Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/21/2022

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Mathias Middelberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004110, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ihr Haushalt 2023 verdient – leider, möchte man sagen – deutliche Kritik, vor allem deshalb, weil er nicht ehrlich ist. Sie geben vor, dass Sie im kommenden Jahr 2023 die Schuldenbremse des Grundgesetzes einhalten. Tatsächlich haben Sie, Herr Minister Lindner, seit Amtsantritt eigentlich alle denkbaren Methoden ausgeschöpft, um diese Schuldenbremse des Grundgesetzes zu umgehen. ({0}) Die Einhaltung der Schuldenbremse 2023 betonen, beschwören Sie fast immer wieder, genauso wie die Aussage, keine Steuern zu erhöhen. Das ist das Credo der FDP in dieser Ampel. Tatsächlich machen Sie das Gegenteil. Sie machen Schulden wie kein Finanzminister vor Ihnen, ({1}) und – die Aussage kann man Ihnen nicht ersparen – Sie sind Rekordschuldenmacher. Präziser müsste man sagen: Sie sind Rekordschuldenbevorrater. Der Haushalt im nächsten Jahr, 2023, wird zwar formal ausgeglichen sein, aber nur deshalb, weil Sie sich aus dem Jahr 2021 und in diesem Jahr, 2022, so viel an Schulden auf Vorrat zusammengesammelt haben, ({2}) dass Sie dann hoffen können, dass Sie in den nächsten beiden Jahren damit unter Einhaltung der Schuldenbremse durchkommen. Sie haben per Nachtrag 60 Milliarden Euro Kreditermächtigungen aus 2021 gebunkert, 100 Milliarden Euro für das Sondervermögen und 200 Milliarden Euro für Ihren Doppel-Wumms; Sie nennen das jetzt „Abwehrschirm“. 140 Milliarden Euro machen Sie an neuen Schulden allein im laufenden Jahr. Das sind zusammen insgesamt 500 Milliarden Euro in einem Jahr. Das ist die höchste Neuverschuldung, die es in dieser Republik je gab. ({3}) 1 500 Milliarden Euro betrug die Gesamtverschuldung des Bundes am Ende des vergangenen Jahres. Sie steigern diese jetzt um ein volles Drittel, um 500 Milliarden auf 2 000 Milliarden Euro. Das ist wirklich Rekord. Dramatisch – und das möchte ich besonders hervorheben – ist diese Operation mit dem Doppel-Wumms, die 200 Milliarden für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Sie buchen dieses ganze Geld auf dieses Jahr 2022. Ausgeben wollen Sie die Gelder – und das sagen Sie auch ausdrücklich – aber erst in den Jahren 2023 und 2024 für die Gaspreisbremse und anderes. Jeder, der irgendwie klar denken kann, fragt sich: Wenn die das Geld erst im nächsten und im übernächsten Jahr brauchen, warum nehmen sie die Kredite dann nicht erst im nächsten und im übernächsten Jahr auf? ({4}) – Ja, über Ihre Feinmechanik können wir nachher noch mal reden, Herr Fricke. ({5}) Nein, Sie haben die Buchungsmechanik im Haushaltsrecht geändert, ({6}) und genau das führt dazu, dass Sie die Schuldenbremse umgehen können. Genau diesen Mechanismus haben Sie geschaffen. ({7}) Sie buchen alle diese Gelder auf das Jahr 2022. Kein vernünftiger Mensch würde das so tun. Jeder nimmt die Kredite dann auf, wenn er sie braucht, und bringt sie dann durch den Bundestag, sodass wir die Milliarden hier im Einzelnen überprüfen können. ({8}) So. Sie machen diese ganze Operation nur, um pseudomäßig sagen zu können, dass Sie im nächsten Jahr die Schuldenbremse einhalten. Der Bundesrechnungshof hat es sehr klar und deutlich benannt. Er sagt: Diese „Kreditermächtigung für den WSF“, also den Wirtschaftsstabilisierungsfonds, „kollidiert … mit dem Verfassungsgrundsatz der Jährlichkeit.“ „Eine schuldenregelkonforme Kreditaufnahme“ darf nur „jahresbezogen“ erfolgen; ({9}) Sondervermögen mit eigenen Kreditermächtigungen bergen sonst die Gefahr des Missbrauchs in sich … Eine nicht verfassungskonforme Kreditaufnahme „morgen“ – und genau darum geht es hier – könnte so durch eine bereits auf Vorrat erfolgte Schuldenaufnahme „heute“ umgangen werden. Genau das – sagt der Bundesrechnungshof – soll mit der Kreditaufnahme „auf Vorrat“ durch den WSF jetzt geschehen. Präziser und klarer kann man nicht erläutern, wie Sie die Verfassung hier umgehen. ({10}) Ihr grüner Amtskollege in Baden-Württemberg, Herr Bayaz, hat es sogar auf die ganz einfache Formel gebracht: Der Bundesfinanzminister will die Schuldenbremse auf dem Papier einhalten und hat dafür einen Sondertopf aufgefüllt. Diesen Trick können die Länder nicht anwenden. Das kann man auch nicht klarer und deutlicher sagen. Herr Lindner, die Aussage kann ich Ihnen nicht ersparen: Sie sind der Schuldenbremsenumgehungsminister und – ich wiederhole es noch mal – der Rekordschuldenbevorrater. Ihr Haushalt 2023 verdient aber auch deshalb Kritik, weil Sie keine Vorsorge für die Zukunft treffen. Sie reagieren in Ihrem eigentlichen Haushalt gar nicht auf die Zeitenwende; vielmehr wird alles, was irgendwie mit Zeitenwende zu tun hat, in Sondertöpfen, Sondervermögen und sonst wo geparkt. Ein wirkliches Umstrukturieren, eine Neupriorisierung von Aufgaben findet nicht statt. Am Verteidigungshaushalt kann man das exemplarisch sehen. Der laufende Haushalt müsste eigentlich anwachsen, um das 2‑Prozent-Ziel zu erreichen, auch um das umzusetzen, was wir mit Ihnen gemeinsam im Bundeswehrfinanzierungs- und sondervermögensgesetz beschlossen haben, nämlich dass wir Vorsorge treffen dafür, wenn das Sondervermögen ausgelaufen ist. All das tun Sie nicht. Sie frieren den Haushalt perspektivisch bei 50 Milliarden Euro ein, und wir werden im Zweifel in einem Riesensprung in mehreren Jahren den Haushalt wieder auffüllen müssen, um dann das 2‑Prozent-Ziel einzuhalten und das Erfüllen der NATO-Fähigkeitziele sicherzustellen. Thema Alterssicherung. Die SPD und insbesondere der Bundeskanzler haben damit im Wahlkampf Werbung gemacht, und zwar ganz heftig. Der Bundeskanzler hat sich als Kanzler für sichere Renten plakatiert. Bisher haben Sie im Bereich der Alterssicherung nichts geleistet. Die FDP kommt jetzt mit einem eigentlich guten Vorschlag, nämlich der Aktienrente. ({11}) Wenn man sich aber ansieht, was von diesem Ansatz jetzt übrig geblieben ist, dann wird einem ganz anders. ({12}) Der Kapitalstock soll nicht den Versicherten, sondern der Rentenversicherung zur Verfügung stehen. Die 10 Milliarden Euro sind ein marginaler Betrag; sie werden auch nicht aus Kapital dargestellt, sondern aus Schulden. Das heißt, die Zinsen dafür werden die Rendite weitgehend auffressen. ({13}) Bürokratieabbau haben Sie uns versprochen, und den betonen Sie auch immer wieder als „Fortschrittskoalition“. Sie haben sogar eine pauschale Stelleneinsparung im Haushalt beschlossen. Diese erweckt allerdings nur den Eindruck von Einsparung – das betont auch hier der Rechnungshof zu Recht –; denn Sie streichen nur Stellen, die ohnehin nicht besetzt sind. ({14}) In Wirklichkeit stocken Sie beim Personal reichlich auf. Das können Sie hier auf der Regierungsbank besichtigen: Sie haben eine Rekordzahl an Parlamentarischen Staatssekretären mit 37; Sie haben 42 Regierungsbeauftragte. Wir müssten ja eigentlich demnächst anbauen, damit Ihre Regierung überhaupt noch Platz findet. ({15}) Und Sie haben eine Rekordzahl an Spitzenbeamten eingestellt. Das hat mit Verantwortlichkeit und mit Bürokratieabbau gar nichts zu tun. ({16}) Sie beschreiben sich immer wieder als „Fortschrittskoalition“, die nachhaltig agieren würde. Tatsächlich – und das kann man leider an diesem Haushalt sehen – belasten Sie die jüngere Generation mit immer mehr Schulden und damit auch mit immer mehr Zinsen. Das wird die Handlungsspielräume, gerade der Jüngeren, in Zukunft dramatisch eingrenzen, auch für ein wichtiges Thema wie etwa Klimapolitik. ({17}) Ihr Haushalt ist deshalb eines ganz sicher nicht: Er ist nicht ehrlich, und er ist auch nicht nachhaltig. Herzlichen Dank. ({18})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Christoph Meyer. ({0})

Christoph Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004820, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir beschließen den Haushalt 2023 heute vor einer schwierigen Gesamtlage. Aber wir schlagen mit diesem Haushalt den Weg zurück zu einer stabilitätsorientierten Haushaltspolitik ein. ({0}) Die Wirtschaftslage ist fragil, die Energiekrise ist nicht gelöst, und wir werden in eine Rezession rutschen. Auf diese Herausforderungen reagieren wir angemessen. Der Bundeshaushalt 2023 und der wirtschaftliche Abwehrschirm wirken in Kombination für die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen in unserem Land. ({1}) Blicken wir auf die Zahlen. Wir mussten die Ausgaben noch einmal deutlich erhöhen, und zwar auf 476 Milliarden Euro. Trotz vielfältiger Belastungen bleiben wir aber um 20 Milliarden Euro unter den Ansätzen 2022, und es gelingt, die Investitionen noch einmal um 20 Milliarden auf jetzt 71 Milliarden Euro zu steigern. Wir holen die Versäumnisse der Vorgängerregierung Stück für Stück auf. Das dauert eine Weile. Aber wir haben uns auf den Weg gemacht, meine Damen und Herren. ({2}) Dabei halten wir Wort. Wir entlasten, indem wir den vollständigen Ausgleich der kalten Progression und die größte Kindergelderhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auf den Weg bringen. Insgesamt haben wir im Haushalt 2023 ein Entlastungsvolumen von fast 50 Milliarden Euro. ({3}) Und uns gelingt es, den Einstieg in die Aktienrente zu ermöglichen, um unser Rentensystem abzusichern. ({4}) – Warten Sie es ab! – Dies alles tun wir unter Einhaltung der Schuldenbremse, Herr Middelberg. Das war hart umstritten in der Koalition; aber diese Koalition bekennt sich mit der Einhaltung der Schuldenbremse zu solider Finanzpolitik. Und das als solches ist schon ein Erfolg für sich. Wir zeigen, dass die Schuldenbremse auch in schwierigen Zeiten funktioniert, dass genug Spielraum vorhanden ist. ({5}) Die Einhaltung der Schuldenbremse bleibt damit zentraler Bestandteil für einen handlungsfähigen Staat. Herr Middelberg, ich muss mich ehrlich über Ihre Rede wundern. Sie persönlich haben, seitdem Sie diesem Parlament angehören, der Errichtung von allen Sondervermögen zugestimmt. Wie biegsam muss man eigentlich sein, dass man das anschließend kritisiert? Das zeigt, welche Oppositionspolitik Sie hier wirklich betreiben. ({6}) Die Union hat im Nachtragshaushalt 2020 das Kunststück fertiggebracht, beides zu tun: auf der einen Seite die Schuldenbremse nicht einzuhalten, 60 Milliarden Euro aus dem Kernetat herauszunehmen und auf der anderen Seite 600 Milliarden Euro über ein Sondervermögen ins Schaufenster zu stellen. Sie sind nicht nur keinen Deut besser, wenn Sie das kritisieren; vielmehr haben Sie es schlimmer gemacht. Wir ordnen die Finanzen ({7}) und tun das, was Sie in den letzten Jahren nicht auf den Weg gebracht haben. ({8}) Sie, Herr Middelberg, haben die Stellen angesprochen. ({9}) Auch dazu kann ich Ihnen nur sagen: Die GroKo hat der letzten Legislatur 22 000 Stellen aufwachsen lassen – 22 000 Stellen! Sie hatten nicht die Kraft, einen Minderungsfaktor einzubauen, wie die Ampel jetzt. 3 100 Stellen bauen wir im nächsten Jahr ab, und wir werden in den nächsten Jahren diesen Abbaupfad sicherlich so fortsetzen. ({10}) Zur Gas- und Strompreisbremse und zum Abwehrschirm, die Sie, Herr Middelberg, hier angesprochen haben, kann ich Ihnen nur sagen: Sie haben das abgelehnt. Sie haben in den Haushaltsberatungen aber keinen anderen Finanzierungsvorschlag gemacht, um den Menschen, um den Unternehmen zu helfen. Das wissen Sie vielleicht nicht; das liegt vielleicht auch daran, dass Sie als zuständiger Stellvertreter kein einziges Mal bei den Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages anwesend waren. ({11}) Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir in diesem Etat die Mittel für die Zinskosten noch einmal um 10 Milliarden Euro anpassen mussten. Wir werden jetzt mit einem Betrag von 40 Milliarden Euro im Jahr 2023 planen, ({12}) 36 Milliarden Euro mehr als vor zwei Jahren. Zum Vergleich: Das sind die Etats für Bildung und Forschung und Familie und Jugend zusammen. Diese Summe steht nicht mehr für Zukunftsausgaben zur Verfügung, und an dem Zinsumfeld wird sich absehbar nichts ändern. Deswegen müssen wir deutlich sagen: Die Spielräume für weitere Ausgabenprogramme sind in diesem Haushalt, sind auf Bundesebene nicht mehr gegeben. Dann müssen wir auch sagen, dass der Haushalt 2023 in der Art, wie wir Krisenbekämpfung und Vorsorge betreiben, natürlich noch sehr expansiv ist. Wir haben den Pfad des undisziplinierten Mehrausgebens aus Zeiten der Großen Koalition, wo immer noch einer draufgelegt wurde, verlassen. Den neu eingeschlagenen Weg müssen wir aber in den nächsten Jahren konsequent weitergehen; denn nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt. Das Aufstellungsverfahren für den Haushalt 2024 beginnt im Frühjahr. Wir wollen Wachstumsimpulse setzen, um den Wohlstand in unserer Gesellschaft zu sichern. ({13}) Gleichzeitig werden wir die Staatsausgaben konsolidieren. Diese beiden Prioritäten müssen in den nächsten Jahren zusammengehen. ({14}) Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen allen für die nicht immer einfachen, aber doch sehr konstruktiven Beratungen der letzten Monate danken. Ich glaube, wir alle waren mit dem Ziel unterwegs, die Ausgaben kritisch zu prüfen und zu einem guten Ergebnis zu kommen. Dieses gute Ergebnis liegt Ihnen jetzt vor, und ich freue mich auf die Beratungen in der laufenden Woche. Ich danke Ihnen. ({15})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Peter Boehringer. ({0})

