie schon vorhin gesagt, bei den Haushaltsberatungen, bei den Debatten über den Grünen Plan haben beschäftigen müssen. Für die Finanzierung der Alterskassen ist nunmehr eine, wie wir finden, wahrscheinlich ausreichende gesetzliche Grundlage geschaffen worden. Natürlich sind wir nicht mit allem ganz zufrieden, was die zweijährigen Ausschußberatungen als Ergebnis gehabt haben. Beispielsweise gefällt uns nicht - wir haben dem schon in der zweiten Lesung Ausdruck gegeben -, was Sie zu § 7 beschlossen haben, daß also die Altersgelder, wie einer der anderen Redner hier ausgeführt hat, in ihrer Höhe praktisch zementiert sind. Meine Damen und Herren, ohne eine Änderung dieses Gesetzes ist praktisch wohl kaum damit zu rechnen, daß die Altersgelder erhöht werden. Die Selbstverwaltungsorgane werden, soweit ich sie und ihre Möglichkeiten zu beurteilen imstande bin, einen solchen Schritt kaum tun. Wir werden also, wenn wir die Interessen der hier Betroffenen, der Altersgeldempfänger vertreten wollen - - Herr Kollege Kraft, wenn Sie einen Augenblick zuhören wollten; ich darf Sie einmal ansprechen. Sie haben mir vorhin noch bei Abschluß der zweiten Beratung zugerufen: Beklagenswert für Sie! Ich sagte: So beklagenswert das Ergebnis der namentlichen Abstimmung ist, ... Sie riefen dazwischen: Beklagenswert für Sie! Nein, Herr Kollege Kraft, für mich nicht und für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei auch nicht; beklagenswert für die armen, alten Bauern und Bäuerinnen, ({0}) denen man die Anpassung ihrer Altersgelder an die inzwischen mehrfach angepaßten Renten hier heute verweigert hat! Beklagenswert für sie und nur für sie! Wir bedauern außerordentlich, meine Damen und Herren, daß sich - und auch das ist sehr beklagenswert - in den Reihen der größten Fraktion dieses Hauses, bei der CDU/CSU, bei dieser Christ1ich- Demokratischen Union und der Christlich-Sozialen Union nicht ein Sprecher dieser alten Bauern und Bäuerinnen und kein Vertreter ihrer Belange und ihrer Anliegen gefunden hat. ({1}) Sie sind heute nur aus den Reihen der Oppositionsparteien, der SPD und der FDP zu hören gewesen. Sie bezogen sich heute auf die sicherlich bestellte - vermutlich, muß ich sagen - Entschließung des Deutschen Bauernverbandes, der dort ausdrücklich erklärt, es habe ja niemand die Erhöhung der Altersgelder gefordert und beantragt, der Bauernverband, die Vertretung der bäuerlichen Bevölkeung, auch nicht. Nun, ich weiß nicht, ob der Bauernverband in dieser Beziehung als die Vertretung der Altersgeldempfänger in der Landwirtschaft aufgetreten ist, ob er nicht vielmehr als ein Alterskassenbeitragszahlerverband mit dieser Resolution in Erscheinung getreten ist. Wir sollten uns, meine Damen und Herren, in diesem Hohen Hause, wie wir es sehr häufig sonst tun, nicht so fest auf solche Entschließungen berufen, die uns von Verbänden und Organisationen vorgelegt werden. Denken Sie einmal an die Entschließung des Bauernverbandes - weil wir gerade dabei sind, möchte ich es Ihnen doch in Erinnerung rufen -, die er gefaßt und bekanntgegeben hat, als unter dem Bundesarbeitsminister Storch der Referentenentwurf über eine Altershilfe für Landwirte von der Herren des Bundesministeriums für Arbeit - so hieß es damals noch - vorgelegt worden ist. Da hat dieser gleiche Bauernverband eine Entschließung gefaßt und uns zugestellt, in der es heißt: Der Deutsche Bauer will wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft ein freier Mann auf freier Scholle bleiben. Das gilt auch bezüglich der Altersversorgung der deutschen Bauern, die auf einer ausschließlich freiwilligen, individuellen Grundlage aufgebaut sein muß, jedoch keine gesetzliche Regelung erfordert. Ich will damit nur zum Ausdruck bringen, inwieweit man Entschließungen der Verbände folgen und sie berücksichtigen kann. Ich glaube, wir sind nicht gut beraten, wenn wir uns bei der Ablehnung der Erhöhung der landwirtschaftlichen Altersgelder auf solche offiziellen Verlautbarungen dieses Verbandes berufen. Uns gefällt natürlich auch nicht, was Sie zu § 7 Abs. 3 beschlossen haben. Ich sagte das eben schon. Wie die Dinge liegen, werden die Selbstverwaltungsorgane keine Erhöhungen der Altersgelder vornehmen. Im Ausschuß habe ich doch für die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei und in ihrem Namen vorgeschlagen, man solle die Organe der Selbstverwaltung der Alterskassen aus solchen Gründen in ihrer Zusammensetzung ändern; denn die Altersgeldempfänger kommen nirgends zu Wort. Wir haben gesagt, man solle vielleicht die Organe der Alterskassen zur Hälfte aus Beitragspflichtigen und zur Hälfte aus Altersgeldempfängern zusammensetzen, damit diese Leute Gelegenheit und eine Plattform erhalten, um uns sagen zu können, was sie von alledem halten. Leider ist es nun so, daß sie nicht zu Gehör gekommen sind und daß man heute über ihre Köpfe hinweg entschieden hat. Nicht erfreulich ist natürlich auch jene Beschlußfassung über den § 9, die für eine Anzahl von Arbeitnehmern, die nebenbei einen landwirtschaftlichen Betrieb betreiben, der über der „Existenzgrundlage" liegt, eine gewisse Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Zustand bringt. Alle Sachverständigen sind sich darüber einig, daß die Beschlußfassung über § 9 Abs. 2 für eine Anzahl von Arbeitnehmern aus der Forstwirtschaft, der Bundesbahn und anderen Bereichen eine Verschlechterung um 12 DM monatlich bedeutet. Das Altersgeld wird für sie praktisch nur noch 48 DM betragen. Im übrigen enthält dieser Gesetzentwurf zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte eine große Zahl von Verbesserungen. Wir stehen nicht an, das zuzugeben. Wir wissen das und freuen uns darüber. Wir glauben, daß nunmehr eine bessere Grundlage für die segensreiche Tätigkeit der Alterskassen geschaffen ist, als das bei jenem Gesetz der Fall war, das wir am 2. und 3. Juli 1957 so holterdiepolter in großer Eile kurz vor der Bundestagswahl 1957 verabschiedet haben. Die vielen Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben haben, werden nun hoffentlich ausgeräumt sein. Wir begrüßen besonders jene Bestimmung in den §§ 26 und 27, in denen die „alte Last" geregelt wird. Sie hat zur Folge, daß 15 000 bis 20 000 landwirtschaftliche Altenteiler nunmehr das Altersgeld erhalten, denen es wegen der bisherigen Bestimmungen verweigert werden mußte. Das waren solche Leute, die nicht jene Leistungsvoraussetzung der 15jährigen Unternehmertätigkeit vor Abgabe des Betriebes erfüllen konnten. Nun ist bestimmt, daß sie nur 180 Monate in einem Zeitraum von 25 Jahren vor Abgabe des landwirtschaftlichen Betriebes landwirtschaftliche Unternehmer gewesen sein müssen. Das ist eine wirkliche Erleichterung, die wir sehr begrüßen. Wir begrüßen auch die Verbesserungen des § 21, der vor vier Jahren auf unseren Antrag hin in das Gesetz aufgenommen worden ist und sich so bewährt hat, daß wir diesmal einmütig eine Verbesserung dieses Paragraphen, der im wesentlichen auf einen Pächterschutz hinausläuft, beschließen konnten. Damit will ich schließen. Aus meinen Ausführungen werden Sie erkannt haben, daß die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei diesem Gesetzentwurf zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte zustimmen wird. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Weber ({0}).

Fritz Weber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002434, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir bedauern es, daß wir einen Teil der Ausschußarbeit ins Plenum verlagern mußten. ({0}) Wir bedauern es sehr. - Herr Kollege Memmel, wenn uns die CDU im Ausschuß das vorgelegt hätte, was sie hier jetzt vorgebracht hat, wäre uns heute manche Debatte erspart geblieben. Ich darf in aller Kürze noch einmal folgendes feststellen. Die Fraktion der Freien Demokraten hat zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, um dem unzulänglichen und unsozialen Regierungsentwurf mit praktischen Vorschlägen entgegenzutreten. Wir stellen mit Befriedigung fest, daß man bei den Beratungen in diesem Hohen Hause und in seinen Ausschüssen nun doch in wesentlichen Fragen unseren Vorstellungen gefolgt ist. Dadurch ist dieses Gesetz wesentlich verbessert worden. Trotzdem müssen wir gleichzeitig mit Bedauern feststellen, daß verschiedene Fragen in diesem Gesetz noch unzulänglich und unbefriedigend geregelt sind. Wir haben unsere Meinung dazu bei der Einzelberatung hier sehr deutlich, glaube ich, klargemacht. Diese Fragen werden von der FDP im 4. Bundestag erneut aufgegriffen werden. Wir werden dafür sorgen, daß die Unzulänglichkeiten, 'die von der Mehrheit dieses Hauses nicht beseitigt wurden, nicht in Vergessenheit geraten, sondern hier erneut zur Sprache gebracht werden. Abschließend darf ich noch einmal sagen, daß wir im ganzen gesehen die Verbesserung begrüßen, die dieses Gesetz erfahren hat. Die FDP wird diesem Gesetz ihre Zustimmung geben. ({1})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Abgeordnete Berberich.

August Berberich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000144, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Herren Vorredner haben in ihren Schlußerklärungen gesagt, daß sie mit sehr vielen Bestimmungen dieses Gesetzes nicht einig gingen. ({0}) Nun, meine Damen und Herren, da befinden sie sich in guter Gesellschaft. ({1}) Auch wir sind mit sehr vielen Bestimmungen dieses Gesetzes nicht ganz einverstanden, in einzelnen Fällen vielleicht aus den gleichen Gründen wie Sie, nur insofern etwas im Unterschied zu Ihnen, als wir gleichzeitig auch um die Finanzierung besorgt sein müssen. Auf der anderen Seite sind wir aber auch etwas anderer Auffassung darüber, welchem Ziel dieses Gesetz überhaupt dient. Sie haben vor der Schlußabstimmung noch eine ganze Reihe von Vorbehalten angemeldet. Diese Vorbehalte sehe ich nicht nur unter sachlichen Gesichtspunkten, sondern werte sie auch unter Berücksichtigung dessen, daß wir bald den 17. September haben. Natürlich wollen Sie draußen zu einigem kritische Anmerkungen machen. Deshalb nehmen wir diese Erklärungen nicht allzu tragisch. Wir freuen uns darüber, daß es uns - wenn auch in langer Arbeit - gelungen ist, eine so entscheidende Umgestaltung und Verbesserung des Altershilfegesetzes durchzuführen. Unsere Fraktion wird dem Gesetzentwurf, nachdem sie ihn in den ganzen Beratungen der Ausschüsse maßgeblich getragen hat, hier selbstverständlich zustimmen. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Wird in der allgemeinen Aussprache noch das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Änderungsanträge liegen auch nicht vor. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf als Ganzem zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Keine Enthaltungen. - Einstimmig angenommen. Nunmehr kommen wir noch zu den weiteren Punkten Ides Antrags des Ausschusses. Einmal beantragt der Ausschuß, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 498 für erledigt zu erklären. - Dazu wird nicht das Wort gewünscht. Es besteht darüber allgemeines Einverständnis. Ferner beantragt der Ausschuß, den von der Fraktion der FDP eingebrachten Gesetzentwurf auf Drucksache 1274 für erledigt zu erklären. Verzichtet die Fraktion der FDP darauf, daß hier über die einzelnen Paragraphen abgestimmt wird? Ist sie damit einverstanden, daß wir ihren Gesetzentwurf hier für erledigt erklären? - Das ist der Fall. Dann wird auch das hiermit für erledigt erklärt, womit dieser Punkt abgeschlossen ist. Nunmehr hat mich der Berichterstatter zu Punkt 12 gebeten, diesen Punkt - Wirtschaftsprüferordnung - vorzuziehen. - Es erhebt sich kein Widerspruch. Damit rufe ich auf Punkt 12 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer ({0}) ({1}), Schriftlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({2}) ({3}). ({4}). Der Berichterstatter, der Abgeordnete Lange ({5}), hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich ihm danke. Ich rufe nunmehr in zweiter Beratung auf §§ 1 bis 141, Einleitung und Überschrift. - Das Wort Vizepräsident Dr. Jaeger wird nicht gewünscht. Wer den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen. Wir kommen zur dritten Beratung. Das Wort in der allgemeinen Aussprache wird nicht begehrt. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Auch keine Enthaltungen; einstimmig beschlossen. Sodann ist beantragt, die zu .den Gesetzentwürfen eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. - Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen. Damit kommen wir zu Punkt 9 der Tagesordnung: a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesvertriebenengesetzes ({6}), Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene ({7}) ({8}) ({9}). Der Berichterstatter, ,der Abgeordnete Eichelbaum, hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich ihm danke. b) Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für gesamtdeutsche und Berliner Fragen über den Antrag ,der Fraktion der SPD betr. Beihilfe zur Beschaffung von Hausrat an Deutsche aus der Sowjetzone, die nicht die Voraussetzungen des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes erfüllen ({10}) . Der Berichterstatter, der Abgeordnete Eichelbaum, hat auch hier einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich ihm danke. c) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes ({11}) ({12}), Schriftlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich ({13}) ({14}) ({15}). Der Berichterstatter, der Abgeordnete Leukert, hat einen Schriftlichen Bericht vorgelegt, für den ich ihm danke. Ich erteile ihm das Wort zu einer Ergänzung.

Edmund Leukert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001334, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter „I. Allgemeines" ist ein kleiner Druckfehler. In der viertletzten Zeile des ersten Absatzes muß es heißen „beraten" statt „raten".

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die Berichtigung wird entgegengenommen und der Beratung zugrunde gelegt. Zu einer weiteren Ergänzung Herr Abgeordneter Eichelbaum.

Ernst Theodor Eichelbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, auf .der zweiten Seite des Berichts Drucksache 2620 muß es in dem Antrag des Ausschusses nicht heißen: „Die Bundesregierung wird ersucht, 1. eine Regelung herbeizuführen . . ." - diese Regelung hat sie schon herbeigeführt -, und auch nicht: „2. für die Festsetzung der Höhe der Beihilfe besondere Richtlinien zu erlassen". Die Richtlinien sind bereits erlassen, und im Bundeshaushalt sind bereits .die entsprechenden Mittel bereitgestellt.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Die Herren Berichterstatter haben ihre Ergänzungen gegeben, für die ich danke. Ich komme nunmehr zur zweiten Beratung des Entwurfs eines dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesvertriebenengesetzes und rufe auf Art. 1 Nr. 1 und dazu 'den Antrag Umdruck 874 Ziffer 1. Hierzu Frau Abgeordnete Korspeter.

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte unseren Antrag Umdruck 874 begründen und einige Vorbemerkungen dazu machen, weil § 3 des Bundesvertriebenengesetzes für unsere Landsleute aus der Zone einer der wichtigsten, aber auch einer der umstrittensten Paragraphen ist. Hier sind die Richtlinien festgelegt, nach denen die Deutschen, die aus der Zone in die Bundesrepublik kommen, als Flüchtlinge in engerem Sinne anerkannt werden sollen. Sie müssen nachweisen oder glaubhaft machen, daß sie die Zone verlassen haben, „um sich" - so heißt es in dem § 3 - „einer von ihnen nicht zu vertretenden und durch die politischen Verhältnisse bedingten besonderen Zwangslage zu entziehen", wobei eine besondere Zwangslage auch „bei einem schweren Gewissenskonflikt" gegeben ist. Schon bei der Verabschiedung des Bundesvertriebenengesetzes wurde vom Berichterstatter im Bericht darauf hingewiesen, daß der § 3 dieses Gesetzes zu den umstrittensten Bestimmungen gehöre, und jeder von uns, der sich auch nur einigermaßen mit diesen Fragen beschäftigt hat, muß sich der Problematik bei der Beurteilung der Fluchtgründe in ihrer wechselnden Handhabung von seiten der Behörden und der sich daraus ergebenden sozialen Folgen bewußt sein. Die Situation ist so - ich muß das hier in diesem Zusammenhang noch einmal sagen -, daß alle diejenigen, die nicht die Voraussetzungen des § 3 erfüllen, also keine 'besondere Zwangslage oder keinen schweren Gewissenskonflikt nachweisen können, keine Berechtigung auf eine Hilfe aus dem Härtefonds des LAG haben. Sie sind auf sich selbst gestellt, ohne finanzielle Hilfe und Unterstützung des Bundes. Es besteht also eine Kluft zwischen nicht anerkannten und anerkannten Flüchtlingen. Diese soll zwar in etwa, ich möchte das hier gleich hinzufügen, durch die von jetzt an gewährte Einrichtungshilfe für nicht anerkannte Flüchtlinge gemildert werden. Trotzdem sind wir der Meinung, daß diese Kluft, die wir durch die Bestimmung des § 3 zwischen unseren Landsleuten aus der Zone geschaffen haben, immer noch groß genug ist, um eine Änderung des § 3 zu rechtfertigen und unseren Änderungsantrag Umdruck 874 heute erneut zur Abstimmung zu stellen. Es hat sich im Laufe der vergangenen Jahre gezeigt, daß eine befriedigende und gerechte Durchführung des Anerkennungsverfahrens in der Praxis überhaupt kaum möglich ist. Wir stehen deshalb nach wir vor zu unserer Behauptung, daß es in vielen Fällen völlig unmöglich ist, eine klare Grenze zwischen den Flüchtlingen im Sinne des § 3 und den Nichtflüchtlingen zu ziehen, und daß es den Entscheidungsbehörden bei der Würdigung subjektiver Tatbestände wegen fehlender Beweismittel oft unmöglich ist, die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe gerecht zu beurteilen. Ich habe bereits bei der schriftlichen Begründung unseres Gesetzentwurfs damals darauf hingewiesen und muß es heute wiederholen, daß die Fassung der gesetzlichen Bestimmungen, die eine Anzahl unbestimmter Rechtsbegriffe enthält - wie die Begriffe: „nicht zu vertreten" oder „durch die politischen Verhältnisse bedingt" oder „besondere Zwangslage" -, dazu geführt hat, daß die über die Anerkennung als Sowjetzonenflüchtling entscheidenden Verwaltungsbehörden vielfach überfordert werden und demzufolge Entscheidungen getroffen werden, die häufig weder der Entwicklung in der Zone noch dem persönlichen Schicksal Ides Einzelnen ausreichend gerecht werden können. Schließlich muß es uns allen zu denken geben - und uns zu der Überzeugung bringen, daß man das Problem durch Verwaltungsanordnungen oder durch Richtlinien der Bundesregierung einfach nicht lösen kann -, wenn es Flüchtlingsämter gibt, bei denen 50 bis 60 % der Flüchtlinge anerkannt werden, und Flüchtlingsämter, bei denen nur 10 % anerkannt werden. Seien wir uns bitte alle darüber klar: Für den Sowjetzonenflüchtling ist die Beurteilung der Fluchtgründe eine sehr schwerwiegende Angelegenheit. Sie entscheidet im Grunde über einen Teil seines Schicksals. Sie ist deshalb so problematisch, weil wir nicht in der Lage sind, die zur Erlangung der Flüchtlingseigenschaft angegebenen Gründe einwandfrei und gerecht zu überprüfen. Auslegung und Anwendung von Rechtsbegriffen bei politischen Hintergründen ist immer eine fragwürdige Sache. In einer Analyse, die vom Zentralbüro des Hilfswerks der Evangelischen Kirche in Deutschland herausgegeben wurde, ist folgendes ausgesagt worden: Grundsätzlich muß für das totalitäre System der Sowjetzone angenommen werden, daß jeder, der mit den Zielsetzungen des Systems nicht übereinstimmt, in einer bedenklichen Lage ist. Wann aus dieser Haltung eine drohende Gefahr für Leib und Leben oder die persönliche Freiheit bzw. eine besondere Zwangslage entsteht, hängt von der allgemeinen politischen Entwicklung der Sowjetzone und den individuellen Gegebenheiten ab. Vom sicheren Port des Rechtsstaates aus läßt sich der Unterschied zwischen unberechtigter und berechtigter Flucht nicht eindeutig feststellen. Die zwischen Widerstand, Angst und Zermürbung bis zum Fluchtentschluß liegende Entwicklung dürfte jeweils bei dem einzelnen sehr verschieden gelagert sein und sich einer normierenden Beurteilung entziehen. Meine Damen und Herren, treffender kann die Situation für den Flüchtling und für die Fragwürdigkeit der Überprüfung der Fluchtgründe nicht dargestellt werden als in dieser Analyse der Evangelischen Kirche. Wer kann es hier bei uns wagen zu entscheiden, zu welchem Zeitpunkt nun die allgemeine Zwangslage für den einzelnen zu einer besonderen, nur auf ihn abzielenden Zwangslage wird? Denn nur diese besondere Zwangslage wird anerkannt, da die allgemeine die zuständigen Dienststellen, die Flüchtlingsämter, nach den gesetzlichen Bestimmungen bei der Anerkennung pflichtgemäß nicht interessieren darf. Aber auch die Rechtsprechung zu § 3 ist einen Weg gegangen, der dem persönlichen Schicksal des einzelnen nicht immer gerecht werden konnte. Ich hatte in meiner schriftlichen Begründung eine Reihe von Verwaltungsgerichtsurteilen angeführt, von denen ich hier nur noch einmal zwei ganz besonders gravierende Urteile zitieren möchte. In dem einen heißt es: Dem Gesetzgeber war die politische, wirtschaftliche und soziale Bedrängnis bekannt, die auf ihnen - nämlich den Bewohnern der Zone lastete. Gleichwohl hat er durch die Fassung des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes der Erwartung Ausdruck gegeben, daß die Bevölkerung 'die Opfer und Einschränkungen, die mit dieser allgemeinen Bedrängnis verbunden sind, auf sich nimmt und am bisherigen Wohnsitz ausharrt. Das zweite Verwaltungsgerichtsurteil sagt: Eine solche Tat mag ihr - der Klägerin in menschlicher Hinsicht zur Ehre gereichen. Dennoch hat sie deren Folgen zu vertreten. Da, wie gesagt, dem Bundesvertriebenengesetz der Gedanke zugrunde liegt, daß die Bewohner der Zone grundsätzlich in ihrer Heimat bleiben sollen, widerspricht seinen Zielen auch ein dort unter Strafandrohung verbotenes Verhalten, das zwar nach rechtsstaatlichen Maßstäben rechtmäßig und vielleicht sogar menschlich erfreulich ist, bei dem aber der angestrebte und erreichbare Erfolg im offenbarem Mißverhältnis zu dem Umstand steht, daß der Täter wegen dieses Verhaltens mit großer Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen zu erwarten hat, die ihn zur Flucht nötigen werden. Meine Damen und Herren, durch diese Urteile erkennen wir, in welch schwerwiegender Weise die Begriffsbestimmungen des § 3, nämlich die besondere Zwangslage und das Vertretenmüssen des Verhaltens des Flüchtlings in der Zone, sich gegen den Flüchtling auswirken und sein Schicksal bestimmen. Selbstverständlich liegt es mir völlig fern, etwa der Verwaltung oder der Rechtsprechung irgendwelche Vorwürfe zu machen. Ich möchte vielmehr ausdrücklich betonen, daß die Hauptursachen der Schwierigkeiten auf die Problematik der Bestimmung des § 3 zurückzuführen sind. Ein weiterer Anlaß, unseren Antrag heute erneut zur Abstimmung zu stellen, ist die Tatsache, daß wir nach wie vor der Überzeugung sind, daß man mit diesem § 3 angesichts der festen Begriffsbestimmungen, von denen ich soeben gesprochen habe, überhaupt nicht in ,der Lage ist, sich der immer wandelnden, sich immer verschärfenden Situation in der Zone anzupassen, und ,daß die Durchführungsverordnungen und Richtlinien ,der Bundesregierung nur unzulängliche Notbehelfe sind und für die zu anderen Zeiten gekommenen Flüchtlinge zu Ungerechtigkeiten führen können. Ich möchte Ihnen dazu einmal ein Beispiel sagen. Als im vergangenen Jahr die Bauern aus der Zone wegen der Bolschewisierungsmethoden der Machthaber drüben zu Hunderten und Tausenden zu uns kamen, erhielten sie auf Veranlassung der Bundesregierung alle die Anerkennung nach § 3 des Bundesvertriebenengesetzes. Das haben wir begrüßt und für richtig gehalten. Ich erlebte es aber in dieser Zeit, daß in meiner Sprechstunde ein Bauernflüchtlingsehepaar erschien, das ein Jahr vorher unter demselben Zwang aus dem Dorfe geflohen war und dem man den C-Ausweis verweigert hatte. Das meine ich, wenn ich sage, daß Richtlinien und Anordnungen nur Notbehelfe sind und oft zu Ungerechtigkeiten führen können. Es kommt etwas anderes hinzu, nämlich die Tatsache, daß das Terrorregime der Zone seine Maßnahmen immer weniger auf den einzelnen abstellt, sondern immer stärker gegen ganze Wirtschafts und Bevölkerungsgruppen richtet. Diese allgmeine Zwangslage darf aber - ich sagte das vorhin schon einmal - nach der heutigen Fassung des § 3 und auch nach der neuen Formulierung, die von der Mehrheit des Ausschusses beschlossen worden ist, von den Behörden nicht gewertet werden. Diese Bestimmung muß nicht nur ,die zu uns kommenden Flüchtlinge immer wieder in die bitterste Enttäuschung stürzen, sondern auch die Beamten angesichts der menschlichen und sozialen Not der Flüchtlinge in einen erheblichen Gewissenskonflikt bringen. Wir sind deshalb ,der Meinung, daß es auf die Dauer weder menschlich noch sozial, noch politisch verantwortet werden kann, unsere Landsleute, die wegen der politischen Entwicklung und der allgemeinen Zwangslage in der Zone vertrauensvoll bei uns Zuflucht suchen, nach einer „besonderen Zwangslage" einordnen zu wollen. ({0}) Wir bedauern es aufrichtig, daß die Bundesregierung, der die Schwierigkeiten schließlich doch genau so bekannt sind wie uns, nicht die Initiative ergriffen und eine grundsätzliche Änderung dieses fragwürdigen Paragraphen vorgeschlagen hat. ({1}) Die Beratungen in den zuständigen Ausschüssen haben leider zu keinem Ergebnis geführt, das uns befriedigen könnte. Man braucht kein Fachmann auf diesem Gebiete zu sein, um bei einem Vergleich der bisherigen Fassung mit ,der jetzt von der Ausschußmehrheit vorgeschlagenen Formulierung zu erkennen, ,daß die Unterschiede so geringfügig sind, daß sich weder für die Verwaltungen bei der Durchführung der Bestimmung noch für die Betroffenen eine wesentliche Verbesserung ergeben kann. Denn die schwierigsten Begriffsbestimmungen wie „besondere Zwangslage" und das „Vertretenmüssen" sind leider erhalten geblieben. Es macht, wie wir fürchten, kaum einen Unterschied aus, daß statt mit der bisherigen Formulierung „von dort flüchten mußte" in Zukunft mit der Formulierung „von dort geflüchtet ist" gearbeitet wird. Dadurch wird keine bessere Situation geschaffen, da das entscheidende Kriterium, nämlich das Wort „flüchten" begrifflich von vornherein eine Zwangslage einschließt. Hinsichtlich der zweiten vorgeschlagenen Änderung - ich will es mit der gebotenen Vorsicht sagen, weil es natürlich auch auf die Rechtsprechung ankommt - bin ich der Meinung, daß der Spielraum, den ,die Flüchtlingsämter und Gerichte bei der Beurteilung des politischen Hintergrundes für vorgebrachte wirtschaftliche Fluchtgründe bisher hatten, eingeengt werden kann, weil nunmehr geprüft und auch gewertet werden muß, ob dem Flüchtling wirklich eine Zerstörung oder entscheidende Beeinträchtigung der Existenzgrundlage drohte. Wir fürchten, daß bei der Annahme des Ausschußberichts und bei den noch so geringfügigen Änderungen im Gesetz Hoffnungen bei den Betroffenen geweckt werden, die nicht erfüllt werden können, und daß die Enttäuschung folgen muß. Das, meine Damen und Herren, ist der wohlüberlegte Anlaß, der uns dazu gebracht hat, unseren Änderungsantrag _auf Umdruck 874 erneut zu stellen und Sie um Ihre Zustimmung zu bitten. ({2})

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001006

Das Wort hat der Bundesminister Dr. von Merkatz.

Dr. Hans Joachim Merkatz (Minister:in)

Politiker ID: 11001477

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere, der Frau Kollegin widersprechen zu müssen. Der von der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei mit Drucksache 1974 eingebrachte Antrag sieht vor, daß alle Deutschen aus der Sowjetzone bzw. aus Ost-Berlin die Anerkennung als Sowjetzonenflüchtlinge im Sinne des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes erhalten, soweit sie nicht unter gewisse eng begrenzte Ausnahmetatbestände fallen, wie z. B. Flucht aus der Sowjetzone wegen drohender Straf9118 verfolgung auf Grund eines kriminellen Delikts. Als Begründung für den weitgehenden Antrag wird in der Hauptsache angeführt, seit Verabschiedung des Bundesvertriebenengesetzes im Jahre 1953 habe sich in der Sowjetzone der allgemeine Zwang, den die Bevölkerung erdulden müsse, so verstärkt, daß jedem Deutschen, der die Sowjetzone verläßt, die Eigenschaft als Sowjetzonenflüchtling zuerkannt werden müsse und daß die vom Gesetz geforderte besondere Zwangslage als Grundlage der Anerkennung nicht mehr verlangt werden könnne. Gerade aus Kreisen der Flüchtlinge wird dem widersprochen. Die Änderung des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes ist in den letzten Monaten von den zuständigen Ausschüssen dieses Hohen Hauses eingehend erörtert worden. Die Bundesregierung hat dabei ihre Auffassung vorgetragen, die sich in Übereinstimmung mit den in diesen Ausschüssen gefaßten Beschlüssen befindet. Im Jahre 1953 ist der politische Tenor des § 3 bei den Beratungen des Bundesvertriebenengesetzes in diesem Hohen Hause in der vom Ausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen vorgeschlagenen Fassung fast einstimmig angenommen worden. Der Gesetzgeber hat diesem § 3 seinerzeit einen ausgesprochen politischen Inhalt gegeben. Das geschah wohlüberlegt und aus Gründen, die auch heute noch bestehen. Der Gesetzgeber ging dabei von dem Grundgedanken aus, in erster Linie an die in der Zone Verbleibenden zu denken. Schon damals war die politische Lage in der Sowjetzone, also auch die allgemeine Bedrückung durch die kommunistische Herrschaft, in der all e Bewohner dort zu leben gezwungen sind, bekannt und gegenwärtig. Unter Würdigung der gesamtdeutschen Gesichtspunkte vertrat der Gesetzgeber die Auffassung, daß nur diejenigen Bewohner der sowjetischen Besatzungszone, die über die allgemeine Bedrängnis aller Sowjetzonenbewohner hinaus einer besonderen Zwangslage ausgesetzt sind, nach ihrer Flucht in die Bundesrepublik hier einen - und das möchte ich unterstreichen - privilegierten Status als Sowjetzonenflüchtlinge mit Ausweis C mit den entsprechenden Eingliederungshilfen der öffentlichen Hand erhalten sollen. Nach sorgfältiger Prüfung aller für eine Änderung des § 3 geltend gemachten Argumente ist die Bundesregierung in Übereinstimmung mit den dama-Egen Überlegungen dieses Hohen Hauses nach wie vor der Überzeugung, daß der § 3 des Bundesvertriebenengesetzes in seinem politischen Gehalt nicht geändert werden sollte, ja, nicht geändert werden darf. Die Bundesregierung ist sich bewußt, unter welch schwierigen politischen Umständen die Menschen in der Zone zu leben gezwungen sind. Sie würdigt mit Dankbarkeit die Haltung derjenigen, die trotz aller politischen Bedrückung in Mitteldeutschland verbleiben, damit eben Mitteldeutschland ein deutsches Land bleibt. Meine Damen und Herren, es fällt dem Vertriebenenminister außerordentlich schwer, das hier aussprechen zu müssen. Es fällt ihm schwer, das von den Menschen zu verlangen, die unter einer allgemeinen Bedrückung leben, die wir selbst nicht zu ertragen haben. Glauben Sie nicht, daß uns hier das Gewissen drückt? Wie soll man fordern, wie soll man etwas erwarten, was wir nicht selbst zu ertragen haben?! ({0}) - Liebe Frau Kollegin, ich wollte das hier sagen, damit Sie und wir alle fühlen, daß hier unser Gewissen genauso wie bei Ihnen berührt ist. Dennoch muß die harte Regelung bestehenbleiben, daß eben nur die besondere Zwangslage, die zur Flucht zwingt, einen privilegierten Status herbeiführen kann. ({1}) Die Bundesregierung ist es den Menschen, die drüben ausharren, schuldig, daß der privilegierte Status als Sowjetzonenflüchtling nur denjenigen zuerkannt wird, die eben auf Grund einer besonderen Zwangslage, wie sie § 3 des Bundesvertriebenengesetzes umschreibt, geflüchtet sind. Wenn auch nicht zu verkennen ist, daß sich die allgemeinen politischen Verhältnisse in der sowjetischen Besatzungszone von Jahr zu Jahr verschärft haben, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daß die Gründe, die den einzelnen zum Verlassen der Zone bestimmen, von unterschiedlichem politischem Gewicht sind. Die Wiedervereinigung ist die wichtigste Aufgabe der deutschen Politik. Darum liegt das Schwergewicht unserer Sorge auf der Festigung der Haltung der Bevölkerung Mitteldeutschlands. Das m u ß die Bundesregierung so sehen. Aus diesen Gründen sollte nach Auffassung der Bundesregierung keine gesetzgeberische Maßnahme getroffen werden, die von der grundsätzlichen politischen Konzeption des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes abweicht und sowohl von der Bevölkerung der Zone als auch von dem uns befreundeten Ausland mißdeutet werden könnte. Ich möchte vor allen Dingen unterstreichen, wie groß die Möglichkeit des Mißdeutens bei der Bevölkerung der Zone ist. Dementsprechend begrüßt die Bundesregierung die Vorschläge des federführenden Ausschusses für Heimatvertriebene, wie sie in dem Schriftlichen Bericht dieses Ausschusses vom 14. April 1961 in der Drucksache 2655 niedergelegt sind. Herr Präsident, ich bitte, zugleich auch zu dem Punkt 9 b der Tagesordnung, also zu der Frage der Einrichtungsbeihilfe, einige Ausführungen machen zu dürfen, weil das sinngemäß zusammengehört und weil sich daraus die Grundeinstellung der Bundesregierung hinsichtlich der sozialen Behandlung der Menschen, die zu uns gekommen sind und die nicht den Flüchtlingsausweis C ,erhalten, ergibt. Die Tatsache, daß die Bundesregierung aus dem gesamtdeutschen Aspekt Wert darauf legt, die politische Konzeption des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes zu erhalten, bedeutet aber - das möchte ich unterstreichen - keineswegs, daß sie sich den Anliegen der Deutschen aus der Sowjetzone, die keinen C-Ausweis, also keinen sozial privilegierten Status bei uns erhalten können, verschließt. Die Ursachen für Ausbombung, Vertreibung und Flucht aus der Zone sind zeitlich, rechtlich und politisch sehr verschieden. Wir haben allen Grund -auch außenpolitisch - diese Verschiedenheit sichtbar zu erhalten. Aber die Wirkungen für die Betroffenen sind in der Praxis oft nahezu gleich. Darum ist die Bundesregierung bestrebt, diesen sozialen Folgen der Flucht durch pragmatische Maßnahmen zu begegnen. Der Wohnungsbau für diesen Personenkreis wird von der Bundesregierung im Zusammenwirken mit den Ländern seit 1953 in besonderer Weise gefördert. Die durchschnittliche Lageraufenthaltszeit ist erheblich verringert worden. Die Vermittlung von Arbeitsplätzen bedeutet bei der gegebenen wirtschaftlichen Lage keine besondere Schwierigkeit mehr. Schwierigkeiten aber ergeben sich nach der Wohnungszuteilung bei der Einrichtung eines neuen Hausstandes. Je kürzer der Lageraufenthalt ist, um so schwieriger wird die Einrichtung einer neuen Wohnung. Die Bundesregierung hat deshalb vor einigen Monaten den Ländern vorgeschlagen, eine Einrichtungshilfe für Deutsche aus der Sowjetzone zu schaffen, und hat angeboten, 75 % der Kosten auf den Bundeshaushalt zu übernehmen. Die Einrichtungshilfe ist nicht rückzahlbar. Sie soll allen Personen zugute kommen, die die Notaufnahme erhalten haben, die in der Sowjetzone einen eigenen Haushalt hatten und den Hausrat zurücklassen mußten, hier nach dem 30. September 1959 Wohnraum bezogen haben, denen der notwendige Hausrat fehlt und deren Einkommen unter großzügig gezogenen Grenzen liegt. Die Bundesregierung veranschlagt die Kosten für die Einrichtungshilfe für die beiden Haushaltsjahre 1961 und 1962 auf etwa 93 Millionen DM. Diese Maßnahme der Bundesregierung, die auch im Bundestagsausschuß für Heimatvertriebene und im Bundestagsausschuß für gesamtdeutsche und Berliner Fragen eingehend beraten worden ist, dürfte der Intention entsprechen, die im Beschluß des Ausschusses für Heimatvertriebene in der Drucksache 2620 zum Ausdruck kommt. Inzwischen ist die Mehrzahl der Länder dem Vorschlag der Bundesregierung beigetreten. Der praktische Vollzug der Hilfe dürfte also in Kürze beginnen, und ich darf diese Gelegenheit wahrnehmen, an die Länder die herzliche und dringliche Bitte zu richten, hier nun auch zur Praxis zu schreiten. Die Mehrzahl der Länder ist uns in einer sehr verständnisvollen Weise entgegengekommen. Ich hoffe auch, daß das bei den noch zögernden Ländern ebenso geschieht. Das ist meine sehr dringliche Hoffnung. Meine Damen und Herren, ich weiß, wieviel Gewissensnot es für einen Menschen ist, der selbst hier in der Freiheit lebt, wenn er diese Tatbestände wahrhaft gerecht und von innen heraus beurteilen soll. Seien Sie überzeugt, daß ,die Bundesregierung, daß der Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte hier die Interessen der gesamtdeutschen Politik, die Interessen der Wiedervereinigung und die Tatbestände so, wie sie vor uns liegen, sehr sorgfältig bedacht hat. Es fällt uns nicht leicht, diese Entscheidung im Interesse des Ganzen der Nation zu fällen; aber sie ist notwendig. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Kuntscher.

Ernst Kuntscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen der Frau Kollegin Korspeter veranlassen mich, einiges richtigzustellen. Dabei möchte ich nicht dem Kollegen Eichelbaum, der sich dann noch mit den Details beschäftigen wird, vorgreifen. Die Tendenz und das Endziel des SPD-Antrages Drucksache 1974 auf Änderung des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes besteht in nichts anderem, als das Notaufnahmeverfahren für SBZ-Flüchtlinge in ein bloßes Registrierverfahren umzuwandeln. ({0}) Das ist der Tenor. ({1}) Ja schön, ich freue mich, daß Sie dieser Feststellung zustimmen. ({2}) Damit soll aber auch jeder Unterschied zwischen den politischen Flüchtlingen und allen anderen Flüchtlingen aus der Zone ausgelöscht werden. Die Anerkennung des Zonenflüchtlings kann nach Ihrer Auffassung nur noch verweigert werden, wenn den Aufnahmebegehrenden eine gegen die Demokratie - Demokratie natürlich in unserem Sinne -, gegen den Bestand der Bundesrepublik gerichtete Tätigkeit oder kriminelle Vergehen nachgewiesen werden können. Das, meine Herren Antragsteller, wäre gerade eine Umkehrung des bisherigen Verfahrens. Diesem Vorhaben in dieser Form können wir nicht zustimmen. Wir haben uns bemüht - ehrlich bemüht -, in zahlreichen Besprechungen und Beratungen eine Neufassung des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes zu finden, um Erleichterungen für die Anerkennung ,der Zonenflüchtlinge zu schaffen, vor allem dadurch, daß in Zukunft dem Flüchtling der Nachweis von zwei Zwangssituationen erspart bleibt. Bisher waren nämlich der Nachweis der Zwangslage in der Zone und der Nachweis, daß der Flüchtling wegen dieser Zwangslage flüchten mußte, notwendig. Nun soll die besondere Zwangslage bereits als Fluchtgrund anerkannt werden. Die Neufassung will, daß dies für jede Zwangslage gelten soll, auch für die des Gewissenskonfliktes. Damit sind Nachprüfungen, ob der Flüchtling in der Zone durch Arbeitsplatz- oder durch Wohnungswechsel nicht einen Ausweg aus dem auf ihm lastenden Zwang hätte finden können, weggefallen. Weiter sollen wirtschaftliche Gründe, die im politischen System der Zone begründet sind und die die Zerstörung der wirtschaftlichen Existenz bedeuten oder die bevor9120 stehende Zerstörung der Existenz befürchten lassen, das Bestehen einer Zwangslage rechtfertigen. Mit dieser Auflockerung des § 3 wird einem breiten Personenkreis und einem weiteren Personenkreis der C-Ausweis zuerkannt werden. Auch wird der Exekutive, die die Zuerkennung durchführt, ihre schwierige Arbeit wesentlich erleichtert werden. Ich bitte deshalb, den Antrag der SPD auf Umdruck 874 abzulehnen und den Ausschußantrag auf Drucksache 2655 anzunehmen. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Eichelbaum.

Ernst Theodor Eichelbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht muß man noch einiges hinzufügen und den Ausführungen der SPD etwas entgegensetzen. In das Gesetz, das im Jahre 1953 'beraten und beschlossen wurde, ist gerade dieser § 3 erst aufgenommen worden, nachdem der entscheidende Ausschuß des Bundestages sich mit den Flüchtlingsorganisationen zusammengesetzt und die Fragen besprochen hatte. Die Formulierung bezüglich der „besonderen Zwangslage" ist 'damals im vollen Einvernehmen zwischen dem Bundestag oder jedenfalls seiner Mehrheit und den Flüchtlingen festgelegt worden. Ich glaube, das ist wirklich von Bedeutung. ({0}) Das gleiche hat man im Jahre 1957 gemacht, als in die zweite Novelle der Satz wegen des Gewissenskonfliktes aufgenommen wurde, auch hier im vollen Einverständnis mit den Flüchtlingen. Es trifft also nicht zu, wenn der Eindruck erweckt werden sollte, daß die Flüchtlinge ihre Angelegenheit nur von der sozialen Seite aus ansähen und aus ,diesem Grunde jeden, der aus der Zone herüberkommt, gleichgestellt wissen wollten und das politische Faktum ihrer Flucht selber nicht begriffen hätten. Die Flüchtlinge selber sind es, die von diesem politischen Faktum am stärksten ergiffen sind und die am ehesten von diesem Faktum reden können. ({1}) Auch hier sitzen ja Flüchtlinge, und ich kann auch von Ihnen, Frau Korspeter, so sprechen. Ich weiß, daß 'ich im Namen aller dieser Menschen spreche, wenn ich sage, daß es ihnen nicht gleichgültig ist, ob Isie als Zuwanderer angesehen werden oder ob ihnen bestätigt wird, daß sie von einer sie betreffenden besonderen Zwangslage hierher getrieben worden sind. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einem 80jährigen Universitätsprofessor, der an der Universität meiner Heimatstadt eine große Schar von Schülern hatte. Fast jedesmal, wenn ich ihn spreche, fragt er mich: War es richtig, daß ich damals weggegangen bin, konnte ich mein Wirken nicht noch verlängern, hätte ich noch bleiben können? Und wir stellen dann fest: Es war der letzte Augenblick, in dem er wegging, sonst hätte er seine Freiheit eingebüßt und sein Wirken obendrein. Die politische Anerkennung des Flüchtlings durch den Anerkennungsschein bedeutet für den Flüchtling die Verleihung eines Ehrenzeichens dafür, daß er bis zur letzten Möglichkeit drüben ausgeharrt hat; so fassen wir sie auf. ({2}) Wenn man dieses politische Faktum als nicht vorhanden betrachtete, wenn man sagte - wie Sie es getan haben -, das Problem der Anerkennung sei nicht lösbar, also müsse man es gewissermaßen zur Seite schieben, dann würde man die Wirklichkeit, unter der Deutschland steht, verharmlosen oder verschweigen, nämlich die Tatsache, daß drüben täglich in urierhöhtem Ausmaß Gewaltakte geschehen und daß die Menschen durch diese Gewaltakte her-übergetrieben werden. ({3}) Wenn man nun Zuwanderer und Flüchtlinge gleichstellte und gar nicht mehr prüfte, ob der Betreffende in einer besonderen Zwangslage gewesen ist, dann hieße das den Standpunkt einnehmen: Der Damm ist gebrochen, die Katastrophe ist da, wir können keine Unterschiede mehr machen. Und wenn der Damm gebrochen ist, dann läuft das Meer leer. Das können wir nicht wünschen, das wünschen Sie nicht, das wünscht kein Flüchtling. Wir haben uns in vielfältigen Ausschußtagungen ausdrücklich auf den Standpunkt gestellt, daß der § 3 nicht unabänderlich ist, sondern daß man ihn verbessern sollte. Über die Einzelheiten dazu hat mein Kollege Kuntscher das Nötige ausgeführt. Im Beirat des Vertriebenenministeriums, den der Herr Vertriebenenminister mit der Angelegenheit befaßt hatte, nahm man den Standpunkt ein, man müßte es noch besser machen. Aber keiner der dort anwesenden Sachverständigen, der Flüchtlinge und solcher, die mit Flüchtlingen zu tun haben, konnte uns einen besseren Vorschlag machen. Der Minister und die Herren seines Ministeriums konnten daraus nur entnehmen, daß man die Dinge sehr genau überlegen muß, daß sie schwierig sind; sie bekamen kein Rezept in die Hand. Allerdings muß man, wenn man von den Flüchtlingen verlangt, daß sie ihre „Zwangslage" nachweisen, dafür sorgen, daß die Methode des „Verfahrens" besser wird, als die gegenwärtig vielfach ist. Die große Schwierigkeit dabei ist, daß das Vertriebenenministerium keinerlei Weisungsbefugnis gegenüber den Ländern und Gemeinden hat. Man sollte ,den Appell an die Länder und Gemeinden erneuern, die entscheidenden Posten in ihren Vertriebenen- und Flüchtlingsämtern mit den bestqualifizierten Beamten zu besetzen und diese Ämter nicht, als „künftig wegfallende" Behörden, mit den gerade zur Verfügung stehenden Personen zu besetzen. Ich erinnere daran - ich habe es absichtlich in meinem Bericht erwähnt, aber ich möchte es für die Plenarsitzung wiederholen -, daß den Ländern und Gemeinden geraten wird, das zu tun, was alle Fraktionen gemeinsam als eine Verbesserung der Situation vorgeschlagen haben, nämlich den entscheidenden Beamten beratende Ausschüsse an 'die Seite zu stellen, in denen eines der ehrenamtlichen Mitglieder Sowjetzonenflüchtling sein muß. Diese Ausschüsse, wie sie sich nach ,der Novelle zum Häftlingshilfegesetz so bewährt haben, würden eine gute Wirkung tun. Ich hoffe doch, daß die Länder diese Ausschüsse einführen werden, um eine Verbesserung des Verfahrens und eine sachkundige Unterrichtung zu erreichen und um die Zahl der Enttäuschten und Verbitterten zu verringern. Wenn man nun dem Flüchtling zumutet, sich einer strengen Prüfung zu unterziehen, dann kann man ihn allerdings in der Art, wie man ihn sozial behandelt, von dem Vertriebenen, der ja auch ein Zwangsvertriebener ist, nicht unterscheiden. Ich bin einigermaßen glücklich darüber, daß bei der 14. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz, von der ich hier nicht zu reden habe, festgestellt wurde, daß nach den Worten des Herrn Staatssekretärs „im Grundsatz Einigkeit darüber besteht, daß die SBZ-Flüchtlinge bei den sozialen Leistungen des Lastenausgleichs den Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten gleichgestellt werden sollen". Aus demselben Grunde, glaube ich, muß man in der Behandlung der anerkannten Flüchtlinge und der nicht anerkannten Flüchtlinge gewisse Unterschiede machen. Das bedeutet nicht, daß man sie in ihrer Notlage nicht so gut unterstützt wie nur irgend möglich. So fassen wir die geplante „Einrichtungshilfe" auf. Ich meine, daß man den Flüchtlingen keinen Gefallen tut, wenn man ihnen ihre amtlich bestätigte Charaktereigenschaft nimmt, sondern ich glaube, daß man ihnen etwas Gutes tut, wenn man die Möglichkeiten, ihnen zu dieser Anerkennung zu verhelfen, verbessert. Das ist die Absicht des Antrags des Ausschusses, den anzunehmen wir Ihnen empfehlen. ({4})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Reitzner.

