Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/25/2022

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dagmar Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004401, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, heute das Ergebnis des Vermittlungsausschusses für meine Fraktion bewerten zu dürfen; denn für die SPD-Fraktion ist heute ein wirklich schöner Tag. ({0}) Zunächst einmal möchte ich den Berichterstatterinnen und Berichterstattern sowie den Sprechern der Ampel Danke dafür sagen, dass wir ein tolles Gesetz hier im Bundestag beschlossen haben. Danke auch an Hubertus Heil und das Ministerium dafür, dass sie viel Zeit und Kraft in das Gesetz, aber auch in die Einigung mit dem Bundesrat im Vermittlungsausschuss investiert haben. Und ich möchte mich ganz ausdrücklich bedanken bei den unionsgeführten Ländern, vorneweg bei Herrn Minister Laumann, die eine sachliche Diskussion über das Bürgergeld ermöglicht haben, trotz der Debatten der letzten Wochen. Denn ob wir zur Mehrheit im Bundestag auch eine Mehrheit im Bundesrat bekommen, war nicht sicher. Aber gerade in Zeiten wie diesen ist es wichtig, dass Demokratinnen und Demokraten Kompromisse finden, statt sich zu blockieren. Das ist gelungen. Dafür allen Beteiligten der Ampel und der Union ein großes Dankeschön! ({1}) Heute ist für uns ein guter Tag, weil wir Hartz IV hinter uns lassen. Ich habe in den letzten Tagen der Gespräche über das Bürgergeld mal wieder unser Sozialstaatskonzept von vor drei Jahren in die Hand genommen. Wir haben darin aufgeschrieben, was wir für die Menschen, die arbeiten, tun wollen: unter anderem die Einführung eines Mindestlohns von 12 Euro – haben wir schon –, eine Kindergrundsicherung – kommt noch –, ({2}) mehr Tarifbindung und Mitbestimmung sowie vieles andere mehr, was wir auf der Agenda haben. Und wir haben aufgeschrieben, was wir für die Menschen machen wollen, die arbeiten wollen, aber nicht können. Sie wollen wir stärken, ihnen mehr Respekt entgegenbringen, ihnen mehr Rechte, mehr Schutz und mehr Möglichkeiten geben. Alles das erreichen wir heute mit dem Bürgergeld. ({3}) Uns geht es mit der umstrittenen Karenzzeit gerade um diejenigen, die schon viel geleistet haben, die ihren Job verloren haben und die nicht schnell wieder einen neuen finden, weil sie vielleicht schon älter oder länger krank sind, oder weil sie Selbstständige sind, die keinen Schutz durch die Arbeitslosenversicherung haben. Der vorübergehende Bezug des Bürgergeldes wirkt sich nun nicht sofort auf die Wohnung oder das Ersparte aus – leider nur ein statt zwei Jahre, aber es ist trotzdem ein guter Schutz, der vielen hilft. Mit denen, die schon lange draußen sind oder die es aus der Bahn geworfen hat, sind wir bereit auch einen längeren Weg zu gehen. Wir haben für diesen Weg mit dem Kooperationsplan und einem Schlichtungsverfahren die Arbeitsuchenden mit ihren Vorstellungen gestärkt. Der Gedanke der Partnerschaftlichkeit steht im Zentrum der Zusammenarbeit zwischen Jobcenter und Arbeitsuchenden, und dazu haben wir die Möglichkeiten für eine passgenaue Unterstützung ausgeweitet: die Möglichkeit einer dreijährigen Ausbildung, die Ausweitung des sozialen Arbeitsmarktes, einen Weiterbildungsbonus, Coaching und vieles andere mehr. Hier findet der Kulturwandel statt. Nicht mehr schnelle Vermittlung in irgendeinen Job, sondern nachhaltige Vermittlung in einen guten Job und Zusammenarbeit auf Augenhöhe – ({4}) das ist der Paradigmenwechsel. ({5})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dagmar Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004401, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte mit einem Zitat von Helmut Schmidt enden: Die Demokratie lebt vom Kompromiss. Wer keine Kompromisse machen kann, ist für die Demokratie nicht zu gebrauchen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen guten Kompromiss. Ich bitte um Ihre Zustimmung. ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Hermann Gröhe. ({0})

Hermann Gröhe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002666, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion stimmt dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses zu. Wir stimmen zu, weil dieses Ergebnis das Gesetz, das wir in diesem Hause vor zwei Wochen abgelehnt haben, in ganz grundsätzlicher Weise verändert. ({0}) Es ist bemerkenswert, dass in den letzten Tagen an diesem Gesetz vor allem Dinge gelobt wurden – vom Hinzuverdienst bis zu den Regelsätzen –, die eines gemeinsam haben: Sie sind von uns im Gesetzgebungsverfahren zu keinem Zeitpunkt kritisiert worden. ({1}) Kritisiert hat die Union in diesem Hause, haben die Arbeitsministerinnen und Arbeitsminister aus den Reihen der Union in den Bundesländern grundsätzliche Webfehler, die die Balance von Fördern und Fordern betreffen und die Nachrangigkeit einer steuerlich finanzierten Sozialleistung gegenüber der Inanspruchnahme eines nicht unerheblichen eigenen Vermögens. Und hier verändert der Vermittlungsausschuss das Ergebnis der Bundestagsberatung ganz grundsätzlich. ({2}) Ich nenne das Beispiel der sogenannten Vertrauenszeit. Sie wird eben nicht verändert, sie wird eben nicht verkürzt, sie wird abgeschafft. Sie selbst haben diese Vertrauenszeit als ein wesentliches Element Ihrer Reform bezeichnet. Sie wird abgeschafft. Die Praktiker in den Jobcentern sagen: Gut so. ({3}) Wir verändern die Karenzzeit. Wir verändern die Grenzen für die Inanspruchnahme eigenen Vermögens. Das stärkt die Fairness in unserem Sozialstaat. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, das ist ein gutes Ergebnis. 74 Prozent der Bevölkerung teilen die Auffassung, dass diese Korrektur notwendig und richtig war. Wir wünschen, dass die Instrumente dieses Gesetzes jetzt auch genutzt werden. Deswegen bedauern wir es, dass die Ampel die Chance dieser Haushaltswoche ungenutzt hat verstreichen lassen, unsere Jobcenter besser auszustatten, um dieser Arbeit gerecht werden zu können, meine Damen, meine Herren. ({4}) Ob wir Hartz IV überwinden, entscheidet sich nicht an der Umbenennung einer Sozialleistung, sondern daran, ob es uns gelingt, mehr Menschen in Arbeit zu vermitteln. Darum muss es gehen. ({5}) Ich möchte von dieser Stelle aus die Wirtschaft auffordern, die Möglichkeiten etwa des von uns geschaffenen und jetzt entfristeten sozialen Arbeitsmarktes zu nutzen und Menschen durch die Inanspruchnahme von Lohnzuschüssen die Teilhabe an Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Dieser Kompromiss trägt die Handschrift der Unionsfraktion. Deswegen stimmen wir ihm gerne zu. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Britta Haßelmann. ({0})

Britta Haßelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003764, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich begründe kurz, warum ich dem Vermittlungsergebnis zugestimmt habe und meine Fraktion dies gleich auch tun wird. Das ist nämlich Sinn der Aussprache – wenn es überhaupt eine gibt – zu dem Punkt „Annahme Vermittlungsergebnis“. Es geht auch nicht darum, ob irgendwas irgendeine Handschrift trägt oder nicht. Es geht um die Menschen im Land ({0}) und um die Unterstützung der Menschen, die Ermutigung und Hilfe benötigen, meine Damen und Herren. Das Bürgergeld kommt und mit ihm die Regelsatzerhöhung. Das ist gut und wichtig, und das ist das Mindeste, was wir in dieser Krisensituation tun können. ({1}) Darüber hinaus wird es einen Vorrang für Weiterbildung und Qualifizierung geben. Der Vermittlungsvorrang fällt. Das ist ein ganz wichtiges Signal für die Menschen. ({2}) Denn der Drehtüreffekt, den viele Betroffene in der Vergangenheit erlebt haben, endet damit. Es geht nicht mehr darum, Menschen einfach in irgendwas zu vermitteln und sie dann in ein paar Monaten wieder im Jobcenter zu haben. Vielmehr sind jetzt Qualifizierung und Weiterbildung ganz klare und wichtige Akzente dieser Bürgergeldreform. Das ist wichtig und richtig und deshalb gut so. ({3}) Ein zweiter Punkt ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Auch hier gibt es einen klaren Vorrang. Das ist eine klare Veränderung zur alten ALG‑II-Gesetzgebung. Sie ist bedeutend für alle Menschen, die Hilfe und Unterstützung in Anspruch nehmen. Denn das heißt: Beratung, Coaching und alles, was die Menschen an Unterstützung im Jobcenter brauchen, das läuft auf Augenhöhe. Das hat dieses Gesetz noch mal klar zum Ausdruck gebracht. Das ist wichtig und gut so. ({4}) Der dritte Punkt. Es gibt einen klaren Vorrang für Kooperation. Der ist festgeschrieben durch einen Kooperationsplan, durch einen Schlichtungsmechanismus. Darüber hinaus gibt es Hinzuverdienstmöglichkeiten. Ich glaube, dass mit diesem Gesetz ein großer Schritt getan ist, wirklich eine Sozialreform auf den Weg zu bringen, die auf Ermutigung und Unterstützung setzt. Das ist für die betroffenen Menschen im Land ganz bedeutend. Dabei geht es nicht im Klein-Klein darum, dass irgendwas irgendeine Handschrift trägt, meine Damen und Herren. ({5}) Lassen Sie mich zum Schluss noch sagen: Ich fand die Debatte im Vermittlungsausschuss sehr sachorientiert. Es gab keine Polemik. Es gab keine soziale Spaltung. Es gab keine Diffamierung von Menschen, die in Not und Armut leben, und keine Spaltung in diejenigen, die Arbeit haben, und diejenigen, die keine haben. Die Methode Populismus hatte im Vermittlungsausschuss und im Finden dieses Ergebnisses überhaupt keinen Raum. ({6}) Das war gut so, meine Damen und Herren. ({7}) Ich habe mich die ganze Zeit gefragt, ob es daran liegt, dass Friedrich Merz und Markus Söder nicht dabei waren. Danke. ({8})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Johannes Vogel. ({0})

Johannes Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004179, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass sich in unserer Demokratie ein Gesetz weiterentwickelt – nach einem ersten Entwurf des zuständigen Ministers, nach Beratung in der Koalition und dann, wenn unsere Verfassung das vorsieht, auch in einem Vermittlungsverfahren –, ist ein ganz normales demokratisches Verfahren. Wir als Koalition haben von Anfang an gesagt: Anspruch muss sein, in der Sache zu diskutieren und ein gutes Gesetz noch besser zu machen. Das ist mit dem Vorschlag, der heute hier vorliegt, gelungen. Deswegen werde ich als Mitglied des Vermittlungsausschusses und wird meine Fraktion gleich zustimmen. Ich will kurz erläutern, warum. Klar war und ist: Fördern und Fordern gilt auch beim Bürgergeld. Es ist gut, dass das jetzt unmissverständlich für jeden in diesem Land klar ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Klar ist auch, dass die Grundsicherung enorm reformbedürftig war. Wir mussten sie moderner und unbürokratischer machen. Wir gaben jedes Jahr 60 Millionen Euro aus, um 18 Millionen Euro in Centbeträgen wieder einzutreiben. Menschen mussten am Anfang im Hartz‑IV-System, wenn sie durch einen Schicksalsschlag in eine Lebenskrise kamen, Details ihres Mietvertrags diskutieren und ihr Erspartes aufbrauchen. All das wird Bürgern beim Bürgergeld nicht mehr zugemutet, und das ist eine gute Modernisierung der Grundsicherung. Insbesondere können sie ihre Altersvorsorge behalten; denn auch in Lebenskrisen wollen wir Eigenverantwortung und Vorsorge belohnen und nicht bestrafen. Das ist eine gute Modernisierung, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Aber der wirkliche Kern des Bürgergeldes ist, dass wir unsere Grundsicherung fairer und aufstiegsorientierter gestalten. Das sieht man übrigens auch an den Zahlen: Von der Verbesserung der Zuverdienstregeln, für die wir als Freie Demokraten viele Jahre gekämpft haben, profitieren direkt über eine halbe Million Menschen, für die es leichter wird, sich Schritt für Schritt aus der Hilfsbedürftigkeit rauszuarbeiten und eine Brücke zur finanziellen Selbstständigkeit zu betreten. Das muss doch der Anspruch unseres Sozialstaats sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Ganz besonders wichtig ist das für die 1,9 Millionen jungen Menschen, die heute in sogenannten Hartz‑IV-Familien groß werden; für die müssen wir mehr Fairness in diesem Land schaffen. Die waren bisher in der Situation, dass sich ihre Ausbildung nicht lohnt; denn wenn sie eine Ausbildung machen, können sie von ihrem Ausbildungsgehalt nur rund 200 Euro behalten. Beim Bürgergeld werden es über 600 Euro sein. So geht Leistungsgerechtigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Junge Menschen erfahren nicht mehr schon am Anfang ihres Lebens – beim ersten selbstverdienten Geld –, dass sich ihre Anstrengung weniger lohnt wegen der Familie, in die sie geboren wurden. Das ist nämlich das Gegenteil von Chancengerechtigkeit unabhängig von der Herkunft. ({4}) Und das schaffen wir endlich ab in diesem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({5}) Bisher musste man bei der Grundsicherung zu oft Chancengerechtigkeit im Dunkeln suchen. Mit dem Bürgergeld und den besseren Zuverdienstregeln schalten wir das Licht an, und das ist eine sehr gute Nachricht für unser Land. Vielen Dank. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Götz Frömming. ({0})

Dr. Götz Frömming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004722, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Geschätzter Kollege Frei, ich muss noch mal auf das eingehen, was Sie eben sagten. Es wundert uns, ehrlich gesagt, nicht, dass Sie das Ergebnis dieser Kungelei hier verteidigen; denn Sie haben ja selber mitgekungelt. ({0}) Und übrigens ist das auch nicht das erste Mal, dass wir das erleben. Schon während der Coronapandemie fielen die eigentlichen Entscheidungen eben nicht in den von der Verfassung dafür vorgesehenen Gremien, sondern in den Runden, zu denen damals Frau Merkel die Minister einbestellt hat. ({1}) So geht man nicht mit unserer Verfassung um, meine Damen und Herren. ({2}) Wenn Sie denn schon nicht die Kritik meines Kollegen Brandner annehmen wollen, lesen Sie heute vielleicht einmal den Kommentar dazu vom Kollegen Jahn – so heißt er, glaube ich – aus dem Hauptstadtstudio der ARD. Er spricht genau das Gleiche aus, was auch Kollege Brandner gesagt hat: Die Union hat mit ihrem voreiligen Ausplaudern noch vor der Konstituierung des Ausschusses dem Ansehen unserer demokratischen Ordnung geschadet. – Das schreibt ein Journalist der ARD, meine Damen und Herren. ({3}) Zur Sache selbst: Worum geht es hier denn eigentlich? Das wird jetzt so als großer Erfolg verkauft. Die Wahrheit ist doch: Die Ampel wollte den Begriff „Hartz IV“ loswerden. Die Union hat dazu die Hand gereicht, und die Ampel hat nahezu jeden Kompromiss mitgemacht. In Wahrheit haben wir hier keinen Systemwechsel; da kann sich die Union selbst ein bisschen auf die Schulter klopfen. Aber der Ampel ging es ja auch gar nicht um einen Systemwechsel. Ihnen von der Ampel ging es um einen Etikettenwechsel, und das, was Sie hier heute alle gemeinsam miteinander machen, ist ein Etikettenschwindel. Da machen wir nicht mit, sehr verehrten Damen und Herren. ({4}) Ich kann Ihnen eines prophezeien: Solche Etikettenschwindel fliegen früher oder später immer auf, weil die Bürger das merken. Der Begriff „Bürgergeld“ wird in kurzer Zeit genauso verbrannt sein, wie früher mal der Begriff „Asylant“ verbrannt wurde, ({5}) wie der Begriff „Flüchtling“ verbrannt ist, wie der Begriff „Fachkraft“ verbrannt wurde usw. Genauso wird der Begriff „Bürgergeld“ auch verbrannt sein. ({6}) Schon heute können Sie ja lesen, dass aus den Kreisen der Union kolportiert wird, in Wirklichkeit sei das kein Bürgergeld, sondern Hartz V, meine Damen und Herren. ({7}) Zur Sache selbst. Haben Sie denn an den wirklichen Problemen dieses Landes etwas gelöst? Vielleicht lesen Sie mal, was vor Kurzem – anonym natürlich, weil er sonst um seinen Job fürchten müsste – ein Mitarbeiter in einem großem sogenannten Jobcenter gesagt hat: Die Mitarbeiter in den Jobcentern frieren zu Hause teilweise mehr als die Kunden, die zu ihm kommen. ({8}) Mit dem von Ihnen erzielten Kompromiss wird sich nichts ändern an der Schieflage in unserem Sozialsystem. Wir werden nicht mehr Menschen in Arbeit bringen. Wir werden nichts beseitigen an den Ungerechtigkeiten. Sie haben nicht den Magnet unseres Sozialstaates abgestellt, meine Damen und Herren, Sie haben von den wahren großen Problemen dieses Landes keines gelöst. Sie sind das Problem! Vielen Dank. ({9})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Dr. Gesine Lötzsch. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Unbekannt)

Politiker ID: 11003584

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Vermittlungsausschuss wurde das Gesetz nicht verbessert, sondern verschlechtert. Darum hat Die Linke mit Nein gestimmt. ({0}) Die Ampel hat sich – Hermann Gröhe von der CDU hat es ja gerade geradezu genüsslich ausgeführt – von der Union bereitwillig über den Tisch ziehen lassen. Widerstand war nicht zu erkennen. Das Bürgergeld ist eben keine Überwindung von Hartz IV, es ist nur ein Täuschungsmanöver, meine Damen und Herren. ({1}) Wir als Linke wollen Hartz IV grundsätzlich überwinden. Die Erhöhung des Regelsatzes um 53 Euro pro Monat ist eben kein ausreichender Inflationsausgleich. Allein die Preise für die Grundnahrungsmittel sind in einem Jahr um über 20 Prozent gestiegen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert einen Regelsatz von 725 Euro im Monat – eine gute Forderung. ({2}) Das Ziel der Linken ist eine sanktionsfreie Mindestsicherung von 1 200 Euro. ({3}) Auch bei der Verschärfung der Sanktionen und der Reduzierung des Schonvermögens hat die Ampel sehr schnell eine Rolle rückwärts gemacht. So viel Einigkeit zwischen Ampel und Union war selten; und das finde ich schlimm, meine Damen und Herren. ({4}) Kollegin Britta Haßelmann von den Grünen hat nun erklärt, dass das Bürgergeld, wie sie es vorgeschlagen hätten, im Kern erhalten geblieben wäre. Das ist richtig; denn der Kern des Bürgergeldes heißt Hartz IV. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren. ({5}) Hartz IV soll weiter als Drohkulisse für die Menschen aufrechterhalten werden, die für niedrige Löhne arbeiten müssen. Es ist doch nicht zu fassen, dass in unserem Land 1 Million Menschen von ihrem Lohn nicht leben können. Sie müssen zum Amt gehen und aufstocken. Die Arbeitgeber bezahlen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schlecht, und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sind gezwungen, deren Löhne aufzubessern. Das ist nicht zu akzeptieren. Das ist würdelos, meine Damen und Herren. ({6}) 11 Prozent der Nutzer der Tafel sind Menschen, die Vollzeit arbeiten. Das sagt doch viel über den deutschen Niedriglohnsektor aus. Der Niedriglohnsektor muss beseitigt werden, meine Damen und Herren. ({7}) Auch bei der Reduzierung von Schonvermögen wurde nicht sachlich diskutiert, sondern ideologisch. Niedriglöhner sollten gegen Arbeitslose aufgehetzt werden. Ich frage Sie: Warum gab es eigentlich nie eine Kampagne der Union gegen Steuerhinterziehung? Das spricht doch Bände, meine Damen und Herren. ({8}) Die Menschen in unserem Land werden immer wieder aufgefordert, für das Alter Geld anzusparen, weil die gesetzliche Rente eben nicht mehr ausreiche. Jetzt vergreift man sich auch noch am Schonvermögen von Menschen, die ihre Arbeit verloren haben. Das ist schäbig. ({9}) Vor 20 Jahren haben wir Linken gegen Hartz IV gestimmt, weil es Armut per Gesetz bedeutet. Wir brauchen endlich einen wirklichen Systemwechsel. Das wäre Würde und Respekt. Vielen Dank. ({10})

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Habeck, nach der Einbringung des Haushaltes hatte ich zumindest so ein bisschen die Hoffnung, dass Sie und die Sie tragende linksliberale Koalition den Ernst der wirtschaftlichen Lage in unserem Land erkannt haben und dass Sie eine massive Umsteuerung Ihres Etats und des Klima- und Transformationsfonds hin zu Wirtschaftswachstum, hin zu Wirtschaftsstabilität vornehmen. Leider, meine Damen und Herren, muss ich feststellen, dass Sie gerade in diesen notwendigen Bereichen nur ganz wenige, fast schon homöopathische Veränderungen vorgenommen haben. Es scheint, Herr Habeck: Für Sie steht nur Klimapolitik im Fokus. Dabei habe ich, auch wenn ich Sie anschaue, häufig den Eindruck, dass Sie nahezu körperlich den massiven Wirtschafts- und Wohlstandsverlust in unserem Land spüren. Sie nehmen diesen aber in Kauf, weil Ihre vermutlich jahrzehntelang antrainierte ideologisch-grüne DNA auf Ablehnung von Industrie, auf Ablehnung von Handwerk und vor allen Dingen auf Ablehnung von Hochtechnologie ausgerichtet ist. Damit, Herr Habeck, meine ich nicht nur den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke wegen der dringend benötigten Kapazitäten über den April hinaus. Sie fördern – das sehen wir ganz deutlich in diesem Haus – lieber das Lastenfahrrad anstelle der so wichtigen Arbeitsplätze in der Hochtechnologie, ({0}) wie zum Beispiel in der maritimen Wirtschaft. Sie setzen die Axt an bei der für den Export so wichtigen Außenwirtschaft, und Sie kürzen in nachgeordneten Behörden, die gerade für die Wirtschaft vielfach als Dienstleister von besonderer Bedeutung sind, massiv. Sie kürzen zugunsten Ihrer grünen Ideologie nahezu in allen Bereichen mit Ausstrahlung auf Forschung, mit Ausstrahlung auf Bildung, mit Ausstrahlung auf Arbeitsplätze der Zukunft und auf neue Branchen. Herr Habeck, ich kann es Ihnen nicht ersparen: Sie gefährden so den Wirtschaftsstandort Deutschland. ({1}) Und viele in den Medien verwenden dafür in diesen Tagen das Wort „Deindustrialisierung unseres Landes“. Ich will gar nicht so weit gehen, Ihnen das zuzutrauen; aber ein kleiner wahrer Kern liegt schon darin. Dabei merken Sie doch selbst, wie verzweifelt die Menschen, wie verzweifelt vor allem auch die Unternehmen in unserem Land sind. Fachkräftemangel, Rohstoffmangel, Inflation, Energiepreise, abreißende Lieferketten lassen unsere Wirtschaft und lassen auch die Menschen von Tag zu Tag nervöser werden. Sie reagieren hierauf nahezu immer zu spät, und vor allen Dingen reagieren Sie falsch, meine Damen und Herren. ({2}) Das mussten wir leidvoll auch bei diesen Haushaltsberatungen gerade im Bereich der Energiepolitik mehrfach erleben. Herr Habeck, es wäre klug gewesen, wenn Sie sich dem Paket der Union für Wirtschaftswachstum und Fachkräftesicherung nicht komplett verschlossen hätten. In all den Jahren unserer Regierungszeit haben wir als Union gerade im Bereich Ihres Hauses dann, wenn Ihre grüne Fraktion oder die FDP kluge Anträge eingebracht hat, diese immer mal wieder gemeinsam auf den Weg gebracht, gerade auch, weil es mir ganz persönlich wichtig war, nach außen zu dokumentieren, dass Demokraten mehr Gemeinsamkeiten als denn Trennendes haben. ({3}) Dass Sie diese geübte Zusammenarbeit jetzt komplett eingestellt haben, zeigt mir, dass Sie ausschließlich auf Trennung als denn auf Verbindendes aus sind. ({4}) Wir als Union sehen das anders, und deshalb haben wir zahlreichen Anträgen von Ihrer Seite, die wir für nachvollziehbar gehalten haben, zugestimmt. Sie hingegen haben alle, aber wirklich alle unsere Anträge nahezu abgebügelt. ({5}) So wollten Sie keine 195 Millionen Euro für handwerkliche Berufe in unterschiedlichen Programmen freimachen. Damit wollten wir gerade den jungen Menschen im Handwerk signalisieren, welch einen besonderen Stellenwert ihre Ausbildung für unser Land hat. Von der Ampel abgelehnt! Nicht mal die Nachnutzung der ausgeförderten Gasfelder durch Geothermie wollten Sie mitmachen oder unseren Antrag zu den erforderlichen 1,4 Milliarden Euro für die Raumfahrtindustrie, damit wir bereits in diesem Haushalt unsere nationalen und internationalen Verpflichtungen klar abbilden. Wir wollten und wollen diese Hochtechnologien an deutschen Standorten – und das darf ich auch sagen; wir hatten jetzt die Ministerratskonferenz –, und wir wollen die Artemis-Mondmission, um gemeinsam mit den Amerikanern deutsche Astronauen auf den Mond zu entsenden. ({6}) Denn gerade die Artemis-Mission, meine Damen und Herren, ist wichtig, um auch junge Menschen für zukunftsweisende Hightechberufe zu begeistern. Denn über eines, Herr Habeck, müssen wir, glaube ich, häufiger mal reden – das dürfte aber klar sein –: Nur mit Genderstudenten, nur mit den Ihnen sehr nahestehenden Klimaaktivisten bauen Sie in unserem Land nicht eine Wärmepumpe ein. ({7}) An einer Stelle, Herr Habeck – und das möchte ich ausdrücklich Ihnen und auch Frau Dr. Christmann sagen –, da habe ich mich aber gefreut – und das erkenne ich ausdrücklich an –, nämlich dass wir bei der Vorbereitung der ESA-Ministerratskonferenz zur Raumfahrt intensiv gesprochen haben und dass wir diese Konferenz gemeinsam vorbereitet haben. Es war immer gute Tradition, dass wir zumindest bei internationalen Aktivitäten überfraktionell handeln. Deshalb: Danke, dass Sie jetzt die von uns in der Vergangenheit in den Blickpunkt gerückten Projekte fortführen, dass Sie auch unsere Vorschläge wie ExoMars, die Ariane-Rakete mit einem selbstständigen europäischen Zugang zum All und die Artemis-Mission dann doch noch mitgetragen und gezeichnet haben. Dennoch abschließend mein Rat, Herr Kollege Habeck: Nehmen Sie den Bereich Wirtschaft im Namen Ihres Ministeriums ernster; denn es sind gerade die Menschen in Industrieproduktion und Handwerk, die den Karren in unserem Land ziehen. Diese Menschen wollen auch in Zukunft in ihren Unternehmen anständig Geld verdienen und nicht durch eine realitätsferne Politik ihren Job verlieren. Herzlichen Dank. ({8})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dieter Janecek. ({0})