Peter Boehringer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004675, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Die reale Neuverschuldung des Bundes – wir haben es gehört – liegt 2023 bei fast 190 Milliarden Euro. Das ist ein Vielfaches der offiziell von der Regierung behaupteten Zahl von 45 Milliarden Euro. Die in den sogenannten Sondervermögen aufgenommenen Schulden werden formell einfach nicht mitgezählt – ein Trick übrigens, Herr Middelberg, den Sie von der Union mit der GroKo 2021 eingeführt haben. Das ist die Wahrheit. ({0}) Fast 150 Milliarden Euro Neuverschuldung werden so 2023 verschleiert. Die jahresgenau einzuhaltende Schuldenregel des Grundgesetzes wird umgangen. Wir fordern das Haus auf, hiergegen Normenkontrollklage einzureichen. Unser Antrag dazu liegt vor. ({1}) Faktisch agiert der Finanzminister im haushalterischen Notstand – zurückzuführen vor allem auf die dümmste Energiepolitik der Welt. Energie ist das Lebensblut jeder modernen Wirtschaft. Ideologen und Ignoranten aller Regierungsparteien ist es in Jahrzehnten fehlgeleiteter Energiepolitik gelungen, Deutschland an den Rand der Deindustrialisierung zu führen; und das sage ich nicht so leichtfertig. Das wird den Wohlstand breiter Bevölkerungsgruppen drastisch reduzieren. Die volkswirtschaftlichen Kosten dieser ideologischen Energiepolitik sind einfach zu groß. Man kann sie nicht aus Steuermitteln kompensieren. Trotzdem wird genau das mit den Energiepreisdeckeln nun versucht. Die rot-gelb-grün-schwarzen Realitätsverweigerer versuchen, Krisen symptomatisch statt ursächlich zu lösen. ({2}) Wir alle hier bekommen jeden Tag Briefe von existenziell bedrohten und um Hilfe rufenden Menschen, von Unternehmen und Verbänden. Alle brauchen mehr Energie: Strom und Gas. Sonst droht der massenhafte Abzug von Produktionskapazitäten und Arbeitsplätzen. Doch die Ampelregierung beschließt noch nicht einmal die Verlängerung der Kernkraftnutzung. Und was macht die FDP dabei? Offiziell war sie monatelang für die Verlängerung der Kernkraft. Doch statt wenigstens diese Minimalforderung irgendwie durchzusetzen, macht der Finanzminister lupenreine „Basta!“-Politik gegen die offiziellen FDP-Versprechungen, gegen niedrigere Strompreise, gegen die Menschen. Man erklärt zur Verlängerung der Laufzeiten über lächerlich 100 Tage hinaus schlicht: Jetzt ist Ende. – All das zeigt wieder einmal deutlich: Auf ein FDP-Wort ist einfach kein Verlass. ({3}) Und dann spricht der Finanzminister auch noch diesen absurden Satz aus: „Ich übernehme die Verantwortung für jeden Euro Schulden.“ – Ja, toll. Davon kann sich Deutschland etwas kaufen – zumal die Schäden Ihrer Politik, Herr Lindner, noch nachwirken werden, wenn Sie schon lange nicht mehr im Amt sind. Zur Aktienrente – wir haben es ja eben von der FDP ganz stolz gehört –, einem weiteren neuen FDP-Projekt: Eine tolle Idee – man muss es so klar sagen – wäre das gewesen – ({4}) vor 40 Jahren! Aber selbst dann nicht bei der gesetzlichen Rentenversicherung; denn diese hat einfach keinen Kapitalstock, den man irgendwie in Aktien investieren könnte. Also nimmt die Regierung nun einfach mal 10 Milliarden Euro Schulden auf, um sie dann irgendwie in den Aktienmarkt zu stecken, und geht eine riskante Wette ein auf Renditen über die Kreditzinsen hinaus. ({5}) Die Aktienrente deckt sogar unter der Annahme guter Aktien- und Börsenentwicklung noch nicht einmal ein Zweitausendstel der Rentenzahlungsverpflichtungen der nächsten Jahre bei der GRV. Das Ganze ist ein schlechter Witz. Reine Symbolpolitik! ({6}) Zu den Zinskosten: Es sind, wie eben schon gehört, 42 Milliarden Euro. Auch hier gilt: Viele alte Fehlentscheidungen, vor denen die AfD seit Jahren warnt, wirken nun fatal im Haushalt. Jahrelang hatten wir ein Null- und Negativzinsniveau. Jahrelang haben wir als AfD dem Finanzminister Scholz immer wieder vorgebetet: Nutzen Sie dieses historisch niedrige Niveau aus! – Seit 2017 hätte man Nullzinsen, teilweise sogar Negativzinsen für deutsche Neuschulden auf 30 Jahre festschreiben können. Getan hat es der heutige Kanzler nie. Der angerichtete Schaden – nur durch dieses riesige Versäumnis – beträgt künftig mindestens 10 Milliarden Euro pro Jahr. Das ist etwa einmal der deutsche Cum-ex-Schaden für die nächsten 30 Jahre jedes Jahr – falls das für eine Scholz-geführte Regierung so leichter einzuordnen ist. ({7}) Realität werden soll 2023 auch ein hoch gefährliches und gesellschaftsveränderndes Projekt: ein sogenanntes Bürgergeld, das dank der Großzügigkeit der Ampel bedingungslos an die Bedürftigen aus aller Welt gezahlt wird. ({8}) 2023 werden dafür viele Milliarden Euro in den Haushalt eingestellt. Mal sehen, ob es reichen wird. Hinzu kommt noch Kindergeld für Nicht-EU-Ausländer. Man führt hier unglaublich starke Pull-Faktoren für noch mehr Zuwanderung ins deutsche Sozialsystem ein. ({9}) Schon heute ist klar, dass mehr als 40 Prozent dieser Bürgergeldempfänger Ausländer sein werden, Tendenz sehr schnell steigend. ({10}) Für alle Menschen – nicht nur für Ausländer – in niedrigen Lohngruppen nimmt man zugleich auch noch den Anreiz, überhaupt zu arbeiten. Bei einem nur noch geringen Nettolohnabstand zwischen zum Beispiel 2 000-Euro-Verdienern und den neuen Bürgergeldempfängern werden sich immer mehr Menschen gegen jede Arbeit entscheiden, ({11}) was ja übrigens heute schon ein Grund für den Arbeitskräftemangel in ganz vielen anstrengenden Berufen ist. Da den neuen Bürgergeldempfängern auch noch das Wohngeld und die Heizkosten bedingungs- und grenzenlos gezahlt werden, könnte der Status als Bürgergeldner demnächst hoch attraktiv werden, und das wird sich in alle Welt herumsprechen. Das seine horrende Heizrechnung selbst zahlende, noch arbeitende Volk wird dagegen in der Wohnung frieren dürfen. ({12}) Der Regierung ist jedes Verantwortungs- und Gerechtigkeitsgefühl für leistungsbereite Menschen abhandengekommen. Diese zahlen nämlich wie immer für solche sozialistische Ideologie. Herzlichen Dank. ({13})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Achim Post. ({0})

Achim Post (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004378, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß jetzt nicht ganz genau, über welchen Bundeshaushalt welchen Landes mein Vorredner gerade gesprochen hat. Ich spreche über den Bundeshaushalt der stärksten Volkswirtschaft in Europa, ({0}) über den Bundeshaushalt einer lebendigen, weltoffenen und toleranten Demokratie. Und ich spreche über den Bundeshaushalt eines stabilen Landes in der Mitte Europas mit einer stabilen, handlungsfähigen Regierung, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Herr Middelberg, ich darf Sie daran erinnern, dass 79 Tage nach Amtsantritt dieser Bundesregierung Putin einen aggressiven Angriffskrieg gegen die Ukraine vom Zaun gebrochen hat. Ich darf Sie daran erinnern, dass wir nicht nur akute Krisen bekämpfen müssen, sondern auch langfristige, strukturelle wie eine sich immer weiter zuspitzende Klimakrise. Wir haben die industrielle Transformation unserer Volkswirtschaft vor uns. Zusammengenommen: Wir leben in einer sicherheitspolitisch so schwierigen Bedrohungslage wie selten seit 1949. Deshalb ist es angemessen, liebe Kolleginnen und Kollegen, einmal darüber zu reden: Worum geht es eigentlich in diesem Bundeshaushalt? Was ist das Wichtigste? Was sind die drei wichtigsten Punkte? Ich will ein paar nennen: Erstens. Das Wichtigste ist, die Handlungsfähigkeit des Staates in diesen Krisen- und Kriegszeiten zu zeigen. Und diese Bundesregierung und dieses Parlament zeigen diese staatliche Handlungsfähigkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Nun mag man manches zu klein und zu spät finden. Wenn ich in Brüssel oder anderen europäischen Hauptstädten unterwegs bin, dann höre ich dort ganz andere Töne. Vielen unserer Partnerländer ist das zu früh, zu groß, zu mächtig und zu wuchtig. Vielleicht liegt die Wahrheit woanders. Aus meiner Sicht zeigen diese Bundesregierung und diese Koalitionsfraktionen mit den 200 Milliarden Euro für die Gaspreisbremse und die Strompreisbremse, die beide zügig kommen werden, die Handlungsfähigkeit dieses Staates und dieser Bundesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Die drei Entlastungspakete über 95 Milliarden Euro sind alle ausfinanziert. Das ist alles in diesem Bundeshaushalt. Das heißt, es wurde viel geredet, wir haben gehandelt, und wir werden weiter handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Über das „Sondervermögen Bundeswehr“ kann man jetzt natürlich noch mal reden; das kann man alles machen. Wir und die Mehrheit dieses Hauses waren und sind aber der Ansicht, dass dieses Sondervermögen für die Bundeswehr notwendig ist, um die Bundeswehr weiter zu ertüchtigen. ({5}) Genau das ist die richtige Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({6}) Zweiter Punkt. Dieser Bundeshaushalt zeigt, worauf es auch ankommt: auf Zusammenhalt in der Zeitenwende. Mit Blick nach links sage ich: Der größte Einzeletat ist Arbeit und Soziales; ungefähr ein Drittel des gesamten Bundeshaushaltes. Das heißt, diese Bundesregierung setzt eine soziale Politik für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande fort und verstärkt diese, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Wenn ich mal ein Beispiel geben darf: Ein Kindergeld von 250 Euro ab dem ersten Kind ab 1. Januar 2023 ist kein Pappenstiel. Das ist die größte Kindergelderhöhung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({8}) Es geht auch – das ist der dritte Punkt – um Verantwortung für die Zukunft. Die anderen Krisen sind doch nicht weg, nur weil Russland unter Putin in die Ukraine eingefallen ist. Die Klimakrise spitzt sich immer weiter zu. Deshalb ist es richtig, dass wir in diesem Bundeshaushalt – der Kollege Meyer hat darauf hingewiesen – Rekordinvestitionen gegen den Klimawandel, für die soziale Zukunft unseres Landes und für die Transformation unserer Industrie organisieren. Das macht nur diese Bundesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({9}) Eines möchte ich noch sagen – das ist ein ganz wichtiger Punkt; der Kollege Meyer hat es angesprochen –: Das, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Finanzministerium, im Haushaltsausschuss, in den Fraktionen in den letzten Tagen und Wochen geleistet haben, ist à la bonne heure. Ich zöge meinen Hut davor, wenn ich einen hätte. ({10}) Namentlich möchte ich Sven-Christian Kindler und Otto Fricke erwähnen und Dennis Rohde, der leider an Corona erkrankt ist und heute nicht teilnehmen kann. Schöne Grüße nach Oldenburg! Nächstes Mal bist du wieder dabei, Dennis. ({11}) Gerade wurde die Bereinigungssitzung angesprochen. Die Bereinigungssitzung wurde souverän, fair, ruhig geleitet von Helge Braun, dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses. Dafür herzlichen Dank und meinen Respekt! ({12}) Wenn ich in die Zukunft gucke, wenn ich auf das gucke, was wir in dieser Haushaltsdebatte und in den nächsten Wochen und Monaten vor uns haben, dann muss ich eines sagen: Ich bin fest davon überzeugt: Das ist ein Haushalt der pragmatischen Vernunft, das ist ein Haushalt der Zuversicht. Und diese Zuversicht, die sollten wir uns bewahren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die haben wir dringend nötig. Es ist besser, zuversichtlich und selbstbewusst in die Zukunft zu gehen als verzagt und bekümmert und mit runtergezogenen Schultern. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht mein herzlicher Dank an die Bundesregierung und ganz besonders an den Bundesfinanzminister, der einen klugen, einen sehr klugen Haushaltsentwurf vorgelegt hat. Er wurde in den Beratungen noch ein bisschen verbessert. Ich glaube, dagegen haben Sie nichts. Von daher zusammengefasst: Ein guter Haushaltsentwurf, eine kluge Politik der Bundesregierung. Schönen Dank. ({13})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Dr. Gesine Lötzsch. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Unbekannt)

Politiker ID: 11003584

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Krisen sind immer ein Geschenk für Vermögende. In Krisen wird die Umverteilung von unten nach oben beschleunigt. Ich sage der Bundesregierung: Sie müssen diese dreiste Umverteilung endlich stoppen. Alles andere ist ein Skandal, meine Damen und Herren. ({0}) Diese Bundesregierung darf eben nicht Vermögensverwalter der Gasspekulanten, Stromhändler, Waffenhersteller und Immobilienkonzerne sein. Doch Sie weigern sich beharrlich, die Krisengewinne zu besteuern. Selbst die mickrige Zufallsgewinnsteuer steht in den Sternen, und die Stromlobbyisten sorgen dafür, dass diese Steuer auf ein Minimum eingedampft wird. Sie, Herr Bundeskanzler, haben gesagt, wir müssen uns alle unterhaken. Aber Sie dürfen nicht nur die Krisengewinner unterhaken. Das ist nicht sozial gerecht, meine Damen und Herren. ({1}) Es ist doch nicht so, dass das höhere Wohngeld bei den Mieterinnen und Mietern bleibt, sondern das Geld geht zum großen Teil an die Immobilienkonzerne. Deshalb fordern wir, dass es endlich einen bundesweiten Mietendeckel gibt ({2}) und endlich die versprochenen 100 000 Sozialwohnungen im Jahr gebaut werden, meine Damen und Herren. ({3}) Es ist doch nicht so, dass die Gas- und Strompreisbremse die Bürgerinnen und Bürger zuverlässig vor Kälte schützt. Die Bremse macht die Strom- und Gasanbieter noch reicher. Deshalb fordern wir, dass es endlich eine Übergewinnsteuer gibt, meine Damen und Herren. ({4}) Es ist doch nicht so, dass 50 Euro mehr Hartz IV armen Menschen einen vollen Kühlschrank bescheren. Gleichzeitig werden Aldi und Lidl noch reicher. Wir als Linke fordern einen Preisdeckel für Grundnahrungsmittel und 0 Prozent Mehrwertsteuer auf diese Produkte. Das wäre der richtige Weg. ({5}) Meine Damen und Herren, es ist doch nicht so, dass die zusätzlichen 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr und das größte Bundeswehrbudget aller Zeiten in Höhe von 64 Milliarden Euro die Bundeswehr sinnvoll ausstatten und vor allem unser Leben sicherer machen, sondern sie treiben die Aktienkurse der Rüstungsindustrie in den Himmel. Deshalb fordern wir: Endlich mehr Sicherheit durch Diplomatie und Verhandlung statt durch Aufrüstung. – Das wäre der richtige Weg, meine Damen und Herren. ({6}) An dieser Stelle muss ich auch sagen: Wir alle in diesem Saal verurteilen den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine; aber ich erwarte von der Bundesregierung auch, dass sie deutlich den völkerrechtswidrigen Krieg Erdogans gegen die Kurden verurteilt und nicht nur von einer schwierigen Situation spricht. Dieser Krieg muss beendet werden, meine Damen und Herren. ({7}) Sie haben ein 10-Milliarden-Euro-Aktienrentenpaket aus dem Boden gestampft; aber bei der Kindergrundsicherung arbeiten Sie mit angezogener Handbremse. Das ist die falsche Priorität. Bis Freitag haben wir noch die Chance, etwas zu ändern. Herzlichen Dank. ({8})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Sven-Christian Kindler. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es liegen fast drei Monate Haushaltsberatungen im Ausschuss und im Plenum hinter uns. Ich möchte mehrere Punkte ansprechen, die mir aufgefallen sind: Erster Punkt. Wir zeigen als Koalitionsfraktionen mit diesem Bundeshaushalt 2023, wer der Haushaltsgesetzgeber ist, auch gegenüber der von uns getragenen Regierung. Wir haben als Koalition an entscheidenden Stellen Maßgabebeschlüsse verabschiedet, da, wo es notwendig war, auch Sperren eingeführt und mit 526 Änderungsanträgen den Entwurf des Bundeshaushaltsplans für 2023 an entscheidenden Stellen verbessert und auch korrigiert. ({0}) Manche in der Opposition oder in den Medien deuten das falsch; aber das ist die ureigene Rolle des Parlaments gegenüber der Exekutive in der Gewaltenteilung unserer Demokratie. Dieser Aufgabe sind wir als Koalitionsfraktionen nachgekommen, und deswegen trägt dieser Haushalt auch die klare Handschrift des Parlaments. ({1}) Zweiter Punkt. Wir stehen als Koalition zu unserem Wort. Wir haben als Koalition in dieser Krise immer gesagt: Wir lassen die Menschen mit ihren Sorgen, mit ihren Ängsten in diesen schweren Krisenzeiten nicht alleine, sondern wir unterstützen sie, wir unterstützen die vielen Unternehmen, die vielen Vereine. Wir unterstützen die Einrichtungen jetzt angesichts der fossilen Energiekrise, angesichts des brutalen Angriffskriegs Putins. Wir halten unser Wort. Das setzen wir konkret in diesem Haushalt um. ({2}) Wir haben – Achim Post hat es angesprochen – drei Entlastungspakete in Höhe von 95 Milliarden Euro, die wir mit diesem Bundeshaushalt umsetzen, und einen Wirtschaftsstabilisierungsfonds in Höhe von 200 Milliarden Euro. Zusammen macht das rund 300 Milliarden Euro. Damit finanzieren wir die Gaspreisbremse, damit finanzieren wir die Strompreisbremse, den Härtefallfonds, das Bürgergeld, die Wohngeldreform, Hilfen für Rentnerinnen und Rentner, Studierende, Azubis, das höhere Kindergeld, das 49‑Euro-Ticket und vieles, vieles mehr. ({3}) Wir lassen die Menschen in der schweren Krise nicht alleine. Wir sorgen für Stabilität und Sicherheit in diesen Krisenzeiten. ({4}) Ja, das ist ein großes Entlastungspaket. Aber das Paket ist eben auch so groß, weil die Krisen leider so groß sind. Ich will daran erinnern, in welch schwerer Lage wir uns befinden: Wir haben einen brutalen Angriffskrieg mitten in Europa, wir haben eine schwere fossile Energiekrise, und die Klimakatastrophe eskaliert immer mehr. – In der Situation wäre es natürlich eine Möglichkeit angesichts dieser Überforderungen, im Stillstand zu verharren oder die Probleme zu ignorieren. Aber das haben wir nicht gemacht. Wir gehen diese Krisen entschlossen an. Ich will daran erinnern, wo wir gestartet sind. Als diese Regierung angefangen hat, waren die Gasspeicher von Peter Altmaier leer. Jetzt sind sie bei 100 Prozent. Eine gefährliche Gasmangellage wird diesen Winter höchstwahrscheinlich vermieden werden. Wir haben vor dem Sommer das seit 20 Jahren größte Gesetzespaket für erneuerbaren Energien durch den Deutschen Bundestag gebracht, und die Wirtschaftsdaten bessern sich jetzt auch. Es gibt wieder mehr Zuversicht in diesem Land. All das haben wir als Koalition gemacht. Das zeigt: Wir gehen diese Krisen entschlossen an. ({5}) Wir zeigen mit diesem Haushalt auch, dass wir angesichts des russischen Imperialismus die Ukraine weiter unterstützen. Wir unterstützen sie humanitär. Wir unterstützen sie diplomatisch. Wir unterstützen sie durch die Aufnahme der Geflüchteten in Deutschland. Wir unterstützen sie mit Wirtschaftshilfen. Wir unterstützen sie auch militärisch, und wir werden das weiterhin tun. ({6}) Wir gucken – anders als manche Nationalisten hier im Haus – nicht nur auf das Nationale, sondern wir wissen, dass wir in einer vernetzten Welt gemeinsam leben und als große Industrienation, als reiche Industrienation auch eine globale Solidarität zeigen und Verantwortung tragen müssen. Denn der Angriffskrieg Putins löst nicht nur schrecklich unfassbares Leid in der Ukraine aus, sondern er verschärft auch weltweit massiv die Krisen. Deswegen haben wir 2022 noch mal 1 Milliarde Euro für den Kampf gegen Hunger in der Bereinigungssitzung freigegeben. Deswegen werden wir für das Auswärtige Amt und das Entwicklungsministerium jetzt insgesamt 2 Milliarden Euro für den Haushalt 2023 zur Verfügung stellen: für humanitäre Hilfe, für Krisenprävention, für das Menschenrecht auf Nahrung. Wir sagen als Parlament sehr klar, dass wir einen Schwerpunkt auf internationale Gerechtigkeit legen. ({7}) Dritter Punkt. Normalerweise gelten die Haushaltsberatungen auch als Stunde der Opposition, wo man die Regierung mit konkreten Alternativen vor sich hertreibt und in Krisenzeiten staatstragend Verantwortung übernimmt in der Gemeinschaft der Demokratinnen und Demokraten. Ich hätte mir das in diesem Haushaltsverfahren auch von der Union gewünscht. Ich hoffe, dass das beim nächsten Haushaltsverfahren anders läuft. Wir haben es leider nicht gesehen. Ich will meine Kritik konkret machen. Am 21. Oktober dieses Jahres haben wir hier im Deutschen Bundestag die Finanzierung in Höhe von 200 Milliarden Euro für den Wirtschaftsstabilisierungsfonds beschlossen, und die Union hat dagegengestimmt. Sie haben gesagt, Sie wollen keine Finanzierung über das Sondervermögen. Ich hatte erwartet, dass Sie dann im Haushaltsverfahren alternative Finanzierungsvorschläge vorlegen, ({8}) zum Beispiel gerechte Steuererhöhungen, Einsparungen oder eben auch eine Finanzierung über die Notfallregel der Schuldenbremse 2023. Das hatte Herr Middelberg in der Debatte am 21. Oktober angedeutet, ({9}) aber es kam nichts; es kam kein Antrag in der Bereinigungssitzung, gar nichts. ({10}) Herr Middelberg, vielleicht wissen Sie es nicht – Sie waren ja im gesamten Verfahren nie im Haushaltsausschuss –, aber die Union hat keine Änderungsanträge bezüglich der Finanzierung vorgelegt. Ich will die Union als Opposition ernst nehmen. ({11}) Wenn ich die Union ernst nehmen will, dann muss ich Ihr Verhalten verstehen. Sie haben die Finanzierung für die Strom- und Gaspreisbremse abgelehnt. Sie haben keine Vorschläge für eine alternative Finanzierung im Haushaltsverfahren vorgelegt. Ich kann Ihnen sagen: Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit gelten auch für die Opposition. ({12}) Wenn Sie keine konkrete Finanzierung vorlegen, heißt das am Ende: Sie lehnen diese Hilfen ab. Sie wollen keine Energiehilfen für die Menschen und Unternehmen. ({13}) Sie lassen den Bäcker im Regen stehen. Sie lassen mit Ihrer Politik die Menschen in der Kälte allein. Aber das werden wir konkret nicht zulassen. ({14}) – Ich würde sagen, der Treffer hat gesessen. Sie haben im Ausschuss nichts Konkretes vorgelegt, was die Finanzierung gerechtfertigt hätte. Immer nur populistisch zu kritisieren und zu sagen, was wir als Regierung anders machen sollen, aber als Union keine konkreten Änderungsanträge vorzulegen, das geht so nicht. Sie müssen sich schon mal entscheiden, welche Art von Opposition Sie sein wollen: konstruktiv, staatstragend oder nur populistisch. ({15}) Vierter Punkt. Wir stabilisieren nicht nur in den Krisen, sondern denken jetzt auch an morgen. Die Klimakatastrophe eskaliert immer mehr. Deswegen haben wir auch noch mal sehr konkret Energieeffizienz, internationalen und nationalen Klimaschutz in dem Haushaltsentwurf gestärkt. Wir haben zusätzlich 1,5 Milliarden Euro für die Schiene bereitgestellt. Wir haben 700 Millionen Euro für kommunale Investitionen bereitgestellt. Wir haben Rekordinvestitionen in diesem Haushalt. Das zeigt: Wir gehen die Krisen entschlossen an. Wir bauen jetzt sozial-ökologisch für die Zukunft um. Deswegen kann ich nur empfehlen, dem Bundeshaushalt zuzustimmen. Danke. ({16})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Christian Haase. ({0})