Richard Reitzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Minister Merkatz hat geglaubt, seine Begründung mit der Bemerkung untermauern zu müssen, die Verbände der Betroffenen und auch die Beiräte der Betroffenen seien anderer Auffassung als die Antragsteller der SPD. Ich möchte den Herrn Minister daran erinnern, daß sozusagen sein eigener Beirat, also der Beirat beim Vertriebenenministerium, folgendes ausgesprochen hat: Der Beirat bedauert, daß keine Fassung gefunden werden konnte, die eine noch größere Zahl von Flüchtlingen in die Anerkennung für den C-Ausweis einbeziehen würde. Nun, das ist ziemlich klar. ({0}) - Um so besser. Weiter: Wer glaubt denn heute noch, daß es eine gleichmäßige und gerechte Bewertung gibt? Die Bewertung ist immer schwieriger geworden, weil die Probleme in der sowjetisch besetzten Zone immer schwieriger geworden sind, weil sich dort die Dinge gewandelt haben. Ich glaube, meine Damen und Herren, der Herr Kollege Eichelbaum sollte hier nicht so dramatisch den Untergang voraussagen: Der Damm wird brechen, die Fluten werden über uns hinwegkommen. Das gehört ein bißchen in die tragische Epik hinein. ({1}) - Haben Sie es nicht gesagt? Wer hat es denn gesagt?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ernst Theodor Eichelbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Haben Sie nicht aufgefaßt, Herr Kollege, daß ich gesagt habe, die Abschaffung des politischen Anerkennungsverfahrens könnte darauf schließen lassen, daß man einen Dammbruch für gegeben ansieht?

Richard Reitzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Na gut. Also doch: Der Damm wird brechen. Das ist genau dasselbe. Mit solchem Sprachnihilismus, mit einer umgekehrten Art von Dialektik wollen wir uns hier doch nicht beschäftigen. Der Damm wird brechen: das ist der Sinn Ihrer Worte. ({0}) - Der Damm wird nicht brechen, weil es doch so ist: Die Flucht aus der sowjetisch besetzten Zone ist für die Mehrheit der Fliehenden nicht eine Frage des Abenteuers oder der Hoffnung auf einen paradiesischen Zustand bei uns. Der wahre Grund ist vielmehr in den meisten Fällen, daß die Mehrheit der Geflohenen dem Druck nicht mehr hat standhalten können. ({1}) So ist es doch bei der Mehrheit. Natürlich gibt es Pendler, gibt es Abenteurer und junge Leute, die schauen wollen. Ich möchte abschließend sagen: 1952 ist 1952 gewesen. Wieviel Jahre sind das jetzt? ({2}) - Tüchtig! Neun Jahre! In diesen neun Jahren haben sich in der sowjetisch besetzten Zone die Voraussetzungen und die Gründe für eine Flucht wesentlich verschoben. Sie sind heute nicht mehr die gleichen wie damals. Nein, das Einzelschicksal ist ein Gruppen-, ja manchmal ein Massenschicksal geworden, wenn ich nur an das Bauernlegen erinnern darf. Das ist ,der Tatbestand. Nicht allen Menschen ist es möglich, für alle Zeit dem verstärkten Druck des SED-Regimes standzuhalten. Nur der Gedanke an das Vorhandensein einer freien Welt in der Bundesrepublik verleiht neue Hoffnung und Zuversicht. Wenn sich nun ein solcher Mensch unter diesem Zwang - und das ist ein Massenzwang! - herüberretten muß, dann müssen wir ihm helfen, ohne Vorhängeschlösser und ohne Vorbehalte, damit er hier mit neuer Zuversicht arbeiten kann. Ich glaube, daß die in unserem Antrag im § 3 Abs. 1 Buchstabe a, b, c, d, e vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen ausreichen. Deswegen halten wir unseren Antrag für berechtigt. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Entscheidung über die Änderung des § 3 des Vertriebenengesetzes ist für den, der sich mit diesen Problemen sehr eingehend beschäftigt hat, tatsächlich nicht leicht. Auf der einen Seite steht der berechtigte Anspruch von uns allen, daß wir hier im freien Teil Deutschlands für ganz Deutschland sprechen, nicht nur sprechen wollen, sondern für ganz Deutschland sprechen! Aber gleichzeitig stehen wir vor Schwierigkeiten. Wir müssen von uns aus, durch die besondere Situation der Zone bedingt, in gewissen Fragen eine Schranke errichten, haben also Schwierigkeiten bei einer gleichmäßigen Behandlung. Hier stehen wir vor einem Dilemma. Es ist immer wieder nur von Fall zu Fall möglich zu prüfen, inwieweit die von uns gesetzgeberisch aufgebaute Schranke noch notwendig ist oder nicht. Ich gestehe Ihnen offen, daß die Entscheidung darüber nicht einfach war, ob man so weit gehen sollte wie die SPD-Fraktion, praktisch jeden Sowjetzonenflüchtling als politischen Flüchtling im Sinne des Gesetzes anzuerkennen, oder ob man noch eine Unterscheidung treffen sollte. Aber wir sind doch zu dem Ergebnis gekommen, daß eine weitgehende Öffnung nicht den gegebenen Notwendigkeiten entspricht. Ich will auch einige Begründungen dafür anführen. Bei Gesprächen mit Sowjetzonenflüchtlingen in den Verbänden oder außerhalb der Verbände haben im allgemeinen diejenigen, die anerkannt sind, Sorge, daß zuviel anerkannt werden; umgekehrt sagen diejenigen, die nicht anerkannt sind, die Bestimmungen reichten nicht aus. Diese Reaktion beider Seiten ist völlig verständlich. ({0}) - Natürlich gibt es diese Einstellung; sie ist leider vorhanden. Wenn Sie die Dinge etwas näher untersuchen, kommen Sie zu dem Ergebnis, daß auch die Fluchtgründe der einzelnen Flüchtlinge nicht gleich, sondern heute noch sehr unterschiedlich sind. ({1}) Die entscheidende Frage ist, ob wir die sozialen Leistungen, die wir dem einzelnen Flüchtling gewähren, von der politischen Wertung seines Fluchtgrundes abhängig machen wollen. Wir werden - das darf ich hier vorausschicken - der weitergehenden Lösung, die die SPD für die Einrichtungshilfe vorschlägt, also der Übernahme der Hausratsbeihilfebestimmungen für die Sowjetzonenflüchtlinge, zustimmen, weil wir darin eine Möglichkeit sehen, dem berechtigten Verlangen des Sowjetzonenflüchtlings, eine Starthilfe zu erhalten, noch weiter entgegenzukommen, als es auf Grund der jetzigen Gesetze bzw. Richtlinien möglich ist. Wir sind aber nicht bereit, den Begriff des politischen Flüchtlings so weit auszudehnen, daß praktisch jeder, dem die Notaufnahme bewilligt wird, den Flüchtlingsausweis C bekommt und damit als politischer Flüchtling deklariert wird. Ich habe den Kollegen Eichelbaum, als er von der Gefahr sprach, daß der Damm brechen könne, so verstanden, daß drüben fälschlicherweise angenommen wird, wir wollten, daß der Damm bricht, und daß damit der Eindruck entsteht, wir gäben es auf, überhaupt noch die Hoffnung zu haben, daß eines Tages wieder alle in ihrer Heimat versammelt sein können. ({2}) Das ist die psychologische Gefahr und nicht so sehr der Umstand, daß nun die Masse unserer Freunde von drüben gehen wird, wie viele von uns gegangen sind. Es hat sich gezeigt, daß die Vorteile durch gewisse Gesetze nicht dazu geführt haben, daß in überwiegendem Maße gerade die älteren Menschen zu uns kamen, die diese Vorteile am ehesten hätten wahrnehmen können. Vielmehr stellen die jüngeren Menschen das Hauptkontingent der Flüchtlinge, selbst wenn man dabei einmal außer acht läßt, was im einzelnen an Rückläufern dabei ist. Ich glaube also nicht, daß die Gefahr eines Dammbruches wegen größerer sozialer Leistungen entsteht. Diese Gefahr entsteht, wenn wir deutlich machen, daß es keinem einzigen mehr zuzumuten ist, dort zu bleiben, und wir erwarten, daß sie jetzt alle die Konsequenz daraus ziehen. Das muß verhindert werden. Deshalb sind wir damit einverstanden, daß die Ausschußfassung angenommen wird. Es ist uns bewußt, daß damit nicht all die Schwierigkeiten ausgeräumt sind, von denen Frau Kollegin Korspeter vorhin gesprochen hat. Wir wissen, eine wie unterschiedliche Auslegung in den einzelnen Ländern erfolgt. Wir bedauern, daß die zuständigen Behörden in dem einen Land bei den Kreisen, in dem anderen Land bei den Regierungspräsidenten eingerichtet worden sind. ({3}) - Jawohl, auch in den einzelnen Ämtern! Wir bedauern, daß die beratenden Ausschüsse nicht schon überall vorhanden sind. Hier zeigt sich, daß der in einem Fall so begrüßte Spruch des Bundesverfassungsgerichts in vielen, vielen anderen Fällen dazu führen wird, daß die Länder ihre oft egoistische Verhaltensweise auf diesem Verwaltungsgebiet noch weiter ausbauen werden. Wir bedauern es, daß der unserer Meinung nach schon übertriebene Föderalismus in der Bundesrepublik auf diesem Wege - auf Grund dieses Urteils - noch verstärkt worden ist. Das wirkt sich hier bei diesem Gesetz ausgesprochen gegen die Flüchtlinge aus. Wir unterstützen die Bitte, die der Herr Minister an den Bundesrat, an die Länder gerichtet hat, doch dafür zu sorgen, daß im Rahmen des Möglichen einheitlichere Beurteilungen bei der Erteilung des Flüchtlingsausweises C erfolgen. Ich glaube nicht, daß man sagen kann, die Verbesserungen, die dieses Gesetz bringe, seien nicht so bedeutend. Ich glaube doch, daß die Beseitigung der zweiten Bedingung - „flüchten mußte" - eine erhebliche Verbesserung mit sich bringen wird. Sie wissen, daß wir damit rechnen, daß dadurch die Zahl der Anerkennungen vielleicht auf 30 bis 35 % steigen wird. Keiner kann es genau übersehen. Es ist möglich, daß wir in ein oder zwei Jahren zu dem Ergebnis kommen, daß wir bezüglich der Bewertungen in dem Gesetz neuen Erkenntnissen Rechnung tragen müssen. Die Herausnahme der Einschränkung „wirtschaftliche Gründe allein berechtigen nicht zur Erteilung des Ausweises C" hat ja deutlich gemacht, daß hier ein wesentlicher Wandel eintreten mußte. Wir haben uns inzwischen auch mit dieser Formulierung abgefunden, die jetzt erarbeitet worden ist, obwohl wir es gern gesehen hätten, wenn die Frage der wirtschaftlichen Gründe überhaupt aus dem Gesetz herausgelassen worden wäre, um damit den gravierenden Unterschied zur bisherigen Fassung, daß wirtschaftliche Gründe eine Erteilung des Ausweises C ausschließen, ganz besonders deutlich zu machen. Aber auch hier sehen wir einen wesentlichen Fortschritt. Es wird nicht möglich sein - darüber müssen wir uns alle hier in diesem Hohen Hause klar sein -, den Sowjetzonenflüchtlingen in ihrer Gesamtheit klarzumachen, daß eine Unterscheidung zu treffen ist. Ich habe aber immer wieder die Erfahrung machen können, daß gerade unter den Sowjetzonenflüchtlingen, die aus politischen Gründen gegangen sind, die Notwendigkeit einer vorsichtigen Handhabung dieses Gesetzes eingesehen wird. Wenn wir diese vorsichtige Handhabung für richtig halten, verpflichtet uns das aber, mit allen nur möglichen Mitteln soziale Hilfeleistungen zu geben, damit der Notstand, der nach der Flucht eintritt, behoben werden kann. Wir werden der Ausschußfassung zustimmen. ({4})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 874 Ziffer 1 zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Wir stimmen nunmehr ab über Art. 1 Nr. 1. Wer dieser Vorschrift zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Nunmehr kommen wir zu Art. 1 Nr. 1 a. Wer dieser Bestimmung seine Zustimmung erteilen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Art. 1 Nr. 2 entfällt nach der Ausschußvorlage. Hierzu liegt der Änderungsantrag Umdruck 874 Ziffer 2 vor, der schon begründet ist. Wer diesem Änderungsantrag, nach dem die Fassung des Entwurfs wiederhergestellt werden soll, zuzustimmen wünscht, der möge das Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen abgelehnt. Art. 1 Nr. 3 a, - Art. 2, - Art. 2 a, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Anträge dazu sind nicht gestellt. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Die zweite Beratung ist damit abgeschlossen. Ich rufe auf zur dritten Beratung und eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Anträge liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über das Gesetz im ganzen. Wer die Zustimmung erteilen will, der möge sich von seinem Sitz erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Damit kommen wir zu dem bereits aufgerufenen Punkt 9 b der Tagesordnung. Der Ausschußantrag - Drucksache 2620 - enthält drei Ziffern. Zu Ziffer 1 ist kein Änderungsantrag gestellt. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer die Ziffer 1 des Ausschußantrages annehmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. Ziffer 2! Dazu Änderungsantrag Umdruck 881. Wer begründet ihn? - Das Wort hat Frau Korspeter.

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Minister von Merkatz hat bereits auf die Einrichtungshilfe hingewiesen. Ich möchte aber doch noch unseren Antrag auf Umdruck 881 begründen und dazu einige Bemerkungen machen. Wir wissen, daß die Betreuung und die Eingliederung unserer Landsleute aus der Zone eine der schwierigsten sozialen und politischen Aufgaben ist, die die Bundesrepublik zu erfüllen hat, und daß es unseres ständigen Bemühens bedarf, diese sozialen und menschlichen Fragen so zu lösen, wie sie sich aus der Lage unseres gespaltenen Landes ergeben. Wir haben die Verpflichtung zu erfüllen, unseren Mitbürgern aus der Zone soweit wie möglich Hilfe und Beistand zu gewähren, um die Schäden zu heilen, die man ihnen drüben zugefügt hat. Herr Minister von Merkatz hat bereits darauf hingewiesen - und ich möchte das unterstreichen -, daß wir auf dem Gebiete der Unterbringung der Flüchtlinge durch ,die verschiedenen Maßnahmen des Wohnungsbaues eine gewisse Entspannung erfahren haben; dabei möchte ich ganz betont sagen, Herr Minister von Merkatz, daß wir sehr hoffen, in Zukunft in dieser Frage keinerlei Rückschläge zu erleben. Aber es zeigten sich eben in wachsendem Maße ,soziale Härten und Spannungen, die auf die unterschiedliche Behandlung der mitteldeutschen Flüchtlinge im Hinblick auf die Gewährung der notwendigen sozialen Hilfen zurückzuführen waren. Wir haben es vorhin schon gesagt: die Flüchtlinge, die nicht die Voraussetzungen des § 3 erfüllen - und das ist die überwiegende Mehrheit -, sind bisher bei der Wiederbeschaffung von Möbeln und Hausrat und bei dem Versuch, sich hier bei uns wieder einzugliedern, völlig auf sich allein gestellt gewesen. Es ist oft vorgekommen, daß eine zugeteilte Wohnung abgelehnt werden mußte, weil zu den hohen Mietsätzen die Belastung durch die Anschaffung der notwendigen Einrichtungsgegenstände hinzukam. Um dieser unerfreulichen Situation ein Ende zu bereiten, hat meine Fraktion den heute zur Beratung stehenden Antrag eingebracht, auch den nicht anerkannten Flüchtlingen eine Beihilfe zur Hausratbeschaffung zu gewähren und - darum geht es jetzt in diesem Punkt - für die Festsetzung der Höhe der Beihilfe die Grundstufe der Hausrathilfe aus dem Härtefonds des Lastenausgleichsgesetzes zugrunde zu legen. Meine Herren und Damen von der CDU, ich darf das einmal ,sagen: wir sind im Interesse der Flüchtlinge sehr froh, daß es uns bei den Ausschußberatungen gelungen ist, die Mehrheit des Ausschusses - und das sind ja Sie - von der Notwendigkeit der Beihilfe zur Hausratbeschaffung für die nicht anerkannten Flüchtlinge zu überzeugen. ({0}) - Nein; ich werde darauf nachher noch einmal eingehen. - Wir bedauern allerdings, auch das möchte ich in diesem Zusammenhang sagen, daß es uns nicht gelungen ist, die Mehrheit im Ausschuß dafür zu gewinnen, bezüglich der Höhe der Beihilfen die für die Grundstufe der Hausrathilfe geltenden Richtlinien anzuwenden. Es wurde von Ihnen, im Gegensatz zu unserem Antrag, beschlossen, daß über die Festsetzung der Höhe der Beihilfe von der Bundesregierung besondere Richtlinien erlassen werden sollten. Diese Richtlinien haben den Ausschüssen vorgelegen, und ich will gerne zugeben - ich habe das in den beiden Ausschüssen immer wieder betont -, daß diese Richtlinien bei den Beratungen in den zuständigen Ausschüssen, sowohl im Gesamtdeutschen Ausschuß wie auch im Ausschuß für Heimatvertriebene, aber auch durch die Beratungen in der Arbeitsgemeinschaft der Landesflüchtlingsverwaltungen eine wesentliche Verbesserung erfahren haben, da wohl alle Seiten eingesehen hatten, daß die erste Vorlage der Richtlinien, die von Ihrem Ministerium herausgegeben wurden, Herr Minister, für unsere Begriffe völlig unannehmbar und in der Durchführung wahrscheinlich kaum zu handhaben war. Die Bundesregierung hat sich dann im Ausschuß mit den Verbesserungen der Richtlinien einverstanden erklärt. In diesem Zusammenhang möchte ich gerade wegen der Ausführungen des Herrn Ministers von Merkatz noch etwas sagen und auf etwas hinweisen. Meine Fraktion hat mit großem Befremden die erste Vorlage der Richtlinien der Bundesregierung zur Kenntnis genommen. Wir haben uns bei der ersten Vorlage der Richtlinien von seiten der Bundesregierung nicht des Eindrucks erwehren können, daß die Bundesregierung damit den Versuch unternahm, zuerst einmal Leistungen vorzuschlagen, die - ich möchte es mit aller Deutlichkeit sagen, weil sie bei uns diesen Eindruck erweckt hatten - noch nicht einmal das Mindestmaß an Bereitschaft zeigten, der Not der Flüchtlinge gerecht zu werden. Herr Minister von Merkatz, wir haben das aus dem Ressort Ihres Ministeriums von Ihrem Vorgänger leider schon des öfteren erlebt, Ich denke nur an die Schwierigkeiten beim Häftlingshilfegesetz und an die großen Schwierigkeiten, zu Verbesserungen dieses Gesetzes zu kommen. Gerade diese Tatsache, daß die Bundesregierung nicht von sich aus bereit gewesen ist, von vornherein das ihr finanziell Mögliche in der ersten Vorlage der Richtlinien vorzuschlagen, haben wir besonders in diesem Zusammenhang, da es sich um Sowjetzonenflüchtlinge handelt und da diese Frage einen gesamtdeutschen Aspekt hat, als ganz besonders bedauerlich empfunden. Ich muß das hier in aller Offenheit zum Ausdruck bringen. Es ist außerordentlich bedauerlich, Herr Minister von Merkatz, daß, nachdem in Berlin 1958 alle Fraktionen und die Bundesregierung erklärt hatten, daß sie von dem Willen beseelt seien, alles zu tun, um die Eingliederung der Flüchtlinge zu erleichtern, doch in der ersten Vorlage der Richtlinien Regelungen getroffen wurden, die nicht das Maß hatten, das notwendig war, um diese Not der Flüchtlinge wirklich zu beheben. Wir haben das des öfteren schon erlebt. Wir bedauern ebenso - das möchte ich auch noch einmal sagen -, daß es beinahe Jahre gedauert hat und daß es erst des Antrags der SPD in diesem Zusammenhang bedurft hat, um in dieser Frage zu konkreten Hilfsmaßnahmen zu kommen. ({1}) Meine Damen und Herren, trotz der erreichten Verbesserungen befriedigen uns die Richtlinien nicht. Einmal liegt die Höhe der Beihilfe um 200 DM niedriger, als sie von uns gefordert war. Zum anderen ist es die Einengung des Personenkreises. Wir wollten mit unserem Antrag erreichen, daß die Einrichtungshilfe allen Flüchtlingen ohne Einkommens- und Bedarfsprüfung gegeben werde. Statt dessen sehen die Richtlinien sowohl eine Einkommensüberprüfung als auch eine Bedarfsprüfung vor, und das, Herr Minister von Merkatz, trotz der schlechten Erfahrungen, die wir mit solchen Regelungen früher gemacht haben und von denen die Menschen aus der Zone leider immer wieder betroffen werden. Ich 'erinnere dabei an den 10-MillionenFonds für die Häftlingsbeihilfe, wo wir dann später auch einen Rechtsanspruch gesetzlich verankern mußten. Ich erinnere weiter daran, daß wir vor der Achten Novelle zum Lastenausgleichsgesetz auch eine Hilfsbedürftigkeitsprüfung für die Sowjetzonenflüchtlinge hatten. Auch das mußten wir wegen der schlechten Erfahrungen ändern. Wir wissen alle - da muß mir jeder recht geben; das hat gar nichts mit einer parteipolitischen Stellungnahme zu tun -, daß Einkommensüberprüfungen von so vielen Zufälligkeiten abhängen, daß auch beim besten Willen der durchführenden DienstFrau Korspeter stellen zahlreiche Härten nicht zu vermeiden sind. Wir bedauern deshalb die Absicht, auch hier wieder mit Richtlinien den Weg der Einkommens- und Bedarfsprüfung zu gehen, dies in einer Zeit, in der die SBZ-Flüchtlinge um ihre Gleichstellung mit den Vertriebenen kämpfen. Wir werden es nach den bisherigen Erfahrungen erleben - jedenfalls bin ich davon überzeugt -, daß wir schon bald zu einer Regelung kommen müssen, mit der die Einkommens- und die Bedarfsprüfung aufgehoben werden und ein Rechtsanspruch im Gesetz verankert wird. Deshalb fragen wir uns und fragen sich auch die Betroffenen - diese Frage stellt sich für alle -, warum wir denn nicht von vornherein eine Regelung schaffen, die den Notwendigkeiten entspricht und den Flüchtlingen gerecht wird. Aus diesem Grunde stellen wir erneut unseren Antrag auf Umdruck 881 Ziffer 2 und bitten um Ihre Zustimmung. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Eichelbaum.

Ernst Theodor Eichelbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Berichterstatter möchte ich noch einmal darauf hinweisen, Herr Präsident, daß wir zwar natürlich über den Antrag der SPD abstimmen müssen, daß aber der Antrag des Ausschusses unter 2 und 3 erledigt ist. Frau Kollegin Korspeter, ich weiß eigentlich nicht, warum Sie den Minister so heftig angegriffen haben. Ich hätte es anders gemacht, ich hätte mich damit gebrüstet, daß mit ihrer Hilfe die Sache gut gegangen ist; denn es sind verhältnismäßig sehr erhebliche Verbesserungen in die ersten Vorlagen, die uns gemacht worden sind, hineingekommen. Ich bin der Meinung, daß die Richtlinien unter der Mitwirkung des Beirats des Ministeriums und nach den ausführlichen Aussprachen in zwei Ausschüssen des Bundestages ganz erheblich verbessert worden sind. Wir hatten das Problem zu prüfen, ob man nur ein Darlehen geben soll. Wir haben auf ein Darlehen verzichtet. Das Ministerium hat sich entschlossen, die Mittel als nicht rückzahlbare Beihilfe zu geben. Das ist mehr, als ,die Flüchtlinge ursprünglich verlangt haben. Wir haben angefangen mit einer Forderung der Flüchtlinge auf 500 Mark Einrichtungshilfe. Wir haben jetzt eine Summe, die nur um 200 DM unter dem liegt, was die Hausratsbeihilfe für die anerkannten Flüchtlinge ausmacht. Das Ministerium ist bereit gewesen, aus den Richtlinien der Ländervereinbarung alle Bestimmungen herauszunehmen, die irgendwie einen fürsorgeähnlichen Charakter hatten oder zu fürsorgeähnlichen Methoden und Untersuchungen führen könnten. Ich bin der Meinung, daß die Aussprachen in den Ausschüssen von beiden Seiten als durchaus positiv betrachtet werden können. Wenn die Sache so lange dauert, darf man, glaube ich, nicht dem Ministerium die Schuld zuweisen, vielmehr muß man wieder auf den Punkt hinweisen, auf den schon der Kollege Mischnik hingewiesen hat, nämlich auf die außerordentliche Schwierigkeit, solche 'Dinge mit den Ländern zu regeln. Das Ministerium kann ja nach unserer Verfassung den Ländern nicht von oben befehlen. Es muß alles mühsam aushandeln. Ich bin nicht dafür, daß man den Unterschied zwischen anerkannten und nicht anerkannten Flüchtlingen verwischt; das ist der Unterschied zwischen unseren Auffassungen. Das ergab sich aus dem, was wir zu § 3 gesagt haben. Noch weniger sind wir dafür, daß diese Maßnahme wie es Ihre Fraktion will, in den Lastenausgleich kommt und den Lastenausgleich völlig auseinanderbiegt. Ich glaube, daß es eine gute Sache ist, daß das Bundesvertriebenenministerium zugesagt hat, über die Erfahrungen mit der neuen Einrichtungshilfe dem Ausschuß nach Jahresfrist zu berichten. Daraus ersehe ich, daß das Ministerium selbst auf dem Standpunkt steht, daß die Dinge fortlaufend verbessert werden sollen. Ich bitte, den Antrag der SPD abzulehnen. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich glaube, die Feststellung des Herrn Berichterstatters, die Ziffern 2 und 3 seien erledigt, dahin verstehen zu müssen, sie seien durch die gefaßten Beschlüsse überflüssig geworden. Aber im engen Sinne des Wortes, geschäftsordnungsmäßig erledigt sind sie nicht. Wir müssen also abstimmen, und zwar zunächst über den Änderungsantrag Umdruck 881. Wer zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Nun die Ziffern 2 und 3 ,des Ausschußantrages. Wer ihnen zustimmen will, gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Damit ist Punkt 9 b der Tagesordnung erledigt. Wir kommen zu Punkt 9 c. Ich erteile dem Herrn Berichterstatter - es ist der Kollege Leukert - das Wort. ({0}) Dann hat der Herr Bundesvertriebenenminister das Wort.

Dr. Hans Joachim Merkatz (Minister:in)

Politiker ID: 11001477

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf mich mit Rücksicht auf die großen Aufgaben, die noch vor uns liegen, kurz fassen, obwohl es sich bei der 14. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz vielleicht um die bedeutendste Novelle han-dolt, die dem Hohen Hause vorliegt, vielleicht sogar um das bedeutendste Finanzgesetz dieser Legislaturperiode. ({0}) Die 14. Novelle steht also heute zur Entscheidung. Die Regierungsvorlage, die ,den Ausschußberatun9126 gen zugrunde lag, ist in ihren rechnerischen Grundlagen vor einem Jahr konzipiert worden. Der Bürokratie wurde der Vorwurf gemacht, daß ihre Berechnungen nicht haltbar gewesen seien, daß sie versucht habe, Reserven zu horten, die man den Berechtigten zu früherer Zeit hätte zur Verfügung stellen müssen. ({1}) In der Tat, die Bürokratie hat mit zunehmendem Fortschreiten der Bearbeitung der heute zu 70 % überprüften Feststellungsanträge und nach der Auswertung ,der Vermögensteuerveranlagungen neue Erkenntnisse gewonnen. Sie hat, wie ich unumwunden zugebe, zu vorsichtig geschätzt. Es ist aber schließlich nicht Sache der auf einmal so geschmähten Bürokratie, der bei der Verabschiedung der 13. Novelle noch von allen Seiten des Hohen Hauses Anerkennung ausgesprochen worden ist, Risiken einzugehen, - Risiken deshalb, weil jeder Schätzung zukünftiger Einnahmen und Ausgaben die Ungewißheit innewohnt, ob ,die der Schätzung zugrundeliegenden Hypothesen von den in der Zukunft liegenden Fakten bestätigt werden. Die Berechnungen, die zur Ausschußfassung der 14. Novelle führten, sind natürlich auch nur Schätzungen, die sich über achtzehn zukünftige Jahre erstrecken, und infolgedessen umstritten. Manche halten sie immer noch für zu vorsichtig, manche für zu riskant. Die Bundesregierung bejaht das vom Ausschuß eingegangene Risiko. Es ist ein Risiko. Sie hat während der Ausschußberatungen diese Bejahung der Mehrleistungen und des Risikos deutlich zum Ausdruck gebracht und hat an der Revision der Rechnungsgrundlagen Anteil. Übrigens hat die Vorsicht der Verwaltungsmänner des Lastenausgleichs, die unumstritten erste Fachkräfte sind, keinem einzigen Empfangsberechtigten geschadet. Meine Damen und Herren, die Reserven waren und sind keine flüssigen Reserven. Sie werden erst bis zum Ende der Laufzeit des Lastenausgleichs, also in 12 bis 18 Jahren, zur Verfügung stehen. Heute wird aus dem Fonds noch mehr Geld ausgegeben als ihm aus seinen regulären Einnahmen zufließt. Für diesen Fonds wurden bis jetzt aus den Sonderabgaben ungefähr 22,5 Milliarden DM, aus den gesetzlichen Beiträgen von Bund und Ländern, die ja die Sozialleistungen mitfinanzieren, 8,3 Milliarden DM eingenommen, aus Kapitalmarktmitteln und freiwilligen Ablösungen aber 4 Milliarden DM hinzugefügt. Die bisherigen Ausschüttungen aus dem Fonds waren also nur mit Hilfe von über 4 Milliarden DM Fremdmitteln möglich. Bei diesem Fonds hat man demnach über die Verhältnisse leben müssen, um die Ausschüttungen vornehmen zu können. Ich möchte sehr deutlich klarstellen: von einer Hortung ist also keine Spur festzustellen. Mit Einrechnung der durch die Erhöhung der Sozialleistungen bedingten Beiträge von Bund und Ländern bringt die Ihnen vorliegende Novelle Mehrleistungen von über 13 Milliarden DM. Es ist damit die materiell umfangreichste Novellierung. Meine Damen und Herren, ich möchte mich auf diese kurze Anmerkung zu den Berechnungsgrundlagen und zu der meiner Ansicht nach unberechtigten Kritik, die hier geäußert worden ist, mit Rücksicht auf die notwendige zeitliche Ökonomie beschränken. Die Einzelheiten der Novelle werden aus den Beratungen hervorgehen. Nur eine kurze Bemerkung sei mir noch gestattet, weil sie die Grundlage und Methode der Arbeit meines Hauses berührt. Das Bundesministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte betritt ja in der Erfüllung seiner Aufgabe in vieler Hinsicht finanzielles, administratives, politisches und soziales Neuland. Manche unserer Maßnahmen haben zunächst oft etwas den Charakter des Experiments und werden durch Ihre Hilfe in den Ausschüssen, in dem Hohen Haus verbessert. Meine Damen und Herren, das ist doch eigentlich der Segen des parlamentarischen Systems. Machen Sie uns deshalb keine Vorwürfe! Das Bessere ist des Guten Feind. Wenn das Haus gerade meinem Ministerium das Bessere zu geben hat, freuen wir uns nur darüber. Das ist der ganze Vorgang. Wir haben uns mit allen Ressorts abzustimmen, wir haben zu experimentieren. Jeder Beitrag, der gerade von Ihrer Seite kommt, wird zur Erfüllung der Aufgabe mit besonderer Hochachtung aufgenommen. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, durch die Intervention des Ministers ist eine Art allgemeine Aussprache in zweiter Lesung eröffnet worden. Ich glaube, Ihnen das Recht geben zu müssen, nun auch in der zweiten Lesung über die allgemeinen Probleme zu sprechen, ehe ich die einzelnen Änderungsanträge aufrufe. Inzwischen hat sich schon der Abgeordnete Dr. Rutschke gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Minister hat soeben die Verwaltung schon vorsorglich entschuldigt. Er hat gesagt, es sei sehr schwierig für sie gewesen, die Berechnungen anzustellen; die Regierung habe also zum Teil sehr vorsichtig, zum Teil optimistisch geschätzt. Ich möchte Ihnen nun nur kurz ein Bild darüber geben, wie diese Schätzungen etwa aussehen. Als die 8. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz im Juli 1957 besprochen wurde, behauptete die Bundesregierung, daß die Vorschläge, die im Ausschuß gemacht worden waren, den Lastenausgleichsfonds mit einem Minus von 5,5 Milliarden DM belasten würden. ({0}) - Jawohl! Damals wurde ein Antrag gestellt, daß die Länder 25 % der Vermögensteuer zur Verfügung stellen müßten und daß der Rest durch den Bund ab 1967 gedeckt werden solle. Das geht aus den Protokollen eindeutig hervor. Im Zehnjahresbericht, nach 21/2 Jahren, im September 1959, behauptete das Bundesausgleichsamt, daß der Fehlbetrag nicht mehr 5,5 Milliarden DM betrage, sondern nur noch 2,4 Milliarden. Bei der Berechnung der 13. Novelle, die jetzt zur 14. Novelle geworden ist, im Sommer 1960, also ein halbes Jahr später, wurde aus dem Minus von 2,4 Milliarden DM plötzlich ein Plus von 4,9 Milliarden DM. In den Ausschußberatungen einige Wochen später hat dann die Bundesregierung wieder ihr Rechenergebnis verändert. Sie erklärte, daß es nicht nur 4,9 Milliarden DM seien, sondern man gab zu, daß es 8,5 Milliarden DM seien. Dazu kann ich also feststellen, daß sich innerhalb von zweieinhalb Jahren die Bundesregierung um nicht weniger als 14 Milliarden DM verrechnet hat. Es ist besonders interessant, darauf hinzuweisen, daß die Stellungnahmen der Verbände meist der nachträglich festgestellten Richtigkeit von vornherein entsprachen, - ein sehr bedauerliches Zeichen für die Berechnungskünste, die man im Bundesministerium der Finanzen oder beim Bundesausgleichsamt angestellt hat. Aber auch mit diesen 14 Milliarden ist es noch nicht genug, meine Damen und Herren; denn durch das Steueränderungsgesetz, das wir gestern beschlossen haben und das schon seinerzeit einkalkuliert war, kommt eine weitere Milliarde hinzu. Und das bitte ich nicht zu vergessen: Wir haben auch noch eine 11. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz beschlossen, die 3 Milliarden DM kostete und die gar nicht in diesen Beträgen enthalten ist. Es ist also abschließend festzustellen, daß sich die Bundesregierung innerhalb von zweieinhalb Jahren um 18 Milliarden DM geirrt hat. Ob das nun noch mit einer sehr vorsichtigen Schätzung zusammenhängt oder ob es nicht vielleicht bewußt getan worden ist, will ich im Augenblick nicht beurteilen. Kennzeichnend scheint mir noch eines zu sein: Ich habe vor zwei Wochen den Herrn Präsidenten des Bundesausgleichsamtes telegrafisch gebeten, er möge mir so bald wie möglich die Kosten, die auf Grund der jetzigen Ausschußfassung entstehen, mitteilen. Bis auf einen freundlicher Brief des Herrn Präsidenten, in dem er mir versprach, das zu tun, habe ich bis heute nichts davon gehört. Vielleicht liegt es daran, daß man die Furcht gehabt hat, daß, wenn wir diese Rechnung überprüfen, wir wieder feststellen, daß erhebliche Irrtümer darin enthalten sind. Ich bedaure außerordentlich, daß ich diese Ausführungen an den Anfang der Debatte stellen muß. Aber wir sollten uns im Parlament ganz klar darüber sein, daß die Bundesregierung in ihren Berechnungen solche Fehler gemacht hat, daß man ihren Berechnungen keinen Glauben mehr schenken kann. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Rehs.

Reinhold Rehs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich über die Ausführungen, die Herr Bundesminister von Merkatz an den Anfang der Beratungen gestellt hat, zu stellen für richtig gehalten hat, persönlich gefreut, denn ich sehe darin eine gewisse Antwort auf Bemerkungen, die ich in seiner Gegenwart vor wenigen Tagen in Düsseldorf auf einer Veranstaltung der Vertriebenenwirtschaft gemacht habe. Ich kann Ihnen attestieren, Herr Minister, daß Sie den Sinn dieser damaligen Erklärungen genau erfaßt haben. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß die Erklärungen, die Sie heute abgegeben haben, der Sachlage gar nicht oder doch nur sehr unvollkommen gerecht werden. Lassen Sie mich einige allgemeine Bemerkungen zu dieser Novelle vorwegschicken. Ich bin mit Ihnen der Auffassung, daß es sich hier dem Finanzvolumen nach in der Tat um ein außerordentliches Gesetz handelt. Es wäre eigentlich zu erwarten gewesen, daß schon deshalb und angesichts der mit diesem Gesetz verknüpften Hoffnungen eine etwas größere Aufmerksamkeit auch im Parlament und eine größere Anteilnahme der Öffentlichkeit Platz gegriffen hätten. Jedenfalls werden morgen und in den nächsten Tagen Millionen Menschen, die von dem, was heute entschieden oder nicht entschieden wird, unmittelbar berührt werden, je nach dem Ergebnis mit Genugtuung oder mit Enttäuschung über das Gesetz urteilen. Lassen Sie mich namens meiner Fraktion sagen, daß wir befriedigt darüber sind, daß es gelungen ist, die finanzielle Gesamtmasse der Novelle im Verlaufe der Ausschußberatungen auf weit über das Doppelte dessen, was die Regierungsvorlage vorsah, anzuheben. Wir sind auch nicht bereit, die dadurch möglich gewordenen Verbesserungen als Erfolg derjenigen ausbeuten und darstellen zu lassen, die, wie die Bundesregierung, der Auffassung waren - so hieß es ja noch in der Begründung ihrer Vorlage -, daß mit jener - ich sage: unzulänglichen -Vorlage bereits die Grenze des Möglichen erreicht sei. Die Tatsache, von der Sie gesprochen haben und die einzugestehen Sie klug genug gewesen sind daß selbst die Bundesregierung und auch die Verwaltung während der Ausschußberatungen ihre Zahlenangaben über die vorhandenen Reserven so wesentlich haben korrigieren müssen -, ist und bleibt nun einmal kein Ruhmesblatt für die Regierung und für die Verwaltung. Diese Tatsache zeigt, wem die erheblichen Verbesserungen während der Ausschußberatungen faktisch zuzuschreiben sind. Wir wissen durchaus und würdigen das, meine Damen und Herren von der CDU, daß sich auch bei Ihnen einzelne Kollegen redliche Mühe um das Gesetz gegeben haben. Aber wenn nicht der konzentrierte Druck der Opposition und schließlich auch Rücksicht auf die Auswirkungen bei den kommenden Wahlen im Falle allzu krasser Nichtachtung der Hauptforderungen dahintergestanden hätten, wäre nicht einmal das bisherige Gesamtergebnis zu erzielen gewesen. Ungeachtet aller Verbesserungen, die diese Novelle bringt, hat der von vielen erhoffte Durchbruch „zu neuen Ufern" im Lastenausgleichsdenken bei dieser Novelle nicht stattgefunden. Ich erinnere an die vielen schönen Worte, Herr Minister von Merkatz, die Sie bei der ersten Lesung gesprochen haben. Der Sang ist verschollen, kann man nur sagen. Die verheißungsvollen Sätze: „Wir können die Vertriebenen nicht auf die Verhältnisse des Jahres 1948 festnageln", die Ankündigung, daß Sie selber, Herr Minister noch während der Ausschußberatungen Vorschläge zu Vorfinanzierungsmaßnahmen nachreichen würden und daß Sie insbesondere die Kürzung der Abgabefristen für die großen Vermögen vorschlagen würden, sind leere Versprechungen geblieben. In dieser Novelle, wie sie heute dem Plenum vorliegt, atmet trotz aller Verbesserungen kein neuer Geist. Es wird weiter novelliert werden. Das ist der Sinn der gefaßten Beschlüsse. Die Behandlung der einzelnen Probleme, über die nachher zu reden sein wird, wird das im einzelnen ergeben. Was erreicht worden ist, bedeutet praktisch, daß bei dem Korsett nur einige Schnüre gelockert worden sind. Ich wiederhole noch einmal: wir freuen uns darüber, daß in mancher Hinsicht beträchtliche Verbesserungen erreicht worden sind und daß eine Reihe von Härten und Ungerechtigkeiten gemildert werden konnte. Ich will das im einzelnen nicht anführen. Auf der anderen Seite aber sind zu unserem großen Bedauern notwendige. Änderungen in entscheidenden Punkten nicht durchgesetzt worden. Sie sind am Widerstand der Regierungsmehrheit gescheitert. Deshalb sehen wir trotz der im Ausschuß beschlossenen Anhebung auf rund ,11 Milliarden DM keinen Anlaß, mit dieser Novelle vor den Vertriebenen zu paradieren und sie ihnen als ein Geschenk sozialen oder politischen Großmuts hinzustellen, wie es geschehen ist. Es handelt sich nämlich - das möchte ich im Gegensatz zu Ihrer Darstellung feststellen, Herr Minister - bei dem, was in dieser Novelle verarbeitet wird, um nichts anderes, als daß zweckbestimmte Gelder - die im Ausgleichsfonds vorhandenen Reserven - ihrem Zweck zugeführt werden; daß also Gelder, die von vornherein für bestimmte Personenkreise vorgesehen waren, diesen in gehöriger Zeit zugute gebracht werden. Ich möchte Ihrer Frage gegenüber die andere Frage stellen: Sollten diese Gelder, nachdem ihr Vorhandensein auch nach Ihrem Eingeständnis nicht mehr zu bestreiten gewesen ist, etwa noch länger unverteilt im Topf schmoren? Nach Meinung ausgezeichneter Fachleute hätten diese Ausschüttungsmaßnahmen schon früher erfolgen können. Sie haben hierzu gemeint, keinem Anspruchsberechtigten sei dadurch geschadet worden, daß man dazu nicht früher gekommen sei. Denn es handele sich nicht um flüssige Reserven, und der Fonds habe bisher sogar schon 4 Milliarden DM Fremdmittel aufnehmen müssen. Herr Minister, Sie haben doch selber - ich habe schon darauf hingewiesen - von der Notwendigkeit gesprochen, daß die Leistungen des Lastenausgleichs noch den Lebenden zugute kommen, daß eine Verkürzung der Abgabefristen erfolgen muß, daß Vorfinanzierungsmaßnahmen getroffen werden müssen und daß Sie Vorschläge dazu unterbreiten wollen. Das bedeutet also, daß all das geschehen muß, was zu einer schnelleren Abwicklung geeignet und erforderlich ist, und daß im Rahmen des Möglichen auch eine schnellere Disponierung irber die erkennbaren Reserven im Fonds erfolgen muß. In dieser Hinsicht sind wir allerdings der Meinung - ich brauche dazu keine langen Ausführungen zu machen, der Kollege Rutschke hat das schon im einzelnen dargelegt -, daß in dem Fonds, im Gegensatz zu den im Ausschuß vorgelegten Zahlen, noch erhebliche fiskalische Ängstlichkeitsreserven stekken und ,das Mögliche noch in keiner Weise erreicht ist. Zum Beispiel hatte der Lastenausgleichsausschuß des Bundes der Vertriebenen im November 1960 einen Betrag von 12,4 Milliarden DM errechnet, eine Schätzung, die heute auch von den Fachleuten des Finanzministeriums und des Ausgleichsamts als richtig anerkannt wird, die aber bisher im Gegensatz zu allen Angaben der Regierung stand. Bereits damals also ,waren - unter Abzug der 1 Milliarde DM Vermögenssteuerausfall infolge des Steueränderungsgesetzes - 12,4 Milliarden DM errechnet worden. Wenn man diese 1 Milliarde DM, von der auf meine Frage im Lastenausgleichsausschuß der Präsident ,des Ausgleichsamtes erklärt hat, das sei kein Verlust für den Fonds, da der Ausfall in jedem Falle vom Bund und den Ländern gedeckt werden müsse, hinzurechnet, dann ergibt ,sich, daß über die bisher beschlossene Gesamtsumme von 11,5 Milliarden DM hinaus noch weitere 2 Milliarden DM feste Reserven im Fonds schon vorhanden sind. Hinzukommen noch die 5,5 Milliarden DM, mit denen seit der Achten Novelle die Bundesregierung im Obligo steht. Wir teilen da die Auffassung, die der Bundesrat bei der Behandlung dieser Frage vertreten hat - jedenfalls der Minister Hemsath -, von der ich auch bereits in der ersten Lesung gesprochen habe, ,daß die Bundesregierung von diesem Obligo nicht einseitig und willkürlich wieder herunter kann, sondern daß es eine Verpflichtung ist, die zu dem Planungssoll -im Rahmen des Ausgleichsfonds gehört. Das wären also in jedem Fall heute noch rund 71/2 Milliarden DM disponible Mittel, die im Interesse der Betroffenen verteilt werden könnten. Ich will dies feststellen, Herr Minister und meine Damen und Herren von der CDU, um damit vorweg zum Ausdruck zu bringen, daß die Mehrleistungen, die mit den Änderungsanträgen der sozialdemokratischen Fraktion verbunden sind, die sich insgesamt in der Größenordnung von nur 2 bis 2,3 Milliarden DM bewegen, also schon heute volle Deckung im Ausgleichsfonds haben, .so daß keine Einwendungen aus finanziellen Gründen dagegen erhoben werden können. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Leukert.

Edmund Leukert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001334, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war ja nicht beabsichtigt, bei Beginn der zweiten Lesung eine Generaldebatte zu führen. Aber nun sind wir in der Debatte drin. Wir sollten uns bemühen, diese Generaldebatte so weit wie möglich abzukürzen, um dann zu den Anträgen zur Sache, die die einzelnen Fraktionen eingebracht haben, Stellung zu nehmen. ({0}) - Herr Kollege Rutschke, ich komme gleich darauf zu sprechen: ich bin auch mit dem, was Sie sagten, sehr einverstanden. Aber nun zu den Schätzungen über das Aufkommen des Fonds und die Möglichkeiten des Fonds. Herr Kollege Rutschke, Sie haben nicht die Berichte des Ausschusses zur 8. Novelle gelesen, sondern wohl das Büchlein des Bundesausgleichsamtes „Zehn Jahre Ausgleichsfonds". Darin wird richtig gesagt, daß der Ausgleichsfonds bei seiner damaligen Schätzung zu der Feststellung gelangte, daß an seinem Ende, also im Jahre 1979 - immer unter der Voraussetzung des damaligen Aufkommens -, ein Minus von 5,6 Milliarden DM bestehen könnte. Daraus aber zu folgern, Herr Kollege Rutschke, daß das, was ursprünglich einmal Schätzung gewesen ist, irrig und falsch sein muß, ist unmöglich, und diese unsere Behauptung haben Sie uns in den Ausschußberatungen bisher auch noch nicht widerlegen können. Sie wissen sehr wohl, daß sich sowohl die Vermögensabgabe wie die Hypothekengewinnabgabe und die Kreditgewinnabgabe, vor allen Dingen aber die Summen der Ablösung von Jahr zu Jahr gewaltig ändern und daß besonders das Aufkommen der Vermögensabgabe in den Jahren bis 1967 für das Einkommen des Fonds eine beachtliche Rolle spielt. Das gilt auch für den Kollegen Rehs. Hier der Verwaltung einen Vorwurf zu machen wäre verfehlt. Auch die Damen und Herren dieses Hohen Hauses, die 1952 den Grundstein für dieses so erfolgreiche Lastenausgleichsgesetz gelegt haben, konnten damals bei ihren tage- und nächtelangen Beratungen und Schätzungen einfach nicht die volkswirtschaftliche und finanzpolitische Entwicklung übersehen. Ich glaube, wir müßten alle miteinander sehr dankbar sein, daß wir heute diese Finanzmasse überhaupt zur Verfügung haben, damit wir eine so gute 14. Novelle jetzt in Angriff nehmen können. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Rutschke?