Dieter Janecek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004312, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Unser Berichterstatter Felix Banaszak kann heute aufgrund eines sehr erfreulichen persönlichen Umstandes nicht an der Debatte teilnehmen. ({0}) Deswegen nehme ich es heute in die Hand, den Haushälterinnen und Haushältern für die umfangreiche Arbeit der letzten Wochen und Monaten zu danken, bei der es darum ging, diesen Regierungsentwurf zu verbessern und 790 Millionen Euro umzuschichten – übrigens, Herr Mattfeld, in Richtung der Zukunftsinvestitionen. Ein Vorschlag, der von Ihnen kam, war zum Beispiel, den internationalen Klimaschutz zu streichen. Das ist natürlich kein Beitrag für die Zukunftsfähigkeit – ganz im Gegenteil! ({1}) Wir haben die Bereiche Klima und Energie mit 420 Millionen Euro zielführend gestärkt und ausgebaut, auch im Bereich der Digitalisierung 370 Millionen Euro für Innovationen und zur Stärkung von Resilienz ausgegeben. Wir zeigen mit diesem Haushalt: In der Krise wollen wir in die Zukunft investieren. Innovation ist jetzt das Leitbild, das wir brauchen. Denn nur so kommen wir entschlossen aus der Krise: mit erneuerbaren Energien, Energieeffizienz, entschlossener Digitalisierung. Dem trägt dieser Haushalt Rechnung. ({2}) Ich warne auch davor, Herr Mattfeld – und das erlebe ich in den letzten Wochen sehr intensiv –, dass die Union unseren Standort schlechtredet. Wir haben ein schweres Jahr aufgrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Aber wir haben auch gemeinsam hier im Parlament vieles auf den Weg gebracht. Ich erinnere an die aktuellen Beratungen zur Gas- und Strompreisbremse. Die Gasspeicher sind voll, die Preise gehen nach unten. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten Investitionssicherheit geschaffen. Daran müssen wir festhalten und sollten den Standort in einer solchen fragilen Phase nicht schlechtreden. ({3}) Wir haben uns auch der Zukunftsthemen angenommen. Ich sehe unsere Koordinatorin für Luft- und Raumfahrt, Anna Christmann. Vielen Dank, dass die Bundesregierung jetzt 4 Milliarden Euro auf der ESA-Ministerratskonferenz eingebracht hat, dass wir diesen wichtigen Bereich entschlossen stärken. ({4}) Um das Thema noch zu erweitern: Auch für die GRACE-Klimasatelliten haben wir 134 Millionen Euro für die Anschlussmissionen auf den Weg gebracht. Das ist ein wichtiger Meilenstein für die Klimaforschung. Sie sehen also: Wir kümmern uns intensiv um die Bereiche, die uns aus der Krise herausführen. Krisenbewältigung ist dieses Jahr. Aber es geht jetzt darum, entschlossen Sicherheit und Zuversicht für das kommende Jahr zu schaffen. Daran arbeiten wir sehr intensiv. ({5}) Ein Thema, das uns sehr umtreibt, ist das Thema „wirtschaftliche Souveränität“. Wir geben im Rahmen der IPCEI-Programme über 879 Millionen Euro für die Mikroelektronik aus. Das heißt, wir wollen den Standort Deutschland und den Standort Europa – das betone ich ganz besonders; wir müssen ja europäisch denken – stärken. Europäische Souveränität ist deutsches Interesse. Auch das bildet sich in diesem Haushalt ab. ({6}) Der Einzelplan 09 hat ja einen besonderen Fokus auf den Mittelstand. Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind uns ein besonderes Anliegen. Die industrielle Gemeinschaftsforschung haben wir mit 20 Millionen Euro gestärkt. Natürlich ist es essenziell, dass wir jetzt auch den Mittelstand bei der Transformation stärken. Deswegen freue ich mich sehr, dass es gelungen ist, ein Transformationsprogramm für kleine und Kleinstunternehmen im Wert von 100 Millionen Euro auf den Weg zu bringen. So können zum Beispiel Bäckereien, Metzgereien ihre Prozessenergie umstellen; das ist sehr wichtig für unsere Zukunft. ({7}) Es ist ein schwieriges Jahr für uns alle. Ich glaube, mancher freut sich, wenn das Jahr vorübergeht. Aber wir wissen: Das nächste wird nicht unbedingt leicht. Ich will trotzdem auch Danke sagen. Bei all den Streitigkeiten, die wir hier im Parlament hatten, haben wir vieles gemeinsam bewerkstelligt. Das ist, glaube ich, auch wichtig, dass wir gemeinsam den Weg nach vorne suchen. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine ist nicht überwunden. Die Menschen dort leiden. Wir investieren hier. Wir schaffen Sicherheit, auch soziale Sicherheit. Wir werden das Thema Fachkräfte in den kommenden Wochen und Monaten in den Fokus nehmen; auch das ist sehr wichtig, dass wir hier vorankommen. Es bleibt aber essenziell, dass wir in europäischer Gemeinsamkeit investieren, dass wir Sicherheit schaffen. Das legen wir mit diesem Haushalt, mit diesem Einzelplan 09 vor. Ich danke Ihnen. ({8})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Wolfgang Wiehle. ({0})

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Deutschland erlebt die größte Krise seit Bestehen der Bundesrepublik, und die Leute spüren, dass das Schlimmste noch kommen wird. Der Weg in diese Krise ist gepflastert mit großspurigen grünen Erzählungen: dass der Mensch die Entwicklung des Klimas steuern könne, dass die Energiewende nicht mehr koste als eine Kugel Eis im Monat und dass Deutschland sich besonders reinhängen müsse, damit die restlichen 98 Prozent der Welt folgen – das verbreiteten Sie, Herr Minister Habeck, kürzlich auf Instagram. Diese Geschichten sind eine gefährliche Mischung aus Selbstüberschätzung und Selbstbetrug. ({0}) Die ideologische Energiewende hat uns vom Gas in gefährlicher Weise abhängig gemacht; denn mit Wind und Sonne allein kann man ein Industrieland nicht betreiben. Die Sanktionen gegen Russland dienen ganz sicher nicht deutschen Interessen, und sie wurden ohne gründliches Nachdenken losgetreten. ({1}) Andere Länder wie Ungarn, Tschechien und die Slowakei schützen ihre Wirtschaft und ihre Bürger viel besser als diese deutsche Ampelregierung. ({2}) Die Energiepreise jagen nun von Rekord zu Rekord. Ein paar Jahrzehnte nach dem Wirtschaftswunder steht Deutschland nun vor dem Wirtschaftsabgrund und der Deindustrialisierung. Täglich schreiben Wirtschaftslenker Brandbriefe nach Berlin. Viele Unternehmen stellen die Produktion ein. Der Bäcker nebenan ist dann natürlich bald pleite. Große Unternehmen wie BASF verlassen Deutschland. Für viele Bürger heißt das: Heute müssen sie zu Hause frieren, morgen ist auch die Arbeit weg. ({3}) Mit Preisbremsen, immer neuen Milliardenpaketen für Uniper, SEFE, THE usw. legt die Regierung dem Patienten Deutschland eine Infusionsnadel nach der anderen. Alle diese Infusionen bringen aber keine Heilung, wenn das Ausbluten der deutschen Volkswirtschaft nicht gestoppt wird. ({4}) „Wumms“ macht das sonst nur in der Staatskasse und bald danach beim Steuerzahler. Wenn Sie nicht als Abwirtschaftungsminister in die Geschichte eingehen wollen, Herr Habeck, ({5}) dann beheben Sie jetzt die wirklichen Ursachen dieser Krise. Legen Sie Ihre Ideologie auf die Seite! ({6}) Beenden Sie Energiewende und Wirtschaftssanktionen! Lassen Sie die Kernkraftwerke länger laufen, nicht nur ein paar Monate, sondern für Jahre. ({7}) Folgen Sie der Forderung aus der Wirtschaft, und lassen Sie Nord Stream 2 wieder in Betrieb nehmen. Dem Vernehmen nach funktioniert eine Röhre ja noch. ({8}) Lösen Sie den sogenannten Klima- und Transformationsfonds auf, der nichts anderes ist als ein Schattenhaushalt, ein intransparenter Geldspeicher für Ihre Ideologieprojekte. ({9}) Die Zeit des Geschichtenerzählens ist vorbei. Deutschland steht am Scheideweg. ({10}) Wer glaubt, das kleine Deutschland könne für den ganzen Erdball Lehrmeister dafür sein, wie man das Klima rettet, der wird der ganzen Welt bald nur eines zeigen, nämlich wie man sich selbst ruiniert. ({11}) Reißen Sie das Ruder herum! Werfen Sie Ihre Ideologie beiseite! Stoppen Sie das Ausbluten unserer Volkswirtschaft! ({12}) Dann werden Sie die AfD auf Ihrer Seite haben – ({13}) mit einer Politik für die Zukunft Deutschlands, aber sicher nicht mit den Vorstellungen, die Sie uns hier als Bundeshaushalt vorgelegt haben. ({14})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Da die namentliche Abstimmung gleich vorbei ist, frage ich: Ist noch ein Mitglied im Hause, das noch nicht abgestimmt hat? – Dann besteht jetzt noch die Möglichkeit dazu. Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Frank Junge. ({0})

Frank Junge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004317, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Wiehle, die Erde ist keine Scheibe. ({0}) Der Klimawandel ist von Menschen gemacht, und wenn jeder auf den anderen wartet, passiert auf dem Globus gar nichts. ({1}) Wir erkennen unsere Verantwortung, und wir werden dieser Verantwortung gerecht. Meine Damen und Herren, in diesen Zeiten multipler Krisen und existenzieller, generationenübergreifender Zukunftsherausforderungen kommt es auf einen Staat an, der in der Lage ist, einen soliden, einen sicheren Haushalt aufzustellen, damit er der Wirtschaft Sicherheit und Verlässlichkeit gibt, aber auch den Bürgerinnen und Bürgern. Und genau das, meine Damen und Herren, leisten wir mit diesem Einzelplan und mit dem gesamten Haushalt der Bundesregierung. Wir entlasten die Bürgerinnen und Bürger mit Hilfen in dreistelliger Milliardenhöhe. Und ich sage das noch mal ausdrücklich, gerade auch an die Union gerichtet, die vom Seitenrand immer gerne dicke Backen macht und hier in einer nörglerischen Art alles schlechtredet: Wir als Bundesregierung schaffen es, die Bürgerinnen und Bürger in der Krise nicht alleinzulassen, sondern durch unterschiedliche Maßnahmen zu entlasten und durch die Krise zu führen. ({2}) Das spürt auch die Wirtschaft. Wie kann es sonst sein, dass wir im dritten Quartal dieses Jahres ein Wirtschaftswachstum von 0,4 Prozent hatten? ({3}) Das ist wenig, es zeigt aber, dass wir auf dem richtigen Kurs sind und die Wirtschaft mit unseren Möglichkeiten mitnehmen. ({4}) Meine Damen und Herren, der Einzelplan 09 in Verbindung mit den Mitteln aus dem Klima- und Transformationsfonds gibt uns die Möglichkeit, für Energiesicherheit für unsere Bevölkerung und die Wirtschaft zu sorgen. Wir stellen uns der Aufgabe, den Klimawandel weiter zu bekämpfen, die Energie-, Wärme- und Mobilitätswende voranzubringen und die Transformation der Wirtschaft ebenso. Das zieht nach sich, dass wir in riesigen Größenordnungen in die Infrastruktur unseres Landes investieren und dass wir dabei vor allen Dingen die Transformation in die Richtung unterstützen, dass wir Wasserstoff als Energieträger der Zukunft ausbauen, ({5}) Elektromobilität fördern und vor allen Dingen auch die Sanierung der Gebäude auf klimaeffiziente Art voranbringen. Dafür geben wir insgesamt etwa 35 Milliarden Euro aus, Geld, das eben nicht nur dafür da ist, Wirtschaftskreisläufe in der Krise zu stabilisieren, ({6}) sondern uns auch dazu bringt, aus der Krise hinaus in die Zukunft zu gehen und unseren Standort für die Zukunft fit zu machen. ({7}) Im Übrigen – das will ich hier auch noch mal sagen – haben wir es in einer kurzen Zeit bis Ende dieses Jahres geschafft, die LNG-Anlage in Wilhelmshaven ans Netz zu bringen. ({8}) Damit haben wir wiederum einen Faktor geschaffen, um für Energiesicherheit zu sorgen. Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern wird Anfang kommenden Jahres folgen. Das zeigt, wie stark diese Regierung aufgestellt ist und wie sie genau die richtigen Weichen stellt. ({9}) Meine Damen und Herren, ich möchte hier auch noch mal unterstreichen: Neben diesen großen globalen Herausforderungen haben wir einen Schwerpunkt auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen gesetzt. Sie sind das Rückgrat unserer Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund meinen wir es mit Blick auf den Zusammenhalt in der Gesellschaft sehr ernst, vor allen Dingen diesen Wirtschaftsbereich zu unterstützen. Ich möchte hier das Mittelstandsprogramm ZIM sowie die Industrieforschung für Unternehmen nennen. Das sind zwei Programme, mit denen wir vor allem kleinen Unternehmen im strukturschwachen Raum und vor allen Dingen auch im Osten sehr helfen können. Unter dem Aspekt der Stärkung des Handwerks stärken wir den Ausbildungsweg in Handwerksberufen mit 70 Millionen Euro und investieren auch in eine bessere Ausbildungsinfrastruktur. Ich möchte an dieser Stelle auch die GRW nennen. Die Mittel für die GRW in Höhe von 650 Millionen Euro sind um weitere 175 Millionen Euro für die nächsten zehn Jahre aufgestockt worden, um damit den Bereich der Nordosthäfen, aber auch die Raffineriestandorte im Osten zu unterstützen und den Transformationsprozess entsprechend zu begleiten. Das sind genau die richtigen Investitionen, die wir jetzt in der Krise brauchen und die an dieser Stelle auch weiter für Sicherheit und Beschäftigung sorgen werden. ({10}) Ganz besonders froh bin ich darüber, dass es uns gelungen ist, den Wiedereinstieg in das europäische Programm IPCEI Health vorzunehmen. Wir haben es in der Ampelkoalition geschafft, insgesamt 185 Millionen Euro bis 2028 in die Hand zu nehmen, um mit diesem Programm Synergieeffekte für unsere Gesundheitsbranche zu erzeugen. Wenn es uns gelingt, Wertschöpfungsprozesse bei uns zu verankern, die dafür sorgen, dass ein investierter Euro in mehrfacher Form zu uns zurückkommt, hilft das der Branche. Auch das können wir mit Blick auf den Wissenstransfer gut gebrauchen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Ich will zum Ende auch noch mal Dank an alle beteiligten Haushälter sagen, aber auch, Herr Habeck, an Ihre Mannschaft im Ministerium. Wir haben intensive Verhandlungen geführt und am Ende einen Haushalt aufstellen können, der uns die Möglichkeit bietet, nicht nur gut durch diese Krise zu kommen, sondern vor allen Dingen auch, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Vor diesem Hintergrund darf ich Sie um Zustimmung bitten. ({11})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zeit der namentlichen Abstimmung ist abgelaufen. Ich schließe damit die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekannt gegeben. Wir fahren weiter fort in der Debatte. Als Nächster hat das Wort für die Fraktion Die Linke Christian Leye. ({0})

Christian Leye (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005127, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die wirtschaftliche Lage ist schlecht wie seit Langem nicht. Um es mit den Worten von Marcel Fratzscher zu sagen: Die Großen fahren zum Teil auch in diesen Zeiten dicke Gewinne ein, während viele Mittelständler, die Kleinen, die Bäckerei um die Ecke, kaum mehr über die Runden kommen. Ja, das ist natürlich auch das Ergebnis des Wirtschaftskrieges mit Russland. Wir lernen: Handelskonflikte gehen auf den Nacken der kleinen Leute. Ich sage das deswegen, weil die USA Europa in einen neuen Handelskonflikt drängen wollen, diesmal mit China. Bevor die Blockbildung richtig an Fahrt aufnimmt, geht es doch darum, die eigenen Interessen mal zu sortieren und den USA nicht blindlings in den nächsten Wirtschaftskrieg zu folgen! ({0}) Neben den sozialen Kosten gibt es dafür noch einen Grund, und das sind die Interessen der USA. In der Krise haben Sie auf LNG-Gas aus den USA gesetzt, das die aber zu Rekordpreisen verkauft haben. Selbst Minister Habeck hat sich gewundert, dass unter Freunden solche Mondpreise aufgerufen werden. ({1}) Die Folge davon ist, dass bei solchen Mondpreisen für Energie natürlich Industriearbeitsplätze hier bedroht sind. Und dann wirbt das US-Handelsministerium auch noch gezielt Industrieunternehmen ab! Dann sollen die gigantischen Summen des Inflation Reduction Act nur fließen, wenn die Industrie auch wirklich in die USA verlagert wurde. Ich sage das mal deutlich: Die USA werben aggressiv Zukunftsindustrien rund um die erneuerbaren Energien ab, und gleichzeitig fordern sie Gefolgschaft in einem weiteren Handelskonflikt mit China, dessen Rohstoffe wir aber genau für diese Zukunftsindustrien brauchen. Das bedeutet: Hier wird eine Reindustrialisierung der USA auf Kosten einer Deindustrialisierung von Europa betrieben. Tolle Freunde sind das! ({2}) Herr Habeck, ich bin ja noch nicht so lange dabei, aber ich glaube, zwischen Staaten ist das manchmal wie bei Facebook: Das heißt nur „Freunde“, aber in Wahrheit geht es um etwas anderes. Bei Staaten, da geht es um Interessen. ({3}) Ich muss Ihnen sagen: In der globalen Blockbildung vertreten Sie unsere Interessen bemerkenswert schlecht, Herr Minister. Wer ist nun „uns“, und was sind unsere Interessen? Für Team Blau sind das alle mit den blonden Haaren, und für Team Gelb sind das Menschen mit viel Vermögen auf der Bank. Aber wenn ich sage „unsere Interessen“, dann geht es um die arbeitenden Menschen da draußen, den Mittelständler, die Kleinen, die Bäckerei um die Ecke, und die werden gerade schlecht vertreten. In der laufenden Blockbildung kommen diese Menschen unter die Räder. Die Schlangen an den Tafeln sind so lang wie noch nie. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung spart inzwischen beim Essen. Deswegen braucht es eine Wirtschaftspolitik, die nicht aus falsch verstandener Freundschaft in Handelskonflikte reinstolpert, sondern die die Interessen der Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen entschlossen und offensiv auch nach außen vertritt. Danke schön. ({4})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Karsten Klein. ({0})

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Energiekrise stellt die Verbraucherinnen und Verbraucher, die Unternehmerinnen und die Unternehmer, die kleinen, die mittleren, die großen Unternehmen, das Handwerk, den Handel, die Industrie vor große Herausforderungen. Wir als Ampelkoalition – SPD, Grüne und FDP – stellen mit den 200 Milliarden Euro für den WSF ein Programm zur Verfügung, das die Energiepreise dämpfen wird. Mit dem WSF stellen wir uns an die Seite der Menschen in diesem Land. ({0}) Mit der Einhaltung der Schuldenbremse 2023 stellen wir uns an die Seite zukünftiger Generationen. Denn der WSF ist ein konzentriertes Instrument, das genau auf die Herausforderungen dieser Krise abzielt, die Energiepreise zu dämpfen: mit der Gaspreisbremse, mit der Strompreisbremse, mit dem Härtefallfonds. Der WSF macht eben nicht das Feld auf für viele Ausgabenwünsche, wie wir es in der Coronakrise bei dem Konjunkturprogramm erlebt haben. Nein, das ist ein konzentriertes Instrument, das dafür sorgt, dass wir den Blick nicht nur auf die Bewältigung dieser Krise richten können, sondern mit der Einhaltung der Schuldenbremse auch auf die Krisen zukünftiger Generationen. ({1}) Jetzt gibt es im Zusammenhang mit dem WSF noch zwei wichtige Sachen zu sagen: Erstens. Damit es hier keine Missverständnisse gibt: Diese Misere auf dem Energiemarkt, die hohen Preise, haben ihre Ursache im Angriffskrieg von Wladimir Putin in der Ukraine. Sie sind nicht von der Bundesregierung initiiert, ({2}) und sie sind auch nicht die Folge eines von Deutschland beschlossenen Gasembargos, wie es Friedrich Merz noch im März vorgeschlagen hat. Zweitens. Man kann jetzt gegen all diese Vorschläge sein, die die Ampelkoalition zu Recht auf den Weg gebracht hat, liebe Union. Aber gleichzeitig keinen eigenen Vorschlag einzubringen, gleichzeitig keine Haushaltsmittel für die Bekämpfung dieser hohen Energiepreise einzustellen, zeigt doch zweierlei: Sie würden die Menschen in diesem Winter im Kalten sitzen lassen, und außerdem würden Sie unter Ihrer Regierungsführung dafür sorgen, dass die Industrie in diesem Land nächstes Jahr stillsteht. ({3}) Deshalb ist es gut, dass die Ampel regiert und nicht die Union. ({4}) Eines möchte ich noch klar adressieren, auch im Sinne meiner Fraktion, und zwar zu den Verhandlungen, die jetzt in Brüssel stattfinden. Die Ergebnisse, die dort erzielt werden sollen, müssen selbstverständlich auf den Vereinbarungen unserer Koalition fundieren. Deshalb will ich nur noch mal darauf hinweisen, dass die Mittel für den WSF, anders als von der Regierung geplant, gesperrt sind. Der Haushaltsausschuss wird diese nötigen Mittel freigeben, wenn das, was am Ende von der Bundesregierung beschlossen wird, auf dem Fundament unserer drei Fraktionen basiert – in keinem anderen Fall, liebe Kolleginnen und Kollegen! ({5}) Mit dem WSF machen wir eine aktive Industriepolitik, eine aktive Wirtschaftspolitik – im Gegensatz zu den Ankündigungen der Union. Aber, Herr Minister, Sie machen auch noch in einem anderen großen wichtigen Bereich aktive Wirtschaftspolitik. Ich möchte Anna Christmann herzlich zu dem Ergebnis beglückwünschen, das bei den Verhandlungen im Rahmen der ESA-Konferenz erzielt worden ist. 4 Milliarden Euro – die Bundesrepublik ist nach wie vor der stärkste Zahler bei der Europäischen Raumfahrt. Wir haben uns klar committet, zum Mondprogramm zum Beispiel, oder auch zu dem Joint Agreement, wenn wir in Richtung Kleinstsatelliten, resiliente Kommunikation und Kleinstträgerraketen gehen. Das ist eine richtige Weichenstellung. Deshalb: Dazu noch mal ganz herzlichen Glückwunsch! ({6}) Wir werden diese Entscheidungen aber auch weiterhin flankieren. Wir haben diese Entscheidungen schon flankiert mit Beschlüssen im Haushaltsausschuss. Wir haben gemeinsam, lieber Frank, lieber Felix – dem ich von hier aus noch mal herzliche Glückwünsche ausrichten möchte –, 31 Millionen Euro für das nationale Raumfahrtprogramm auf den Weg gebracht, auch hier mit einem Baustein für Kleinstsatelliten, für Kleinstträgerraketen, für resiliente Kommunikation in einem Wettbewerb, der da ausgeschrieben werden soll. Man sieht: Wir arbeiten sehr gut miteinander; wir kombinieren europäische und deutsche Raumfahrt. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben einer aktiven Wirtschaftspolitik muss das Wirtschafts- und Klimaministerium natürlich auch noch eine koordinierte Klimapolitik machen. Da haben Sie, Herr Minister, leider nicht die besten Voraussetzungen Ihres Vorgängers übernommen. Die Bundesrechnungshofberichte zur Energiewende sind hinlänglich bekannt: wenig Steuerung, wenig Koordination, wenig Wirksamkeit. Dass die Union jetzt im Zuge der Klimakonferenz auch noch die Mittel für den internationalen Klimaschutz streichen wollte, das sollte hier auf jeden Fall mal erwähnt werden; das finde ich bemerkenswert. Aber, ich glaube, wichtig ist, dass wir auch Aufgaben haben. Wir haben einen Klima- und Transformationsfonds – er hieß zuvor „Energie- und Klimafonds“ – mit 104 Milliarden Euro. Schönen Gruß an Fridays for Future; die Forderung dieser Bewegung ist längst erfüllt. Wir haben 4,2 Milliarden Euro für den internationalen Klimaschutz bereitgestellt; das Versprechen von Angela Merkel ist auch erfüllt. ({8}) Aber in Wahrheit wissen wir nicht genau, was mit den vielen Instrumenten, die wir im Haushalt haben, am Ende erzielt wird. Die Wirksamkeit muss noch verbessert werden. Deshalb ist es gut, dass wir jetzt Beschlüsse gefasst haben, dass das Monitoring und dass die entsprechenden Berichte verbessert werden, sowohl beim Klima- und Transformationsfonds wie auch bei IKI, der Internationalen Klimaschutzinitiative. Das ist uns gelungen. Wir werden in der nächsten Zeit auch dafür sorgen, dass es einen koordinierten und wirksamen Klimaschutz in Deutschland gibt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist der 25. November 2022. Der Winter kommt, es wird spürbar kälter. Viele Menschen beginnen in ihren privaten Haushalten, in den Büros, in den Unternehmen zu heizen. Das Problem ist nur: Viele müssen jetzt anfangen, zu heizen, ohne wirklich zu wissen, ob sie es sich leisten können. Zum 1. Januar – die Vorbereitung passiert gerade dieser Tage – werden viele Strom- und Gaspreise erhöht. Die Menschen erhalten die entsprechenden Rechnungen. Die Wochen, die Monate vergehen; es gab Koalitionsausschüsse mit entsprechenden Einigungen – zumindest scheinbar. Es gab die Konzertierte Aktion; davon hat man auch schon lange nichts mehr gehört. ({0}) Die Gaskommission hat vor mittlerweile sechs, sieben Wochen erste Vorschläge vorgelegt. Es gibt jetzt einen ersten Gesetzentwurf. Nach erstem Lesen muss man sagen: Danach ist noch weniger klar, als vorher klar war. ({1}) Sie sind bei der Gasumlage wochen- und monatelang im Sommer gegen die Wand gelaufen, haben Zeit vertrödelt. Jetzt fängt der Winter an, und die Menschen wissen immer noch nicht, was für sie gilt. Das ist ein Problem in diesen Zeiten. ({2}) Diese Woche sind wir hier ja schon literarisch geworden. Aber statt bei Lewis Carroll hätte man besser Samuel Beckett nachgeschaut: „Warten auf Godot“. Das ist es doch eher, was hier zutrifft. Wenn im Land Unruhe ist, wenn es Montagsdemonstrationen gibt, wenn Menschen den Glauben an die Politik verlieren, dann hat das mit manchem zu tun. ({3}) Es hat aber vor allem mit einem zu tun: Wenn jemand Verantwortung für die Unruhe und Unsicherheit im Land hat, so viele Monate nach Kriegsbeginn, auch nachdem eigentlich so viel Zeit vergangen ist, in der klar war, dass dieser Winter kommt und viele bei den Gas- und Strompreisen unsicher sind, ({4}) dann eine Bundesregierung, die nicht entscheidet, wo Entscheidungen dringend notwendig wären. ({5}) Die wenigen Male in den letzten Monaten, bei denen Sie konsequent pragmatisch gewesen sind, da waren Sie erfolgreich, und – das muss man auch anerkennen – das war richtig. Die Beschleunigung bei den LNG-Terminals: Das war gut, das war richtig. Es ist gelungen, die Gasspeicher zu füllen; auch das ist gut für den Winter. Aber da haben Sie eben alles beiseitegelassen, was Sie bisher als Parteiprogrammatik hatten, was Sie bisher gesagt haben, haben auf das geschaut, was notwendig ist, und haben es getan. ({6}) – Zum Erbe von Peter Altmaier kann ich Ihnen was sagen; ich war nämlich dabei. ({7}) – Ja, ja. Warten Sie mal ab. – Es war der Finanzminister Olaf Scholz, der ja, wie wir gemerkt haben, schon vergessen hat, dass er regiert hat. ({8}) Es war der Finanzminister Olaf Scholz, der den Bau von LNG-Terminals zum Transport von US-amerikanischem Gas nach Deutschland davon abhängig gemacht hat, dass die USA die Sanktionen gegen Nord Stream 2 aufheben. ({9}) Es war Olaf Scholz, der am Ende den Russen entgegengekommen ist und den Amerikanern nicht die LNG-Terminals bauen wollte. Das war nämlich die Geschichte. Insofern sollten Sie öfter mal genau hinschauen, was gewesen ist. ({10}) Da, wo Sie konsequent pragmatisch waren, waren Sie erfolgreich. Da, wo Sie nicht pragmatisch waren, sehen wir halbherzige Entscheidungen. Nehmen Sie nur die Kernenergie. In der Debatte hier dazu hat ein grüner Kollege gesagt, es wäre eine Zumutung, diese Entscheidung treffen zu müssen. ({11}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die eigentliche Zumutung war woanders. Wir haben Bürgerinnen und Bürger, die sich den Strom nicht leisten können. Jeder weiß: Es gibt Angebotsknappheit. Preise gehen da runter, wo das Angebot breiter und auch verlässlich wird. Der nächste, der übernächste Winter – das sagen auch alle Expertinnen und Experten – wird im Zweifel noch härter als dieser. ({12}) Deswegen haben Sie sich irgendwie „hingewürgt“, um die Laufzeit der Atomkraftwerke um zwölf Wochen zu verlängern, obwohl zwei Jahre notwendig gewesen sind. Die Zumutung, die war nicht bei den Grünen. Die Zumutung besteht darin, dass die Bürgerinnen und Bürger sehen müssen, wie Sie sich zu den notwendigen Entscheidungen hinrobben. ({13}) Aber ich will – es gäbe noch so viel mehr zu sagen – eines noch grundsätzlich zur Art der Debatte sagen. Nachdem ich das diese Woche mal aufmerksam verfolgt habe, stimme ich zu: Ja, in Zeiten wie diesen, in Zeiten von nationaler Krise, braucht es Zusammenhalt. ({14}) Und: Ja, es geht auch um die Art der Debatte. Aber um Einigkeit muss man sich auch bemühen. Wenn gelegentlich der Blick auf die Krise vorher, auf die Pandemie, geworfen wird, stellt man fest: Es bestand Einigkeit in der Bundesregierung über den Kurs. ({15}) Da gab es keine Debatte. – Wir erleben hier, dass Wirtschafts- und Finanzminister jeden Tag miteinander darüber streiten, was der richtige Kurs ist. ({16}) In der Krise vorher war Einigkeit mit den Ländern und den Kommunen. ({17}) Wir haben mit Ländern und Kommunen stundenlang gerungen, um einig zu sein. ({18}) Sie haben es – unabhängig von der Farbenlehre – innerhalb weniger Wochen geschafft, alle Länder gegen sich aufzubringen. Auch das ist in dieser Krise eine Belastung: dass es Ihnen nicht gelingt, den Zusammenhalt herzustellen. ({19}) Aber das am meisten Entscheidende ist die Frage des Umgangs mit Kritik; wir haben das ja gerade schon wieder erlebt in der Debatte zum Bürgergeld. Zusammenhalt entsteht nicht durch das Beschwören der eigenen Großartigkeit. ({20}) Geschlossenheit entsteht nicht durch Gehorsam, Gemeinsinn nicht durch gegenseitiges Verächtlichmachen. Zusammenhalt entsteht durch gute Debatten, durch das Ringen um eine richtige Lösung. ({21}) Da, wo Sie das bessere Argument haben, sind wir Ihnen gefolgt. ({22}) Aber Sie müssen es aushalten – denn es ist das Elixier einer Demokratie, und es ist Voraussetzung für Zusammenhalt –, dass gute, auch strittige Debatten geführt werden. Da, wo Sie richtigliegen, werden wir Ihnen zustimmen. ({23}) Aber da, wo Sie falschliegen, wo Sie halbherzig agieren, wo Sie zögern, da wird es auch in Zukunft Kritik geben. Gewöhnen Sie sich daran! ({24})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Bundesregierung der Bundesminister Dr. Robert Habeck. ({0})