Christian Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004286, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal auch von mir Genesungswünsche an Dennis Rohde. Ich hätte ihn gerne heute hier gehabt. Vielleicht schafft er es bis Donnerstag. Bei Corona geht es ja manchmal schnell. Über 45 Milliarden Euro neue Schulden für den Bund – das ist das traurige Ergebnis der Haushaltsberatungen. 45 Milliarden Euro, die unsere Kinder irgendwann mit Zins und Zinseszins zurückzahlen müssen. 45 Milliarden Euro, die unsere Handlungsfähigkeit in der Zukunft einschränken. Dabei waren es im Regierungsentwurf nur 17 Milliarden Euro. Die Ampel hält – das haben wir ja heute schon gehört – zwar die Schuldenbremse ein, aber sie nutzt den Verschuldungsspielraum der Konjunkturkomponente voll aus. Das hätte man jedoch nicht tun müssen. Wir haben Krisen – darauf hat Kollege Kindler gerade noch mal hingewiesen –, bei denen man etwas Geld hätte zurückhalten können. Aber so etwas kommt in der Ampellogik leider nicht vor. Da wird keine Vorsorge betrieben, zum Beispiel für die Sozialversicherung. Diese Kosten schiebt man jetzt an die Beitragszahler ab. Wenn Sie eine Erhöhung Ihrer Beitragszahlungen in der Krankenversicherung bekommen: Das hätten wir anderes regeln können, aber da hat die Ampel andere Prioritäten gesetzt. ({0}) Es geht um eine schuldenfinanzierte Befriedung von Ampelinteressen. Da kriegt Frau Roth 200 Euro Begrüßungsgeld in der Erwachsenenwelt, Herr Heil bekommt sein Bürgergeld, Frau Baerbock 8 Millionen Euro für selbsternannte Seenotretter, Herr Wissing bekommt ein Billigticket für die urbanen Räume, und unser Bundesfinanzminister darf weitere Darlehen aufnehmen, diesmal für eine Aktienrente. Nur eine Dame bekommt leider nichts: Frau Lambrecht. Das ist allerdings auch erst mal richtig so; denn sie hat bisher nicht gezeigt, dass sie in der Lage ist, die zur Verfügung gestellten Mittel auch tatsächlich auszugeben. Das hätten wir uns anders gewünscht. Wir haben gezeigt: Da hätte man ordentlich drauflegen müssen; denn da muss endlich Dampf in die Sache rein. ({1}) Die Koalition handelt also ganz nach dem Motto: Die neuen Schulden brauchen wir ja nicht mehr zurückzuzahlen. Dann sind wir schon lange nicht mehr im Amt. – Im Ampelsprech heißt das dann: Alle drei Koalitionspartner finden sich in diesem Haushalt wieder. ({2}) Dabei verkennt die Ampel, an welchem Kipppunkt unsere Wirtschaft steht, welche Investitionen in Sicherheit erforderlich wären und dass die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen in Gefahr ist. Dabei müsste sie das doch eigentlich wissen. In den Entschließungsanträgen der FDP zum ersten und zweiten Nachtrag 2020 – ich habe sie mir noch mal angesehen – steht: komplette Auflösung der Rücklage. Da steht: Wir fordern einen Tilgungsplan auch für die Schulden im Rahmen der Konjunkturkomponente. – Dabei sollten Privatisierungserlöse von über 2 Milliarden Euro erzielt werden. Da war die Forderung nach einem Wirtschaftsförderungsprogramm. Leider ist davon nichts mehr übrig. Deshalb waren wir gefordert, Vorschläge zu machen. Wir haben das gemacht. Wir haben ein Einsparvolumen von 19 Milliarden Euro ermittelt durch den Abbau von Haushaltsresten, die Auflösung der Rücklage, durch Privatisierungserlöse und eine Umpriorisierung von Förderprogrammen. Leider sind uns die Ampelfraktionen da nicht gefolgt. Dabei wäre doch ein Impuls, ein Neustart in Richtung Wirtschaftsförderung in diesem Land im Augenblick so wichtig, um wieder ein bisschen mehr Zukunftsgläubigkeit und ein bisschen mehr Zutrauen zu erreichen und die Verunsicherung und Lethargie in unserem Land zu mindern. ({3}) Unsere Schwerpunkte waren: Forschung und Erprobung alternativer Antriebstechnologien – bei Ihnen nichts vorhanden –, Weiternutzung stillgelegter Gasförderfelder für Geothermie, Unterstützung von Handwerksbetrieben beim Energieträgerwechsel, Aufbau von Rohstoffpartnerschaften, weitere Investitionen in die Schiene und Steuerentlastungen, damit wir aus der Krise auch wachsen können. Meine Damen und Herren, wir brauchen in Deutschland einen Fachkräftebooster. Wir wollten deshalb mehr Investitionen in betriebliche Ausbildungsstätten, eine Verbesserung der Berufsorientierung, eine Werbeoffensive fürs Handwerk, eine effizientere Gestaltung unserer Jugendberufsagenturen, eine Förderung von Mädchen und Frauen in den MINT-Berufsfeldern, eine Stärkung des Girls’ Days und einen inklusiven Digitalpakt für berufliche Bildung. Bei all dem konnten Sie offensichtlich nicht mitgehen. Wir als CDU und CSU stehen für die Stärkung der äußeren und inneren Sicherheit. Wir müssen den Bundeswehretat aufstocken, damit die laufenden Ausgaben nicht weiter die Investitionen aus diesem Etat verdrängen. Wir wollen die Aufstockung der Notfallreserve beim Getreide. Wir brauchen moderne Geräte und Ausrüstung für Katastrophenschutz und Bundespolizei. Wir wollen das THW stärken. Wir brauchen eine verbesserte Notstromversorgung in unserem Land, genauso wie eine verbesserte Trinkwassernotversorgung. Und wir brauchen ein Investitionsprogramm für die Starkregenvorsorge. All das haben Sie leider nicht mitgemacht. Wir waren für die Anhebung der Pendlerpauschale, und zwar ab dem ersten Kilometer, damit endlich mal wieder Politik für den ländlichen Raum gemacht wird; die ist seit der Übernahme dieser Regierung nicht mehr vorhanden. ({4}) Meine Damen und Herren, Deutschland kann doch mehr. Wir müssen es nur wollen an dieser Stelle. Jetzt will ich auf ein, zwei Punkte eingehen. Erst mal, Kollege Post: Eins wurde noch nicht richtig verstanden. Unsere Hauptkritik ist: Der normale Haushalt wird ganz normal weitergeführt. Es werden die Ampelprojekte durchgeführt, wie sie im Koalitionsvertrag beschrieben wurden. Und alles, was Krise ist, bildet sich jetzt in Sondervermögen ab. ({5}) Damit blendet man ein Stück weit die Realität und Wirtschaftlichkeit aus. Ich kann nicht einfach sagen: „Dafür nehme ich Milliardenschulden auf“; ({6}) ich muss beides miteinander kombinieren, um vernünftig in die Zukunft zu gehen. Der zweite Punkt. Wir müssen auf das Thema Haushaltsvollzug kommen. Die Investitionen werden höher – das ist richtig –, aber die Haushaltsreste steigen noch viel schneller, weil die Ministerien das Geld nicht ausgeben. Man sieht doch die vielen roten Karten, die auch von Ihren Fraktionen, von den Ampelfraktionen, verteilt wurden, wo gesagt wurde: Wir wollen Berichte. Wir sperren hier Mittel, weil wir gar nicht wissen, wofür die Regierung das Geld ausgibt. – Herr Kindler, das war der Grund, warum wir das beim WSF nicht mittragen konnten. Wir wissen bis heute nicht, wie die Bremsen gestaltet sind. Wir wissen nicht, wie die Gewinnabschöpfung, die neue Steuer, ausgestaltet wird. ({7}) Wir konnten Ihnen doch keinen Blankoscheck ausstellen. ({8}) Hier zu behaupten, wir wären nicht für die Hilfen, ist unredlich. Danke schön. ({9})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Bundesregierung der Bundesminister Christian Lindner. ({0})

Christian Lindner (Minister:in)

Politiker ID: 11004097

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten diesen Haushalt in Zeiten größter wirtschaftlicher Unsicherheit. Viele Familien sorgen sich darum, wie sie über die Runden kommen. Viele mittelständische Betriebe, die seit vielen Generationen in Familienhand sind, sorgen sich um ihre eigene wirtschaftliche Existenz. Bei diesen Haushaltsberatungen, bei dieser Debatte, bei einzelnen Beiträgen am heutigen Vormittag habe ich den Eindruck, dass die gesellschaftliche und ökonomische Realität nicht bei jedem angekommen ist. ({0}) Kollege Haase, die beste Form der Wirtschaftsförderung – Sie haben ja von Wirtschaftsförderung gesprochen – ist doch, dass ein Betrieb angesichts der steigenden Gaspreise überhaupt noch produzieren kann. Deshalb ist es richtig, dass die Koalition eine Strom- und eine Gaspreisbremse auf den Weg gebracht hat. ({1}) Hierzu habe ich im Übrigen auch keinen Widerspruch der Opposition gehört, von keinem von Ihnen. Wir stimmen ja offensichtlich darin überein, dass wir die Menschen und die Wirtschaft mit den ruinösen Preisspitzen nicht alleine lassen dürfen. Wir müssen doch unsere wirtschaftliche Stärke mobilisieren, ({2}) um unsere wirtschaftliche Stärke auch für die Zukunft zu erhalten. Deshalb ist es doch auch notwendig, dass wir in enormer Weise fiskalische Stärke projizieren, um einen Abwehrschirm aufzuspannen. Das haben Sie nicht infrage gestellt. Es ist auch richtig, dass Sie es nicht infrage stellen; denn wir müssen in diesen Zeiten dafür sorgen, dass das erhalten bleibt, was wir uns über Jahrzehnte erarbeitet haben. ({3}) Offen bleibt nur – und umstritten zwischen Koalition, Regierung einerseits und der Opposition andererseits – die Frage der Finanzierung. ({4}) Jetzt könnte man auf die Idee kommen: Wir finanzieren das mit Steuererhöhungen. Der Kollege Friedrich Merz hatte das ja ins Gespräch gebracht im Zusammenhang mit der Ertüchtigung der Bundeswehr; ich erinnere mich an diese Debatte. ({5}) – Der Sachverständigenrat hat es ebenfalls angesprochen, konnte aber übrigens auf Nachfrage kein Volumen oder Mittel angeben, sondern das wurde nur abstrakt ins Gespräch gebracht. Ich halte das für falsch. Angesichts der großen Unsicherheit, die wir haben, angesichts der privaten Investitionsbedarfe in saubere Technologien, angesichts der infragegestellten Wettbewerbsfähigkeit, übrigens auch durch den Inflation Reduction Act der Vereinigten Staaten, wäre es ein gefährliches makroökonomisches Experiment, in diesen Zeiten auch noch die Steuern zu erhöhen. ({6}) Deshalb haben wir uns dagegen entschieden. Im Gegenteil: Die Koalition hat breitflächig Entlastungen beschlossen. Dabei handelt es sich um die steuerliche Abzugsfähigkeit beispielsweise der Rentenversicherungsbeiträge, die wir verbessert haben, Verbesserungen bei den Regelungen zum häuslichen Arbeitszimmer, Verbesserungen beim Arbeitnehmerpauschbetrag bereits zu Beginn dieses Jahres, beim Sparerpauschbetrag. Ja, und auch die kalte Progression wird vollständig ausgeglichen. Allein das sind Mindereinnahmen von 18,6 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Wann soll es einen steuerlichen Inflationsausgleich geben, wenn nicht in Zeiten hoher Inflation? ({7}) Und das macht die Koalition. Ich füge hinzu: Wir werden mit Blick auf den Haushalt 2024 auch über weitere steuerliche Maßnahmen sprechen müssen. Wir müssen ja die Konjunktur anschieben, und da ist auch ein sichtbarer steuerlicher Impuls notwendig. Der Bundeskanzler hat bereits bei seiner Regierungserklärung gesagt, er spreche sich für eine Investitionsprämie bzw. Superabschreibung aus. ({8}) Damit wir uns aus dieser Krise im privaten Bereich herausinvestieren können, ist das eine Maßnahme, die 2024 rechtzeitig sein könnte. ({9}) – Na ja, der Haushaltsgesetzgeber wird noch darüber sprechen. Die Bundesregierung wird ihren Haushaltsentwurf 2024 ja erst im nächsten Jahr vorlegen. Deshalb spreche ich hier noch im Konjunktiv als Potentialis. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Koalition hat einen Bundeshaushalt aufgestellt, der die Schuldenbremse achtet. Übrigens ist sie flexibler, als manche denken; denn sie erlaubt im Konjunkturverlauf auch höhere Ausgaben. Innerhalb des Bundeshaushaltes verfolgen wir unsere regulären politischen Vorhaben. Die krisenbedingten Mehrausgaben des Abwehrschirms haben wir im Wirtschaftsstabilisierungsfonds gebunden – übrigens auch deshalb, weil wir nicht wissen, wie sich Strom- und Gaspreise entwickeln. Deshalb brauchen wir jetzt Handlungsmöglichkeiten und auch Flexibilitäten, um in diesem, im nächsten, im übernächsten Jahr regieren zu können. Die CDU/CSU kritisiert, dass wir die regulären Vorhaben der Koalition unter der Schuldenbremse und die Bewältigung der Krisenfolgen voneinander separieren. ({10}) Dieser Kritik stellen wir uns. Es gibt ja auch Argumente, die auf Ihrer Seite sind. Dennoch: Bei der Abwägung von Pros und Cons haben wir uns am Ende für diesen Weg entschieden, weil es der sichtbarste Beleg dafür ist, dass wir zwar die haushaltspolitische Normalität noch nicht erreicht haben, dass es aber der Anspruch dieser Koalition ist, schnellstmöglich zum Prinzip zurückzukehren, dass nur das verteilt werden kann, was zuvor erwirtschaftet worden ist. ({11})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Kay Gottschalk. ({0})