Edmund Leukert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001334, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, gern.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Rutschke!

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Leukert, darf ich Sie fragen: Ist Ihnen nicht erinnerlich, daß sich innerhalb eines halben Jahres, und zwar vom Sommer 1960 bis jetzt oder vor einigen Monaten, das Bundesausgleichsamt bzw. das Bundesfinanzministerium um eine Summe von 71/2 Milliarden DM geirrt hat? Das haben Sie doch selbst im Ausschuß festgestellt.

Edmund Leukert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001334, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, Herr Kollege Rutschke, das stimmt nicht. Weder das Bundesausgleichsamt noch die Bundesregierung hat sich um 71/2 Milliarden DM geirrt. Der Irrtum liegt bei Ihnen, weil Sie bei den ganzen Verhandlungen wahrscheinlich gerade die finanzpolitische Seite zuwenig beachtet haben. Wir haben doch folgendes vorgelegt bekommen, Herr Kollege Rutschke. Die Regierungsvorlage sah einen Betrag von 4,9 Milliarden DM vor. Wir haben jetzt in etwa die Summe von 11,2 Milliarden DM an Verbesserungen insgesamt, die in der Vierzehnten Novelle beschlossen werden sollen, wobei allerdings die Dreizehnte Novelle, die vorweggenommen wurde, mit einem Betrag von 800 Millionen DM eingeschlossen ist. Wie Sie dann auf einen Betrag von 7 bis 71/2 Milliarden DM kommen können, bitte ich selber einmal nachzurechnen. Der Herr Kollege Rehs hat angedeutet, daß sich die Bundesregierung oder der Präsident des Ausgleichsamtes eine Ängstlichkeitsreserve geschaffen hat. Herr Kollege Rehs, ich gehe sogar auf Ihre These ein. Selbst wenn es so wäre, wäre das besser, als wenn wir - statt der Ängstlichkeitsreserve - einen, wie soll ich sagen, Minderertrag von 7,5 Milliarden DM gehabt hätten; denn dann könnten wir heute nicht über die Aufbesserung der Leistungen, sondern nur noch über eine Herabsetzung der Leistungen sprechen. Das aber trifft in der Sache nicht zu. Ich glaube, Sie haben auch die Berechnungen übersehen: wir sind heute im wesentlichen auch mit der Schätzung der Verbände im großen und ganzen konform. Wir werden sowieso bei der Einzelberatung auf die eine oder andere Frage zurückkommen. Ich würde deshalb doch bitten, jetzt mit der Einzelberatung in zweiter Lesung zu beginnen. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich möchte mich dieser Hoffnung anschließen. Wird das Wort zu dieser improvisierten allgemeinen Aussprache noch gewünscht? - Offenbar nicht. Dann kommen wir zur Einzelberatung. Ich rufe auf Art. I § 1. Wir werden nummernweise abstimmen müssen, zunächst über die Nummern, bei denen keine Änderungsanträge vorliegen. Das sind die Nummern 1, 2 und 3. Wer diesen Nummern zustimmen will, der gebe das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Nunmehr kommt ein Ergänzungsantrag auf Umdruck 906 unter den Ziffern 1 a und 1 b. Danach sollen zwei weitere Nummern 3 a und 3 b eingefügt werden. Wer begründet diesen Antrag? - Herr Abgeordneter Rutschke. Am besten begründen Sie wohl gleich beide Anträge.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Ich wollte darum bitten, daß ich ,den Antrag auf Umdruck 906 unter Ziffer 1 insgesamt begründen darf, und zwar aus folgendem Grund. Der Antrag unter Ziffer 2, die Änderung des § 13 Abs. 4 Satz 1 des Feststellungs9130 gesetzes betreffend, enthält den tragenden Satz. Die unter Ziffer 1 genannten Bestimmungen sind die Ausführung bzw. rein technische Bestimmungen, die notwendig sind, um die Änderung von § 13 Abs. 4 Satz 1 beantragen zu können. Ich bitte deshalb, das alles zusammen begründen zu dürfen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der wesentliche Antrag ist, wie ich schon erwähnte, der Änderungsantrag zu § 13 Abs. 4 Satz 1. Hier soll eine Veränderung der Vergleichsbestimmungen erfolgen, so daß also der Wert um 20 % des Anfangswerts am 1. Januar 1940 angehoben wird, damit man zu einem gerechten Vergleich kommt. Der von uns gestellte Antrag hat hauptsächlich Bedeutung für die Kriegssachgeschäidigten. Die Situation der Fliegergeschädigten mit Verlusten betrieblicher Art ist bisher so, daß die meisten von ihnen keinerlei Hauptentschädigung erhalten, sondern obendrein auch noch in einem Umfang Lastenausgleichsabgaben leisten müssen, daß sie sich kaum oder gar nicht mehr von einem Nichtgeschädigten unterscheiden. Schuld daran sind nicht die eigentlichen Vorschriften über die Schadensfeststellung in § 13 Abs. 1 bis 3 des Feststellungsgesetzes. Das ist befriedigend geregelt. Schuld daran ist lediglich die Kappungsvorschrift des § 13 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes, die im Grundsatz vorschreibt, daß unbeschadet der Schadensfeststellung nach § 13 Abs. 1 bis 3 der gewerblichen Betrieben insgesamt entstandene Kriegssachschaden höchstens mit dem Betrage festgestellt wird, um den der auf den 1. Januar 1940 festgestellte Einheitswert den auf den Währungsstichtag festgestellten Einheitswert übersteigt. Der auf den 1. Januar 1940 festgestellte Einheitswert ist der Anfangsvergleichswert, der auf den 21. Juni 1948 festgestellte Einheitswert ist der Endvergleichswert. § 13 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes, um den es in unserem Antrag geht, ist also keine eigentliche Feststellungsvorschrift, sondern eine Begrenzungsvorschrift. Die Ursache für die katastrophalen Folgen des in § 13 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes vorgeschriebenen Vermögensvergleichs liegt darin begründet, daß bei der Gegenüberstellung der Werte vom 1. Januar 1940 und vom 21. Juni 1948 zwei völlig verschiedene Werte miteinander verglichen werden, zwei Werte also, die eigentlich nicht miteinander verglichen werden können. Das ist anders als beim Grundvermögen. Auch dort vergleicht man im Rahmen der Schadensfeststellung - insoweit handelt es sich ja um eine echte Feststellungsvorschrift - zwei Einheitswerte. Aber dieser Einheitswertvergleich wird auf gleicher Wertbasis vorgenommen, und gerade das ist beim Vermögensvergleich nach § 13 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes nicht der Fall. Die Einheitswerte für das Grundvermögen basieren bekanntlich gemeinsam auf den Werten des Jahres 1935, während beim Betriebsvermögen die D-Mark-Werte des Jahres 1948 etwas völlig anderes sind als die Reichsmarkwerte im Jahre 1940. Es kommt aber hinzu, daß ,in der D-Mark-Eröffnungsbilanz vielfach auf Grund von gesetzlichen Vorschriften über die Bewertung von Gegenständen 1 des Vorratsvermögens die Warenbestände höher bewertet werden mußten. Mengenmäßig geringere Warenbestände mußten auf den 21. Juni 1948 vielfach höher bewertet werden - das ist § 20 des D-Markeröffnungsbilanzgesetzes - als größere Warenbestände am 1. Januar 1940, was zwangsläufig trotz erheblicher Kriegsverluste zu einem höheren Endvergleichswert führte. Oft findet sich für ein Drittel des Warenbestandes von 1940 oder noch weniger im Jahre 1948 ein höherer Wertansatz als 1940 für den gesamten vom Bombenkrieg nicht betroffenen Warenbestand. So muß es zwangsläufig dazu kommen, daß im Vermögensvergleich des § 13 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes ganz wesentliche Kriegsschäden einfach untergehen. Ich kenne Betriebe, deren Gebäude völlig zerstört sind und bei denen diese Gebäude zu höchstens einem Fünftel wiederaufgebaut sind, Betriebe, die durch Fliegerschaden 1948 nur noch ein knappes Drittel ihres Warenbestandes hatten, Betriebe, bei denen Sie die Auswirkung der schweren Kriegsschäden, die sie erlitten haben, auch heute noch auf den ersten Blick sehen. Sieht man sich dagegen ihren Feststellungsbescheid an, so stellt man fest, daß dort keinerlei Kriegsschäden zu erkennen sind. Sie bekommen keine Hauptentschädigung und zahlen noch Lastenausgleichsabgabe wie ein Nichtgeschädigter. Alles in allem kann man also sagen, daß durch die Höchstbegrenzung des § 13 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes, durch aus den verschiedensten Gründen entstandene, mehr oder weniger zwangsläufig erfolgte Erhöhungen der Werte zum 21. Juni 1948 effektiv entstandene Kriegsschäden nicht ausgeglichen werden. Das wollen wir mit unserem Antrag mildern. Es kann doch unmöglich der Sinn des Lastenausgleichsgesetzes sein, daß Geschädigte, die oft mehr als 50 % ihres Gesamtvermögens verloren haben, in dem gleichen Umfange wie die Nichtgeschädigten zur Finanzierung des Lastenausgleichs beitragen müssen, und das nur deshalb, weil formelle Bestimmungen bestehen, die, wie der Zauberer mit dem Zylinderhut, plötzlich den Kriegsschaden wie ein Kaninchen verschwinden lassen. Diese Rechenkunststücke der Ausgleichsbehörden sind sinnlos und wirken sich in grotesken Ungerechtigkeiten aus. Die FDP war schon bei der Beratung im Ausschuß Antragstellerin. Als wir im Ausschuß diesen Antrag behandelten, baute die Regierung vor uns ein ganzes Gebäude von schwer übersehbareren Argumenten auf, angefangen vom Bundesverfassungsgericht bis zur D-Mark-Eröffungsbilanz. Diese Einwände waren im ersten Augenblick kaum zu überblicken. Ich habe deshalb im Ausschuß den Antrag zurückgenommen, mir aber vorbehalten, ihn im Plenum erneut zu stellen. Ob wir das tun würden, sollte von einem Gespräch im Bundesfinanzministerium abhängen, wo ich mich in Begleitung von Sachverständigen in Ruhe noch einmal mit allen Argumenten auseinandersetzen konnte. In diesem Gespräch mußte ich aber feststellen, daß alle Gegenargumente nicht stichhaltig waren. Wo sie es waDr. Rutschke ren, haben wir in unserem Antrag entsprechende Modifizierungen vorgenommen. Wir wiederholen deshalb hier im Plenum unseren Antrag mit voller Überzeugung. Diese Ungerechtigkeiten können auf die Dauer einfach nicht aufrechterhalten bleiben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist auch die Begründung für unsere Anträge, die Sie unter Ziffer 1 finden. Der § 47 b, der hiernach eingefügt werden soll, besagt nur, daß unsere Vorschläge auf Änderung des § 13 Abs. 4 ex nunc, also nur von jetzt an, in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit wirken sollen. Die Regierung hatte verfassungsrechtliche Schwierigkeiten an die Wand gemalt und Schwierigkeiten hinsichtlich der gemeinsamen Ehegattenbesteuerung aufgezeigt. Außerdem bewirkt dies auch eine erhebliche Verbilligung dieses Antrags. Aus diesem Grunde wollen wir den § 47 b eingefügt wissen. Das gleiche gilt dann für die Entschädigungsseite. Das ist in §. 1 unter Nr. 14 zum Ausdruck gebracht worden. Damit wird bezweckt, daß die Ermäßigungen auf die Hauptentschädigung angerechnet werden. Auch das ist also eine einengende Bestimmung und keine Erweiterung. Deshalb können diese Anträge, die unter Ziffer 1 gestellt sind, ohne Bedenken angenommen werden. Es sind formale oder rechtliche Konsequenzen aus der Änderung des § 13 Abs. 4. Ich habe vorhin bemerkt, daß die Betroffenen am 21. Juni 1948 nach gesetzlichen Vorschriften teilweise höher bewerten mußten. Es ist eingewandt worden, sie hätten das teilweise auch nur können. Wer freiwillig höhere Wertansätze gewählt habe, um bessere steuerliche Möglichkeiten zu haben, müsse sich deshalb selbst zuschreiben, wenn sich die von ihm gewählten Bilanzwerte bei der Feststellung seines Schadens nach dem Feststellungsgesetz ungünstig für ihn auswirkten, und könne sich nicht auf Unbilligkeit berufen. Er habe in der Vergangenheit schließlich auch den entsprechenden Vorteil gehabt. Das ist das, was im Ausschuß eingewandt worden ist. Dieser Einwurf ist aber ebenso irreführend wie unrichtig. Es ist richtig, daß die Bewertungsbestimmungen des D-Mark-Bilanzgesetzes sowohl für das bewegliche Anlagevermögen als auch für das Vorratsvermögen gewisse Möglichkeiten der Neubewertung über die früheren Reichsmarkwerte hinaus boten, und zwar bis zu den dort angegebenen Höchstwerten. Ich darf aber dazu feststellen, daß diese Möglichkeit alle mit Betriebsvermögen Steuerpflichtigen hatten, also nicht nur die Kriegssachgeschädigten, sondern auch die nicht Geschädigten. Es besteht deshalb keinerlei Veranlassung, die Fliegergeschädigten dafür zu bestrafen, daß sie legale Möglichkeiten benutzt haben, die auch allen übrigen offenstanden. Das wäre ausgesprochen unfair. Wer hat denn eigentlich von der Bewertungsfreiheit des D-Mark-Bilanzgesetzes die meisten Vorteile gehabt? Der Vorteil der Höherbewertung lag in größeren Abschreibungsmöglichkeiten in den folgenden Jahren. Um Abschreibungsmöglichkeiten ausnutzen zu können, muß man mit entsprechenden Gewinnen abschließen. Die Abschreibungsquoten mußten erst verdient sein. Die schwer betroffenen kriegssachgeschädigten Betriebe waren in den ersten Jahren nach der Währungsreform froh, wenn sie mit plus minus null abschlossen. Für sie ging es darum, weiter zu arbeiten und wiederaufzubauen. In welch unvergleichlich anderer Lage waren die nicht geschädigten Betriebe! Ihnen waren die geschädigten in der Konkurrenz hoffnungslos unterlegen. Meine Damen und Herren, es drängt sich praktisch der Vergleich auf mit einem Beinprothesenträger, der mit Heinz Fütterer um die Wette laufen soll. Sicher stehen beide in der gleichen Höhe am Start. Aber wie dieser Kampf ausgeht, ist von vornherein bestimmt. Wenn man jetzt aber dem Beinamputierten vorwirft, daß er nicht mitgekommen sei, obwohl er das gleiche Startloch benutzen durfte, dann scheint mir diese Kritik bei Gott nicht ehrlich zu sein. Wenn Sie so weiter argumentieren wollen, dann brauchen wir uns wirklich nicht weiter zu unterhalten. Es kommt noch folgendes hinzu. Gerade die Kriegssachgeschädigten haben 1948 in der D-Mark-Eröffnungsbilanz vielfach höhere Wertansätze wählen müssen, obwohl ihnen klar war, daß sie in den folgenden Jahren die Abschreibungsquoten nie verdienen konnten. Sie haben sie auch nie verdient. Sie waren einem ganz anderen Grunde dazu genötigt, wenngleich keine gesetzliche Vorschrift sie dazu zwang. Die Kriegssachgeschädigten mußten nämlich wiederaufbauen. Sie mußten ihre Betriebe fortführen und versuchen, wieder Boden unter den Füßen zu bekommen. Dazu brauchten sie Kredite. Um Kredite zu bekommen, mußten sie zu den Banken gehen. Um von den Banken Geld zu bekommen, mußte man kreditwürdig sein; und das äußerte sich eben in der Bilanz. Deshalb, und nur deshalb, wurden vielfach die möglichen höheren Ansätze gewählt. Die insoweit Betroffenen haben davon steuerlich vielfach keinen Pfennig gehabt. Trotzdem mußten sie so handeln, wenn sie weiter existieren wollten. Der starke Unrechtsgehalt des § 13 Abs. 4 ist auch von Ihnen, meine Herren von der CDU, in früherer Zeit offiziell anerkannt worden. Am 26. Oktober 1956 hat Ihre Fraktion mit Unterschrift Ihres Fraktionsvorsitzenden Herrn Dr. Krone mit Drucksache 2820 den Antrag gestellt, den § 13 Abs. 4 des Feststellungsgesetzes gänzlich zu streichen. Man kann da nur sagen: Bravo! Allerdings ist eine völlige Streichung des § 13 Abs. 4 zu weitgehend, weil dadurch andere Ungerechtigkeiten - auf die ich jetzt nicht eingehen möchte - entstehen. Im Ausschuß hat man dann das Kind allerdings mit dem Bade ausgeschüttet und sich mit geringfügigen Korrekturen durch Änderung der Absätze 5 und 6 des § 13 zufriedengegeben, die nur in ,ganz wenigen Einzelfällen helfen. Man hatte zwar die Ungerechtigkeit und das Problem insgesamt erkannt, stolperte aber über die eigene Unzulänglichkeit. Unser heutiger Antrag ist viel bescheidener. Er will zunächst wirklich nur die gröbsten Ungerechtigkeiten mildern. Wir haben dafür eine Regelung gefunden, die es gestattet, die Sache auf ein ver9132 nünftiges Maß zu begrenzen, die aber auf der anderen Seite doch die Möglichkeit bietet, die gröbsten Härten auszugleichen. Mir ist es an sich völlig unverständlich, wenn jetzt die Regierungspartei sich gegen eine Regelung entsprechend unserem bescheidenen Antrag bei einer Gesamtüberprüfung des Lastenausgleichs durch die 14. Novelle sperren würde, die sie in so umfangreichem Maße im vorigen Bundestag selber beantragt hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der gesamte Fragenkomplex des § 13 Abs. 4 hat in der Öffentlichkeit, besonders bei den Geschädigten, wegen der bisher ungerechten Regelung eine starke Diskussion ausgelöst. Selbst die „Deutsche Zeitung", der man nicht den Vorwurf machen kann, sie würdige nur die Argumente der Opposition, sah sich vor vierzehn Tagen, am 17. April 1961, zu folgender Feststellung veranlaßt, die ich mir erlaube - mit Genehmigung des Herrn Präsidenten - Ihnen vorzutragen. Es heißt dort: Man kann darüber streiten, ob eine umfassende Novelle zum Lastenausgleichsgesetz zu diesem Zeitpunkt sinnvoll ist. Sie ist aber unterwegs, und ihre Verbesserungen sollen zehn bis elf Milliarden DM kosten. Wenn der Lastenausgleich aber schon Verbesserungen in einem derartigen Umfange bringt, ist es nicht einzusehen, weshalb ausgerechnet die Kriegssachgeschädigten mit betrieblichen Verlusten weiter im Schatten stehen sollen. Der Lastenausgleich ist heute, 15 Jahre nach Kriegsende, nicht mehr vornehmlich eine Frage sozialer Zielsetzungen, sondern in erster Linie eine Frage des gerechten Set-zens der Gewichte. Meine Damen und Herren, deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Ich darf nur wiederholen: Es handelt sich um kriegssachgeschädigte Betriebe, die keine Entschädigungszahlungen erhalten. Wir wollen sie in erster Linie wenigstens von der Lastenausgleichsabgabe befreien. Das ist ein Anliegen, das das ganze Haus angeht.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Koch.

Hermann Koch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde zu dem Antrag der FDP auf Umdruck 906 nur einige kurze Ausführungen machen. Der Antrag bezweckt, wie von Herrn Di. Rutschke schon ausgeführt, die Erhöhung des Einheitswertes vom 1. Januar 1940 bei den kriegssachgeschädigten Betrieben um 20 %. Von dem Antrag werden 100 000 Abgabepflichtige und daneben 170 000 Geschädigte betroffen werden. Wir können darüber streiten; es wird sich dann feststellen lassen, Herr Dr. Rutschke. Überwiegend wird es sich um kleinere Fälle handeln. Für die Mehrzahl dieser kleineren Fälle wirkt sich die Erhöhung um 20 % kaum lohnend aus. Ich darf gleich hinzufügen, daß bei all diesen Geschädigten bisher eine großzügige Regelung im Billigkeitsverfahren stattgefunden hat. Herr Dr. Rutschke, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Behörden, in diesem Falle die Finanzämter, die ja die Abgabe erheben, Anweisung hatten, großzügig und schonend zu verfahren?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Hermann Koch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte, wenn es sein muß!

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Koch, ist Ihnen bekannt, daß dies nur bei einem 40%igen Vermögensverfall der Fall gewesen ist?

Hermann Koch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001149, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jawohl! Darüber hinaus aber ist zu sagen, daß in allen Fällen, die strittig sein konnten - das wird Ihnen von berufener Seite bestätigt -, die Erhebungen großzügig gehandhabt worden sind. Die Erhöhung des Einheitswertes um 20 % bewirkt einen Einnahmeausfall, d. h. eine geringere Leistung von Abgaben, von 600 Millionen DM für die Dauer der Laufzeit, weil eine ganze Anzahl durch höhere Punkte nunmehr fortfällt. Daneben entstehen aber auf der Entschädigungsseite neue Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 350 Millionen DM. Das ergibt rund 950 Millionen DM für diese 18 Jahre. - Nach der Seite sind wir uns also einig. In diesem Zusammenhang muß ich noch auf eine Tatsache hinweisen. Diese großen Zahlen erklären sich daraus, daß auf der Seite der kriegssachgeschädigten Wirtschaft zahlreiche Großbetriebe, Aktiengesellschaften und andere größere Gebilde, mit Einheitswerten von 50 und 60 Millionen DM in den Bilanzsummen vorhanden sind. Eine Erhöhung des Einheitswerts von 20 % hat bei einem Einheitswert von 50 bzw. 60 Millionen eine Auswirkung von 10 bzw. 12 Millionen DM. Sie können sich ja nun selbst ausrechnen, wie das bei einer 50%igen Abgabe im Einzelfall aussieht. Es würde bei Annahme dieses Antrags folgendes eintreten, was an sich, glaube ich, gar nicht beabsichtigt ist, daß nämlich zwar eine Anzahl geschädigter Betriebe größeren Umfangs einen ungeheuren, aber die Mehrzahl der Geschädigten keinerlei Nutzen hätte. Sinn der Lastenausgleichsgesetzgebung ist es, der großen Masse zu helfen. Welche Auswirkungen das in den einzelnen großen Fällen hätte, kann sich jeder ausrechnen. Ich habe nur an alle die Frage zu richten: Ist das der Sinn der ganzen Gesetzgebung, treten hier nicht wesentliche Verschiebungen ein? Weiter würde eine unterschiedliche Behandlung Platz greifen. Die 20%ige Erhöhung käme nur den kriegssachgeschädigten Betrieben zugute. Die Schlechterstellung bei den sogenannten Vertreibungsschäden würde hierdurch noch krasser. Zu den übrigen Ausführungen des Herrn Dr. Rutschke will ich weiter keine Stellung nehmen. Von der Höherbewertung der Warenvorräte in der Eröffnungsbilanz vom 21. Juni 1948 sollten Sie lieber nicht sprechen. Sie wissen, daß sie den zwingenden gesetzlichen Vorschriften entgegensteht. Jeder Steuerpflichtige - gleich welcher Art - ist nicht nur auf Grund der Steuergesetze, sondern auch nach dem Handelsrecht verpflichtet, die Bilanz so aufzuKoch stellen, daß sie den Tatsachen entspricht. Der hier vorgesehene Weg wäre ein bedenklicher Weg. Es ließe sich eine Menge dazu sagen; Ihre Ausführungen würden damit entkräftet. Im übrigen liegt in der Wirtschaft fast jeder Fall anders. Angesichts der Auswirkung dieses Antrags, die bestimmt nicht beabsichtigt ist, darf ich Sie namens meiner Freunde von der CDU/CSU um Ablehnung des Antrags der FDP auf Umdruck 906 bitten. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weiter gebe, möchte ich feststellen, daß wir jetzt nicht nur über § 1, also über die Änderung des Lastenausgleichsgesetzes, sondern auch über § 2, der das Feststellungsgesetz betrifft, debattieren, weil diese Änderungsanträge beide Bestimmungen betreffen und ihre Beratung nur in diesem Zusammenhang sinnvoll ist. Ich sage das, damit jeder von uns die richtigen Blätter aufschlägt. Das Wort hat der Abgeordnete Dewald.

Georg Dewald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000378, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der ,sozialdemokratischen Fraktion habe ich zu erklären, daß wir dem Antrag der Fraktion der FDP auf Änderung des § 13 Abs. 4 zustimmen werden. Es ist eine immerwährende Klage der einheimischen Kriegssachgeschädigten, eine Klage seit langen, langen Jahren, daß sie gegenüber anderen Schadensgruppen stiefmütterlich behandelt werden. Die einheimische kriegssachgeschädigte Wirtschaft hat niemals an den Vergünstigungen der Siebener-Paragraphen des Einkommensteuergesetzes teilnehmen können. ({0}) - Weil alle Anträge, die in diese Richtung gegangen sind, immer abgelehnt worden sind. Wir sind nicht beeindruckt von dem Argument, diese Änderung des § 13 Abs. 4 werde dazu führen, daß insbesondere große Gesellschaften unerhörte Gewinne daraus ziehen. Nach unseren Ermittlungen sind es in der Hauptsache kleine Leute, die durch die jetzige Gestaltung dieses Paragraphen geschädigt worden sind. ({1}) Die Zukunft wird zu erweisen haben, ob das richtig ist. Nach unseren Ermittlungen ergibt sich, daß es in der Hauptsache kleine Leute sind, daß es insbesondere auch Angehörige der freien Berufe sind, die darunter fallen und die infolge des Vorhandenseins dieses Paragraphen niemals zu einer gerechten Würdigung ihrer Ansprüche haben kommen können. Es sind - darauf ist schon verwiesen worden, und ich kann mich in dieser Sache nach den außerordentlich gründlichen Darlegungen des Kollegen Rutschke sehr kurz fassen - hauptsächlich kleine Leute, die überhaupt keine Hauptentschädigung bekommen können, sondern die durch die Anwendung der Kürzungs- oder Kappungsvorschrift in diesem Paragraphen in die Kategorie der Nichtgeschädigten gerückt sind, obwohl sie zweifellos große Schäden erlitten haben. ({2}) Durch diesen Paragraphen sind unserer Ansicht nach die Betriebe innerhalb der Bundesrepublik begünstigt worden, die niemals etwas mit Bomben, die niemals etwas mit Granaten zu tun gehabt haben, aber diejenigen, die zerstörte Betriebe hatten, die mit den Aufbausorgen innerhalb ihrer Betriebe beschäftigt und froh waren, wenn sie in der ersten Zeit nach Wiederaufnahme ihrer Betriebe - während andere in der Lage waren, erhebliche Gewinne zu machen - über die Runden kamen, sind durch diesen Paragraphen benachteiligt worden. Deshalb hat man sich in der sozialdemokratischen Fraktion gesagt, daß es Zeit ist, für diese Leute einmal etwas zu tun und den § 13 Abs. 4 zu ändern. Weitere Ausführungen darüber will ich nicht machen. Ich habe mir kürzlich die Zeit genommen, das erste Beiheft zu den Dokumenten deutscher Kriegsschäden durchzusehen, und habei dabei Berichte über die Gewerbetreibenden gelesen, die, obwohl ihre Betriebe in Schutt und Asche lagen, nicht resigniert haben, sondern unter unsäglichen Schwierigkeiten neu begonnen haben. Ich habe gelesen, wie sie von früh bis spät gearbeitet haben, um wieder auf die Beine zu kommen. Ich habe von den Schwierigkeiten gelesen, die dabei überwunden worden sind, Schwierigkeiten, deren Überwindung ein größeres Wunder darstellt als ,das nachfolgende sogenannte Wirtschaftswunder. Diese Gruppe ist nach unserer Auffassung im Lastenausgleich zu kurz gekommen. Sie hätte mehr Anerkennung verdient, als man ihr hat zuteil werden lassen. Wenn der Verbesserung der Hauptentschädigung, die wir heute beschließen werden, nicht eine Änderung des § 13 Abs. 4 vorangeht, werden die einheimischen wirtschaftlich Geschädigten doppelt geschädigt werden. Deshalb stimmen wir diesem Antrag zu und möchten Sie bitten, das gleiche zu tun.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Frage des Herrn Kollegen?

Georg Dewald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000378, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte sehr.

Edmund Leukert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001334, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Dewald, ist Ihnen denn aus den Ausschußberatungen nicht bekannt, ,daß wir gerade den Anrechnungssatz bei den Kriegssachgeschädigten von 30 auf 40% erhöht haben, ,damit die volle Hauptentschädigung bei den Kriegssachgeschädigten zur Auswirkung kommt?

Georg Dewald (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000378, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das ist mir wohl bekannt; aber ich weiß, daß das einer individuellen Prüfung unterliegt, ({0}) daß es bei mehr als 40% einer individuellen Prüfung unterliegt. ({1}) - Die Finanzämter sind doch berechtigt, wenn die Punktzahl über 40 hinausgeht, von sich aus eine Stundung auf drei Jahre vorzunehmen. ({2}) - So bin ich unterrichtet. Ich muß noch einmal betonen, nach unserer Auffassung ist es Zeit, diesen § 13 Abs. 4 zu ändern. Wir werden also dem Vorschlag der Freien Demokraten zustimmen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rutschke.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur auf etwas antworten, was Sie, Herr Kollege Koch, sagten. Es ist natürlich eine Methode, Anträge dadurch kaputt zu machen, daß man sagt: Hier will eine Partei nur den großen Aktiengesellschaften helfen, noch mehr Geld zu verdienen! Das hört man natürlich gern, richtig. Aber Sie wissen ganz genau, daß die Aktiengesellschaften auf der Leistungsseite keinen Pfennig bekommen. Ich habe das nachgeprüft und mich genau darum gekümmert. Die Aktiengesellschaften können Sie an den fünf Fingern aufzählen, die eventuell darunter fallen könnten. Außerdem will ich Ihnen sagen, wir müssen von der bisherigen Art des Lastenausgleichs, der im Jahre 1952 mit Recht zunächst noch auf die sozialen Belange mehr Rücksickt als auf andere nehmen mußte, abkommen. Wir müssen langsam zu einer gerechten Entschädigung kommen. Wenn dann jemand berechtigt eine Entschädigung bekommt, soll ,es mir gleich sein, wenn auch zwei oder drei andere dabei sind, die es vielleicht vom heutigen wirtschaftlichen Standpunkt aus nicht gar so nötig hätten. Aber Sie lassen lieber tausend andere untergehen, die die Entschädigung bei Gott dringend nötig hätten, nur damit die zwei oder drei Großen, die eventuell davon betroffen werden könnten, nichts bekommen. Herr Kollege Koch, ich freue mich nur über eines, daß Sie nämlich hier im Plenum des Bundestages nicht dieselbe Stellung eingenommen haben wie im Ausschuß, wo Sie sagten: Eigentlich sollten die fliegergeschädigten Betriebsinhaber doch recht froh sein; sie haben jetzt alle neue Maschinen, während diejenigen, die nicht geschädigt sind, sich mit den alten Maschinen herumplagen müssen. Das ist eine Einstellung, die ich gar nicht verstehen kann. Das tut mir leid.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Kraft.

Waldemar Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001191, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Ausschußvorlage wird Ihnen eine ausgewogene Arbeit vorgelegt. Es hat keinen Sinn, sich in historischen Betrachtungen zu ergehen, wie das Gesamtaufkommen des Fonds zu einem bestimmten Zeitpunkt geschätzt - niemals berechnet! - worden ist. Es geht vielmehr darum, was wir heute für verfügbar halten können. Hiernach sind alle Beteiligten beim Lastenausgleich in überlegter Weise gleichmäßig berücksichtigt worden. Wir dürfen nicht die Ansicht aufkommen lassen, die durch die Ausführungen hier entstanden sein könnte, daß die Fliegergeschädigten hintangestellt worden wären. Ich darf darauf hinweisen, daß die Änderung -Sie finden das in der Drucksache - der §§ 39, 47 a, 55 a, 55 b, 116, 130 a und 199 ausschließlich den Fliegergeschädigten zugute kommt. Hinzu kommt § 249, der automatisch, generell und ohne Prüfung des Einzelfalls zum Zuge kommt. Herr Kollege Dewald, Sie befinden sich in einem großen Irrtum, wenn Sie glauben, es sei eine individuelle Prüfung vorgesehen. Meine Damen und Herren, durch die Annahme eines Antrages, der unseres Erachtens - wir haben uns damit ja eingehend im Ausschuß befaßt angesichts der Gesamtumstände nicht begründet ist, dürfen wir nicht das ganze Gesetzgebungswerk, das mühsamer Arbeit entstanden ist, gefährden und das ganze Gebäude zum Einsturz bringen, und zwar in finanzieller Hinsicht, aber auch in rechtlicher Hinsicht. Es ist vom Gleichheitsstandpunkt nicht zu vertreten, daß für einen bestimmten Kreis von Geschädigten hier die Einheitswerte um 20 % erhöht werden sollen. Das ist rechtlich nicht haltbar. Die Fraktion der CDU/CSU ist sich darin einig - aus Gründen, die ich nach dem Gesagten nicht näher ausführen will -, diesen Antrag der FDP abzulehnen. Das ergibt sich zwangsläufig aus der Gesamtsituation. ({0}).)

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir können nunmehr über den Antrag unter den Ziffern 1 a und b auf Umdruck 906 abstimmen. ({0}) - Also insgesamt, über alle Anträge auf Umdruck 906. Wer diesen Anträgen zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Anträge sind abgelehnt. Ich rufe dann auf § 1 Nrn. 4, - 5, - 6, - 7, - 8. - Änderungsanträge liegen insoweit nicht vor. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen. Ich rufe § 1 Nr. 9 auf. Hier liegt auf Umdruck 875 ein Änderungsantrag ,der Fraktion der SPD vor. Soll er begründet werden? - Bitte schön, Herr Abgeordneter Rehs.

Reinhold Rehs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem des Stichtags ist eines der eklatantesten Unrechtsprobleme im Lastenausgleichsgesetz, und unser Änderungsantrag bezweckt, dieses Unrecht zu beseitigen. Wir sind der Meinung, daß das Problem keine Teillösungen mehr verträgt, daß seine Lösung überdringlich geworden ist und daß von uns aus menschlichen, rechtlichen und politischen Gründen eine ganze Entscheidung gefordert wird. Wer wie ich in diesen Wochen und Monaten täglich gar nicht mehr zu zählende Briefe bekommen hat, aus denen die ganze Verbitterung der von diesem Problem betroffenen Menschen strömt, dem wird die Bedeutung [dieser Frage klargeworden sein. Ich darf daran erinnern, daß wir auch hier vor der Frage stehen, ob das, was bei der ersten Lesung von der Regierung, vom Bundesvertriebenenminister generell gesagt worden ist, nur Worte sind oder ob dahinter auch eine ernstgemeinte Absicht steht, Der Vertriebenenminister hat damals gesagt: Eigentum ist gewissermaßen die dingliche Entsprechung der persönlichen Freiheit. Diese Grundlage verpflichtet uns, das Eigentum überall dort wieder zu begründen, wo es ohne eigenes Versagen durch die Kriegsfolgen verlorengegangen ist. Er hat weiter davon gesprochen, daß Bomben und Vertreibungen kein Gottesurteil seien, mit dem sich die Betroffenen allein abplagen müßten. Soll das nicht für die Stichtagsversäumer gelten? Ich habe bereits in der ersten Lesung gesagt, daß es mir und meinen Freunden unbegreiflich ist, warum das Datum der Aufenthaltsnahme im Bundesgebiet einen Einfluß auf die Entschädigungsfähigkeit des Vertreibungsschadens ausüben soll. Ich möchte erneut sagen, daß es mir unbegreiflich ist, warum ein Verhalten in der Zone, solange es sich im Rahmen unserer Rechtsordnung bewegt, zu einer unterschiedlichen Beurteilung eines in den Vertreibungsgebieten entstandenen Schadens führen kann. Gerade das sieht die Ausschußfassung vor. Ein Kausalzusammenhang zwischen der Vertreibung und den politischen Verhältnissen der Zone besteht aber nicht, und er darf auch nicht konstruiert werden. Wenn die vom Ausschuß vorgesehene Fassung Gesetz werden sollte, würde es auch nach dieser 14. Novelle ungezählte Zehntausende Vertriebene geben, die wegen ihres späten Eintreffens in der Bundesrepublik keine Lastenausgleichsleistungen erhalten. Mit dem Änderungsantrag der CDU im Ausschuß ist zwar für eine gewisse Gruppe eine Beseitigung dieser Härte verbunden. Aber das hat nicht das ganze Problem gelöst. Man ist auf halber Strecke stehengeblieben. Wenn wir es heute nicht bereinigen, werden wir uns wieder und wieder damit beschäftigen müssen. Aus all diesen Gründen beantragt die SPD-Fraktion die Streichung des Stichtages, weil nur das eine gerechte und dauerhafte Lösung des Problems bedeutet. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Krüger.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Stichtagproblem hat den Ausschuß nicht nur jetzt, sondern schon wiederholt beschäftigt. Wir waren uns darüber klar, daß, nachdem derjenige, der unter den Voraussetzungen des § 3 des Bundesvertriebenengesetzes die Mittelzone hat verlassen müssen, ohnehin mit besonderen Rechten ausgestattet ist, es tatsächlich nicht mehl länger verantwortet werden konnte, ,daß dieser Personenkreis, der sonst völlig mit Rechten ausgestattet ist, in dieser Beziehung schlechter gestellt war als diejenigen Vertriebenen, die sich von Anfang an im Bundesgebiet haben aufhalten können. Aber die Frage, ob man allgemein die Bestimmung auf alle Vertriebenen, die zunächst in der Zone waren und nach dem Stichtag hierhergekommen sind, anwenden und die Menschen mit diesen Rechten ausstatten sollte, war anders zu beurteilen. Ich verweise darauf, daß das Lastenausgleichsgesetz seinerzeit den Stichtag gewählt hat, weil sowohl die Abgabenseite als auch die Leistungsseite nach der Zahl der Vertriebenen, die damals hier waren, geregelt wurde. Wenn nun also eine wesentlich größere Zahl mit unter das Lastenausgleichsgesetz fallen sollte, mußte natürlich nach neuen Finanzierungsmaßnahmen gesucht werden. Der Lastenausgleichsfonds in seier bisherigen Gestalt war nicht dazu da, daß auch noch dieser gesamte Personenkreis betreut wurde. Ohnehin sind in der Zwischenzeit' durch die Aussiedler und im Wege der Familienzusammenführung wesentlich mehr Personen betreut worden, als nach dem Erlaß des Gesetzes und nach dem Stichtag vorhanden waren. Im Zusammenhang damit taucht aber ein weiteres Problem auf. Das ist die Frage der Zonenflüchtlinge insgesamt. Der neue Bundestag wird um die Lösung auch dieses Problems nicht herumkommen. Deswegen ist die Frage der Finanzierung so wesentlich. In diesem Zeitraum, bis zum Ablauf der Legislaturperiode, konnte diese Frage nicht mehr richtig überprüft werden, wenn nicht unter Umständen die Verabschiedung dieser Novelle überhaupt gefährdet werden sollte. Das ist ein entscheidender Gesichtspunkt, der die Regierungspartei zu ihrer Stellungnahme veranlaßt hat. Die grundsätzliche Aufgabe des Stichtags bei den Vertriebenen, die den C-Ausweis haben, zeigt, daß die Regierungspartei sich ihrer Verantwortung diesem Personenkreis gegenüber voll bewußt ist. Mit der Aufgabe des Stichtags ergeben sich Auswirkungen in 13 Gesetzen, die wegen der neuen finanziellen Belastungen ebenfalls überprüft werden müßten. Deshalb mußte so verfahren werden, wie das hier geschehen ist. Nun werden wir daran denken müssen, daß auch die Zonenflüchtlinge, die Vertriebene sind, anders behandelt werden müssen. Daher haben wir den Antrag gestellt, diesen Personenkreis in denjenigen des § 301 des Lastenausgleichsgesetzes einzubeziehen. Das bedeutet, daß nunmehr für diesen Personenkreis in gewissem Umfang Leistungen aus dem Härtefonds bereitgestellt werden. Unter Berücksichtigung des Zeitpunktes, in dem diese Novelle entsteht, wird man sagen können, daß mit der Einbeziehung in den Kreis des § 301 des Lastenausgleichgesetzes diesem Personenkreis schon weitgehend gedient ist. Insbesondere unseren alten Menschen ist dadurch die Möglichkeit gegeben, Un9136 Krüger ({0}) terhaltshilfe zu bekommen, und das ist entscheidend. Denn außer der Hauptentschädigung können über den Härtefonds die weiteren Leistungen des Lastenausgleichsgesetzes diesem Personenkreis zur Verfügung gestellt werden. In bezug auf den Begriff der Notlage in § 301 hat die Verwaltung für die in Betracht kommenden Vorschriften, die Rechtsverordnung und die Verwaltungsanordnung, eine großzügige Auslegung in Aussicht gestellt. Das gilt einmal für die Hausratsentschädigung, bei der die Einkommensgrenzen wesentlich erhöht werden, und zum anderen für die Verwandtenhilfe. Ich glaube, daß damit dem Notstand einer großen Zahl von Heimatvertriebenen Rechnung getragen wird. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir können dann über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 875 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Wir stimmen ab über § 1 Nr. 9. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen angenommen. Ich rufe auf die Nrn. 10 bis 13, - 14 - der Anderungsantrag der FDP auf Umdruck 906 ist erledigt, darüber ist bereits abgestimmt -, ({0}) 15 bis 17. - Hierzu liegen keine Änderungsanträge vor. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen angenommen. Ich rufe auf Nr. 18. Hierzu liegen vor die Änderungsanträge der Fraktionen der SPD Umdruck 876 Ziffer 1 sowie der Abgeordneten Kraft, Krüger ({1}), Kuntscher, Leukert und Fraktion der CDU/ CSU Umdruck 898 Ziffer 1 a. Das Wort zur Begründung des Antrages Umdruck 876 Ziffer 1 hat der Abgeordnete Zühlke.

Ernst Zühlke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002607, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begründe von meinem Antrag jetzt nur die Ziffern 1 und 2, weil das ein Sonderproblem ist und mit der Anrechnung von Unterhaltshilfe auf Hauptentschädigung nur indirekt zu tun hat. Bei der Frage der Anhebung der Unterhaltshilfe hatten wir schon immer feststellen müssen, daß wir uns nur hier im Plenum einigen konnten. Die unglückliche Geschichte unseres Antrages möchte ich jetzt einmal kurz schildern. Die sozialdemokratische Fraktion hatte beantragt, den Satz von 140 DM im Monat auf 160 DM im Monat zu erhöhen. Die CDU/CSU hat sich zu diesem Problem überhaupt nicht geäußert. Sie hat bei diesem ganzen Fragenkomplex, der heute zur Diskussion steht, nur mit der Regierungsvorlage gearbeitet, ohne eigene Gedanken heranzubringen. Das mußte ich dazwischen sagen, weil sich die CDU/CSU-Fraktion im Laufe der Beratung auch heute wieder bis fast an unsere Vorschläge heranpirscht, wenn ich so sagen darf. ({0}) Im Grunde genommen dreht es sich nicht nur um ein Gesetz der großen Zahl, wie es immer gesagt wird, sondern auch um ein Gesetz der kleinen Zahl. Denn eine Anhebung der Unterhaltshilfe um 3 DM im Monat bedeutet für den Betroffenen die Möglichkeit, pro Tag 10 Pf mehr auszugeben. Es gibt in der Bundesrepublik heute noch Kreise, für die auch ein 10-Pf-Stück einen Wert besitzt, weil damit zum Teil noch Hunger gestillt werden muß. Der Kreis der Unterhaltshilfeempfänger ist der Kreis, der, sagen wir einmal, in die gehobene Fürsorge hineingesetzt ist. In einzelnen Gemeinden liegt der Fürsorgerichtsatz allerdings schon über den Unterhaltshilfesätzen. Überwiegend entspricht aber heute die Unterhaltshilfe einem gehobenen Fürsorgerichtsatz. Ein Zweites! Die Statistik weist nach, daß bei der Unterhaltshilfe ein automatischer Abgang des Personenkreises auf Grund des Alters eintreten muß, weil ja nicht jeder Unterhaltshilfe bekommt, sondern eben nur ein bestimmter Personenkreis. Der Abgang beträgt nach der Mitteilung des Bundesausgleichsamts bei Unterhaltshilfeempfängern jährlich zirka 4,5 %der Empfangsberechtigten. Wir haben folgendes festgestellt: Unterhaltshilfe ist gehobene Fürsorge, Ersatz für Rentenversicherung und sonstige Versicherungsleistungen, die andere Personen aus anderen Kassen bekommen. Da der Begriff der Existenzgrundlage durch Arbeitsaufnahme in sehr großem Umfange entfallen ist, ist 1 Unterhaltshilfe heute überwiegend eine Leistung für früher selbständige Unternehmer. Mit Unternehmer bezeichne ich jetzt einmal sehr großzügig Bauern und kleine Handwerker. Hier müssen wir jetzt das Problem suchen, bei dem Kreis, der nach 1945 bis 1948 nicht über die Rentenversicherung zur Auszahlung einer Rente in einer gewissen Höhe kommen konnte. Aus ,diesem Grunde habe ich doch den Mut - ich sage es ganz offen; nur ich, die Einzelperson, habe den Antrag gestellt -, unseren Vorschlag auf Anhebung der Unterhaltshilfe auf 160 DM einzubringen, und es nicht bei einer Unterhaltshilfe von 148 DM zu belassen, wie es im Regierungsentwurf steht, oder eine Anhebung auf 152 DM vorzunehmen, wie es der Ausschuß nachher beschlossen hat. Ich bitte also, in § 1 entsprechend unserem Antrag auf Umdruck 876 unter Ziffer 1 und 2 die Worte „152 Deutsche Mark" durch die Worte „160 Deutsche Mark" für Einzelpersonen zu setzen. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Kuntscher hat das Wort zur Begründung des Antrages auf Umdruck 898.