Dr. Robert Habeck (Minister:in)

Politiker ID: 11005074

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zum Haushalt komme, lassen Sie mich auf einige der Reden noch kurz eingehen, ohne es zu lang machen zu wollen. Dennoch möchte ich gerne, dass die Behauptungen der AfD nicht unkommentiert im Raum stehen bleiben. Sie haben von deutschen Interessen gesprochen und davon, dass sie gewahrt werden sollen. Ich sage Ihnen: Das wichtigste deutsche Interesse ist, dass Kriegsfürsten ({0}) nicht nach Gutsherrenart andere Länder überfallen dürfen, dass sich diese Politik in Europa nicht durchsetzt. ({1}) Wo ich dabei bin: Es ist nicht im deutschen Interesse, dass hier im Stil von Russia Today Ursache und Wirkung verdreht werden. Das ist nicht im deutschen Interesse. ({2}) Sie haben gesagt, wir sollen die Ursachen für diese Krise stoppen. Genau darum geht es. Die Ursache für diese Krise zu stoppen, heißt, ({3}) Putin in den Arm zu fallen und zu verhindern, dass er sich durchsetzt. Sanktionen sind ein notwendiges Mittel, um genau das zu tun, und ich glaube auch, dass dieser Weg erfolgreich ist. Der Krieg in der Ukraine ist sicherlich kein Vorbild für andere Länder. ({4}) Es ist ein Desaster auf dem Schlachtfeld, und es ist ein Desaster für die russische Ökonomie. Das nicht zu sehen, heißt, dass man politisch blind ist. ({5}) Sehr geehrte Damen und Herren, damit würde ich zum Haushalt kommen und kurz auf den Kollegen Mattfeldt eingehen. Lieber Andreas Mattfeldt, als ich Ihnen zugehört habe, habe ich mich schon gefragt, ob Sie den Haushalt gelesen haben. Das war schon eine sehr paralleluniversumslastige Rede, die Sie hier gehalten haben. Sie haben gesagt, wir tun zu wenig für den Mittelstand. Das Mittelstandsprogramm ZIM ist auf 700 Millionen Euro aufgestockt worden. Sie haben gesagt, wir konzentrieren uns nur auf das Klima. Sie haben übersehen, dass wir von der Gesundheitswirtschaft über die Digitalisierung über die Cloud- Infrastruktur bis hin zur Raumfahrt große Programmvolumina stemmen, um die deutsche Wirtschaft in allen Bereichen für die Zukunft fitzumachen und zu unterstützen. ({6}) Wo ich dabei bin: Klimaschutz ist die Zukunft. Eine klimaneutrale, CO2-arme Produktions- und Konsumweise ist die ökonomische Zukunft. Und wenn Sie uns schon nicht glauben, möchte ich als Beispiel den amerikanischen Inflation Reduction Act anführen, der ja die gesamte Feuerkraft der amerikanischen Finanzmöglichkeiten auf klimaneutrale Technologien konzentriert. Was die Amerikaner machen, ist exakt das, was der Klima- und Transformationsfonds ebenfalls ermöglicht, nämlich die Förderung von erneuerbaren Energien, die Förderung von Wasserstoff, die Förderung von Batterien, die Förderung von E‑Mobilität. All das beinhaltet der Inflation Reduction Act. Die Amerikaner haben sich also entschieden, den Kampf um den Leitmarkt einer zukunftsfähigen Industrie zu führen. Allerdings ist damit auch die Entscheidung verbunden, wo dieser Leitmarkt sein wird: Es wird einen Wettbewerb zwischen den großen ökonomischen Mächten darüber geben, wer am stärksten, am schnellsten und am entschiedensten diesen Leitmarkt einer klimaneutralen, einer grünen Industrie aufbaut. Wer sagt, das sei alles nur Ökokram oder Klimaschutz, der verkennt die ökonomische Auseinandersetzung, in der wir uns befinden. ({7}) Die Zukunft wird darüber entscheiden, wer Innovationskraft und Leistungsfähigkeit im Bereich der grünen Wirtschaft am schnellsten und am besten aufbaut. ({8}) Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben eine Rekordinflation. Wir haben eine drohende Rezession. Wir haben Energieknappheit. Wir haben Krieg in Europa. Wir haben einen Wandel – das ist die höfliche Formulierung – im globalen Wettbewerb. Eigentlich muss man sagen: Es ist eine immer konfliktreichere Geopolitik, die zurückkommt. Wir haben die Klimakrise mit enormen, auch ökonomischen Folgen; über alle anderen – über das Elend der Menschen – will ich hier gar nicht reden. Ich habe mich, als ich in Singapur war, mit dem Wirtschaftsminister aus Pakistan getroffen. Die Wirtschaftsbeziehungen zu Pakistan sind sicherlich ausbaufähig. Aber was er über das Sterben in Pakistan wegen „grassierender Klimaveränderungen“ – das waren seine Worte – geschildert hat, ({9}) das hat einem noch mal ein ganz anderes Bild vermittelt. Sehr geehrte Damen und Herren, die Herausforderungen, vor denen dieses Land steht, sie könnten nicht größer sein. Es bedarf einer enormen Kraftanstrengung, um diese Herausforderungen zu bestehen und sie zu stemmen, politisch wie gesellschaftlich. Der Einzelplan 09 des Haushalts bildet diese Kraftanstrengung ab. Die Mittel steigen noch einmal. Der Haushalt umfasst insgesamt 14,5 Milliarden Euro; das sind 3,2 Milliarden Euro mehr als der Haushalt 2022. Wenn man sich anschaut, worauf sich diese Gelder konzentrieren, dann erkennt man ziemlich genau die Strategie der Bundesregierung: Es geht um die kurzfristige Sicherung in der Krise; das ist der eine Schwerpunkt. Das sind die Investitionen in Betrieb und Aufbau der FSRU-Schiffe, um Ersatz zu schaffen für das russische Gas, das zuletzt ja schon nicht gekommen ist. Es war Putin, der das Gas abgedreht hat. So viel zu Nord Stream 2. ({10}) – Sie haben offensichtlich zu viel Russia Today geguckt. ({11}) Sie müssen doch wohl zumindest die Fakten anerkennen: Das Gas aus Russland kam nicht. Es gibt keine Sanktionen gegen Gas. Zweitens: Sicherung einer Ölversorgung für Schwedt durch den Aufbau von Pipelinesystemen als Alternative zu der Druschba-Pipeline. All das spiegelt sich in dem Haushalt wider und kostet natürlich ziemlich viel Geld. ({12}) Dann geht es aber auch um die Konzentration auf die Zukunftsaufgaben – ich habe sie eben schon erwähnt –, von der Cloud-Technologie zur Unterstützung einer digitalen Wirtschaft bis hin zu den Investitionsprogrammen für den Mittelstand im Bereich einer Erneuerbaren-Wirtschaft. Sehr geehrte Damen und Herren, der Einzelplan 60 ist der Einzelplan, der den Klima- und Transformationsfonds beherbergt. Dieser umfasst für das nächste Jahr 36 Milliarden Euro. Ich will damit sagen, dass die Summen, die wir mobilisieren, durchaus erheblich sind. Diese Summen sind im Vergleich zu den amerikanischen Ausgaben – 400 Milliarden Dollar, die dort erst einmal bereitstehen – durchaus wettbewerbsfähig. Wir haben, grob über den Daumen geschätzt, allein in Deutschland 200 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds. Das ist durchaus vergleichbar. Die Aufgabe ist, dass wir schneller und entschiedener werden müssen bei der Planung für Ausgaben und beim Wettbewerbsrecht innerhalb Europas. ({13}) Das heißt, wir müssen entschiedener und entschlossener werden, nicht zögerlicher. Und wir dürfen nicht das infrage stellen, was wir eigentlich, mit Verlaub, auch in diesem Haus schon erkannt hatten; denn den Klima- und Transformationsfonds haben wir geerbt. Insofern: Das, was bei einer entschiedenen Wirtschaftspolitik eigentlich am hinderlichsten ist, ist der permanente intellektuelle Rückfall hinter Jahre, in denen wir eigentlich schon mal weiter waren. ({14}) Sehr geehrte Damen und Herren, wir werden den Klima- und Transformationsfonds nutzen, um exakt entlang dieser Strategie die nächsten Schritte zu gehen. Wir sind gerade dabei, die Richtlinie für die sogenannten Carbon Contracts for Difference zu designen; sie ist fertig und befindet sich jetzt in der Abstimmung mit den anderen Häusern. Wir werden also im nächsten Jahr Verträge für die Industrie anbieten, die dann die Dekarbonisierung, den Weg hin zur Wasserstofftechnologie beschreiten wird. Sehr geehrte Damen und Herren, abschließend: Wir sind mitten in einer Krise. Der Druck auf die Wirtschaft und auf die Bevölkerung ist enorm hoch. Wir kämpfen uns aber – ich glaube, das letzte Jahr hat gezeigt, dass wir durchaus in der Lage sind, das zu tun – erfolgreich Schritt für Schritt aus dieser Krise heraus. Das nächste Jahr wird nicht weniger hart werden. Der Haushalt gibt uns die Möglichkeit, diese nächsten Schritte Zug um Zug zu gehen, so diese Zeit zu überstehen und die Wertschöpfung, die Wirtschaft und die Prosperität in Deutschland hochzuhalten. Danke schön. ({15})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Leif-Erik Holm. ({0})

Leif Erik Holm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004761, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Liebe Bürger! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute in einem Monat ist Weihnachten. Dann soll der Weihnachtsbraten auf dem Tisch stehen; aber viele werden in diesem Jahr wohl darauf verzichten. Eine Weihnachtsgans kostet mittlerweile an die 100 Euro. Die massive Teuerung frisst sich immer tiefer in unsere Portemonnaies. Über 10 Prozent Inflation – bei Lebensmitteln über 20 Prozent Inflation –, und viele Produzenten haben gerade erst ein Drittel der gestiegenen Produktionskosten an die Kunden weitergegeben. Es kommt also wohl noch dicker. Mit dieser Inflation wird unseren Bürgern der Wohlstand gestohlen. ({0}) Bedanken dürfen sich die Menschen dafür bei Ihnen – auch bei Ihnen, Herr Minister – und bei Ihren Vorgängern, die die dümmste Energiepolitik der Welt betreiben. Wegen der explodierenden Energiepreise verlassen große Unternehmen unser Land, oder sie spielen zumindest jetzt schon mit dem Gedanken. ({1}) Eine Insolvenzwelle ist bereits angerollt. Wir reden jetzt ernsthaft über die Deindustriealisierung unseres Landes. Das hätten wir uns doch vor Wochen gar nicht vorstellen können. Aber selbst in dieser dramatischen Krise haben Sie nicht den Mumm, zuzugeben, was offensichtlich ist: Ihre sogenannte Energiewende ist krachend gescheitert. ({2}) Ich hatte vor einigen Wochen ein sehr langes – hören Sie zu, Herr Gremmels – und ausführliches Gespräch mit einem Unternehmen, das sehr betroffen ist: mit dem Porzellanhersteller Kahla aus Thüringen. Der Geschäftsführer hat mir die Zahlen seines Unternehmens gezeigt, und er wusste nicht, wie es weitergehen soll. Sein Gasversorger hat ihm gekündigt, weil auch der keine Ahnung hat, wie es weitergehen soll. Jetzt war das einzige Angebot, dass er auf Basis von Spotmarktpreisen ein Angebot bekommen sollte, was natürlich absolut unmöglich ist, weil ein Unternehmen planen muss. Stand gestern hat Kahla immer noch keinen passenden Gasvertrag. Das ist die Lage in Tausenden Unternehmen in Deutschland, und Sie ändern daran bisher überhaupt nichts. ({3}) Wann kommen Sie endlich aus dem Knick mit Gas- und Strompreisbremse, und wann kümmern Sie sich um die Ausweitung des Energieangebots? Denn das ist wirklich die Ursachenbekämpfung, die wir brauchen. ({4}) Wir brauchen ausreichend Gas. ({5}) China hat sich gestern in Katar Gas in rauen Mengen besorgt. ({6}) Herr Minister, Sie waren da. Sie haben tief gebuckelt vor den Scheichs. Es kam aber nichts dabei heraus. ({7}) Die Chinesen haben sich langfristig gebunden und haben ihren Vertrag gemacht, wie die Italiener schon zuvor. Sie bekommen es nicht auf die Reihe, oder Sie wollen es nicht auf die Reihe bekommen. Das ist wirklich blanker Dilettantismus in diesem Wirtschaftsministerium. ({8}) Aber für uns bleibt dort nichts mehr übrig. Wie wollen Sie die Speicher im nächsten Jahr füllen? Wie wollen Sie es denn machen? ({9}) Sie haben noch eine Chance: Wir brauchen den funktionierenden Strang von Nord Stream 2. ({10}) Der ist notwendig, wenn wir im nächsten Jahr unsere Gasspeicher wieder füllen wollen; anders wird es nicht funktionieren. ({11}) Meine Damen und Herren, es ist geboten, jetzt zu handeln. Wir sind in dramatischen Zeiten. Herr Minister, ein guter Krisenmanager hätte jetzt gar keine Zeit mehr, teure Haus- und Hoffotografen zu engagieren ({12}) oder vom heroischen Tragen der „One Love“-Armbinde zu träumen; dazu sind unsere Probleme viel zu existenziell. ({13}) Was wir jetzt brauchen, ist endlich ein Handeln für sichere und bezahlbare Energie, damit unser Land leben kann! Herzlichen Dank. ({14})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Bernd Westphal. ({0})

Bernd Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Einzelplan 09 des Bundeshaushalts ist in Zahlen gegossene Wirtschaftspolitik. Wir setzen klare Prioritäten. Zugegeben, 476 Milliarden Euro sind eine große Summe; aber wenn man sich anguckt, wie der investive Teil dieses Bundeshaushaltes ist, sieht man: Das ist gut investiertes Geld. Das sichert die Zukunft unseres Landes und schafft Perspektiven, und das machen wir mit diesem Bundeshaushalt. ({0}) Die Ampelkoalition stärkt gesellschaftlichen Zusammenhalt; das haben wir eben mit dem Beschluss zum Bürgergeld bewiesen, der gut ist. Das ist ein guter Beschluss für unsere gesellschaftliche Entwicklung. ({1}) Wir organisieren Unterstützung für private Haushalte und Unternehmen. Die Zahlung des Abschlags im Dezember ist genau das, was wir jetzt kurzfristig wirksam auf den Weg bringen, und die anderen Dinge werden noch in den Sitzungswochen vor Weihnachten auf den Weg gebracht. Die Komplexität dieser Sachen braucht eben auch diese Zeit, damit das gelingt. Wir werden aber auch sehr positive Impulse für Investitionen in den Unternehmen setzen und vor allen Dingen die Modernisierung der Infrastruktur nach vorne bringen. Gerade was die Fachkräftesicherung angeht, gibt es eine Verstärkung der Aus- und Weiterbildung. Vor allem auch im Bereich des Handwerks, wo dringend Fachkräfte gesucht werden, werden die Ausbildungsmöglichkeiten finanziell unterstützt. Wir werden eine Absicherung der Forschungs- und Entwicklungsaufgaben vornehmen, gerade durch den Mittelaufwuchs in der Industrieforschung. Aber auch dem Bereich des ZIM, des Programms, das sehr innovativ ist und in den letzten Jahrzehnten etabliert wurde, sind noch mal Mittel zugeflossen. Gerade der Mittelstand wird hier eine Innovationsförderung bekommen, die ihn stärkt. Die Sicherung der Kaufkraft findet nicht nur durch das Bürgergeld, sondern auch durch die Erhöhung des Mindestlohns, der Renten, des Kindergelds und andere Dinge statt. Auch die kluge Option, Einmalzahlungen von 3 000 Euro steuer- und abgabenfrei als Instrument zu etablieren, werden die Tarifpartner aufnehmen. Das schafft Kaufkraft und stärkt unsere Wirtschaft. ({2}) Meine Damen und Herren, die zukunftsweisenden Branchen wie zum Beispiel die Gesundheitswirtschaft mit dem IPCEI Health, das ein besonderes Investitionsvolumen für die Gesundheitswirtschaft beinhaltet, werden genau dieses innovative Umfeld schaffen, das wir benötigen. Und auch die Luft- und Raumfahrt – wir sind Motor der europäischen Raumfahrt – ist etwas, was wir wirklich noch mal mit Inhalten füllen. Herr Spahn, das sind Inhalte; das sind konkrete Dinge aus dem Bundeshaushalt. Was Sie in fünf Minuten hier vorgetragen haben, war nur Kritik. Nicht ein inhaltlicher Punkt kam von der Union. ({3}) Sie machen das noch nicht so lange. Vielleicht kommt da ja auch noch was. Die US-Regierung will die Inflation mit einem Milliardensubventionsprogramm bekämpfen, dem sogenannten Inflation Reduction Act. Diese Milliardensubventionen sind enorme Steuervorteile in den USA, und sie werden natürlich auch Einfluss haben auf Investitionsentscheidungen der Unternehmen hier in Deutschland. Deshalb brauchen wir eine Antwort darauf; Herr Bundeswirtschaftsminister, wir müssen darüber nachdenken, wie wir darauf reagieren. Nächste Woche ist EU-Kommissar Breton hier in Berlin. Wir haben Gelegenheit, im Wirtschaftsausschuss mit ihm darüber zu diskutieren. Ich finde, dass wir auch darüber nachdenken müssen, dieser Herausforderung mit unseren Instrumenten etwas entgegenzusetzen: zum Beispiel mit einem etablierten Industriestrompreis zur Sicherung der Basis für industrielle Produktion in Deutschland, mit besseren Abschreibungsmöglichkeiten und mit einer klugen Standortpolitik. ({4}) Herr Merz hat am Mittwoch in seiner Rede gesagt, Zweifel und Bedenken habe die Union. Wenn man sich den Haushalt anguckt und die Politik der Ampel mal wirklich ernsthaft bewertet, komme ich zu ganz anderen Ergebnissen. ({5}) Die Regierungskoalition modernisiert unser Land, sie spannt Schutzschirme auf zur Überwindung der Krise, sorgt für gute Investitions- und Standortbedingungen, schafft Perspektiven für alle Menschen in unserem Land und sorgt für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das alles sind gute Gründe, zuversichtlich zu sein. Herzlichen Dank und Glück auf. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Ralph Lenkert. ({0})

Ralph Lenkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004091, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Fast 40 Cent kostete eine Kilowattstunde Strom an der Börse genau vor einem Jahr; da gab es noch keinen Krieg gegen die Ukraine. Heute sind es 10 Cent weniger. Im Juni 2019 stand Deutschland dreimal kurz vor einem Blackout. Schuld waren nicht die erneuerbaren Energien; Verursacher waren jeweils Spekulanten an der Börse. ({0}) Die Linke lehnt Börsenspekulation ab, weil sie uns gefährdet. Was vielleicht den einen oder andern irritiert: Wir sind auch für Wohlstand – für alle. ({1}) Aber wir sind dagegen, dass einige wenige den Wohlstand für sich beanspruchen und dadurch die Mehrheit der Menschen verarmt. ({2}) Die Börse ist ein Instrument, mit dem bei Naturkatastrophen, bei Kriegen oder durch Marktmanipulation der Wohlstand der Mehrheit zerstört wird. ({3}) Und die Bundesregierung? Sie sieht zu. Sie schnürt unzureichende Entlastungspakete, statt auf die geniale ldee zu setzen, Spekulationsgewinne einzukassieren mit einer echten Übergewinnsteuer ({4}) und mit Preiskontrollen Wucherpreise zu beenden. ({5}) So schlägt es Die Linke vor. ({6}) Egal wie die Ampel die Bremsen nennt: Es bleiben nur kosmetische Eingriffe, mit denen Sie letztlich die Börse und nicht die Menschen schützen. ({7}) Ihre Milliardensubventionen fließen durch die Hände der Menschen in die Taschen der Konzerne. Dagegen und immer wieder fordert Die Linke eine Vergesellschaftung der Energiewirtschaft. ({8}) Damit bleiben Energiekosten bezahlbar, damit wird Versorgungssicherheit gewährleistet, und damit sichern wir letztlich eine klimaneutrale Energiewirtschaft. ({9}) Kurzfristig, liebe Bürgerinnen und Bürger, fordern wir bezahlbare Energiekontingente und monatliche Direktzahlungen an alle Haushalte von 75 Euro je Haushalt, plus 50 Euro je Person in jedem Monat. Vielen Dank. ({10})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Hagen Reinhold. ({0})

Hagen Reinhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004229, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Debatten wie die um COSCO in den letzten Wochen zeigen, dass endlich in der Regierung, erst recht im Wirtschaftsministerium, aber auch in der Bevölkerung und in der Wirtschaft eine wichtige Debatte begonnen hat, ({0}) eine Debatte über strategische Abhängigkeiten, über Rohstoffsicherheit, über die Verfügbarkeit von Produkten, aber auch über strategische Infrastruktur – was ist das eigentlich? was bedeutet das für uns? – und darüber, was für Fähigkeiten es eigentlich in diesem Land braucht, um in Zukunft erfolgreich zu sein. Ich bin froh, dass wir das begonnen haben und weiterführen werden und dass wir erkannt haben, dass die Sicherung von Wohlstand und von Arbeit auch davon abhängt, welche Fähigkeiten in diesem Land verfügbar sind. Viele Antworten darauf bietet der Haushalt des Wirtschaftsministeriums. Ich nehme mal die strategische Abhängigkeit bei der Energie: Ja, wir nehmen jetzt 200 Milliarden Euro in die Hand, um für kleine und mittelständische Unternehmen, für die Menschen in diesem Land Energie bezahlbar zu machen. Aber es steht eben zum Beispiel auch in diesem Haushalt, dass eine Studie darüber zu erarbeiten ist, wie wir eigentlich Tanker für LNG, für Wasserstoff in der Zukunft für unser Land beschaffen können. Warum? Weil wir erkannt haben, dass Länder wie Katar nicht nur Energie besitzen, sondern sich 60 Prozent der Tankerbaukapazitäten weltweit in den nächsten Jahren schon gesichert haben ({1}) und der Preis von Energie sich eben nicht nur zusammensetzt aus der Verfügbarkeit der Energie, sondern auch aus dem Transport. Deshalb, Herr Mattfeldt, kann ich gar nicht verstehen, dass Sie sagen: „Die Ampel reagiert viel zu spät und auch noch falsch“; denn gucken wir uns die Vergangenheit an, sehen wir: Da ist zu wenig passiert in diesem Land, um diese Fähigkeiten in Deutschland zu erhalten. Ich erinnere daran, wie uns die Solarbranche abhandengekommen ist. ({2}) Ich erinnere daran, wie die Windkraft in diesem Land gelitten hat. Wenn weitere Fähigkeiten in diesem Land abhandenkommen, dann werden wir Wohlstand und Arbeit in diesem Land in Zukunft nicht sichern. Darauf gibt dieser Bundeshaushalt deutliche Antworten. ({3}) Wir werden die Energiesicherheit in Deutschland gewährleisten, indem wir die Energieerzeugung umstellen; auch dazu braucht es Fähigkeiten, unter anderem in der maritimen Industrie. Wir brauchen Errichterschiffe für Offshorewindkraftanlagen, Kabelverlegeschiffe usw. Deshalb ist es wichtig, dass nicht nur die Politik – die kann es nicht alleine richten –, sondern auch Wirtschaft und Bevölkerung erkannt haben: Das kostet auch etwas, und ich muss etwas dafür tun. – Die Bundesregierung, die öffentliche Hand müssen erkennen, dass es wichtig ist, die Industrie in Europa, in Deutschland zu stärken, indem ich Produkte hier abfrage und nicht in Asien kaufe. Gott sei Dank haben wir die Debatte über eine neue China-Strategie ins Leben gerufen, die uns zeigt, wie groß unsere Abhängigkeit von Asien ist. Aber auch die Wirtschaft muss erkennen, dass es wichtig ist, in Europa, in Deutschland Fähigkeiten vorzuhalten. Dabei unterstützen wir sie. Für die maritime Wirtschaft sind im nächsten Jahr, 2023, zum Beispiel 62 Millionen Euro vorgesehen. Hinzu kommen über 50 Millionen Euro Verpflichtungsermächtigungen für 2024 bis 2027, um Forschung und Entwicklung voranzutreiben und Fähigkeiten in Deutschland zu erhalten, die es dringend braucht, um Wohlstand und Arbeit in diesem Land zu sichern. ({4}) Die letzten Worte will ich für die LNG-Terminals aufbringen; denn es gibt einen Unterschied zwischen uns – ich habe das Lob von der CDU wahrgenommen –, der sich dadurch zeigt, wie wir das LNG-Beschleunigungsgesetz aufgesetzt haben. Sie haben versucht, Planungsbeschleunigung per Gesetzeskraft bei einzelnen Vorhaben durchzusetzen. Wir haben die Bürokratie abgebaut, wonach die Wirtschaft seit Jahren schreit, ({5}) indem wir die Verfahren vereinfacht haben: im BImSchG, beim Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahren. ({6}) Wir haben nur eine Instanz zur Gewährleistung von Rechtssicherheit geschaffen. Das ist Entbürokratisierung; ({7}) Sie haben in den letzten Jahren per Gesetzeskraft verordnet, welches Infrastrukturprojekt entsteht. Das macht den Unterschied zu dieser Ampel. Wir entbürokratisieren und schaffen Zukunft. Sie haben es anders probiert. Das hat nicht funktioniert. Deshalb ist diese Fortschrittskoalition genau die richtige für dieses Land. ({8})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Andreas Jung. ({0})

Andreas Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003780, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Reinhold, man kann Planungsbeschleunigung auf unterschiedlichen Wegen erreichen: durch Planung per Gesetz – Legalplanung, das haben Sie in Ihrem Koalitionsvertrag zum Beispiel bei einigen Schienenverkehrsprojekten gemacht – oder aber so, wie Sie es bei den LNG-Terminals angegangen sind. Wir freuen uns darüber, dass es so schnell gegangen ist; aber ich sage Ihnen: Dann machen Sie das doch jetzt auch bei den anderen Vorhaben: Machen Sie es bei den erneuerbaren Energien, machen Sie es bei den Stromtrassen, machen Sie es bei der Wasserstoffinfrastruktur, bei der Verkehrsinfrastruktur. ({0}) Deutschland muss insgesamt schneller werden, ({1}) und deshalb muss dieses Verfahren jetzt stilbildend werden. Unsere Unterstützung haben Sie dafür. Wir fordern das hier und heute. ({2}) Herr Kollege Junge von der SPD, wenn Sie unsere Arbeit hier als „Seitenrand“ bezeichnen, sagt das wenig aus über die Union, aber viel über Ihr grundlegend falsches Verständnis von parlamentarischer Demokratie. ({3}) Ihr Parteifreund Franz Müntefering sagte: „Opposition ist Mist.“ Ich sage Ihnen: Mist ist Biomasse; aus Biomasse kann man etwas Gutes machen, zum Beispiel neue Energie. ({4}) In diesem Geiste gehen wir unsere Arbeit hier an; in diesem Geiste machen wir eine konstruktive Oppositionsarbeit. Das will ich Ihnen an ein paar Beispielen verdeutlichen: Beim Ausbau der erneuerbaren Energien, beim Osterpaket, Herr Minister Habeck, haben wir nichts vorgeschlagen, was irgendetwas gebremst hätte. Wir haben nur Vorschläge gemacht, die beschleunigt hätten. Sie haben unseren Vorschlag zur Steuerfreiheit für private PV‑Anlagen zweimal abgelehnt. Wir haben es ein drittes Mal beantragt. Dann haben Sie es übernommen. Das ist ein richtiger Schritt. Dazu ermuntere ich Sie. Sie haben unseren Antrag, die Registrierungspflicht für PV‑Anlagen in der Krise auszusetzen, zweimal abgelehnt. Die Registrierungspflicht muss ausgesetzt werden. Überall im Land gibt es große PV‑Anlagen, die jetzt ans Netz gehen könnten; aber die werden nicht angeschlossen, weil Sie nicht bereit sind, auf die Registrierungspflicht zu verzichten. ({5}) Herr Habeck, ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie es für richtig halten, dass in dieser Krise Sonnenenergie, die eingesetzt werden könnte, nicht eingesetzt wird. Wir werden den entsprechenden Antrag in der nächsten Sitzungswoche ein drittes Mal einbringen. Ich denke, es wäre klug, wenn Sie sich das noch einmal anschauen. Wir werden darauf drängen; denn wir brauchen jetzt alle Möglichkeiten der Energieerzeugung, gerade auch, was die Ausschöpfung der Kapazitäten unserer PV-Anlagen betrifft. ({6}) Dann haben Sie jetzt einen Vorschlag zur rückwirkenden Abschöpfung von Erträgen bei den erneuerbaren Energien vorgelegt. Herr Minister, was Sie hier vorgelegt haben, ist eine Erneuerbaren-Bremse. ({7}) Es droht ein Kollateralschaden für die Energiewende. Es werden schon jetzt Investitionen zurückgestellt. Im Übrigen: Nicht wegen Redebeiträgen aus der Opposition – uns wurde hier vorgeworfen, wir würden den Standort Deutschland schlechtreden –, sondern wegen dieser Ankündigung aus der Bundesregierung ({8}) werden jetzt Investitionen in PV, in Windkraft zurückgestellt. Die Bioenergie soll neu gedeckelt werden. Nehmen Sie diese Pläne zurück. Herr Minister, die Wortwahl wird Ihnen vielleicht nicht gefallen, aber machen Sie es wie bei der Gasumlage: Diese Erneuerbaren-Bremse muss weg. ({9}) – Dann beraten Sie es doch mal. – Das ist doch jetzt von der Regierung vorgeschlagen worden. Ich nehme wahr: Es gibt Kritik aus der SPD an dem Vorschlag der Regierung. Dann nehmen Sie es zurück. Das beschädigt die Energiewende. Wir müssen sie aber beschleunigen. Das muss man sich mal genau ansehen: Es soll jetzt rückwirkend eingegriffen werden. Rückwirkung ist Abwürgen; das beschädigt Vertrauen in solche Investitionen. ({10}) Es sollen nicht etwa tatsächliche Gewinne, sondern vermutete Erträge abgeschöpft werden. ({11}) Es gibt jetzt namhafte Juristen, die sagen: Das ist vermutlich verfassungswidrig, EU-rechtswidrig. Es ist aber vor allem politisch verrückt. Deshalb muss es geändert werden. Wir brauchen doch jetzt gerade eine Grundlage für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Steinkohle wird völlig ausgenommen, und die Bioenergie soll neu gedeckelt werden. Die muss davon ausgenommen werden. Wir müssen doch jetzt in dieser Krise alle Möglichkeiten, gerade die der Bioenergie, nutzen. Deshalb: Ändern Sie diese Pläne. Wir drängen darauf. Wir brauchen jetzt die Grundlage für den Ausbau der erneuerbaren Energien, und die dürfen nicht gedeckelt werden. ({12}) Der Bundeskanzler hat dazu etwas Entlarvendes gesagt in seiner Rede in dieser Woche. Er hat gesagt: Die Zukunft der Energieversorgung, das sind Wind, Sonne und Grüner Wasserstoff. – Einen zweiten Satz hat er nicht dazu gesagt, aber der spiegelt sich in Ihrer Politik wider, wonach gilt: Die Zukunft sind eben nicht Bioenergie, eben nicht Geothermie, eben nicht die Wasserkraft. – Wir drängen darauf, dass die ganze Breite der Energieversorgung genutzt, dass die Wasserstoffstrategie nicht verschoben wird, wie die Ampel das in dieser Woche entschieden hat. Der Bericht zum Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur wird um ein Jahr verschoben, statt diesen Prozess jetzt zu beschleunigen. Zu negativen Emissionen steht in Ihrem Koalitionsvertrag ein einziger Satz, aber es findet sich keine einzige Initiative, um mit CCS und CCU die Weichen für die Abscheidung von Kohlendioxid zu stellen, sodass wir durch Reduktion der Emissionen und Abscheidung Klimaneutralität gemeinsam bis 2045 erreichen. Das ist Ihre Aufgabe. Entsprechen Sie den Vorgaben aus dem Klimaschutzgesetz, statt es aufzuweichen. Legen Sie Ihre Programme vor. Legen Sie die Initiativen vor. Wir drängen darauf. ({13})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis/Die Grünen Katrin Uhlig. ({0})