Kay Gottschalk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004731, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kollegen! Liebe Steuerzahler da draußen! Ich muss darauf eingehen, Herr Kollege Lindner: Es ist ja wohl das Minimum, dass die Regierung das versucht zu reparieren, was sie durch ihre gescheiterte Energiepolitik verursacht hat. Aber Sie lindern es nur; man könnte auch sagen: Sie „lindnern“ hier ein bisschen. Sie heben den Schaden doch nicht auf. Das ist Ihre Pflicht, verdammt noch mal, gegenüber den Unternehmern, den Steuerzahlern, die Angst vor der nächsten Stromrechnung haben, das zu tun. ({0}) Eine Korrektur, Herr Lindner: Das Jahr 2022 haben Sie vergessen? Sie sagen, die kalte Progression gleichen Sie aus. Nein, und wenn, nur in Teilen. Da könnten wir in die Debatte gehen. Aber Sie fangen erst zum 1. Januar 2023 an. Meine Damen und Herren, dieses Jahr ist anscheinend nichts teurer geworden? Auch das verschweigen Sie. Es ist eine Ex-post-Entlastung, meine Damen und Herren. ({1}) Sie rühmen sich noch damit, dass Sie die Schuldenbremse in diesem Haushalt einhalten. Das mag nach Ihren juristischen Tricksereien für Sie so funktionieren, auch wenn viele Experten das wirklich anders sehen. Aber ich frage mich ehrlich, ob es in Zeiten von galoppierender Inflation und einer sich anbahnenden Rezession auch richtig und notwendig ist, diese juristischen Spielräume auszunutzen. Ich würde eher sagen: Sie tricksen und balancieren beim Haushalt, wie es Wirecard bei den Bilanzen getan hat. Und das Ende der Wirecard AG kennen wir hier alle, meine Damen und Herren im Parlament. ({2}) Aber vermutlich wollen Sie diese Debatte auch nicht hören. Sie haben ja nicht ohne Grund die Themen „Bundesschuld“ und „Allgemeine Finanzverwaltung“ ohne Debatte für Freitag auf die Tagesordnung gesetzt. Ich erinnere Sie daran, dass Sie diese im März noch bei den hier zu debattierenden Einzelplänen 08 und 20 unter der Überschrift „Allgemeine Finanzdebatte“ beraten haben. Vermutlich wollen Sie eben nicht über die Verdopplung der Kreditaufnahme und die vom Bundesrechnungshof attestierten verdeckten Schulden reden. Meine Damen und Herren, das ist keine Transparenz; das ist Schuldenkoalition live, und so verbauen Sie die Zukunft der vielen jungen Menschen, die ich hier auf den Tribünen sehe. Die Schulden von heute sind eure Steuererhöhungen und die gekürzten Renten von morgen. ({3}) Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Liebe Steuerzahler, wenn Sie nun dachten, dass diese Bundesregierung mit einem von der FDP geführten Finanzministerium in Zeiten, in denen viele Menschen Angst vor den nächsten Rechnungen haben, die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses genutzt hätte, um den Rotstift anzusetzen und Sparmaßnahmen durchzudrücken: Nein, auch da Fehlanzeige. Diese Bundesregierung, meine Damen und Herren, betreibt Raubbau an Ihrer Zukunft. Sie stellt das größte Risiko für die Zukunft dar, und nicht der herbeizitierte und ‑geredete angebliche Klimawandel. ({4}) Machen Sie sich selbst ein Bild; schauen Sie in die Einzelpläne! Ich nehme hier einfach mal den Einzelplan 08: Ausgaben von 9,7 Milliarden Euro. Damit steigen alleine die Ausgaben in diesem Plan in diesem Jahr um rund 10 Prozent. Meine Damen und Herren, auch hier gilt wohl das Motto „Quantität statt Qualität“, und wenn ich mir die Bildungsgänge einiger Abgeordneter dieser Schuldenkoalition angucke, ist das kein Wunder. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: Deutsche Verwaltung explodiert: Ampel-Regierung stampft 10.000 Stellen aus dem Boden. Der Staat – insgesamt, also wir – beschäftigt 300.000 Personen. Kostenpunkt: 40 Milliarden Euro. Diese Ampelregierung hält die Bürger in unserem Land zum Sparen an; gleichzeitig vernichtet aber die Inflation und ihre Ausgabenpolitik die Zukunft dieses Landes. Sie hätten die Zeichen der Zeit erkennen müssen, Herr Lindner und die gesamte Regierung – der Kanzler ist nicht da; auch das war wieder klar –, und alle ideologisch motivierten und überflüssigen Posten streichen sollen. Personalabbau, Effektivität, Effizienzsteigerung der Ministerien und Behörden wären an der Tagesordnung gewesen. Diese Chance haben Sie kläglich verpasst. Der Steuerzahler der Zukunft wird das zahlen müssen. Die Quittung, meine Damen und Herren, werden Sie dieser Schuldenkoalition hoffentlich schon bald bei der Wahl hier in Berlin und auch bei den nächsten Landtagswahlen geben. Wir machen da nicht mit. Vielen Dank. ({5})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Dr. Thorsten Rudolph. ({0})

Dr. Thorsten Rudolph (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005194, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Weltmeister wird nur, wer neben der spielerischen Qualität auch über den nötigen Zusammenhalt verfügt. Nun ist die Aufstellung des Bundeshaushalts 2023 kein Wettbewerb; der nötige Zusammenhalt aber spielte für uns eine entscheidende Rolle. ({0}) In dieser Woche, zur Verabschiedung des Haushalts, können wir selbstbewusst sagen: Dieser Haushalt ist gut für unser Land; denn dieser Haushalt sichert den Zusammenhalt in der Zeitenwende. ({1}) Genau darum geht es, meine Damen und Herren: um Zusammenhalt. Es gibt Kräfte, die das Potenzial haben, uns auseinanderzureißen. Dazu zählt natürlich der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands, dazu zählt natürlich der Klimawandel, und dazu zählen natürlich auch all die unerwünschten Folgen von Coronapandemie und Krieg: hohe Energiekosten, unsichere Lieferketten, hohe Inflation, abnehmendes Wachstum, kleiner werdende finanzielle Spielräume und soziale Härten. Alle diese Krisen besitzen das Potenzial, zu spalten – die internationale Gemeinschaft genauso wie unsere Gesellschaft. Es gibt vermutlich auch kaum jemanden, der sich dieser Gefahr nicht bewusst wäre. Doch anstatt konstruktiv daran mitzuarbeiten, die Gefahren zu mindern, versuchen einige, politisch Kapital aus diesen Krisen zu schlagen, indem sie verschiedene gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausspielen. Leider sitzen einige davon auch in diesem Raum. Das, meine Damen und Herren, ist ein gefährliches Spiel. Lassen Sie es mich deshalb ganz klar sagen: Die Ampelkoalition spielt dieses Spiel nicht mit. Wir setzen auf Zusammenhalt! ({2}) Zusammenhalt in der Zeitenwende, das heißt erstens: Wir sind solidarisch mit denen, die es nötig haben. Wir lassen es nicht zu, dass unser Land, dass unsere Gesellschaft gespalten wird. Deshalb hat diese Koalition drei Entlastungspakete von insgesamt rund 95 Milliarden Euro geschnürt. Deshalb hat diese Koalition zusätzlich einen Abwehrschirm von 200 Milliarden Euro gespannt, um mit der Strom- und Gaspreisbremse die Belastungen durch die hohen Energiekosten abzumildern, um Arbeitsplätze zu sichern und um die Strukturen unserer Wirtschaft zu erhalten. Deshalb entlastet diese Koalition die breite Mitte der Einkommensbezieher mit dem Inflationsausgleichsgesetz spürbar, und deshalb unterstützt diese Koalition vor allem auch mit dem Bürgergeld, mit der Erhöhung des Kindergelds auf 250 Euro und mit dem neuen Wohngeld Plus gerade diejenigen, die inmitten einer der schwersten Krisen seit Bestehen der Bundesrepublik dringend Hilfe nötig haben. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Zusammenhalt in der Zeitenwende, das heißt zweitens: Wir stehen zu unserer internationalen Verantwortung, und wir lassen die Menschen nicht im Stich. Wir sind solidarisch mit unseren europäischen und transatlantischen Partnern, und wir sind solidarisch mit den Ländern des Globalen Südens. Deshalb haben wir noch in diesem Jahr 1 Milliarde Euro für den Kampf gegen den Hunger freigegeben. Deshalb erhöhen wir für das nächste Jahr die Etats von Außen- und Entwicklungshilfeministerium zusätzlich um jeweils 1 Milliarde Euro. Deshalb stärken wir den weltweiten Kampf gegen den Hunger. Deshalb stärken wir die humanitäre Hilfe. Deshalb stärken wir die zivile Krisenprävention. Aber deshalb investieren wir auch in unsere Sicherheit und Freiheit und erfüllen unsere Bündnisverpflichtungen. Deshalb schließen wir jetzt schnell die Fähigkeitslücken unserer Bundeswehr mit der Rekordsumme von erneut über 50 Milliarden Euro im Verteidigungshaushalt, plus zusätzlich erstmals rund 8,4 Milliarden Euro aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen. Meine Damen und Herren, Zusammenhalt in der Zeitenwende, das heißt drittens: Wir sind auch solidarisch mit unseren Kindern und Kindeskindern und stellen die Weichen für eine gute Zukunft. Deshalb investieren wir in die Digitalisierung, in Forschung und Wissenschaft und in die Transformation unserer Wirtschaft. Deshalb stellen wir alleine über den Klima- und Transformationsfonds im nächsten Jahr 35 Milliarden Euro zur Verfügung. Deshalb investieren wir massiv in die Gebäudesanierung, in die Dekarbonisierung unserer Wirtschaft, in den Marktdurchbruch der Wasserstoffwirtschaft, in den Ausbau der Ladeinfrastruktur oder auch in die Digitalisierung der Schiene. Solidarität mit unseren Kindern heißt auch – und das betone ich ausdrücklich –, dass diese Ampelkoalition eine durch und durch seriöse und verantwortungsvolle Finanzpolitik macht. Dazu gehört erstens, dass die krisenbedingten Mittel für die Bundeswehr und die Energiehilfen jeweils gesondert ausgewiesen werden: transparent und mit klarer Zweckbestimmung. ({4}) Dazu gehört zweitens, dass diese Ampelkoalition im Bundeshaushalt 2023 die Schuldenbremse wieder einhält. Die Solidität dieser Koalition beweisen dabei insbesondere zwei der wichtigsten Kennziffern: Zum einen wird die Schuldenquote in den nächsten Jahren trotz aller Entlastungspakete und Abwehrschirme leicht sinken – sinken, meine Damen und Herren! Mit anderen Worten: Deutschland und seine öffentliche Finanzen werden nach der Krise in etwa so dastehen wie vor der Krise; wir unterbrechen lediglich die schnelle Entschuldung der letzten Jahre. Deswegen ist es auch so verwunderlich, dass Sie als Opposition immer nur auf die absoluten Zahlen eingehen und damit ökonomisch nicht mal die halbe Wahrheit erzählen. Es ist vielmehr klar: Christian Lindner setzt hier den verantwortungsvollen finanzpolitischen Kurs von Olaf Scholz fort. Zum anderen – das ist sicherlich genauso bemerkenswert in diesem Zusammenhang – plant der Bund trotz Schuldenbremse im nächsten Jahr mit Rekordinvestitionen in Höhe von 71 Milliarden Euro. 71 Milliarden Euro – das ist eine weltmeisterliche Investitionsquote, meine Damen und Herren. Die für 2023 geplante Neuverschuldung wird gerade nicht verfrühstückt, sondern komplett und vollständig in die Zukunft unseres Landes investiert, damit unsere Kinder es besser haben. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, kurz und gut: Deutschland spielt im kommenden Jahr mit einer starken Abwehr gegen die großen Krisen und mit einem mindestens genauso starken Angriff, um die Zukunft zu gewinnen und um unser Land und die Welt sicherer, gerechter und klimafreundlicher zu machen. Weil wir dabei auf mannschaftliche Geschlossenheit und Zusammenhalt in der Zeitenwende setzen, wird unser Land ganz vorne mitspielen; davon bin ich überzeugt. Herzlichen Dank. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Janine Wissler. ({0})

Janine Wissler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005260, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Inflation verschärft die soziale Spaltung. Sogar Ihr Sachverständigenrat empfiehlt in dieser Situation, zumindest zeitweise die Steuern für Spitzenverdiener und Vermögende zu erhöhen. Und ich sage Ihnen: Wenn Sie schon nicht auf uns, Die Linke, hören, dann hören Sie doch wenigstens auf die Sachverständigen, die Sie selbst benannt haben, und erhöhen Sie in dieser Situation die Steuern für die Reichen in diesem Land! ({0}) Für Menschen mit kleinem Einkommen, die von Armut betroffen sind, tun Sie viel zu wenig mit diesem Haushalt. Die Kindergrundsicherung schieben Sie auf die lange Bank; bei der Aktienrente ging es deutlich schneller. Und beim Bürgergeld erleben wir ein unwürdiges Schmierentheater auf dem Rücken der Betroffenen. Die Ampel legt einen mehr als dürftigen Gesetzentwurf vor, ({1}) der mit der Überwindung von Hartz IV wirklich überhaupt nichts zu tun hat. ({2}) 53 Euro mehr, die Sie den Menschen versprochen haben, haben doch nichts mit Respekt zu tun, meine Damen und Herren! ({3}) Und die mickrigen Verbesserungen bei Schonvermögen, Zwangsumzügen und Sanktionen, von denen die Menschen, die jetzt schon im Hartz-IV-Bezug sind, sowieso nichts haben – das muss man immer wieder sagen –, werden aller Voraussicht nach den Vermittlungsausschuss nicht überleben – dank der Union, mit freundlicher Unterstützung der FDP. Das ist wirklich beschämend, was Sie dort getan haben, meine Damen und Herren. ({4}) Die Union gönnt den Menschen nicht mal die kleinste Verbesserung und versucht, Niedriglöhner gegen Sozialleistungsbezieher auszuspielen. Das ist schäbig. Als ob hart arbeitende Menschen, von denen Sie immer reden, irgendeine Verbesserung dadurch hätten, dass die alleinerziehende Hartz-IV-Bezieherin sanktioniert wird, weil sie einen Termin verpasst hat, oder zwangsweise umziehen muss. Nein, was diese Menschen brauchen, das sind wirksame Tariftreuegesetze und höhere Mindestlöhne. ({5}) Die CDU/DSU war immer dagegen und hat immer dagegengestimmt. Deswegen ist es heuchlerisch, wenn Sie sich als Anwalt der hart arbeitenden Menschen darstellen. Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Das ist ein Wettbewerb der Schäbigkeit auf dem Rücken der Betroffenen, an dem wir uns nicht beteiligen. ({6}) Ihnen sind bei den Superreichen in diesem Land nicht einmal Schonvermögen in Milliardenhöhe hoch genug. Da sollte man ansetzen, bei den Schonvermögen der Superreichen, ({7}) aber doch nicht bei den Altersrücklagen von Menschen im Sozialleistungsbezug. Vielen Dank. ({8})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Dr. Sebastian Schäfer. ({0})