Ernst Kuntscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich zum Thema Unterhaltshilfe sehr kurz fassen. Ich will nicht die Geschichte der Unterhaltshilfe, beginnend mit dem Soforthilfegesetz 1949, bis zum Jahre 1961 aufrollen. Nur zwei Zahlen möchte ich anführen. Begonnen haben wir 1949 mit 70 DM monatlich und 30 DM monatlich Ehegattenzuschlag. Heute stehen wir in der Diskussion über den Antrag der CDU/CSU mit 155 DM für den Unterhaltshilfeempfänger und 85 DM für die Ehegattin, also bei 240 DM für ein Ehepaar. ({0}) - Herr Rehs, das werde ich Ihnen gleich sagen. Das soll den Vorwurf zurückweisen, daß Sie immer wieder, wenn wir über Unterhaltshilfe reden, uns gegenüber so tun, als hätte die CDU/CSU im Lastenausgleich nichts und gar nichts getan. Nun zum Faktum von heute. Mit Drucksache 2078 hat die SPD-Fraktion einen Antrag zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes als Dreizehnte Novelle - jetzt zur Vierzehnten Novelle geworden - eingebracht und in Art. 1 § 1 unter Nr. 16 eine Erhöhung der Unterhaltshilfe für den Alleinstehenden von 140 auf 160 DM, für den Ehegatten von 70 auf 80 DM gefordert. Herr Kollege Zühlke hat jetzt gesagt, von der CDU sei nicht zu erfahren gewesen, wie tsie sich eigentlich in der neuen Novelle zu einer Erhöhung der Unterhaltshilfe stellen werde. Als die Regierungsvorlage gekommen sei, sei nur zu erfahren gewesen: 8 DM für Alleinstehende und 8 DM für die Ehegattin. Lieber Freund Zühlke, die Feststellung, daß von der CDU/CSU nichts zu erfahren war, fasse ich etwa so auf: Wenn von der CDU/CSU zu erfahren gewesen wäre, sie verlange 15 DM für den Alleinstehenden und 15 DM für die Ehegattin, dann wäre das für Sie ,der Moment gewesen, nicht 20 DM und 10 DM, sondern 30 DM und 20 DM Erhöhung zu verlangen. So fasse ich die Sache auf. ({1}) - Nein, wir wollen uns nicht ärgern. Aber wenn wir verdächtigt werden, Herr Kollege Zühlke, dann müssen wir mit demselben. Argument zurückschlagen, mit dem Sie uns angegriffen haben. ({2}) Nun einmal weiter. Der Ausschußbeschluß, der hier vorliegt, sieht eine Erhöhung von 140 auf 152 DM für Unterhaltshilfeempfänger und von 70 auf 82 DM für die Ehegattin vor. Nach dem Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 876 Ziffern 1 und 2, die sich auf diese Positionen beziehen, soll in 'den beiden in Betracht kommenden Bestimmungen 'der Betrag von 152 DM auf 160 DM erhöht werden. Der Zuschlag für den Ehegatten soll in der bisherigen Höhe bestehenbleiben. Aus unserem Antrag auf Umdruck 898 Ziffern 1 und 2 geht hervor, daß auch wir den Ausschußbeschluß ändern wollen. Wir wollen den Betrag von 152 DM auf 155 DM und den Zuschlag für den Ehegatten von 82 auf 85 DM erhöhen. Vergleichen wir diese beiden Vorschläge doch einmal miteinander, meine lieben Freunde von der Opposition! Ich spreche Sie, da wir in den betreffenden Ausschüssen schon so lange zusammenarbeiten, hier als liebe Freunde an; denn dort fahren wir uns nicht gegenseitig so wild in die Haare wie hier. Dort haben wir, daß muß ich sagen, immer sauber und ziemlich einträchtig zusammengearbeitet. Machen wir jetzt einmal die Gesamtrechnung auf! Wie sieht sie aus? Sie sagen: 160 DM für den Unterhaltshilfempfänger, 80 DM für die Ehegattin, ergibt 240 DM. Wir sagen: 155 DM für den Unterhaltshilfempfänger und 85 DM für die Ehegattin; das ergibt auch 240 DM. Da frage ich mich, warum wir hier eine große Debatte führen und uns vielleicht da oder dort gegenseitig noch ein bißchen verdächtigen, und warum hier der eine so tut, als wollte er noch sozialer sein als der andere. Sie werden jetzt sagen: Aha! Da steckt wieder etwas drin! Von der Gesamtzahl der Unterhaltshilfeempfänger sind etwa zwei Drittel alleinstehend, und in einem Drittel der Fälle lebt der Ehegatte noch. Also ist doch nach dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion die Mehrzahl der Unterhaltshilfeempfänger - nämlich die Alleinstehenden - gegenüber dem SPD-Antrag etwas schlechter gestellt. Meine Damen und Herren, ich verfechte es seit einigen Jahren, daß das Verhältnis zwischen dem Betrag, den der Alleinstehende, und dem Betrag, den der Ehepartner als Unterhaltshilfe bekommt, nicht mehr wie früher 1 : 2 betragen soll. Ich könnte eine ganze Reihe von Gründen anführen. Die Gründe sind Ihnen bekannt. Aus dem betroffenen Personenkreis sind ja viele Proteste gekommen. Ich denke an alte Leute, die gern noch heiraten möchten. Es ist doch immer das größte Unglück, wenn der Herrgott so einem 65- oder 70jährigen Mann die Frau sterben läßt. Der Arme steht dann wirklich verlassen da. Es gibt Fälle, wo auch in diesem Alter noch Ehen geschlossen werden. Vielfach - ich kann Ihnen einige Briefe zeigen - werden diese Ehen einzig und allein deshalb nicht geschlossen, weil auch die Witwe, die den Witwer heiraten möchte, Unterhaltshilfeempfängerin ist. Wegen der Differenz von etwa 60 oder 70 DM wird dieses Verhältnis dann nicht legalisiert. Dort wollen wir natürlich helfend eingreifen. Zum Schluß möchte ich noch auf etwas hinweisen, was wir bei der 14. Novelle, wenn wir über die Unterhaltshilfe reden, nicht außer acht lassen können. In der 12. Novelle war eine Altershilfe für die ehemalig Selbständigen in Höhe des damaligen Freibetrages für Rentner oder für Unterhaltshilfeempfänger - in deren Rente auch eine Sozialrente steckt - von 27 DM vorgesehen. In der 14. Novelle soll nun diese Altershilfe für ehemalig Selbständige neu geregelt werden. Hier ist eine Staffelung vorgesehen, die etwa so aussieht, daß derjenige, der bei der Hauptentschädigung einen Endbetrag von 3600 DM erhält, eine Altershilfe von 30 DM, daß derjenige, der 4601 bis 5600 DM Huptentschädigung zu beanspruchen hat, monatlich 40 DM, daß derjenige, der 5601 bis 7600 DM Hauptentschädigung erhält, 50 DM und daß derjenige, der über 7600 DM Hauptentschädigung erhält, 65 DM monatlich als Altershilfe zu seiner Unterhaltshilfe bekommt. Damit sind wir auch der Lösung des so schwierigen Problems ein wesentliches Stück nähergekommen, das sich bei den ehemalig Selbständigen aus den Vertreibungsgebieten ergibt, die keine Sozialrenten erhalten, weil sie nicht sozialversicherungspflichtig waren. Wir haben dafür gesorgt, daß auch ihr Lebensabend nicht zu traurig ist. Aus all diesen Beweggründen möchte ich, um es nur recht kurz zu machen, Sie bitten, den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 876 Ziffern 1 und 2 abzulehnen und dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 898 Ziffern 1 und 2 zuzustimmen. ({3})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Kollege Kuntscher, Ziffer 2 Ihres Antrags ist noch nicht aufgerufen, nur Ziffer 1. - Die Nrn. 18 und 19 sind nun gleichzeitig behandelt worden; sie sind auch einheitlich zu erledigen. Wir können nun abstimmen, und zwar zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 876 Ziffern 1 und 2. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt. Ich rufe dann auf den Antrag Umdruck 898 Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Nunmehr stimmen wir über die Nrn. 18 und 19 in der durch die Annahme des Antrags Umdruck 898 Ziffer 1 geänderten Form ab. Wer ihnen in dieser Fassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Dann rufe ich auf Nr. 20. - Hier liegen die Änderungsanträge der Fraktion der SPD auf Umdruck 876 unter Ziffer 3 und der Abgeordneten Kraft und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 898 unter Ziffer 2 a vor. Das Wort hat Herr Kollege Rehs zur Begründung des Änderungsantrags der Fraktion der SPD.

Reinhold Rehs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei unserem Antrag um die Frage, ob und inwieweit die Unterhaltshilfe, die eben das Plenum beschäftigt hat, auf die Hauptentschädigung angerechnet werden soll. Die bisherige Entwicklung hat deutlich gezeigt, welchen Trend die Gesetzgebung genommen hat: die Anrechnungssätze sind ständig gesunken. Sie betrugen anfänglich 50 %, wurden dann auf 40 % herabgesetzt und würden nach der jetzigen Ausschußvorlage 25 % betragen. Aber da die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Antrag bereits weiter auf 20 % heruntergestottert ist, würden es also nur noch 20 % werden. Diese ständige Senkung .der Anrechnungssätze ist deshalb notwendig geworden, weil eben niemand leugnen konnte und kann, daß die Anrechnung eine Ungerechtigkeit bedeutet. Die Unterhaltshilfe wird auch denen gewährt, die keinen Anspruch auf Hauptentschädigung haben. Die Anrechnung der Unterhaltshilfe auf die Hauptentschädigung führt dazu, daß die Alten ihre Hauptentschädigung aufzehren, die oft nicht mehr als eine Anerkennung für ihren verlorengegangenen, in Generationen erworbenen Besitz bedeutet. Die vertriebenen Bauern namentlich empfinden es als eine große Ungerechtigkeit, daß man von ihnen den Verzehr des Wenigen verlangt, was sie über die Vertreibung retten konnten, während z. B. heute in diesem Bundestag für die einheimischen Bauern das Gesetz über die Altershilfe geschaffen wurde, das gerade den Substanzverzehr im Alter verhindern soll. Es ist doch ein merkwürdiger Kontrast - und dem sollten Sie sich nicht entziehen -, wenn auf der einen Seite so viel von der Eigentumsbildung geredet und auch manches nach der Richtung unternommen wird, während man auf ,der anderen Seite gerade von den Armen, denjenigen, die alles verloren haben, verlangt, daß sie auch das, was ihnen nach 'diesem Gesetz als Entschädigung zuerkannt wird, verzehren sollen. Weil aber an der Anrechnung bisher festgehalten wurde, mußten immer neue Maßnahmen getroffen werden, um die Ungleichheiten zu mildern. Anläßlich des Elften Änderungsgesetzes wurde der Mindesterfüllungsbetrag eingeführt, und bei der vorliegenden Novelle mußte eine komplizierte Regelung getroffen werden; die die Gewährung von Unterhaltshilfe nach Erfüllung der Hauptentschädigung, etwa durch Aufbaudarlehen, ermöglicht. Diese Neuerungen sind keine Vereinfachungen der Verwaltung. Hinzukommt die Kompliziertheit des ganzen Anrechnungsverfahrens. All das würde gespart oder wesentlich vereinfacht werden, wenn man sich entschlösse, die Anrechnung der Unterhaltshilfe auf die Hauptentschädigung wegfallen zu lassen. Es kommt noch ein Weiteres hinzu. Der Lastenausgleich hat sich - wie wir alle, glaube ich, sagen werden, zu langsam - endlich zu der Phase der Auszahlung der Hauptentschädigung fortentwickelt und das macht es erforderlich, daß sowohl die Geschädigten als auch die Verwaltung Klarheit über die Höhe der Ansprüche erhalten. Aus allen diesen Gründen sollte daher unserem Antrag auf Streichung der Anrechnungsmöglichkeit der Unterhaltshilfe entsprochen werden. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Zur Begründung des Antrages Umdruck 898 Ziffer 2 a hat das Wort der Abgeordnete Kraft.

Waldemar Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001191, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Umdruck 898 unter Ziffer 2 finden Sie den Antrag der CDU/CSU-Fraktion, die Unterhaltshilfe auf die Hauptentschädigung weiter anzurechnen, aber den Anrechnungssatz auf 20 % zu senken. Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, den Herr Kollege Rehs soeben begründet hat, geht dahin, jegliche Anrechnung wegfallen zu lasKraft sen. Hiernach ergibt sich ganz klar - bei sehr oberflächlicher Betrachtung allerdings -, daß die sozialdemokratische Fraktion mit dem, was ihr Mitglied, unser Kollege Rehs, hier ausgeführt hat, vom Standpunkt der Geschädigten ,die weitaus bessere ist. Ich möchte es mir doch nicht versagen, einige historische Betrachtungen anzustellen, die von anderen, wie mir scheint, aus weniger wichtigem Anlaß, hier in der vergangenen Debatte schon angestellt worden sind. Meine Damen und Herren! Schon im vorigen Jahre, ehe es in irgendeiner Vorlage stand, haben CDU/CSU-Mitglieder, vor allem ich selbst, sehr ernsthaft die Frage geprüft, ob die völlige Streichung der Anrechnung möglich sei. Wir hätten es im Grunde gewünscht. Die Verbände haben damals, zu jenem Zeitpunkt, die Herabsetzung der Anrechnung auf 30 % gefordert, und auch die sozialdemokratische Fraktion hat in ihrem Antrag, der Ihnen schriftlich vorliegt, die Senkung auf 30 % beantragt. ({0}) - Nun, Herr Rehs, gestatten Sie mir, daß ich das noch festhalte. Werden Sie nicht nervös! Ich habe doch auch so schön zugehört. Wir sind ja, wie Kollege Kuntscher sagte, Freunde, auch wenn es nicht immer so scheinen mag. Ich möchte auch hier bestätigen, daß wir in dem, was Sie gesagt haben, durchaus eine Basis für eine gemeinsame Betrachtung hatten und haben. Aber wir können doch an der Wirklichkeit nicht vorbei. Wir haben festgestellt, daß die totale Streichung einer Anrechnung nicht vertretbar ist, weil es die Ausgewogenheit der verschiedenartigen Interessen stören würde und weil es zwangsläufig Gesetzesänderungen an so vielen anderen Stellen erforderte, daß darüber noch eingehend hätte beraten werden müssen. Deshalb sind wir bei 20 % geblieben und im Ausschuß auf 25 % gekommen. Die CDU/CSU-Fraktion hat uns nach eingehender Beratung die Möglichkeit gegeben, den Antrag auf 20 % zu stellen. Herr Kollege Kuntscher hat schon erwähnt, daß wir auch für die ehemals Selbständigen - um die geht es, wie Herr Kollege Rehs richtig betont hat - einen Zuschlag zur Unterhaltshilfe beschlossen haben. Herr Kollege Rehs und meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, diesen Antrag haben wir im Ausschuß eingebracht und durchgesetzt. Diese Schau lassen wir uns von Ihnen nicht stehlen, wie ein unfreundlicher Ausdruck heißt, der in Amerika gebräuchlich ist. ({1}) Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir gütigst eine Bemerkung! Niemand von unserer Fraktion wird hier behaupten wollen, daß mit dieser Erhöhung der Unterhaltshilfe und der Senkung der Anrechnung der Unterhaltshilfe auf die Hauptentschädigung auf 20 % dieser Personenkreis in eine besonders beneidenswerte Lage versetzt worden sei. Niemand behauptet das. Wir hatten aber zu prüfen, was im Rahmen dieses Gesetzes, das ja nicht ein völlig neues Lastenausgleichsgesetz ist und auch nach Ihrem ,Antrag nicht sein soll; es liegt. ja ein Initiativgesetzesantrag der SPD vor -, sondern eine Novelle zum bestehenden Gesetz sein soll, möglich und durchsetzbar sei. Gestatten Sie mir, ohne daß ich Sie mit Rechnungen im einzelnen aufhalten will, eine Feststellung! Für einen Geschädigten, der einen Hauptentschädigungsanspruch auf 7600 DM, hat, bedeutet die jetzige Regelung eine Erhöhung der monatlichen Auszahlung, dessen, was er wirklich in die Hand bekommt, um mehr als 50 %, sowohl für den einzelnen wie auch für das Ehepaar. Ich glaube, es muß hier ausgesprochen werden, daß sich ,das doch sehen lassen kann. ({2}) Aber rechnerisch, bei der Anrechnung auf die Hauptentschädigung - und darum geht es doch im wesentlichen; das ist auch unsere Auffassung -, sieht das jetzt so aus: Der Einzelstehende bekommt - rechnerisch! - bei der Herabsetzung der Anrechnungsquote auf 20 % heute mehr als das Doppelte und das Ehepaar genau das Doppelte des Bisherigen. Ich stelle das heraus, um zu zeigen, daß hier wirklich etwas sehr Entscheidendes geschehen ist. ({3})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Rutschke.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich Sie recht verstanden habe, Herr Kollege Kraft, haben Sie vorhin gesagt, daß in ihren Herzen, besonders in Ihrem, der Gedanke geboren worden sei, die Anrechnung der Unterhaltshilfe auf die Hauptentschädigung überhaupt wegzulassen. Das ist insofern ein kleiner Irrtum, als die FDP-Fraktion bereits bei der Elften Novelle diesen Antrag gestellt hat. ({0}) Wenn Sie so auf das Erstgeburtsrecht pochen, werden Sie mir den Hinweis darauf gestatten, daß wir mit konkreten Anträgen schon vor Ihnen waren; das sei nur der Wahrheit zuliebe gesagt. ({1}) Wir stimmen der SPD-Vorlage zu, weil ein weiteres Moment hinzukommt, das noch nicht ausgesprochen wurde. Daß derjenige, der den Verlust seiner Existenz nachweist, Unterhaltshilfe bekommt, aber derjenige, der neben der Existenz außerdem noch Vermögen verloren hat, wofür er eine Hauptentschädigung bekommt, sich diese Hauptentschädigung bis zu mindestens 20 % anrechnen lassen muß, scheint mir eine ungleiche Behandlung zu sein. Schon aus diesem Grunde müssen wir den SPD-Antrag unterstützen, der ja auch genau dem entspricht, was wir bei der Elften Novelle beantragt hatten.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir können dann abstimmen, zunächst über den Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 876 unter Ziffer 3. Wer zuzu9140 Vizepräsident Dr. Dehler stimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Mit Mehrheit abgelehnt. ({0}) - Es werden auch im Präsidium Zweifel geäußert. Wir wollen die Abstimmung, nachdem Bedenken bestehen, durch Erheben wiederholen. Wer dem Antrag auf Umdruck 876 unter Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, erhebe sich bitte. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Ich stelle den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 898 unter Ziffer 2 a zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen! Ich stelle dann die Nr. 20 mit dieser Änderung zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme! Ich rufe die Nrn. 21 bis 23 auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme! Ich rufe die Nr. 24 auf'. Hierzu liegen der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 876 unter Ziffer 4 und der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 898 unter Ziffer 2 b vor. ({1}) - Ich darf also feststellen, daß auch diese Änderungen angenommen sind, und bitte dann, über die ) Nr. 24 in der abgeänderten Form abzustimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe Zeichen. ({2}) - Mit den bereits beschlossenen Änderungen. Es sind ja die entsprechenden Änderungen nach 2 a für 2 b beantragt. Genügt dann die Feststellung, daß Nr. 24 mit den Änderungen in 2 b jetzt zur Abstimmung steht? ({3}) - Gemäß dem Antrag Umdruck 898 Ziffer 2 b. Einverständnis? - Dann bitte ich, darüber abzustimmen. Ich bitte um Zeichen. - Gegenprobe? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen! Ich rufe dann die Nrn. 25 bis 31 auf. - Ich bitte bei Zustimmung um das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Ich rufe dann den Änderungsantrag Umdruck 877 der Fraktion der SPD auf. Der Antrag wird von Herrn Abgeordneten Kinat begründet. Ich gebe ihm das Wort.

Georg Richard Kinat (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001099, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn meine Partei mit ihrem Antrag auf Umdruck 877 Ihnen noch eine Aufbesserung bei der Hausratentschädigung vorschlägt, dann deshalb, weil die bisher gewährte Hausratentschädigung vielleicht eine Hausratbeihilfe ist, aber keine echte und gerechte Entschädigung für verlorengegangenen Hausrat. Nun sollen die rund 6 Millionen Hausratgeschädigten bei der 14. Novelle zum Lastenausgleich überhaupt nicht berücksichtigt werden. So will es die Mehrheit in unserem Ausschuß. Gestatten Sie mir, meiner Verwunderung darüber Ausdruck zu geben, daß die Gegner unseres Antrages in der Mehrzahl ausgerechnet Vertriebene sind. Wo bleibt da die Solidarität unter uns? ({0}) Ist denn die Hausratentschädigung schon so großartig, daß wir auf eine Aufbesserung verzichten können? Die Hausratentschädigung ist die Hauptentschädigung für 6 Millionen Menschen, die ihr Vermögen zum größten Teil in ihrem Hausrat investiert hatten. ({1}) Was wir an Hausratentschädigung bisher nach den drei Stufen bekommen haben, war ja reichlich über den Daumen gepeilt. Meine Damen und Herren, übersehen wir doch nicht, daß bei der Entschädigung gar nicht gefragt worden ist, was der eine oder der andere an Hausrat besessen hat. Es hat doch Hausratvermögen gegeben, das einige Male größer gewesen ist als manches Kotten- oder manches Betriebsvermögen, die heute unter Einheitswerten erfaßt werden. Hier, verehrte Damen und Herren, muß eine echte und ausreichende Entschädigung gezahlt werden, sonst bleibt die Frage der Hausratentschädigung ungelöst. Wenn die Hauptentschädigung für die Verluste an Einheitswerten mit der 14. Novelle angehoben wird und sie schneller zur Auszahlung kommen soll, dann ist das nur zu begrüßen. Dabei kann man aber die Hausratentschädigung nicht ausnehmen, will man nicht bewußt ein Unrecht statuieren. Hauptentschädigung und auch Hausratentschädigung sind juristisch gesehen quotale Entschädigungen. Ein Beispiel: Wer einen Hausratschaden in Höhe von 5000 RM nachweisen kann, wird bei der Gegenüberstellung mit einem nach dem Einheitswert berechneten Schaden von 5000 RM feststellen, daß der nach dem Einheitswert berechnete Schaden von 5000 RM nach dem LAG mit 4800, bei einem Vertriebenen mit 5280 DM entschädigt wird. Der Hausratgeschädigte erhält bei einem Schaden in der gleichen Höhe in der ersten Stufe eine Hausratentschädigung von nur 1200 DM, wozu gegebenenfalls noch die Familienzuschläge kommen. Stellen Sie dies einmal einander gegenüber: 5280 DM bei einem Schaden, der nach Einheitswert berechnet wird, und 1200 DM für einen Schaden, der bei der Hausratentschädigung nach Stufe I bewertet wird. Meine Damen und Herren, ist das gleiches Recht für alle? Und will damit unser Rechtsstaat vorbildsein? Gewiß, wir waren uns seinerzeit darin einig, daß wir die Schäden an Hausrat nicht in einem Feststellungsverfahren ermitteln konnten, obgleich man heute bei der Feststellung von Einheitswertschäden reichlich mit Ausnahmen und Vergleichen operiert. Daß man zu solchen krassen Unterschieden bei Vermögensverlusten nach dem LAG kommen würde, hat niemand geahnt. Das kann aber unter keinen Umständen so bleiben, und daher werden wir - bis 1979 haben wir ja noch einige Zeit, und Kinat ({2}) vielleicht erlebe ich es noch dieses Anliegen dem Bundestag immer wieder unterbreiten. Bei den Hausratschäden hat die Bundesregierung nur auf die große Zahl der Geschädigten hingewiesen. Weiterhin schützte sie vor, es sei kein Geld da. Wenn die Entschädigung in dem erforderlichen Umfange gewährt worden wäre, wäre vielleicht die Konsumaufblähung so groß gewesen, daß die Markt und Preisverhältnisse dadurch gelitten hätten. Verehrte Damen und Herren! Was aber die Hausratsgeschädigten inzwischen von 1949 bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Hausratentschädigung endlich gezahlt wurde, an eigenen Mitteln für die Neubeschaffung von Hausrat ausgegeben haben, übertrifft bei weitem das, was aus dem Lastenausgleichsfonds und auch über den Bundeshaushalt dafür ausgegeben worden ist. Wunderwirtschaft sowie Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten begünstigten die Eigenhilfe der Geschädigten. Will man diese Eigenhilfe der Geschädigten vom Gesetzgeber aus als eine Art Entlastung für seine Verpflichtungen betrachten? Mindestens die Vertriebenen und Flüchtlinge hatten alles an Hab und Gut verloren, und den Hunderttausenden von Fliegergeschädigten ist es nicht besser ergangen. Sie sahen ihre Habe in den Trümmern rauchen, der Rest war meistens nicht mehr zu gebrauchen. Auch das Zuwenig und das Zulangsam bei der Durchführung des Lastenausgleichs zwang die Geschädigten zur Selbsthilfe. Man wollte nicht auf die Dauer in primitiven und zigeunerhaften Unterkünften hausen, besonders dann nicht, wenn man glücklicher Wohnungsinhaber geworden war. Wie viele Geschädigten haben noch nicht die komplette Wohnungsausstattung und den Hausrat, der zur Ausgestaltung eines bescheidenen Heims beitragen soll! Meine Damen und Herren, mit der 14. Novelle soll nun bei Hausratentschädigung des Lastenausgleichsfonds nicht nur eine gerechte und angemessene Aufbesserung eintreten, es soll auch die Eigenleistung der Geschädigten eine Art Anerkennungsgebühr erhalten. Das wird sie mit dem Gesetzgeber vielleicht aussöhnen. Finanziell ist diese Aufbesserung, die etwa 1,2 Milliarden DM kostet, angesichts des Juliusturms, Herr Minister, der ja da ist und der heute bestimmt rund 6 Milliarden DM beherbergt, eine kleine Angelegenheit, beinahe kleine Fische. Die Geschädigten sind nicht neidisch auf die Milliarden, die von ,der Bundesrepublik hergegeben werden sollen und müssen zur Linderung der Notlage in den unterentwickelten Gebieten der Erde. Die Hilfe für unsere Geschädigten und wirtschaftlich und gesellschaftlich auch noch „unterentwickelten" Volksschichten hat aber meines Erachtens den Vorrang. Wir sind damit einverstanden, daß die Durchführung der Zahlung der 4. Rate der Hausratentschädigung - nennen wir sie einmal so - im Wirtschaftsjahr 1962 vollzogen wird. Die ,damit verbundene Mehrarbeit in der Verwaltung ist nicht so groß, daß sie ein Hindernis wäre. Die Bediensteten unserer Ausgleichsämter - zum großen Teil selbst Geschädigte - werden nicht murren, wenn die Akten aus dem Keller oder vom Boden geholt werden müssen und der Vermerk - und darum handelt es sich nur - über die Zahlung einer 4. Rate eingetragen werden muß. So, verehrte Damen und Herren, zeigen wir als Gesetzgeber uns diesmal wirklich großzügig und lassen den Geschädigten wissen - in England würde man sagen, ich kann bloß nicht englisch, Gott sei Dank sogar -: Die Karitas geht von diesem Hause aus. Von diesem Hause erwarten Millionen Geschädigter die Aufbesserung der Hausratentschädigung als eine längst fällige Tat, und ich bitte Sie, Ihrem Herzen doch einen Stoß zu geben und unserem Antrag zuzustimmen. ({3})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Leukert.

Edmund Leukert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001334, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Kinat hat den Antrag der SPD-Fraktion auf Umdruck 877 begründet und an unser gutes Herz appelliert, daß wir doch bei der 14. Novelle auf alle Fälle einer Erhöhung der Hausratshilfe nachkommen mögen. Kollege Kinat hat allerdings einige Dinge nicht ausgesprochen oder vielleicht auch nicht gern gesagt. Sachlich ist folgendes festzuhalten: Erstens, wir haben bisher nach den Bestimmungen des Lastenausgleichsgesetzes und nach den Weisungen zu diesem Gesetz rund 10 Milliarden DM an Hausratsentschädigung ausgezahlt. ({0}) - Herr Kollege Reitzner und Herr Kollege Kinat, natürlich, weil der Herr Kollege Reitzner und der Herr Kollege Kinat wissen dürften, daß es einen jährlichen Finanz- und Wirtschaftsplan des Bundesausgleichsamtes gibt, worin wir im wesentlichen nur eine Masse von 2,6 Milliarden DM plus der zusätzlichen Vorfinanzierungsmittel haben und nur mit dieser insgesamt die Geschädigten mit den Leistungen befriedigen können. Diese 10 Milliarden sind doch immerhin eine sehr beachtliche soziale Seite des Lastenausgleichs, die man doch nicht so ganz unberücksichtigt lassen darf. Zweitens: Herr Kollege Kinat, wenn man jetzt bei der SPD immerhin auch die mittelstandsfreundlichen Bestrebungen unterstützen will, dann kommt man allmählich auch dem Kern des Lastenausgleichs näher, nämlich der sogenannten quotalen Entschädigung der tatsächlich Geschädigten. Das sind ja, Kollege Kinat, so viele Tausende kleine Handwerker, die kleinen Bauern, die Einzelhändler, Angehörige freier Berufe, die einen bescheidenen Hauptentschädigungsanspruch haben und die endlich auch einmal zu ihrer Hauptentschädigung kommen wollen. Allein die beantragte Erhöhung für die Hausratsentschädigung würde etwa 1,8 Milliarden DM ausmachen. Kollege Kinat, Sie stellen die Rechnung auf, es soll nicht im Jahre 1961 ausgezahlt werden, sondern erst in den Jahren 1962 und 1963. ({1}) - Ja, Kollege Kinat, damit kommen wir an das Grundsatzproblem dieser 14. Novelle. Wir wollen - und das ist unser echtes Wollen und unsere Bemühung - in dieser 14. Novelle, 'daß neben den sozialen Leistungen, die der Gesetzgeber vorgesehen hat und die auch erfüllt werden sollen, jetzt aber auch die rund 4 Millionen Vermögensgeschädigten - und zwar nach den drei Arten der Schädigung allmählich zu dem Hauptentschädigungsanspruch kommen. ({2}) Sie bringen uns mit diesem Antrag in die fatale Situation, daß 1962 und 1963 die Auszahlung der Hauptentschädigung blockiert würde und damit unser in der 13. Novelle - die Sie auch mitbeschlossen haben, Herr Kollege Kinat - ,dargetaner guter Wille, nämlich jetzt schon bestimmte Hauptentschädigungsberechtigte mit Schäden bis zu 3000 DM vorweg zu befriedigen, über die Sparkassenregelung unmöglich gemacht würde. Ich will gar nicht davon reden, Herr Kollege Kinat, daß die Verwaltung in eine unmögliche Situation gebracht würde. 7 Millionen Anträge müßten neu herausgezogen werden. Ich bitte deshalb, den Antrag der SPD abzulehnen. ({3})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich kann dann den Antrag Umdruck 877 zur Abstimmung stellen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe Zeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Ein technischer Hinweis, meine Damen und Herren: Die Wandelhalle zu unserer Linken ist durch eine gesellschaftliche Verpflichtung des Herrn Präsidenten in Anspruch genommen. Wir haben also dort keinen Zugang. Ich rufe dann die Nrn. 32 bis 42 auf, wobei der Antrag der FDP auf Umdruck 906 Ziffer 1 d bereits erledigt ist. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe dann § 2 Nr. 1 auf. Hierzu liegt der Änderungsantrag der CDU/CSU Umdruck 898 Ziffer 3 vor. - Bitte, Herr Abgeordneter Leukert zur Begründung!

Edmund Leukert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001334, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Ausschuß war durch einen unglücklichen Beschluß zur Frage der Nichtanrechnung von ausgezahlten Kriegsschadensummen eine Panne passiert. Wir glauben, daß wir diese Panne wieder beheben müssen. Es wäre nämlich ein Unrecht, wenn die Personen, die schon einmal entschädigt worden sind, noch einmal, und zwar nach diesen neuen Bestimmungen, entschädigt werden müßten. Wir wollen es aber den Personen, die nach dem 31. Dezember 1944 die Entschädigung nach dem Kriegssachschädengesetz bekamen und keine Ersatzgüter mehr kaufen konnten, ermöglichen, daß die Anrechnung bei diesem Personenkreis unterbleibt.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter Dr. Rutschke hat das Wort.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kolege Leukert, ob das eine Panne in dem Auschuß gewesen ist oder nicht, das scheint mir fraglich zu sein. Es ist abgestimmt worden, und es haben auch Kollegen aus Ihrer Fraktion diesem Antrag zugestimmt. Wenn Sie das als Panne bezeichnen, weiß ich nicht, wie man das beurteilen soll. Der Antrag ist von der FDP gestellt worden, und er hat eine gute Begründung. In der Dokumentation des Bundesvertriebenenministeriums wurde festgestellt, daß in der Mitte des Jahres 1943 die Versorgungslage für die Fliegergeschädigten so schwierig geworden war, daß die Gefahr bestand, daß die Entschädigungszahlungen, die damals nach der Kriegssachschädenverordnung gezahlt worden sind, leeres Papiergeld blieben, weil in dieser Zeit nichts mehr gekauft werden konnte. Das führte beispielsweise zu folgendem. Wenn jemand einen Hausratsschaden von 6000 DM gehabt hat und noch für 1000 DM Wertsachen hat retten können, weil er sie mit in den Keller genommen hatte, wenn aber sämtliche Möbel und die gesamte Wohnung vernichtet worden sind, dann ist er heute, wenn er z. B. im Jahre 1944 noch 2000 RM bekommen hat, automatisch von jeder Hausratsentschädigung ausgeschlossen. Ob das richtig ist, schien uns sehr zweifelhaft zu sein. Wir berufen uns dabei darauf, daß selbst das Bundesministerium in seiner Dokumentation darauf hingewiesen hat, es habe eine Entschädigungsmöglichkeit für weite Kreise gar nicht mehr bestanden. Daher bitte ich Sie, dem ursprünglichen Antrag der FDP und auch diesem Ausschußantrag zu entsprechen und den Antrag der CDU-Fraktion abzulehnen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Leukert.

Edmund Leukert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001334, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Kollegen Rutschke nur kurz antworten. Herr Kollege Rutschke, es dürfte Ihnen nicht bekannt sein, daß auch der Haushaltsausschuß ,des Deutschen Bundestages gegen die Fassung dieses Ausschußbeschlusses seine Bedenken angemeldet hat. Es heißt in dem Schreiben, der Haushaltsausschuß habe aber, um den Gang 'der Gesetzgebung nicht zu verzögern, darauf verzichtet, bezüglich Nr. 4 Buchstabe b sich im Rahmen der Ausschußberatungen mit diesem Thema weiter zu befassen, usw. Das ist das eine. Dass zweite, Herr Kollege Rutschke, sind grundsätzliche Erwägungen. Ich glaube, Sie können mir und meinen Freunden, die ,damals im Ausschuß schon die gleiche Haltung eingenommen haben, keine Unkorrektheit nachweisen. Wir haben gesagt, daß bei den Pauschalregelungen ein Grundsatz verlassen wird, ,der sonst gilt, und man kann nicht für diese Zahl von Fällen, die immerhin 300 000 Geschädigte betreffen würden, eine Ausnahmeregelung schaffen. Das waren unsere Gründe. Deshalb bitte ich, unseren Antrag anzunehmen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich stelle dann den Änderungsantrag 'der CDU/CSU Umdruck 898 Ziffer 3 zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen. Der weitere Änderungsantrag der FDP, Umdruck 906 Ziffer 2, ist erledigt. Ich lasse nunmehr abstimmen über § 2 unter Berücksichtigung ¡der zu Nr. 1 beschlossenen Änderung. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe auf die §§ 3 bis 15, - Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Wir kommen zur dritten Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat 'der Abgeordnete Reitzner zur Abgabe einer Erklärung.

Richard Reitzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der SPD-Bundestagsfraktion gebe ich folgende Erklärung zu diesem Punkt der Tagesordnung ab. Millionen geschädigter Bürger blicken heute mit großen Erwartungen nach Bonn. Leider muß festgestellt werden, daß ihre Hoffnungen nur zum Teil erfüllt wurden. Viel größer werden ihre Enttäuschungen sein. ({0}) - Dann empfehle ich Ihnen, meine verehrten Kollegen, von morgen an alle Briefe und Petitionen anzusehen, die 'bei mir einlaufen, und die Vertriebenenpresse aufmerksam zu lesen. Dann werden Sie finden, daß meine Worte von den enttäuschten Hoffnungen berechtigt sind. ({1}) - Das ist keine Ermunterung, das steht schon heute fest. Die 14. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz ist zwar ebenso wie die 8. Novelle ein sehr bemerkenswerter Einschnitt auf einem langen Weg, ({2}) - natürlich, warum „aha"?! -, ein sehr bemerkenswerter Einschnitt auf einem langen Weg. ({3}) - Ich begreife Ihre Nervosität nicht. Sie wenden noch nervöser werden, denn es kommt noch mehr. ({4}) - Ist es ein bemerkenswerter Einschnitt oder nicht? ({5}) - Na also! - Aber die Ergebnisse der heutigen Abstimmungen und Debatten beweisen für meine Fraktion, daß dieser Weg, nämlich der Weg zu einem endgültigen Lastenausgleichsgesetz, noch nicht befriedigend abgeschlossen ist. Die heutige Debatte und die Abstimmungen zeigen keinen Durchbruch zu einem neuen Lastenausgleichsdenken. Mit diesen Feststellungen möchte ich ausdrücklich die Erklärung verbinden, daß das bisher Geleistete und Erreichte nicht übersehen werden kann und nicht übersehen werden soll. Aber das es überhaupt soweit kam, ist der Initiative der Opposition ({6}) - natürlich! - zuzuschreiben. Denn erst der SPD-Entwurf eines Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes vom Juni 1960 hat die bisherige Ruhe und Windstille im Lastenausgleichsbereich unterbrochen, und erst nach der Vorlage dieses 'Entwurfs ist die Regierung genötigt gewesen, mit ihrem Entwurf zu kommen. Die CDU/CSU begnügte sich in aller Ruhe in der Hauptsache damit, unsere wesentlichsten Anträge niederzustimmen. Das ist die Wahrheit, und das haben wir ja heute erlebt. Der SPD-Bundestagsfraktion erscheinen daher ein Lastenausgleichsschlußgesetz und ein eigenes Flüchtlingsgesetz 'zur Sicherung noch bestehender berechtigter Forderungen der Geschädigten und Sowjetzonenflüchtlinge als eine vordringliche Aufgabe unserer Gesetzgebung. Viele wünschenwerte Leistungen an die Geschädigten sind bis heute nicht erfolgt. Weiterer Prüfstein unserer Verpflichtungen muß die Haltung im Bundestag sein, nicht die Reden auf Verbandskongressen. Es ist notwendig, an folgendes zu erinnern: Der allgemeine Wirtschaftsaufschwung und der beträchtliche Einkommenszuwachs einiger auserwählten Schichten unseres Volkes sind die eine Seite, die bescheidenen Zuwendungen für Rentner, Unterhaltsempfänger, Fliegergeschädigte, ehemals Selbständige und die tragische Lage des geflüchteteten und heimatvertriebenen Landvolks sind die andere Seite des deutschen Wirtschaftswunders, ({7}) obwohl der Aufbauwille der Geschädigten und ihre Leistungskraft wesentliche Voraussetzungen gewesen sind, das sogenannte Wirtschaftswunder mit zu schaffen. ({8}) Die mahnenden Worte des Herrn Bundesvertriebenenministers vor den Delegierten des CDU-Parteitages in Köln an die Vertriebenen und Flüchtlinge haben wir 'aufmerksam gelesen. Ich zitiere jetzt 'den Herrn Bundesvertriebenenminister. Er sagte: In einer Welt des wachsenden Wohlstands und der steigenden Ansprüche - das ist an die Adresse der Vertriebenen und Flüchtlinge gerichtet gewesen soll man nicht das Gefühl für das richtige Maß verlieren. Ich halte diese Mahnung für einen unberechtigten Kollektivvorwurf an ,die breiten Massen der Vertriebenen, Sowjetzonenflüchtlinge und Kriegssachgeschädigten. ({9}) In der heutigen Debatte ist mit Recht immer die Finanzierungsfrage gestellt worden. Dazu ist nochmals folgendes festzustellen. Bereits im Dezember 1949 hat das Bundesministerium der Finanzen einen Bericht „Der endgültige Lastenausgleich" herausgegeben, dem alle späteren Schätzungen und Berichte ähneln; sie sind nämlich ungenau und daher irreführend gewesen. ({10}) - Ich fange bei 1949 an und höre bei 1959 auf. Für die erforderlichen Größenvorstellungen sind Einheitswerte, die hinter den Verkehrswerten weit zurückgeblieben sind, herangezogen worden. Damit ist schon eine ausgesprochene Verzerrung des Wertgefüges und eine eklatante Benachteiligung der Geschädigten eingetreten. Im Jahre 1957 errechnete das Finanzministerium, daß im Ausgleichsfonds ,ein Minus von 5,5 Milliarden DM besteht, das ab 1967 aus Bundeshaushaltsmitteln abzudecken ist. Im September 1959 wurde dann das Minus auf 2,4 Milliarden DM herabgerechnet. Im Sommer 1960 legte das Bundesfinanzministerium wiederum eine Berechnung vor, derzufolge im Ausgleichsfonds nicht ein Fehlbetrag von 5,5 Milliarden DM, sondern plötzlich ein unverteilter Überschuß von 4,9 Milliarden DM festgestellt wurde. Diese Fehlschätzung belief sich also auf 10,4 Milliarden DM. Daher können der 14. und 13. Novelle nach unserer Auffassung Leistungsverbesserungen zugemutet werden, und zwar nicht nur in einer Höhe von 4,9 Milliarden DM, wie es ursprünglich die Absicht der Bundesregierung gewesen ist. Als Ergebnis der heutigen Debatte stellt die SPD-Bundestagsfraktion folgendes fest: Erstens. Die Verbesserungen der 14. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz sind wiederum nur ein ungenügendes Pflichtpensum der Regierung. Zweitens. Wirksame Leistungsverbesserungen, Erhöhung der Unterhaltshilfe und der Hausratsentschädigung, wie sie in dem Entwurf der SPD-Bundestagsfraktion enthalten sind, wurden von der CDU/CSU-Mehrheit abgelehnt. ({11}) Die Masse der Lastenausgleichsberechtigten kann nur Hausratsentschädigung beanspruchen, und 90 % aller Hausratsentschädigungen fallen wiederum in die niedrigste Stufe. Wenn von einer Verbesserung des Lastenausgleichs gesprochen wird, darf die Erhöhung der Hausratsentschädigung nicht ausgeschlossen werden. ({12}) Drittens. Die jetzigen Stichtagsbestimmungen sind weiter eine unzumutbare Härte für die Betroffenen geblieben. Die Begründungen der Regierung und der CDU/CSU-Mehrheit für die Ablehnung der SPD-Anträge haben sich als unbegründet herausgestellt. ({13}) Es fehlen weder die finanziellen Mittel, noch kann die Aussicht auf bessere Lastenausgleichsleistungen den in der SBZ lebenden Deutschen allein Veranlassung zur Flucht aus der Zone sein. Die SPD-Bundestagsfraktion stellt weiter fest: Bei vielen anderen Ausgaben sind die Regierung und die CDU-Mehrheit viel großzügiger gewesen. ({14}) Die beschlossene Anrechnung der Unterhaltshilfe auf den Grundbetrag der Hauptentschädigung ist eine ungerechte Härte. Die SPD-Bundestagsfraktion bekennt sich zu einer sinnvollen Kombination von sozialem und quotalem Lastenausgleich. Das bedeutet auch für die SPD-Bundestagsfraktion die Notwendigkeit einer Verbesserung ,der Hauptentschädigungssätze, der Zuschläge zu den Einheitswerten und die Sicherstellung einer angemessenen Altersversorgung ,der ehemals Selbständigen. Zum Schluß, meine Damen und Herren! Die Regelung .des Lastenausgleichs ist unserer Auffassung nach von großer Bedeutung für Geist und Inhalt unserer demokratischen Ordnung. ({15}) Demokratie kann und muß mehr bieten als nur den Namen und das Bekenntnis zu ihr. Der SPD-Fraktion erscheint ein befriedigender und gerechter Lastenausgleich für die Lebenden notwendig, ein Lastenausgleich, der gleichzeitig der Festigung der sozialen und demokratischen ,Grundlagen unseres Vaterlandes dient. Auch wenn heute wichtige Anträge der SPD niedergestimmt wurden, wird unsere Stimme doch nicht verstummen. Die SPD wird immer wieder eine befriedigende und gerechte Regelung verlangen. Mit Rücksicht auf die doch erfolgten Verbesserungen werden wir dem Gesetz als Ganzem zustimmen. ({16})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Herr Albgeordnete Dr. Rutschke zur allgemeinen Aussprache, nicht zur Einzelbegründung Ihrer Anträge.

Dr. Wolfgang Rutschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001909, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn der dritten Lesung möchte ich mich kurz fassen. Ich möchte Ihnen sagen, daß sich die FDP-Fraktion über die Verbesserungen, die wir in der zweiten Lesung zur Vierzehnten Novelle beschlossen haben, freut ({0}) im Interesse derjenigen, die seit langen Jahren auf diese Verbesserungen warten und die so lange warten mußten. Enttäuscht weggehen werden allerdings die Sowjetzonenflüchtlinge und die Fliegergeschädigten. Den Antrag zu § 13 Abs. 4, den wir gestellt haben und den ich hiermit - wie in Umdruck 906 - für die dritte Lesung stelle, abzulehnen, ist ein absolutes Unrecht. ({1}) Sie haben diesen Personenkreis, der hohe Kriegssachschäden hat, weiterhin voll in den Abgabenkreis einbezogen. Das ist ein Unrecht. Bei dieser Novelle, ,die 11 Milliarden DM Kosten verursacht, hätte dieser Personenkreis mitberücksichtigt werden müssen, nachdem er seit dem Jahre 1945 nicht berücksichtigt worden ist. Es handelt sich - das kann ich nur wiederholen, und deshalb stellen wir den Antrag noch einmal - darum, daß Betriebe, obwohl sie im Kriege schwer geschädigt worden sind, voll Lastenausgleichsabgaben zahlen müssen. Davon wollten wir sie jetzt entbinden. Das war das Ziel unseres Antrages. Deshalb wiederholen wir unseren Antrag auf Umdruck 906 in dritter Lesung. Ferner legen wir auf Umdruck 919 einen Antrag auf Änderung des § 301 des Lastenausgleichsgesetzes vor. Wir glauben, mit diesem Vorschlag doch den Vorstellungen der CDU etwas näher zu kommen. Allerdings hätten wir gehofft, daß die CDU diesen Antrag auf Grund ihrer Kenntnis der Situation bringen würde. Schließlich stellen wir in der dritten Lesung noch den Antrag auf Umdruck 918. Dieser Antrag war in der zweiten Lesung im Ausschuß bereits angenommen worden. Er wurde dann in der dritten Lesung - und das halte ich für ein Unglück, Herr Kollege Leukert - wieder abgelehnt. Wir wurden überstimmt. Nachdem nunmehr der Antrag der SPD auf eine vierte Rate Hausratentschädigung abgelehnt worden ist, haben wir diesen Antrag zur dritten Lesung eingebracht, damit wenigstens der in der zweiten Lesung im Ausschuß bereits angenommene Antrag hier im Plenum in der .dritten Lesung zur Abstimmung kommt. Es handelt sich um eine vierte Stufe der Hausratentschädigung. Ich glaube, nachdem wir bei der Hauptentschädigung - mit Recht - den quotenmäßigen Ausgleich gefördert haben, sollten wir auch auf dem Gebiet der Hausratentschädigung eine Quote für besonders wertvollen Hausrat einführen. Man hört von vielen Seiten - es wird Ihnen nicht anders gegangen sein als mir -, daß die Höhe der Hausratentschädigung, wenn es sich um besonders wertvollen Hausrat handelt, in keiner Weise dem Verlust angemessen ist. Wir bitten Sie, diesen Anträgen zuzustimmen. ({2})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Leukert.