Katrin Uhlig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005242, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle wissen, wie ernst die aktuelle Lage im Energiebereich ist. Wir müssen neben Maßnahmen zur Absicherung der Versorgungssicherheit und zur Abmilderung der Energiekrise parallel aber auch weiterhin alles dafür tun, unsere Energieversorgung und unsere Wirtschaft klimaneutral auszurichten. ({0}) Erneuerbare Energien schützen nicht nur unser Klima. Sie machen uns auch unabhängig von fossilen Importen und sorgen für bezahlbare Energiepreise. ({1}) Neben dem rechtlichen Rahmen, bei dem wir mit dem Osterpaket im Sommer einen großen Schritt nach vorne gemacht haben, ist es deshalb wichtig, auch mit diesem Haushalt die richtigen Weichen zu stellen. Ich freue mich deshalb sehr, dass es im parlamentarischen Verfahren gelungen ist, den Bereich „Klima und Energie“ noch einmal zu stärken. Denn in diesem Wandel liegt auch eine Chance: eine Chance für unsere Wirtschaft, für unsere Industrie, für uns alle, ({2}) eine Chance für mehr Wertschöpfung und neue Märkte, eine Chance für bezahlbare Energiepreise durch erneuerbare Energien und Energieeffizienz, eine Chance, uns unabhängiger zu machen von fossilen Importen und unser Klima zu schützen. So wie die Energiewende die Grundlage für den Wandel in der Wirtschaft ist, so gibt es im Handwerk und bei den KMUs die Macher der Energiewende; der Kollege Westphal hat das eben schon angesprochen. Sie bauen Solaranlagen auf Dächer, installieren klimafreundliche Heizungssysteme und treiben den Umbau einer klimafreundlichen Produktion voran. Deshalb müssen wir dringend dem Fachkräftemangel gerade im Handwerk entgegenwirken ({3}) und stellen deshalb zusätzliche Mittel für ein Qualifizierungsprogramm für die Wärmewende bereit. ({4}) Um den klimafreundlichen Umbau auch bei kleinen und Kleinstbetrieben voranzutreiben, sieht der Haushaltsentwurf nun ein neues Förderprogramm für KMUs vor, das gerade kleine Betriebe dabei unterstützen soll, ihre Produktion klimafreundlich auszurichten. ({5}) Neben dem schnelleren Ausbau der Erneuerbaren und dem klimafreundlichen Umbau unserer Wirtschaft wird allzu oft vergessen – Herr Jung, bei Ihnen in der Rede eben geschah das auch –, dass wir auch Energieeffizienz und Energieeinsparmaßnahmen stärken müssen. ({6}) Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung ein Energieeffizienzgesetz angekündigt hat, das diesem zentralen Thema endlich einen klaren Rahmen geben soll; ({7}) denn gerade Energieeffizienzmaßnahmen führen zur Energieeinsparung und zur Optimierung von Prozessen und bieten gleichzeitig eine Chance für innovative Ideen und neue Märkte. Auch im Haushalt haben wir deshalb diesen zentralen Punkt für die Energiewende aufgegriffen und flankieren die kommenden Regelungen mit Mitteln für Energieeffizienzberatung. Sehr geehrte Damen und Herren, die aktuellen Herausforderungen sind gerade im Energiebereich viele. Dieser Haushalt ist ein wichtiger Schritt, ihnen entgegenzutreten und uns ein gutes Stück weiter in Richtung Klimaneutralität zu bringen. Wenn wir diesen Weg konsequent fortsetzen und diese Chance ergreifen, profitieren wir, Herr Kollege Mattfeldt, nicht nur als Wirtschaftsstandort Deutschland davon. Ganz herzlichen Dank. ({8})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Steffen Kotré. ({0})

Steffen Kotré (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004791, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Habeck, Sie haben jetzt hier die vollen acht Minuten dafür verwendet, über Probleme zu reden, die ohne Ihre Politik nicht in diesem Maße da wären. ({0}) Klimahysterie brauchen wir nicht; denn wir haben Zeit, unsere Gesellschaft resilienzfähig gegenüber der Klimaänderung zu machen. Energieverknappung hätten wir nicht, wenn wir Kohle verstromen würden, wenn wir Kernenergie entsprechend ans Netz bringen würden und wenn wir russisches Gas endlich hierher zu uns bekommen würden. Die Energieverknappung wäre dann passé, und die Preise würden sinken, ganz einfach. ({1}) Und die Inflation wäre nicht so hoch, wenn Sie die EZB auffordern würden, seriöse Geldpolitik zu machen. All das machen Sie nicht. Schade. Das schadet unserem Land. ({2}) Aber was Sie leider machen, ist, mit dem Finger aufs Ausland zu zeigen, auf die schlimmen Dinge in der Ukraine, ja. ({3}) Aber das hat nicht die Probleme bei uns verursacht, Herr Minister, nein. ({4}) Meine Damen und Herren, vor 110 Jahren ist die „Titanic“ untergegangen. Berauscht von der Überzeugung der Machbarkeit ihrer Technologie, wurden vielfältige Warnungen vor Eisbergen in den Wind geschlagen. Funksprüche informierten über Packeis und ein riesiges Eisfeld, doch Kapitän und Offiziere hielten stramm Kurs, ({5}) und die Katastrophe nahm ihren Lauf. Und genauso ist es heute. Mit der Energiewende ins Nichts geht es geradewegs in die Insolvenz Deutschlands, in den Untergang unseres Wohlfahrtsstaates. Wie im Fall der „Titanic“ gibt es heute Warnungen zuhauf. EON-Chef Birnbaum zum Beispiel prognostizierte schon vor einem Jahr, dass wir in diesem Winter mit Abschaltung ganzer Städte rechnen können. Auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe äußerte sich ähnlich, um nur diese beiden zu nennen. Und wie bei der „Titanic“ fahren die Verantwortlichen weiter munter volle Kraft voraus, Kurs aufs Riff. ({6}) Großunternehmen setzen sich ab, sehen keine Zukunft mehr in einem von links-grünen Ideologen, Betonköpfen und Politikpfuschern regierten Deutschland. ({7}) Wer seine Produktion nicht verlagern kann, wie zum Beispiel der Mittelstand, erlebt eine Pleitewelle sondergleichen. ({8}) Der Mittelstand, der aus eigener Kraft lebt und deshalb politisch unabhängig ist, war globalistischen Diktatfreunden schon immer ein Dorn im Auge. Der Mittelstand soll geschwächt werden, damit die Klaus Schwab’sche Umgestaltung unserer Gesellschaft, unserer Wirtschaft in die Planwirtschaft weitergehen kann. Meine Damen und Herren, das steckt dahinter. ({9}) Auch Sie, Herr Minister Habeck, haben den Fahrplan, doch leider in Richtung Vergangenheit. Sie wollen sich um coole Sachen kümmern, wie Sie sagen. ({10}) Wofür wollen Sie denn diese Steuergelder ausgeben? Für Batteriezellen, für Elektrolyse, für Sonnen- und Windstrom, also alles Techniken aus dem letzten oder vorletzten Jahrhundert, alles Techniken, die lebenslang nicht ohne Subventionen auskommen können, meine Damen und Herren; ({11}) kaum ein Wort zu zukunftsweisender Industrie und Dingen, die Zukunft schaffen. Meine Damen und Herren, diese Bundesregierung hat fertig. ({12})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Andreas Mehltretter. ({0})

Andreas Mehltretter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005147, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kotré, die Einzigen, die unter Volldampf mit der „Titanic“ auf den Eisberg zufahren, das sind Sie beim Thema Klimaschutz. ({0}) Olaf Scholz hat bei der Weltklimakonferenz in Scharm al-Scheich sehr deutlich eingefordert: Wir brauchen mehr Tempo und mehr Ehrgeiz beim Umstieg auf erneuerbare Energien. – Mit diesem Vorsatz sind wir als Ampel angetreten, und diesen Vorsatz setzen wir um. Das zeigt nicht zuletzt der Haushalt, den wir heute beschließen werden. ({1}) Meine Damen und Herren, natürlich bildet der Haushalt die aktuelle Krisensituation ab und ermöglicht uns, dass wir entschlossen gegen die hohen Energiepreise vorgehen. Wir haben letzte Sitzungswoche die Dezemberhilfe beschlossen, die Sie, Herr Spahn, vorhin leider vergessen haben. Heute beschließt das Kabinett den Gesetzentwurf für die Gas- und Strompreisbremse. Aber neben diesen kurzfristig notwendigen Maßnahmen schaffen wir es natürlich trotzdem, unseren Fokus auf Klimaschutz und Energie zu legen. Zusätzlich zu all den Entlastungsmaßnahmen müssen wir gleichzeitig genauso dringend auch die Weichen für unsere Energieversorgung der Zukunft stellen. Wir müssen schnell weg von Kohle, Öl und Gas. Wir brauchen eine nachhaltige und sozial gerechte Energiewende, und wir müssen die Industrie erfolgreich dekarbonisieren. Nur wenn wir der Welt zeigen, dass dieser Weg gut funktioniert, haben wir noch eine Chance, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. ({2}) Meine Damen und Herren, viele der notwendigen Maßnahmen brauchen aber entsprechende finanzielle Rahmenbedingungen, damit sie auch umgesetzt werden. Diese Rahmenbedingungen schaffen wir mit dem Haushalt, den wir heute beschließen. Die Ausgaben, die wir dort für den Klimaschutz vorsehen, sind gut angelegtes Geld, weil wir es in eine klimaneutrale Zukunft investieren. Investitionen in CO2-freien Strom sind ein zentraler Baustein. Dekarbonisierung bedeutet aber auch Investitionen in eine andere Mobilität, in energieeffiziente Gebäude und in grüne Produktionsprozesse. 35 Milliarden Euro werden wir nächstes Jahr dafür aus dem Klima- und Transformationsfonds bereitstellen. Wir gehen damit alle wichtigen Bereiche an, in denen wir schnell Emissionen einsparen müssen. ({3}) 16 Milliarden Euro sind für mehr Effizienz und mehr Erneuerbare im Gebäudebereich vorgesehen. ({4}) 4 Milliarden Euro geben wir für Elektroautos und zusätzliche Ladesäulen aus, mit 2,2 Milliarden Euro unterstützen wir klimaneutrale Industrieprozesse und mit 1,2 Milliarden Euro den Einsatz von Grünem Wasserstoff. Aber auch viele kleine Projekte, die wir im Klima- und Transformationsfonds finanzieren, helfen, die Energiewende voranzutreiben: das neue Aufbauprogramm „Wärmepumpen“ mit 15 Millionen Euro zum Beispiel. Der Klima- und Transformationsfonds steht bei der Finanzierung des Klimaschutzes im Mittelpunkt. Aber auch im eigenen Haushalt des Klimaschutzministeriums setzen wir wichtige Schwerpunkte. Wir stellen fast 700 Millionen Euro für die Energieforschung und die Reallabore der Energiewende zur Verfügung. Für den Klimaschutz und den Schutz der Biodiversität im Ausland sind es 710 Millionen, und für den internationalen Aufbau der Wasserstoffwirtschaft können wir die nächsten Jahre fast 4 Milliarden Euro fest verplanen. Wenn Sie, lieber Herr Jung, den Irrsinn fordern, Mittel für den internationalen Klimaschutz zu streichen, brauchen Sie sich über schlechte Bewertungen Ihrer Oppositionsarbeit leider nicht zu wundern. ({5}) Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Haushalt untermauern wir unseren Weg zum klimaneutralen Wirtschaften, zur klimaneutralen Mobilität und zum klimaneutralen Heizen. Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Entlastungen – das alles bringen wir mit diesem Haushalt zusammen. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Olaf in der Beek. ({0})

Olaf In der Beek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach intensiven Beratungen beschließen wir nun den Einzelplan 09 für das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Es liegt ein Haushalt vor, der einerseits die Schlagkraft unseres Wirtschaftsstandortes und Mittelstandes erhält und andererseits wichtige Impulse beim Klimaschutz und bei Innovationen setzt. Im Haushalt liegt ein besonderer Fokus auf der Sicherung der Energieversorgung. Hier wird gezielt investiert, um die Energiesicherheit in Deutschland in diesem und in den kommenden Wintern zu gewährleisten. ({0}) Die neuen LNG-Terminals, die in Rekordzeit errichtet werden – ich finde 194 Tage für das in Wilhelmshaven wirklich beeindruckend – ({1}) – ja, da darf man auch mal klatschen –, sind nur ein Beispiel, wie wir die Bundesmittel gezielt und unbürokratisch einsetzen und investieren. Obwohl wir die Energieversorgung sicherstellen, werden wir nicht alle gestiegenen Belastungen als Staat abfedern können. ({2}) Neben den Bürgern und dem Mittelstand werden wir vor allem aber die energieintensive Industrie spürbar entlasten können. Das ist gut. Wir stellen sicher, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland erhalten bleibt und weiterhin gestärkt wird. ({3}) Wir sorgen weiterhin dafür, dass durch Umschichtungen bei Investitionsprogrammen deutlich stärkere Anreize für mehr Klimaschutz in der Industrie gesetzt werden; ({4}) denn viel mehr als staatliche Vorgaben brauchen wir die Innovationskraft der deutschen Industrie für echten, wirksamen Klimaschutz. ({5}) Unsere Aufgabe als Deutscher Bundestag gemeinsam mit der Bundesregierung ist es, hier für optimale Rahmenbedingungen zu sorgen. Diese Innovationskraft brauchen wir auch für den internationalen Klimaschutz; denn andere Staaten können genauso von neuen Technologien profitieren. Hier müssen wir auch den Handel deutlich vorantreiben. Mit der Internationalen Klimaschutzinitiative unterstützen wir zudem auch Entwicklungsländer bei Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität; denn das ist unsere Verantwortung, wobei natürlich immer die Überprüfung der Maßnahmen erforderlich ist und bleibt. Ein weiterer wichtiger Baustein ist die Wasserstoffstrategie, die ebenfalls in diesem Haushalt verankert ist. Wir nutzen auch hier die Chancen der Globalisierung und stellen uns auf den schnellen Hochlauf von Wasserstoff ein; denn dabei dürfen wir unter keinen Umständen den Anschluss verlieren. Hier müssen wir, wie gerade schon angesprochen, mit der EU zügig Antworten auf den Vorstoß aus den USA finden. ({6}) Und zu guter Letzt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Um die Energiewende umzusetzen, brauchen wir vor allem Menschen – Menschen, die anpacken. Wir haben bereits jetzt einen massiven Fachkräftemangel. ({7}) Deshalb ist es gut, dass wir auch die berufliche Bildung im Handwerk mit diesem Haushalt stärken. Die Handwerkerinnen und Handwerker sind die Klimaschützer unserer Zeit. ({8}) Sie verdienen nicht nur unsere Wertschätzung und Unterstützung, sondern wir werden dafür sorgen, dass es zukünftig noch viel mehr von ihnen gibt. Dieser Haushalt ist geprägt von Weitsicht und Fortschritt, und genau das brauchen wir nicht nur in diesen herausfordernden Zeiten. Vielen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Hansjörg Durz für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Hansjörg Durz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei den Haushaltsberatungen im März hat Wirtschaftsminister Habeck kritisiert, in Deutschland würden sich die Menschen nur noch bewegen, wenn sie „einen finanziellen Klaps auf den Hintern“ bekämen. ({0}) So sehr würde die Wirtschaft übersubventioniert. – Dieser Haushalt hat ein noch höheres Niveau. Doch was dem Haushalt fehlt, ist eine klare Prioritätensetzung in Richtung Zukunft. ({1}) Als Union haben wir Ihnen in den Haushaltsberatungen ein Angebot zur Prioritätensetzung unterbreitet. Wir haben Ihnen Vorschläge für ein Wachstumspaket vorgestellt, das die Angebotsseite in den Blick nimmt. ({2}) Denn wir wissen doch: In Deutschland werden die Energiepreise nicht mehr auf das Niveau von vor der Ukrainekrise zurückfallen. Deswegen müssen wir in anderen Bereichen umso besser werden, um die Wettbewerbsfähigkeit international auch wiederherzustellen bzw. zu erreichen. ({3}) Neue Ideen und Reformbereitschaft spiegelt dieser Haushalt aber viel zu wenig wider. Wer mit den Unternehmern in unserem Land spricht, der hört vor allem drei Themen, mit denen sie sich tagtäglich intensiv auseinandersetzen, die sie umtreiben: Das ist zuallererst das Thema „Inflation und Energiepreise“, zum Zweiten nach wie vor das Thema Lieferketten und zum Dritten der Mangel an Fachkräften, mittlerweile im Grunde in allen Branchen. Während die Ampel die Wirtschaft bei den ersten Entlastungspaketen komplett vergessen hat, ({4}) haben wir als Union konkrete Vorschläge dazu vorgelegt. ({5}) Priorität Nummer eins muss sein: Die Belastungen der Wirtschaft müssen gesenkt werden. Seit Monaten fordern wir ein Belastungsmoratorium. Eine Zeitlang haben wir das auch von der FDP gehört; bisher allerdings Fehlanzeige. ({6}) Helfen würde auch die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Das ist mehrfach in der Debatte angesprochen worden. Im Zusammenhang mit den LNG-Terminals hat das sehr gut funktioniert. Aber wir brauchen es eben auch in sämtlichen anderen Bereichen. ({7}) Von der drastischen Reduzierung der Bürokratie hören und sehen wir im Regierungshandeln sehr, sehr wenig. ({8}) Schon heute ist klar, dass wir zum Ende des Jahres das Ziel, sämtliche Verwaltungsdienstleistungen in Deutschland – knapp 600 – zu digitalisieren, meilenweit verfehlen werden. Die Unternehmen in unserem Land, gerade die kleinen und mittelständischen, brauchen dringend Entlastungen. ({9}) Dann müssen wir die Weichen auf Zukunft stellen. Das passiert zu wenig in diesem Haushalt. Wir müssen bei der nächsten Welle technologischer Innovationen unbedingt mit dabei sein. Da ist es sehr bemerkenswert, dass der Minister als Beispiel für Zukunftsfähigkeit in diesem Haushalt ausgerechnet die Cloud-Technologien ({10}) und die digitalen Technologien anspricht. In beiden Bereichen ({11}) wurde der Haushaltsentwurf gegenüber dem Vorjahr deutlich gekürzt, ({12}) bei den Cloud-Infrastrukturen sogar um 50 Prozent. ({13}) – Ja, das sind genau die Zahlen des Haushaltsentwurfs. ({14}) Dann haben wir Anträge genau zu diesen Themen eingebracht. Im Anschluss wurden die Haushaltspositionen zumindest in einem Fall ein klein wenig und im anderen Fall deutlich aufgestockt. ({15}) Das spricht eindeutig dafür: Sie sollten sehr viel öfter die Anträge der Union nicht nur lesen, sondern ihnen auch zustimmen. Dann sind Sie auf dem richtigen Weg. ({16}) Natürlich geht es aktuell vor allem darum, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Es muss aber auch darum gehen, die Weichen in Richtung Zukunft zu stellen. Und das schafft dieser Haushalt nicht. Vielen Dank. ({17})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Lena Werner das Wort. ({0})

Lena Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005256, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bürger/-innen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Trotz aller aktuellen Krisen und trotz der vielen Entlastungspakete, die den Bürger/-innen und Unternehmen helfen, hat die Regierung es geschafft, einen Haushalt aufzustellen, der zeigt, dass wir nicht nur kurzfristige Krisenbewältigung beherrschen, sondern auch langfristig Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Wirtschaft und Gesellschaft schaffen. Und genau da unterscheidet sich die Wahrnehmung. Ich werde jetzt darauf eingehen, wo wir zukunftsorientiert investieren werden. Wir können nämlich auch Fehler korrigieren. Vor ein paar Monaten habe ich genau hier über die Wichtigkeit der europäischen Projekte gesprochen und betont, dass wir uns weiter am wichtigen Zukunftsprojekt IPCEI Health beteiligen müssen. Und genau das ist uns mit diesem Haushalt gelungen. Damit können wir an die bereits bestehenden erfolgreichen Projekte anknüpfen und gemeinsam in Europa wichtige neue Impulse geben und die Gen- und Zellforschung vorantreiben. ({0}) Ein weiteres wichtiges Zukunftsthema, für das ich mich als Berichterstatterin stark einsetze, ist der Bereich Games. ({1}) Überraschend war bekannt gegeben worden, dass der Fördertopf ausgeschöpft war. Das zeigt, wie gut das Programm angenommen wird und dass der Bedarf in Deutschland da ist. Gleichzeitig ist klar, dass die Förderung weiterlaufen muss, um in dieser wachsenden und umkämpften Branche auf dem europäischen, aber auch internationalen Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Daher freue ich mich sehr, dass es kurzfristig gelungen ist, hier die Mittel noch einmal kräftig zu erhöhen. Das ist ein starkes Signal an eine innovative und enorm zukunftsfähige Branche, die Wertschöpfung betreibt und Fachkräfte mobilisiert. ({2}) Vielen Dank daher an die Kollegin Anna Kassautzki und den Kollegen Frank Junge für die gemeinsame Arbeit und die Unterstützung dieses wichtigen Projekts. ({3}) Auch für den Bereich Tourismus konnten wir noch mal weitere wichtige Mittel organisieren. Schon vor der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses haben wir einen Mittelaufwuchs von 4,6 Millionen Euro für die Deutsche Zentrale für Tourismus erwirken können. Es freut mich ganz besonders, dass jetzt noch weitere 1,5 Millionen Euro dazukommen. ({4}) Damit steigt das Budget der DZT auf 40,6 Millionen Euro für das Jahr 2023, ({5}) und damit können wir die Potenziale des stark gebeutelten deutschen Tourismus weiter stärken. ({6}) Auf der ganzen Welt vermarktet die DZT die Vielfalt des Tourismuslands Deutschland. Zu dieser Vielfalt zählt insbesondere ein nachhaltiger Tourismus. Denn unsere Hotels, Gastronomiebetriebe, Freizeitparks, die Veranstaltungswirtschaft und viele weitere Unternehmen investieren viel Herzblut und finanzielle Mittel in einen nachhaltigen und umweltverträglichen Tourismus. Diese Anstrengungen erstrecken sich auf viele Bereiche: Identifizierung von CO2-Einsparpotenzialen, Stärkung des ländlichen Raums und die damit verbundene Erschließung neuer touristischer Potenziale und Ausbau der Kreislaufwirtschaft. Die DZT trägt dafür Sorge, dass auch international eine entsprechende Sichtbarkeit für den nachhaltigen Tourismusstandort Deutschland geschaffen wird. Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und klimaneutrales Reisen sollen mit einer Reise nach Deutschland in Verbindung gebracht werden. ({7}) Das soll zu unserem Markenkern werden und unseren Tourismus zukunftsfähig machen. Hier kann die Tourismusbranche als Impulsgeber und Katalysator für weitere wirtschaftliche Branchen in Deutschland dienen. Zum Abschluss meiner Rede würde ich gerne noch kurz auf das Ahrtal eingehen, weil in dieser Woche öfters negativ darüber gesprochen wurde: Man kann in das Ahrtal reisen. ({8}) Die Menschen dort freuen sich sehr auf Sie, und sie heißen Sie auch sehr gerne willkommen. Deswegen mein Appell: Fahren Sie gern hin, und machen Sie dort Urlaub! Vielen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Robert Farle. ({0})

Robert Farle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005053

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Kern der deutschen Industrie und der Mittelstand werden von der Ampelregierung im Zuge der großen Transformation planmäßig ruiniert. Das geschieht ganz bewusst. Mir geht es darum, das dahinterstehende Geschäftsmodell der künstlich herbeigeredeten Klimakrise aufzuzeigen; denn Klimaschutz ist bei Ihnen nur der Deckmantel für Ihre wirklichen Ziele. Erstens. Milliardäre und US-Hedgefonds-Manager finanzieren Wissenschaftler durch Auftragsarbeiten, die das Märchen vom menschengemachten Klimawandel überallhin transportieren sollen. ({0}) Zweitens. Dieselben Investoren finanzieren Lobbyorganisationen wie Agora Energiewende, ({1}) die diese Fake-Studien als Grundlage für ihre politischen Forderungen nutzen, in diesem Fall die Energiewende. Wiederum dieselben Investoren in den USA finanzieren sogenannte Klimaaktivisten wie Fridays for Future, Extinction Rebellion oder die „Letzte Generation“, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen und das Thema in den Medien dauerpräsent zu halten. Das Ziel ist erreicht, wenn dadurch milliardenschwere staatliche Investitionsprogramme ausgelöst werden, die für die Profite derselben Investoren sorgen. Und das ist Ihre Aufgabe, Herr Habeck. Wie weit der Einfluss dieser Investoren auf die Bundesregierung bereits vorangeschritten ist, zeigt sich an den Personalbesetzungen der Grün-geführten Ministerien. Annalena Baerbock hat die US-amerikanische Ex-Chefin von Greenpeace International, Jennifer Morgan, zur Staatssekretärin im Auswärtigen Amt gemacht. Robert Habeck hat fast die komplette Spitzenriege seines Ministeriums gegen Energiewendelobbyisten ausgetauscht. ({2}) Den ehemaligen Direktor der Lobbyorganisation Agora Energiewende hat Habeck zum Staatssekretär ernannt. Frau Elga Bartsch war zuletzt für den größten US-Vermögensverwalter BlackRock tätig und soll künftig Chefökonomin in Habecks Ministerium werden. Dazu zitiere ich aus der Märzausgabe des „manager magazins“ – Zitat –: Die Protagonisten der Ökoprotestbewegung halten nun die Macht in der Hand: Die Rebellen sind jetzt Regenten. Der grüne Staatssekretär Sven Giegold will die soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards … in die „ökologisch-soziale Marktwirtschaft“ Robert Habecks umbauen. ({3}) Der Umbau der Volkswirtschaft wird Verlierer haben, Gewinner und Supergewinner – Großprofiteure der Staatsmilliarden. Zitat Ende. Die grünen Minister sind somit die Handlanger der Großprofiteure der Energiewende, die sich den Staat als Selbstbedienungsladen über Zuschüsse, Investitionen und milliardenschwere Programme sichern, während umgekehrt die traditionellen Industrien, die Automobilindustrie, die Chemieindustrie und andere Industrien, praktisch gezwungen werden, dieses Land zu verlassen, weil die Energiepreise für sie nicht mehr bezahlbar sind, und das kostet Hunderttausende Arbeitsplätze. Sie, Herr Habeck, sind ein Deindustrialisierungsminister, der die Exportnation Deutschland auslöschen soll.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Abgeordneter.