Dr. Sebastian Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005201, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser Land steckt in der wahrscheinlich schwierigsten Situation, seit es 1949 als demokratischer Staat begründet wurde. Die Multidimensionalität der Krisen ist in diesem Hohen Haus immer wieder angesprochen worden. Durch den Überfall Russlands auf die gesamte Ukraine und die wirtschaftlichen Folgen – am deutlichsten sichtbar ist die extreme Preisentwicklung vor allem im Energiebereich – sind wir in noch schwereres Fahrwasser gekommen. Diese Krisen sind alles andere als ausgestanden; sie werden auch nicht schnell vorbeigehen. Wir müssen uns auf eine grundlegend veränderte Normalität einstellen, gesellschaftlich wie politisch. Dennoch will ich heute konstatieren, dass es Anlass für vorsichtigen Optimismus gibt. Es ist dieser Regierung gelungen, die Energieversorgung so sicherzustellen, dass es in diesem Winter aller Voraussicht nach nicht zu einer Gasmangellage kommen wird. Die Industrie konnte im Vergleich zum Vorjahr in den letzten Monaten bei der Produktion zulegen und hat dennoch mehr als 20 Prozent des Gasverbrauchs eingespart. Das ist wirklich bemerkenswert und ein großer Erfolg, der die Stärke unseres Standorts unter Beweis stellt. ({0}) Mit den Mitteln aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds können wir eine solide Brücke bis ins Frühjahr 2024 bauen und Bürgerinnen und Bürger, soziale Einrichtungen und Unternehmen bei den hohen Energiepreisen entlasten und gleichzeitig wichtige Anreize zum Energiesparen setzen. Wir stellen dafür staatliche Mittel in erheblichem Umfang zur Verfügung und müssen dafür 200 Milliarden Euro Verschuldung mehr aufnehmen, und dennoch ist es nicht möglich, alle Belastungen zu kompensieren. Das würde uns als Staat überfordern. Um durch diese Krisen zu kommen, brauchen wir die ganze Gesellschaft. Ich will an dieser Stelle den Sozialpartnern in der Metall- und Elektroindustrie danken. Der Pilotabschluss der IG Metall Baden-Württemberg, der zentral ist für die Leitindustrie in unserem Land, wird breit übernommen. Das betrifft 3,9 Millionen Beschäftigte. Dieser Abschluss ist von großer Verantwortung geprägt. Mit der zweistufigen Entgeltsteigerung erhalten die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben eine ordentliche Lohnsteigerung, die tabellenwirksam ist. Mit der steuer- und abgabefreien Inflationsprämie in Höhe von 3 000 Euro in zwei Tranchen bleibt die Kaufkraft stabil. Durch die lange Laufzeit und die Möglichkeit, Tarifbestandteile zu verschieben oder ausfallen zu lassen, verschafft der Abschluss den Unternehmen gleichzeitig sehr stabile Rahmenbedingungen. Ich darf das „Handelsblatt“ vom gestrigen Tage zitieren: Die im dritten Entlastungspaket der Bundesregierung enthaltene Möglichkeit, Sonderzahlungen ... auszuzahlen, hat erheblichen Druck aus den Tarifkonflikten genommen. Damit verringert sich auch der Inflationsdruck; eine Lohn-Preis-Spirale ist nicht zu erwarten. Das ermöglicht die kluge Politik dieser Ampelregierung, und das ist in diesen Zeiten ein großes Verdienst. ({1})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Gestatten Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung aus der Fraktion Die Linke?

Dr. Sebastian Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005201, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein, danke. – Wir sehen im Oktober einen spektakulären Rückgang der Erzeugerpreise. Das gibt Hoffnung, dass wir den Höhepunkt der Inflation bereits erreicht haben. Auch die Konjunkturaussichten haben sich in den letzten Wochen deutlich verbessert. Aktuell, im Oktober, sehen wir auch wieder deutlich steigende Steuereinnahmen. Insgesamt bleibt die Situation dennoch kompliziert. Wir brauchen nach wie vor die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger, dass sie ihren Energieverbrauch möglichst reduzieren. Wir als Ampel legen nach dem parlamentarischen Verfahren einen hervorragenden Bundeshaushalt 2023 vor; aber wir müssen weiterarbeiten, um künftig zielgenauere Entlastungen umzusetzen. Herzlichen Dank. ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, hat der Abgeordnete Alexander Ulrich das Wort zu einer Kurzintervention.

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Dr. Schäfer, Sie haben eben das Tarifergebnis in der Metall- und Elektroindustrie angesprochen. Ich bin IG-Metaller. Ja, es war ein richtig guter Abschluss; das haben unsere Leute gut hingekriegt. Aber wir haben trotzdem ein Problem, und darauf will ich Sie ansprechen. Es war ja die Bundesregierung, die festgestellt hat, dass man eine zusätzliche Entlastung in Höhe von 3 000 Euro bräuchte. Die Tarifpartner versuchen, das jetzt umzusetzen. Nach der IGBCE gelang dies jetzt der IG Metall, und ich glaube, auch im öffentlichen Dienst werden wir Ähnliches erleben. Aber wir müssen feststellen, dass Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land leider nicht unter eine Tarifbindung fallen, und zwar oftmals nicht deshalb, weil sie nicht Mitglied einer Gewerkschaft sind. Was sagen Sie denn der Bäckereiverkäuferin, was sagen Sie denn der Arzthelferin oder anderen Arbeitnehmern, die schon bei der Coronaprämie leer ausgegangen sind, warum sie auch von diesen 3 000 Euro wahrscheinlich nichts bekommen werden, weil ihre Arbeitgeber das nicht zahlen werden? ({0}) Glauben Sie nicht, es wäre sinnvoll, zu einer Lösung etwa in Form einer Pauschale zu kommen, bei der alle Arbeitnehmer in diesem Land berücksichtigt werden können? Dann müsste die Bundesregierung auch nicht noch weitere Gesetze und Entlastungen auf den Weg bringen. ({1})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Herr Dr. Schäfer, möchten Sie antworten?

Dr. Sebastian Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005201, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Die Bundesregierung und die Koalition haben ja sehr umfängliche Entlastungen für die gesamte Bevölkerung beschlossen, auch für den Teil, der leider nicht in den Genuss einer solchen Inflationsprämie kommt. Wir hatten die Einmalzahlung im September, und wir haben eine große Steuertarifreform mit einer deutlichen Erhöhung des Grundfreibetrages, die jetzt zum 1. Januar 2023 greifen wird; Herr Kollege Meyer hat die Rekorderhöhung des Kindergeldes erwähnt. ({0}) Eine solch umfassende steuerliche Erleichterung hat es in der Geschichte des Landes noch nicht gegeben; ({1}) und die wird bei allen Bürgerinnen und Bürger ankommen. Ich wünsche natürlich möglichst vielen, dass sie auch eine Inflationsprämie erhalten. Da müssen die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Arbeitgebern sprechen. Ich hoffe, dass sie die Chancen, die jetzt da sind, entsprechend nutzen. ({2})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Als nächster Redner erhält das Wort Sebastian Brehm für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Sebastian Brehm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004682, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Frau Präsidentin! Lieber Herr Finanzminister Lindner! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lindner, Sie stellen Ihren Haushalt unter die Überschrift „Weichenstellung für eine höhere Resilienz der öffentlichen Finanzen“. Tatsächlich sind Sie aber mit über 545 Milliarden Euro die Regierung mit der höchsten Schuldenaufnahme innerhalb eines Jahres seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. ({0}) 200 Milliarden Euro Sondervermögen, Doppel-Wumms, Abwehrschirm: Genau definiert ist noch gar nichts. Warum das so lange gedauert hat? Weil Sie erst mit der Gasumlage herumgeeiert haben, um dann festzustellen, dass unser Vorschlag mit der Gaspreisbremse der richtige Vorschlag ist. ({1}) 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr: ({2}) Das ist richtig, aber Sie müssen es auch mit der notwendigen Geschwindigkeit auf die Schiene bringen und dürfen nicht, wie jetzt, einfach warten, abwarten und zögern. Mit einem zumindest aus unserer Sicht nicht verfassungsgemäßen Nachtragshaushalt 2021 kommt es zu 60 Milliarden Euro Neuverschuldung. Wir lassen das gerade durch das Bundesverfassungsgericht prüfen. Wir sehen darüber hinaus 140 Milliarden Euro minus im laufenden Haushalt 2022 und 45,6 Milliarden Euro minus im geplanten Haushalt 2023, ohne dass Sie unter dem Strich Einsparungen vornehmen. Mit Ihrer Politik kommt es zu einer Verzehnfachung der Zinslasten für die kommenden Jahre auf über 40 Milliarden Euro pro Jahr. ({3}) Sie beseitigen damit jeglichen Handlungsspielraum für die künftigen Haushalte: Handlungsspielraum für notwendige Investitionen, Handlungsspielraum für weitere Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger, Handlungsspielraum für die von Ihnen, Herr Kollege Lindner, immer wieder erwähnten und gepriesenen notwendigen Steuersenkungen. Das Gegenteil ist der Fall, nämlich keine Steuerentlastung in 2022, sondern die kalte Progression wird erst ab 2023 ausgeglichen. ({4}) Und weil Sie gerade in Ihrer Rede gesagt haben, Sie seien gegen Steuererhöhungen: Sie planen gerade mit dem Jahressteuergesetz 2022 eine Übergewinnsteuer, ({5}) und Sie erhöhen im selben Gesetz drastisch die Erbschaft- und Schenkungsteuer. ({6}) Also: Sagen Sie die Wahrheit! Die FDP ist die Steuererhöhungspartei in dieser Regierung geworden. ({7}) Sie missbrauchen damit das Vertrauen der Menschen, die Tag für Tag zur Arbeit gehen, fleißig sind, sich etwas ersparen und auch der nächsten Generation etwas weitergeben wollen. Sie haben vorhin gesagt, das müsse erhalten bleiben und auch an die nächste Generation weitergegeben werden. Also hoffe ich auf Sie, dass diese unsägliche Erhöhung der Erbschaft- und Schenkungsteuer aus dem Jahressteuergesetz 2022 noch rausgenommen wird. ({8}) Mit dem Bürgergeld schaffen Sie Leistungsanreize ab. Deutschland verdient motivierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie demotivieren sie Tag für Tag. Das ist respektlos gegenüber den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die früh zur Arbeit gehen und arbeiten. ({9}) Das hat nichts mehr mit der Grundidee der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland zu tun. Nur mit Wachstum und motivierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kommen wir aus der Krise. Sie verhindern mit diesem Bürgergeld Wachstum und senken die Motivation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und deswegen werden wir das nicht unterstützen. ({10}) Und Sie machen die Menschen in unserem Land jeden Tag Stück für Stück ärmer; denn mit Ihren 545 Milliarden Euro Schulden heizen Sie die Inflation erst richtig an. Wir haben die höchsten Steuereinnahmen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland – Tendenz steigend –, und Sie schaffen es nicht, mit den hohen Steuereinnahmen auszukommen und für die notwendigen Finanzierungen zu sorgen. Der Bundesrechnungshof hat ein vernichtendes Urteil über Ihren Haushalt gefällt und davon gesprochen, dass er gegen den verfassungsmäßigen Grundsatz der Jährlichkeit verstößt und dass mit diesem Sondervermögen die Intransparenz erhöht wird. ({11}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese maximale Intransparenz, für die Sie sorgen, führt dazu, dass Sie die Kontrolle über die Staatsfinanzen gänzlich verloren haben. Dieser Eindruck wird auch bestärkt in allen Ausschusssitzungen, wenn wir Fragen stellen. Sie machen hier eine intransparente, bewusst verdeckende Politik. ({12}) Wir brauchen wettbewerbsfähige Unternehmen, und wir erwarten von Ihnen, Herr Lindner, dass Sie endlich die notwendigen Steuerreformen für die Unternehmen auf den Weg bringen. Wir haben im Rahmen der Haushaltsberatungen genug Einsparungsvorschläge gemacht. ({13}) Wir hätten die Neuverschuldung auch drücken können. Sie haben unsere Anträge auf Einsparungen komplett abgelehnt. Deswegen werden wir diesen Haushalt selbstverständlich ablehnen müssen. Herzlichen Dank. ({14})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Noch mal kurz zur Erinnerung: Zwischenrufe, Kommentierungen oder Bemerkungen von der Regierungsbank sind nicht gestattet. Ich bitte, das zu berücksichtigen. ({0}) Jetzt haben wir den nächsten Redner: von der SPD-Fraktion Armand Zorn. ({1})

Armand Zorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005267, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister Christian Lindner, ich kann Sie absolut verstehen. Ich weiß, Zwischenrufe von der Regierungsbank sind hier nicht gestattet, aber es ist tatsächlich schwierig, hier zuzuhören, ohne etwas zuzurufen. – Herr Kollege Brehm, ich schätze Sie sehr, aber Ihre Rede sollten Sie sich im Nachhinein noch mal anschauen. Dann machen wir mal einen Faktencheck, und dann werden Sie feststellen: Sie haben hier heute viele Unwahrheiten erzählt. – Das hätte ich von Ihnen persönlich niemals gedacht, ehrlich gesagt. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir leben zweifelsfrei in einer der schwierigsten Zeiten seit Gründung der Bundesrepublik. Der russische Angriffskrieg und die multiplen Krisen stellen uns alle vor gewaltige Herausforderungen. Viele Menschen sind verunsichert, und das zu Recht. Was sie von der Politik erwarten, ist, dass wir Sicherheit und Zuversicht ausstrahlen. Wir als Ampelkoalition haben ein Versprechen abgegeben, und der Bundeskanzler hat das immer mit dem Satz „You’ll never walk alone“ festgehalten und oft davon gesprochen, dass wir uns unterhaken müssen. Manch einer hat das vielleicht nicht verstanden. Viele Abgeordnete der Unionsfraktion haben das belächelt und kritisiert. Aber was steckt eigentlich hinter diesem Satz? Hinter diesem Satz steckt das Versprechen, dass wir jetzt in der Krise keinen Menschen zurücklassen wollen, dass wir jetzt in der Krise dafür sorgen wollen, dass wir alle mitnehmen und dass wir solidarisch durch die Krise kommen, und dafür steht auch diese Ampelkoalition. ({1}) – Nein, das sind keine Phrasen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Haushaltsdebatte ist auch die Stunde der Wahrheit. Da zeigt sich nämlich, ob sich das, was die Bundesregierung sagt, was die Ampelkoalition sagt, tatsächlich auch im Haushalt wiederfindet. Der Bundeshaushalt 2023 ist sehr gelungen. Uns ist etwas gelungen, was gar nicht so einfach ist, nämlich ein Trilemma aufzulösen: auf der einen Seite für Zusammenhalt und Unterstützung für die Menschen, für die sozialen Einrichtungen, für die Wirtschaft zu sorgen, zeitgleich aber auch in die Transformation und in die Zukunft zu investieren und nicht zuletzt hier auch haushaltspolitisch vernünftig zu handeln. Es war keine einfache Aufgabe, so ein Trilemma aufzulösen. Deswegen gilt mein Dank dem Bundesfinanzminister für den sehr guten Haushaltsentwurf, der parlamentarisch noch weiterentwickelt wurde. Vielen Dank dafür auch noch mal an die Kollegen im Haushaltsausschuss. ({2}) Um auch zu zeigen, dass es keine Phrasen sind: Wir sagen: Wir stärken den Zusammenhalt und sorgen für mehr Gerechtigkeit. Es gibt drei Beispiele, anhand derer recht deutlich wird, wie wir das machen: Erster Punkt. Die Entlastungspakete, die wir beschlossen haben, sind konkret im Haushalt etatisiert worden. Wir haben den Heizkostenzuschuss, die Energiepauschale, das Wohngeld Plus. Viele Maßnahmen, die wir beschlossen haben, finden sich im Haushalt wieder; er ist somit transparent. Der zweite Punkt betrifft die Zufallsgewinne. Wir haben heute Morgen auch darüber gesprochen. Wir haben gesagt, dass es jetzt in der Krise auch wichtig ist, die Zufallsgewinne, die auf dem Strommarkt entstehen, abzuschöpfen. Das ist das, was wir machen werden. ({3}) Es gibt aber auch Zufallsgewinne, die beim Staat entstehen. Aufgrund der hohen Inflation haben wir hohe Steuereinnahmen, und deswegen war es uns als Ampelkoalition sehr wichtig, mit dem Inflationsausgleichgesetz dafür zu sorgen, dass wir den Abbau der kalten Progression weiter vorantreiben und die Mehreinnahmen von 18 Milliarden Euro an die Menschen zurückgeben. ({4}) Das sind spürbare Unterstützungen, die viele Menschen deutlich spüren werden, und dafür steht diese Ampelkoalition. ({5}) Der dritte und letzte Punkt, der auch noch mal zeigt, wie wir hier für mehr Gerechtigkeit und für mehr Zusammenhalt sorgen wollen, betrifft die Bekämpfung von Steuervermeidung und Geldwäsche. Es ist immer sehr schwierig, wenn in einer Gesellschaft bestimmte Menschen ihren Beitrag nicht leisten wollen oder Geldwäsche betreiben, aber insbesondere in Krisenzeiten ist es eine Frage von Gerechtigkeit und Zusammenhalt, dass wir entschieden gegen Geldwäsche und Steuervermeidung vorgehen. Deswegen haben wir den Etat des Zolls erhöht und dafür gesorgt, dass wir jetzt beispielsweise bei der IT-Ausstattung viel progressiver vorgehen können. Deshalb erhöhen wir auch die Anzahl der Stellen beim Zoll und bei der Financial Intelligence Unit. Das ist das, wofür diese Ampelkoalition steht, und das ist unsere Vorstellung von mehr Gerechtigkeit auch in der Steuerpolitik. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Ampelkoalition und die Bundesregierung wissen, in welchen Zeiten wir uns befinden. Das Versprechen, das wir abgegeben haben, gilt. Wir werden jetzt in der Krise die Menschen nicht alleine lassen. ({7}) Wir werden alles Mögliche tun, um die Menschen zu unterstützen, um soziale Einrichtungen zu unterstützen, um die Unternehmen zu unterstützen. Ich würde mir das auch von den verschiedenen Fraktionen hier im Hause wünschen, zumindest von denen, die dazu in der Lage sind. Dazu zähle ich die Fraktion Die Linke und die Unionsfraktion. Arbeiten Sie konstruktiv mit, anstatt hier immer wieder zu polemisieren! Vielen lieben Dank, Frau Präsidentin. ({8})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Ich grüße Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen. Sogleich gebe ich das Wort an den fraktionslosen Abgeordneten Robert Farle weiter. ({0})