Edmund Leukert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001334, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf für die Fraktion der CDU/CSU zur dritten Lesung der 14. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz folgende Erklärung abgeben: Zunächst stellen wir mit einer gewissen Befriedigung fest, daß bei der 14. Novelle zum Lastenausgleichsgesetz unsere Ziele im wesentlichen - ich wiederhole: im wesentlichen - verwirklicht worden sind. ({0}) - Natürlich, Herr Kollege Reitzner, weil wir die Mehrheit haben, haben wir die Ziele auch verwirklicht. Herr Kollege Reitzner, Sie haben in Ihren Darlegungen vielleicht doch einiges, was die 14. Novelle an grundsätzlichen Verbesserungen enthält, übersehen. Wir haben - um es nur in Stichworten zu sagen - die Unterhaltshilfe beachtlich erhöht. Wir haben den Anrechnungssatz von 40 auf 20 % ermäßigt. Dabei darf ich feststellen, daß im Initiativgesetzentwurf der SPD-Fraktion nur ein Anrechnungssatz von 30 % vorgesehen war. Wir haben den Selbständigen-Zuschlag, der weder bei Ihnen noch bei einer anderen Fraktion vorgesehen war, in die Unterhaltshilfe eingebaut. Wir haben die Erhöhung der Freibeträge bezüglich der Entschädigungsrente heraufgesetzt, und zwar bei Existenzverlust und bei Bezug nach der Hauptentschädigung. Wir haben die Kriegsschadensrente nach § 282 um 50 % erhöht. Wir haben - was sehr entscheidend ist und was heute überhaupt noch nicht angesprochen wurde - in dieser 14. Novelle die Möglichkeit geschaffen, daß Personen, die ein Aufbaudarlehen zu einer wirtschaftlichen Existenzgründung bekommen haben und infolge Krankheit, Todesfall oder sonstiger Schwierigkeiten dieses wirtschaftliche Vorhaben haben aufgeben müssen, wieder in den Genuß der Unterhaltshilfe kommen. Wir haben das Aufbaudarlehen von 35- auf 40 000 DM aufgestockt, und wir haben - als Kernstück der 14. Novelle - die Grundbeträge der Hauptentschädigung in der Gruppe 1 auf 100 % des Schadensbetrages, in den Schadensgruppen 1 auf 43,2 % bis 17,5 % bei der Schadensgruppe 39 verlaufend bis zu einem Schadensbetrag von 1 Millionen RM, um 7 % erhöht und auslaufend bei 6,5 %. Allein für die Hauptentschädigung, Herr Kollege Reitzner, hat der Gesetzgeber 8060 Millionen DM mehr ausschütten können. Was wir schon in der Dreizehnten Novelle vorgezogen haben, nämlich die Möglichkeit der Auszahlung der Hauptentschädigung über die Sparkassen und Banken an die Personen, die heute noch nicht 65 Jahre alt sind und damit nicht in die Barentschädigung hineinkommen können, wollen wir in Zukunft weiter ausbauen. Wir wollen mit der Hergabe der Hauptentschädigung vor allen Dingen den Heimatvertriebenen und den Kriegssachgeschädigten die Möglichkeit geben, sich neues Eigentum zu schaffen, neue Existenzen zu gründen, aber auch ein kleines Eigenheim zu erstellen. Den Stichtag für die Vertriebenen, die gleichzeitig den Ausweis C haben, haben wir bis zum Jahre 1960 zurückverlegt. Daß wir für alle Personen ohne Ausweis C eine beachtliche Hilfe gebracht haben, sollte nicht vergessen werden. Herr Kollege Rutschke hat in seiner vorigen Erklärung gesagt, für die Kriegssachgeschädigten sei zuwenig getan worden. Herr Kollege Rutschke, ich bitte, nicht nur die Leistungsseite dieser Vierzehnten Novelle zu beachten, sondern auch die Abgabenseite und das Feststellungsgesetz. Dann werden Sie mit uns der Auffassung zuneigen müssen, daß die Leistungen und die Abgaben bei den einzelnen Geschädigten so ausgewogen wurden, daß sie uns nicht kritisieren sollten, sondern uns dankbar sein müßten. Zum Schluß alber darf ich den Herren der Ministerien, vor allem dem Herrn Bundesminister der Finanzen und dem Herrn 'Bundesminister für Vertriebene, den beiden Staatssekretären und den Herren, [die uns bei den Ausschußberatungen geholfen haben, im Namen meiner Freunde recht herzlich danken. Damit, meine Freunde, können wir von der Christlich Demokratischen und Christlich Sozialen Union ({1}) - Herr Kollege Rehs, wenn Sie eine so gute Novelle wie wir gemacht hätten, würden Sie schon jetzt die Fanfaren für den Wahlkampf blasen. Wir wollen uns mit dieser Vierzehnten Novelle ruhig vor die Geschädigten- hinsteilen. Sie werden uns die Leistungen, Verbesserungen und Hilfen auch in der Zukunft danken. ({2})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Damit schließe ich die allgemeine Aussprache. Die Anträge sind schon begründet. Ich nehme an, daß keine weiteren Anträge gestellt werden. Ich darf diese Anträge dann zur Abstimmung stellen. Wir [stimmen zunächst über den in der dritten Lesung wiederholten Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 906 ab. Wer zuzustimmen wünscht, gebe ein Zeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 918. Ich bitte um ein Zeichen im Falle der Zustimmung. Gegenprobe! Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 919. Ich bitte um ein Zeichen im Falle der Zustimmung. - Gegenprobe! - [Der Antrag ist abgelehnt. Wir müssen nun noch \die Schlußabstimmung über das beratene Gesetz vornehmen. Wer dem Gesetz mit den Änderungen der zweiten Lesung zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich darf einstimmige Annahme feststellen. Zu unserer Arbeitsmethode: Wir wollen heute noch alle Punkte mit Ausnahme des Punktes 2 erledigen. Ich bitte also, sich bei [den späteren Punkten vielleicht darauf einzustellen. Dann rufe ich auf Punkt 10 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, anderer wohnungsbaurechtlicher Vorschriften und über die Rückerstattung von Baukostenzuschüssen ({0}), a) Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) gemäß § 96 der Geschäftsordnung ({2}) b) Schriftlicher Bericht [des Ausschusses für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht ({3}) ({4}) ({5}). Es liegen die Schriftlichen Berichte des Herrn Abgeordneten Baier für den Haushaltsausschuß und des Herrn Abgeordneten Dr. Czaja für den Ausschuß für Wohnungswesen, Bau- und Bodenrecht vor. Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Er verzichtet auf eine mündliche Ergänzung. Ich eröffne die Beratung in zweiter Lesung und rufe auf Artikel 1 Nummern 1 bis 4. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Ich rufe die Nummer 5 auf. Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 878 unter Ziffer 1 vor. - Bitte, Herr Kollege! Herr Abgeordneter Hamacher hat das Wort.

Heinrich Hamacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000789, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Anliegen der Erhöhung der Einkommensgrenzen für Alleinstehende und Familien mit geringem Einkommen ist von der SPD-Fraktion wiederholt angesprochen worden, so vor allen Dingen bei allen Haushaltsberatungen in der letzten Legislaturperiode und von unserer Abgeordneten Frau Berger-Heise noch in der 117. Sitzung, in der sie auf die Diskrepanz zwischen der Einkommensgrenze des § 27 und der inzwischen eingetretenen Wirtschafts- und Sozialentwicklung aufmerksam gemacht hat. Unsere heutige Vorlage ist eigentlich eine Wiederholung unseres Antrages Drucksache 2404, der in der 138. Sitzung behandelt, von mir begründet und dem Ausschuß zur Beratung überwiesen worden ist. Ich möchte meine damaligen Ausführungen nicht wiederholen. Auch ich habe auf die Wirtschafts- und Sozialentwicklung aufmerksam gemacht, durch welche die Einkommensgrenzen illusorisch geworden seien. Ich habe aber auch auf das Land Nordrhein-Westfalen aufmerksam gemacht, urn Ihnen zu zeigen, wie sich die Länder bereits helfen, um einem unrealistisch gewordenen Gesetz dennoch Geltung zu verschaffen, und zwar contra legem. Die heutige Vorlage des Ausschusses für Wohnungswesens, Bau- und Bodenrecht ist zweifelsohne eine Verbesserung gegenüber dem bis jetzt geltenden Gesetzestext, vor allem eine Verbesserung für Familien mit Kindern, die auch wir von der sozialdemokratischen Fraktion begrüßen. Die AlleinsteDeutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Hamacher henden und Haushalte ohne Kinder aber kommen auch bei dieser Vorlage schlecht weg. Wenn ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten und mit Erlaubnis des Vorsitzenden des Ausschusses, Herrn Dr. Hesberg, zitieren darf: Auch Herr Dr. Hesberg war der Meinung, daß die Einkommensgrenze für die Alleinstehenden und für Haushalte ohne Kinder noch einmal überprüft werden sollten. Er sagte - ich zitiere Allerdings sollten die Sätze, die von der SPD für Alleinstehende bzw. für Haushalte ohne Kinder vorgeschlagen worden sind, im Ausschuß noch einmal überprüft werden. ({0}) Das wurde gesagt im Zusammenhang mit der Meinung, daß die Sätze für Alleinstehende und Haushalte ohne Kinder überhaupt nicht erhöht werden sollten. Dennoch schlägt der Ausschuß eine Erhöhung der Freigrenze für Alleinstehende von 2400 auf 3000 DM und für Haushalte ohne Kinder von 3600 auf 4200 DM Jahreseinkommen vor. Wir schlagen mit unserem Antrag eine Erhöhung der Sätze auf 3600 DM für Alleinstehende und 4800 DM für Haushalte ohne Kinder vor. Wir glauben, daß unser Antrag der fortgeschrittenen Entwicklung in der Wirtschaft eher entspricht. Ein Jahreseinkommen von 3000 DM für Alleinstehende entspricht einem Monatseinkommen von 250 DM. Bei Lohnempfängern entspricht es, je nachdem ob Sie eine 45- oder 42stündige wöchentliche Arbeitszeit zugrundelegen, einem Stundenlohn von 1,28 DM bis 1,32 DM. Sie werden zugeben müssen, meine Damen und Herren, daß Sie solche Stundenlöhne für Erwachsene in Lohntarifen nicht mehr finden, weil sie durch die Wirtschafts-und Sozialentwicklung lange überholt sind. Bei Haushalten ohne Kinder würde sich allerdings ein etwas günstigeres Ergebnis herausstellen, das aber von dem heutigen Reallöhnen ebenfalls weit entfernt ist. Die heutige Vorlage des Ausschusses bleibt also in diesen beiden Punkten für uns unbefriedigend. Nun treffen Sie bei den Alleinstehenden im wesentlichen Frauen, Frauen, die, weil ihre Zahl nun einmal die der Männer überwiegt, nicht heiraten können, auf Eheglück und Kinder also verzichten müssen. Wir können uns nicht vorstellen, daß Sie gerade diese Frauen benachteiligen wollen. Meine Damen und Herren, dieser unser Antrag ist materiell für ,den Haushalt mit keinerlei Kosten verbunden. Es handelt sich lediglich um die Erhöhung einer Einkommensgrenze. Wir nehmen daher an, daß Sie diesem Antrage ohne weiteres zustimmen können, worum wir Sie hiermit gebeten haben möchten. Dem übrigen Teil der Ausschußvorlage zu § 27 stimmen wir zu. Dies bezieht sich auf Familien mit Kindern und auch auf die Erweiterung des Personenkreises, also auf Heimkehrer, politisch, rassisch und religiös Verfolgte.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Mick.

Josef Mick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001504, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, hier wird etwas dramatisiert, was gar nicht dramatisch ist. In Wahrheit bedeutet der Antrag der SPD doch gar nichts anderes, als daß der Personenkreis der sozial Schwachen erweitert werden soll. Das heißt, daß die sozial ganz Schwachen - wenn ich es so ausdrücken soll - länger auf eine bevorzugte Wohnungsversorgung warten müßten, als das bei der jetzigen Regelung des Entwurfs der Fall ist. Es ist ja nicht so, daß irgend jemand von der Wohnungsversorgung ausgeschlossen wird, sondern wir haben lediglich bei der Auswahl der sozial Schwachen, die zunächst mit einer Wohnung versorgt werden sollen. strengere Maßstäbe angelegt als die SPD. Wir bitten das Hohe Haus, bei diesen strengeren Maßstäben zu bleiben und den Antrag der SPD abzulehnen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich stelle den Antrag Umdruck 878 Ziffer 1 zur Abstimmung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Zeichen. Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Ich stelle dann die Nr. 5 zur Abstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Nr. 5 ist einstimmig angenommen. Ich rufe auf die Nrn. 6 his 11. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Ich rufe auf die Nr. 12. Hierzu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 878 unter Ziffern 2 und 3 vor. Bitte, Herr Kollege Dr. Brecht!

Dr. Julius Brecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000255, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zum Kernstück der Novelle, wie das auch in dem uns zugegangenen ausgezeichneten Bericht des Herrn Kollegen Dr. Czaja ,dargestellt worden ist. Ich darf alle Kollegen, die sich mit dieser Materie beschäftigen wollen, bitten, den Bericht von Herrn Dr. Czaja zu lesen, in dem sehr plastisch dargestellt ist, worum es sich bei diesem etwas komplizierten Sachverhalt handelt. Ich darf den Herrn Präsidenten bitten, mir zu gestatten, daß ich nicht nur die Ziffern 2 und 3 des Antrags Umdruck 878 begründe, sondern auch die Ziffer 5 einschließe, die sachlich in diesen Zusammenhang gehört. Es geht hier nicht um die Mint- und Lastenbeihilfen der Lückeschen Abbaugesetze, sondern um die Miet- und Lastenbeihilfen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes. Es geht auch nicht um das vorläufige und auch nicht um das endgültige Miet- und Lastenbeihilfengesetz, zu dem uns ja der Herr Minister wiederholt angekündigt hat, daß er es noch in dieser Wahlperiode einbringen werde. Bisher hat er das nicht getan. Er hat ja noch einige Wochen Zeit. Wir hoffen, daß es tatsächlich noch kommt. Wir können nur sagen, daß es für unsere Debatten im Ausschuß und auch jetzt hier besser gewesen wäre, die grundsätzliche Konzeption des endgültigen Miet- und Lastenbeihilfengesetzes hätte schon ihren Niederschlag in einem Entwurf gefunden, weil man dann etwas besser hätte sehen können, was für die Zukunft geplant ist. Es steht bereits in Bonner Korrespondenzen, daß die jetzige Regelung der Miet und Lastenbeihilfen im Zweiten Wohnungsbaugesetz die endgültige Regelung präjudizieren soll. Wenn das wahr ist, haben wir allerdings einige erhebliche Bedenken, weil in der jetzigen Regelung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes einige Bestimmungen enthalten sind, die nichts Gutes ahnen lassen, wenn man daran denkt, daß bereits nach einem Jahr die Quoten, bis zu denen man aus dem mithaftenden Familieneinkommen für die Miete selbst aufkommen muß, um 2, 3, teilweise 1 % erhöht werden. Wenn das so weitergeht und schon nach einem weiteren Jahr die Quoten nochmals erhöht werden, liegt in dieser Entwicklung nichts Gutes. Wir haben im Ausschuß an der Beratung dieses Kapitels sehr eingehend mitgearbeitet, was auch in dem Bericht von Herrn Dr. Czaja durchaus anerkannt ist. Wir geben zu, daß infolge dieser gemeinsamen Beratungen auch einige wesentliche Verbesserungen erzielt worden sind. Hier sollte erreicht werden, daß alle Wohnungen, auch alle Familienheime, des Zweiten Wohnungsbaugesetzes in die Miet- und Lastenbeihilfen einbezogen werden. Für diejenigen, die mit der Materie nicht sehr vertraut sind, wird es vielleicht merkwürdig klingen, daß tatsächlich nicht alle Wohnungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, sondern nur ganz bestimmte, in die Mietbeihilfen einbezogen werden. Immerhin freuen wir uns, feststellen zu können, daß damit die Regierung und die Regierungspartei einen alten Antrag aufgenommen haben, den wir bereits vor einem Jahr bei den Lückeschen Abbaugesetzen in der zweiten und dritten Lesung gestellt hatten. Wir hatten damals den Antrag gestellt, den § 73 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, von dem wir heute sprechen, wie folgt zu fassen - ich darf das mit Zustimmung des Herrn Präsidenten verlesen -: Mietbeihilfen werden auf Antrag des Mieters gewährt, wenn er eine nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz mit öffentlichen Mitteln geförderte Wohnung bewohnt, deren Miete für die benötigte Wohnfläche gemäß § 5 des Gesetzes über Miet- und Lastenbeihilfen Vom-HundertTeile übersteigt. Sie ,sehen daraus, daß nur unser alter Antrag aufgenommen worden ist - wir freuen uns darüber -, aber eben nicht in vollem Umfang, sondern nur so weit, daß ein Teil der Wohnungen unter die Mietbeihilfenregelung fällt, die vom Zweiten Wohnungsbaugesetz erfaßt werden. Wir haben auch deshalb an dieser Regelung positiv und konstruktiv mitgewirkt, weil wir tatsächlich in den Mietbeihilfen das, darf ich einmal generell sage, vorübergehende Hilfsmittel zu einer besseren Einkommenverteilung sehen. Daß Mietbeihilfen benötigt werden, bestätigt doch ständig der Umstand, daß es in unserer Sozial und Wirtschaftsordnung Menschen und Familien gibt, die mit ihrem Einkommen, und zwar mit ihrem mithaftenden Familieneinkommen, nicht in der Lage sind, eine ihnen nach Größe und Ausstattung zukommende, schon verbilligte Wohnung selbst zu bezahlen. Sie benötigen dazu ein zusätzliches Einkommen, und dieses zusätzliche Einkommen soll ihnen durch leine Einkommenumschichtung in unserer Volkswirtschaft, etwa in Form der Mietbeihilfen, gegeben werden. Wir betrachten das - das möchte ich auch sehr deutlich aussprechen - als einen ständigen sozialkritischen Zustand, der nur vorübergehend und notgedrungen hingenommen werden werden kann. Auf die Dauer und in erster Linie - ich glaube, daß wir da übereinstimmen - muß durch eine bessere, und zwar durch eine gute Einkommenverteilung in unserer Volkswirtschaft erreicht werden, daß jeder Mensch und jede Familie ein solches Einkommen hat, daß er die Miete einer seiner Familiengröße angemessenen Wohnung, die auch kulturell und zivilisatorisch einwandfrei ist, selbst aus seinem Einkommen ohne Mietbeihilfen zahlen kann. Und nun zum einzelnen. Wir beantragen, daß die Mietbeihilferegelung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes nicht erst für die Wohnungen gilt, die nach dem 31. Dezember 1961 bezugsfertig werden, sondern für alle Wohnungen, die unter das Zweite Wohnungsbaugesetz fallen. Wir haben wirklich trotz aller Bemühungen auch im Ausschuß nicht verstanden, weshalb man diese Regelung erst für die jetzt bezugsfertig werdenden Wohnungen vom nächsten Jahre an gelten lassen will. Es kann kein Mißbrauch getrieben werden, wenn die Mietbeihilfen schon früher gegeben werden, weil ja in jedem Falle die Voraussetzungen erfüllt sein müssen, also die benötigte Wohnfläche, die Miethöhe und auch das Einkommen. Bei den Sozialwohnungen, die in diesem Jahre fertiggestellt werden, gibt es Mieten, die so hoch sind, daß auch die Bevölkerungskreise mit mittleren Einkommen sie zum Teil nicht tragen können, so daß sie diese Wohnungen nur dann beziehen, wenn sie auch eine Mietbeihilfe bekommen, was aber gerade ausgeschlossen wird. Es ist gar nicht einzusehen, daß etwa für eine Wohnung, die am 15. Dezember dieses Jahres bezugsfertig wird, wenn es sich nicht um Bevölkerungskreise mit geringem Einkommen handelt, keine Mietbeihilfe gezahlt wird. Wird sie aber am 5. Januar nächsten Jahres bezugsfertig, dann kann eine Mietbeihilfe gewährt werden, wenn die Voraussetzungen gegeben sind. Das wird praktisch dazu führen, daß am Ende des letzten Viertels dieses Jahres alle bemüht sein werden, die Bezugsfertigkeit der Wohnungen in den Januar hineinzuschieben, damit diese Wohnungen unter die Mietbeihilferegelung fallen. Aber es ist ein ganz anderer Gesichtspunkt, der uns zu unserem Antrag veranlaßt hat. Der Herr Wohnungsbauminister spricht immer davon, daß er die sogenannten falsch belegten Wohnungen des Ersten Wohnungsbaugesetzes freimachen muß und daß er versuchen will, die betreffenden BevölkeDr. Brecht rungskreise in die besseren und damit auch teureren Wohnungen zu bringen. Nun, schön und gut, hier hätte er eine Möglichkeit, solche Personen, die in Wohnungen des Ersten Wohnungsbaugesetzes wohnen und ein etwas höheres Einkommen haben, in diese teureren Wohnungen zu bringen und dem Übergang mit einer vorübergehenden Mietbeihilfe zu erleichtern. Oder stellen Sie sich vor, daß diese Wohnungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes irgendwann einmal auch wieder in der Mieterschaft wechseln können. Wenn dann keine Bevölkerung mit geringem Einkommen eingewiesen oder zugeteilt wird, kann keine Mietbeihilfe gezahlt werden, und zwar nur deshalb, weil diese Wohnungen erst nach dem 31. Dezember dieses Jahres bezugsfertig geworden sind. Stellen Sie sich ,einmal vor, was das für einen Verwaltungsdirigismus erfordert, nicht nur bei den Ämtern und Behörden! Die verkraften so etwas ja noch, weil sie die Aufblähung der Behörden gewöhnt sind. Aber auch die Wirtschaft muß ja nun Wohnung für Wohnung katalogisieren, ob sie vor oder nach dem 31. Dezember gebaut ist und ob sie also unter Mietbeihilfemöglichkeiten fällt oder nicht. Uns ist diese Regelung, für die keine innere Begründung gegeben wurde, völlig unverständlich. Wir bitten deshalb, unserem Antrag zuzustimmen, daß alle Wohnungen, die unter das Zweite Wohnungsbaugesetz fallen, unter die Mietbeihilferegelung kommen können, wenn und soweit die Voraussetzungen personeller und sachlicher Art jeweils gegeben sind. Das zweite für uns Unbegreifliche an dieser Regelung ist die Festlegung der benötigten Wohnfläche. Das haben wir noch weniger begriffen und begreifen es noch weniger als den ersten Punkt. Zweifellos ist in § 73 Abs. 2 zunächst eine Verbesserung enthalten. Der haben wir auch zugestimmt. Man muß nun aber unseres Erachtens auch die Konsequenz ziehen. Deshalb haben wir unseren Antrag unter Ziffer 5 gestellt. Der Herr Präsident hat gestattet, daß ich ihn gleich mit begründe. Wir möchten erreichen, daß diese bessere Regelung bezüglich der Wohnflächenberechnung nun auch in das Lückesche Abbaugesetz aufgenommen wird, so daß auch dort die mietbeihilfefähigen Wohnungen nach der gleichen Wohnfläche berechnet werden. Wer nicht mit der Sache vertraut ist, wird gar nicht begreifen, daß wir jetzt also etwa folgende Situation haben: Bei Altwohnungen beträgt die benötigte Wohnfläche für eine Familie mit zwei Personen 50 qm. Wenn es sich um eine Neubauwohnung handelt, die unter das Erste Wohnungsbaugesetz oder das Zweite Wohnungsbaugesetz fällt und einer Familie mit geringem Einkommen zugute kommt und bis zum 31. Dezember 1961 bezugsfertig wird, beträgt die benötigte Wohnfläche 40 qm. Handelt es sich um eine Wohnung, die nach dem 31. Dezember dieses Jahres bezugsfertig wird, beträgt die benötigte Wohnfläche, für die eine Mietbeihilfe gewährt wird, plötzlich 45 qm. Wir halten 45 qm für richtig, aber ich frage Sie: Wer mag noch begreifen, daß es diese Staffelung mit 50, 45 und 40 qm Wohnfläche für denselben sachlichen Tatbestand gibt, nämlich immer für eine Familie ohne Kinder. Wenn Sie eine Wohnung mit drei Personen nehmen, also mit einem Kind, haben Sie genau das gleiche Bild. Wenn Sie eine Familie mit zwei Kindern nehmen, also die typische Durchschnittsfamilie mit Eltern und zwei Kindern, haben Sie folgende Größen: Bei Altwohnungen 80 qm, bei Neubauwohnungen der bisherigen Art nach dem Lückeschen Abbaugesetz 60 qm, ebenso bei Wohnungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, wenn es sich um Bevölkerungskreise mit geringerem Einkommen handelt, Bei Wohnungen, die nach dem 31. Dezember dieses Jahres fertig werden, beträgt die benötigte Wohnfläche für eine Familie mit Eltern und zwei Kindern merkwürdigerweise wiederum 70 qm. Stellen Sie sich nun einmal vor, was das bedeutet. Das erfordert neue Vordrucke, das erfordert neue Vorschriften, neue Durchführungsbestimmmungen, soundsoviele Erlasse in den Ländern. Wenn Sie wissen, daß schon sämtliche Gesetze und Erlasse, die allein für die Durchführung der Mietbeihilferegelungen herausgekommen sind, bisher weit über 100 Druckseiten ausmachen, werden Sie begreifen, daß es unverständlich ist, weshalb es nicht möglich sein soll, mit einer ganz einfachen Formulierung, wie wir sie vorgeschlagen haben, wenigstens alle Neubauwohnungen bezüglich der Bemessung der nötigen Wohnfläche gleichzustellen. Wir möchten bitten, sich das doch noch einmal sehr ernsthaft zu überlegen, allein schon aus Gründen der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung. Das Kernstück dieser Mietbeihilferegelungen sind natürlich die neuen Bestimmungen, und hier weichen wir in mehreren Beziehungen voneinander ab. Auch hier können wir uns darauf stützen, daß wir schon bei der Beratung des Lückeschen Abbaugesetzes im Hinblick auf diesen Problemkreis entsprechende Gegenvorschläge gemacht haben. Wir weichen zunächst einmal dadurch ab, daß wir für die Bemessung der Mietbeihilfe von einem anderen Einkommensbegriff ausgehen. Sie gehen vom Familieneinkommen aus und rechnen das Einkommen der Ehefrau und aller Kinder und Haushaltsangehörigen in vollem Umfang dazu. Sie korrigieren es dann durch eine Verordnung vom 21. Dezember 1960. Wir meinen, daß man zwar das Einkommen des Haushaltsvorstands und der Ehefrau selbstverständlich zusammenrechnen kann, obwohl man hier schon sehr viele Probleme und Fragen aufgeworfen hat, aber das Einkommen aller Kinder als in vollem Umfang mithaftend nicht anrechnen sollte. An sich sollte man das Einkommen der mitverdienenden 'Familienangehörigen höchstens mit dem üblichen Anteil, nämlich mit 20 bis 25 % anrechnen, der auf die Wohnungsversorgung entfällt, wie es natürlich ist. Aber wir meinen, wenigstens sollte man für ,die Kindereinkommen einen Ausgleich dadurch schaffen, daß man nicht mehr als 50 % des Kindereinkommens in diese Einkommensberechnung einbezieht. Man muß doch davon ausgehen, daß diese Kinder, wenn sie einmal verdienen, zwar zunächst zum elterlichen Haushalt hinzugeben sollen und auch ganz natürlich geben werden, daß sie all9150 mählich einen Hausstand gründen sollen, daß man sie veranlassen will, auch zum Sparen beizutragen. Alle die Möglichkeiten, von denen Sie selbst sprechen, müssen hier berücksichtigt werden. Man sollte also das Kindereinkommen nicht hundertprozentig für diese Mietbeihilfen heranziehen. Jetzt muß das Einkommen der Kinder erst hundertprozentig herangezogen werden, bevor Mietbeihilfen gegeben werden können. Das Zweite! Sie sind nun wieder von den alten Einkommensgruppen wie im Lückeschen Abbaugesetz ausgegangen. Wir meinen, daß hier den sozialen Verhältnissen Gewalt angetan wird. Die ganzen Einkommen zwischen 300 und 500 DM sind für Sie eine einzige Stufe. Wir meinen, daß es doch ein erheblicher Unterschied ist ganz gleichgültig einmal, welchen Prozentsatz Sie ansetzen, ob 15 oder 16 °/o , ob das für eine Familie mit 301 DM oder 320 gerechnet wird oder für eine Familie mit 500 DM. Wenn Sie einmal die bei der Mietberechnung bestehenden Spannen nehmen und die 15, 16 °/o zugrunde legen, sind es zwischen 48,20 und 80 DM. Will man Einkommensgruppen mit geringen Einkommen wirklich in ihrem sozialen Gewicht, in ihrer Bedeutung werten, dann kann man für diese Tatbestände nicht den gleichen Prozentsatz zugrunde legen, sondern dann muß man differenzieren. Deshalb, um zu einer größeren Differenziertheit bei diesen Kleineinkommen zu kommen, schlagen wir vor, noch eine Stufe dazwischenzuschalten, so daß man von 3- bis 400 und von 4- bis 500 DM rechnet. Dann meinen wir auch, daß man die Oberstufe nicht schon bei Einkommen über 500 DM ansetzen sollte, sondern daß man diesen höheren und höchsten Prozentsatz erst bringen sollte, wenn man Einkommen über 600 DM monatlich zugrunde legt. Dabei unterscheiden wir uns dann sehr maßgeblich eben dadurch, daß Sie glauben, nun den Satz, der vom normalen Einkommen für Miete in der Selbstleistung gezahlt werden muß, bevor die Mietbeihilfe gewährt werden kann, gegenüber dem, was Sie vor einem Jahr beschlossen und bestimmt haben, bereits erhöhen zu können. Sie haben in zwei Gruppen, in der Gruppe über 500 und in der Gruppe über 300 DM Einkommen, gegenüber der Einkommensbelastung des Vorjahres bereits Steigerungen vorgenommen. Bei der mittleren Gruppe zwischen 300 und 500 DM Einkommen haben Sie Steigerungen von 1 %. Sie sagen also, 1 % mehr des Einkommens muß selbst ausgegeben werden, bevor Mietbeihilfen gegeben werden können. Bei den Einkommen über 500 DM steigen Sie sogar um 2 und teilweise sogar um 3 N. Das bedeutet beispielsweise, daß Sie bei Alleinstehenden mit einem Einkommen bis zu 500 DM auf 22 % dieses Einkommens oder des sogenannten geänderten Einkommens, des etwas modifizierten Einkommens gehen, während nach unserem Vorschlag die Belastung dieses Einkommens je nachdem höchstens von 16 oder 18 % vertretbar ist. Oder: eine Familie mit zwei Kindern wollen Sie mil 19 % belasten. Das heißt, diese Familie muß aus dem Familieneinkommen - nicht aus dem individuellen Einzeleinkommen erst 19 % selbst aufwenden, bevor sie eine Mietbeihilfe bekommen kann. Unser Vorschlag liegt hier je nachdem zwischen 500 und 600 DM bei 13 und 14 % und bleibt um 6 und um 5 % unter Ihrem Vorschlag. Sagen Sie nun nicht, Sie könnten zu den Verhältnissen in der Zeit vor 1914 zurückkehren! Ich weiß, man sagt, damals habe man ein Fünftel des Einkommens für die Miete ausgegeben. Alle stastistischen Ermittlungen aus der Zeit und für die Zeit vor 1914 beweisen, daß diese vielfach vertretene These falsch ist. Damals ist im Schnitt eine Belastung des Einkommens von 15 bis 17 % herausgekommen, nicht mehr. Das Gerede von den 20 % stimmt einfach nicht. Vor allem: was damals Miete war - mit 15 oder 17 % des Einkommens , war etwas ganz anderes als unsere heutige Miete. Denn in jener Miete vor 1914 - mit 15 oder 17 % waren die Schönheitsreparaturen mit enthalten, die der Hausbesitzer zu leisten hatte. Heute kommen in der Regel zu der Miete die Schönheitsreparaturen noch hinzu, und heute kommen zu der Miete, die Sie zugrunde gelegt haben - im Sozialen Wohnungsbau sind die Schönheitsreparaturen nicht darin -, außerdem noch die Umlagen und Zuschläge hinzu, so daß eine Miete, die heute 15 oder 17 % ausmachen würde, im sozialen Gewicht stärker belastend wäre als eine Miete von 1914 im gleichen Prozentsatz. Wir meinen, daß man hier korrigieren muß. Wir haben Ihnen deshalb in unserem Antrag vorgeschlagen, anders zu staffeln, so daß der oberste Satz von 18 % bei Alleinstehenden mit einem Einkommen über 600 DM liegt und daß dann je nach der Familiengröße und nach den Einkommen bei entsprechender Differenzierung in den sozialen Einkommensgruppen heruntergestaffelt wird. Wir halten das für sachlich berechtigt, wir halten es für eine gerechte und sichere und auch in Zukunft tragbare Lösung. Wir sehen bereits kommen, daß Sie, wenn Sie das endgültige Mietbeihilfengesetz vorlegen, entweder nochmals über 22 % hinausgehen, nachdem Sie schon gegenüber dem letzten Jahr um 3 bis 5 % erhöht haben, oder daß Sie sagen: Wir haben jetzt die 22 oder 20 % eingeführt, jetzt werden wir es auch so beibehalten - mit der bekannten Begründung, das hat sich jetzt schon eingespielt, so daß es präjudiziert ist. Wir bitten Sie gerade auch mit Rücksicht darauf, daß hier eine Vorleistung für das erbracht wird, was in einem endgültigen Mietbeihilfengesetz geregelt wird, nicht im Sinne der Ausschußvorlage zu beschließen, sondern unseren sehr ausgewogenen und sozial abgeglichenen Vorschlag zu akzeptieren. Damit habe ich die drei Änderungsanträge begründet. Ich möchte nur noch ein paar wenige Schlußbemerkungen zu einer anderen Sache machen. Herr Dr. Czaja hat sich in seinem Bericht außerordentliche Mühe gegeben, darzulegen, durch die Kombination des § 46 und des § 73 sei gesichert, daß in Zukunft die Mieten im Sozialen Wohnungsbau nicht ausufern und davonlaufen könnten. Wir sehen in der Regelung, die in den §§ 46 und 73 steckt, erhebliche Gefahren. Herr Dr. Czaja sagt zwar immer - auch im Ausschuß ist es gesagt worden , es .sei auf § 1 des Wohnungsbaugesetzes bezogen. Nach § 1 des Wohnungsbaugesetzes muß es sich um Wohnungen handeln, deren Mieten tragbar sind. Jetzt wird gesagt, es dürfen nur Mieten herauskommen, die für diese Bevölkerungskreise geeignet ,sind, und die Tragbarkeit soll dann durch die Miet- und Lastenbeihilfen hergestellt werden. So weit, so gut. Aber wir haben keine Gewähr, daß irgendeine parlamentarische Instanz oder auch daß die Länder daran gebunden sind, etwa durch eine Obergrenzenbestimmung im Gesetz, so daß man nicht von Jahr zu Jahr den Begriff der Eignung der Wohnungen hinsichtlich der Mietbelastung ausweiten kann,. Nachdem es jetzt schon so weit ist, daß selbst gegenüber dem Vorjahre eine Steigerung der Einkommensgrenze bei Inanspruchnahme der Mietenbeihilfe zugelassen ist, ist nicht ausgeschlossen, daß z. B. im nächsten Jahr jemand kommt und sagt: Ich halte jetzt eine Miete von 2,50 oder 2,70 DM pro Quadratmeter für Wohnungen dieser Art für geeignet. Wenn dann niemand dagegen opponiert, geht das durch, denn es ist keine parlamentarische Kontrolle da, keine Instanz, die hier mitzuwirken hat. Die Entscheidung, welche Miete im Hinblick auf § 1 - der aber sehr auslegungsfähig ist - als geeignet angesehen wird, trifft ausschließlich der Wohnungsbauminister. Wir haben im Ausschuß bei der Eile der Beratungen keine letzte Lösung für dieses Problem gefunden. Wir selbst waren auch der Meinung, daß man jetzt im Gesetz keine ziffernmäßig festgesetzte Obergrenze anführen sollte. Aber wir sind der Überzeugung, daß dieses Problem im kommenden Bundestag noch einmal behandelt werden muß. Dann werden im Rahmen einer Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes, die ja sowieso erforderlich ist, oder bei der endgültigen Regelung der Miet- und Lastenbeihilfen die Gefahren, die hier drohen können, endgültig gebannt werden müssen. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Czaja.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht nur deshalb hier heraufgekommen, um zu einigen kleinen Unebenheiten - die mein Vorredner mit Sachlichkeit behandelt hat - unseren Standpunkt darzulegen, sondern auch aus ,der Sorge, daß über diese kleinen Unebenheiten die Tragweite der Entscheidung, die Sie mit der Abstimmung über die §§ 73 und 74 zu fällen haben, übersehen werden könnte. Diese Paragraphen sind nicht nur für den Wohnungsbau, sondern auch für die Gestaltung unseres sozialen Rechtsstaates in der Zukunft von unerhörter Tragweite. Schließlich habe ich auch deshalb das Wort genommen, damit die Vorschriften, die wir hier zu behandeln haben, bei den Betroffenen bekannt werden. Zuerst einige Worte zu den Unebenheiten. Sicher, Herr Dr. Brecht, was Sie sagten, betraf einige Punkte, die nicht wegzuleugnen sind. Diese Unebenheiten kommen daher, daß wir mit diesem Gesetz kein endgültiges geschlossenes System der für alle Wohnungen geltenden Miet- und Lastenbeihilfen vorlegen. Das war auch nicht unsere Absicht. Mit diesem Gesetz wollten wir eine Zwischenlösung bringen, die die Entwicklung der Baupreise bei den Neuestbauwohnungen, die sich in den Mieten niederschlägt, berücksichtigt und bewirkt, daß die Mietaufwendungen für den kleinen Mann im Einzelfall tragbar bleiben, ohne daß die Subventionsmittel des Bundesfinanzministers und der Länderfinanzminister über das vertretbare Maß hinaus in Anspruch genommen werden. Das war unsere Aufgabe bei diesem Gesetzentwurf, und daher korn-men die Brüche, wie sie jede Stichtag-Regelung aufweist. Wir wollen mit diesem Gesetz auch keine dauernde Anhebung dessen, was als tragbar angesehen wird, erreichen. Wir wollen vielmehr nur für die Neuestbauwohnungen die Sätze bezeichnen, die nach dem Durchschnitt der in unserer Fraktion vertretenen Meinungen als tragbar angesehen werden. Wir wollen also nicht die Miet- und Lastenbeihilfen für alle Wohnungen des Zweiten Wohnungsbaugesetzes mit dieser Neuregelung erfassen, insbesondere nicht für diejenigen Wohnungen, die bereits früher finanziert waren, bezogen worden sind und bewohnt werden und wo es bezüglich der Mietpreisbildung hier und da zwar zu gewissen, aber doch nicht erheblichen Schwierigkeiten gekommen ist. Hier und dort wird kritisiert, daß eventuell auch hei den jetzt im Bau befindlichen Wohnungen die Mieten zu hoch seien. Das kann nur daher kommen, daß die Verpflichtungen, die sich eigentlich aus § 72 des Wohnungsbaugesetzes ergeben müßten, in dem einen oder anderen Land etwas sehr großzügig ausgelegt wurden, d. h. nachteilig für den Mieter oder den Besitzer eines Eigenheimes. Das ist die eine Unebenheit. Sie haben dann von der Tabelle gesprochen. Ihre Tabelle, Herr Dr. Brecht, unterscheidet sich im Effekt für den Betroffenen, in D-Mark ausgedrückt, kaum von unserer. Ich habe die Beispiele ausgerechnet und die Berechnung noch überprüfen lassen, weil die Berechnung der Einkünfte bei Ihnen für den Mieter meist ungünstiger ist als in der Verordnung über Miet- und Lastenbeihilfen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? Herr Abgeordneter Dr. Brecht.

Dr. Julius Brecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000255, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dr. Czaja, ist Ihnen entgangen, daß ich mit keinem Wort etwas gegen die Verordnung vom 21. Dezember 1960 gesagt habe? Auch wir unterstellen, daß im übrigen - mit Ausnahme der Kindereinkommen - das Einkommen nach dem 21. Dezember 1960 gerechnet wird.

Dr. Herbert Czaja (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000344, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber Herr Dr. Brecht, so ein Hellseher bin ich nicht; das konnte ich natürlich nicht ersehen, Die Berechnung, wie Sie sie in Ihrem Änderungsvorschlag vorsehen, weist schon ganz erhebliche Abweichungen gegenüber der Verordnung auf. Ich muß also unterstellen, daß Sie von den Einkünften ausgingen, die im Wohnungsbaugesetz als Einkünfte definiert sind, und nicht von der Verordnung über die Miet- und Lastenbeihilfen. Kurz und gut, wir halten diese Tabelle für tragbar. Zu der Vermehrung der Zahl der Sparten und Spalten hat insbesondere der Herr Bundesminister den meiner Meinung nach berechtigten Einwand erhoben, daß es hier Verwaltungsschwierigkeiten geben könnte. Lassen Sie mich noch einmal herausstellen, über was Sie jetzt abstimmen: nicht über die Änderungsanträge allein, sondern über die Novelle. In der Novelle ist nichts mehr und nichts weniger versucht worden, als Einkünfte und tragbare Miete in eine feste Relation zueinander zu bringen. Das ist eine Entscheidung von sehr weittragender Bedeutung. Man kann dazu positive, man kann dazu auch negative Gesichtspunkte vorbringen. Wir meinten, daß die positiven überwiegen, und haben uns der Meinung der Experten der Länder angeschlossen, die bereits vor vielen Jahren, als wir das Zweite Wohnungsbaugesetz machten, unserer Meinung im Ausschuß folgten - die dann allerdings von den Länderregierungen nicht mehr vertreten wurde -, daß diese Form der Subventionierung des öffentlichen Wohnungsbaus, nämlich diese dreifache Mischung, die billigste, die rationellste und die gerechteste ist. Was hier praktisch gemacht wird, ist folgendes. Für eine ganze Reihe von Familien mit geringerem Einkommen oder für kinderreiche Familien werden die Mieten weit unter den Richtsatzmieten des Ersten Wohnungsbaugesetzes liegen. Wer ein bereinigtes Einkommen von 500 DM hat - das ist ein Nettoeinkommen von über 600 DM - und drei Kinder hat, dem wird nach diesem Gesetz „zugemutet", für 80 qm Wohnraum eine Miete von bis zu 90 Pf je qm zu zahlen. Meine Damen und Herren, diese Tatsachen muß man einmal sehen; deswegen habe ich das ganz klar herausgestellt. Das führt zweitens zu einer erheblichen Änderung der Finanzierungsmethoden in einer Reihe von Ländern, die bisher die individuellen Miet- und Lastenbeihilfen nicht hatten. Es geht also um die gerechte Behandlung der Einkommensschwachen und der Personen mit mittleren Einkommen, um einen Rechtsanspruch auf individuelle Förderung. Das soll - und darüber ist jetzt zu entscheiden - materiell untermauert werden durch ein Gesetz. Was in dem Grundgesetzartikel über den Schutz der Familie und über den Schutz der Person bezüglich der Wohnung gesagt ist, das wird hier finanziell und materiell untermauert. Ich möchte meine Ausführungen nicht schließen, ohne denen zu danken, die in dieser Frage am stärksten betroffen sind, nämlich dem Herrn Bundesfinanzminister und den Länderfinanzministern. Rh bin mit Ihnen, Herr Dr. Brecht, der Meinung, daß hier in der dreifachen Mischung der Subventionen ein sinnvoller Weg gewählt worden ist. Ich bin ebenso mit Ihnen der Meinung, daß das System nur funktionieren kann, wenn sich wirklich .die Basis, auf der dann individuell verbilligt wind, die zulässige Miete, nicht verschiebt. Der sicherste Garant dafür sind weniger irgendwelche exakten Zahlen und Vorschriften - die ändern sich regional und zeitlich zwangsläufig - als vielmehr die Kassen des Bundesfinanzministers und der Länderfinanzminister. Es kann nicht ,der Sinn einer geordneten Verwaltungsarbeit sein und sie kann es sich nicht zur Aufgabe machen, allen nach den Bestimmungen über den öffentlich geförderten Wohnungsbau Begünstigten etwa individuelle Beihilfen zu geben. Das werden hoffentlich die Verwalter der öffentlichen Finanzen und das wird die Aufgeschlossenheit der Verwaltung zu verhindern wissen. Wir sind uns aber klar, daß dieses System nur dann funktionieren kann, wenn diese Basis erhalten bleibt. Eine persönliche Sorge, Herr Dr. Brecht, die ich noch habe, ist ,die, ob wir bei allen Versuchen, dem Mieter und dem „Eigenheimes" entgegenzukommen, nicht vielleicht doch in dem einen oder anderen Falle die Sätze der Tabelle zu niedrig gewählt haben. Die Praxis wird erweisen müssen, ob sie richtig gewählt ,sind. Richtig und auch durchzuhalten sind nur diejenigen Sätze, die praktikabel bleiben. Wenn sich dieses Gesetz bewährt, bedeutet es wirklich einen Fortschritt in unserem sozialen Rechtsstaat. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir stimmen dann ab über den Änderungsantrag auf Umdruck 878 unter Ziffer 2. Wer zuzustimmen wünscht, gebe Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Abstimmung über Ziffer 3 des gleichen Antrages. Wer zuzustimmen wünscht, gebe Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Abgelehnt. Wir stimmen dann ab über Nr. 12 in der Fassung der Vorlage des Ausschusses. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Ich rufe auf die Nr. 13. Wer zuzustimmen wünscht, gebe Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Ich komme dann zu ,dem Antrag auf Umdruck 878 unter Ziffer 4. - Ist er schon begründet? - Bitte sehr, das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Brecht.

Dr. Julius Brecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000255, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Antrag unter Ziffer 4 habe ich noch nicht begründet, weil er eine ganz andere Materie betrifft. Aber fürchten Sie nicht, daß ich jetzt über das ungewöhnlich komplizierte System der verlorenen Baukostenzuschüsse sprechen will. Das ist im Ausschuß besprochen worden. Eine befriedigende Lösung haben wir zur Stunde sicherlich nicht gefunden. Am liebsten wäre es uns gewesen, man hätte die verlorenen - nicht die abwohnbaren, sondern die wirklich verlorenen - Baukostenzuschüsse voll und ganz verboten. Aber mit den möglichen Sanktionen, die wir einfügen wollten, ließ sich das nicht erreichen. Deshalb ist diese Konstruktion gewählt worden. Die Konsequenzen daraus sind in Art. V gezogen. Wir haben eine einzige Bitte. Das ist nicht ganz juristisch, aber man sollte dann in § 82 Abs. 1, so meinen wir, wenigstens in einem Satz die Grundtendenz, die der Gesetzgeber verfolgt, niederlegen, indem man sagt: Zur Finanzierung von Wohnungen dieser Art - also der steuerbegünstigten Wohnungen sollen in der Regel an Stelle von verlorenen Baukostenzuschüssen Mieterdarlehen verwendet werden. Dann wäre wenigstens einmal die Tendenz bezeichnet, aus der sich ableitet, was in Art. V gesagt worden ist. Das ist unser Antrag unter Ziffer 4.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bartels. ({0}) Wir kommen dann zur Abstimmung über den Antrag unter Ziffer 4 auf Umdruck 878. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe auf die Nr. 14 des Art. I, - Art. II, Art. III. - Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Ich rufe Art. IV auf. Hier liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 878 Ziffer 5 vor. Er ist bereits begründet. Wir können also über ihn abstimmen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Der Antrag ,ist abgelehnt. Nunmehr stimmen wir über Art. IV in der Fassung der Vorlage ab. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Ich rufe Art. V § 1 auf. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. § 2! Hier liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Bucher und Frau Dr. Diemer-Nicolaus auf Umdruck 921 Ziffer 1 vor. Bitte, Herr Dr. Bucher zur Begründung!

Dr. Ewald Bucher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000288, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere sehr, daß ich Sie in dieser späten Stunde nochmals mit rechtlichen Bedenken belästigen muß. Hier ist ein neuer Artikel über die Rückerstattung verlorener Zuschüsse eingefügt worden. Dagegen ist nichts einzuwenden. Sie sehen, wir haben dem § 1 zugestimmt; denn es ist sicher zuzugeben, daß das Institut der verlorenen Baukostenzuschüsse bei der heutigen Lage des Wohnungsmarkts nicht mehr so notwendig ist, wie es anfangs wohl war. Es ist auch sicher, daß es zu Mißbräuchen geführt hat. Wir möchten aber nicht gern die für diese Bestimmungen vorgesehene Rückwirkung mitmachen. Praktisch wird der verlorene Baukostenzuschuß hier in ,eine Mieterhöhung umgewandelt; denn es heißt: er ist zurückzuzahlen, soweit ein Betrag in Höhe einer Jahresmiete nicht durch eine Mietdauer von vier Jahren als getilgt anzusehen ist. Wenn er nicht dementsprechend abgewohnt ist, ist das übrige zurückzuzahlen. Das heißt, der Mieter, der heute einen solchen Zuschuß gibt, muß sich darüber klar sein, daß er praktisch eine Mieterhöhung von 25 % für eine gewisse Anzahl von Jahren bewilligt. Gut, soweit in Ordnung! Aber nun wird auch in bisherige Rechtsverhältnisse eingegriffen. Das ist, glauben wir, schon mit der Eigentumsgarantie nicht vereinbar. Es könnte hiergegen der Vorwurf einer Enteignung erhoben werden; denn bisher konnte sich derjenige, der sich einen verlorenen Zuschuß hat geben lassen, darauf verlassen, daß er ihn auf jeden Fall werde behalten können, und entsprechend hat er disponiert. Wenn übrigens grober Mißbrauch getrieben wurde, so war schon bisher die Rechtsprechung in der Lage, dem zu begegnen, und sie wird es auch für die künftigen, auslaufenden Fälle von bereits gegebenen verlorenen Baukostenzuschüssen sein. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten und des Hohen Hauses möchte ich unsere Anträge gleich im ganzen begründen; die drei Ziffern hängen ja eng zusammen. Deshalb haben wir unter Ziffer 3 vorgeschlagen, daß in § 6 ausdrücklich bestimmt wird, daß die §§ 1 bis 5 nicht für verlorene Zuschüsse gelten, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes vereinbart worden sind. Dementsprechend muß § 3 gestrichen werden, der sich ausdrücklich auf solche Zuschüsse bezieht, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes vereinbart worden sind. § 2 muß redaktionell geändert werden. Ich glaube, daß wir damit dem Gesetz die Rückwirkung nehmen, die mit der Eigentumsgarantie nicht zu vereinbaren wäre. Wir sind im übrigen, wie gesagt, mit dem Grundgedanken, der hier ausgearbeitet worden ist, einverstanden.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Dr. Bartels!