Robert Farle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005053

Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Timon Gremmels für die SPD-Fraktion. ({0})

Timon Gremmels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004732, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Farle, für diese kruden Verschwörungstheorien hätten Sie gar nicht aus der AfD-Fraktion austreten müssen; das passt da ganz hervorragend zu. Mehr muss man an dieser Stelle dazu nicht sagen. ({0}) Wir beraten heute den Einzelplan 09, das Budget des Ministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Ich finde, diese beiden Themen, Wirtschaft und Klimaschutz, und Energiewende gehören zusammen wie – ja – – ({1}) – Nein. Mir ist was eingefallen, das ist aber unparlamentarisch. – Das passt hervorragend zusammen, weil Energiewende genau so geht. Wir wollen natürlich unser Wirtschaftssystem umbauen. Wir wollen es nachhaltig machen. Wir wollen es resilient machen. Wir wollen es zukunftsgerichtet ausbauen. Das ist die Aufgabe, die unsere Generation jetzt hier hat. Ein Weiter-so würde uns in den Abgrund führen. Es wäre verantwortungslose Politik, wenn wir hier auf die Kolleginnen und Kollegen der Union und andere hören würden, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({2}) Deswegen haben wir die Weichen richtig gestellt. In den Debatten lag der Fokus immer auf LNG-Ports, auf Gaseinspeicherung, auf Verträgen, auf Atomkraft; wir haben hier viel zu wenig darüber geredet, was diese Regierung gemacht hat, um die erneuerbaren Energien voranzubringen. ({3}) Das EEG 2023 ist das modernste und fortschrittlichste Gesetz. Es führt dazu, dass wir den Ausbau der erneuerbaren Energien schnell voranbringen, zügig voranbringen. ({4}) Wir werden den Zubau in den Bereichen Windkraft, Photovoltaik und Biomasse stärken, wir werden das ausbauen, Wärmepumpen auch. Was mir und uns jetzt wichtig ist, ist, dass wir möglichst viel von der industriellen Wertschöpfung in diesen Bereichen in Deutschland halten und diese Industrien hier auch wieder ansiedeln. Das ist nämlich moderne Industriepolitik. ({5}) Deswegen brauchen wir eine europäisch abgestimmte Antwort auf Bidens Inflation Reduction Act. Das ist notwendig. Wenn wir jetzt nicht schnell entsprechende Antworten geben, werden Unternehmen abwandern, weil die Dinge, die da aus den USA kommen, so spannend und interessant sind. ({6}) Ich fand es ganz interessant, dass Herr Merz in seiner Rede zur Generaldebatte hier auf den Inflation Reduction Act eingegangen ist, ihn als vorbildlich bezeichnet hat. Spannend nur ist, dass die Union gegen den Klima- und Transformationsfonds klagt. Das passt doch alles nicht zusammen; denn genau darin steckt ein Teil der Mittel, die wir für diesen Umbau der Industriegesellschaft dringend brauchen. ({7}) Das, was Sie machen, ist inkonsequent, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Union. ({8}) Deswegen müssen wir jetzt aufpassen, dass wir mit dem Gesetzesentwurf zur Gas- und Strompreisbremse, der ja heute im Kabinett und dann in den nächsten beiden Sitzungswochen im Bundestag beraten und verabschiedet wird – er ist richtig und wichtig –, die richtigen Signale aussenden. ({9}) Wir dürfen es nicht zulassen, dass wir an die Unternehmen und die Branchen im Bereich der erneuerbaren Energien, die wir brauchen, um die Energiewende hinzukriegen, Signale aussenden, dass hier sozusagen übermäßig Gewinne abgeschöpft werden. Deswegen müssen wir – das wäre klug und richtig – darüber nachdenken, ({10}) ob es nicht Mittel und Wege gibt, um zum Beispiel eine Reinvestitionsquote zu verankern. ({11}) Dazu sollten wir unsere Köpfe in den nächsten zwei Wochen wirklich noch mal zusammenstecken und reden. ({12}) Denn sonst ist es das falsche Signal, das wir senden. Wir müssen auch darüber nachdenken, ob wir nicht die Vergütungssätze im Bereich Photovoltaik, den sogenannten atmenden Deckel, wieder anheben, weil die Kosten gerade steigen. ({13}) Alles andere wäre doch nach außen wirklich nicht vermittelbar, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ich glaube, dass das Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck auf einem guten Weg ist. Der Round Table, den Sie am Montag zum Ausbau der Produktionskapazitäten für die Energiewende auf den Weg gebracht haben und wo Sie die ersten Ergebnisse verkündet haben, ist vielversprechend. Wir müssten da vielleicht noch ein Stück schneller werden. Ich weiß, Ihr Ministerium arbeitet an der Kapazitätsgrenze, aber wir müssen jetzt schnell Antworten darauf finden, damit wir möglichst viel der Wertschöpfung der erneuerbaren Industrien in Deutschland und in Europa halten. In diesem Sinne: Glück auf. ({14})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Anja Karliczek das Wort. ({0})

Anja Karliczek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lena Werner war die Einzige, die die Branche mit 3 Millionen Menschen schon einmal erwähnt hat, nämlich die Tourismusbranche. ({0}) Ich bin in diesen Tagen sehr viel unterwegs in Hotellerie und Gastronomie, bei Reisebüros, bei Reisebusunternehmen, bei Tourismusverbänden vor Ort. Ich höre überall – deswegen sind diese 0,4 Prozent plus bei der Wirtschaftsleistung auch zustande gekommen –: Der Sommer war gut. Aber die Aussicht auf den Winter bereitet große Sorgen. Die finanzielle Lage nach den Coronaschließungen ist vielfach bedenklich. Die Umsätze sind bei vielen immer noch geringer als im Vergleichsjahr 2019. Die Einkaufspreise explodieren, übrigens nicht nur bei Gas und Strom. Fachkräfte werden händeringend gesucht, am Flughafen genauso wie im Gastgewerbe. Deswegen ist eine gute Wintersaison für die Tourismusbranche von existenzieller Bedeutung. Deshalb ist es maximal kontraproduktiv, wenn der amtierende Gesundheitsminister immer wieder Coronaalarm schlägt. Denn Unwägbarkeit schädigt das Geschäft; dann fahren die Menschen woanders hin. Das können wir, glaube ich, alle miteinander nicht wollen. ({1}) Weil diese Branche wieder mitten im Sturm steht, wäre es gut, wenn diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen endlich begreifen, dass Planungssicherheit in volatilen Zeiten ein Wert an sich ist. Wir werden uns auf steigende Volatilitäten einstellen müssen, und mehr Volatilität bedeutet: Unternehmer müssen flexibler reagieren können. Deswegen sind mehr Vorschriften, mehr Regeln in diesen Tagen mehr Gift denn je. Lassen Sie Unternehmen etwas unternehmen, und dann werden sie mit den Unwägbarkeiten dieser Tage schon fertig. Die Branche mit ihren mehr als 3 Millionen Beschäftigten erwartet übrigens auch, dass Sie ihnen möglichst bald mal etwas zu der Entfristung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes sagen. Auch das gäbe Planungssicherheit in diesen Tagen. Der Bundeskanzler und der Finanzminister haben das mehrfach versprochen, dieses Versprechen aber bisher gebrochen. Damit erhielten zum Beispiel die Unternehmerinnen und Unternehmer, die genau in diesen Tagen um jeden Euro kämpfen müssen, die Planungssicherheit, die sie brauchen, um mehr Mitarbeiter anzuwerben und auch weitere Investitionen gerade in Nachhaltigkeit tätigen zu können. Einen weiteren Punkt will ich Ihnen noch mit auf den Weg geben. Frau Hedorfer, die Chefin der Deutschen Zentrale für Tourismus, hat kürzlich in einem Gespräch im Ausschuss sehr gut beschrieben, worum es aktuell im Tourismus geht. Sie sagte: In Krisenzeiten werden Marktanteile neu verteilt. – Der Kampf um neue zahlungskräftige Gäste ist weltweit und europaweit in aller Heftigkeit entbrannt. Rund um Deutschland investieren viele Regierungen massiv in den Ausbau ihrer Werbung für den heimischen Tourismus. Mit knapp 6 Millionen Euro im nächsten Jahr für die DZT – Frau Werner hat es angesprochen – wird Deutschland in diesem Wettbewerb nicht die Nase vorn haben. Sie haben mit dem Haushalt 2023 immer noch nicht das Niveau von 2021 erreicht. Sie müssen in dieser Situation klotzen und nicht kleckern. ({2}) Deutschland ist ein hoch angesehenes Reiseland: kulturell, mit seiner Natur, kulinarisch. Aber was hilft das, wenn das am Ende viel zu wenige wissen? Wir brauchen gerade jetzt, wo alles teurer wird, die gut zahlende Kundschaft aus aller Welt. Wenn Sie nur dort werben, von wo aus man mit Bus und Bahn nach Deutschland kommen kann, dann werden wir genau diesen Zug verpassen. Mir kommt immer wieder das Zitat der DZT-Chefin in den Sinn: In der Krise werden die Marktanteile neu verteilt. – Leider wird Deutschland nicht der Profiteur davon sein, zum Leidwesen der vielen, vielen Menschen, die im Tourismus arbeiten. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Hannes Walter für die SPD-Fraktion. ({0})

Hannes Walter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005250, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor neun Monaten begann der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine. Seither sehen wir beinahe täglich: Russland lässt nichts unversucht, einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben. Ob Gaserpressung, das Verbreiten von Fake News oder Cyberangriffe auf Unternehmen – die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Sicher ist aber: Unsere Gesellschaft ist stark. Unsere Wirtschaft ist resilient. Wir setzen uns mit der geballten Kraft unseres Landes für unsere gemeinsamen Werte und unsere Freiheit ein. ({0}) Dem Einzelplan 09 kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Das sehen wir beispielhaft am Zukunftspaket für Transformation der Raffineriestandorte Schwedt und Leuna. Damit sorgen wir dafür, dass Deutschland unabhängiger vom russischen Öl wird. Deshalb investieren wir in den nächsten zehn Jahren 375 Millionen Euro an Bundesmitteln in die Sicherung und die erfolgreiche Transformation der ostdeutschen Raffineriestandorte und Häfen. ({1}) Darüber hinaus stellt der Bund 400 Millionen Euro zur Ertüchtigung der Pipeline Rostock–Schwedt zur Verfügung. Damit machen wir klar: Wir lassen uns nicht erpressen. ({2}) Wir machen uns unabhängig, und wir investieren gleichzeitig in die Zukunft Ostdeutschlands. ({3}) Wir sorgen dafür, dass Arbeitsplätze erhalten und neu geschaffen werden. Damit geben wir den Menschen Sicherheit in herausfordernden Zeiten. ({4}) Das Beispiel Schwedt zeigt: Die Krise zu managen und unser Land dabei zukunftsfest zu machen, sind zwei Seiten einer Medaille. Heute legen wir den Grundstein für den Wohlstand von morgen. Hier setzt die Ampel die richtigen Akzente. Wir investieren in die Innovationskraft unserer Wirtschaft. Um im internationalen Wettbewerb mithalten zu können, brauchen wir innovative Unternehmen. Mit dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand, kurz ZIM, das hier heute schon mehrfach zu Recht Erwähnung gefunden hat, haben wir ein wichtiges Förderinstrument, um kleine und mittelständische Unternehmen zu unterstützen. ({5}) Gerade weil es hier heute schon so oft erwähnt wurde, bin ich auch sicher, dass ganz viele von Ihnen Unternehmen in Ihrem Wahlkreis haben, die von dem ZIM profitieren können. Bei mir zum Beispiel ist es die Schönborner Armaturen GmbH. Mit dem engagierten Geschäftsführer stehe ich regelmäßig im Austausch. Genau solche Beispiele zeigen: Dieses Programm ist erfolgreich, und das gibt dem Programm recht. ({6}) Ich bin daher froh, dass wir nach zwischenzeitlichen Problemen wieder mit voller Fahrt unterwegs sind. Die deutliche Erhöhung des Gesamttitels auf 700 Millionen Euro für das nächste Haushaltsjahr ist ein wichtiges Signal an unseren Mittelstand. Wichtig ist auch, dass wir in die gute Qualität der dualen Ausbildung weiter investieren. Nicht erst seit diesem Jahr suchen Unternehmen in allen Regionen und Branchen händeringend nach Fachkräften. Gerade das Handwerk steht vor großen Herausforderungen. Dabei brauchen wir hier in Zukunft noch mehr gut qualifizierte Fachkräfte. Ohne sie werden wir den Strukturwandel und auch die Energiewende nicht schaffen. Es geht darum, Solaranlagen auf Dächern zu installieren, Heizungsanlagen in Wohnhäusern zu modernisieren und Gebäude effizienter zu machen. Als Handwerksbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion geht natürlich mein großer Dank auch an Frank Junge. Frank Junge hat immer einen wachen Blick für das Handwerk und setzt sich im Haushaltsausschuss auch immer ganz hervorragend dafür ein. Vielen Dank. ({7}) Die Kürzung des Titels „überbetriebliche Lehrlingsunterweisung“, wie ursprünglich im Haushalt vorgesehen, passt einfach nicht in unsere Zeit. Es ist richtig und wichtig, dass dieser Fehler im parlamentarischen Verfahren korrigiert wurde. Mit nun 70 Millionen Euro senden wir ein wichtiges Signal an das Handwerk: Wir meinen es ernst. ({8}) Wir werden die duale Ausbildung stärken, und wir sorgen weiterhin für eine gute Qualität der Ausbildung. ({9}) Sie sehen: Wir haben einen guten Haushaltsentwurf im parlamentarischen Verfahren noch besser gemacht. Jetzt haben wir einen Haushalt, der in schwierigen Zeiten Sicherheit gibt und gleichzeitig Investitionen in unsere Zukunft ermöglicht. Vielen Dank und Glück auf! ({10})

Prof. Dr. Helge Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003510, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon in der ersten Lesungsrunde haben erfahrene Haushälter gesagt: Diese Haushaltsberatungen werden aufwendig sein und alles andere als einfach. Eine Krise mit so vielen Herausforderungen und darüber hinaus auch die Inflation werden viel Arbeit bedeuten; und so war es auch. Alleine die Liste der Änderungen der Regierung gegenüber dem Haushaltsentwurf war 500 Seiten stark, und damit ziemlich rekordverdächtig. Aus den Reihen der verschiedenen Fraktionen haben wir in der Bereinigungssitzung 1 498 Anträge behandelt, und wir haben insgesamt über den Zahlen dieses Haushaltes 67 Stunden und 20 Minuten gebrütet. Alleine die Bereinigungssitzung – die letzte Sitzung – hat von 11 Uhr vormittags bis 5.38 Uhr gedauert; das sind mehr als 18 Stunden. ({0}) Ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich für die konzentrierte und faire Zusammenarbeit bedanken. Darüber hinaus möchte ich mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abgeordneten, der Fraktionen, des BMF und natürlich ganz besonders bei unserem Ausschusssekretariat bedanken. Denn dass wir angesichts dieser vielen Änderungsanträge heute hier stehen und sagen können: „Wir haben präzise festgehalten, was wir beschlossen haben“ und „Es ist bis auf die letzte Zahl klar, worüber wir abstimmen“, ist eine große Leistung. Deshalb den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unseres Ausschusssekretariats ein ganz herzliches Dankeschön! ({1}) Ich will einen Punkt ansprechen, der unsere Arbeit erschwert hat, und ich bitte die Bundesregierung herzlich, über ihn noch mal nachzudenken. Wir haben es in dieser Zeit der Krisen regelmäßig mit kurzfristigen Entscheidungsbedarfen zu tun. Dieses Parlament hat gezeigt – ich habe das mehrfach gesagt und, ich glaube, da spreche ich für alle Haushälter –: Wenn es wirklich an der Zeit ist, kurzfristig zu entscheiden, um Bürgerinnen und Bürgern in der Not im Zusammenhang mit der Inflation oder anderen Themen zu helfen, dann ist der Haushaltsausschuss jederzeit bereit, innerhalb von Tagesfrist, innerhalb von 48 Stunden Entscheidungen zu treffen. An den parlamentarischen Abläufen wird das Notwendige niemals scheitern! ({2}) Auf der anderen Seite haben wir in den letzten Tagen aber auch erlebt, dass die Ankündigungen der Bundesregierung schon sechs Wochen alt sind; Dinge wie zum Beispiel die Corona-Testverordnung stehen seit sechs Wochen zur Überarbeitung an. Die Bundesregierung lässt sich fünf Wochen und vier Tage Zeit, die Dinge vorzubereiten, um dann vom Parlament zu erwarten, dass man innerhalb von drei Tagen darüber entscheidet. Das kritisiere ich nicht aus Ehrpusseligkeit des Parlamentes, sondern hier geht es um die Qualität von Gesetzgebung und die Frage, ob Anhörungen von Experten oder der Länder stattfinden können, damit am Ende das Ergebnis unserer Rechtsetzung gut ist. Wenn das die zeitliche Aufgabenteilung ist, dann ist das falsch. Egal wie kurz die Frist ist: Dem Parlament wenigstens ein Drittel der Zeit zu lassen, um die eigenen Beratungen durchzuführen, hielte ich für anständig. Darum möchte ich die Bundesregierung eindringlich bitten. ({3}) Dieser Haushalt, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist schon jetzt auf Kante genäht. Ich will noch ansprechen: Der Bundesfinanzminister Christian Lindner hat vorgehabt, 5 Milliarden Euro als globale Mehrausgabe auf die Seite zu legen für all die Probleme, die noch kommen; denn ansonsten sind die Haushaltsspielräume komplett ausgeschöpft. In der Bereinigungssitzung ist diese Summe schon von 5 Milliarden Euro auf 2 Milliarden Euro gesunken, und in der Sitzung des Haushaltsausschusses diese Woche haben wir gemerkt, dass wir für die eben schon genannte Testverordnung schon 1,2 Milliarden Euro davon benötigen. Das heißt, wir beschließen heute einen Haushalt, der für all die Unbilden der Krisen des kommenden Jahres keine Vorsorge trifft. ({4}) Das halte ich für problematisch. ({5}) Ein letzter Punkt; denn er hat in dieser Haushaltsberatung immer wieder eine große Rolle gespielt. Ich möchte noch das „Sondervermögen Bundeswehr“ und die Haltung des Bundeskanzlers dazu thematisieren. Der Bundeskanzler ist der Mannschaftschef dieser Bundesregierung. Wer die Kapitänsbinde trägt, hat nicht nur die Aufgabe und die Verantwortung, sportlich sein Team nach vorne zu bringen, sondern er hat noch eine zweite Aufgabe: in besonderer Weise Fairness und Sportlichkeit auch gegenüber dem Gegner walten zu lassen. Olaf Scholz hat als Bundeskanzler mehrfach betont, dass seine Regierung beim „Sondervermögen Bundeswehr“ jetzt all das aufarbeiten muss, was die alte Regierung nicht geschafft hat. Als jemand, der der ehemaligen Bundesregierung genauso angehört hat wie Olaf Scholz, kann ich sagen: Ja, Annegret Kramp-Karrenbauer, Angela Merkel und ich müssen den Soldatinnen und Soldaten sagen: Wir haben uns zwar mehr Geld für die Bundeswehr und ein klares Bekenntnis zum 2‑Prozent-Ziel gewünscht, und wir sind dafür verantwortlich, dass wir es nicht durchgesetzt haben; aber derjenige, gegen den wir nicht mehr durchgesetzt haben und der sich dagegen gewehrt hat, das 2‑Prozent-Ziel klar in den Bundeshaushalt zu schreiben und stattdessen wolkige Formulierungen wie „Richtung 1,5 Prozent“ bevorzugt hat, war Bundesfinanzminister Olaf Scholz. ({6}) Deshalb hat er eine weit größere Verantwortung dafür als wir, dass wir heute in dieser Lage sind. Wir waren des guten Willens, und er ist derjenige, an dem wir gescheitert sind. Ich will deutlich sagen: Ein Mannschaftskapitän muss sportlich Vorbild sein. – Er macht der Kapitänsbinde keine Würde. Vielen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun Bettina Hagedorn das Wort. ({0})

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Helge Braun, die Kapitänsbinde in unserem Haushaltsausschuss hast du in den letzten acht Wochen der Beratung getragen. Ich glaube, ich spreche für alle Haushälter, wenn ich an dieser Stelle feststelle: Ein dickes Dankeschön geht an unseren Haushaltsausschussvorsitzenden, ({0}) der den Haushaltsausschuss mit sehr viel Ruhe und Kompetenz, aber auch mit sehr viel Stringenz durch diese Wochen geleitet hat. Du hast zu Recht darauf hingewiesen, wie viele Änderungsanträge es gab. Es war ein ganz bemerkenswerter Haushalt. Das war meine 21. Bereinigungssitzung. ({1}) In Zeiten, wo sich zwischen dem Kabinettsbeschluss für einen Haushalt und der Bereinigungssitzung die Welt so dramatisch verändert wie in diesem Jahr, kommt es zu umfangreichen Veränderungserfordernissen beim Haushalt. Aber wir haben das gut bewältigt. Vielen Dank für deine kluge Führung an dieser Stelle! ({2}) Das war jetzt aber genug des Lobes; denn, lieber Helge Braun, du hast gerade das 2‑Prozent-Ziel angesprochen. Deshalb will ich jetzt doch etwas dazu sagen, auch wenn ich sicher bin, dass mein Kollege Andi Schwarz das nachher noch näher ausführen wird. Fakt ist jedenfalls, dass wir in der zweiten GroKo, als der Finanzminister Wolfgang Schäuble hieß, einen Verteidigungsetat hatten, der zwischen 36 und 37 Milliarden Euro lag. Vier Jahre später, in der dritten Großen Koalition mit Olaf Scholz als Finanzminister, hatten wir den Etat auf über 50 Milliarden Euro pro Jahr gesteigert. ({3}) Das ist ein Plus von 13 Milliarden Euro pro Jahr! Was das in der Summe für die Ausstattung der Bundeswehr bedeutet, ist bemerkenswert. Insofern: Hör auf mit der Mär, Sozialdemokraten hätten hier gestoppt. Wir waren immer dafür, für die Ausrüstung der Bundeswehr und der Soldatinnen und Soldaten genug Geld bereitzustellen. Allerdings sind die Träume von Annegret Kramp-Karrenbauer, Deutschland mit einem Flugzeugträger auszustatten, nicht auf unsere Begeisterung gestoßen. ({4}) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dieser Haushalt trägt aus unserer Sicht die Überschrift „Zusammenhalt in der Zeitenwende“. Wir haben in dieser Woche einen Haushalt beschlossen, der nicht nur vom Volumen her enorm ist, sondern der auch auf die Erfordernisse der Zeit die richtigen Antworten gibt. In allen Haushalten, die eine nationale Tragweite haben, haben wir enorme Aufstockungen beschlossen in dem Umfang, wie sie wirklich erforderlich sind. Ich sage nur: Wir haben auf die berechtigten Sorgen der Jobcenter gehört. Wir haben zum Beispiel den Etat für Arbeit und Soziales um 500 Millionen Euro nur im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik aufgestockt. Wir werden dafür Sorge tragen, dass gerade in diesen Zeiten nicht nur die Arbeitsplätze gesichert bleiben, sondern dass Menschen auch in Qualifizierung kommen, um dann qualifizierte Arbeitsplätze zu haben. Wir haben uns aber auch um die Sorgen der Menschen gekümmert: Nicht nur die drei Entlastungspakete in Höhe von fast 100 Milliarden Euro sind vollfinanziert in diesem Haushalt, sondern auch viele andere Dinge. Ich nenne beispielhaft die größte Erhöhung überhaupt beim Kindergeld ab 1. Januar auf 250 Euro pro Kind ({5}) und das Wohngeld Plus, das die Zahl der Anspruchsberechtigten verdreifachen und das Wohngeld verbessern wird. All dies beschließen wir heute mit diesem Haushalt. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen – insbesondere diejenigen, die diesem Haushalt zustimmen werden, also die Kolleginnen und Kollegen von FDP und Grüne –, ({6}) darauf können wir gemeinsam stolz sein. ({7}) Wir hatten – das ist auch wichtig – bei der Erstellung dieses Haushalts des Zusammenhalts in der Zeitenwende nicht nur die nationale Ebene im Blick, sondern auch die internationaler Ebene, und zwar nicht nur hinsichtlich der Bundeswehr, sondern auch hinsichtlich des Etats der Außenministerin und des Etats der Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Diese Etats haben wir um jeweils 1 Milliarde Euro aufgestockt und haben diesen Ressorts zusätzlich in der Bereinigungssitzung aus den Mitteln des Haushaltes 2022 eine weitere Milliarde Euro – pari-pari zwischen beiden aufgeteilt – zur Verfügung gestellt. Das sind Beiträge, um zum Beispiel die internationale Ernährungssicherheit sicherzustellen. Diese wirken erst im kommenden Jahr. Das ist wichtig und erforderlich. Damit wird Deutschland seinen Beitrag in der Welt leisten. Denn die Welt guckt auf uns, ob wir in militärischer Hinsicht konstant und zuverlässig sind, aber sie guckt natürlich auch darauf, ob wir unserer Rolle gerecht werden, die wir während unserer G‑7-Präsidentschaft immer wieder bekräftigt haben. Wir stehen für Dialog. Wir stehen für Unterstützung. Wir stehen für Solidarität mit der Ukraine, aber auch – und das ist mir wichtig – mit den Anrainerstaaten wie Moldawien oder Polen, die viel mehr Flüchtlinge aufgenommen haben als wir. Darum bin ich mir sicher, dass wir mit diesem Etat gut gewappnet sind. Ich bedanke mich bei allen, die dazu beigetragen haben. Ganz besonders möchte auch ich mich bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusssekretariats bedanken. Vielen Dank. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Peter Boehringer für die AfD-Fraktion. ({0})