Robert Farle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005053

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Inflation im zweistelligen Bereich, schrumpfende Wirtschaft, astronomische Energiekosten mit Pleitewellen und Arbeitsplatzvernichtung, fortlaufende Masseneinwanderung in die Sozialsysteme, inflationsgetriebene Rekordsteuereinnahmen bei gleichzeitiger Rekordneuverschuldung von circa 200 Milliarden Euro, Doppel-Wumms: Und Sie, Herr Finanzminister Lindner, behaupten allen Ernstes, die Schuldenbremse werde eingehalten. Ihr Bundeshaushalt verschleiert doch nur die katastrophale Situation unserer Staatsfinanzen. Wofür geben Sie das Geld aus, das Sie überhaupt nicht haben? Circa 65 Milliarden Euro werden ans Ausland verschenkt. Wenn Sie das nicht glauben, lesen Sie das doch beim Kieler Institut für Weltwirtschaft nach. Seit 2010 haben sich die Zahlungen an die EU von 18 auf 33 Milliarden Euro erhöht. Das ist doppelt so viel wie für Bildung und Forschung. Mehr als 10 Milliarden Euro kostet die Vollversorgung von 600 000 Ukrainern in unserem Land. ({0}) Für das leistungslose Bürgergeld sind 24 Milliarden Euro eingeplant. 200 Milliarden Euro Energiepreisbremse könnte man sparen, wenn die intakte Pipeline von Nord Stream 2 für günstiges russisches Gas geöffnet würde. Weitere 6,5 Milliarden Euro für die Flüssiggasterminals sind dann ebenfalls unnötig. 10 000 neue Mitarbeiter für die Ministerien sollen den Berliner Wasserkopf aufblähen; ({1}) nicht zu vergessen: die 777 Millionen Euro für das exorbitant teure Kanzleramt. Und noch eines: So notwendig die 100 Milliarden Euro für die Ertüchtigung unserer Bundeswehr sind: Wieso wollen Sie Kampfjets und Hubschrauber in den USA einkaufen und keinerlei Kompensationsgeschäfte zur Bedingung machen? Deutsche Unternehmen sollen nicht einmal bei Wartungen, Instandhaltungen berücksichtigt werden. Sie finanzieren damit den Aufschwung in den USA mit enormen Schulden für kommende Generationen, ({2}) enteignen inflationär Deutsche, damit in den USA Wertschöpfung, Innovation und Steuereinnahmen sprudeln. ({3}) Sie zerstören unsere eigene Wirtschaftskraft und unseren Mittelstand – das ist Deindustrialisierung – und ersetzen die Gasabhängigkeit von Russland durch die LNG-Abhängigkeit von teurem Gas aus den USA. Machen Sie Schluss damit, und kümmern Sie sich mal um die deutschen Interessen in Deutschland! Vielen Dank, meine Damen und Herren. ({4})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Es folgt für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Jamila Schäfer. ({0})

Jamila Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005200, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie viele Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss habe ich in den letzten Wochen mit vielen Bürgerinnen und Bürgern und Verbänden über die konkrete Ausgestaltung dieses Bundeshaushalts gesprochen. Und das zeigt, dass die Frage, wie das Geld in diesen Krisen ausgegeben wird, relevanter denn je ist. Der Haushalt wird längst als wichtiges politisches Instrument verstanden. Und dass wir dieses Verständnis gemeinsam geschaffen haben, das können wir als wichtigen Erfolg verbuchen. Doch wir haben in diesen parlamentarischen Haushaltsverhandlungen auch noch was anderes geschafft: Wir haben uns des Regierungsentwurfs mit sehr großem Ehrgeiz angenommen. ({0}) Und gerade in diesen Zeiten, in denen unsere Demokratie von allen Seiten angegriffen wird, macht es mich stolz, dass dieses Parlament in der demokratischen Willensbildung so stark ist und auch klare Entscheidungen trifft. Ich danke allen Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss für die konstruktive Zusammenarbeit. Gemeinsam haben wir den Entwurf der Bundesregierung ein ganzes Stück besser gemacht. ({1}) Mit diesem Bundeshaushalt setzen wir dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und den daraus folgenden humanitären Krisen etwas entgegen: 2 Milliarden Euro gegen Autokraten, 1 Milliarde Euro mehr als vorgesehen für eine wertegeleitete Außenpolitik ({2}) und 1 Milliarde Euro mehr für eine solidarische und gerechte Entwicklungszusammenarbeit. ({3}) – Ja, dass Ihnen das nicht passt, das weiß ich schon. – So schaffen wir Handlungsfähigkeit in globalen Krisen und setzen ein klares Signal gegen Putin, das Mullah-Regime und deren Helfershelfer. ({4}) Wir unterstützen die mutigen Menschen in der Ukraine und im Iran. Und wir sorgen dafür, dass die Ärmsten der Armen nicht die Leidtragenden dieses Krieges sind. ({5}) Wir stehen im Haushaltsausschuss immer wieder vor der Herausforderung, jetzt mit Krisen umzugehen, vor denen eigentlich vor Jahrzehnten schon gewarnt wurde. Und verantwortungsbewusste Politik muss Krisen erkennen und auffangen, bevor sie über uns hereinbrechen. Dass wir diese wirksame Krisenprävention in den letzten Jahren oft nicht hinbekommen haben, daran hat leider auch die Union einen größeren Anteil. Deswegen würde ich Ihnen da auch an manchen Stellen zu etwas mehr Demut raten. ({6}) Man kann ja jetzt hoffen, Sie lernen daraus und machen es heute besser. Aber ein aktuelles Beispiel, das wir gerade schon besprochen haben, zeigt, dass das noch nicht der Fall ist. Mit der Aufladung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds nehmen wir jetzt im Rekordtempo 200 Milliarden Euro Kredite auf. Das ist auch dringend notwendig, um die Menschen und die Unternehmen zu entlasten und um ihnen in diesen unsicheren Zeiten Stabilität zu geben. Das machen wir auch, um die fossile Abhängigkeit abzupuffern, die Sie mit verursacht haben. Doch was machen Sie? Sie lehnen die erneute Aufladung des WSF vollumfänglich ab, und Sie kritisieren die schnellen Hilfen, ohne einen konkreten Gegenvorschlag zu machen. ({7}) Und was sagt uns das? Wenn es darauf ankommt, sind Sie nicht bereit, den vielen Familien, den Alleinerziehenden, dem Mittelstand oder dem Handwerk zu helfen. Wenn es darauf ankommt, dann kommt von Ihnen parteipolitische Kritik, aber keine Konstruktivität in der Krise. Schlecht gespart ist für unsere Wirtschaft nämlich vor allem eins: schlecht. Und deswegen brauchen wir Investitionen in unsere Widerstandsfähigkeit. Die brauchen wir, auch weil Sie die Versäumnisse der Vergangenheit nicht bewältigen konnten. Und deswegen leisten wir sie. ({8}) Was wir jetzt brauchen, ist eine Politik, die die Zukunft im Blick hat, die bei der Eindämmung der bestehenden Krisen keine neuen schafft. ({9}) Ich finde es gut, dass wir mit diesem vorliegenden Haushalt einen wichtigen Schritt in diese Richtung gehen. Vielen herzlichen Dank. ({10})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Nächste Rednerin in dieser Debatte ist Dr. Ingeborg Gräßle für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Ingeborg Gräßle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass nicht nur die Regierung, der Finanzminister, sondern auch die Koalitionsfraktionen überfordert sind, so haben wir ihn, glaube ich, heute Morgen gesehen: Alle sind gleichmäßig überfordert. Die einen flüchten sich, Herr Minister, in die Dampfplauderei, die anderen in die Phrasendrescherei, ({0}) und auch die Weihrauchfassschwenker sind heute wieder unterwegs. Herr Kollege Rudolph, auch ich bin katholisch, aber bitte, ich finde, wir sind es uns hier schuldig, dass wir mit den Dingen doch ernsthaft umgehen. Und von Ihnen kam kein einziger Vorstoß zu der Frage: Was machen wir denn mit diesen Rekordschulden, die Sie zurzeit aufhäufen? ({1}) Wir erwarten Antworten. Herr Bundesfinanzminister, von Ihnen wären Konsolidierungsbemühungen doch angezeigt. Wir müssen diesen Schuldenberg doch zusammen abräumen. ({2}) Wir wollen, dass dieser Schuldenberg abgeräumt wird. Die Leute wollen das auch, weil alle wissen, dass sie diese Schulden ja bezahlen müssen. Die lösen sich ja nicht in Luft auf, ({3}) sondern das sind Steuern von morgen. Das wissen alle. ({4}) Und es wissen auch alle, dass jede Wohltat, die verteilt wird, aus dem Steuersäckel, aus dem bereits Erwirtschafteten kommt. ({5}) So, ich möchte auf den Bundesrechnungshof zurückkommen, dessen Haushalt wir ja auch heute beraten, und möchte mich beim Bundesrechnungshof sehr herzlich bedanken: für die Arbeit, für die Analysen, ohne die wir die Regierung nicht kontrollieren könnten; das muss man wirklich ganz, ganz offen feststellen. ({6}) Das ist ein Umstand, der mich schon beschäftigt, weil das Reporting, die Berichterstattung der Regierung, die Rechenschaftspflicht so ausgelegt werden, dass wir der Regierung, Herr Minister, leider nichts glauben können. Warum haben wir eine Regierung, der wir nichts glauben können? Das ist ein Umstand, der mich wirklich beschäftigt. Und ich halte es für dringend geboten, dass dieses Parlament sich Gedanken darüber macht, wie wir die Informationsbasis verbreitern, damit wir uns selber einen besseren Eindruck verschaffen können über das, was in den Programmen passiert. Wir haben viele Änderungsanträge vorgelegt, die Sie alle abgelehnt haben. ({7}) Der Kollege Haase hat seine ganze Rede damit bestritten, unsere Änderungsanträge vorzustellen. ({8}) Sie wollten diese Änderungsanträge nicht akzeptieren. Warum nicht? ({9}) Es ist Standard in Europa; in der europäischen Verwaltung sind Leistungsbilanzen und Managementbilanzen Standard. Hier kontrollieren wir mit Mitteln der Vergangenheit; das heißt, wir kontrollieren gar nicht. Wir müssen unsere eigene Kontrollbasis verbessern. ({10}) Nur dann würden wir es übrigens auch schaffen, wirklich eine Zeitenwende auch bei den Finanzen hinzukriegen. Die Finanzlage muss Sie doch mindestens genauso umtreiben wie uns, weil Sie so in den kommenden Jahren ja gar nicht weitermachen können. Wer heute im Haushaltsausschuss war – lieber Kollege Kindler, ich war eigentlich immer da, ich bin auch immer da –, der sah ein erschreckendes Zeichen von geballter Ahnungslosigkeit bei der Frage der Ausgestaltung der Gaspreisbremse. Sie bunkern Geld, Sie schichten Schulden auf Schulden, Milliarden um Milliarden, in der Hoffnung, dass es dann irgendwann mal reicht, wenn Sie vielleicht dann doch wissen, wie es gehen kann. Ich bin bestürzt darüber, ganz ehrlich bestürzt, dass Sie da mitmachen, das Weihrauchfass schwenkend oder den Mist parfümierend, den Ihnen die Regierung hinlegt. Das beschäftigt mich sehr, weil ich glaube, dass man es genau so nicht machen kann und auch nicht machen sollte. ({11}) Herr Minister, ich möchte meine verbliebene Redezeit dazu verwenden, Ihnen ein paar Fragen zu stellen. Ich bin schon besorgt, dass es Ihnen nicht gelingt, politische Vorstellungen zu konkretisieren. Hinsichtlich des Haushalts haben Sie uns im Sommerloch mit der Idee eines Bundesfinanzkriminalamtes – das war schön – und dem Hinweis unterhalten, dass sich 300 Behörden um die Bekämpfung der Geldwäsche kümmern. Und jetzt braucht es offensichtlich eine 301. Behörde, die die Dinge dann angeblich aufs richtige Gleis setzt. ({12}) Bis heute ist diese Idee nicht konkretisiert. Wir, auch ich, haben viele Fragen gestellt. Wir wissen immer noch nichts. Wir wissen nicht, wie diese neue Behörde in die vorhandene Landschaft der Bekämpfung von Geldwäsche passt. Wir haben ja neue Behörden am Start, deutsche und europäische Behörden: die Glücksspielbehörde, die AMLA, die EPPO, die europäische Finanzstaatsanwaltschaft. Wir haben das Zollkriminalamt, den Zollfahndungsdienst; wir haben die Financial Intelligence Unit. Also, es wäre schon schön, wenn wir wüssten, was Sie sich so vorstellen, und Sie es uns auch sagen würden, statt die Sache einem Influencer zu überlassen. Die letzte Meinungsäußerung aus dem BMF kam von einem Influencer Anfang November. Wir haben eine Vielzahl von Meldungen zum Thema Geldwäsche. Da gibt es Probleme und wenig Ermittlungen; auch da keine Konkretisierung. Mich beschäftigt das, weil der Eindruck der Führungslosigkeit in diesem Sektor herrscht, zum Schaden der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ihr Bestes geben und in der Öffentlichkeit die Sündenböcke sind. Das haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Bereich nicht verdient. Noch ein Satz zur Digitalisierung der Verwaltung.

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Aber nur noch einen, bitte.

Dr. Ingeborg Gräßle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Auch hier tragen Sie die Verantwortung für die Standardisierung der Rechenzentren. Da gibt es dramatische Rückschritte; da darf jedes Ministerium tun, was es will, und dadurch natürlich höhere Kosten produzieren. Sie haben sogar darauf verzichtet, diese höheren Kosten festzustellen, auch eine der Untätigkeiten und der Fehler aus Ihrem Hause. Es wäre schön, wenn sich das ändern würde, –

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Frau Kollegin, kommen Sie zum Schluss.