Dr. Wolfgang Bartels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000097, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt schon oder auch erst zehn Stunden her, daß in diesem Hohen Hause eine Debatte über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes stattgefunden hat. Wir müssen uns also doch wohl das Zeugnis ausstellen, daß wir das Grundgesetz sehr ernst nehmen, und wir wollen das selbstverständlich auch bei dieser Bestimmung tun. Ich glaube aber, daß Herr Kollege Dr. Bucher die Bestimmung, gegen die er seine Bedenken geäußert hat, nicht ganz richtig ausgelegt hat. Es ist in der Gesetzesvorlage nicht etwa gesagt, daß schematisch für alle schon jetzt laufenden Verträge, bei denen verlorene Baukostenzuschüsse gegeben worden sind, diese Verrechnung 4 zu 1 stattfinden soll. Wir haben vielmehr für die jetzt laufenden Verträge nur angeordnet, daß im Streitfall der Richter unter Abwägung aller Umstände, also natürlich auch der ursprünglich vorgesehene Vertragsdauer, festzusetzen hat, was der Billigkeit entspricht. Das ist also eine ausgesprochen soziale Schutzvorschrift für diejenigen, die als Mieter in der schwächeren Stellung sind oder waren und sich dabei auf Leistungen haben einlassen müssen, die objektiv eben doch nicht gerechtfertigt sind. Solche sozialen Schutzvorschriften hat der Bundestag auch sonst schon mit Wirkung für laufende Verträge beschlossen. Denken Sie nur einmal an das Arbeitsrecht, wo fast alle Vorschriften, die neu eingeführt werden, auf laufende Arbeitsverträge Anwendung finden! Oder denken Sie an das Gesetz über die Entschädigung von Handelsvertretern, in dem, auch für laufende Verträge, plötzlich gesagt wurde, daß ein Handelsvertreter unter Umständen eine Abfindung verlangen kann! Der Satz, daß Rückwirkung auf zivilrechtliche Verhältnisse nicht möglich sei, gilt also in dieser Allgemeinheit nicht. Nun steht hier - das wird natürlich sehr leicht gesagt das Wort „Enteignung" im Raum. Meine Damen und Herren, Enteignung liegt dann vor, wenn jemand ein Sonderopfer bringen muß, das andere Leute nicht zu erbringen haben. Wenn wir hier diese Klausel einfügen, dann gilt sie für alle Fälle, in denen verlorene Baukostenzuschüsse gegeben wurden. Es werden also alle Leute, die in der gleichen Lage sind, nach ,dem gleichen gesetzlichen Maßstab behandelt. Deshalb sind wir von den Beratungen des Ausschusses bis heute in sehr gründlichen und sorgfältigen Überlegungen in meiner Fraktion zu dem Ergebnis gekommen, daß verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung nicht erhoben werden können. Wir müssen den größten Wert darauf legen, daß diese Vorschrift geschaffen wird. Denn der Deutsche Bundestag kann angesichts der Verhältnisse, die sich nun einmal auf dem Gebiet der Hingabe von verlorenen Baukostenzuschüssen gebildet haben, auch für laufende Verträge nicht einfach schweigen, sondern er hat die Verpflichtung, dem Richter das Instrument in die Hand zu geben, das er braucht, um unerwünschte und sozial untragbare Ergebnisse zu verhindern. Deshalb bitte ich Sie, den Antrag der Fraktion der FDP abzulehnen. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Diemer-Nicolaus.

Dr. Emmy Diemer-Nicolaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000387, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem Herr Kollege Bartels jetzt seine Ablehnung begründet hat, muß ich in Ergänzung dessen, was Herr Kollege Bucher vorgetragen hat, noch etwas zur Begründung unseres Antrags sagen. Ich möchte zunächst auf folgendes hinweisen. Wenn die verlorenen Baukostenzuschüsse jetzt für die Vergangenheit beseitigt und nach § 3 behandelt werden sollen, ist folgendes zu bedenken. Im öffentlich geförderten Wohnungsbau gibt es, soweit mir bekannt ist, außerordentlich häufig Verträge, in denen ein unverzinsliches Darlehen für 50 Jahre mit einer Amortisation von 2 "10 jährlich gefordert wird. Praktisch ist doch ein derartiges Darlehen, auf 50 Jahre unverzinslich gegeben, auch nichts anderes als ein verlorener Baukostenzuschuß. Wenn Sie schon eine Rückwirkung auf laufende Verträge einführen wollen, müssen Sie eigentlich auch diese Darlehen einbeziehen, Herr Kollege Bartels, Sie haben darauf hingewiesen, daß auch sonst schon Gesetze rückwirkend in Verträge eingegriffen haben. Dabei haben Sie sich auf das Arbeitsrecht bezogen. Das sind, glaube ich, Sonderfälle. Aber über eines sind Sie sich als Jurist den ich ja aus dem Rechtsausschuß kenne, der sich allerdings mit diesen gesetzlichen Bestimmungen jetzt nicht befaßt hat, nicht die Verfassungsmäßigkeit geprüft hat sicherlich klar. Sie sind ein viel zu kluger Jurist, um nicht zu wissen, daß gerade, wenn eine Rückwirkung erfolgen soll, außerordentlich vorsichtig vorgegangen und überlegt werden muß, ob es nicht anders geht, ob Mißbräuche wirklich in einem derartigen Umfang vorhanden sind, daß sie mit der bisherigen Rechtsprechung nicht gemeistert werden können. § 242 BGB gibt dem Richter die Handhabe. Auch Mietverträge sind nach Treu und Glauben auszulegen, und wo Mißbräuche da waren, ist der Richter mit § 242 BGB ausgekommen und hat Mißbräuche beseitigt. Es kommt hinzu, daß mit dem fortlaufenden Bau von Wohnungen. immer mehr das marktgerechte Angebot, der marktgerechte Wohnungsmarkt mit entsprechendem Angebot und entsprechender Nachfrage in Erscheinung treten wird. Auch insofern (1 wird sich also das ganz von selbst bessern, was in der Vergangenheit nicht ordnungsgemäß gewesen sein sollte. Ich mache weiterhin darauf aufmerksam, daß das Bundesverfassungsgericht bestimmte Grundsätze bezüglich der Rückwirkung von Gesetzen herausgearbeitet hat. Es hat in der Frage, wann eine Rückwirkung zulässig ist, eine sehr enge Auslegung vorgenommen, insbesondere, wenn es sich wie im vorliegenden Fall - um Eingriffe in Rechte oder Rechtslagen von Staatsbürgern handelt. Darf ich Sie noch auf etwas hinweisen. Jetzt sind Sie so sehr gegen verlorene Baukostenzuschüsse. Auch wir hängen nicht an ihnen, wie schon Herr Kollege Bucher gesagt hat. Deswegen haben wir ja auch zugestimmt, daß es sie in Zukunft nicht mehr geben soll. Denken Sie aber an die Formulierung des § 7 e des Einkommensteuergesetzes. Wenn ein Arbeitgeber eine Baufinanzierung für einen Arbeitnehmer vornehmen wollte, mußte es, das wurde vom Gesetz gefordert, ein verlorener Zuschuß sein, wenn er abzugsfähig sein sollte. Ein Weiteres: Es ist nicht immer so - das haben Sie ja auch schon bei ihren Billigkeitserwägungen im Gesetz berücksichtigt -, daß dem verlorenen Baukostenzuschuß nicht auch eine Gegenleistung gegenübergestanden hat. Es wurde in sehr vielen Verträgen eine entsprechend geringere Miete vereinbart, es wurden sehr viele sehr langfristige Mietverträge geschlossen, damit alles im entsprechenden Verhältnis blieb. Deutscher Bundestag - 3. Wahlperiode Es besteht die Gefahr, daß Sie mit diesem Gesetz neue Prozesse heraufbeschwören - etwas, was ich nach Möglichkeit vermeiden will -; denn wenn eine Entscheidung ergeht, die diese Gegenleistungen nicht entsprechend berücksichtigt, kann nachher der Vermieter sagen: „Ich habe im Vertrauen auf die Gesetze so gehandelt, eine geringere Miete festgesetzt" und so weiter. Ich fürchte, daß die Prozesse nicht vermindert, sondern vermehrt werden. Vor allen Dingen wird das Vertrauen in den Bestand der Gesetzte stark beeinträchtigt. Ich bitte Sie deshalb, doch noch einmal reiflich zu überlegen, ob es richtig ist, die Rückwirkung festzulegen. Wenn einzelne Mißbräuche vorgekommen sind, dann sind sie absolut zu bedauern und abzulehnen. Aber ich muß doch das eine sagen: In der Regel bestanden bei der Gewährung von verlorenen Baukostenzuschüssen keine Mißstände, sondern es gab eine vernünftige Handhabung. Gehen Sie deshalb jetzt nicht zum Schluß, da sich in kurzer Zeit die Verhältnisse durch die Zahl der neugebauten Wohnungen sowieso normalisieren, den Weg, ein Gesetz mit rückwirkender Kraft zu verabschieden! ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich nehme an, daß ich jetzt über sämtliche Anträge auf Umdruck 921 in einem abstimmen lassen kann. - Das Haus ist einverstanden. Ich bitte um Handzeichen im Falle der Zustimmung. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe nun zur Abstimmung auf §§ 2 bis 6 des Art. 5, Art. 6 bis 9, Einleitung und Überschrift. -Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen angenommen. Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die dritte Beratung. Eine allgemeine Aussprache ist nicht vorgesehen. Ich eröffne die Einzelberatung. Es liegt vor der Änderungsantrag aller Fraktionen auf Umdruck 907. - Er wird nicht begründet. Wer diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünscht, gebe Zeichen! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Er ist einstimmig angenommen. Ich schließe die Einzelberatung und komme zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz mit den beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, erhebe sich! - Gegenprobe! - Ich darf einstimmige Annahme feststellen. Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Frau Blohm, Horn, Frau Dr. Steinbiß und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Ausübung des Berufs der medizinisch-technischen Assistentin ({0}) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Gesundheitswesen ({1}) ({2}). ({3}) Der Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Tamblé liegt vor. Ich danke ihm für seinen Bericht. - Das Wort wird nicht mehr gewünscht; wir können abstimmen. Ich rufe auf die §§ 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. - Ich bitte um Handzeichen im Falle der Zustimmung. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die dritte Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht; wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer zuzustimmen wünscht, erhebe sich! - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Ich rufe auf den Tagesordnungpunkt 13: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung sowie über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft ({4}) ({5}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({6}) ({7}). ({8}). Es liegt ein Schriftlicher Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Pflaumbaum vor. Wird noch das Wort gewünscht? - Der Herr Berichterstatter hat das Wort.

Dr. Walter Pflaumbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001708, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Ich habe nur eine kurze Erklärung abzugeben. Als der Bericht erstellt wurde, lag noch nicht die Stellungnahme des mitberatenden Wirtschaftsausschusses vor. Der Ausschuß hat inzwischen beraten. Die Stellungnahme lautet: Der Wirtschaftsausschuß hat in seiner Sitzung vom 27. 4. 1961 dem Gesetzentwurf in der vom Ernährungsausschuß beschlossenen Fassung zugestimmt. Er stellt hierzu jedoch ausdrücklich fest, daß diese Zustimmung nicht als Zustimmung zur Getreidepreispolitik der Regierung gewertet werden dürfe. Er ist vielmehr der Auffassung, daß diese Politik einer Überprüfung bedürfe. Der Wirtschaftsausschuß bittet, dies ausdrücklich im Bericht zu erwähnen. Ich bin dieser Pflicht hiermit nachgekommen und bitte namens des federführenden Auschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten das Hohe Haus, dem Gesetz in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung zuzustimmen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort wird weiter nicht gewünscht? - Wir kommen zur Abstimmung. Vizepräsident Dr. Dehler Ich rufe §§ 1 bis 10, Einleitung und Überschrift auf. - Wer zuzustimmen wünscht, gebe Zeichen. -Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen. Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die dritte Beratung. - Keine Wortmeldungen, keine Änderungsanträge. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gezuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist angenommen. Wir haben noch abzustimmen über den Entschließungsantrag unter Ziffer 3 des Auschußantrags. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen! Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 14: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Altersgrenzen der Berufssoldaten ({0}) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung ({1}) ({2}). ({3}) Es liegt der Bericht des Herrn Abgeordneten Schultz vor. Wird eine Ergänzung des Berichts gewünscht? - Wird das Wort gewünscht? - Beides ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe Art. 1 bis Art. 4, Einleitung und Überschrift in der Fassung des Auschusses auf. - Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich darf einstimmige Annahme feststellen. Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die dritte Beratung. Das Wort hat in der ,allgemeinen Aussprache der Abgeordnete Merten.

Hans Merten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001480, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eine Erklärung im Namen der SPD-Fraktion abzugeben, will Ihnen aber nur kurz ihren Inhalt mitteilen und die Erklärung zu Protokoll geben*). Die sozialdemokratische Fraktion bedauert, daß unter Umständen 52jährige im Ruhestand sind. Sie meint, daß das sowohl für die Betreffenden als auch für den Staat ein unbefriedigender Zustand ist, und schlägt vor, die Bundesregierung zu ersuchen, dem 4. Bundestag einen Entwurf vorzulegen, wonach die Berufsunteroffiziere und Berufsoffiziere ebenso wie die Soldaten auf Zeit das Recht erhalten, sich für einen Beruf ausbilden zu lassen, damit sie notfalls - im Falle einer frühen Pensionierung - noch im Staatsdienst oder in einem anderen Beruf Befriedigung finden können. Das ist in kurzen Worten unser Anliegen in Verbindung mit diesem Gesetz. *) Siehe Anlage 2.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Kreitmeyer.

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei wird dem vorgelegten Gesetzentwurf über die Altersgrenzen der Berufssoldaten ihre Zustimmung geben. Schon wegen des § 45 des Soldatengesetzes ist die Verabschiedung dieses Gesetzes zwingend notwendig. Für die Männer, die sich beim Aufbau der Bundeswehr zur Verfügung gestellt haben, muß Rechtssicherheit geschaffen werden. Ob die Konzeption des Soldatengesetzes - Berufssoldaten bis zum 60. Lebensjahr, Beförderung nach Eignung, Leistung und vorhandener Planstelle auch für die weitere Zukunft die richtige ist, muß allerdings noch überprüft werden. Wir wünschen ein geistig und körperlich bewegliches Offiziers- und Unteroffizierskorps. Wir sind jedoch durch die Diskussion im Verteidigungsausschuß in unseren Bedenken bestärkt worden, daß die jetzige Fassung des Soldatengesetzes in den genannten Punkten weniger einen tüchtigen Soldaten als vielmehr einen Verteidigungsbeamten hervorbringt. Allerdings konnte bei diesem Gesetz nicht die ganze Konzeption umgestülpt werden. Wir halten es aber für notwendig, daß das Bundesverteidigungsministerium weiterhin Überlegungen darüber anstellt, wie auf möglichst sichere Weise und unter Berücksichtigung der Spezialisierung und Technisierung der modernen Truppe die geeigneten Männer an die richtige Stelle gebracht werden können. Die Voraussetzungen dafür scheinen uns heute noch nicht gegeben zu sein, dm Gegenteil glauben wir bemerken zu müssen, daß die gegenwärtig in den Offiziersversammlungsräumen geführten Beförderungsund Versetzungsgespräche dem Zusammenwachsen zu einem homogenen Offizierkorps hinderlich sind. Wir wünschen, daß sich der Verteidigungsausschuß des nächsten Bundestages anhand von sicheren Unterlagen des Verteidigungsministeriums mit diesen Problemen erneut beschäftigt.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Ich schließe die dritte Beratung. Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist einstimmig angenommen. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen und zu den Zusatzvereinbarungen vom 3. August 1959 zu diesem Abkommen ({0}) ({1}) Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({2}) ({3}) ({4}) Vizepräsident Dr. Dehler Es liegt vor der Bericht des Herrn Abgeordneten Graf Adelmann. Das Wort hat der Herr Berichterstatter zur Ergänzung seines Berichtes.

Raban Adelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000008, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur eine Berichtigung zu Protokoll geben. Es heißt im Schriftlichen Bericht Drucksache 2699, daß Art. 56 Abs. 9 des Unterzeichnungsprotokolls für die arbeitsrechtlichen Überlegungen maßgeblich gewesen sei. Richtig muß es heißen: „Art. 56 des Zusatzabkommens". In entsprechender Weise muß im Teil B der Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2 Abs. 3 geändert werden. Statt „Art. 56 Abs. 9 des Unterzeichnungsprotokolls zum Zusatzabkommen" muß es also heißen: „Art. 56 des Zusatzabkommens". Ich verzichte im übrigen auf ergänzende Berichterstattung. Ich behalte mir vor, eventuell später, sofern es nötig ist, noch etwas zu sagen. Ich möchte Sie deshalb nur bitten, dem Antrag des federführenden Auswärtigen Ausschusses zu folgen und den Gesetzentwurf Drucksache 2146 anzunehmen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort wird nicht gewünscht. Ich rufe dann auf die Art. 1 bis 27, - Einleitung und Überschrift. - Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte ein Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? ({0}) - Die SPD stimmt zu, aber einige Enthaltungen. Also bei Gegenstimmen und Enthaltungen angenommen. Ich schließe die zweite Beratung. Ich eröffne die dritte Beratung. Keine Wortmeldungen. Keine Anträge. Wer zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Verzeihung, Herr Abgeordneter Kreitmeyer! ({1})

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, meine Wortmeldung war rechtzeitig vorgebracht; sie ist höchstens übersehen worden. ({0}) - Schriftlich notiert! Die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei lehnt die Verbindung des NATO-Truppenstatuts und des Sonderabkommens über die Manöverrechte der britischen und kanadischen Truppen im Raum Lüneburg in einem Ratifizierungsgesetz ab. Sie begrüßt, daß das NATO-Truppenstatut endlich ratifiziert werden kann. Über das Sonderabkommen sind jedoch noch Verhandlungen erforderlich. Aus diesem Grunde muß meine Fraktion das Ratifizierungsgesetz insgesamt ablehnen. Die Bestimmungen des Soltau-Lüneburg-Abkommens stellen einen tiefen Eingriff in das deutsche Recht dar, sie verletzen wesentliche Grundsätze des Rechtsstaates. Nach unserer Auffassung hat die Bundesregierung nicht alles versucht, um die berechtigten Ansprüche der Verbündeten nach geeignetem Übungsgelände an anderer Stelle, wo die Interessen der Bevölkerung nicht in gleichem Maße berührt werden, zu erfüllen. ({1}) - Überall da, wo Staatsbesitz ist. Im Raum Soltau-Lüneburg werden die Belange nicht nur der dort ansässigen Bevölkerung, sondern auch der Erholungsuchenden schwer beeinträchtigt. Eine Entschädigung für nachfolgende Schäden ist überhaupt nicht vorgesehen. Das gleiche gilt für die dauernde Störung der Nachtruhe der Bevölkerung. Die Bestimmungen des Art. 45 des Zusatzabkommens und die entsprechenden Bestimmungen im Soltau-Lüneburg-Abkommen sind so unklar gehalten, daß sie keine Bereinigung bewirken, sondern zu dauernden Streitigkeiten unter Freunden führen. Die Ereignisse der letzten 14 Tage zeigen, wie tief die Eingriffe in die Rechte der Bevölkerung sein können. Herr Präsident, wenn Sie gestatten, erlaube ich mir, aus einer Zuschrift, die in alle Fächer gelegt worden ist und ,die sicherlich nicht allen Damen und Herren des Hohen Hauses bekanntgeworden ist, hier einige Beispiele anzuführen: 1. 11. 4. 61, 21.30 Uhr. Arzt-Pkw fährt vor Ortschaft Bispingen auf unbeleuchteten englischen Tieflader. Wagen Totalschaden, Arzt 14 Tage Krankenhaus, Bein noch in Gips. 2. Gemarkung Volkwardingen. Panzer durchfahren junge Saaten und frischbestellte Felder. Bauern fordern einen Panzerfahrer auf, auf dem Wege zu bleiben, werden von den englischen Soldaten verhöhnt, greifen zu Knüppeln, springen auf den Panzer, demolieren die Antenne etc. Die Besatzung schließt sich im Panzer ein. Zweiter Panzer kommt zu Hilfe und verfolgt die ins Dorf zurückfahrenden Bauern bis auf die Höfe. 3. 27. 4. 61 Hützel. Panzer schießt in 16 m Entfernung von einem einzelstehenden Gehöft. Gebäudeschäden. Umherfliegende Splitter und Mauerbrocken gefährden vier Wochen alten Säugling, dessen Kinderwagen in der Schußlinie steht. 4. 27. 4. 61 Soderstorf. Panzer schießt vor der Schule mehrfach während des Unterrichts. Panik unter den Kindern. Gebäudeschäden. Unterricht muß abgebrochen werden. Gleicher Panzer schießt unmittelbar danach vor dem Dienst 5. und Wohngebäude des örtlichen Polizeigrundstücks. Schäden wie nach einem Bombenangriff. Auch in 'den Nachbarhäusern fiel der Putz von der Decke. 6. 1. 5. Volkwardingen. Britische Soldaten spielen Fußball auf einem Gehöft, schießen den Ball ständig gegen die Hauswand. Besitzer verbittet sich dieses Spiel, da Fensterscheiben gefährdet. Ein Soldat zückt wütend ein langes feststehendes Messer, stürzt sich auf den Bauern und bedroht ihn. Flucht ins Haus. Deutsche Polizei erklärt sich als nicht zuständig. Erheblich später eintreffende Militärpolizei kann den Täter nicht ermitteln. Diese kurz herausgegriffenen Geschehnisse der letzten Zeit verdeutlichen die Situation und können jederzeit ergänzt und durch Zeugenaussagen erhärtet werden. Meine Damen und Herren! Es sollte möglich sein, daß ohne eine Verletzung der Rechte der Bürger der Bundesrepublik Deutschland den verbündeten Truppen geeignete Voraussetzungen für kriegsmäßige Übungen schafft, so wie das für die deutschen Panzerverbände schon geschehen ist. Wir sind zutiefst überzeugt, (daß die verbündeten Mächte, eingedenk des Charakters des NATO-Bündnisses als eines Vertrages gleichberechtigter freier Nationen, Verständnis für eine Wahrung der Rechte der Bürger unseres Landes haben werden. Auf dieser Grundlage sollte die Bundesregierung neue Verhandlungen über das Soltau-LüneburgProblem einleiten und erst nach deren erfolgreichem Abschluß den Vertrag dem Deutschen Bundestag zur Ratifizierung vorlegen. Die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei muß es ablehnen, daß ein Abkommen unterzeichnet und ratifiziert wird in der Absicht, unmittelbar nach der Ratifizierung eine Kündigung vorzunehmen. Ein solches Verhalten würde das Vertrauen in die Vertragstreue der Bundesrepublik Deutschland erschüttern. Wir halten es ebenfalls fürerforderlich, daß bei den unbedingt notwendigen Verhandlungen die Anwendung des deutschen Arbeitsrechts auf die Bediensteten bei den verbündeten Streitkräften gesichert wird. Die Bundestagsfraktion der Freien Demokratischen Partei hat mit ihren Stimmen die Verabschiedung des Ratifizierungsgesetzes zum NATO-Vertrag ermöglicht, und sie bekennt sich mit der gleichen Entschiedenheit zu dem Ratifizierungsgesetz über das NATO-Truppenstatut. Ihre Ablehnung gilt allein dem Sonderabkommen über die Manöverrechte der britischen und kanadischen Truppen im Raum Soltau-Lüneburg, das mit seinen tiefen Eingriffen in die Rechte der Bevölkerung dieses Gebiets dem Geist der Nordatlantischen Gemeinschaft widerspricht und das Verhältnis der deutschen Bevölkerung zu den verbündeten Truppen in der Bundesrepublik Deutschland in nicht vertretbarer Weise belastet. ({2})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir kommen zur Schlußabstimmung, nachdem keine weiteren Wortmeldungen zum Gesetz selbst vorliegen. Wer dem Gesetz zuzustimmen wünscht, möge sich erheben. - Gegenprobe! - Das Gesetz ist mit Mehrheit angenommen. Ich rufe den Entschließungsantrag des Ausschusses unter Ziffer 2 der Drucksache 2699 auf. - Keine Wortmeldungen. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? Einstimmige Annahme. Dann rufe ich den Umdruck 883 ({0}), den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf. Zur Begründung hat der Abgeordnete Harm das Wort.

Dr. Walter Harm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000812, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann ohne Verträge und Gesetze gut miteinander leben, wenn die Beteiligten vom Geist echter Partnerschaft und gegenseitiger Achtung erfüllt sind, und man kann trotz guter Verträge den größten Kummer miteinander haben, wenn die Beteiligten dieser Qualitäten ermangeln, die ich soeben genannt habe. Es kommt also bei der Durchführung eines Gesetzes sicher in erster Linie darauf an, von welchem Geist es getragen und mit welchem Geist es ausgeführt wird. Das, was mein sonst sehr geschätzter Kollege Kreitmeyer soeben hier vorgelesen und vorgetragen hat, entspricht im Grunde, was die Substanz betrifft, dem Eindruck jedes, der es an Ort und Stelle gesehen hat. Jeder Niedersachse wird bekümmert sein über das, was wir in diversen Besichtigungen miteinander erleben mußten. Da wir aber von höheren Gesichtspunkten als von Einzelfällen aus die Welt beurteilen müssen und da wir die Gesetze nach ihrem Geist und nach der Haltung ihrer Verfasser beurteilen müssen und durchführen werden, glauben wir, mit einem größeren Vertrauen an die Dinge herangehen zu können, als es Herr Kollege Kreitmeyer soeben unterstellt hat. Die Dinge, die er uns geschildert hat, sind uns genauso bekannt wie ihm. ({0}) Wer aufmerksam die Entwicklung verfolgt hat, weiß, daß die Historie des Herrn Kollegen Kreitmeyer die letzte Meldung nicht berücksichtigt hat, daß nämlich immerhin Kräfte am Werke sind und bereits Gestalt gewonnen haben, die uns zu einer größeren Hoffnung berechtigen. Ein Teil der Presse hatte diese Ereignisse bereits angekündigt. In der Hamburger Presse war es z. B. gestern schon zu lesen; woher sie ihre Informationen hat, weiß ich nicht. Ein Teil weiß jedenfalls heute schon, daß die englische Note vorliegt, die weite Konzessionen bezüglich all der Reklamationen bringt, die wir vorgetragen haben. ({1}) Wir müssen in dem Geist, daß wir uns an Verträge gebunden halten, an die Dinge herangehen, und wir müssen Partnern Vertrauen im Großen wie im Kleinen entgegenbringen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kreitmeyer?

Dr. Walter Harm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000812, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte, Herr Kollege Kreitmeyer!

Reinhold Kreitmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001210, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Harm, ist Ihnen entgangen, daß mir durchaus bekannt ist, daß gewisse Verhandlungen im Gange sind? Aber wenn Deutscher Bundestag -- 3. Wahlperiode Kreitmeyer Sie ernsthaft eine Unterstützung der Bundesregierung wünschen, dann am besten dadurch, daß Sie ihr die Möglichkeit geben, auf neuer Grundlage zu verhandeln und heute hier Ernst machen. ({0})

Dr. Walter Harm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000812, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich glaube, Herr Präsident, daß das keine Frage, sondern eine Bemerkung war. Ich kann es mir deswegen wohl ersparen, darauf einzugehen. ({0}) Ich sagte: Partner im Großen verdienen auch Vertrauen im Kleinen. Niemand kann dafür garantieren, daß unsere Mitarbeiter in letzter 'Instanz nicht nach dem Motto arbeiten und wirken, wie es die letztlich Verantwortlichen tun. Uns kommt es darauf an, zu wissen, welcher Geist dahintersteckt. Das, was ich heute zur Kenntnis genommen habe über die Note, die morgen publiziert werden soll, sagt mir, was die letzten Verhandlungen im Verteidigungsausschuß gezeigt haben: es ist ernst mit unserem Willen, nicht so wie früher zu exerzieren. Das ist für uns entscheidend in der Gesamthaltung, die einzunehmen wir eben bekundet haben. Ich weiß genauso gut, wie eben vorgetragen wurde, daß der Inhalt des Gesetzes in weitem Maße in deutsche Gesetze - bis in die Rechte der Freiheit und in die Grundrechte überhaupt - eingreift. Aber wer kann für letzte Dinge die Verantwortung übernehmen, wenn man kein Vertrauen im Großen hat? Im übrigen wollen wir jedem Beteiligten ins Soldbuch schreiben, was ich einmal bei einem alten Notar im Wartezimmer las: Recht ist hüben, Recht ist drüben, Darum sollst du danach trachten, Fremde Rechte streng zu achten, Eigne Rechte mild zu üben. Ich glaube, mit dieser Hoffnung, die wir der Sache entgegenbringen, können wir uns begnügen. Darüber hinaus haben wir in dem Entschließungsantrag der Bundesregierung ganz in concreto einige Dinge mit auf den Weg gegeben. Wir erwarten, daß alle gesetzlichen Möglichkeiten ergriffen werden, alle Möglichkeiten, die das Gesetz selber uns gibt, und daß umgehend die bereits begonnenen und teilweise erfolgreichen Verhandlungen zu weiteren Schritten in gleicher Richtung führen. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Graf Adelmann.

Raban Adelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000008, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur einige wenige Bemerkungen machen. Ich glaube, daß die Plattform des Bundestages nicht der passende Ort für nationalistische Übertreibungen ist. ({0}) Ich möchte nur sagen, daß wir in der CDU/CSU die Worte, die der Vorredner gefunden hat über das Vertrauen, das die Basis für das Verhältnis zwischen den NATO-Partnern ist, unterstreichen. Wir jedenfalls vertrauen auch auf das Abkommen, das wir mit den Engländern und den Kanadiern erwarten. Wir wissen, daß es ein Abkommen sein wird, das zwischen Nationen abgeschlossen wird, die ein Ideal haben, das die Engländer als Gentleman-Ideal bezeichnen. Wir wollen uns daran erinnern, daß ein Merkmal des Gentleman die ins bürgerliche, ins demokratische und auch ins parlamentarische Leben hineinentwickelte Anstandsregel der Ritterlichkeit ist. Das ist die Basis unseres Vertrauens. Wir glauben deswegen auch - wir wissen, daß die Verhandlungen schon ein Ergebnis gehabt haben -, daß die Verhandlungen dazu beitragen werden, eine ganze Menge der berechtigten Anstände zu beseitigen. Deswegen darf ich im Namen der CDU/CSU-Fraktion erklären, daß wir dem Entschließungsantrag der SPD zustimmen, der ja nur eine Erweiterung und eine Präzisierung unseres Ausschuß-Entschließungsantrages ist. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir stimmen dann über den Entschließungsantrag Umdruck 883 ({0}) ab. Wer zustimmen will, gebe bitte das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen. Ich rufe den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP - Umdruck 884 - auf. Er wird nicht begründet? - Wir kommen dann zur Abstimmung. Wer ihm zuzustimmen wünscht, gebe das Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Ich rufe Punkt 16 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 8. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Regelung von Grenzfragen und anderen zwischen beiden Ländern bestehenden Problemen ({1}) ({2}) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({3}) ({4}); ({5}). Ich danke dem Berichterstatter, dem Abgeordneten Krüger ({6}) für seinen Schriftlichen Bericht. Ich eröffne die Beratung. - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pöhler.

Heinz Pöhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001723, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um Nachsicht, wenn ich Sie zu später Stunde noch um ,ein wenig Aufmerksamkeit bitten muß. Das vorliegende deutsch-niederländische Vertragswerk, um dessen Ratifizierung wir heute gebieten sind, unternimmt den notwendigen und begrüßenswerten Versuch, die sich aus dem letzten Krieg und seinen Folgen ergebenden bilateralen Probleme, Differenzen und Streitfragen zwischen dem Königreich der Niederlande und der Bundesrepublik zu bereinigen. Dabei ist besonders zu begrüßen und zu unterstreichen, daß die finanzielle Wiedergutmachung für die niederländischen Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung in dieses Abkommen durch den sogenannten Finanzvertrag einbezogen worden ist. In dieser Hinsicht kann das vorliegende Vertragswerk in der Tat geeignet sein, zur Grundlage eines dauerhaften und freundschaftlichen Verhältnisses zwischen den beiden Völkern zu werden. Im Schriftlichen Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Drucksache 2684, wird festgestellt, der Inhalt des Grenzvertrages - des anderen Teils des Vertragswerkes - seien 1. die Rückführung der Gebiete, die durch alliierte Verordnungen im Jahre 1949 unter niederländische Verwaltung gekommen sind, 2. Grenzberichtigungen allgemeiner Art und 3. die Rückführung der sogenannten Traktatländereien. Es muß leider festgestellt werden, daß diese anerkannt erstrebenswerte Zielsetzung des Vertragswerkes nicht in vollem Umfang und für alle strittigen Grenzfragen erreicht warden ist. Das gilt vor allem für die neue Grenzregelung im Raum Wyler-Beek, die im vorliegenden Grenzvertrag in der Anlage A in § 23 konkret behandelt ist. Gemessen am erklärten Vertragszweck muß das Verhandlungsergebnis für dieses Gebiet als unbefriedigend bezeichnet werden, und es ist zu befürchten, daß die ausgehandelte Grenzkorrektur Wyler-Beek ungeeignet ist, 'eine dauernde Befriedung in diesem Raum sicherzustellen. Ich hatte mehrfach Gelegenheit, die praktischen Auswirkungen für die deutschen Gemeinden Wyler und Zyfflich im Landkreis Kleve an Ort und Stelle zu untersuchen und zu prüfen. Ich darf Sie kurz mit einigen Tatbeständen vertraut machen. Zunächst steht fest, daß durch die neue Grenzregelung in diesem Raum nur etwa ein Fünftel des 1949 überstellten Gebiets zurückgegeben wird. Der weitaus größere und vor allem wertvollere Teil soll bei ,den Niederlanden verbleiben. In diesem strittigen Raum kommen 23 deutsche Staatsbürger zu den Niederlanden. Eine Befragung der Bevölkerung über die geplante Grenzkorrektur ist, wie es in der Denkschrift der Bundesregierung heißt, in den Verhandlungen weder gefordert noch in Erwägung gezogen worden, obwohl eine solche Befragung unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht von den betroffenen Gemeinden mehrfach verlangt worden ist. Die ausgehandelte neue Grenzführung in Wyler muß auch technisch in jeder Weise als unglücklich und ungeeignet bezeichnet werden. Durch den neu konzipierten Grenzverlauf wird von der Bundesregierung auf ein ganz wertvolles Ausflugsgelände des Teufels- und Wylerberges verzichtet und die natürliche Verbindung mit der Gemeinde Wyler und dem Landkreis Kleve zerstört. Die Linienführung der Grenze wurde willkürlich und vollkommen unmotiviert in einem wilden Zickzack gelegt. Sie steht im offensichtlichen Widerspruch zu den natürlichen geographischen Gegebenheiten dieses Gebietes. Für jeden, der ,die örtlichen Verhältnisse im Raum Kranenburg-Wyler auch nur einigermaßen kennt, drängt sich der Eindruck auf, daß die deutschen Verhandlungsführer über die geographischen Verhältnisse dieses Sektors nur sehr unzureichend informiert waren. Es ist ferner zu bemerken, daß der geplante Grenzverlauf auch zolltechnisch ungeeignet ist. Nach der Meinung der Zollfachleute ist eine vorschriftsmäßige Überwachung der neuen Grenze unmöglich. Nach den Bestimmungen entsteht überdies eine neue Zollstraße, die erfahrungsgemäß nur sehr schwer zu überwachen ist. Diese Tatsachen mußten dem Auswärtigen Amt allerdings bekannt sein. Denn bereits im November 1959 fand eine Besprechung deutscher und holländischer Zollfachleute statt. Die Teilnehmer sind mir namentlich bekannt. Dort war man sich in der negativen Beurteilung der neuen Grenzführung einig. Die Zollfachleute empfahlen vielmehr eine andere, geographisch sinnvollere und zolltechnisch einwandfreie Grenzlinie, die übrigens für die Bundesrepublik und die betroffenen Gemeinden wesentlich günstiger gewesen wäre. Es erscheint mir unverständlich, daß diese sachlich gewichtigen Argumente von der deutschen Verhandlungsdelegation nicht nachdrücklicher zur Geltung gebracht worden sind, wobei ich nicht einmal sicher bin, ob sie in den Verhandlungen überhaupt benutzt worden sind. Entgegen der erklärten Zielsetzung des Vertragswerkes entstehen übrigens an der Grenze Wyler/ Zyfflich neue Traktatländereien. Eine Nutzung durch die deutschen Eigentümer ist fast ausgeschlossen, weil es sich um Weideland handelt, das geographisch und verkehrstechnisch nur durch kilometerweite Umwege zu erreichen ist. Eine Nutzung als Viehweide ist ja auf Grund der veterinärrechtlichen Bestimmungen an der Grenze ganz ausgeschlossen. Darauf verweist ,auch die Gemeinde Wyler in ihrer Denkschrift, die den Mitgliedern des Hohen Hauses ja überreicht worden ist. Angesichts der Tatsache, daß den beiden deutschen Gemeinden und dem gesamten Kreis Kleve durch diese Grenzlegung ganz erheblicher Schaden entsteht, wird eine andere Feststellung dieser Denkschrift verständlich: 'daß die Berichtigung der deutschen Landesgrenze im Westen eine nachträgliche Legalisierung eines den Gemeinden Wyler und Zyfflich im Jahre 1949 zugefügten Unrechts darstellt. Ich finde, zumindest für diesen Sektor ist dem nichts hinzuzufügen. Ich verzichte bewußt darauf, besondere Bernerkungen etwa zur Frage des Selbstbestimmungsrechts beim Komplex Wyler zu machen. Aber aus grundsätzlichen und gewichtigen nationalpolitischen Erwägungen halte ich die diesbezüglichen Formulierungen in der Denkschrift der Bundesregierung für sehr anfechtbar und gefährlich. Selbst wenn es sich um nur 23 deutsche Staatsbürger handelt und auch unter Berücksichtigung der Möglichkeit, daß eine Abstimmung in anderen deutsch-niederländischen Grenzgebieten vielleicht ungünstig für die Bundesrepublik gewesen wäre, bin ich der Meinung, daß das Selbstbestimmungsrecht nicht relativierbar ist. Abschließend, meine Damen und Herren, darf ich folgendes sagen: Wenn das Ergebnis dieses Grenzvertrages von der dort betroffenen Bevölkerung mit Verbitterung und Empörung aufgenommen worden ist, dann hat das auch noch einen anderen Grund. Ich möchte ihn dem Hohen Hause nicht vorenthalten. Es betrifft die sehr anfechtbare und manchmal unverständliche Verhaltensweise des Bundesaußenministeriums gegenüber der Bevölkerung des Gebietes Wyler, ihren Vertretungskörperschaften und ihren Behörden. Bereits im Jahre 1957 wurde in Wyler eine schriftliche Abstimmung durchgeführt. Sie ist dem Außenministerium am 7. Dezember 1957 zur Kenntnis gebracht worden. Herr Bundesaußenminister von Brentano hat seinerzeit in einer Antwort versichert, daß die berechtigten Wünsche bei den Verhandlungen berücksichtigt würden. Dieses Versprechen ist offensichtlich nicht eingehalten worden. Während der langen Dauer der Grenzverhandlungen haben sich die Behörden der betroffenen Gemeinden und die Kreisverwaltung Kleve wiederholt mit fundierten Eingaben, Tatsachenberichten und Protesten sowohl an die Landesregierung Düsseldorf als auch an das Bundesaußenministerium gewandt. Es ist mir unverständlich, daß sie in keinem Falle eine schriftliche Antwort oder auch nur eine Zwischenauskunft über den jeweiligen Stand der Verhandlungen durch das Auswärtige Amt erhalten haben. Unbegreiflich ist auch, daß das Auswärtige Amt im Gegensatz zur Praxis der niederländischen Verhandlungsdelegation auf die wiederholt angebotene Mitwirkung ortskundiger Sachverständiger der Behörden in Wyler und Kleve bei den Verhandlungen bewußt verzichtet hat. Erst nach Abschluß der Verhandlungen und kurz vor der Unterzeichnung des Vertragswerks im Haag wurde eine Delegation der Gemeinde Wyler im Auswärtigen Amt empfangen. Sie konnte dort nur noch die lapidare Mitteilung zur Kenntnis nehmen, daß am Grenzvertrag nichts mehr zu ändern sei. Als die Gemeinde Wyler in den letzten Tagen vor der Unterzeichnung noch einmal um Gehör beim Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen bat, erhielt sie von der Staatskanzlei in Düsseldorf die telefonische Antwort, der Herr Ministerpräsident habe keine Zeit. Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, daß hier in der Verhaltensweise gegenüber einer doch von tiefgreifenden Grenzkorrekturen betroffenen Bevölkerung ein sehr schlechter Stil praktiziert worden ist, der mit rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien wohl kaum in Einklang zu bringen ist. Trotz dieser vorgetragenen negativen Fakten und Begebenheiten im Geschehnisablauf der Grenzverhandlungen bin ich freilich der Auffassung, daß sie dennoch nicht ausreichen, um das niederländischdeutsche Vertragswerk mit seinen großen politischen Aspekten in ,der Gesamtheit abzulehnen. Ich glaubte aber, daß die Darstellung der erwähnten Tatbestände in diesem Hohen Hause nicht verschwiegen werden konnte und ,daß die anfechtbare Verhaltensweise gegenüber der betroffenen Bevölkerung nicht unwidersprochen bleiben durfte. ({0}) Ich darf abschließend zwei Fragen an ,die Bundesregierung richten. Erstens: Ist die Bundesregierung bereit, nach angemessener Zeit dem Hohen Hause einen Erfahrungsbericht über die praktischen Auswirkungen der Grenzkorrekturen für die Betroffenen zu geben? Zweitens: Welche finanziellen Hilfen und Äquivalente beabsichtigt die Bundesregierung den Gemeinden Wyler und Zyfflich zum Ausgleich für die entstehenden Schäden bereitzustellen? Eine positive Beantwortung dieser Fragen ist dringend erforderlich, wenn der Glaube der Bürger dieses Grenzgebietes an die Rechtsstaatlichkeit nicht ernsthaft Schaden nehmen soll.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ramms!

Egon Wilhelm Theodor Ramms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001771, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf den Zwischenruf „Aufhören!" zurückkommen. Ich glaube, daß sich bei der Verabschiedung eines Staatsvertrages in diesem Umfang und bei der Rückführung von Bevölkerurig und Ländereien dieser Zwischenruf in diesem Hause nicht gehört. ({0}) Dieser Staatsvertrag ist bestimmt mit allem Ernst zu behandeln. Ich freue mich, daß der Herr Kollege Pöhler auf die Einzelheiten eingegangen ist. Ich brauche dem nicht viel hinzuzufügen. Ich kenne all die Belange der Grenze aus nächster Nähe; denn ich wohne dort. Ich glaube, man sollte nur die Schlußfolgerung anders ziehen, als Sie sie gezogen haben, Herr Kollege Pöhler. Die Schlußfolgerung darf nicht heißen: Wir stimmen dennoch zu; sondern die Schlußfolgerung müßte heißen: Aus diesen Gründen müssen wir leider diesen Staatsvertrag ablehnen, um der Regierung die Möglichkeit zu geben, gerade über diesen Punkt neu zu verhandeln. Ich darf vielleicht die Ausführungen des Herrn Kollegen Pöhler noch etwas vertiefen. Bereits 1950 hat der damalige holländische Justizminister darauf hingewiesen, daß es rechtswidrig sei, daß das deutsche Land von dem holländischen BeheersInstituut verkauft würde. 1954 hat der damalige Präsident des Landwirtschaftsverbandes in Holland, Herr Brouwers, angeboten, diese Ländereien zurückzugeben. In einem Beschluß der Landwirte von Huyn und der Landwirte von Heyden ist der Bundesregierung vorgeschlagen worden, die Traktatgebiete den deutschen Kollegen wiederzugeben. Ich möchte hier nur die Frage stellen, warum die Bundesregierung nach ,der damaligen Anfrage der FDP nicht sofort die Initiative ergriffen hat, um nachzuprüfen, inwieweit das Traktatland zurückgeführt werden kann. Von den 4600 ha Land, die 1946 be9162 schlagnahmt worden sind, werden heute 950 ha, die dem holländischen Staat gehören, zurückgegeben. Ungefähr 200 ha, die der Provinz Groningen, und 111 ha, die der Gemeinde Bergen gehören, also insgesamt rund 1270 ha, werden gegen eine Zahlung von rund 2,6 Millionen Gulden der Deutschen Bauernvereinigung in Düsseldorf übereignet. Ich darf Ihnen zum anderen sagen, daß das BeheersInstituut das deutsche Land pro Morgen für 250 DM verkauft hat. Ich möchte nicht wissen, was die deutschen Bauern heute bezahlen müssen, wenn sie dieses Land zurückkaufen wollen, soweit sie dazu überhaupt eine Möglichkeit haben. Für uns Freie Demokraten kommt ein zweiter Punkt hinzu. Hier wird erstmalig in einem Vertrag mit unserem westlichen Nachbarn im Zuge einer gleichzeitigen Wiedergutmachung freiwillig auf größere Gebiet Land verzichtet. Auch wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Schäden wiedergutzumachen sind, die Holland durch Krieg und Besatzungszeit erlitten hat. Wir stehen aber auch - genau wie viele Kreise in Holland - auf dem Standpunkt, daß es weit, weit besser ist, gute nachbarliche Beziehungen zu haben als den Anspruch auf einige Hektar deutsches Land durchzusetzen. Diese guten nachbarlichen Beziehungen werden vor allen Dingen im Gebiet von Wyler und Zyfflich getrübt werden, wenn hier die Grenzziehung so willkürlich bleibt, wie sie im Augenblick vorgenommen ist. ({1}) Es kommt hinzu, daß uns dieser freiwillige Verzieht bei anderen Verhandlungen unter Umständen vorgehalten werden kann. Es tut uns leid, wegen dieser Tatsache den Vertrag ablehnen zu müssen, obgleich wir uns selber sagen, daß wir über jeden Hektar Land, über jeden Mann der Bevölkerung froh sein müßten, der wieder in unser Hoheitsgebiet zurückkehrt. Ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten gleich den Entschließungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck 917 behandeln, zu dem ich nur eine kleine Ergänzung vorzubringen habe, der zuzustimmen ich Sie bitte. Es ist den betroffenen Landwirten im Grenzgebiet bestimmt nicht zuzumuten, ihren Besitz allein aus Krediten wiederherzustellen, wie es dieser Antrag vorsieht. Ich würde vorschlagen, hinter die Worte „durch die Gewährung" einzusetzen: „von verlorenen Zuschüssen oder Krediten". Ich glaube, daß der Sache damit besser gedient wäre. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird weiter das Wort gewünscht? - Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts!