Peter Boehringer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004675, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Liebe Steuerzahler! Übermorgen ist erster Advent. Und die Regierung hat einen Adventskalender gebastelt. Öffnen wir die 24 Türchen: Die Erweiterung des Bundeskanzleramts wird durchgezogen. Die Ampel verteidigt das 770-Millionen-Euro-Projekt, obwohl sie die Planungen noch stoppen könnte. Doch Herr Scholz will es ebenso gigantomanisch wie Frau Merkel haben. Die Ampel gönnt sich seit Amtseintritt 10 000 Stellen Aufwuchs in ihren Bundesbehörden. Man übertrifft damit inmitten einer bevorstehenden Rezession sogar noch die Vorgängerregierung. ({0}) Auch der Bundestag selbst bekommt 2023 fast 70 zusätzliche Stellen. Das stark linkslastige Institut für Menschenrechte bekommt sogar einen Personalaufwuchs von 50 Prozent. 6 Milliarden Euro für den neuen IWF-Fonds Resilience and Sustainability Trust – alles für internationale Corona- und Klimafinanzierung. 24 Milliarden Euro für das Bürgergeld, davon über 10 Milliarden Euro an ausländische Empfänger. 30 Milliarden Euro an Klimaausgaben aus dem KTF. Kanzler Scholz versprach zudem am 6. November in einer Fünfminutenrede mal eben ein weiteres Milliardenprogramm fürs Klima, für den Planeten mit mehr Ehrgeiz und Zusammenarbeit mit den Staaten der Welt. Mehr Ehrgeiz, also gegen den deutschen Steuerzahler; denn natürlich ist das eine Chiffre für „Deutschland zahlt es“. ({1}) Zudem mehr Unterstützung durch Gelegenheitsstrom aus Sonne und Wind für den Balkan. Hinzu kommen absurde EU‑Klimaprogramme, über die die grüne CO2-Religion in allen EU‑Ländern durchgesetzt werden soll. Dasselbe macht die Ampel sogar in Moldawien und Georgien. Bei deutschen Verbrauchern dürfen sich die Energierechnungen dagegen verfünffachen; das stört die Ampel nicht. ({2}) Die Ukraine forderte im November mal eben die Finanzierung ihres ganzen Staatshaushalts. Die zugehörige Geberkonferenz fand darum gleich hier in Berlin statt. So hatten dann die im Namen der deutschen Steuerzahler großzügigen Geber kurze Wege. Letztlich ist eine signifikante Übernahme der Kriegs- und Haushaltskosten der Ukraine durch die internationale Gemeinschaft – also Deutschland – offenbar gesetzt: Bis hin zu 750 Milliarden Euro ist da alles möglich, da die Bundesregierung ja schon früh einen Blankoscheck unterschrieben hat. Rüstungsgüter werden dabei oft indirekt gekauft oder getarnt als Gewährleistung, etwa über die European Peace Facility der EU oder über IWF-Konstruktionen. Dabei weiß man natürlich schon heute, dass das Geld niemals zurückfließen wird. Trotzdem fordern die Ministerinnen Baerbock und Lambrecht der einstigen Friedensparteien Grüne und SPD noch mehr Geld für Waffen für die Ukraine. ({3}) Kohleersatzindustrien. Man versucht angeblich, die Zukunft der alten Kohleregionen zu sichern, leider jedoch, indem man dort technologische Sackgassen ansiedelt. Ich sage das ganz bewusst: Wasserstoffprojekte in der geplanten Form sind Sackgassen. Oder das sind – ernsthaft – viele Millionen Euro für ein Institut für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe oder gar eine Initiative Hybrid-elektrisches Fliegen. Ich sag Ihnen: Das ist eine Vollabschreibung vom ersten Tag an. ({4}) Generell wäre es natürlich besser, die alte Industrie an diesen Standorten gar nicht erst kaputtzuschlagen, sondern sie ganz konservativ – conservare – zu bewahren. Deutsche Kohle wird ja zunehmend wieder weltmarktfähig und gebraucht, aber die grüne CO2-Religion steht halt im Weg. Die permanente Uniper-Rettung, die größte Unternehmensrettung in der deutschen Geschichte. Ständig wachsende Kosten, Kredite, Eigenkapitalgeschenke und Gewährleistungen des Bundes an Uniper und Ablösung von wertlosen finnischen Altkrediten: alles in Milliardenhöhe, inzwischen über 50 Milliarden Euro, alles völlig intransparent. Und das ist immer noch nicht das Ende der Rechnung. Hinzu kommen Milliardenverluste aus Gastermingeschäften der Trading Hub Europe. Herr Habeck soll keine Zockergeschäfte mit grundlosem Gasverkauf auf Termin machen, sondern das teuer mit Steuergeld eingekaufte und eingelagerte Gas einfach exklusiv für die deutschen Stadtwerke vorhalten! Leider geschieht das nicht; wir haben das im Ausschuss ausführlich erfragt. Das geschieht nicht. ({5}) Man loggt lieber über Terminmarktverkäufe ohne Not und zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt den Maximalverlust für den deutschen Steuerzahler und zugleich Maximalgewinne für internationale Terminmarktzocker ein, ohne sicherzustellen, dass das Gas wenigstens deutschen Verbrauchern zugutekommt. Ein Skandal! ({6}) Dann absurd hohe 670 Millionen Euro für die politischen Stiftungen. Die AfD fordert seit Jahren einen drastischen Abwuchs bei dieser Position. Und wir sind noch immer nicht fertig. Hier weitere Steuergeldtürchen, die nicht nur überflüssig, sondern sogar schädlich für Deutschland sind: Der Verein United4Rescue erhält bis 2026 über 8 Millionen Euro Steuermittel zur Schleusung von Asylforderern an die europäische Küste und damit natürlich nach Deutschland. ({7}) Hier gilt: Gute Taten mit fremdem Geld haben keinerlei moralischen Wert. Die Deutschen wollen diese Summe nicht für diesen Zweck eingesetzt wissen, ({8}) und schon gar nicht per Vetternwirtschaft; denn der Vorsitzende des Vereins ist – das ist ja inzwischen bekannt – der Lebensgefährte der Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt. Diese Position sagt sehr viel über den moralischen Wert des Gesamthaushalts aus. ({9}) Mit einigen Millionen Euro unterstützen Sie als Steuerzahler auch noch solche netten Dinge wie Finanzsystemreformen in Marokko oder urbane Mobilität in Peru. Steht alles hier. Natürlich unterstützen Sie noch immer die Coronahysterie mit Milliarden Euro für Tests und Impfdosen. Minister Lauterbach lässt einfach nicht locker, obwohl die Coronamaßnahmen – nicht etwa Long Covid; das ist eine Lüge – höchstwahrscheinlich seit 2021 zu einer signifikanten Übersterblichkeit geführt haben. ({10}) Dann zahlen Sie künftig dem Leib- und Hoffotografen von Minister Habeck ein sechsstelliges Jahresgehalt. Die AfD weiß, warum sie die Öffentlichkeitsarbeit der gesamten Regierung, fast aller Ministerien drastisch reduzieren will. Und dann noch das Adventstürchen 24: Mit Millionen von Euro werden von der CO2-besorgten Regierung riesige landwirtschaftliche Nutzflächen, die unsere Vorfahren in Jahrhunderten und vor Jahrhunderten den Sumpflandschaften entrissen und abgerungen hatten, wieder unter Wasser gesetzt; das ist kein Witz. Die Ampel ist also zukünftig mit Kapitänsbinde in neuen Sümpfen unterwegs – den alten Polit-Sumpf bewässert sie ja sowieso mit Milliarden. Verrücktes Deutschland anno 2022. ({11}) Ich komme zum Schluss. Das waren nur 24 kleine Spitzen der Eisberge und kleine Einblicke in die Tiefen der Abgründe, die sich im links-grünen Haushalt auftun. Überall und für alles ist Geld da, nur nicht für werktätige Deutsche. Ich wünsche Ihnen allen trotzdem einen schönen ersten Advent. Vielen Dank. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Dr. Paula Piechotta für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Paula Piechotta (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005180, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! 2023 wird das dritte Jahr in Folge sein, das nach einem Krisenhaushalt verlangt. Wir als Parlament gewöhnen uns nicht an diesen Ausnahmezustand; aber wir können inzwischen ganz gut mit ihm umgehen. Wir wissen unter anderem: Je unübersichtlicher die Zeiten, umso klarer müssen die Antworten sein. Die Antworten, die dieser Bundeshaushalt in Sachen Entlastungen, Modernisierungen, Energiesicherheit gibt, die sind in diesen unübersichtlichen Zeiten sehr klar. ({0}) Wir als Gesellschaft, als Bundestag wachsen an unseren Aufgaben in der Krise. Und auch der Bundeshaushalt wächst mit uns an diesen großen Aufgaben. Friedrich Merz am Mittwoch und Jens Spahn heute Vormittag hier, die können die aktuelle Situation in Deutschland gar nicht schwarz genug malen. Es ist Ihr gutes Recht, das als Opposition so zu sehen; aber ich möchte auf ein paar Frühindikatoren verweisen, die vielleicht deutlich machen, dass sich die Stimmung gerade ein bisschen dreht. Manche meiner Kollegen würden auf den ifo-Geschäftsklimaindex hinweisen, der den zweiten Monat in Folge steigt, andere auf die sich deutlich reduzierenden Energiepreise. Ich möchte Ihnen aber noch einen anderen Frühindikator nennen, der vor allen Dingen für mich in meiner Region wichtig ist und der ein ganz feiner Gradmesser dafür ist, wie groß die materiellen Ängste in dieser Gesellschaft sind: das Demonstrationsgeschehen in Ostdeutschland. Wir stellen in diesen Wochen fest: Es gibt weniger Demonstrationen und weniger Teilnehmer/-innen bei den verbliebenen Demonstrationen. Man muss sagen: Der „heiße Herbst“, den sich so viele in feuchten Fieberträumen gewünscht haben, kommt nicht; er wird gerade still und heimlich beerdigt. Das ist ein gutes Zeichen für den Zusammenhalt in dieser Gesellschaft. Daran hat auch der Bundeshaushalt Anteil. ({1}) Was Friedrich Merz und Jens Spahn auch nicht oft genug betonen können, ist, dass es aus ihrer Sicht in der Bundesregierung „ruckelt“. Ich möchte fragen: Kann es vielleicht sein, dass Sie in der Union einfach nicht mehr wissen, wie es sich anfühlt, wenn sich was bewegt in diesem Land? ({2}) Es „ruckelt“ ja vor allen Dingen deshalb, weil so lange Stillstand war. Wir machen in Monaten, was vorher Jahrzehnte nicht ging. An dieser Stelle ist die Frage zu stellen: Ist es vielleicht sogar gut, dass mal was „ruckelt“, weil neue Wege nach Streit verlangen, um die neuen Wege, die man hier beschreiten will, überhaupt erst definieren zu können? ({3}) Dann ist es auch mit dem Vorwurf von Friedrich Merz und Jens Spahn nicht weit her, es gäbe hier ein Führungsversagen der Bundesregierung. Ehrlicherweise muss ich sagen: Es gibt gerade auch in Europa genug Beispiele für echtes Führungsversagen. Schauen wir nach Großbritannien! 44 Tage Liz Truss haben gezeigt, was es für verheerende Folgen hat, wenn echtes Führungsversagen haushalts- und finanzpolitische Verwerfungen produziert. ({4}) Was der DFB gerade in Katar abliefert, ist auch echtes Führungsversagen. Wenn ich ganz kurz auf die CDU schaue: Für die CDU als mit Abstand größte konservative Partei in diesem Land – und das sage ich als jemand, der aus Sachsen kommt – ist es eine der vornehmsten Aufgaben, gerade auch als Lehre aus dem 20. Jahrhundert, Führung zu zeigen – Führung, die Friedrich Merz bei Amtsantritt angekündigt hat – und als Partei dafür zu sorgen, dass die Brandmauer gegen rechts auch in diesen Krisenzeiten stehen bleibt, dass sie gehegt und gepflegt wird und dass jeder Riss, der sich auftut, sofort zugespachtelt wird. ({5}) Sie reden von Führungsversagen, während sich ostdeutsche CDUler im bundesdeutschen Fernsehen hinstellen und Friedrich Merz persönlich mit dem Schicksal von Marie-Antoinette drohen, wenn er weiter auf dieser Brandmauer besteht. Ich erwarte von Friedrich Merz als Parteivorsitzendem, dass er an der Stelle die Kapitänsbinde nicht so sträflich abstreift, wie das der DFB tut, dass er nicht einfach den Mund hält, sondern dass er den Mund aufmacht, wenn es unangenehm wird. Das ist seine Aufgabe für den Erhalt der Demokratie in diesen Zeiten. ({6}) Apropos Kapitänsbinde. Man konnte gestern auf Twitter lesen, dass die jetzt schon ins Haus der Geschichte überführt werden soll. ({7}) Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass wir uns in 20 oder 30 Jahren, wenn wir diese Demokratie erfolgreich durch die Krise gebracht haben, im Haus der Geschichte Armbinden aus Polyester anschauen wollen, sondern die Modernisierungsprojekte, die in diesem Haushalt schon angelegt sind: die Digitale Automatische Kupplung, die den Eisenbahngüterverkehr revolutionieren wird, vielleicht auch den ersten mRNA-Impfstoff gegen Krebs, der in Deutschland hergestellt wird. ({8}) Das sind, glaube ich, die Sachen, die wir im Haus der Geschichte in 30 oder 40 Jahren sehen wollen. ({9}) Meine Damen und Herren, Krisen sind Katalysatoren für Modernisierung. Krisen sind Katalysatoren dafür, dass wir in dieser Gesellschaft unglaublich schnelle Schritte vorwärts machen. ({10}) Und ganz ehrlich: Dieser Bundeshaushalt ist Teil dieser katalysatorischen Wirkung. Ich freue mich auf die vielen Modernisierungen, die wir auch im nächsten Jahr schon werden begutachten können. Vielen herzlichen Dank. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Die Linke hat nun Dr. Gesine Lötzsch das Wort. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Unbekannt)

Politiker ID: 11003584

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Haushalt ist nicht sozial, er ist nicht friedlich, und er ist auch nicht ökologisch. Darum werden wir Linken ihn ablehnen. ({0}) Er ist nicht sozial, weil die Hartz-IV-Erhöhung nicht einmal die Inflation ausgleicht. ({1}) Die Preise für Grundnahrungsmittel sind um über 20 Prozent gestiegen. 11 Prozent Erhöhung von Hartz IV sind da ein schlechter Witz, meine Damen und Herren. ({2}) Wir sagen: Weg mit der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel! Der Haushalt ist nicht sozial, weil er unser Gesundheitssystem in den Grundfesten erschüttert. Die gesundheitliche Versorgung ist nicht mehr gesichert, wenn Krankenhäuser und Arztpraxen weiter ungeschützt der Preisexplosion ausgesetzt werden. Wir sagen: Kein Krankenhaus darf geschlossen werden. ({3}) Der Haushalt ist auch nicht sozial, weil er die Krisengewinner nicht zur Kasse bittet. Die Unternehmensberatung Ernst & Young berichtet: Die Umsätze der 40 DAX-Firmen sind im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 23 Prozent gestiegen und damit so stark wie seit zehn Jahren nicht mehr. ({4}) Das ist doch nicht normal. Wir brauchen endlich eine Übergewinnsteuer, meine Damen und Herren. ({5}) Und dieser Haushalt ist nicht auf Frieden ausgerichtet. 72 Milliarden Euro insgesamt sollen für Aufrüstung ausgegeben werden. Die Rüstungskonzerne verdienen sich dumm und dämlich. Die Ampel ist bereit, jeden Preis für Waffen und Munition zu zahlen. Die Schuldenbremse gilt augenscheinlich nicht für die Bundeswehr. ({6}) Sie wird nur dann angezogen, wenn es um Gesundheit, Bildung und Wohnen geht. Wollen Sie etwa eine Koalition der sozialen Kälte bleiben, meine Damen und Herren? ({7}) Diese Regierung ist auch nicht ökologisch. Sie haben beim Einkauf von Gas und Öl nur die Oligarchen gewechselt. Dafür zahlen Sie auch jeden Preis. Wenn man jetzt Steinkohle aus Südafrika einkauft, ist das ja wohl nicht der kürzeste Weg. Es ist schon erstaunlich, wie die schwindsüchtige FDP den Kurs dieses Regierungstankers vorgibt. ({8}) Wenn ich eine Kapitänsbinde in dieser Regierung zu vergeben hätte, würde sie Herr Lindner bekommen. Die FDP ist nämlich die einzige Partei, die die Wünsche ihrer Wählerinnen und Wähler eins zu eins durchsetzt. ({9}) Sie verhindert eine gerechte Steuerreform. Die FDP und die Krisengewinner haben sich untergehakt. Das gefährdet den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft. Die Politik muss sich umkehren. Vielen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Christian Lindner. ({0})

Christian Lindner (Minister:in)

Politiker ID: 11004097

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Lötzsch, vielen Dank für die Worte der Anerkennung! ({0}) Insbesondere den Mitgliedern des Haushaltsausschusses will ich für intensive, arbeitsreiche und sehr konstruktive Beratungen danken. Die Kolleginnen und Kollegen des Haushaltsausschusses haben wahrlich gezeigt, dass sie keine Leichtmatrosen sind. In dieser stürmischen See, in diesen für uns alle herausfordernden Zeiten haben sie einen Haushaltsentwurf beraten und jetzt zum Beschluss vorgelegt, der Orientierung gibt. Gewissermaßen haben die Haushaltspolitiker die Kapitänsbinde angezogen, um diesem Land mit diesem Haushalt Orientierung zu geben. Die Richtung ist klar: Wir bewältigen die Krise, aber wir vernachlässigen die Zukunftsaufgaben dieses Landes dabei nicht. ({1}) Ich will das an drei Aspekten verdeutlichen: Erstens enthält dieser Bundeshaushalt für das Jahr 2023 Rekordentlastungen in einer Größenordnung, wie sie dieses Land über viele Jahre nicht gesehen hat. Neben vielen Maßnahmen zur Entlastung der Familien und bedürftiger Menschen will ich aus tagesaktuellen Gründen auf das Inflationsausgleichsgesetz zu sprechen kommen, dem heute der Bundesrat zugestimmt hat. Im nächsten Jahr werden wir die arbeitende Bevölkerung, die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vor ansonsten drohenden fast 19 Milliarden Euro an heimlichen Steuererhöhungen verschonen. Soziale Gerechtigkeit bemisst sich daran, dass die Menschen, die bedürftig sind, nicht alleingelassen werden. Aber soziale Gerechtigkeit hat auch eine andere Komponente, nämlich Fairness gegenüber denjenigen, die mit ihrer Arbeit dieses Land tragen und hohe Steuern und Abgaben zahlen. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden mit dem nächsten Haushalt, dem Haushalt 2024 – davon bin ich überzeugt –, daran anknüpfen müssen. Das internationale Umfeld unseres Landes verändert sich fundamental. Ich erwähne den Inflation Reduction Act der Vereinigten Staaten und andere Veränderungen unseres Umfelds. Wir werden neu erkennen müssen, dass das Steuerrecht ein Instrument sein kann, um die Standortqualität unseres Landes insgesamt zu verbessern und vor allen Dingen die privaten Investitionen anzuschieben, die wir für die Erneuerung unserer Wirtschaft brauchen, für saubere Technologie und Digitalisierung. ({3}) Zweiter Aspekt. Dieser Bundeshaushalt umfasst Rekordinvestitionen in die digitale und die Verkehrsinfrastruktur, in den Klimaschutz, in effiziente Gebäude. 50 Milliarden Euro stehen dafür im Etat zur Verfügung. Hinzu kommen die Mittel aus dem Klima- und Transformationsfonds. Für die Ertüchtigung der Bundeswehr haben wir ein Sonderprogramm in Höhe von 100 Milliarden Euro aufgelegt. Verehrte Anwesende, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Herausforderung in Deutschland ist nicht mehr, öffentliche Mittel, Kapital für Zukunftsaufgaben bereitzustellen; das hat sich verändert. Diese Koalition hat haushaltspolitisch alle Voraussetzungen für die Gewinnung unserer Zukunft geschaffen. Die Aufgabe liegt jetzt woanders: Diese Mittel müssen tatsächlich genutzt werden. Wir brauchen andere, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren und auch schnellere, effizientere Beschaffungsvorgänge bei den Streitkräften, damit das, was im Haushalt steht, in der Praxis das Leben der Menschen tatsächlich verbessert. ({4}) Zum dritten Aspekt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Mit diesem Bundeshaushalt kehren wir zur Schuldenbremse zurück. ({5}) – Ja, ich komme gleich darauf zurück; das wollte ich von mir aus ansprechen. – Es war kein Selbstläufer, dass wir in diesem Bundeshaushalt die Schuldenbremse einhalten. ({6}) Wir mussten Konsolidierungsanstrengungen unternehmen und können, gottlob, jetzt auch bestimmte krisenbedingte Ausgaben beenden. Ich nenne als Beispiele die Coronavirus-Testverordnung und die -Impfverordnung. Die Testverordnung wird noch bis Ende Februar nächsten Jahres finanziert. Das sind für Dezember, Januar und Februar noch einmal gut 1,2 Milliarden Euro, aber dann läuft das aus. Wir wissen noch nicht genau, wie die weitere Entwicklung sein wird, aber Stand heute können wir angesichts der Erwartungen zur Entwicklung der Pandemie zumindest für den Bundeshaushalt sagen, dass der 1. März 2023 gewissermaßen der haushaltspolitische Freedom Day ist. Wir haben also Konsolidierungsanstrengungen unternommen. Dennoch, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten wir uns nicht zu sehr rühmen, dass wir die Schuldenbremse eingehalten haben; denn im nächsten Jahr werden wir unverändert ein enormes gesamtstaatliches Defizit haben. Wir werden für unsere politischen Vorhaben in der Haushaltspolitik des Bundes zwar die Schuldenbremse beachten und uns selbst disziplinieren, aber die krisenbedingten Ausgaben für Strom- und Gaspreisbremse im während der Pandemie eingerichteten Wirtschaftsstabilisierungsfonds bündeln. Das dient nicht nur der Selbstbindung der Koalition an die Stabilitätspolitik, sondern hat auch die Bewandtnis, Flexibilität zu haben. Das ist vielen Rednerinnen und Rednern der Opposition bislang gar nicht aufgefallen. Die Auswirkungen der Strom- und Gaspreisbremse kann man nicht genau prognostizieren, ({7}) weil wir die Entwicklung der Strom- und Gaspreise im nächsten Jahr nicht kennen. ({8}) Aus diesem Grund brauchen wir dieses Instrument mit seiner Flexibilität. Wir verbinden also die Disziplin für den Bundeshaushalt mit den notwendigen Maßnahmen zur Krisenbewältigung. Ich komme zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen. Nach der Haushaltsberatung ist vor der Haushaltsberatung. Der Haushalt 2024 wird ungleich herausfordernder als der Haushalt des Jahres 2023. Um Haushaltswahrheit zu schaffen, haben wir begonnen, die von der früheren Regierung aufgebauten Rücklagen aufzulösen. 2024 werden sie nicht mehr in nennenswertem Umfang zur Verfügung stehen. Wir werden unser Ambitionsniveau bei Klimainvestitionen steigern müssen. Wir werden unser Ambitionsniveau bei der Digitalisierung und bei der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft steigern müssen. Der Haushalt 2024 wird noch herausfordernder als dieser. Wir haben also keine Alternative: Wir müssen weiter mutig bleiben. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Stefan Müller für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Stefan Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003597, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegt eine Haushaltswoche hinter uns, und es ist ja guter Brauch, am Ende einer Haushaltswoche, in der Schlussrunde, ein Fazit zu ziehen und sich vielleicht auch ein paar Fragen zu stellen. Ich habe mir in den letzten Tagen zwei Fragen gestellt. Die erste Frage lautete: Wird Olaf Scholz – das wissen wir aber noch nicht – vielleicht noch kommen und die Kapitänsbinde tragen? Die zweite Frage, die ich mir gestellt habe, ist: Was hätte eigentlich Christian Lindner als Fraktionsvorsitzender der FDP gesagt, wenn wir in unserer Regierungszeit einen solchen Haushalt vorgelegt hätten, ({0}) wenn wir vorgegeben hätten, die Schuldenbremse einzuhalten, das aber nur schaffen, weil Geld aus der Rücklage entnommen wird, Ausgaben in Schattenhaushalte verschoben werden und Buchungsregeln geändert werden? ({1}) Was hätte Christian Lindner zu unserer Regierungszeit gesagt, wenn sich unser Finanzminister dann auch noch hierhingestellt und gesagt hätte: „Das ist solide, seriös, vorausschauend, nachhaltig; mit diesem Haushalt wird ein Bild der Sparsamkeit gezeichnet, und das Ganze ist auch verfassungskonform“? Wir werden es leider nicht erfahren. Aber alles, was wir gerade hier gehört haben, hätte Christian Lindner zu unserer Regierungszeit jedenfalls nicht durchgehen lassen – zu Recht, liebe Kolleginnen und Kollegen! ({2}) Ich glaube, Franz Müntefering war es, der einmal gesagt hat, es sei nicht fair, wenn man nach Wahlen an Wahlversprechen vor den Wahlen erinnert. Ich will es trotzdem tun. ({3}) – Das hat er auch gesagt, das stimmt. – Nichtsdestotrotz hat die FDP noch in ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl versprochen: ({4}) Dabei stehen wir für eine solide und investitionsorientierte Haushaltspolitik und zur im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse. Denn jede Generation hat ihre Herausforderungen und muss über die finanzpolitischen Spielräume verfügen, um diesen gerecht werden zu können. Die Realität sieht aber anders aus. Die Realität sieht so aus, dass Sie seit Beginn Ihrer Regierung 545 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen zulasten des Haushaltes ausgebracht haben: 60 Milliarden Euro beim zweiten Nachtragshaushalt 2021, 140 Milliarden Euro beim Bundeshaushalt 2022, 100 Milliarden Euro beim Bundeswehr-Sondervermögen, 200 Milliarden Euro beim Abwehrschirm und 45,6 Milliarden beim Bundeshaushalt 2023. Das sind über eine halbe Billion Euro in gerade mal zwölf Monaten. Wenn Sie all diese Kreditermächtigungen ausnutzen, werden Sie in dieser Wahlperiode mehr Schulden machen als sechs Bundeskanzler, von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl, zusammen. ({5}) Wenn Fortschritt für Sie bedeutet, neue Maßstäbe beim Schuldenmachen zu setzen, dann haben Sie das Etikett „Fortschrittskoalition“ wirklich verdient, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel. ({6}) Das ist weder generationengerecht noch nachhaltig und ganz sicher nicht das, was Sie vor der Wahl versprochen haben. Übrigens ist der Bundesrechnungshof da sehr klar in seinem Urteil. In seinem Bericht vom 18. Oktober zur Finanzierung des Abwehrschirms kritisiert der Bundesrechnungshof unter der Überschrift „Finanzierung des Schutzschirms verfassungs- und haushaltsrechtlich problematisch“: Die vorgesehene Finanzierung des Schutzschirms durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds ist in mehrfacher Hinsicht problematisch: – Die Etatisierung der Mittel in einem Sondervermögen verstärkt die bereits bestehende Intransparenz des Bundeshaushaltsplans. – Die vorgesehene Kreditaufnahme „auf Vorrat“ verstößt gegen den verfassungsmäßigen Grundsatz der Jährlichkeit. Die Auswirkungen sind schon klar zu sehen. Früher konnte man in den Bundeshaushalt schauen und wusste, wie viel Geld der Bund ausgeben wird. Jetzt muss man noch etwa 200 Milliarden Euro – so genau wissen Sie es nicht – hinzuaddieren, um zu wissen, wie viel man will und wie viel der Bund ausgibt. ({7}) – Herr Fricke, ich sage gleich gerne noch was zu Ihnen, wenn die Zeit bleibt. – Das Gleiche bei den Schulden. Früher konnte man in den Bundeshaushalt schauen und wusste, wie viel Geld der Bund sich leihen würde. Jetzt muss man noch verschiedene Sondervermögen hinzuaddieren. ({8}) – Herr Fricke, weil Sie gerade reinrufen: Es war den haushaltspolitischen Sprechern der Ampelkoalition nicht mal möglich, genau zu sagen, was denn der Bund im nächsten Jahr ausgeben wird. ({9}) Das ist übrigens alles auf Youtube ab Minute 55 nachzuschauen. Sie haben gesagt, Sie wüssten es nicht so genau, müssten mal nachgucken, Sie liefern die Zahlen nach. ({10}) Auch Herr Kindler sagte: Wir müssen die Zahlen nachliefern, wir wissen es nicht. – Ich glaube, Herr Rohde war es dann, der am Ende gesagt hat: Es tut uns leid; wir hatten jetzt 16 Stunden Haushaltsbereinigungssitzung. – Ich sage mal: Das kann man mit Müdigkeit entschuldigen. ({11}) – Von mir aus waren es 18. – Am Ende liegt es aber doch nicht an 18 Stunden Bereinigungssitzung, sondern an der Intransparenz Ihres Haushaltes, ({12}) dass Sie selbst nicht mehr wissen, wie die Zahlen zustande kommen, und in einer Bundespressekonferenz nicht einmal mehr einfache Fragen beantworten können. Ich fasse zusammen: ({13}) Die Schuldenbremse, für die Sie sich rühmen, Herr Bundesfinanzminister, wird nur auf dem Papier eingehalten. Sie schaffen das nur mit Entnahmen aus der Rücklage, mit Buchungstricks, mit Schattenhaushalten. Finanzpolitische Solidität sieht wahrlich anders aus. ({14})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Dr. Wiebke Esdar für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Wiebke Esdar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004710, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In Deutschland werden jede Stunde 13 Frauen Opfer der Brutalität ihres aktuellen oder ehemaligen Partners. Im letzten Jahr wurden mehr als 100 Frauen getötet, weil sie eine Frau waren. Diese Tötungen tragen einen Namen. Sie müssen als das benannt werden, was sie sind: Femizide. Heute ist Orange Day, der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen. Darum tragen viele Abgeordnete der demokratischen Parteien hier im Haus orangefarbene Kleidungsstücke. ({0}) Ich freue mich über Ihre Krawatte, Herr Lindner. Ich interpretiere sie nicht als Zufall, sondern als klares Zeichen. Wir tragen heute Orange, um ein Zeichen zu setzen. Symbolik, sei es eine Farbe oder eine Kapitänsbinde, ist wichtig in der Politik, um zu zeigen, wofür wir stehen. ({1}) Aber, meine Damen und Herren, Politik ist viel mehr. Darum sind wir heute hier zusammengekommen, um den Haushalt zu debattieren und zu beschließen; denn Politik darf nie bei Empörung enden, darf nie die Symbolik überhöhen, sondern muss den Zeichen genauso wie den Worten Taten folgen lassen, und das tun wir mit diesem Haushalt. ({2}) Darum haben wir als Haushälterinnen und Haushälter in den letzten Monaten Tabellen studiert, Deckblätter geschrieben und über das Geld verhandelt und so im parlamentarischen Verfahren, in der schon angesprochenen berühmten Bereinigungssitzung, noch einige Akzente gesetzt. Ich kann nur einen ganz kleinen Ausschnitt davon wiedergeben: Wir haben zum Beispiel 700 Millionen Euro zusätzlich für Fördermaßnahmen nach dem SGB II – jetzt Bürgergeld – für die Unterstützung der Jobcenter zur Verfügung gestellt. Neben der Erhöhung des Kindergeldes auf 250 Euro, der größten Kindergelderhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik, ({3}) haben wir beim Kinderzuschlag 400 Millionen Euro draufgesattelt und 130 Millionen Euro beim Unterhaltsvorschuss. ({4}) Wir haben die Mittel um 2,2 Milliarden Euro für mehr Wohngeld aufgestockt, weil wir mit der Wohngeldreform mehr Menschen unterstützen wollen. ({5}) Wir haben 2 Milliarden Euro zusätzlich für die humanitäre Hilfe im weltweiten Kampf gegen den Hunger, für zivile Krisenprävention und zur Finanzierung des Resettlement-Programms für Menschen in Gefahr in Afghanistan bereitgestellt. Wir haben 500 Millionen Euro zusätzlich fürs nächste Jahr für den Schienenverkehr bewilligt und 700 Millionen Euro für zusätzliche Investitionsvorhaben in den Kommunen vor Ort, beispielsweise um Schwimmbäder oder Turnhallen zu sanieren oder die Anpassung an den Klimawandel vor Ort voranzubringen. Wir fördern ein Pilotprojekt und setzen 100 Millionen Euro für den Kulturpass ein, den die jungen Menschen, die im nächsten Jahr 18 werden, für den kostenlosen Zugang zu Museen und Theatern einsetzen können, aber auch, um Bücher zu kaufen. Wir haben 7,5 Millionen Euro und Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von rund 60 Millionen Euro für die GRACE-Satellitenmission, eines der wichtigen Forschungsvorhaben für den Kampf gegen den Klimawandel, bereitgestellt. Ich könnte so weitermachen. Helge Braun hat ganz ausführlich dargestellt, wie viele Änderungsanträge wir hatten. Ich will aber noch eine Frage beantworten, und zwar die Frage, was wir gegen Gewalt an Frauen tun. Damit meine ich nicht nur die Symbolik, sondern auch Taten. Ich will nur drei Beispiele herausgreifen; es gibt letztlich viel mehr. Mit dem Haushalt des Innenministeriums wird das Projekt „Gewaltfrei in die Zukunft“ finanziert. Im Rahmen dessen wird eine Tarn-App entwickelt, die es Menschen, vor allem Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, ermöglicht, Angriffe zu dokumentieren und verschlüsselt und rechtssicher zu speichern, welche Verletzungen sie erlitten haben, um die Strafverfolgung besser umsetzen zu können. Im Einzelplan des Familienministeriums werden Projekte zur Erprobung von geeigneten Maßnahmen zur Gewaltprävention in den Bereichen „Sexismusfemizide“ und „digitale Gewalt“ gefördert, zum Beispiel die Bundesarbeitsgemeinschaft Täterarbeit Häusliche Gewalt. Für den Etat des Justizministeriums haben wir, weil gerade Frauen online von Hass-Posts und anderer psychischer Gewalt betroffen sind, im parlamentarischen Verfahren beschlossen, die Arbeit der Beratungsstelle HateAid mit 500 000 Euro zu unterstützen. ({6}) Liebe Bundesregierung, wenn wir als Haushälterinnen und Haushälter zu Recht immer wieder zur Sparsamkeit mahnen, dann seien Sie als Mitglieder der Bundesregierung gewiss: Auch wenn die Symbolik oft das kostengünstigste Mittel der Politik ist, wollen wir Taten sehen, die ganz konkret etwas bewirken, und wir wissen, dass die fast immer etwas kosten. In diesem Sinne bedanke ich mich für die gute Zusammenarbeit mit den Ministerien und werbe für den Haushalt, der ein guter geworden ist. Stimmen Sie dem gleich zu! Danke schön. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Norbert Kleinwächter für die AfD-Fraktion. ({0})