Dr. Ingeborg Gräßle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005069, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

– übrigens auch mit unserer Hilfe. Danke schön. ({0})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Letzte Rednerin ist Frauke Heiligenstadt für die SPD-Fraktion. ({0})

Frauke Heiligenstadt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005077, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Gräßle, ehrlich gesagt, bei Ihrer Rede ist nicht ein einziges Mal die Antwort gekommen, wie Sie die ganzen Hilfen für die Menschen und die Unternehmen in unserem Land finanzieren wollen. Ihre Einsparvorschläge reichen noch nicht mal zur Finanzierung des Grundhaushaltes, geschweige denn für die der Sondervermögen. ({0}) So viel zum Thema Transparenz und Ehrlichkeit. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden in dieser Woche den Haushalt des Zusammenhalts beschließen. Haushalt des Zusammenhalts, so nenne ich den jetzt zugrunde liegenden Haushalt, weil wir wirklich viele gute Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag, die den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land zugutekommen, bereits jetzt umgesetzt, mindestens aber auf den Weg gegeben haben. So konnten wir unter anderem folgende Reformen schon anstoßen und in die Umsetzung bringen: die Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro, die größte Wohngeldreform seit 57 Jahren mit dem Wohngeld Plus, die größte Rentenerhöhung seit Jahrzehnten, die im Übrigen auch teilweise über Steuern aus dem Bundeshaushalt finanziert werden muss, ({1}) und eine umfassende Reform des BAföGs. All das sind wichtige Reformen, die diese Ampel bereits umgesetzt hat und die jetzt auch solide finanziert werden. ({2}) Die nächste und größte Sozialreform steht noch bevor. Im Vermittlungsausschuss wird morgen noch verhandelt werden müssen. Aber die Weichen für die Bürgergeldreform sind tatsächlich gestellt worden, und auch die wird natürlich über den Bundeshaushalt entsprechend finanziert. Ich hoffe, dass es tatsächlich eine Einigung geben wird. Wir haben diese umfassenden Sozialreformen auf den Weg bringen können, obwohl diese Bundesregierung kurz nach ihrem Regierungsantritt, rund 80 Tage später, mit der Krise aufgrund des Angriffs von Russland auf die Ukraine konfrontiert wurde und obwohl sie krisenbedingte Aufgaben hatte, zum Beispiel die Energieversorgungssicherheit tatsächlich zu gewährleisten oder die gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten abzufedern. Auch diese, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist die Bundesregierung in zügigem Tempo angegangen und hat Entwürfe auf den Tisch gelegt. Teilweise haben wir das in den letzten Wochen hier im Parlament auch schon beschlossen. Dazu haben wir zum Beispiel mehrere Entlastungspakete für die Bürgerinnen und Bürger, aber auch für die Unternehmen auf den Weg gebracht. Ich nenne aufzählungsmäßig nur ein paar: die Energiepreispauschale, die Erhöhung des Grundfreibetrages, die Verschiebung der Tarifeckwerte bei der Einkommensteuer, die Kindergelderhöhung auf 250 Euro, die Erhöhung der Fernpendlerpauschale, die Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrages, den Heizkostenzuschuss, das 9‑Euro-Ticket, die Erhöhung des Sparer-Pauschbetrages, die Erhöhung der Homeoffice-Pauschale, gleichzeitig auch noch die Erhöhung des Unterhaltshöchstbetrages und des Kinderfreibetrages. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich könnte noch viel, viel mehr allein im Bereich der Einnahmeerwartung dieses Bundeshaushaltes nennen. Das ist soziale Politik, und das ist Politik für den Zusammenhalt in unserem Land. ({3}) Es geht im Übrigen auch gar nicht darum, dass man einzelne Maßnahmen dann tatsächlich umsetzt, sondern es geht immer um Maßnahmen, die tatsächlich die Stärkung des Zusammenhalts, die Stärkung der Solidarität im Sinn haben. Der Starke hilft dem Schwächeren. Die Gemeinschaft, also der Staat, springt dann ein, wenn Gemeinsamkeit gefragt ist. So haben wir zum Beispiel die einkommensschwächeren Haushalte mit zusätzlichen Einmalzahlungen unterstützt. Gleichzeitig werden wir zum Beispiel bei der Energieversorgungssicherheit nur dann erfolgreich sein, wenn jede und jeder Einzelne, jedes Unternehmen, jeder Betrieb, aber auch jeder einzelne Haushalt einen Beitrag zum Energiesparen leistet. Gemeinsam kann man viel mehr erreichen, als die Summe einzelner Beiträge erreichen könnte. Und umgeben von diesen zahlreichen Krisen, bleiben wir fokussiert auf das Wesentliche: Wir stehen mit diesem Haushalt für soziale Gerechtigkeit, für Klimaschutz und für Sicherheit und Stabilität in diesem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({4}) Meiner Fraktion war dann besonders wichtig, dass wir zum Beispiel beim Kindergeld, bei den Ausgaben für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit oder aber auch bei der Unterstützung der hier ankommenden Menschen aus Flucht und Vertreibung tatsächlich noch mal zusätzliche Mittel bereitstellen. Aber auch die breite Mitte der Einkommensbezieher wird über die entsprechende Einkommensteuerreform mit dem Inflationsausgleichsgesetz entlastet. Und ganz wichtig für meine Fraktion sind die zusätzlichen Mittel für die Arbeitsmarktpolitik. All das ist wichtig, damit wir tatsächlich Menschen wieder in Arbeit bringen können und Arbeitsplätze in unserem Land sichern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Haushalt stärkt das Band der Solidarität in unserer Gesellschaft. Es ist ein Haushalt für den Zusammenhalt in unserem Land. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({5})

Markus Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004645, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Wir beraten heute final den Einzelplan 25 des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen. Was ich an dieser Stelle bereits Anfang September bei der Beratung des Regierungsentwurfs gesagt habe, hat sich bewahrheitet: Wir haben erhebliche Veränderungen und Steigerungen im Zuge der parlamentarischen Beratungen zu verzeichnen. Die Ausgaben im Einzelplan erhöhen sich um 2,3 Milliarden Euro, das entspricht fast der Hälfte des ursprünglichen Ansatzes. Das ist die relativ gesehen größte Steigerung von allen Einzelplänen. Die zusätzlichen Ausgaben fallen an für Personal und Material. Wir haben mit dem Haushalt 2023 auch endlich Klarheit über die Struktur des Ressorts. Die Umsetzungen und personellen Veränderungen sind endlich auch im Haushalt nachvollzogen; es hat lange gedauert, ist aber jetzt auch glücklicherweise erledigt. Es gibt erhöhte Mietausgaben für eine neue Liegenschaft, weil die bisherige dringend sanierungsbedürftig ist, aber der Löwenanteil von mehr als 2,2 Milliarden Euro entfällt auf das neue Wohngeld. Meine Damen und Herren, wir teilen das politische Ziel des Wohngeldes. Aber eines steht ja heute schon fest: Viele von den dann etwa 2 Millionen Haushalten, die anspruchsberechtigt sein werden, werden erst mal nichts bekommen und sehr, sehr lange warten müssen. Die Wohngeldstellen in den Kommunen werden der Antragsflut eben nicht nachkommen können. Die notwendigen Softwareanpassungen brauchen Zeit. Das Personal für die Bearbeitung ist nicht da. Der Start zum 1. Januar nächsten Jahres wird „illusorisch“ genannt. Es drohe „ein Kollaps des Wohngeldsystems“. Mehrere Monate Bearbeitungszeit sind vorprogrammiert. Daher, meine Damen und Herren, fällt das Ganze unter die Kategorie „Gut gemeint, aber schlecht gemacht“. ({0}) Sie müssen schon aufpassen: Sie schüren mit Ihrem Vorgehen Erwartungen, die Sie dann letztlich leider nicht erfüllen können. Ganz ähnlich ist es auch beim sozialen Wohnungsbau. Mit 1,275 Milliarden Euro stellen Sie sehr, sehr viel Geld ins Schaufenster, mit dem Ziel, jährlich 400 000 Wohnungen zu bauen, davon 100 000 Sozialwohnungen. Doch was passiert? Wir sind heute viel, viel weiter von diesen ambitionierten Zielen entfernt als die letzten Jahre. Und wenn es am Ende die Hälfte der avisierten Wohnungen wird, ist das schon viel. Der „Spiegel“ schreibt: „Der Wohnungsmarkt ist außer Kontrolle.“ Wir erleben aktuell massive Einbrüche beim Wohnungsbau und auch bei den erteilten Baugenehmigungen. Besonders stark, meine Damen und Herren, ist der Einbruch bei den Einfamilienhäusern. Das hängt mit dem absehbaren Ende des Baukindergeldes zusammen. ({1}) – Ja, da gucken Sie mal, was in Ihren eigenen Berichten drinsteht. In dieser Situation ist es wirklich unredlich, sich zusätzlich bei den Mitteln des Baukindergeldes zu bedienen. ({2}) Gleichzeitig haben Sie sang- und klanglos den Beantragungszeitraum von ursprünglich Ende nächsten Jahres auf Ende dieses Jahres vorgezogen. Das führt dazu, dass etwa 15 000 bis 20 000 Familien, die fest mit dem Baukindergeld gerechnet haben, jetzt leer ausgehen, meine Damen und Herren. Das erinnert mich dann doch schon sehr an Ihr unüberlegtes Handeln bei dem überraschenden Ende der BEG-Förderung. Meines Erachtens ist das ein echter Skandal. ({3}) Wo bleiben Verlässlichkeit und Planbarkeit von Politik? Aber es geht leider noch weiter: Die Mittel für die Städtebauförderung sinken. Zwei erfolgreiche Förderprogramme führen Sie eben nicht fort. Das ist einerseits der Investitionspakt Sportstätten gemeinsam mit den Ländern und die Förderung des Programms „Nationale Projekte des Städtebaus“. Damit lassen Sie in einer der schwierigsten Situationen der letzten Jahrzehnte den Sport, das Ehrenamt und die Kommunen im Stich. ({4}) Gerade im Bereich der Städtebauförderung, meine Damen und Herren, sehen wir auf der anderen Seite auch hohe Haushaltsreste. Ich sage ja auch etwas Positives. Bei manchen Programmen sehen wir leider Gottes, dass nur 3 Prozent der bislang bereitgestellten Mittel abgeflossen sind. Deshalb unterstütze ich ausdrücklich die Initiative, die aus dem Kreise der Haushälter gekommen ist, hier künftig genauer hinzuschauen und zu eruieren, wo denn die Probleme konkret liegen. Daran ist aber auch eines ablesbar: Es ist eben keine Frage der bereitgestellten Mittel, sondern es sind die grundlegenden, die substanziellen Probleme, die gelöst werden müssen. Wir müssen einfacher und schneller bauen. Wir brauchen weniger Bürokratie statt immer mehr Geld, und das auch noch schuldenfinanziert. Wir brauchen schnellere, wir brauchen einfachere Genehmigungsverfahren. Wir brauchen eine Harmonisierung der Bauvorschriften, und wir brauchen einfachere Regeln für Bauen im Bestand. ({5}) Wir brauchen bessere Rahmenbedingungen für Investoren: eine Verbesserung der Abschreibungsregeln, steuerliche Anreize und eine Neuregelung bei der Grunderwerbsteuer. Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren: Sie stellen viel, viel Geld ins Schaufenster. Die substanziellen Probleme werden nicht gelöst. Die klare Prioritätensetzung fehlt. Vor allen Dingen: Sie schüren Erwartungen, die Sie anschließend nicht erfüllen können. Damit untergraben Sie Verlässlichkeit und Planbarkeit, und damit untergraben Sie auch das Vertrauen der Bürger in die Politik. ({6})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Nächster Redner in dieser Debatte ist für die SPD-Fraktion Bernhard Daldrup. ({0})

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Ministerin! Die Bundesregierung und wir als Parlament reagieren, glaube ich jedenfalls, mit finanziellen Hilfen in ungekanntem Ausmaß auf die Krisen unserer Zeit. Unser Maßstab ist deshalb, sich nach den Notwendigkeiten der Zeit zu richten. Das heißt: Helfen, wo es nötig ist, und in unserem Sektor Bauen heißt es: Bauen und Sanieren, wo es nötig ist, Impulse geben, die in die Zukunft weisen. Unsere Antwort auf die Sorge vor explodierenden Energie- und Gaspreisen findet sich in den Entlastungspaketen, auch in dem 200 Milliarden Euro umfassenden Abwehrschirm. Wir lassen niemanden alleine. Unser Thema ist dabei das Wohngeld, das jetzt eine Höhe erreicht, von der die GroKo nur träumen konnte. Statt 180 Euro wird es ab Januar im Schnitt 370 Euro betragen; das ist mehr als verdoppelt. Dazu gibt es eine Klima- und Heizkostenkomponente im Wohngeld. Dazu kommt bereits der zweite Heizkostenzuschuss in Höhe von mehr als 550 Millionen Euro; das ist ganz konkrete Hilfe. ({0}) Die Zahl der Wohngeldberechtigten wird mehr als verdreifacht: von über 600 000 auf 2 Millionen Haushalte, ({1}) das entspricht 4,5 Millionen Menschen. Darunter sind Alleinerziehende, Rentnerinnen und Rentner, Bewohner von Alten- und Pflegeeinrichtungen sowie Arbeitnehmer mit geringem Einkommen. So buchstabieren wir soziale Verantwortung in der Krise. ({2}) Herr Uhl, glauben Sie mir: Wir nehmen die Sorgen der Kommunen ernst, was die Frage der Umsetzung des Wohngeldes angeht. ({3}) Uns ist aber wichtig, den Menschen konkret zu helfen. Deshalb ist es meine Bitte an die Länder – sie können dabei mithelfen –: Statten Sie die Kommunen so aus, dass sie ihre Aufgaben auch tatsächlich wahrnehmen können. Das ist die Verantwortung der Länder, die jetzt auch wahrgenommen werden muss. Das bedeutet: Helfen, wo es nötig ist. ({4}) Dazu gehört auch, dass 1,5 Millionen Euro zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit in den Haushalt des Bauministeriums übertragen worden sind. Ich bin der Ministerin sehr dankbar, weil sie eine Initiative zur Bekämpfung der Wohnungslosigkeit auf den Weg bringen will; das ist gut. ({5})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Herr Abgeordneter.

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

So buchstabieren wir Solidarität in der Krise; auch das ist ein wichtiger Gesichtspunkt. ({0})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. – Helfen, wo es nötig ist: Dazu gehört auch, dass wir die Mittel für den altersgerechten Umbau von Wohnungen mit 75 Millionen Euro fördern. So buchstabieren wir Generationengerechtigkeit. Helfen, wo es nötig ist: Dazu gehört auch das soziale Mietrecht. Und wir erwarten, dass das Paket zur Stärkung des Mietrechts bald auch vom Justizminister vorgelegt wird. Ein Thema, das auch zum klimagerechten Wohnen gehört, ist der CO2-Preis; das ist in der Krise kein einfaches Thema. Deshalb haben wir die Erhöhung des CO2-Preises ja auch ausgesetzt. Nicht ausgesetzt, sondern abgeschafft haben wir aber die einseitige Belastung der Mieterinnen und Mieter durch den CO2-Preis, die wir allein der CDU/CSU zu verdanken haben. ({0}) Ja, das soziale Mietrecht ist eine aktuelle Hilfe bei hohen Mieten und galoppierenden Energiepreisen. Die Ausweitung des bezahlbaren Wohnens ist die andere Seite. Deshalb: Bauen, wo es nötig ist. Wir finden uns nicht damit ab, dass die Zahl der Sozialwohnungen Jahr für Jahr weiter sinkt. Wir wollen die Zahl der rund 45 000 neuen Sozialwohnungen im Jahr verdoppeln. Deshalb verdreifachen wir die Mittel für den sozialen Wohnungsbau bis 2026 auf 14,5 Milliarden Euro, und wir werden diese Investitionen mit einer Initiative zur Wiederherstellung des gemeinnützigen Wohnungsbaus begleiten. Bauen, wo es nötig ist, erschöpft sich aber nicht in der Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus. Herr Uhl, ich sage es mal so: Ich habe das Baukindergeld nie kritisiert, aber ich habe ihm solch wirklich wundersame Wirkungen, die Sie ihm zusprechen, nicht zugesprochen. Die hat es auch nicht gegeben; das können Sie sehr schön nachlesen. ({1}) Aber wir haben ein Programm für den klimafreundlichen Neubau und Wohneigentumsförderung für Familien. Damit Menschen den Traum vom Eigenheim verwirklichen können, stellen wir 1 Milliarde Euro zur Verfügung. Wir geben auch neue Impulse für bewährte Wohnformen, beispielsweise die Genossenschaften, deren Gründung und Bautätigkeit wir stärken. Allein das sind 3,6 Milliarden Euro für den Wohnungsneubau. Dabei unterstützen wir auch die Wohnungswirtschaft mit ihren Tausenden von Beschäftigten. Es ist nicht unser Etat, aber es ist ein Meilenstein, dass wir über 13 Milliarden Euro aus dem Klimafonds für die klimagerechte Sanierung unseres Wohnungsbestandes zur Verfügung stellen. Mindestens erwähnt sei auch die Bauforschung; denn, Herr Uhl, ja, wir brauchen Carbonbeton, wir brauchen CO2-freie Zementwerke, wir brauchen eine Holzbaustrategie, neue Dämmmaterialien, schnellere Verfahren. Sie wollen das, wir machen das. Das ist der Unterschied, den wir jetzt feststellen müssen. ({2}) Wir halten auch am Ziel fest, 400 000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen. Wir kennen die niedrigen Zahlen. Wir wissen um die viel zu hohen Bauüberhänge. Wir sehen, dass geplante Bauvorhaben zur Disposition stehen. Diese Krise der Bauwirtschaft beantworten wir aber nicht mit Rückzug, sondern mit Investitionen. Wir beantworten sie übrigens erst recht nicht mit fremdenfeindlichen Parolen – sie werden wahrscheinlich gleich noch kommen – über Zuwanderung, die den Ausbau des Wohnungsmarktes belastet, sondern mit neuen Impulsen für die Wohnungswirtschaft. Das ist auch Ausdruck von Solidarität. Ich bin dem Bündnis bezahlbarer Wohnraum dankbar für die 187 Vorschläge zur Beschleunigung neuer Bauvorhaben, und ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass sich die Städtebauförderung weiterhin auf Rekordniveau bewegt.

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin dankbar dafür, dass die urbanen Räume weiterhin bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden, dass die Sanierung von Sportstätten usw. weiterhin gefördert wird. Wir lassen die Kommunen nicht im Regen stehen, und wir erwarten, dass die Länder mitmachen. Also, ich kann folgendes Fazit ziehen – –

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Herr Kollege, Sie müssen jetzt wirklich zum Schluss kommen.

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Mache ich. – Nach einem Jahr Arbeit dieses Ministeriums sage ich: Herzlichen Dank an die Ministerin, an die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Wir sind auf dem richtigen Weg und haben die Weichen richtig gestellt. Vielen Dank. ({0})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Das Wort erhält für eine Kurzintervention Dr. Jan-Marco Luczak.