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, zu den Ausführungen, die in diesem Hohen Hause zu der Vorlage gemacht worden sind, einige ganz kurze Bemerkungen machen zu dürfen. Zunächst möchte ich zu der Frage Wyler grundsätzlich noch einmal etwas sagen. Über die Frage Wyler ist mit den Holländern monatelang verhandelt worden. Schließlich war der Vertrag so weit, ,daß wir uns darüber klar werden mußten, daß ohne eine Kompromißlösung in der Frage Wyler der ganze Vertrag nicht zustande kommen konnte. Ich möchte, meine Damen und Herren, hier nicht vor Ihnen stehen und Ihnen sagen müssen, daß wir wegen dieser Frage 8000 Deutsche auf unabsehbare Zeit nicht wieder in unsere Heimat zurückbekommen konnten. ({0}) Ich möchte nur noch etwas zu der Frage der schlechten Behandlung der Einwohner von Wyler sagen, die hier vorgebracht worden ist. Es ist behauptet worden, den Wyler Einwohnern sei zugesagt worden, ihre Interessen würden berücksichtigt. Meine Damen und Herren, wenn ich sage, ,daß ich die Interessen berücksichtige, so bedeutet das noch längst nicht, daß ich sie in einer Verhandlung unbedingt erfüllen kann. In diesem Fall ist es absolut unrichtig, zu behaupten, diese Zusage sei nicht eingehalten worden. Gerade über die Interessen der Leute von Wyler hat Herr Außenminister von Brentano dreimal persönlich stundenlange Gespräche mit dem niederländischen Außenminister gehabt. Der Abschluß des Vertrages ist um Monate verzögert worden. Daß es sich dann als nicht möglich herausgestellt hat, allen Ansprüche gerecht zu werden, ist etwas, was bei internationalen Verhandlungen oft einfach nicht zu vermeiden ist. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Staatssekretär, wollen Sie eine Zwischenfrage beantworten?

Not found (Staatssekretär:in)

Ja, bitte.

Egon Wilhelm Theodor Ramms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001771, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ist Ihnen bekannt, daß der Amtsdirektor von Kranenburg vor dem auswärtigen Ministerium in Holland im letzten Augenblick den Außenminister, Herrn von Brentano, noch einmal auf die Frage Wyler aufmerksam zu machen versucht hat und nicht gehört worden ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Meine Damen und Herren, ich verstehe diese Zwischenfrage nicht. Es ist hier der Vorwurf erhoben worden, die Bundesregierung habe diesen Herrn schlecht behandelt. Jetzt verstehe ich die Frage des Herrn Abgeordneten dahin, warum die holländische Regierung den Herrn schlecht behandelt habe. Das ist doch nicht unsere Sache!

Egon Wilhelm Theodor Ramms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001771, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich glaube, Sie haben meine Frage mißverstanden.

Not found (Staatssekretär:in)

Vielleicht.

Egon Wilhelm Theodor Ramms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001771, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich darf sie wiederholen. Ist Ihnen bekannt, daß der Amtsdirektor von Kranenburg, zu dessen Bereich die Gemeinde Wyler gehört, vor dem Außenministerium in Holland vor der Unterzeichnung des Vertrages den Herrn Außenminister von Brentano angesprochen hat, um mit ihm noch einmal die Frage von Wyler zu erörtern und ihn noch einmal auf die Belange von Wyler hinzuweisen, und daß er nicht gehört worden ist?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich sehe hier immer noch einen Widerspruch, meine Damen und Herren. Wenn er Herrn von Brentano angesprochen hat, dann ist er doch offenbar auch angehört worden. ({0}) - Dann kann er ihn doch nicht angesprochen haben. ({1}) Meine Damen und Herren, ich möchte hier doch sehr ernst sagen: Es ist von der Bundesregierung alles geschehen, um die Interessen dieses Kreises zu wahren. Wenn es nicht möglich gewesen ist, das bis auf diese 23 Bewohner durchzuführen, so ist das eben ein Opfer, das wir bringen mußten, um das Gesamtergebnis, eine Kompromißlösung, zu erreichen. Ich bitte, dafür Verständnis zu haben. Ich möchte noch einmal betonen, daß es einfach nicht zu verantworten wäre, wegen dieses Teiles der Kompromißlösung, der von uns sicher nicht gern gesehen wird, das große Vertragswerk, bei dem es sich um die Regelung von immerhin nicht unbeträchtlichen Territorialfragen handelt, aufs Spiel zu setzen. Der Herr Abgeordnete Pöhler hat die Frage gestellt, ob die Bundesregierung bereit sei, nach einem Jahr einen Bericht über die Erfahrungen mit dieser Regelung vorzunehmen. Ich habe keine Bedenken, diese Frage zu bejahen. Was die Entschädigungsfrage betrifft, so ist es natürlich für mich sehr schwer, Ihnen hier jetzt eine Zusage zu machen. Ich glaube, es muß erst einmal festgestellt werden, ob überhaupt wirkliche Schäden vorliegen. Ich möchte nur noch mit einem Wort auf die Bemerkung über die Grenzländereien eingehen. Meine Damen und Herren, wir dürfen nicht übersehen, daß es sich hier weitgehend um eine Frage handelt, die gar nicht etwa im Rahmen der Holland-Verhandlungen zu erledigen war, sondern die eben weitgehend sich aus dem Deutschland-Vertrag ergibt und auf die wir im Verlauf dieser Verhandlungen keinen Einfluß hatten. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ramms.

Egon Wilhelm Theodor Ramms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001771, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will Sie nicht lange aufhalten. Ich möchte nur feststellen, daß die Beantwortung einer Zwischenfrage in dieser Form durch den Herrn Staatssekretär ides Auswärtigen nicht geeignet ist, hier vor der Öffentlichkeit Wirkung zu erzielen. Man darf Fragen von Abgeordneten nicht in. dieser Form abwerten, indem man sie lächerlich macht und indem man so tut, als wenn man die Frage nicht verstehe, auch wenn das Haus meiner Ansicht nach kaum noch beschlußfähig ist. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Ramms, eis ist jetzt 22 Uhr 17. ({0}) Infolgedessen kann ich mich heute nacht nicht mehr mit der Frage befassen, wieweit Ihre Kritik zulässig war. Ich will weiter darüber nachdenken. Jetzt aber will ich das Geschäft nicht weiter aufhalten. Herr Abgeordneter Krüger hat das Wort.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Ausschußberatung, das möchte ich hier ausdrücklich feststellen, ist der Antrag, diesen Vertrag anzunehmen, einstimmig, einschließlich des Vertreters der FDP, beschlossen worden. ({0}) Wir waren uns durchaus dessen bewußt, daß diese Opfer, ,die damit verbunden waren, auf dem europäischen Gedanken heraus gebracht werden mußten. ({1}) Ich darf darauf hinweisen - es ist in meinem Bericht zum Ausdruck gebracht, angesichts der Stellungnahme der FDP scheint es aber notwendig zu sein, es besonders hervorzuheben -, daß es sich hierbei um das vierte große Vertragswerk der Bundesregierung handelt. Das erste war der Saarvertrag mit Frankreich; dann kamen der Vertrag mit Luxemburg und der Vertrag mit Belgien; und dies ist jetzt der Schlußvertrag mit den Niederlanden. Ich glaube, man muß bei allem feststellen, daß der Verständigungswille - und darauf kam es ja doch entscheidend an ({2}) bei beiden Partnern vorhanden war. ({3}) Wenn man diese Verhältnisse der Nachkriegszeit regeln will, dann muß man natürlich bei der Verständigungsbereitschaft auch bereit sein, unter Umständen ein Opfer zu bringen. Wenn wir an die Personen denken, so bedauern wir natürlich, daß wir 23 deutsche Staatsangehörige verlieren. Aber wir haben auf der anderen Seite 2600 Holländer jetzt bei uns, von denen allerdings 1300 früher schon zum deutschen Reichsgebiet gehörten; jetzt, durch diese Verhältnisse, hat sich diese Zahl auf 2600 erhöht. Krüger ({4}) Sie sehen bei dem Durcheinanderwohnen dieser Menschen, daß ohne eine Kompromißlösung eine solche Frage überhaupt gar nicht geregelt werden kann. Einerseits trifft es zu, daß von den Wylern hinsichtlich des Gebietes von Wyler berechtigt Kritik geübt worden ist. Auf der anderen Seite ist aber festzustellen, daß es sich dabei um unbewohntes Gelände handelt. Bereits in der Weimarer Verfassung war zum Ausdruck gebracht - wir haben bei den Ausschußberatungen darauf hingewiesen , daß durch Staatsverträge auch über solche Gebietsteile befunden werden kann. Wir stehen damit also in Übereinstimmig mit der deutschen Auffassung, aber ich glaube, auch mit dem Völkerrecht. Deswegen möchte ich Ihnen empfehlen, diesen Vertrag anzunehmen. Ich darf gleichzeitig noch unseren Entschließungsantrag begründen. Ich habe es im Bericht schon zum Ausdruck gebracht: hinsichtlich der Traktatländereien ist es bedauerlich, daß nicht sämtliche Ländereien zurückgegeben werden können. Es wird darauf ankommen, auch durch interne Hilfsmaßnahmen Härten zu vermeiden. Das ist der Sinn unseres Entschließungsantrags. Ich glaube nicht, daß die Ergänzung, die von meinem Vorredner angeregt wurde, notwendig ist; denn es heißt ausdrücklich: unbeschadet der endgültigen Entschädigungsregelung, d. h. ein Schaden darf diesen Menschen ohnehin nicht entstehen. Es soll schnell geholfen werden, und dazu genügen naürlich die Kredite, bei denen im Wege der Entschädigungsregelung es später wahrscheinlich dazu kommen wird, daß sie vollständig ausfallen. ({5}) Es ist bedauerlich, daß unsere Staatsbürger, unsere Bauern dort diese Traktatländereien nicht vollständig wieder bekommen können. Aber es besteht doch die Möglichkeit, auf dem Wege, wie es vorgesehen ist, entsprechenden Ersatz zu schaffen. Das ist, wie ich schon sagte, der Sinn dieses Entschließungsantrags. ({6})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mommer.

Dr. Karl Mommer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001529, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht zur Sache reden, sondern ein Wort sagen zu dem kleinen Zwischenfall, den es eben zwischen einem unserer Kollegen und Herrn Staatssekretär van Scherpenberg gab. Ich glaube, daß ein Mißverständnis im Spiel war und daß auch die späte Stunde mitverantwortlich war; die späten Sitzungen sind uns noch nie gut bekommen. ({0}) Aber der kleine Mißton war um so bedauerlicher, als, so glaube ich, Herr Staatssekretär van Scherpenberg das letzte Mal an dieser Stelle gesprochen hat. Ich glaube, daß auch unsere Kollegen von der FDP mir darin beipflichten werden, daß das Haus und der Auswärtige Ausschuß mit Herrn Staatssekretär van Scherpenberg immer bestens zusammengearbeitet haben ({1}) und daß wir ihn ungern scheiden sehen. Wenn er nun auf einen anderen Posten im Dienste unseres Landes abkommandiert ist, nun, dann wollen wir in guter Freundschaft scheiden und ihm alles Gute für die Zukunft wünschen und viel Erfolg auf dem neuen Posten. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Was sich jetzt hier abspielt, ist zwar nicht ganz nach der Geschäftsordnung, dennoch bedanke ich mich bei dem Herrn Kollegen Dr. Mommer für die courtoise Art, hier eine Sache zu bereinigen. ({0}) Der Präsident erteilt in diesem Zusammenhang das Wort zur Geschäftsordnung dem Herrn Abgeordneten Ramms.

Egon Wilhelm Theodor Ramms (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001771, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es hat mir ferngelegen, mit meinen Ausführungen Herrn Staatssekretär van Scherpenberg zu beleidigen. Vielleicht entschuldigen Sie in der vorgeschrittenen Zeit dann auch die vielleicht bei mir aufgetretene Schärfe. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Also gut, meine Damen und Herren. Der harte Alltag beginnt jetzt wieder. Das war keineswegs eine Feierabendzeremonie, was Sie hier gesehen haben, sondern jetzt geht die Arbeit weiter. Ich rufe die Art. 1,-2,-3,-4,-5,-6,-7, - 8, - 9, - 10, - 11, - Einleitung und Überschrift auf. - Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen! Dritte Beratung. Allgemeine Aussprache! - Keine Wortmeldungen. Wer dem Ratifizierungsgesetz in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in dritter Lesung angenommen. Entschließungsantrag Umdruck 917! Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Herren Abgeordneten Ramms, Dr. Bucher und Genossen vor. Ist der begründet? - Ist der Änderungsantrag zu dem Entschließungsantrag bekannt, ({0}) vorgelesen? ({1}) Ich lasse also zunächst über den Änderungsantrag der Herren Abgeordneten Ramms, Dr. Bucher usw. abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Entschließungsantrag Umdruck 917 der Abgeordneten Dr. Frey und Genossen! Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Entschließungsantrag Umdruck 917 ist angenommen. Meine Damen und Herren! Ich rufe den Punkt 17 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Beweissicherung des Besitzstandes in der sowjetischen Besatzungszone und in dem sowjetischen Sektor von Berlin ({2}) ({3}); Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses ({4}) ({5}) ({6}). Bevor ich hier in die Sache eintrete, frage ich, ob das wirklich Ihr feierlicher Entschluß ist, meine ({7}) Herren Fraktionsgeschäftsführer, Es ist Ihnen klar, wieviel Änderungsanträge hierzu vorliegen? ({8}) Also, zweite Beratung! Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. ({9}) - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Ich bedanke mich. § 1! Dazu Änderungsantrag Umdruck 908! - Zur Begründung Herr Abgeordneter Mischnick!

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ({0}) Ich bedauere außerordentlich, daß dieses Gesetz, das für die Sowjetzonenflüchtlinge von entscheidender Bedeutung ist, um diese Nachtstunde behandelt wird, wo bei den meisten, die den ganzen Tag hier gesessen haben, einfach kaum noch die notwendige Aufnahmefähigkeit vorhanden sein kann. Es ist schon festgestellt worden, daß es überhaupt bedauerlich ist, daß wir heute hier bis in die Nachtstunden beraten müssen. Ich bin nicht in der Lage, dem Wunsche vieler zu folgen, es nun kurz zu machen; denn dieses Gesetz ist von einer solchen Bedeutung, daß, wenn wir länger tagen wollen, wir auch den Mut haben müssen, die Dinge gründlich zu behandeln. Der Änderungsantrag Umdruck 908 hat zum Ziel, die Vorlage Drucksache 435 wiederherzustellen und damit ,dem ganzen Gesetz wieder die Grundlage zu geben, die wir von vornherein haben wollten, nämlich nicht nur die Beweismittel für Verluste in der Zone zu sichern, sondern darüber hinaus auch die Schäden festzustellen. Ich verweise auf die Begründung, die ich zu dem Gesetzentwurf in der ersten Lesung gegeben habe. Ich werde hier nicht die Grundgedanken wiederholen, darf aber noch einmal darauf aufmerksam machen, daß der Berichterstatter, der Kollege Wackerzapp von der CDU/CSU, der zum Lastenausgleichsgesetz 1952 damals davon sprach, daß ein eigenes Feststellungsgesetz für die Sowjetzonenflüchtlinge notwendig sei und baldigst kommen müsse. Das ist jetzt neun Jahre her, und es ist nichts in dieser Richtung geschehen. Ich erinnere daran, daß es vor der Bundestagswahl 1957 der Herr Bundeskanzler in einem Brief vom 30. August 1957 an das Gesamtdeutsche Ministerium für notwendig hielt, eine solche gesetzliche Regelung zu finden, daß aber wiederum von seiten der Bundesregierung kein Vorschlag kam, bis schließlich mit dem Gesetzentwurf der Freien Demokraten, der von Vertretern aller Parteien in den Verbänden erarbeitet worden ist, die Möglichkeit zur Beratung gegeben wurde. Das Ergebnis, das der Ausschuß jetzt vorlegt, entspricht in keiner Weise der FDP-Vorlage Drucksache 435. Der Antrag zu § 1, der die Wiederherstellung der Vorlage Drucksache 435 bezweckt, soll erreichen, daß die Gesetzesvorlage, wenn der § 1 in der vorgeschlagenen Form angenommen wird, an den Ausschuß zurückverwiesen und neu beraten wird. Denn wenn dieser Paragraph angenommen wird - das will ich hier in aller Offenheit sagen -, ist es notwendig, das gesamte Gesetz neu zu überarbeiten. Wir bitten Sie also, dem § 1 in der Form des Umdrucks 908 zuzustimmen und damit für die Sowjetzonenflüchtlinge wirklich eine Möglichkeit zu schaffen, die in der Zone entstandenen Schäden hier beweislich so sichern zu lassen, daß es in ähnlicher Form geschieht wie bei den Heimatvertriebenen und kein unterschiedliches Recht für Zonenflüchtlinge und Vertriebene in der Frage der Beweissicherung geschaffen wird. Das geschieht, wenn Sie den § 1 in der Fassung des Ausschußvorschlages annehmen, durch den die Zonenflüchtlinge praktisch gegenüber den Heimatvertriebenen deklassiert werden. Wir bitten Sie um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag Umdruck 908.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Benda.

Prof. Dr. Ernst Benda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000139, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich teile durchaus die Empfindungen des Herrn Kollegen Mischnick, daß es an sich besser gewesen wäre, diesem Gesetz auch zeitlich hier den Platz einzuräumen, der ihm nach seiner Wichtigkeit gebührt. Aber wir stehen vor der Situation, daß wir jetzt die Beratung durchführen. Ich möchte mir ein Eingehen auf Ihre allgemeine Bemerkungen im Augenblick jedenfalls ersparen und möchte nur zu Ihrem konkreten Antrag sprechen. Meine Damen und Herren! Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß die Annahme dieses Antrags der Fraktion der FDP - und das verkennen Sie ja auch nicht, Herr Kollege Mischnick - bedeuten würde, daß das Gesetz insgesamt in der Form, in der es Ihnen vom Rechtsausschuß vorgelegt wird, nicht verabschiedet werden kann; denn der § 1 in der Fassung des Vorschlags wäre ein völliger Fremdkörper, aufgepfropft auf eine Konzeption, die der Rechtsausschuß in langen Beratungen erarbeitet hat. Das bedeutet praktisch, daß dieses Gesetz in dieser Legisluturperiode nicht mehr verabschiedet werden könnte. Der Rechtsausschuß ist nach meiner Beurteilung, jedenfalls nach dem bisherigen Beratungsergebnis, weder gewillt, seine sachliche Auffassung zu ändern, - jedenfalls in der Mehrheit -noch ist er, soweit ich die Geschäftslage überblicken kann, zeitlich überhaupt in der Lage, die ganze sehr mühevolle Arbeit, die wir geleistet haben, noch einmal von vorne an durchzuführen. Die Alternative, Herr Kollege Mischnick und meine Damen und Herren, die bei dieser Entscheidung vor uns steht, ist also folgende: Nehmen wir das Gesetz in der Fassung an, die der Rechtsausschuß vorgeschlagen hat, vorbehaltlich der Änderungen, die jetzt möglicherweise noch vorgenommen werden können, oder lassen wir dieses Gesetz für diese Wahlperiode liegen, ohne daß wir sagen können, wann im Laufe der nächsten Wahlperiode ein Gesetz kommen soll? Ich glaube, daß eine solche Entscheidung den berechtigten Interessen der Betroffenen auf das schärfste widersprechen würde. Ich bitte Sie daher, den Antrag abzulehnen. ({0})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbstverständlich sind die Überlegungen des Kollegen Benda, daß damit eine Verzögerung eintritt, richtig. Aber dieses Gesetz ist vor drei Jahren eingebracht worden. Sie können es den Antragstellern nicht zur Last legen, wenn wir jetzt in Zeitverdrückung kommen. Das berechtigte Anliegen, das nach dem Entwurf Drucksache 435 in § 1 in ,der Vorlage Umdruck 908 vorgebracht worden ist, kann doch nicht damit abgetan werden, daß man sagt: Drei Jahre sind verstrichen, jetzt ist keine Zeit; deshalb müssen wir eine Form wählen, die dem Anliegen nicht gerecht wird! Wir bedauern, daß es so lange gedauert hat. Wir bedauern auch, daß man nicht bereit war, den Vorschlag Dr. Bendas zur Grundlage der Beratung zu machen. Das muß ich zu Ihrer Ehre sagen, Herr Dr. Benda. Wir waren einverstanden mit diesem Vorschlag. Er stellte eine Verbesserung dessen dar, was im Gesetzentwurf ursprünglich stand. Aber leider ist man diesen Überlegungen nicht gefolgt. Jetzt praktisch so zu tun, als wären diejenigen, die die ursprüngliche Fassung wieder haben wollen, schuld, wenn eine Verzögerung eintritt, das ist eine Verdrehung der Tatsachen. Ich bitte, ,den Antrag anzunehmen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir können den Antrag auf Umdruck 908 nunmehr zur Abstimmung stellen. - Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wir stimmen über den § 1 in der Vorlage des Ausschusses ab. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Bei einigen Gegenstimmen und einer größeren Zahl von Enthaltungen angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über § 2. Wer zuzustimmen wünscht, der gebe Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer größeren Zahl von Enthaltungen angenommen. Ich rufe auf § 3. Hier liegen vor ein Änderungsantrag ,der FDP auf Umdruck 909 und ein Änderungsantrag der SPD auf Umdruck 916. Wird das Wort gewünscht? - Zunächst Herr Abgeordneter Rehs zur Begründung des Antrags auf Umdruck 916.

Reinhold Rehs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir sind der Auffassung, daß dieser Gesetzentwurf in der Tat von einer ganz erheblichen politischen Bedeutung ist. Wir sind auch durchaus nicht der Meinung, daß durch die ,eilige Behandlung in dieser späten Abendstunde der politische Gehalt und auch das, was an menschlich berechtigten Forderungen mit diesem Gesetz verbunden ist, leiden dürfen. Aber wir meinen, daß die Problematik, um die es bei diesem Gesetz geht, durch die Diskussionen hinreichend klargeworden ist und daß es sich bei diesem Gesetz ,eigentlich um zwei kardinale Entscheidungen handelt, die auch heute hier getroffen werden können. Die eine Entscheidung ist die, wie die Konstruktion des Verfahrens sein soll, und die zweite Entscheidung betrifft die Beweiswürdigung. Wir sind der Meinung, daß die Anlage, die Konstruktion, die der Rechtsausschuß für die Durchführung des Verfahrens gefunden hat, nicht praktikabel ist und dem Zweck des Gesetzes nicht gerecht wird. Ich gehöre auch dem Rechtsausschuß an, habe aber an den Beratungen dieses Gesetzentwurfs nicht teilnehmen können. Ich möchte betonen, daß mit dieser Feststellung keine Kritik an den Bemühungen des Rechtsausschusses geübt werden soll. Aber ich glaube, daß dem Rechtsausschuß bei seinen Beratungen wesentliche Tatbestände einfach nicht rechtzeitig vorgetragen wurden und daß er in den Kreis seiner Überlegungen eine Reihe von Umständen nicht hat einbeziehen können, die auch ihn sicher zu einem anderen Ergebnis gebracht hätten, wenn er sie hätte berücksichtigen können. Es handelt sich einmal um den Umstand, daß die Zuweisung der Zuständigkeit für das Verfahren an die Gerichte, ein Danaergeschenk an die Justiz wäre. Sie würde die Gerichte überfordern und vor unlösbare Aufgaben stellen. Weder der Sache noch dem Personenkreis können sie gerecht werden. Bedenken Sie bitte, meine Damen und Herren von der Regierungsmehrheit, daß wir zur Zeit in der Bundesrepublik 3 1/2 Millionen Sowjetzonenflüchtlinge haben, so daß, selbst wenn sie nur den normalen Familienverteilungsschlüssel von 1 :4 nehmen, es sich also um eine runde Million von Menschen, Verfahren und Anträgen handelt, die jetzt mit einem Schwung auf die Gerichte zukämen. Den Gerichten fehlt jede Apparatur, jede Einrichtung für die Bewältigung einer solchen Aufgabe. ({0}) - Genau das hatte ich vor, zu sagen. Zum zweiten - das kommt natürlich hinzu - fehlt ihnen für die Durchführung einfach auch jede Grundlage an Erfahrung, an Vergleichsmöglichkeiten, an allen Voraussetzungen, die wir auf einer anderen Ebene, nämlich in ,dem Feststellungsverfahren für die Heimatvertriebenen bezüglich der Lastenausgleichsansprüche, seit Jahr und Tag in bewährter Weise vor uns haben. Nach meiner Meinung wäre es nicht vertretbar, wenn wir diese bewährte Einrichtung mit einem eingespielten Personalapparat, mit eingefahrenen Feststellungsgrundsätzen, Richtlinien, Praktiken beiseite ließen und einen völlig unvorbereiteten ungeschulten Justizkörper vor eine Aufgabe stellten, die für ihn sachfremd ist und für die ihm alle personellen und verwaltungsmäßigen Voraussetzungen fehlen. Wir sind also der Meinung, daß es aus diesen Gründen tatsächlich eine falsche und unzulängliche Anlage ist, Herr Kollege Benda, diese Sache über die Amtsgerichte laufen zu lassen. Wir empfehlen vielmehr dringend, das Verfahren nach dem Muster der Feststellungsbehörden zu organisieren. Und ein letztes Wort! Ich bitte um die Erlaubnis, Herr Präsident, noch das Thema der Beweiswürdigung kurz zu erörtern, damit ich nicht noch einmal zur Begründung unseres Gesamtantrages auf die Bühne kommen muß. Der Gang der Verhandlung würde dadurch beschleunigt. Wir sind der Meinung, daß die Feststellungen, die unter dem Begriff „Beweiswürdigung" getroffen wenden müssen, noch etwas konkreter gefaßt werden müssen. Es kommt ja darauf an, daß die Betroffenen einen Bescheid erhalten, der ihnen die Möglichkeit gibt, für alle gedachten Fälle mit diesem Dokument auftreten zu können. Die Bescheiderteilung muß also festgelegt werden, und es muß auch im einzelnen bestimmt sein - wie wir es in unserem Antrag vorgesehen haben -, daß das schädigende Ereignis festgestellt wird und daß auch die Art und der Umfang des erlittenen Vermögensnachteils ausdrücklich als Ergebnis der Prüfung festgehalten wird. Nur wenn das in dem Beweissicherungsverfahren als Resultat herauskommt, kann das ganze Verfahren seinen Zweck erfüllen. Deshalb empfehlen wir also, unsere Änderungsanträge in die Vorlage des Rechtsausschusses einzubauen. Meine Damen und Herren, dies kann ohne Mühe im Augenblick geschehen, weil die Prinzipien, um die es sich handelt, einfach und klar sind. ({1})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Mischnick.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der FDP-Fraktion ist ja dem Sinne nach gleich dem der SPDFraktion, obwohl die Formulierungen etwas anders lauten. Auch wir sind der Meinung, daß, nachdem Sie sich zu der Konzeption des Rechtsausschusses entschlossen haben, auf jeden Fall die Gerichte als die Stellen, bei denen die Beweise gesichert werden sollen, herausgenommen werden sollten und dafür die entsprechenden Ämter, die nach dem Feststellungsgesetz für die Feststellung der Schäden der Heimatvertriebenen zuständig sind, eingeschaltet werden sollten. Wir haben deshalb vorgeschlagen, daß ,die Ausgleichsämter als Beweissicherungsämter und die Ausgleichsausschüsse als Beweissicherungsausschüsse tätig werden. Zu den Argumenten, die Herr Kollege Rehs gebracht hat, nur noch ein paar Bemerkungen. Bitte, stellen Sie sich vor, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn jetzt die Amtsrichter in den vielen Amtsgerichten erst einmal damit vertraut gemacht werden müssen, unter welchen Voraussetzungen, in welcher Form Enteignungen stattgefunden haben. Wer von diesen Amtsrichtern weiß, daß es einen Befehl 24 gab, daß es eine Direktive 201 gab, daß in Sachsen ein Volksentscheid stattfand, daß aus diesem Volksentscheid die verschiedensten Ergebnisse herauskamen, daß es Kommissionen gab, die einzelne Betriebe herausgenommen haben, und was der Dinge mehr sind? Ich will sie hier nicht im einzelnen aufzählen, aber das sind alles Tatsachen, die man kennen muß, um bei der Beweiswürdigung - so, wie sie jetzt vorgesehen ist - zu einer richtigen Entscheidung kommen zu können. Das ist den Leuten, die im Ausweis-C-Verfahren, im Feststellungsverfahren und bei den verschiedenen Aufgaben tätig sind, die heute nach dem Flüchtlingsgesetz zu erledigen sind, bekannt. Hier ist es mit wenigen Mitteln möglich, die entsprechenden Kräfte auf das hinzuweisen, was sie zu beachten haben. Bei den Gerichten wäre es notwendig, praktisch einen Personenkreis mit Tatbeständen völlig neu vertraut zu machen, der bisher im großen und ganzen damit nichts zu tun hatte. Bitte überlegen Sie, daß bei 3,5 Millionen Sowjetzonenflüchtlingen mit rund 1 Million Anträgen zu rechnen ist. Was das bei der sowieso schon von allen beklagten Überlastung der Gerichte bedeutet, wenn alle diese Personen zu den Gerichten laufen müssen, um dort ihre Beweismittel niederzulegen, können Sie sich gar nicht vorstellen. Ich bin sicher, die Justizminister der Länder werden ihre Bedenken gegen diese Lösung sehr deutlich vorbringen. Noch ein Weiteres dazu! Der Heimatvertriebene, der ein Feststellungsverfahren durchführt und dafür eine Hauptentschädigung bekommt, geht zu einer Behörde. Der Sowjetzonenflüchtling, der eine Beweissicherung vornehmen lassen will und dafür nichts bekommt, soll zum Gericht gehen. Da entsteht doch bei dem Sowjetzonenflüchtling der Eindruck, daß er von vornherein als weniger glaubwürdig angesehen wird als der Heimatvertriebene, der zu einem normalen Amt geht. Es wird damit erreicht, daß der Sowjetzonenflüchtling von vornherein zu der Überzeugung kommt: hier wird ein anderer Maßstab angelegt als bei den Heimatvertriebenen. Genau das wollen wir nicht, daß nämlich bei Flüchtlingen und Heimatvertriebenen unterschiedliche Maßstäbe angelegt werden. Bedenken Sie darüber hinaus, was Sie in § 11 geschrieben haben: daß eine Abweisung eines Antrages gebührenpflichtig ist; im Gegensatz dazu wird beim Heimatvertriebenen die Gebührenfreiheit als Selbstverständlichkeit angesehen. Sie dürfen sich dann nicht wundern, daß beim Sowjetzonenflüchtling der Eindruck entsteht: man will ihm einfach nicht das gleiche primitive Recht geben, bei der normalen Amtsbehörde wie jeder Heimatvertriebene die Beweise für seine Schäden, seine Verluste mit den vorhandenen Beweismitteln sichern zu lassen. Aus diesem Grunde bitten wir, unserem Antrag Umdruck 909 zuzustimmen, der, wie gesagt, mit dem SPD-Antrag nicht gleichlautend ist, aber dem Sinne nach ihm entspricht.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Das Wort hat der Abgeordnete Benda.

Prof. Dr. Ernst Benda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000139, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versage es mir auch hier, auf alle Einzelheiten einzugehen, und zwar deswegen, weil die Dinge, die hier vorgetragen worden sind, im Ausschuß sehr eingehend und sehr intensiv behandelt worden sind. Gestatten Sie mir aber eine allgemeine Bemerkung. Der Herr Kollege Rehs hat in sehr netter und sehr richtiger Weise mitgeteilt, daß er persönlich an den Ausschußberatungen nicht beteiligt gewesen sei. Auch der Herr Kollege Mischnick, der dem Rechtsausschuß nicht angehört, war an den Beratungen nicht beteiligt. Beide haben sicher triftige Gründe gehabt; ich mache niemandem von ihnen einen Vorwurf. Ich möchte aber diese Gelegenheit dazu benutzen, das Hohe Haus darauf aufmerksam zu machen, daß die Fraktion der SPD den Beratungen ,dieses Gesetzentwurfs im Rechtsausschuß gegenüber eine totale Gleichgültigkeit an den Tag gelegt hat. ({0}) Das sieht folgendermaßen aus. Der Gesetzentwurf ist beraten worden in der 140. Sitzung des Rechtsausschusses am 1. März 1961, in der 141. Sitzung am 2. März 1961, in der 143. Sitzung am 12. April und in der 144. Sitzung am 13. April. ({1}) In diesen Sitzungen war die Fraktion der SPD wie folgt vertreten. Am ersten Tage, an dem die allgemeinen Grundsätze besprochen wurden, durch den Herrn Mitberichterstatter und gelegentlich durch den einen oder anderen Kollegen.

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter Benda, ist das wirklich notwendig -? Ich bitte um Entschuldigung, es ist eine bescheidene Frage.

Prof. Dr. Ernst Benda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000139, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung - - ({0}) - Herr Präsident, ich halte es für notwendig, diese Feststellungen zu treffen. Am 2. März, ({1}) an dem die Entscheidungen im Ausschuß gefallen sind, ({2}) war die Fraktion der SPD während der achtstündigen Beratungen für die Dauer von dreiviertel Stunden durch einen Kollegen vertreten, der allerdings erklärte, die Materie nicht zu kennen. In der vorletzten und letzten Sitzung war die Fraktion der SPD wiederum durch je einen Kollegen vertreten. ({3}) Meine Damen und Herren, wir haben im Laufe des heutigen Tages manche Gedanken darüber anstellen können, ob es zweckmäßig ist, Ausschußberatungen in diesem Hause anzusetzen. In die Ausschüsse nicht zu gehen und dann alles, was in den Ausschüssen verhandelt worden ist, in Unkenntnis der dort ausgetauschten Argumente vor das Plenum zu bringen, halte ich für meine Person für eine unmögliche Methode. (] ({4}) Zu einem Einzelpunkt - ich wende mich wiederum speziell an die Fraktion der SPD -: Es ist die Frage aufgeworfen worden, warum eigentlich nicht Behörden mit der Angelegenheit beauftragt werden sollten. Ich möchte im Augenblick nicht die Frage untersuchen, welche Behörde es sein sollte. Wenn die Kolleginnen und Kollegen der SPD an den Beratungen des Rechtsausschusses teilgenommen hätten, hätten sie feststellen können, daß der hier von ihnen wieder vorgebrachte Vorschlag nach übereinstimmender Meinung der Mitglieder des Rechtsausschusses auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt. Wir haben heute morgen eine Reihe von freundlichen Worten darüber gehört, in welcher - ich zitiere Herrn Kollegen Jahn - „liederlichen Weise" angeblich die Mehrheit dieses Hauses mit der Verfassung umgehe. Ich wäre dankbar, wenn ein Kollege der SPD aus dem Rechtsausschuß, falls noch einer im Raum ist, auf folgende Feststellungen einginge, die der Rechtsausschuß übereinstimmend getroffen hat. Das Verfahren der Ausführung von Bundesgesetzen durch Länder wird durch Art. 83 und 84 des Grundgesetzes geregelt. Art. 83 bestimmt, daß Bundesgesetze von den Ländern als eigene Angelegenheiten ausgeführt werden. Art. 84 bestimmt, daß der Bund nicht berechtigt ist, das Verfahren von Länderbehörden zu regeln. Art. 120 a, der die Möglichkeit der Einrichtung der Feststellungsämter und der Durchführung des Verfahrens durch BundesgeBenda setz gibt, gilt für den Bereich des Lastenausgleichs, zu dem die vorliegende Materie nicht gehört. - Das ist ein verfassungsrechtliches Argument, das vom Rechtsausschuß anerkannt worden ist. Ich bitte dazu Stellung zu nehmen, wenn Sie das hier können, ({5}) und sonst hier derartige Anträge nicht mehr zu stellen. Ich kann mir ein Eingehen auf die weiteren sachlichen Punkte im Augenblick ersparen, obwohl da-dazu noch einiges zu sagen wäre. Ich bin gern bereit, auch Stellung zu nehmen. ({6})

Dr. Thomas Dehler (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000364

Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der FDP auf Umdruck 909. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Ich lasse abstimmen über den in der Sache damit übereinstimmenden Antrag der Fraktion der SPD Umdruck 916 Ziffer 1. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich Zeichen zu geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wer § 3 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? Bei einer großen Zahl von Enthaltungen angenommen. Ich rufe auf § 4. Der Antrag Umdruck 916 Ziffer 2 ist wohl erledigt. ({0}) Wir können also über § 4 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen. Zu § 5 liegt der Änderungsantrag der FDP Umdruck 910 und der Änderungsantrag der SPD Umdruck 916 Ziffer 3 vor. Wird der Antrag der FDP noch begründet? ({1}) - Wir stimmen dann über den Änderungsantrag Umdruck 910 ab. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit abgelehnt. Wer dem Änderungsantrag Umdruck 916 Ziffer 3 zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Wir stimmen dann über § 5 ab. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen mit Mehrheit angenommen. Zu § 6 liegt der Änderungsantrag der SPD Umdruck 916 Ziffer 4 vor. Er ist wohl gegenstandslos geworden. ({2}) - Dann können wir über § 6 abstimmen. Wer zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen. § 7. Der Antrag Umdruck 916 Ziffer 5 ist lediglich ein Streichungsantrag. Wir stimmen positiv ab. Wer § 7 zuzustimmen wünscht, gebe bitte Zeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen angenommen. § 8. Hierzu liegen der Änderungsantrag der FDP Umdruck 911 Ziffer 1 - Streichung der Worte „nach Möglichkeit" -, dann der Antrag der CDU/CSU Umdruck 903 Ziffer 1 auf Streichung und der Antrag der FDP Umdruck 911 Ziffer 2 sowie der Antrag der SPD Umdruck 916 Ziffer 6 auf Streichung vor. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eichelbaum.

Ernst Theodor Eichelbaum (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte um die Erlaubnis, die auf Umdruck 903 unter den Ziffern 1 bis 6 zusammengestellten Anträge gemeinsam zu begründen, weil sie zusammengehören. Meine Damen und Herren, wer die Geschichte dieses Gesetzes nicht kennt, hat vielleicht durch die bisherige Aussprache schon etwas von der Leidfülle und Dramatik dieses Gesetzes und seines Werdeganges erfahren. Es ist leider nicht mehr die Zeit, das im einzelnen zu schildern. In der Beurteilung des Problems liegen grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten vor. Zu schwierigen Debatten und manchen Gegensätzen haben auch terminologische Mißverständnisse über die Ausdeutung der Begriffe und des Titelbegriffs beigetragen. Solche terminologischen Schwierigkeiten sind manchmal noch verhängnisvoller als Meinungsverschiedenheiten. Ich muß hier erklären, daß sich wahrscheinlich manches hätte vermeiden lassen, wenn es dem federführenden Ausschuß gelungen wäre, mit den Betroffenen und Beteiligten in eine persönliche und sachliche Fühlung zu kommen. ({0}) - Herr Kollege Benda hat einen Entwurf gemacht, Herr Kollege Rehs, den Sie genauso loben, wie ich ihn gelobt habe. Aber wir haben uns hier mit dem zu befassen, was uns der Rechtsausschuß als Ganzes vorlegt. Meine persönliche Stellung zu dem Problem habe ich außerhalb dieses Hauses mündlich und schriftlich und im Druck bekanntgegeben. Ich brauche das nicht auszuführen. Das Hauptbedenken war, daß dein Antragsteller am Ende des Verfahrens irgend etwas in die Hand gegeben werden soll, was seine Bemühungen rechtfertigt, wenn sie ein Ergebnis haben, das positiv zu werten ist. Etwas, was seinem Rechtsverlangen entspricht, was sein durch die Maßnahmen in der Zone „verletztes Rechtsbewußtsein befriedigt". Hiermit zitiere ich die Worte, mit denen ich in der ersten Lesung den Entwurf der FDP begleitet habe. ({1}) Das ist politisch und psychologisch von größerer Bedeutung, als manche denken. Der Änderungsantrag, der einem Freundeskreis entstammt und von der CDU als Antrag aufgenommen ist, sucht dieses Bedenken auszuräumen. Er ist im ganzen zu sehen. Das Entscheidende steht in dem neu eingefügten § 9 a und in dem Antrag Ziffer 4 des § 10: „Das Ergebnis der Prüfung nach § 9 a" soll in der Bescheinigung stehen. Es ist der Einwand zu erwarten, daß der vorgelegte Änderungsantrag, die Einfügung eines § 9 a und einer Ziffer 4 zu § 10, noch nicht in vollem Maße das Rechtsbegehren auf eine klare Entscheidung, auf eine Bestätigung des eigentumsfeindlichen Sachverhalts enthielte. Sicher ist - das sage ich ganz offen - das Gesetz, wie ,es vorliegt, kein vollkommenes Gebilde. Aber im Rahmen dieses nun einmal vom Rechtsausschuß vorgelegten Gesetzes entspricht der Antrag dem von mir geschilderten Begehren. Er ermöglicht die Verabschiedung des Gesetzes und enthebt uns der Notwendigkeit, das Gesetz an einen Ausschuß zurückzuverweisen, also praktisch gesehen, es unerledigt zu lassen. Das ist die. Überlegung, vor der wir standen. Das ist die Überlegung, aus der dieser Änderungsantrag stammt. Die Formulierung des § 9 a ist juristisch äußerst vorsichtig gefaßt. Sie gibt aber dem Geschädigten das Gefühl, daß die mit dem Verfahren befaßte Instanz ihn nicht ohne Antwort läßt und ihm die Erwiderung gibt, auf die er als Vorbringer der Beweismittel, wie ich meine, einen Anspruch hat. Bei ernster Abwägung aller Möglichkeiten erscheint mir mit dieser Änderung auf Umdruck 903 das Gesetz sinnvoll anwendbar. Ich würde mich freuen, wenn nach so langen, schwierigen und vielfach dramatischen Verhandlungen nun durch die Annahme dieses Antrages bei den Betroffenen eine gewisse Befriedigung und eine Beruhigung eintreten könnte. Ich empfehle Ihnen daher, zugleich im Namen der CDU/CSU-Fraktion, die Annahme des Antrags auf diesem Umdruck. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Mischnick!

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gleichzeitig die Anträge auf den Umdrucken 911, 912 und 913 begründen. Die Anträge auf den drei Umdrucken entsprechen den Vorschlägen der CDU/CSU auf Umdruck 903 in den Ziffern 1, 2 und 3 bis auf einen Unterschied. Zunächst der Antrag auf Umdruck 911 Ziffer 1. Wir bitten, die Worte „nach Möglichkeit" in § 8 Abs. 1 Satz 2 zu streichen, weil wir es für notwendig halten, daß die Betreffenden bei der Beweiserhebung dabei sein sollten. Ich weiß zwar, daß im Bericht von dem Herrn Berichterstatter geschrieben worden ist, daß man Sorge habe, daß der Richter in Notfällen nicht in der Lage sei, den Betroffenen noch rechtzeitig vorzuladen. Ich glaube aber, daß das doch der Ausnahmefall sein wird. Durch die Streichung wird auf jeden Fall sichergestellt, daß der Betroffene grundsätzlich dabei ist, wenn eine solche Beweiserhebung mit Zeugen usw. stattfindet. Die Anträge auf Umdruck 911 Ziffer 2, Umdruck 912 und Umdruck 913 decken sich mit den Vorschlägen der CDU/CSU. Die Formulierung des CDU-Vorschlages in Umdruck 903 für den § 9 a scheint mir stilistisch besser zu sein als unser eigener Vorschlag. Ich werde deshalb dem Vorschlag der CDU/ CSU zustimmen und dann den Antrag auf Drucksache 913 für erledigt erklären. Zu den anderen Punkten werde ich später Stellung nehmen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wir nicht gewünscht. Abstimmung zunächst über den Antrag auf Umdruck 911 Ziffer 1 - Änderungsantrag der Fraktion der FDP -. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt. Nun kommen gleichlautend die Anträge auf Umdruck 903 unter Ziffer 1 der CDU/CSU und auf Umdruck 911 unter Ziffer 2. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl Enthaltungen sind die beiden gleichlautenden Anträge angenommen. Nun stehe ich vor dem Antrag auf Umdruck 916 unter Ziffer 6. Dieser Antrag ist gegenstandslos, weil der Antrag der SPD zu § 3 abgelehnt worden ist, Herr Kollege Rehs? ({0}) Das waren die beiden Änderungsanträge zu § 8. Wer § 8 in der so geänderten Fassung zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 8 ist angenommen. § 9! Änderungsantrag Umdruck 903 Ziffer 2! ({1}) - Ist begründet! Weiter: Änderungsantrag auf Umdruck 912; das ist ein Antrag der Fraktion der FDP. Beide Anträge sind gleichlautend. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer diesen Änderungsanträgen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Diese Änderungsanträge sind bei einigen Enthaltungen angenommen. Wer § 9 in der so geänderten Fassung zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 9 ist in der geänderten Fassung angenommen. Präsident D. Dr. Gerstenmaier § 9 a, Änderungsantrag der Fraktion der CDU/ CSU auf Umdruck 903 Ziffer 3 sowie Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Umdruck 913! ({2}) - Der Antrag auf Umdruck 913 ist zurückgezogen. Wird das Wort zu dem Antrag auf Umdruck 903 Ziffer 3 gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag auf Umdruck 903 Ziffer 3 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Anzahl Enthaltungen angenommen. Das bedeutet, daß wir einen § 9a eingefügt haben. § 10! Zu diesem Paragraphen liegt zunächst ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 916 Ziffer 8 vor. ({3}) - Stimmt das, daß dieser Antrag überholt ist? ({4}) - Aber abstimmen müssen wir über diesen Antrag noch? ({5}) - Gut, begründet ist er. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer diesem Änderungsantrag auf Umdruck 916 Ziffer 8 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Weiter liegt hierzu noch ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 903 Ziffer 4 vor. ({6}) - Ist begründet. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag auf Umdruck 903 Ziffer 4 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen. Weiter liegt zu dem § 10 noch ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf' Umdruck 914 vor. Die Ziffern 1 und 2 dieses Antrages sind noch nicht begründet. Herr Abgeordneter Mischnick, wollen Sie begründen? - Bitte sehr!

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ziffer 2 unseres Antrages auf Umdruck 914 ist durch die Annahme des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf Umdruck 903 Ziffer 4 erledigt, nicht aber die Ziffer 1 unseres Antrages. Mit unserem Antrag auf Umdruck 914 Ziffer 1 wollen wir eine Ergänzung des § 10 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 erreichen. Nach dem bisher vorliegenden Text dieser Nr. 2 soll die Bescheinigung nur die Bezeichnung der Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte enthalten, über die Beweise gesichert worden sind. Wir möchten, daß in der Bescheinigung auch der Vermögensgegenstand aufgeführt wird, auf den sich die Maßnahmen oder Rechtsgeschäfte bezogen haben, soweit darüber Beweise gesichert worden sind. Hier handelt es sich also um eine Ergänzung zu dem Antrag der CDU/CSU auf Umdruck 903 Ziffer 4. Deshalb muß über diesen Antrag noch abgestimmt werden. Die Ziffer 3 unseres Antrages auf Umdruck 914 ist gleichlautend mit dem Antrag der CDU/CSU auf Umdruck 903 Ziffer 5. Nach beiden Anträgen soll § 10 Abs. 2 gestrichen werden. Unser Antrag auf Umdruck 914 Ziffer 4 unterscheidet sich dagegen wieder von dem Antrag der CDU/CSU auf Umdruck 903 Ziffer 6. Zunächst muß also über unseren Antrag auf Umdruck 914 Ziffer 1 abgestimmt werden. Unser Antrag unter Ziffer 2 ist erledigt. Der Antrag unter Ziffer 3 ist gleichlautend mit dem Antrag der CDU/ CSU, und unser Antrag unter Ziffer 4 ist noch offen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Kann über Ihren Antrag gemeinsam abgestimmt werden, oder muß nacheinander über die einzelnen Ziffern abgestimmt werden?

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es muß getrennt abgestimmt werden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wie soll ich in der Geschwindigkeit entscheiden, welches der weitergehende Antrag ist? - Herr Kollege Mischnick, welches ist der weitergehende Antrag? ({0}) - Welcher ist der weitergehende, Herr Kollege Benda? - Ich muß mich hier auf das Urteil der Sachverständigen verlassen. Der FDP-Antrag ist der weitergehende; über ihn wird zuerst abgestimmt. Umdruck 914 Ziffer 1, Antrag der Fraktion der FDP. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Antrag Umdruck 903 Ziffer 4. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen ist dieser Antrag angenommen. Dann kommt der Antrag Umdruck 914 Ziffer 4 der Fraktion der FDP. Er ist begründet. Wird das Wort dazu gewünscht? - Herr Abgeordneter Benda.