Norbert Kleinwächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004781, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Werte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bedenklich viele Kollegen haben die Krise in dieser Haushaltswoche als Chance bezeichnet: Olaf Scholz sowieso; Friedrich Merz sah eine Chance, Besitztümer, Besitzstände auf die Probe zu stellen. Andreas Schwarz redete davon, dass es eine Gelegenheit gebe, große Dinge zu tun. Ich weiß, Sie träumen alle von der sozial-ökologischen Transformation, vom radikalen Umbau der Gesellschaft, auf deren Ruinen Sie Ihre klimaneutrale Domus Aurea entwickeln wollen, wo dann Windräder und Bakterien Stahl produzieren. Aber ich habe eine schlechte Nachricht für Sie: Krise bedeutet eben nicht automatisch Chance, sondern etymologisch betrachtet im Wortsinne erst mal Entscheidung, und von der Entscheidung hängt es ab, ob eine Chance folgt oder der Niedergang. Die engste Verwandte der Krise ist die Katastrophe, und Ihre Politik ist wahrlich katastrophal. ({0}) Sie treffen eine verheerende Entscheidung nach der anderen. Sie bringen Unternehmen und Bürger in existenzielle Nöte. Alles, was Sie dann tun, ist, Milliarden und Abermilliarden Euro Schulden aufzunehmen, um das irgendwie zuzudecken. Sie besaufen sich dermaßen an Schulden, dass Sie noch die nächsten Jahrzehnte ausnüchtern müssen, Herr Lindner. ({1}) Wo wir schon bei der Nachhaltigkeit sind: Frau Baerbock, Sie reden immer von Nachhaltigkeit. Finanzielle Nachhaltigkeit bedeutet, Spielräume und Freiheit für die Zukunft zu belassen, und nicht, unsere Kinder und Enkel noch auf Jahrzehnte einzuengen, sie dafür büßen zu lassen, dass Sie hier ideologische Projekte verfolgen. ({2}) Sie verschieben in Schattenhaushalte, in Sondervermögen, um nicht darüber sprechen zu müssen. Das ist genauso ein Pharisäertum wie das, was Sie hier im Plenum gerade machen, mit Ihren orangefarbenen Anzügen, mit Ihrer orangefarbenen Krawatte, Herr Lindner. ({3}) Ja, es ist Orange Day. Sie demonstrieren damit: Sie sind gegen Gewalt gegen Frauen. ({4}) Aber vielleicht sollte man nicht im gleichen Atemzug den Frauenhäusern 10 Millionen Euro in diesem Bundeshaushalt entziehen und damit den Etat der antideutschen, so kann man sagen, Ferda Ataman um 250 Prozent anwachsen lassen. Das ist wahrlich heuchlerisch. ({5}) Aber es ist interessant, wie Sie auf Deutschland sehen. Man sieht es an der Rede von Olaf Scholz. Er verwendet Deutschland nie als Subjekt, immer nur als Objekt oder als Attribut. Vor allem redet er erst mal über Deutschlands Abhängigkeit – die verschlimmern Sie wahrlich mit Ihrer Schuldenpolitik –, und dann spricht er von Deutschland als Land der Funklöcher und Schlaglöcher, der kaputten Brücken und verspäteten Züge. Da sage ich nur: Das kommt dabei raus, wenn man immer in die Ferne guckt statt aufs eigene Land und auf die eigenen Leute. 21,3 Milliarden Euro war die Nettozahlung an die Europäische Union im Jahr 2021, 15‑mal so viel wie der Beitrag der drittgrößten Volkswirtschaft Italien. Eine gute Milliarde hat uns gefehlt, dann hätten wir mehr bezahlt als alle anderen Nettozahler zusammen. Dazu kommen noch 66 Milliarden Euro für „Next Generation EU“ plus Inflationsaufschlag, die ganze Entwicklungshilfe, die Klimaaußenprojekte, alles Mögliche. Ich sage Ihnen was: Ihre Politik ist die wahre Krise, meine Damen und Herren. Die beste Entscheidung wäre, die Entscheidungsgewalt dieser Bundesregierung baldmöglichst zu beenden. Haben Sie vielen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Zu einer Kurzintervention hat die Abgeordnete Mast das Wort.

Katja Mast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003804, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich will an dieser Stelle festhalten, dass die SPD-Bundestagsfraktion – und ich bin mir sicher, dass ich auch im Namen der ganzen Ampel spreche – ausdrücklich der Arbeit von Ferda Ataman als Antidiskriminierungsbeauftragte des Deutschen Bundestags – sie ist hier demokratisch gewählt worden – ({0}) ihre volle Wertschätzung ausspricht. Ich finde gut, dass wir sie als Antidiskriminierungsbeauftragte für die Bundesrepublik Deutschland gewinnen konnten. ({1}) Ich möchte ausdrücklich Hass und Hetze von meinem Vorredner zurückweisen. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Sie haben das Wort zur Erwiderung.

Norbert Kleinwächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004781, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Werte Frau Präsidentin! Werte Frau Mast, diese Wertschätzung haben Sie durchaus zum Ausdruck gebracht. Wir würden wertschätzen, wenn man die Frauen tatsächlich vor Gewalt schützen würde. Ich darf gerne noch mal ausführen, was Sie im Antrag der AG Haushalt der Fraktionen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP vom 18. Oktober 2022 im Haushaltsausschuss durchgesetzt haben. Es geht um Kapitel 1703, Titel 893 23: „Bundesprogramm zur Förderung von Innovationen im Hilfesystem zur Unterstützung gewaltbetroffener Frauen mit ihren Kindern – Bau, Modernisierung und Sanierung“: um 10 Millionen Euro reduziert. ({0}) Ich frage mich schon, meine sehr verehrten Damen und Herren, was diese Symbolpolitik soll, die ich hier eben auch angesprochen habe, mit einer Kapitänsbinde, „One Love“-Binde gleich, hier in Orange rumzulaufen und den Frauen, die wirklich auf Hilfe angewiesen sind, wofür die Frauenhäuser zuständig sind, die Mittel zu entziehen, ({1}) damit sie sich schützen können. ({2}) Sie behaupten, Sie stehen für Menschen, für Frauen, für diskriminierte Menschen ein. In Wahrheit betreiben Sie eine Schuldenpolitik, die Sie verschleiern. Sie betreiben eine Politik gegen die Interessen Deutschlands. Und wer darauf hinweist, den beleidigen Sie als Hetzer, den beleidigen Sie als jemanden, der diskriminieren würde, der hier austeilt. ({3}) Ich sage Ihnen mal ganz ehrlich, meine Damen und Herren: Im Interesse Deutschlands ist es, tatsächlich auf die eigenen Leute zu achten, die Bevölkerung zu schützen, unsere Industrie zu schützen, die Menschen in unserem Land zu schützen. ({4}) In dem Bundeshaushalt, den Sie hier vorgelegt haben, ist absolut nichts davon zu sehen, genauso wenig wie in den Intentionen einer Ferda Ataman, ({5}) die Deutsche mal als „Kartoffel“ und „Spargelfresser“ bezeichnet hat. Danke schön für dieses Lob. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Wir fahren in der Debatte fort. Das Wort hat der Kollege Markus Kurth für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Herr Kleinwächter, ich weiß ja nicht, was Sie nehmen. Ich sage nur: Nehmen Sie weniger davon! ({0}) Ich sage Ihnen auch, was mit den Mitteln passiert ist, bei denen Sie unterstellen, dass wir sie kürzen: Wir haben sie, weil die Mittel im Moment in den Bereich der Frauenhäuser nicht abfließen, in die Zukunft verschoben. ({1}) Dazu haben wir einen entsprechenden Antrag gemacht. Die Kürzung ist nicht erfolgt; das ist erst mal die Wahrheit. ({2}) Nachdem wir das jetzt hinter uns haben, will ich sagen, dass die Verhandlungen wirklich geprägt hat, dass wir mehrere Herausforderungen haben. Wir haben, erstens, diese Krisen, auf die wir reagieren müssen. Das sind nicht nur multiple Krisen, sondern sie sind auch von unterschiedlichem Charakter: Wir haben den Klimawandel als Dauerkrise und den Krieg in der Ukraine als disruptive Krise, die wirklich Strukturbrüche und nicht nur Strukturwandel verursacht. Wir müssen gleichzeitig, zweitens, Reparaturen an Dingen betreiben, die in den vergangenen Jahren und Legislaturperioden unterlassen wurden – man kommt nicht umhin, das zu sagen –, und das wird uns auch in den nächsten Jahren noch nachhängen. Wir müssen, drittens, trotz alledem Zukunftsgestaltung betreiben. Dies alles zusammengenommen ist uns, glaube ich, mit diesem Haushalt bei allen Schwierigkeiten und gelegentlichen Unwuchten, die es gibt, und auch bei allem ganz normalen politischen Streit, den es zum Teil auch innerhalb der Koalition gibt – das ist demokratische Kultur, wenn das zivilisiert abläuft –, unter dem Strich gut gelungen. ({3}) Aber wir können natürlich feststellen, dass es auch eine eigentümliche Gleichzeitigkeit gibt von Geschwindigkeit auf der einen Seite, besonders bei Krisenreaktionen, und einer gewissen Langsamkeit, wenn es um das Ingangbringen von Strukturveränderungen geht. Wir haben – das ist heute Vormittag und in der ganzen Woche mehrfach gesagt worden – im gesamten Bereich der Gasversorgungsinfrastruktur einen Parforceritt hingelegt. Wir haben Energiepreispauschalen und Entlastungsmaßnahmen der unterschiedlichsten Form. Wir haben internationale Krisenreaktionen. Dafür, verehrter Stefan Müller, braucht man auch diese 200 Milliarden Euro im WSF. Wenn man die beklagt und gleichzeitig keine eigenen Vorschläge unterbreitet, muss man doch trotzdem irgendwie die Antwort geben – und das fehlt von Ihrer Seite –, wie man schnelle, wirksame Kriseninterventionen hinbekommt. ({4}) Auf der anderen Seite ist auch deutlich geworden, welche Schwierigkeiten da insgesamt noch vor uns stehen. ({5}) – Könnten Sie da hinten vielleicht ein bisschen leiser diskutieren? – Danke. ({6}) Ich erinnere mich sehr gut an die Befragung und Auseinandersetzung mit Volker Wissing im Haushaltsausschuss, der uns sehr detailliert dargelegt hat, wo Hemmnisse sind und wo wir zum Teil – wir haben ja mehr Mittel im Schienenbereich – einfach an Grenzen stoßen, weil gerade im Bereich der Verkehrsinfrastruktur viel zu lange viel zu viel liegen geblieben ist. Man kann natürlich auch andere Bereiche nennen. Haushalterischer Ausdruck davon ist dann zum Teil der Mittelabfluss. Christian Lindner hat völlig zu Recht gesagt, wir haben haushalterisch jetzt die Voraussetzungen für eine große Beschleunigung geschaffen. Aber es ist, glaube ich, auch innerhalb der Beratungen deutlich geworden, dass Politik Prozesscharakter hat und dass es länger dauert, dass es nicht mit einem Ruck und mit einem Schlag getan ist. Darum kann ich auch wenig mit diesen plakativen Äußerungen von Friedrich Merz anfangen, wenn er sagt: Wir brauchen jetzt die große Rede, den großen Wurf. – Ich glaube, es wird speziell bei der Arbeit im Haushaltsausschuss sehr klar, dass wir es mit Prozessen zu tun haben, die wir beschleunigen können, die wir aber nicht über Nacht beliebig umsteuern können. Darum, finde ich, ist es unsere Aufgabe, gerade auch als Haushälter – das ist grundsätzlich, abseits der tagespolitischen Auseinandersetzung gesagt –, dass wir sparsam umgehen mit Begriffen wie „Bazooka“ oder Ausdrücken wie „Es muss jetzt ein Ruck umgehen“. ({7}) Ehrlich gesagt, auch mit „Doppel-Wumms“, mit dieser „Jetzt geht’s aber los!“-Mentalität und dergleichen kann ich nicht so viel anfangen. ({8}) – Ach, das ist doch billig, dass Sie von der Union jetzt hier klatschen. ({9}) Diese „Jetzt geht’s aber los!“-Mentalität erinnert mich so ein bisschen an die Leute, die man Anfang Januar im Fitnessstudio trifft, wenn alle sagen: Jetzt wird aber alles anders. – Im März leert sich das Studio dann meistens, dann wird es etwas weniger. ({10}) Mir ist klar: Man muss natürlich auch nach außen sozusagen Handlungsfähigkeit verbal vermitteln. Aber wir im Haushaltsausschuss sind diejenigen, die diesen prozessualen Charakter von Politik auf die Straße bringen und umsetzen. Das ist der Ampel dieses Mal wieder sehr gut gelungen. In diesem Sinne übernehmen wir jetzt die Kapitänsbinde. ({11})

Christian Görke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005067, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mein Gefühl ist, dass dieser Finanzminister eigentlich ein Doppelleben führt. Mal ist er ideologiebeseelter FDP-Chef, dann ist er Realpolitiker – je nach Wetterlage da draußen. Das Problem ist: Am Ende kommt immer schlechte Politik heraus. Erst kann er die Übergewinne bei den Mineralölkonzernen in Deutschland nicht sehen. Dann macht ihn die EU‑Kommission sehend. Trotzdem laufen die exorbitanten Übergewinne nächsten Freitag möglicherweise nahezu unbesteuert durch. Deshalb, meine Damen und Herren, deshalb richte ich meine Hoffnung an die Grünen und die SPD, dass sie diesem steuerpolitischen Skandal Einhalt gebieten. ({0}) Weiter geht es dann mit einem Interview von Christian Linder im „Spiegel“. Ich zitiere den Satz: Es ist ein Irrglaube, wir könnten die Inflation mit zusätzlichen Schulden in den Griff bekommen. Eine Woche später präsentieren Sie uns mit dem Doppel-Wumms 200 Milliarden Euro Schulden, und natürlich helfen die, die Preise zu senken. Wie passt das zusammen? Im Mai fordert er dann die EZB öffentlich auf, doch endlich die Zinsen zu erhöhen. Heute sind die Zinsen höher, und Sie stellen sich wirklich letzten Dienstag hierhin und präsentieren sich als Opfer der Zinspolitik, weil im Haushalt jetzt mehr als 30 Milliarden Euro für Zinsen draufgehen. Meine Damen und Herren, unglaubwürdiger geht es nicht. ({1}) Eines noch. Steuererhöhungen für Topverdiener lehnen Sie ab, weil sie aus Ihrer Sicht natürlich schlecht für die Wirtschaft sind. Gleichzeitig kürzen Sie aber die Zuschüsse bei den Krankenkassen und lassen die Zusatzbeiträge für 70 Millionen Versicherte steigen. Dem DAX-Manager und denen, die viel Geld haben, sage ich nur: Beitragsbemessungsgrenze. Bei denen ist das „Peng“, aber bei der Kassiererin, zum Beispiel in meinem Wahlkreis in der Lausitz, ist das schmerzlich. Deshalb – ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin –: Herr Minister, beenden Sie endlich Ihr Doppelleben! Machen Sie mal Politik für die Kassiererin, statt sich mit ihrer Stellvertreter-Kapitänsbinde immer als Bodyguard der Reichen und Vermögenden in diesem Land zu gebärden! ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP hat nun Otto Fricke das Wort. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Lieber Kollege Görke, warum es bei Ihnen in Brandenburg nicht mehr zur Stellvertreter-Kapitänsbinde gereicht hat, ist mir nach dieser Rede inzwischen ganz klar. ({0}) Ich will Ihnen aber eines deutlich klarmachen: Sie haben Haushalt überhaupt nicht verstanden, und zwar genauso wenig wie die CDU; das haben wir beim Kollegen Müller gemerkt. ({1}) – Nein, die CSU will ich nicht noch weiter in die Tiefe ziehen; das muss nicht sein, Herr Kollege. ({2}) Sie müssen doch eines sehen: Was ist die Aufgabe eines solchen Haushaltes in einer Übergangszeit, in einer Zeitenwende? Diese Übergangszeit zu organisieren. ({3}) Das hat diese Ampelkoalition in harten Beratungen geschafft. Ich möchte neben dem Dank an den Ausschuss meinen Dank auch noch einmal ausdrücklich Sven-Christian Kindler und – in Abwesenheit – Dennis Rohde, auch wenn er das nicht gerne hört, sowie ihren jeweiligen Teams aussprechen. Wir haben viel diskutiert, gemeinsam mit den AGs, aber wir haben am Ende genau das geschafft, was anscheinend weder auf der linken Seite noch bei der CDU, geschweige denn bei der CSU, funktioniert: Wir haben Demokratie gelebt, gearbeitet und sind mit diesem Haushalt zu einem sehr guten Ergebnis gekommen. ({4}) Meine Damen und Herren, hätte mir jemand am Anfang der Haushaltsdebatten gesagt, dass wir mit enormen Steuersenkungen in das nächste Jahr gehen, mit dem Einhalten der Schuldenbremse, aber gleichzeitig mit einer Absicherung im Bereich Energie, im Bereich Strom, mit einer Absicherung im Bereich Verteidigung, dass ausreichend Mittel da sein werden, dann hätte ich gesagt: Oh, ich weiß nicht, ob wir das alles schaffen. – Wir haben das geschafft. Kollege Müller, die für mich vielleicht größte Enttäuschung der Haushaltsberatungen war das Verhalten der CDU/CSU. Das Erste, was Sie beim Haushalt nicht verstanden haben, ist: Ein Haushalt ist im Rahmen der Gewaltenteilung, die es in dieser Koalition gibt, eine Ermächtigung der Regierung, Geld auszugeben. Er ist aber nicht die Verpflichtung, für alles und jedes Geld auszugeben, wenn sie erkennt, dass man es nicht mehr braucht. Deswegen: Wenn Sie behaupten, dass jemand wissen müsste, wie viele Schulden im nächsten Jahr gemacht werden, dann zeigt das nur eines: Sie haben Haushalt nicht verstanden, Sie haben Haushaltspolitik nicht verstanden, und Sie haben Ihre Oppositionsrolle überhaupt nicht verstanden. Das ist Ihr großes Problem. ({5}) Sie streiten sich ja jetzt schon darüber – ich habe das heute im „Pioneer“ gelesen –, wer denn jetzt bei der CDU/CSU Kanzlerkandidat wird, um da dann mal die Kapitänsbinde zu bekommen. Ehrlich sage ich Ihnen: Lassen Sie sich noch sechs, sieben Jahre Zeit. Dann wird das vielleicht einmal eine Frage sein, die Sie sich stellen können. ({6}) Mich erinnert das inzwischen, weil ich nicht immer Shakespeare zitieren soll, an Theodor Fontane, „John Maynard“: Der Zugwind wächst, doch die Qualmwolke steht, der Kapitän nach dem Steuer späht, er sieht nicht mehr seinen Steuermann, aber durchs Sprachrohr fragt er an … Verdammt noch mal, liebe CDU/CSU, macht doch mal endlich Haushaltspolitik, die ehrlich ist! ({7}) Das will ich Ihnen dann noch anhand eines Beispiels sagen: Wir haben gestern in der letzten Debatte den Einzelplan 30, Bildung und Forschung, beraten. Da redet als Erstes die von mir sehr geschätzte Kollegin Radomski und erklärt, wie man es anders machen könnte – wo mehr, wo weniger, wo einsparen, wo anders ausgeben. So weit, so gut. Danach kommt dann die zuständige stellvertretende Fraktionsvorsitzende und sagt: Das ist alles zu wenig, da müssen mehr Milliarden rausgehauen werden. Warum tut ihr das nicht? – Heute im Bereich Wirtschaft auch wieder – ich sage das ganz deutlich, Frau Karliczek –: Da müsse im Haushalt mit Schmackes mehr Geld ausgegeben werden. – Das seid ihr doch! Das ist doch die Opposition, mit der wir es zu tun haben. ({8}) Ich sage mal so: Vielleicht haben wir es auch deswegen so gut hingekriegt, weil wir auf die Opposition gar nicht groß achten mussten. ({9}) Zum Schluss der Ausblick. Da gucke ich mir die Regierungsbank ein bisschen genauer an. Erstens – ich will das deutlich sagen –: Mit der anderen Bank, die auch heute wieder leer ist, muss sich die Bundesregierung nach meiner Meinung auch im Rahmen des Eckwerteverfahrens mehr auseinandersetzen. ({10}) Denn was wir erleben, ist doch inzwischen immer mehr das: Wir versuchen, einen Haushalt auf Bundesebene vernünftig zu planen. Dann – das war übrigens in der letzten Legislatur auch schon so – kommen die Länder, machen Vereinbarungen, die zulasten des Bundes gehen, und wir müssen dann gucken, wie wir das im Haushalt alles noch darstellen. Deswegen meine Bitte beim Aufstellen der Eckwerte: auf den Bundesrat achten. Zweitens: die Investitionen. Ich sage das hier noch einmal deutlich – der Minister hat es schon getan; aber bitte immer daran denken –: Auch wenn die Staatsquote 50 Prozent beträgt, so steht die Investitionsquote zwischen privaten und staatlichen Investitionen in einem Verhältnis von 8 : 1. Wir müssen dafür sorgen, dass Private investieren. Nur dann werden wir das schaffen, werden wir vernünftige Eckwerte hinbekommen, werden wir auch einen vernünftigen Haushalt 2024 hinbekommen. Dieser jedenfalls ist gut und gut verhandelt. Ich danke. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Christian Haase das Wort. ({0})

Christian Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004286, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will einsteigen mit dem Dank an die Mitarbeiter, die uns seitens des Haushaltsausschusses während der Haushaltsberatungen begleitet haben, den Mitarbeitern in unseren Büros, die uns in der Vorbereitung viel Arbeit abgenommen haben, und natürlich den AG‑Mitarbeitern aus unserer Fraktion. Der Dank gilt natürlich auch allen Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuss, insbesondere unserem Vorsitzenden Helge Braun. ({0}) Ich möchte in dieser Schlussrunde nicht mit einzelnen Anträgen rumwedeln, und es geht mir auch ausdrücklich nicht um die aktuelle Krisenhilfe. Ich möchte, dass wir zum Schluss noch einmal über die großen Linien diskutieren; denn ich glaube, in unserem Land läuft etwas schief. Die fetten Jahre sind vorbei. Dem mögen die meisten in diesem Haus noch zustimmen. Aber welche Konsequenzen ziehen wir denn daraus? Der Kanzler redet von „Führung“ und „Zeitenwende“, aber diese Regierung führt Deutschland nicht als Anführer aufs Feld. Da trägt niemand eine Kapitänsbinde. Wenn diese Regierung etwas trägt, meine Damen und Herren, dann ist es eine Augenbinde. ({1}) Das Momentum im Frühjahr, dieses Land in eine neue Zeit zu führen, wurde verpennt – so hat es Friedrich Merz in der Generaldebatte richtigerweise kritisiert. Unser Land muss die Augenbinde endlich ablegen und aus dem Dornröschenschlaf erwachen. Es treibt mich um – ganz persönlich –, dass wir Deutschen eine Vollkaskomentalität entwickelt haben. ({2}) Die Sozialstaatsquote hat sich seit den Wirtschaftswunderzeiten fast verdoppelt. Zwei Drittel der Deutschen antworten auf die Frage, wer die Kosten der hohen Inflation tragen soll: der Staat. ({3}) Diese Anspruchshaltung erleben wir nicht nur bei Verbrauchern, sondern mittlerweile auch bei Unternehmen. Immer mehr Zuwendungsempfänger hängen vom Geld des Bundes ab. ({4}) Sind Eigenverantwortung und Selbsthilfe ein Relikt aus vergangenen Zeiten? Soll sich der Staat denn um alles kümmern müssen? Wenn der Staat uns auch noch das Denken abnimmt, dann nenne ich das Sozialismus und nicht mehr soziale Marktwirtschaft. ({5}) Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Mentalität ist uns nicht angeboren. Sie ist das Ergebnis einer langen wirtschaftlichen Erfolgsphase und der Illusion, der Staat löse Krisen und Herausforderungen zum Nulltarif. Das sage ich auch ein Stück weit mit Selbstkritik an meiner Partei. Was beim Aufbau Ost und der Finanzkrise 2009 noch gelungen ist, ist bei der Energiewende gründlich gescheitert. Trittins Kugel Eis ist leider längst in der Sonne geschmolzen. Die Ampel heizt diese Entwicklung weiter an, anstatt sie zu stoppen. „You will never walk alone“ und Doppel-Wumms sind das Motto. Das Bürgergeld signalisiert allein sprachlich, dass man sich ums Geld erst einmal keine Sorgen machen muss. Der ÖPNV soll möglichst kostenlos werden, ({6}) und im Energieministerium erleben wir Planwirtschaft. SPD und Grüne reiten voran, und für die FDP bleibt leider nur die Rolle des Steigbügelhalters. Olaf Gersemann schreibt dazu in einem Artikel in der „Welt“ – ich zitiere –: Noch gravierender aber ist wohl die fiskalische Omnipotenz-Illusion, die die Ampelkoalition eifrig blank poliert. Wem ein „Never alone“, ein „Unterhaken“ versprochen wird, der geht im Zweifel gar nicht erst selbst los. Die Erwartung des Vollkasko-Schutzes in Katastrophenfällen aller Art kann nicht anders als lähmend wirken. Diese Lähmung gilt in zweierlei Hinsicht. Zunächst lähmt dieses Vorgehen die Innovations- und Leistungsbereitschaft in unserer Gesellschaft. Die Folgen der deutschen Einheit und der Finanzkrise haben wir nur dadurch überwunden, weil Wirtschaftswachstum und fast Vollbeschäftigung die nötigen Steuern eingebracht haben. Die zweite Gefahr sind die sich anhäufenden Schuldenberge. Nicht umsonst heißt es: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. – Dabei sind wir schon jetzt ein Hochsteuerland. Meine Damen und Herren, die Leute, die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, sind da viel weiter, als wir glauben. Sie spüren, dass wir hier überziehen. Sie machen sich Sorgen, wer denn die Schulden alle bezahlen soll. Sie wollen keinen Staat, der alles bestimmt. Sie spüren, dass es wieder Zeiten gibt, in denen wir uns alle anstrengen müssen – alle, wirklich alle in diesem Land. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, appelliere ich an Sie: Wecken Sie die Wachstumskräfte in diesem Land, anstatt sie ständig mit Vollkaskoideen, mit neuer Bürokratie und Steuervisionen zu verhindern! Hören Sie an dieser Stelle öfter einmal auf Ihren Finanzminister! Lassen Sie Forschung und Gründergeist zu, anstatt Ergebnisse politisch vorzugeben! Stärken Sie auf europäischer Ebene und in Deutschland die Schuldenbremse, anstatt dauernd zu überlegen, wie man sie umgehen kann! Deutschland kann mehr, man muss es nur wollen. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Andreas Schwarz das Wort. ({0})

Andreas Schwarz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004407, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fragt man hier in den Raum: „Was ist das Wichtigste an deiner Arbeit hier?“, dann, glaube ich, sollte die Antwort nicht schwer sein: Das Wichtigste ist, zum Wohle der Menschen in diesem Land beitragen zu können. Denn frei nach Helmut Schmidt: Politik ist nicht nur Denksport, sondern Politik ist auch Handeln. Und sehr oft musste diese Koalition in diesem Jahr entscheiden und handeln. Das hatte sich Olaf Scholz bestimmt auch anders vorgestellt, als ihm der Bundestag vor knapp einem Jahr die Kapitänsbinde angelegt hat. ({0}) Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ich persönlich gehe gerne mit meiner kleinen Tochter einkaufen. Schauen wir doch einmal gemeinsam ins Land und vor allen Dingen in die Regale! Die Preise im Supermarkt, an den Tankstellen und im Einzelhandel sind auf einem sehr hohen Niveau. ({1}) Die Energiekosten sind nach wie vor beängstigend. Das sind Kosten, meine Damen und Herren, die viele Menschen in unserem Land nur schwerlich gestemmt bekommen. Das macht mir Sorge. Diese Sorge muss aber auch Ansporn sein, den betroffenen Menschen und vor allen Dingen auch unseren Unternehmen umfassend zu helfen, um die schwersten Belastungen in dieser außergewöhnlichen Zeit abzufedern. Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Gesellschaft müssen zusammengehalten und stabilisiert werden. Genau das tut diese Koalition gerade jetzt, in dieser Zeit. Nicht nur, dass wir heute einen Haushalt verabschieden, der für soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und Freiheit in der Zeitenwende steht, dieser Haushalt lässt auch viel Luft für Unterstützungsleistungen, die auch nächstes Jahr unumgänglich sein werden. Meine Damen und Herren, der Bundeshaushalt 2023 einmal im Schnelldurchlauf: 18 Stunden Schlussberatung – das haben wir mitbekommen –; über 1 000 Anträge wurden in der Sitzung gestellt. Danke schön an das Ausschusssekretariat, an alle, die da mitgeholfen und mitgearbeitet haben! ({2}) 476 Milliarden Euro Gesamtvolumen, noch einmal 31 Milliarden Euro mehr als im Regierungsentwurf. Die Schuldenbremse wurde eingehalten. Und – was uns wichtig war –: Es gibt eine klare parlamentarische Handschrift in diesem Bundeshaushalt und auch klare Prioritäten. Ich verrate hier keine Geheimnisse, wenn ich sage: Dieser Bundeshaushalt entlastet die Bürgerinnen und Bürger. Mit diesem Bundeshaushalt übernehmen wir internationale Verantwortung, die auch von uns eingefordert wird. Wir treiben den Klimaschutz voran, und wir nehmen Rekordinvestitionen von über 71 Milliarden Euro vor. Damit zeigen wir den Menschen Zukunft und Perspektive auf. Unsere Zeit braucht einen starken und leistungsfähigen Staat. Zuverlässigkeit und Fortschritt sind die Voraussetzungen, um Fortschritte auch in der Zukunft zu garantieren. Deswegen investieren wir in Bildung, Digitalisierung, Klimaschutz, innovative Technologien, massiv in die Schiene, in Transformation, aber auch in den Sozialstaat. Liebe Bürgerinnen und Bürger, umfassende Entlastungspakete im Wert von 300 Milliarden Euro wurden und werden auf den Weg gebracht. Überdies gibt es die Einführung des Bürgergeldes, Heizkostenhilfen, eine Wohngeldreform, das 49‑Euro-Ticket, 250 Euro Kindergeld – ein Rekord, was hier geleistet wurde. Weiterhin profitieren 48 Millionen Menschen davon, dass wir Anpassungen im Steuertarif vorgenommen haben. Nicht vergessen möchte ich aber auch die Investitionen in unsere Sicherheit: über 58 Milliarden Euro für unsere Parlamentsarmee, um Landes- und Bündnisverpflichtungen gerecht zu werden und für unsere Bürgerinnen und Bürger Freiheit und Demokratie gewährleisten zu können. Die eigentliche Herausforderung – da gebe ich unserem Finanzminister ausdrücklich recht – und das Zauberwort heißt „Umsetzung“. Da sind vor allen Dingen die Ministerien, die Behörden und die ausführenden Organe gefordert. Machen wir uns nichts vor: Wir werden da auch umdenken müssen, um schneller zu werden. Deutschland – das ist die klare Botschaft – ist finanziell stark. Dieses Land ist kreativ, und wir sind innovativ. Nutzen wir diese Kraft, die in diesem Land schlummert, und organisieren wir den Zusammenhalt in der Zeitenwende! Dieser Haushalt erfüllt die Zeitenwende mit Leben, und er macht vor allen Dingen eines: Freude auf die Zukunft. Ich komme aus Franken, und das höchste Lob, das ich da dem Finanzminister geben kann, ist ein fränkisches „Passt scho!“. Oder, wenn man es mit den Worten von Helmut Schmidt ausdrücken möchte: Dieser Haushalt hat Mut zur Zukunft. Abschließend: Olaf Scholz trägt die Kapitänsbinde für unsere Regierungsmannschaft zu Recht. Herzlichen Dank. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Sven-Christian Kindler das Wort. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich am Anfang ganz herzlich beim Ausschussvorsitzenden bedanken, der mit trockenem Humor und auch mit Schnelligkeit durch die Sitzung geführt hat. An ihm lag es nicht, dass wir 18 Stunden gebraucht haben, ({0}) sondern es lag an den sehr vielen Anträgen von Opposition und Koalition. Alleine 526 Anträge haben wir in diesem Haushaltsverfahren als Koalitionsfraktionen gestellt, insgesamt 420 haben wir in der Bereinigung gestellt. Ich möchte mich noch einmal bei den Teams der Fraktionen bedanken, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, insbesondere auch beim Ausschusssekretariat, das hier ganz hinten auf der Bundesratsbank sitzt. Wir werden in diesem Bundeshaushalt auch den Bundesländern einen großen zweistelligen Milliardenbetrag bereitstellen. Mich wundert es, dass niemand aus den Ländern auf der Bundesratsbank sitzt, aber ich freue mich umso mehr, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschusssekretariats dort zu sehen. Vielen Dank für Ihre Arbeit! ({1}) Ich möchte mich ganz herzlich auch noch mal bei den Koalitionsarbeitsgruppen von SPD, FDP und Grünen zum Haushalt bedanken, insbesondere bei meinen Sprecherkollegen Otto Fricke und Dennis Rohde, der leider krankheitsbedingt in Ammerland ist. Wir hatten intensive und auch harte Verhandlungen und Diskussionen und haben um die beste Lösung gerungen, aber es war immer sachbezogen und in der Sache menschlich fair und angenehm. Das schätze ich sehr. Vielen Dank! ({2}) Wir kommen mit diesem Bundeshaushalt, den wir in schweren Krisenzeiten aufgestellt haben, zu sehr großen Ergebnissen. Wir lassen in dieser harten Zeit und in dieser Kälte niemanden allein. Das setzen wir mit dem Bundeshaushalt und einer Entlastung von insgesamt 300 Milliarden Euro um. Wir unterstützen Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen, die Industrie, soziale Einrichtungen und Vereine. Wir nehmen unsere große internationale Verantwortung wahr, indem wir insgesamt 2 Milliarden Euro zusätzlich für das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium breitstellen. ({3}) Der Herr Finanzminister hat es angesprochen: Wenn man die finanziellen Transaktionen aus dem Bundeshaushalt rausrechnet, was man als ehrlicher Haushälter machen muss, dann sieht man, dass wir 50 Milliarden Euro an Investitionen im Kernhaushalt haben. Im Sondervermögen „Digitale lnfrastruktur“ und im Klima- und Transformationsfonds finden sich zusätzlich insgesamt 30 Milliarden Euro an Investitionen. Wir investieren also 80 Milliarden Euro in den Klimaschutz, die Transformation, die Digitalisierung, die Energieeffizienz und die Infrastruktur. Wir investieren mit diesem Haushalt entschlossen gegen diese Krisen. ({4}) Das ist der Haushalt der Regierung und der Koalitionsfraktionen. Damit bin ich bei der Rolle der Opposition. Um es freundlich zu sagen: Die Opposition ist in diesem Haushaltsverfahren deutlich unter ihren Möglichkeiten geblieben. ({5}) Es haben schon mehrere Rednerinnen und Redner angedeutet. Wir haben eine sehr interessante Haushaltswoche erlebt, in der viele Rednerinnen und Redner der CDU/CSU immer mehr gefordert haben: mehr Ausgaben hier, dort erhöhen, hier mehr ausgeben, dort zu wenig. Gleichzeitig gab es in den allermeisten Fällen keine Gegenfinanzierung, ({6}) und heute haben wir von Herrn Müller und von anderen wieder gehört, dass wir viel zu viele Schulden machen würden. Ehrlich gesagt: Das ist nicht logisch und nicht konsistent, liebe Union. ({7}) Wenn wir schon beim Thema Rekordschulden sind, dann will ich festhalten: Die höchste Schuldenermächtigung im Bundeshaushalt mit 600 Milliarden Euro gab es 2020 für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds, und das war unter der Regierung von Angela Merkel. Das ist die Wahrheit. ({8}) Zur Wahrheit gehört auch: Grüne und FDP hätten es sich damals in der Opposition, 2020, auch leicht machen und sagen können: Wir sind in der Opposition, wir machen diese Rekordschulden nicht mit, und wir polemisieren dagegen. Haben wir das gemacht? Haben das Grüne und FDP gemacht? – Nein. Wir haben dafürgestimmt. ({9}) Und warum haben wir das gemacht? – Weil wir in einer schweren Krise, in der schweren Pandemie, nicht billige Oppositionspolitik machen wollten, sondern zu unserer staatspolitischen Verantwortung gestanden haben. Das ist die Wahrheit. ({10}) Ganz anders handeln jetzt CDU und CSU nach Angela Merkel in der Opposition. In der CDU hat jetzt Friedrich Merz die Kapitänsbinde übernommen, und er versucht sich im Populismus – je nachdem, woher gerade der Wind weht. Sie haben lautstark Energiehilfen gefordert. Gleichzeitig haben Sie die Finanzierung der 200 Milliarden Euro für die Strom- und Gaspreisbremse abgelehnt. Und Sie haben uns nicht verraten, welche andere, alternative Finanzierung Sie wollen. ({11}) Was wollen Sie? Eine gerechte Steuererhöhung? Wollen Sie bei der Rente kürzen? ({12}) Wir wissen es nicht. Sie haben uns nicht verraten, was Sie machen wollen. Ehrlich gesagt: So geht es nicht. Wenn es nach der Union gegangen wäre, hätten wir keine Finanzierung für die großen Energiehilfen, die die Menschen jetzt brauchen, würden wir die hohen Strom- und Gaspreise um keinen Cent senken. Wir sind der Union im Verfahren nicht gefolgt, und es ist richtig, dass Sie in der Opposition sind. ({13}) Wir haben diesen Haushalt in sehr schweren Krisenzeiten aufgestellt, und gleichzeitig versuchen wir mit diesem Haushalt und mit der Politik, die wir machen, jetzt auch Zuversicht zu geben. Und das können wir auch. Russland ist in der Defensive. Aufgrund des schweren Krieges in der Ukraine ist Russland international immer mehr isoliert; das haben wir beim G‑20-Gipfel gesehen. Wir haben in diesem Haushalt 300 Milliarden Euro an Entlastungen, die wir jetzt finanzieren. Die Strom- und Gaspreise sinken wieder.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Kindler.

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir haben in diesem Haushalt Rekordinvestitionen in den Klimaschutz und die Transformation. – Frau Präsidentin, ich weiß, Sie haben die Kapitänsbinde hier im Hohen Haus. Ich komme zum Schluss. ({0}) Wir wollen mit diesem Haushalt bei den anstehenden Krisen Zuversicht und Mut geben. Ich empfehle die Zustimmung zu diesem Haushalt. Vielen Dank. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Yannick Bury für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Yannick Bury (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005035, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Sie wenig überraschen: Wir lehnen Ihren Haushalt heute ab, und zwar aus einer ganzen Reihe von Gründen. Sie geben auch mit diesem Haushalt keine überzeugende Antwort, wie Sie der Inflation in diesem Land fiskalpolitisch entgegenwirken wollen. Stattdessen halten Sie die öffentliche Nachfrage weiter hoch, womit Sie die Inflation im Zweifel weitertreiben. Herr Minister, Sie haben von Rekordinvestitionen gesprochen. Sie haben nicht davon gesprochen, dass auch die konsumtiven Ausgaben des Staates bei Ihnen auf einem Rekordniveau liegen. ({0}) Vor allem lehnen wir Ihren Haushalt aber deswegen ab, weil der Bundeshaushalt für 2023 die finanzpolitische Realität in diesem Land nicht widerspiegelt. Herr Minister, Sie sagen, dass Sie nach drei Jahren den Bundeshaushalt in eine Lage der Normalität zurückführen würden und die Schuldenbremse wieder einhalten wollen. Sie haben heute deutlich tiefer gestapelt als in der Vergangenheit – aus meiner Sicht richtigerweise; denn oft verschweigen Sie dabei, dass Sie sich in diesem Jahr 360 Milliarden Euro in Sondervermögen vom Bundestag haben genehmigen lassen, um die Politik für die nächsten Jahre durchzufinanzieren. Vor allem – und das ist viel weitreichender – verschweigen Sie, dass Sie mit diesem Vorgehen, Rücklagen in der Notsituation zu bilden – unter Hinweis auf die Notfallklausel der Schuldenbremse –, die Blaupause dafür geschaffen haben, wie Sie und kommende Finanzminister – und im Übrigen auch die Länder – die Schuldenbremse künftig immer dann umgehen können, wenn Regierungskoalitionen das wollen. ({1}) Dass Sie mit diesem Vorgehen die Blaupause dafür geliefert haben, zeigt sich nicht nur daran, dass Sie dieses Vorgehen dieses Jahr zweimal angewendet haben, sondern auch daran, dass wir, wenn man in das Saarland oder nach Niedersachsen schaut, jetzt auch schon die ersten Bundesländer sehen, die so handeln. Herr Minister, Sie wollen mit diesem Bundeshaushalt den Eindruck erwecken, der Verteidiger der Schuldenbremse zu sein. Tatsächlich steht – Stand heute – zu befürchten, dass Sie damit, dass Sie diese Blaupause erfunden haben, als der Finanzminister in die Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik eingehen werden, der den Weg dafür gebahnt hat, die Schuldenbremse umgehen zu können. ({2}) Herr Minister, Sie haben als liberaler Finanzminister in einem Jahr Amtszeit das geschafft, woran Ihr sozialdemokratischer Vorgänger vier Jahre lang durch den Widerstand der Union gescheitert ist, ({3}) nämlich die Schuldenbremse auszuhöhlen und die Glaubwürdigkeit der Schuldenbremse zu untergraben. Daran ändert auch die Argumentation nichts, dass Sie die Schulden zur Krisenbewältigung vom regulären Haushalt, von den regulären Ausgaben trennen wollen. ({4}) Ich kann durchaus verstehen, dass Sie, um Ihre Koalitionspartner mit ihren Ausgabenwünschen im Zaum halten zu können – SPD und Grüne haben allerlei Ideen, für was die eigentlich für die Krisenbewältigung vorgesehenen Mittel stattdessen ausgegeben werden sollten –, ein entsprechendes Instrument brauchen. ({5}) Sie selber haben das gerade Selbstbindung genannt. Es mag für den einen oder anderen hier überraschend klingen, aber man kann auch ohne eine solche Trennung der beiden Ausgabenarten im regulären Bundeshaushalt Ausgaben transparent darstellen, sparsam mit Steuergeld umgehen und Mehrausgaben und damit weitere Schulden vermeiden. ({6}) Das würde allerdings voraussetzen, Prioritäten zu setzen, und das würde erfordern, dass Sie angesichts der aktuellen Krisen, die Sie richtigerweise ansprechen, kostspielige Projekte Ihres Koalitionsvertrages erst einmal hintanstellen. ({7}) Und um an der Stelle mit einer Legendenbildung aufzuräumen, die auch heute hier wieder oft zu hören war: Wie man priorisieren kann, wie das geht, haben wir Ihnen allein in der Bereinigungssitzung ({8}) mit 370 Änderungsanträgen gezeigt, die Sie allesamt abgelehnt haben. Damit wären 19 Milliarden Euro an Einsparpotenzial generiert worden. ({9}) Herr Minister, ich sehe durchaus, wie Sie, Ihr Haus und auch Ihre Fraktion versuchen, den Bundeshaushalt zusammenzuhalten. Um das zu erreichen, würde es allerdings nötig sein, dass Sie sich als Finanzminister in dieser Regierung die Kapitänsbinde anziehen und sich gegen Ihre Koalitionspartner durchsetzen. Was Sie stattdessen tun, ist, die Glaubwürdigkeit der Schuldenbremse zu unterwandern, um den ohnehin brüchigen Burgfrieden in Ihrer Koalition zu erhalten. ({10}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Gefüge einer Volkswirtschaft ist der Staat kein unabhängiger Dritter, der unbegrenzt Geld schaffen, Geld schöpfen kann, um es unbegrenzt zu verteilen und alles zu kompensieren, was volkswirtschaftlich gerade passiert. Die Aufgabe von Haushaltspolitik ist es stattdessen, einen Teil dessen, was erwirtschaftet worden ist, politisch sinnvoll im Land umzuverteilen. ({11}) Wird die Schuldenbremse umgangen, dann ebnen wir den Weg, Ausgaben dauerhaft mit Schulden zu finanzieren. Das heißt am Ende nichts anderes, als dass wir Geld ausgeben, das nicht erwirtschaftet worden ist und das kommende Generationen erst noch werden erwirtschaften müssen. ({12}) In diesem Zusammenhang ist der Bundeshaushalt, über den wir heute abstimmen, keine Trendwende in der Finanzpolitik der Ampel, ({13}) sondern ein weiteres Puzzleteil im Gesamtgefüge einer Finanz- und Haushaltspolitik, die auf Rekordschulden und eine Unterwanderung der Schuldenbremse abzielt. ({14}) Angesichts dessen, dass Sie den Weg dafür bereitet haben, wie heute und in Zukunft Bund und Länder im Zweifel die Schuldenbremse umgehen können, werde ich, lieber Otto Fricke, nicht mit Shakespeare enden, ({15}) sondern stattdessen mit Goethe. Wenn wir sehen, was manche Länder jetzt beginnen, Herr Minister, dann könnte man sagen: Sie sind gewissermaßen der Zauberlehrling der kreativen Buchführung mit dem Ziel, die Schuldenbremse zu umgehen. Deswegen hoffe ich inständig, dass wir nicht bald von Ihnen und aus Ihren Reihen hören werden: Herr, die Not ist groß! Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los. Vielen Dank. ({16})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Martin Gerster für die SPD-Fraktion. ({0})

Martin Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003758, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir – ich denke, das sollten wir in dieser Debatte einmal festhalten – können froh sein, dass wir es durch das engagierte Handeln des Bundeskanzlers, der Regierungsmannschaft und der Ampel tatsächlich schaffen, ohne fossile Brennstoffe aus Russland durch den Winter zu kommen. ({0}) Es ist gut, dass Olaf Scholz die Kapitänsbinde dieser Bundesregierung trägt. Nicht nur, aber auch finanziell verlangt uns die Krise mit all ihren Auswirkungen viel ab. Die Ampel auf Bundesebene tut alles, dass wir die vielen Herausforderungen bewältigt bekommen. Wir nehmen dafür wirklich viel Geld in die Hand; ich erinnere an das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr; ich denke an die 200 Milliarden Euro für den wirtschaftlichen Abwehrschirm, damit Energierechnungen bezahlbar bleiben, und an drei Entlastungspakete im Umfang von rund 100 Milliarden Euro, damit alle Menschen durch die Krise kommen; ich denke an die milliardenschwere Unterstützung des Bundes für die Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Ländern; ich denke an die Dreiviertelmilliarde, die wir für Integrationskurse zur Verfügung stellen, an die Erhöhung des Kindergelds, an das Wohngeld Plus, an die Energiepreispauschale usw. usf. Ja, wir können es hinkriegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber nur dann, wenn alle politischen Ebenen mit anpacken. Hier, finde ich, kommen wir zu einem ganz entscheidenden Punkt. Denn während wir uns hier auf Bundesebene in der Ampel Arme und Beine ausreißen, macht sich so manche Landesregierung einen schlanken Fuß. ({1}) Lieber Kollege Yannick Bury, damit komme ich zum Beispiel zu Baden-Württemberg: Steuermehreinnahmen in Milliardenhöhe, Haushaltsüberschüsse in Milliardenhöhe. Ja, die Zeiten sind schlecht. Die Kassenlage im Landeshaushalt Baden-Württemberg ist dennoch ausgezeichnet. Aber legt man dort eigene Hilfsprogramme auf, zeigt man eigenes Engagement in der Krise? Weitgehend Fehlanzeige. ({2}) Stattdessen mault man und mosert man in Stuttgart an der Bundesregierung und der Ampel herum und kritisiert, wenn der Bund nicht mehr in vollem Umfang ureigene Landesaufgaben mitfinanziert. Hier müssen wir aufpassen – ich glaube, da sind wir alle gefragt –, dass uns die schon vorhandene Schieflage nicht vollkommen aus dem Ruder läuft; hier sehe ich wirklich uns alle in diesem Haus und die Bundesregierung gefordert. Die Meldungen aus Stuttgart von heute Morgen passen, finde ich, ins Bild. Die Landesregierung Baden-Württemberg will die Bundesgelder zur Unterstützung bei der Unterbringung von Geflüchteten nicht zu 100 Prozent an die Kommunen weiterleiten und lehnt die Aufnahme von gefährdeten Menschen aus Afghanistan über unser Bundesaufnahmeprogramm ab, so die zuständige Landesministerin in einem Schreiben an Nancy Faeser. Ich finde, das ist nicht solidarisch, sondern mindestens unanständig. ({3}) Zum Stellenhaushalt möchte ich auch gerne noch den einen oder anderen Satz sagen. Hierzu hat sich zu Beginn dieser Haushaltswoche im Bundestag der Chef der Unionsfraktion in einer Weise geäußert, die mich doch, gelinde gesagt, etwas irritiert hat. Die Ampel und ihre Minister hätten angesichts der zusätzlich im Bundeshaushalt vorgesehenen Stellen – ich zitiere Friedrich Merz – „jedes Maß verloren“. Da frage ich mich schon: Welche Stellen meint die Unionsfraktion eigentlich? Welche Stellen hält sie denn für verzichtbar? Bei der Bundespolizei schaffen wir 1 000 neue Stellen, ({4}) etwa zum Schutz der Flug- und Seehäfen oder für die Besatzungen der Schiffe auf der Nord- und Ostsee. Wenn dieses Personal für überflüssig gehalten wird, dann, finde ich, sollten Sie das auch ehrlich sagen, beispielsweise in der Bereinigungssitzung oder auch in der Debatte zum Haushalt des Bundesinnenministeriums. Wir von der SPD und in der Ampel jedenfalls halten dieses Personal in dieser Krise für nicht verzichtbar, sondern für absolut richtig. ({5}) 180 Stellen, die das BKA zur Bekämpfung von Organisierter Kriminalität, von Extremismus und für den Kampf gegen Kindesmissbrauch bekommt, das sind Fachleute, die dringend benötigt werden – das ist jedenfalls unsere Meinung –, und keine überflüssigen Stellen. ({6}) Zur Umsetzung der Neuaufstellung des BBK stehen im Haushalt 146 neue Stellen zur Verfügung – wir finden, vollkommen zu Recht –, während der damalige Innenminister Horst Seehofer Ihrem BBK-Chef Armin Schuster damals keine einzige zusätzliche Stelle dafür zugestanden hat. Laut Opposition machen wir fast überall zu wenig. Das notwendige Personal soll aber auch nicht eingestellt werden. Ich finde, das ist angesichts der aktuellen Herausforderungen unseriös und verantwortungslos. ({7}) Letztendlich muss man sagen: Dieser Haushalt ist ein guter Haushalt, auch der Stellenhaushalt passt. Deswegen bitte ich für die SPD-Fraktion und für die Ampel um Zustimmung. Herzlichen Dank. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Elisabeth Kaiser für die SPD-Fraktion. ({0})

Elisabeth Kaiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004771, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind kurz davor, einen Bundeshaushalt in Höhe von mehr als 476 Milliarden Euro zu beschließen. Die Debatten in den vergangenen Tagen haben deutlich gezeigt: Auch in herausfordernden Zeiten packt diese Koalition wichtige Aufgaben an und sorgt gleichzeitig für finanzielle Stabilität. ({0}) Anstatt wie die CDU/CSU – Herr Bury, Herr Haase – das Mantra des Spardiktats und vermeintlicher Generationengerechtigkeit vor sich herzutragen, investieren wir als Ampelkoalition in soziale Gerechtigkeit und gesellschaftlichen Zusammenhalt. ({1}) Die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro, des Kindergelds, des Wohngelds, Heizkostenzuschüsse, Direktzahlungen, Steuererleichterungen, Strom- und Gaspreisbremse, all das sind doch Maßnahmen, die spürbar bei den Menschen ankommen. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wissen wir, dass soziale Sicherheit das Fundament für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt ist. Genau das unterscheidet uns von Ihnen, liebe Union. Beim Bürgergeld haben Sie bewiesen, welches Menschenbild Ihre Politik prägt, und zwar, wenn Sie Menschen ohne Arbeit gegen jene mit geringen Einkommen ausspielen. ({2}) Als Ostdeutsche möchte ich einmal klar sagen: Ich bin sehr froh, dass wir mit dem Bürgergeld Hartz IV endlich überwinden; denn Hartz IV hat gerade im Osten Hunderttausende Menschen in prekäre Beschäftigung gebracht, aus der viele nur schwer oder gar nicht wieder herausgekommen sind, obwohl sie nicht selten eine viel bessere Qualifikation hatten als für die Jobs, in die sie gesteckt wurden. Beim Bürgergeld geht es nicht länger darum, Arbeitsuchende in irgendeine Arbeit zu drängen, sondern darum, sie zielgerichtet dabei zu unterstützen, beruflich neue Wege zu gehen. Das ist für uns auch eine Frage des Respekts. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem zur Abstimmung stehenden Haushalt holen wir nach, was unter der Union liegen geblieben ist, und stellen uns gleichzeitig den drängenden Fragen unserer Zeit. Wir investieren in Klimaschutz, Transformation unserer Wirtschaft, Digitalisierung. Wir erhöhen die Mittel für Forschung und Entwicklung, gerade auch zugunsten der kleinen und mittelständischen Wirtschaft, und wir kümmern uns um eine moderne Verkehrsinfrastruktur. Denn wir wollen unseren Kindern kein marodes Land ohne Perspektiven hinterlassen. Das ist für uns Generationengerechtigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Wenn es um Zukunftsfähigkeit geht, kommen wir an der Frage des Fach- und Arbeitskräftemangels nicht vorbei. Saskia Esken hat ihn im Plenum am Mittwoch sehr bildlich als die „Achillesferse unserer wirtschaftlichen Entwicklung“ bezeichnet. Besonders in Ostdeutschland, in Regionen, die bis heute mit Abwanderung zu kämpfen haben, gefährdet der Mangel an Fach- und Arbeitskräften die wirtschaftliche Entwicklung. Es freut mich deshalb sehr, dass wir neben vielen Maßnahmen der Fachkräftesicherung in diesem Haushalt auch Mittel für den Aufbau der German Professional School in Thüringen bereitstellen, ein innovatives Modellprojekt für die dauerhafte Gewinnung ausländischer Fachkräfte in Deutschland. ({5}) So gehen wir das an. Wir geben Perspektive, haben Mut, machen Mut, und vor allen Dingen begegnen wir den Menschen auf Augenhöhe, mit Respekt und mit Vertrauen. An Vertrauen in die engagierte Zivilgesellschaft fehlt es leider bei der Union; leider auch bei vielen anderen auf der rechten Seite des Plenums. Das musste ich in den Haushaltsgesprächen zu den Demokratieförderprogrammen immer wieder feststellen. Dabei unterstützen wir Engagierte in vielen Vereinen und Verbänden, die sich starkmachen für unsere Demokratie und für Zusammenhalt, egal ob in der Freiwilligen Feuerwehr, in der Gewerkschaftsjugend oder auch im Freundeskreis für Flüchtlinge in Gera. ({6}) Sie alle machen dieses Land auch in Krisenzeiten lebenswert, bunt und vielfältig und stehen gegen die Kräfte auf der rechten Seite des Plenums. Zum Ende bleibt mir nur, kurz Danke zu sagen an die lieben Kolleginnen und Kollegen für die gute Zusammenarbeit im Haushaltsausschuss, an Helge Braun, unseren Ausschussvorsitzenden, und vor allen Dingen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Ausschuss. Mein besonderer Dank geht an Dennis Rohde, der für die SPD-Fraktion die Kapitänsbinde in den Haushaltsverhandlungen trägt, der heute aber leider nicht hier sein kann. Gute Besserung, lieber Dennis! Und nun eine gute Abstimmung zum Bundeshaushalt. Vielen Dank. ({7})

Norbert Kleinwächter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004781, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Der Kollege Kurth hatte mich gefragt, was ich nehme, und mich darum gebeten, weniger davon zu nehmen, nachdem ich ausgeführt hatte, dass sich die Bundesregierung und die Koalition an Schulden gütlich tun, und darum gebeten hatte, sie mögen weniger davon nehmen, weil das den Geist und den Blick auf die Realitäten verklärt. Ich möchte Ihnen gern mein kleines Geheimnis verraten, lieber Herr Kurth. Ich nehme tatsächlich ein kleines bisschen – keine Sorge, es ist kein Gras, das man manchmal im JKH in den Innenhöfen riecht, insbesondere bei Mitarbeitern von Links und Grün –, nämlich Sänger-Öl. Das klärt die Stimme, es verklärt nicht den Geist, es verklärt auch nicht den Blick auf die Realitäten in diesem Land. ({0}) Als Mitchrist kann ich Ihnen die Adventszeit empfehlen. Sie ist auch eine Zeit der Buße. Gehen Sie gern in sich, klären Sie den Blick auf die Realitäten in diesem Land, und stellen Sie fest, dass man sich an Schulden nicht berauschen sollte. ({1}) In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine frohe Adventszeit, eine gute Bußzeit und stets ein gutes Stimmenspray. Haben Sie vielen Dank. ({2})