Prof. Dr. Ernst Benda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000139, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier besteht eine redaktionelle Unstimmigkeit. Der Antrag stimmt inhaltlich mit dem auf Umdruck 903 Ziffer 6 überein. Ich darf die Antragsteller nur darauf aufmerksam machen, daß nach ihrem Antrag der Hinweis auf den § 9 Abs. 2 Satz 3 nicht gestrichen werden soll, der aber bereits durch vorangegangene Beschlüsse gestrichen ist. Ich würde Ihnen, Herr Kollege Mischnick, empfehlen, daß Sie Ihren Antrag zurückziehen. Denn das, was Sie wollen, wird, soweit ich es erkennen kann, sachlich durch unseren Antrag vollauf erfüllt. ({0}) - Einverstanden.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Sie sind einverstanden; „auf Verlangen" im CDU-Antrag wird gestrichen. Ich lasse abstimmen über den Antrag Umdruck 903 Ziffer 6 der Fraktion der CDU/CSU. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. ({0}) - Mit der Streichung von „auf Verlangen". - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen ist dieser Antrag in der geänderten Fassung angenommen. Damit, meine Damen und Herren, sind die Anträge zu § 10 erleidigt. Ich hoffe jedenfalls, nichts übersehen zu haben. § 10 in der so geänderten Fassung. Wer zustimmen will, gebe ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen ist § 10 in so geänderter Fassung angenommen. § 11, Änderungsantrag Umdruck 916 Ziffer 9 der Fraktion der SPD. - Herr Kollege Rehs.

Reinhold Rehs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine ganz kurze Bemerkung zur Begründung dieses Antrags. Ich halte es einfach für unvertretbar, daß in § 11 der Ausschußvorlage vorgesehen ist, daß bei Zurückweisung des Antrags eine Gebühr von 50 DM und im Beschwerdeverfahren sogar eine Gebühr von 100 DM erhoben wird. Meine Damen und Herren, ,das kommt einer Strafandrohung für dein Fall der Stellung des Antrags gleich. Dadurch wird bei der Ungewißheit über den Ausgang eines Antragsverfahrens natürlich praktisch jeder abgeschreckt. Wenn Sie also dem Sinn dieses Verfahrens noch mehr zuwiderhandeln wollen, dann lassen Sie die Bestimmung stehen. Andernfalls bitte ich Sie, dem Antrag der Fraktion der SPD zu entsprechen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Benda.

Prof. Dr. Ernst Benda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000139, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht sicher, Herr Kollege Rehs, ob hier nicht ein Mißverständnis vorliegt. Die mögliche Gebühr nach § 11 Satz 2 betrifft einmal den Fall, den Sie zutreffend geschildert haben, die Zurückweisung des Antrags, und die weitere Gebühr von 100 DM die Verwerfung oder Zurückweisung einer Beschwerde. Das Schlußverfahren war ja nach dem bisherigen Wortlaut, bevor wir also die Änderungsanträge vorhin angenommen hatten, überhaupt unanfechtbar. Das Verfahren der Beschwerde gegen einen ungünstigen Schlußbescheid, das jetzt nach Streichung des § 10 Satz 2 möglich ist, ist in jedem Falle kostenfrei. Die Kostenfolge des § 11 betrifft also nur den Fall, daß nach § 7 des Entwurfs in einem Zwischenverfahren festgestellt wird, daß die Voraussetzungen des § 1 überhaupt nicht vorliegen. Das heißt mit anderen Warten, hoffentlich ein bißchen klarer, daß jemand einen Antrag eingereicht hat, obwohl das, was er begehrt, überhaupt nicht unter das Gesetz fällt. Ich würde es nicht für unbillig halten, einen solchen Fall, in dem also der Schuß einfach danebengeht, weil der Betreffende sich nicht vergewissert hat, worum es sich handelt und ob die Voraussetzungen vorliegen, mit einer Gebühr, die in einer angemessenen Höhe hier vorgesehen ist, zu belegen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Mischnick.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Antrag Umdruck 915, der die Streichung des Satzes 2 in § 11 verlangt, hat dasselbe Ziel: daß keine Zahlung geleistet werden soll, wenn ein Antrag zurückgewiesen wird. Herr Kollege Benda, wenn Sie sagen, derjenige, der einen Antrag einreicht, der offensichtlich nicht unter § 1 fällt, solle praktisch eine Buße zahlen, dann überfordern Sie diejenigen, die den Antrag stellen wollen. Sie können doch nicht von diesen dreieinhalb Millionen Flüchtlingen erwarten, daß sie alle sich genau der Konsequenzen bewußt sind, die dieser § 1 für sie hat. Es ist unbillig, dem Flüchtling 50 DM oder gar - wenn er sich beschwert - 100 DM abzuverlangen, nur weil er nicht fähig war, die Bedeutung des § 1 dieses Gesetzes richtig zu erfassen. Jeder Heimatvertriebene kann sein Feststellungsverfahren durchführen; wird es abgelehnt, hat er dafür keine Gebühr zu zahlen. Hier muß der Sowjetzonenflüchtling gleichgestellt werden mit dem Heimatvertriebenen, der nicht mit einer Gebühr belastet wird, wenn sein Verfahren nicht durchgeführt wird. Deshalb bitten wir, dem Antrag zuzustimmen. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Mischnick. Was steht denn in § 351 des Lastenausgleichsgesetzes? ({0}) - Ich muß das wissen, um entscheiden zu können, welches der weitergehende Antrag ist.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Der weitergehende Antrag ist 915.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich kann ja nicht wissen, was in dem § 351 steht.

Reinhold Rehs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In § 351 des Lastenausgleichsgesetzes steht, Herr Präsident, daß die Kosten des Verfahrens der Bund trägt.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich muß es ja wissen, um zu entscheiden, welcher Antrag der weitergehende ist.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das sind aber auch die Durchführungskosten, während unser Antrag nur darauf abstellt, daß keine Gebühr gezahlt wird. Deshalb muß über diesen unseren Antrag zunächst abgestimmt werden. Deutscher Bundestag 3. Wahlperiode

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das ist der weitergehende?

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Benda.

Prof. Dr. Ernst Benda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000139, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es tut mir sehr leid, aber über § 351 LAG haben wir ja auch längere Zeit im Rechtsausschuß gesprochen. Da steht nun genau das nicht darin, was hier gesagt worden ist. In § 351 LAG steht, daß der Bund den Ländern die Hälfte der aus der Durchführung des Lastenausgleichsgesetzes entstehenden Kosten erstattet. Das ist also eine völlig andere Frage. Ich hoffe also, daß wir die Dinge hier einigermaßen auseinanderhalten. Es betrifft wirklich nicht das Problem, über das wir uns im Augenblick unterhalten.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich lasse zuerst über den Antrag der FDP Umdruck 915 abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Änderungsantrag der FDP Umdruck 915 ist abgelehnt. Änderungsantrag der SPD Umdruck 916 Ziffer 9! Wer zustimmen will, gebe ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; auch dieser Änderungsantrag ist abgelehnt. § 11 in der Fassung des Ausschusses! Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen ist § 11 der Ausschußfassung angenommen. § 12, § 13, Einleitung und Überschrift. Keine Änderungsanträge, keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, gebe bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen. Dritte Lesung. Allgemeine Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter. ({0}) - Zur Abstimmung. - Wird das Wort zur Generalaussprache, zur allgemeinen Aussprache in dritter Lesung gewünscht? - Es wird nicht gewünscht. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen. Änderungsanträge liegen nicht vor. Zur Abstimmung Frau Abgeordnete Korspeter.

Lisa Korspeter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Im Namen der Fraktion der SPD gebe ich zur Schlußabstimmung über den vorliegenden Entwurf eines Gesetzes über die Sicherung von Beweisen in besonderen Fällen folgende Erklärung ab: Meine Fraktion unterstützt die berechtigte Forderung unserer geflüchteten mitteldeutschen Landsleute, eine rechtzeitige Sicherstellung der Beweismittel über die durch die sowjetischen Zonenmachthaber erlittenen Enteignungs- oder diesen wirtschaftlich gleichstehenden Maßnahmen zu ierlangen, da die gegenwärtig vorhandenen Möglichkeiten einer Beweissicherung nach der Zivilprozeßordnung in keiner Weise den Forderungen nach Sicherstellung der Beweise entsprechen. Wir halten die Schaffung einer neuen gesetzlichen Regelung für dringend lerforderlich, Der vorliegende Entwurf erfüllt nicht die Forderungen, die wir im Interesse der Flüchtlinge an dieses Gesetz stellen müssen. Bedauerlicherweise hat die Mehrheit des Hauses in der zweiten Lesung unsere Änderungsanträge, in dienen wir die Zuständigkeit der bestehenden Feststellungsbehörden und eine Beweiswürdigung forderten, abgelehnt. Die SPD-Fraktion hält aber nur ein Gesetz für sinnvoll, das neben einer Beweissicherung gleichzeitig auch eine Beweiswürdigung, d. h. eine Feststellung der erwiesenen Tatsachen, vorsieht und die Durchführung den Feststellungsbehörden überträgt. Der vorliegende Gesetzentwurf erfüllt diese Grundforderungen nicht. Wir bedauern auch, daß unserem Antrag nicht stattgegeben wurde, jenen Deutschen, die in der sowjetisch-besetzten Zone ausharren, die Möglichkeit der Beweissicherung zu geben. Die SPD-Fraktion sieht sich aus Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen, die vom Parlament eine gerechte Lösung erhofften, nicht in der Lage, diesem unzureichenden Gesetzentwurf die Zustimmung zu geben. Darüber muß ich in diesem Zusammenhang noch sagen, wir bedauern die Ausführungen von Herrn Benda. Die Regierungsmehrheit hatte es in der Hand, zu verhindern, daß die Beratungen dieses Gesetzentwurfs sich bis in die letzte Spanne der Legislaturperiode hineinzogen, in der alle Mitglieder der Ausschüsse, und ich darf wohl sagen: besonders die Mitglieder des Rechtsausschusses, überfordert sind und, Herr Benda, besonders die Mitglieder der Opposition, die nicht die Hilfe der Ministerien zur Seite haben. ({0}) Deshalb halten wir die Art der Behandlung, die Herr Benda hier an den Tag gelegt hat, für unfair. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat Herr Abgeordneter Mischnick.

Wolfgang Mischnick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001512, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Freien Demokraten bedauert, daß die Vorlage Drucksache 435 in dem vorliegenden Gesetzentwurf in 'der zweiten Lesung eine solche Form gefunden hat, daß !wir uns nicht in der Lage sehen, dieser Vorlage zuzustimmen. Wir haben uns bemüht, mil der Vorlage des Gesetzentwurfs über Beweissicherung Drucksache 435 den Anstoß zu geben, um eine Beweissicherung für die Sowjetzonenflüchtlinge zu gewährleisten. Wir erkennen dankbar an, daß der Herr Kollege Benda den Versuch gemacht hat, durch einen eige9174 nen Entwurf unseren Entwurf Drucksache 435 in eine Form zu bringen, die es allen Teilen des Hauses möglich gemacht hätte, ihr zuzustimmen. Wir bedauern, daß er bei seiner eigenen Fraktion keine Mehrheit gefunden hat und daß die Bundesregierung nicht bereit war, diesem guten Entwurf zuzustimmen. Die FDP-Fraktion bedauert, daß in der zweiten Lesung eine Reihe von Änderungsanträgen, die in der Sache eine wesentliche Besserstellung gebracht hätten, ohne daß die von der Mehrheit dieses Hauses gewollte Konzeption durchbrochen worden wäre, abgelehnt worden sind. Sie sieht darin den Versuch, trotz aller Bemühungen, eine gemeinsame Basis zu finden, diese Vorschläge rücksichtslos niederzustimmen. ({0}) Wir sind überzeugt, daß der 4. Bundestag als eine seiner ersten Tätigkeiten eine Novellierung dieses Gesetzes vornehmen muß, wie es bereits von Mitgliedern der Mehrheitsfraktion dieses Hauses zugestanden worden ist. Wir bedauern, daß die Gerichte in der nächsten Zeit mit Aufgaben belastet werden, die nicht ihres Amtes sein sollten und die von ihnen nicht gewollt sind. Die Fraktion der Freien Demokraten hofft, daß die Einsicht bald kommen wird, daß auch den Sowjetzonenflüchtlingen in bezug auf die Feststellung ihrer Schäden das gleiche Recht zuteil werden muß wie den Heimatvertriebenen. Die FDP-Fraktion sieht sich aus all diesen Gründen nicht in der Lage, dem Gesetzentwurf ihre Zustimmung zu geben. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Keine weiteren Wortmeldungen? - Abstimmung! Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung angenommen. Punkt 18 der Tagesordnung: Zweite Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Tarifvertragsgesetzes ({0}) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({1}) ({2}). ({3}) Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Ich bedanke mich. Ich rufe die Art. 1 und 2, Einleitung und Überschrift auf. Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth!

Dr. Karl Atzenroth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! Einige meiner Kollegen haben vorhin ihr Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, in welcher Form wir die heutige Tagesordnung abwickeln. Ich möchte mich diesem Ausdruck des Bedauerns anschließen. Man wird ,die Frage an uns richten, warum wir zu den verschiedenen Tagesordnungspunkten sprechen. Meine Damen und Herren von der Regierungspartei, für Sie ist die Sache leicht. Sie wären sehr schnell damit fertig, wenn alle Tagesordnungspunkte in gemeinsamer Abstimmung einfach angenommen würden. Aber wir können es bei diesen leren Tribünen nicht zulassen, daß die Anträge ohne Aussprache angenommen werden, ohne daß die Öffentlichkeit unsere Argumente kennen lernt, die wir gegen bestimmte Anträge vorzubringen haben, wenn diese Argumente auch nur im Protokoll niedergelegt werden. Das, was wir im Ausschuß gesagt haben, ist der Öffentlichkeit ja leider nicht zugänglich. Infolgedessen ist diese Sitzung mit einer leider so bedauerlich langen Aussprache notwendig. Ich komme zu dem jetzigen Tagesordnungspunkt. Zunächst ein Wort zu dem Schriftlichen Bericht! Es ist im 'allgemeinen nicht üblich, in einem Bericht Vermutungen auszusprechen; zumindest ist es peinlich, wenn sich die Vermutungen als falsch erweisen. Man darf nicht Vermutungen über die Absichten, die den Antragsteller zu einer Zurücknahme bewogen haben, äußern. Jedenfalls ist die hier geäußerte Vermutung unzutreffend. Im übrigen hat der Herr Berichterstatter die Motive richtig dargestellt, die uns zur Einbringungdieses Gesetzentwurfs im vergangenen Bundestag und zur erneuten Einbringung in diesem Bundestag bewogen haben. Eine Mahnung, einen Appell zu einem volkswirtschaftlich richtigen Verhalten an die Tarifpartner zu richten, ist der tiefere Sinn dieses Antrages gewesen und ist es heute noch; die Mahnung erhalten wir heute noch aufrecht. Wir freuen uns, daß die Mehrheit - beide großen Parteien - unsere Motive insoweit anerkannt hat, als in dem Entschließungsantrag ungefähr dieselben Gedanken enthalten sind, die den Grundinhalt unserer Anträge bildeten. Wir sind mit Ihnen darin nicht einig, daß man den Weg der Seelenmassage gehen sollte. Herrn Erhard ist das sehr selten gut bekommen; er hat sehr selten damit Erfolg gehabt. Wir fürchten, daß der einfache Appell an die Tarifpartner nicht immer ausreichend sein wird. Uns wäre eine feste gesetzliche Fundierung lieber gewesen. Aber wir müssen uns der Mehrheit fügen und werden uns Ihrem Appell, der entsprechend unseren Wünschen formuliert ist, anschließen, insbesondere deswegen, wie ich hinzufügen möchte, weil im Moment aus der allgemeinen wirtschaftlichen Lage heraus die Gefahr nicht gegeben ist, daß die äußersten Kampfmittel zu schnell ergriffen werden. Aber wir sind nicht der Meinung, daß damit das derzeitige Verhalten der Tarifpartner gerechtfertigt werden kann und daß dieses Verhalten keinen Grund zu Besorgnissen gibt. Ihr Wirtschaftsminister hat ja selber vor einiger Zeit, als er Maßnahmen zur Konjunkturdämpfung ergriffen zu haben glaubte - sie haben sich ja schon als recht unwirksam erwiesen -, Versuche gemacht, in das Verhalten der Tarifpartner einzugreifen. Er ist damit gescheitert; er ist zunächst in Kreuznach gescheitert, und er ist bei der Bauindustrie gescheitert. Meine Mahnung richtet sich völlig gleichmäßig an beide Tarifpartner. Das, was bisher geschehen ist, verleitet also nicht zu guten Hoffnungen für unsere weitere wirtschaftliche Entwicklung, und wir glauben, daß hier etwas geschehen müßte. Wir sehen die Entwicklung deswegen als besonders ungünstig an, weil wir Ihnen, meine Damen und Herren von der Regierungspartei, und Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, den Vorwurf nicht ,ersparen können, daß einen Anreiz zu einem solchen ungünstigen Verhalten die dynamische Rentenreform gegeben hat. Jedes Bedenken bei Verhandlungen über die Höhe der Löhne, ,das früher im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Rentner noch vorhanden war, ist heute völlig geschwunden; heute ist man von einem solchen Bedenken völlig frei. Man kann also sein Verhalten nach seinen eigenen Zielen und seinen eigenen Wünschen gestalten; man hat nur noch wenig Hemmungen. Das muß doch Befürchtungen allerschlimmster Art für unsere Währung erwecken, und das ist der Grund, weshalb wir außer dem Entschließungsantrag, den wir wohl alle gemeinsam annehmen wollen, noch einen weiteren Entschließungsantrag vorgelegt haben, der auf Umdruck 871 ({0}) enthalten ist und der besagt, daß die Bundesregierung ersucht wird, „Vorsorge dafür zu treffen, daß die Öffentlichkeit über die möglichen volkswirtschaftlichen Auswirkungen des Neuabschlusses von Tarifverträgen von allgemeiner Bedeutung" - diese drei Worte sind im Umdruck 871 ({1}) hinzugefügt worden - „unterrichtet wird". Ich möchte mich auf ein Beispiel beschränken. Ich weiß nicht, ob es nicht Eindruck bei den Tarifverhandlungen gemacht hätte, wenn man erfahren hätte, daß gewisse Tariferhöhungen die sofortige Folge gehabt haben, daß der Straßenbahntarif in München von 35 Pf auf 50 Pf erhöht werden mußte, - eine unmittelbare Folge von Abmachungen der Tarifpartner. Meine Damen und Herren! Wir sind der Meinung, daß, wenn sich aus dem Verhalten der Tarifpartner nicht Gefahren für die Beständigkeit unserer Währung ergeben sollen, die Bundesregierung handeln muß, und dazu soll sie unser Antrag veranlassen. ({2})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich frage den Herrn Berichterstatter: wollen Sie etwas sagen? ({0}) - Als Berichterstatter also nicht. Das Wort hat der Abgeordnete Scheppmann.

Heinrich Scheppmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001958, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wirtschaftsausschuß als mitberatender Ausschuß und der Arbeitsausschuß als federführender Ausschuß haben sich übereinstimmend für eine Ablehnung des vorliegenden Gesetzentwurfs ausgesprochen. Ich will zu den Äußerungen, die Herr Kollege Dr. Atzenroth eben vorgetragen hat, in Anbetracht der vorgerückten Stunde nicht mehr Stellung nehmen. Ich bitte daher das Hohe Haus, dem Antrag des Ausschusses für Arbeit zu folgen, den Gesetzentwurf, der von der FDP beantragt worden ist, abzulehnen und zweitens dem Entschließungsantrag in der Fassung, die ihm vom Ausschuß für Arbeit und vom mitberatenden Ausschuß für Wirtschaft gegeben worden ist, zuzustimmen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Herr Abgeordneter Folger.

Erwin Folger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000566, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, noch einige Ausführungen zu machen. Wir pflichten den Bemerkungen des Herrn Kollegen Scheppmann bei, möchten aber ergänzend dazu noch einiges sagen. Der Gesetzentwurf der FDP ist unseres Erachtens der Prototyp eines überflüssigen Gesetzes. Mit diesem Gesetzentwurf soll ein Zwang ausgeübt werden, „sich freiwillig zu einigen". Das ist einfach widersinnig. Es besteht zur Zeit gar keine Not, die Vertragsfreiheit der Tarifpartner anzuknabbern, und ausgerechnet die FDP will das auf dem Wege über die Löhne machen! Dann müßte man das auch auf anderen Gebieten tun, da wäre es viel dringender notwendig. Im jetzigen Zeitpunkt besteht auch deswegen für den Gesetzentwurf gar keine Notwendigkeit, weil die Streiks immer mehr zurückgegangen sind. Im vorigen Jahr war der geringste Ausfall an Arbeitstagen durch Streiks seit zehn Jahren festzustellen. Außerdem besteht nach einigen Ländergesetzen die Möglichkeit zu amtlichen Schlichtungen, ohne daß davon in nennenswertem Umfange Gebrauch gemacht werden muß. Herr Kollege Atzenroth hat von dem Anreiz durch die dynamische Rentenreform gesprochen. Ich glaube, da hat Herr Kollege Atzenroth Ursache und Wirkung eindeutig verwechselt. Er hat auch von der Erhöhung der Straßenbahnpreise in München gesprochen und gesagt, sie seien auf Lohnerhöhungen zurückzuführen. Das ist absolut unrichtig. Die Heraufsetzung der Straßenbahnpreise ist nicht mit Lohnerhöhungen begründet worden. Solche würden auch nicht eine Erhöhung von 25 auf 40 und 50 Pf rechtfertigen, sondern vielleicht eine Erhöhung von 25 auf 26 oder 28 Pf. Diese Heraufsetzung hat ganz andere Gründe. Die Straßenbahnpreise in München sind seit ungefähr acht Jahren nicht mehr erhöht worden; die wirtschaftliche Lage der Verkehrsbetriebe in München hat diese Erhöhung notwendig gemacht. Nun noch einige Sätze zu dem Entschließungsantrag auf Umdruck 871 ({0}) . Als ich ihn mir gestern ansah, ist mir die Redewendung eingefallen: Nachtigall, ich hör dir trapsen! Hinter diesem Entschließungsantrag steht doch gar nichts anderes als die Absicht, die öffentliche Meinung gegen die Gewerkschaften und deren Mitglieder zu mobilisieren. Es soll der Öffentlichkeit gesagt werden: Da schaut's hin, die bösen Arbeiter sind schuld daran, daß die Preise gestiegen sind, weil sie dauernd höhere Löhne verlangen. Das ist doch die wahre Absicht, die hinter dem Antrag steht. Und im übrigen, auch wenn das nicht der Fall wäre, gibt der Antrag eine ganze Menge Rätsel auf. Wie soll die Bundesregierung Vorsorge dafür treffen, über mögliche volkswirtschaftliche Auswirkungen zu berichten? Wer ist denn ein solcher Prophet, daß er das im vorhinein sagen könnte? Was sind denn überhaupt volkswirtschaftliche Auswirkungen in diesem Zusammenhang? Sind das nach Ihrer Auffassung vielleicht nur die Preiserhöhungen oder sind es vielleicht auch die Auswirkungen, die entstehen, wenn die Unternehmer ihre Gewinne reduzieren, weil sie höhere Löhne bezahlen müssen? Ist es der Zweck dieses Antrages, daß der Öffentlichkeit auch darüber berichtet werden sollte? Oder ist es vielleicht die Notwendigkeit des Zwangs zur Rationalisierung? Sie schränken die Vorschrift auf den Neuabschluß von Tarifverträgen „von allgemeiner Bedeutung" ein. Wer kann denn sagen, was ein Tarifvertrag von allgemeiner Bedeutung ist? Sind es Manteltarife, sind es Lohntarife, sind es Bundes- oder Landestarife oder sind es industrieweite Tarife? Was ist denn eigentlich mit den Worten „von allgemeiner Bedeutung" gemeint? Es gibt überhaupt keine aktuellen Zahlen über die Leute, auf die sich die Neuabschlüsse der Tarifverträge auswirken. Es gibt insbesondere auch keine Zahlen darüber, auf wieviele Arbeitnehmer solche Tarifverträge angewandt werden, ohne daß sie tarifgebunden sind, ohne daß die Unternehmer eigentlich dazu gezwungen wären. Es gibt auch keine Möglichkeit, zu beurteilen, inwieweit die Betriebe die Lohnerhöhungen auf die B) Preise abgewälzt haben. Das ist von Betrieb zu Betrieb ganz verschieden. Sie muten da der Bundesregierung etwas zu, was sie einfach nicht durchführen kann, und das legt den Verdacht nahe - Sie selber wissen, daß ein exakter Bericht nicht möglich ist -, daß der Bericht tendenziös frisiert werden soll, je nachdem, zu welchem Ergebnis Sie kommen wollen. Denken Sie bitte an die alte Weisheit, Herr Atzenroth: Geht es dem Arbeiter gut, geht es allen gut. ({1})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Atzenroth.

Dr. Karl Atzenroth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000057, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren, nur ein ganz kurzes Wort zur Entgegnung auf die Bemerkung meines Vorredners, daß sich unser Entschließungsantrag gegen die „bösen Arbeiter" richte. Niemand von der FDP hat jemals von „bösen Arbeitern" gesprochen oder die Meinung vertreten, die Arbeiter seien böse. Im Gegenteil, wir halten alle Arbeiter für gut, und wir sind bestrebt, dem Arbeiter genauso zu helfen, vielleicht wirkungsvoller zu helfen, als Sie es tun. Im übrigen, Herr Präsident, beantrage ich, über die Ziffern 1 und 2 im Antrag des Ausschusses getrennt abstimmen zu lassen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Antrag des Ausschusses? Worüber soll getrennt abgestimmt werden? Über den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 1 wird überhaupt nicht abgestimmt. ({0}) - Nein, Herr Kollege Atzenroth, der Antrag zu Ziffer 1 kann nach der Geschäftsordnung nur erledrigt werden, indem über jede Bestimmung des Gesetzentwurfs einzeln abgestimmt wird. Wenn in der zweiten Lesung alle Bestimmungen abgelehnt sind, ist die Vorlage erledigt. Über Ziffer 2 des Ausschußantrages wird dann selbstverständlich für sich abgestimmt. Ich habe schon zur Abstimmung aufgerufen. Keine weiteren Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall. Ich lasse über die aufgerufenen Artikel 1, - 2, Einleitung und Überschrift abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. ({1}) - Nein, Herr Abgeordneter Atzenroth, ich sage ausdrücklich, daß über die einzelnen Bestimmungen der Vorlage abgestimmt werden muß, d. h. über Ihren Entwurf wird jetzt abgestimmt! Also Art. 1, 2, - Einleitung und Überschrift. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; die Vorlage ist abgelehnt. Jetzt kommt der Antrag des Ausschusses unter Ziffer 2, der Entschließungsantrag. Wer diesem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist einstimmig angenommen. Entschließungsantrag der FDP Umdruck 871. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag ist abgelehnt. Damit ist Punkt 18 erledigt. Ich rufe Punkt 19 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Arndgen, Dr. Schmid ({2}), Kühn ({3}), Dr. Schneider ({4}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages ({5}) ; Mündlicher Bericht des Vorstandes des Deutschen Bundestages ({6}) . ({7}). Zur Berichterstattung Frau Abg. Rösch.

Julie Rösch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001872, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 23. Sitzung dieser Legislaturperiode am 18. April 1958 bei der Einbringung des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages machte der Herr Präsident dieses Hohen Hauses u. a. folgende Ausführungen, die ich mit seriner Erlaubnis hier wörtlich wiedergeben möchte. Er sagte: Ungelöst ist und bleibt dabei das mit dem Gesamtkomplex, der hier angesprochen ist, zusammenhängende Problem der Altersversorgung der Abgeordneten. . . . Wenn eine interfraktionelle Einigung darüber bis heute - ich sage: bis heute - nicht zustande kam, so ist die Ursache dafür nicht darin zu suchen, daß die Probleme verkannt oder verniedlicht worden wären. So weit die Worte des Herrn Präsidenten vor drei Jahren. Als dann am 2. Dezember 1959 dem Hohen Hause die Drucksache 1444 vorgelegt wurde mit den Unterschriften von Mitgliedern aller Fraktionen des Bundestages, hatte es den Anschein, als ob nun auch das seinerzeit ausgeklammerte Problem der Altersversorgung der Abgeordneten demnächst befriedigend gelöst werden könnte. Die Ausführungen des Herrn Vizepräsidenten Professor Schmid in der 101. Sitzung am 12. Februar 1960 bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs zur Ergänzung des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages fanden hier im Hause und in der Öffentlichkeit starke Beachtung. Der Vorstand des Bundestages, der sich nach § 6 der Geschäftsordnung mit den inneren Angelegenheiten des Bundestages zu befassen hat, beschäftigte sich in einer Reihe von Sitzungen eingehend mit ,der Drucksache 1444. Einen großen Raum nahmen dabei die nicht genau berechenbaren finanziellen Auswirkungen dieser Alters- und Hinterbliebenenversorgung ein. Selbstverständlich wurden auch alle anderen damit im Zusammenhang stehenden Probleme eingehend erörtert. Auch die in den meisten europäischen und vielen sonstigen Ländern geltenden Gesetze für Alters- und Hinterbliebenenbezüge der Abgeordneten wurden auf ihre Anwendbarkeit bei uns geprüft. Trotzdem kam der Vorstand mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der Materie am Ende seiner Beratungen zu dem Ergebnis, dem Hohen Hause die Einfügung der §§ 12 bis 23 in das Gesetz über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages nicht vorzuschlagen. In den drei Jahren, die seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages vergangen sind, hat sich gezeigt, daß dieses Gesetz auch noch in einigen anderen Punkten geändert werden sollte. Der Vorstand des Bundestages hat sich eingehend mit den aus der Praxis notwendig gewordenen Änderungsvorschlägen befaßt und insbesondere die Notwendigkeit gewisser einschränkender Bestimmungen eingesehen, die sich aus der Pauschalierung verschiedener Bezüge ergeben. Aber mit Rücksicht auf das Ende der Legislaturperiode wurde darauf verzichtet, dem Hohen Hause Änderungsvorschläge in dieser Hinsicht zu machen. Sie finden daher auf der Ihnen heute vorliegenden Drucksache 2698 nur drei Änderungen zum Gesetz über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages. Die Erfahrung hat gezeigt, daß es notwendig ist, den ausgeschiedenen Mitgliedern des Bundestages die Aufwandsentschädigung länger zu gewähren als bisher. Darum wurde der § 1 Abs. 2 neu gefaßt und auf die Dauer der Zugehörigkeit des Abgeordneten zum Parlament abgestimmt. Die Praxis hat gezeigt, daß Abgeordnete an Tagen, an denen nur Ausschußsitzungen stattfinden, es manchmal übersehen haben, sich auch noch in die Anwesenheitslisten vor dem Plenarsaal einzutragen, und daher Abzüge am Tagegeld hinnehmen mußten. Aus diesem Grunde hat der Vorstand dem § 3 Abs. 2 noch folgende Worte hinzugefügt: „durch Eintragung in die Anwesenheitsliste eines Ausschusses". Nach wie vor soll aber die Eintragung in die Anwesenheitsliste vor dem Plenarsaal den Vorrang haben und nur in Ausnahmefällen auch die Eintragung in die Anwesenheitsliste eines Ausschusses gültig sein. In dem bisherigen § 9 waren schon die Hinterbliebenenbezüge beim Tode eines Abgeordneten geregelt. Die Ihnen heute vorliegende neue Fassung des § 9 bringt gewisse notwendig gewordene Erweiterungen. Der Haushaltsausschuß als mitberatender Ausschuß hat in seiner 139. Sitzung bereits zu diesem Fragenkomplex Stellung genommen. Die heute vorliegende Fassung in Drucksache 2698 hat den Ausschuß kurz in seiner 164. und abschließend in seiner 168. Sitzung beschäftigt und seine einmütige Zustimmung gefunden. Ich darf das Hohe Haus im Namen des Bundestagsvorstandes und des Haushaltsausschusses bitten, dem Gesetz zur Ergänzung des Gesetztes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages zuzustimmen. Gleichzeitig darf ich den interfraktionellen Antrag Umdruck 922 begründen. Dieser Antrag erscheint zwar etwas lang; aber wenn Sie ihn bereits gelesen haben, werden Sie festgestellt haben, daß er im Grunde genommen nur eine ganz geringfügige Änderung bringt und lediglich der Einfachheit halber den ganzen Wortlaut der geänderten Bestimmungen aufführt. Die Änderungen bestehen in Folgendem: Der bisherige Satz 1 des § 1 Abs. 2 wird Satz 1 eines neuen Abs. 2 a. Abs. 2 a Satz 2 enthält eine völlig neue Bestimmung; sie lautet: „Aus Billigkeitsgründen kann der Präsident die Bestimmungen des Absatzes 2 sinngemäß anwenden." Weiter soll eine neuer Art. 1 a in das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages eingefügt werden. Es ist die uns allen wohlbekannte Berlin-Klausel. Ich darf Sie bitten, dem Gesetzentwurf in der Drucksache 2698 mit den sich aus dem Änderungsantrag Umdruck 922 ergebenden Änderungen Ihre Zustimmung zu geben. ({0})

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich danke der Frau Berichterstatterin. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem interfraktionellen Änderungsantrag Umdruck 922 zustimmen will, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung angenommen. Wird zu dem so geänderten Gesetzentwurf mit den Art. 1, Art. 1 a, Art. 2, Einleitung und Überschrift das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung in zweiter Lesung angenommen. Dritte Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich sehe mindestens ein Mitglied des Hauses, das sich weder zur Zustimmung noch zur Ablehnung noch zur Enthaltung erhoben hat. - Der Gesetzentwurf ist bei einer Enthaltung in dritter Lesung angenommen. Punkt 20 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 25. November 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Pakistan zur Förderung und zum Schutz von Kapitalanlagen ({0}), Mündlicher Bericht des Wirtschaftsausschusses ({1}) ({2}) ({3}). Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Ich rufe auf in zweiter Lesung Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Abstimmung. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Dritte Beratung. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Punkt 21 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 11. Mai 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Irland über Gastarbeitnehmer ({4}), Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({5}) ({6}) ({7}). Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Herr Berichterstatter, Sie wollen das Wort? - Bitte sehr.

Rudolf Metter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001486, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Drucksache 2287 handelt es sich um den Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 11. Mai 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Irland. Dieses Abkommen zwischen beiden Ländern entspricht im wesentlichen den gleichartigen zweiseitigen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland mit zehn anderen europäischen Ländern abgeschlossen hat. Durch dieses Gesetz soll jungen Arbeitnehmern die Möglichkeit gegeben werden, ihre beruflichen und sprachlichen Kenntnisse zu erweitern. Dieser Austausch von Gastarbeitnehmern soll ganz unabhängig von der jeweiligen Lage des Arbeitsmarkts des Gastlandes sein. Dieses Abkommen findet Anwendung auf alle Deutschen im Sinne ides Grundgesetzes und auf alle irischen Staatsangehörigen. Als Gastarbeitnehmer können Hand- und Geistesarbeiter männlichen oder weiblichen Geschlechts beschäftigt werden. Sie sollen in der Regel das 18. Lebensjahr vollendet und das 30. Lebensjahr nicht überschritten haben. Die Dauer des Gastarbeitnehmerverhältnisses ist grundsätzlich auf ein Jahr festgelegt. Sie kann aber im Ausnahmefall um sechs Monate verlängert werden. Ein Gastarbeitnehmer darf nur dann beschäftigt werden, wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, ihn zu den gleichen Lohn- und Arbeitsbedingungen zu beschäftigen, wie sie für vergleichbare inländische Arbeitnehmer Geltung haben. Die Zahl der Gastarbeitnehmer ist zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Irland vorläufig auf 50 festgelegt. Der Ausschuß für Arbeit bittet das Hohe Haus, den Antrag 'unverändert annehmen zu wollen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe Art. 1, 2, 3 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen. Dritte Beratung. Allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wer dem Gesetzentwurf in dritter Beratung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Punkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. April 1960 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über Arbeitslosenversicherung ({0}) ; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({1}) ({2}), ({3}). Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Berichterstatter verzichtet. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Ich rufe in zweiter Lesung die Art. 1, 2, 3, 4 sowie Einleitung und Überschrift auf. - Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -In zweiter Lesung einstimmig angenommen. Dritte Beratung. Allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wer in dritter Lesung zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In dritter Lesung einstimmig angenommen. Punkt 23: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Oktober 1959 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat über Soziale Sicherheit ({4}) ; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({5}) ({6}). ({7}) Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Ich rufe in zweiter Lesung die Art. 1, 2, 3, 4, 5 sowie Einleitung und Überschrift auf. Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Dritte Beratung. Allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. ({8}) - Meine Damen und Herren, der Präsident des Hauses hat keine Macht über die Geschäftsordnung. Die Vorschriften bestimmen, daß man sich in der dritten Lesung erhebt. ({9}) - In Ausnahmefällen! Wer will mir sagen, daß 24 Uhr ein Ausnahmefall ist?! Dann kommt Punkt 24 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zollübereinkommen vorn 15. Januar 1959 über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR ({10}) ({11}) ; Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses ({12}) ({13}). ({14}) Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Zweite Lesung! Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen? - Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung einstimmig angenommen. Dritte Lesung. Allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen! Wer zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Punkt 25: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der Vereinbarung vom 23. November 1957 über Flüchtlingsseeleute ({15}) ; Schriftlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({16}) ({17}). ({18}) Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Zweite Lesung! Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen. Dritte Lesung. Allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In dritter Lesung angenommen. Punkt 26: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 14. Dezember 1957 über die bodenständige Verteidigung und Polizei nach Artikel 5 des Protokolls Nr. II des revidierten Brüsseler Vertrages ({19}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verteidigung ({20}) ({21}) ({22}). Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Zweite Lesung! Art. 1, - 2, - Einleitung und Überschrift. - Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Dritte Lesung. Allgemeine Aussprache. Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, ,den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Punkt 27: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Präsident D. Dr. Gerstenmaier Gesetzes zu dem Zollabkommen vom 18. Mai - über die vorübergehende Einfuhr von Wasserfahrzeugen und Luftfahrzeugen zum eigenen Gebrauch, - über die vorübergehende Einfuhr gewerblicher Straßenfahrzeuge und - über Behälter ({23}) ; Schriftlicher Bericht des Außenhandelsausschusses ({24}) ({25}) ({26}). Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Das ist nicht der Fall. Zweite Lesung! Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. ({27}) - So schnell geht es nun wieder auch nicht. Schließlich ist das nicht nur ein protokollarischer, sondern auch ein gesetzgeberischer Akt. Wer zustimmen will, bitte ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung angenommen. Dritte Lesung. Allgemeine Aussprache. - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. - Gegenprobe! Einstimmig in dritter Lesung angenommen. Punkt 28 ({28}) - Nein, meine Herren, noch mehr Marscherleichterung gibt es nicht! Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr ({29}) ({30}), Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({31}) ({32}) ({33}). Der Herr Berichterstatter verzichtet! Zweite Lesung, Art. 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift. - Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - In zweiter Lesung einstimmig angenommen. Dritte Beratung. Allgemeine Aussprache! - Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Punkt 29 der Tagesordnung: Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({34}) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Ersten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 ({35}) ({36}) Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wird sonst das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. - Wer dem Antrag des Ausschusses, verzeichnet auf Drucksache 2686, zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Punkt 30 der Tagesordnung: Beratung des Schriftlichen Berichts des Außenhandelsausschusses ({37}) über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf einer Zweiten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 ({38}) ({39}) Ich frage ,den Herrn Berichterstatter, ob er das Wort wünscht. - Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wird das Wort zu dem Antrag des Ausschusses gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache 2675 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen. Punkt 31 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({40}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung eines Teiles der ehem. Artillerie-Kaserne in Göttingen-Weende an das Ev. Krankenhaus Göttingen Weende. V. und an das Diakonissenmutterhaus „Ariel" e. V. ({41}). Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Punkt 32 der Tagesordnung: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({42}) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Auslauffristen für Maße und Gewichte bei Lastkraftwagen ({43}). Der Herr Berichterstatter verzichtet. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Der Antrag des Ausschusses geht auf Ablehnung. Ich sage das, damit Sie nicht aus Versehen falsch stimmen. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Der Antrag des Ausschusses ist gegen die Stimmen der Antragsteller angenommen. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Punkt 33 der Tagesordnung: Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für Verkehr, Post- und Fernmeldewesen ({44}) über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Sicherung von schienengleichen Kreuzungen ({45}). Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Punkt 34 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({46}) - Immunitätsangelegenheiten - betr. Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Bundesminister Dr. Seebohm gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 6. März 1961 ({47}). Ich frage den Herrn Berichterstatter, ob er ,das Wort wünscht? - Sie müssen nicht, Herr Abgeordneter Wittrock. - Bitte sehr, vielleicht interessiert es das Haus.

Karl Wittrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich ergreife nur deshalb das Wort, weil es der ständigen Praxis dieses Hohen Hauses entspricht, zu diesen Anträgen einen mündlichen Bericht anzuhören. Ich darf diesen mündlichen Bericht ganz kurz fassen. Es handelt sich um folgendes: Der Herr Professor Dr. Eschenburg hat einen Strafantrag gegen den Herrn Abgeordneten Bundesminister Dr. Seebohm gestellt, und zwar wegen Beleidigung. Die Staatsanwaltschaft hat das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Dem Strafantrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Der Bundesminister Seebohm hat in der Bundespressekonferenz behauptet oder, sagen wir, das Werturteil ausgesprochen, der Herr Professor Eschenburg habe sich zum Handlanger der Sowjets gemacht. ({0}) Er hat sich dazu veranlaßt zu sehen geglaubt, weil sich Herr Professor Eschenburg in einer Wochenzeitung über Bemerkungen geäußert hat, die Herr Bundesminister Seebohm über die Ursachen des zweiten Weltkriegs gemacht haben soll und Zitate aus diesem Artikel des Herrn Professors Eschenburg in einer russischen Zeitung abgedruckt worden sind. Daher nun diese Bemerkung von Herrn Abgeordneten Bundesminister Seebohm. Der Immunitätsausschuß hat sich mit dem Sachverhalt befaßt und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß er dem Hause einen Vorschlag entsprechend den bisherigen ständigen Grundsätzen dieses Ausschusses machen sollte. ({1}) Diese ständigen Grundsätze des Immunitätsausschusses gehen dahin, daß er die Genehmigung zur Strafverfolgung nicht erteilt, wenn sich der Anlaß zu der beabsichtigten Strafverfolgung aus einem Sachverhalt ergibt, der in irgendeinem Zusammenhang mit der politischen Auseinandersetzung und der politischen Tätigkeit dieses Abgeordneten steht. Ich darf also hier entsprechend dem Vorschlag des Ausschusses zu beschließen bitten, nämlich die Genehmigung zur Strafverfolgung nicht zu erteilen. Ich möchte allerdings dem Hohen Hause im Rahmen der Berichterstattung nicht vorenthalten, daß es im Immunitätsausschuß einige nachdenkliche Betrachtungen darüber gegeben hat, ob diese Grundsätze, auf die sich dieser Vorschlag des Immunitätsausschusses stützt, in jedem Falle frei von Kritik zu handhaben seien oder ob man diese Grundsätze eventuell einer Überprüfung unterziehen sollte. Der Immunitätsausschuß war ,der Auffassung, daß man mindestens während der gegenwärtigen Wahlperiode nach diesen Grundsätzen verfahren sollte. Aber ich wollte immerhin dem Hause nicht vorenthalten, daß es hierüber einige Betrachtungen gegeben hat. Der Beschluß des Immunitätsausschusses war in Anerkennung der bisherigen Praxis - alle Mitglieder haben sich auf diesen Standpunkt gestellt - einstimmig. Ich darf also bitten, hier entsprechend dem Ausschußantrag zu beschließen.

Dr. Eugen Gerstenmaier (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000669

Wegen der Bedeutung der Sache verbinde ich auf Grund von § 7, der dem Präsidenten des Hauses ein gewisses Recht gibt, in dieser Sache etwas zu sagen, damit die Bemerkung, daß diese Entscheidung des Immunitätsausschusses selbstverständlich kein Freibrief für die Mitglieder des Hauses ist. Ich sage das insbesondere im Blick auf den Wahlkampf. Wenn der Immunitätsausschuß so entschieden hat, hat er völlig nach der Linie entschieden, die wir seither in diesem Hause eingehalten haben und die einfach der Notwendigkeit entspricht, bei dem zeitweilig rauhen Handwerk der Politik nicht alles und jedes auf die Goldwaage zu legen. Aber diese Freiheit verpflichtet, meine Damen und Herren! Unter diesem Aspekt ist zweifellos diese Entscheidung des Ausschusses zu verstehen, von der ich annehme, daß sie vom Hause gebilligt wird. Ich bitte nur, sich der Konsequenzen und der Verpflichtung, die sich daraus für jedes Mitglied des Hauses ergibt, völlig bewußt zu sein. Wer diesen Antrag des Ausschusses annimmt, gebe bitte das Handzeichen. - Gegenprobe! ({0}) - Ich rede hier zu allen Mitgliedern des Hauses, ohne Ansehen der Person! - Gegen einige Gegenstimmen ist dieser Antrag des Ausschusses angenommen. Präsident D. Dr. Gerstenmaier Punkt 35 der Tagesordnung: Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Fünften Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 ({1}) ({2}). Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Hier ist Überweisung an den Außenhandelsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Mitberatung vorgeschlagen. Das Haus ist damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 36 der Tagesordnung: Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs einer Sechsten Verordnung zur Änderung des Deutschen Zolltarifs 1961 ({3}) ({4}). Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Vorgeschlagen ist Überweisung an den Außenhandelsausschuß. Das Haus ist damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 37 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({5}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung eines Teils der ehem. Gardeschützenkaserne in Berlin-Lichterfelde an das Land Berlin ({6}). Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen. Punkt 38 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({7}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung eines Teils der ehem. Pionierkaserne in Berlin-Tempelhof, General-PapeStraße 1-4, an das Land Berlin ({8}). Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer dem Antrag des Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. -Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen! Punkt 39: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({9}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen betr. Veräußerung des ehem. Standort- und Kurlazaretts Höxter ({10}) an die Weserbergland-Klinik GmbH ({11}). Wird das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht. Wer zustimmen will, gebe ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Punkt 40: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 8. November 1960 zur Änderung und Ergänzung des Vertrages vom 18. Januar 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Festsetzung einer Betriebsgrenze für ostwärts der deutsch-niederländischen Landesgrenze liegende Steinkohlenfelder ({12}). Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Hier ist die Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten - federführend - und den Wirtschaftsausschuß - mitberatend - vorgeschlagen. Das Haus ist damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 41: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 31. Dezember 1960 über die Verlängerung des Abkommens über Allgemeine Fragen des Handels und der Seeschiffahrt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken ({13}). Auf das Wort zur Einbringung wird verzichtet. Überweisung an den Außenhandelsausschuß - federführend - und den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten - mitberatend -. Das Haus ist mit dieser Überweisung einverstanden? - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Punkt 42: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des Bundesversorgungsgesetzes im Saarland ({14}). Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Überweisung an den Auschuß für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen und an den Haushaltsausschuß gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Das Haus ist mit dieser Überweisung einverstanden? - Es ist so beschlossen. Punkt 43: Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Sechten Gesetzes zur Änderung des Getreidegesetzes ({15}). Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Das Wort wird nicht gewünscht in der ersten Lesung. Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und an den Außenhandelsausschuß - mitberatend -. Das Haus ist damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so, beschlossen.

Not found (Mitglied des Präsidiums)

Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Milch- und Fettgesetzes ({0}). Das Wort zur Einbringung wird nicht gewünscht. Das Wort in erster Beratung wird nicht gewünscht. Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Das Haus ist damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen. Damit, meine Damen und Herren, sind wir mit der Tagesordnung für gestern fertig. Ich bedanke mich bei den Mitgliedern des Hauses, die bis jetzt ausgehalten haben, und berufe das Haus auf heute vormittag 9 Uhr wieder ein. Die Sitzung ist geschlossen.