Dr. Jan Marco Luczak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004100, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. – Herr Kollege Daldrup, Sie haben meine Zwischenfrage ja leider nicht zugelassen; deswegen möchte ich auf diesem Wege noch einmal darauf zurückkommen. Sie haben in Ihrer Rede ausgeführt, dass Sie als Ampel beim Wohngeld sehr wohl Rücksicht auf die Kommunen nehmen, auf die Bedenken, die dort geäußert werden, auch von den Ländern. Dann frage ich mich allerdings schon – der Bundesrat tagt am kommenden Freitag, um über das Wohngeld zu beschließen –, wieso eigentlich der Ausschuss im Bundesrat Folgendes zu Protokoll gegeben hat und einen entsprechenden Entschließungsantrag beibringen wird. Er sagt zum Wohngeld: Eine schnelle Umsetzung des Wohngeld-Plus-Gesetzes ist ohne gravierende Vereinfachungen des Wohngeldrechts in der Praxis jedoch nicht möglich. Er sagt weiter: Der Bundesrat stellt mit Bedauern fest, dass die vielfältigen Vorschläge zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands von der Bundesregierung weitestgehend nicht aufgegriffen wurden. … Die Änderung der Vorschussregelung in § 26a des Wohngeldgesetzes … stellt keine wesentliche Verbesserung dar. … Die Herabsetzung des Schwellenwertes für Erhöhungsanträge konterkariert die Bestrebungen, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren … … Die … Bagatellgrenze … [in] Höhe von 50 Euro ist jedoch im Hinblick auf die durchschnittliche Wohngeldhöhe und die Höhe der Rückforderungen im Wohngeldbereich zu niedrig bemessen. Es gibt also vielfältige Kritik, die wir als Union in unserem Entschließungsantrag genau so eingebracht haben. Wie erklären Sie, Herr Kollege Daldrup, dass Sie die vielfältigen Verbesserungsvorschläge – zugunsten der Menschen, die das Wohngeld brauchen, und zwar am Anfang des Jahres, im Januar, und nicht erst am Ende des Jahres, so wie es wahrscheinlich sein wird –, die in der Sache richtig waren, völlig ignoriert haben? Es ist unverständlich, dass Sie das nicht aufgegriffen haben. ({0})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Herr Kollege Daldrup, wollen Sie reagieren? ({0})

Bernhard Daldrup (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004258, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Gerne, Frau Präsidentin. – Die Tatsache, Herr Luczak, dass Sie das nicht wahrgenommen haben, heißt ja nicht, dass wir nicht reagiert haben. ({0}) Das ist nicht dasselbe. Wir haben beispielsweise die Bewilligungszeiträume auf 24 Monate verlängert. Das ist eine eminent wichtige Vereinfachung. Wir haben an verschiedenen Stellen versucht, weitere Vereinfachungen zu ermöglichen; wir haben dies auch vorm Bundesrat diskutiert. Ich will an dieser Stelle aber eines sagen – ich habe es ja schon gesagt –: Wir wissen um die Belastung der Kommunen. Aber im Abwägungsprozess ist die Hilfe für die betroffenen Menschen für uns das Wichtigste. ({1}) Ich habe mit sehr vielen Betroffenen gesprochen – mit Amtsleitern, Sachbearbeitern und Dezernenten –, die sich dieser Aufgabe stellen. Ich möchte gerne, dass Sie die Gelegenheit nicht nutzen, einfach auf den Bund zu zeigen, sondern, so wie Sie es in den Jahren zuvor in jeder Sitzung gemacht haben, auch appellieren, dass die Länder ihre Kommunen mit dem entsprechenden Personal und der entsprechenden Grundfinanzierung ausstatten. Das wäre sehr gut. Ich kann Ihnen das für Nordrhein-Westfalen in wenigen Sätzen detailliert erläutern; das können wir nach der Sitzung machen. Vielen Dank. – Ich habe gar nicht mitgekriegt, dass Sie die Zwischenfrage stellen wollten. Pardon.

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Ja, ich kann die Namen nicht immer spontan dazusagen. Aber das verbessert sich ja mit der Zeit. Wir gehen jetzt weiter in der Debatte. Als Nächstes erhält das Wort ({0}) Marcus Bühl – ich muss ihn schon erst aufrufen; es reicht nicht, wenn Herr Brandner das tut – für die AfD. ({1})

Marcus Bühl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004687, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bezahlbares Wohnen war bei den Parteien, die heute die Vertreter der Bundesregierung stellen, eines der Hauptthemen im Wahlkampf 2021. Etwas über ein Jahr danach sind Bauen und Wohnen so teuer wie nie. Die Inflation ist dabei maßgeblicher Treiber, allem voran die Energieverteuerung. Die Regierung Merkel und Sie, die links-grüne Bundesregierung, sind maßgeblich verantwortlich für diese horrenden Energiekosten. ({0}) Von der CO2-Bepreisung bis zur geplanten Abschaltung der letzten Kernkraftwerke nächstes Jahr: Sie zeigen ganz klar, was Ihnen selbst in Zeiten größter Not wichtiger ist. Gleichzeitig nehmen Sie Abermilliarden Schulden auf, um Hilfspakete zu schnüren, die erst durch Ihre Politik nötig geworden sind. ({1}) Was wir brauchen, ist eine fähige Bundesregierung, die endlich die Probleme an der Wurzel packt. Dann erübrigen sich auch die von uns selbst zu zahlenden Hilfspakete. ({2}) Für viele Haushalte in Deutschland ist Wohnen nahezu unbezahlbar geworden. Jährlich 400 000 Wohnungen hat diese Bundesregierung am Anfang ihrer Amtszeit vollmundig versprochen. Dieses Jahr werden es weit unter 300 000 fertiggestellte Wohnungen sein. Verfehlte Ergebnisse sind typisch für Ihre links-grüne Politik. ({3}) Für ein Wohnungsprojekt hat Links-Gelb jedoch – gegen unsere Anträge und Stimmen – die Weichen gestellt: Der Bundeskanzler bekommt eine neue, 250 Quadratmeter große Dienstwohnung in Berlin-Mitte. Es ist überhaupt nicht zu verstehen, warum die Regierung in diesen schwierigen Zeiten, bei steigender Inflation und Energiekrise an einem Erweiterungsbau des Bundeskanzleramtes festhält. ({4}) Der Bau soll nach jetzigem Stand 777 Millionen Euro kosten und damit Hunderte Millionen Euro mehr als noch im Frühjahr dieses Jahres. Bis zur Kostensteigerung auf 1 Milliarde Euro ist es nun nicht mehr weit. Zum Vergleich: Ein süddeutscher Autohersteller hat vor zwei Jahren eine hochmoderne digitale Fabrik auf einer Fläche von 30 Fußballfeldern für circa 730 Millionen Euro gebaut und in Betrieb genommen. Die Bundesregierung hingegen gönnt sich ein völlig überdimensioniertes Bauwerk, während sie gleichzeitig den Bürgern Spartipps beim Heizen gibt. Stoppen Sie diesen Erweiterungsbau des Bundeskanzleramtes! Wir werden dem Haushalt in dieser Form natürlich nicht zustimmen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({5})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Nächster Redner in dieser Debatte ist Markus Kurth für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Markus Kurth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003578, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Dieser Haushalt bietet sowohl kurz- als auch mittelfristige Antworten auf die Krise, die recht zügig wirksam werden. Er enthält gleichzeitig aber auch eine ganze Reihe von Komponenten für eine nachhaltige Zukunft und auch für eine Entwicklung lebenswerter Städte und lebenswerter Lebensräume in den Städten. Es ist diese Ausgewogenheit, die diesen Haushalt für einen Haushälter angenehm zu bearbeiten macht. Mehrfach genannt wurde bereits das Thema Wohngeld. Ich glaube, man kann es, wie meine Vorredner aus der Ampel, auch Herr Daldrup, schon gesagt haben, gar nicht hoch genug schätzen, dass wir die Zahl der empfangsberechtigten Haushalte verdreifachen. Ja, natürlich ist das verwaltungstechnisch eine Herausforderung. Wir haben aber zum Beispiel mit der Möglichkeit von Abschlagsvorschusszahlungen Instrumente geschaffen, wie man die Auszahlung vereinfachen kann. Es gibt auch Vorbereitungsmöglichkeiten für die Kommunen. Vielleicht bleiben an der einen oder anderen Stelle, wo Kommunen besonders unterausgestattet sind, hier und dort noch Schwierigkeiten. Aber, Herr Uhl, soll denn die Konsequenz aus dem Ganzen sein, dass man gar nichts macht? Herr Uhl, Ihre Rede war eine Empfehlung für Ambitionslosigkeit. Das kann doch nicht die Antwort in dieser Lage sein; ({0}) man muss es doch versuchen. Es ist ja so, dass die Jobcenter ein halbes Jahr lang nicht den vorrangigen Anspruch auf Wohngeld prüfen. Dieser Übergang ist ein bisschen holprig, das gebe ich offen zu; aber die Alternative wäre, auf diesen qualitativ großen Schritt in diesen herausfordernden Zeiten zu verzichten, und das geht definitiv nicht. Da haben wir uns als Ampel eindeutig anders entschieden. Natürlich sind weiterhin kurz- bis mittelfristige Elemente dabei. Sie sind Schwerpunkte in diesem Haushalt geblieben, zum Beispiel beim sozialen Wohnungsbau. Aber wir blicken auch weiter in die Zukunft. Zum Beispiel wollen wir mit dem Maßgabebeschluss, den wir als Haushälter zum Thema „neue Wohngemeinnützigkeit“ getroffen haben, ({1}) die Voraussetzungen dafür schaffen, dass nicht nur mithilfe des Wohngeldes Mietzahlungen subventioniert werden – das ist es ja letztlich, was dort passiert –, sondern dass im Bestand gewirtschaftet werden kann mit dem Ziel, langfristig qualitativ hochwertigen Wohnraum für die Menschen bezahlbar zu halten. Das ist ein qualitatives Politikziel, das nachhaltig ist. Das werden wir jetzt endlich auf den Weg bringen. ({2}) Gleiches gilt für den Bereich der Forschung, wo wir ebenfalls in einem Maßgabebeschluss deutlich gemacht haben, dass wir in Bezug auf neue Baustoffe und die Holzbaustrategie – das werden wir gegenüber dem Ministerium noch qualifizieren – eine Weiterentwicklung brauchen. Wir brauchen allerdings nicht nur Forschung, sondern müssen auch die jetzt schon vorhandenen Möglichkeiten wie serielle Sanierung und Einsatz neuer Baustoffe in der Breite zur Anwendung bringen. Die Möglichkeiten sind da. Das ist in Zeiten, in denen carbongestützte Baustoffe wie Zement immer teurer werden, mit Blick auf die Baukosten auch dringend notwendig. ({3}) Zum Thema „altersgerecht Wohnen“, bei dem sich alle drei Berichterstatter im Haushaltsausschuss einig waren, muss ich gar nicht viel sagen. Da ist es klar, dass wir angesichts der alternden Gesellschaft aufstocken mussten; das konnten wir gar nicht anders machen. Ich glaube, Torsten Herbst, wir hätten da sogar noch mehr gewollt. ({4}) Wir freuen uns nämlich, dass sich dieses Programm eines regen Mittelabflusses erfreut und da sehr schnell sehr viel abfließen kann. Zum Schluss will ich noch auf das Thema „lebenswerte Städte“ eingehen. Ich glaube, man kann nicht über diesen Haushalt reden, ohne auch über das Programm „Sanierung kommunaler Einrichtungen in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur“ zu reden. Wir stehen hier jetzt vor der Phase der Entscheidung der aktuellen Projektscheibe. Ich glaube, das hat auch einen wesentlichen Anteil bei der Unterstützung unserer Kommunen. Wir können ihnen so bei so Wichtigem wie der Sanierung ihrer Sportstätten, die in den 60er-, 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts erbaut wurden und vielfältig reparaturbedürftig sind, unter die Arme greifen. ({5}) An dieser Stelle möchte ich dem Bundesrat und der häufig von den Ländern vorgetragenen Kritik entgegentreten und sie bitten, sich diesen Haushalt insgesamt näher anzusehen; denn viele unserer Investitionen und Maßnahmen zu deren Unterstützung kommen direkt den Kommunen und der Landesebene zugute. Das sollte man anerkennen, wenn man an anderer Stelle Kritik gegenüber dem Bund äußert. Ich würde mich freuen, wenn diese Anerkennung auch dem Deutschen Bundestag entgegengebracht werden würde. ({6}) Ebenso will ich mit Blick auf die Länder noch ganz kurz das Thema Mittelabfluss ansprechen; das muss man als Haushaltsverantwortlicher an der Stelle tun. Wir haben mehrere Maßgabebeschlüsse dazu behandelt, um mit Nachdruck dafür zu sorgen, dass das Geld, das wir beispielsweise den Kommunen zur Verfügung stellen, schließlich vernünftig im Sinne einer nachhaltigen lebenswerten Zukunft im Städtebau eingesetzt werden kann. Vielen Dank. ({7})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Für Die Linke erhält das Wort Caren Lay. ({0})

Caren Lay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004088, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es bräuchte eigentlich 6 Millionen Wohnungen für Haushalte mit geringem und mittlerem Einkommen. ({0}) Doch leider haben wir gerade mal 1 Million Sozialwohnungen. Das ist ein historischer Tiefstand und nicht zu akzeptieren. ({1}) Wir brauchen also eigentlich 5 Millionen Sozialwohnungen mehr. Die Schaffung von Sozialwohnungen muss jetzt die oberste Priorität bei aller Neubautätigkeit haben; denn mit mehr teuren Wohnungen ist diesen Menschen nicht geholfen. ({2}) Doch das Ziel der Bundesregierung, 100 000 neue Sozialwohnungen pro Jahr zu schaffen, wird grandios verfehlt. Im letzten Jahr wurden gerade mal 23 000 neue Sozialwohnungen gebaut, und die Zahlen sind rückläufig. Wenn wir hier nicht vorankommen, dann erreichen wir die versprochenen 100 000 Sozialwohnungen nicht im Jahr, sondern bestenfalls in der Legislatur. Das ist nicht akzeptabel. ({3}) Schlimmer noch: Jedes Jahr fallen mehr Sozialwohnungen aus der Bindung, als neue gebaut werden. Im letzten Jahr gab es unterm Strich ein Minus um 27 000 Sozialwohnungen. Wenn das so weitergeht, dann ist der soziale Wohnungsbau bald Geschichte. Das darf nicht passieren. ({4}) Nun kann man natürlich sagen: Das wurde alles von der alten Regierung geerbt. – Doch die Weichen, die Sie stellen, reichen bei Weitem nicht aus. Mit einer Verdoppelung oder Verdreifachung der Mittel kann man keine Vervierfachung des Neubaus erzielen; das ist doch völlig klar. 1,275 Milliarden Euro werden faktisch im Jahr für den Neubau von Wohnungen ausgegeben. Das ist für die gesamte Bundesrepublik eine lächerlich geringe Summe. ({5}) Zweitens muss es darum gehen, das permanente Auslaufen der Bindungen endlich zu verhindern. Dieses irrsinnige Prinzip muss einfach gestoppt werden. ({6}) Es ist doch nicht nachhaltig, eine Sozialwohnung zu finanzieren, die nach 15 Jahren aus der Preis- und der Belegungsbindung fällt. ({7}) Das erreichen wir am besten durch eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit; denn nur diese garantiert: einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung. Ja, wir sind uns da einig, aber von einem solchen Gesetz gibt es weit und breit keine Spur. Ich habe immer gesagt, dass man das zu Beginn der Legislatur machen muss, damit es kein Nischenprodukt bleibt und wir noch in den Wiederaufbau eines großen gemeinnützigen Wohnungssektors investieren können, den wir in Deutschland doch einmal hatten. Stattdessen geben wir weiter Fördermittel für private, börsennotierte Wohnungskonzerne aus. Das ist doch völlig absurd. ({8}) Wir als Linke wollen die neue Wohnungsgemeinnützigkeit schnell einführen und viel Geld darin investieren; 18 Milliarden Euro im Jahr schlagen wir dazu vor. Sagen Sie bitte nicht, dass dafür kein Geld da ist! Das Geld für das Sondervermögen für Aufrüstung, das Sie hier in Windeseile durchgewunken haben, wäre im gemeinnützigen Wohnungsbau deutlich besser angelegt gewesen. ({9}) Es muss auch nicht immer Neubau sein. Wir wollen auch in den Ankauf von Wohnungen und in den Umbau des Bestandes investieren. Parkhäuser zu Genossenschaftswohnungen, leerstehende Bürogebäude zu Sozialwohnungen umbauen – das ist unser Programm. ({10}) Man kann auch die Kommunen darin unterstützen, die massenhaft privatisierten Wohnungen zurückzukaufen. Es wäre das Mindeste, hierfür in einen Rekommunalisierungsfonds zu investieren. Dafür bräuchten wir natürlich auch ein verbessertes Vorkaufsrecht. Aber selbst ein Jahr nachdem das Bundesverwaltungsgericht das bestehende Vorkaufsrecht gekippt hat, gibt es weit und breit keine Spur von einem neuen Gesetz. Die Kommunen stehen den Spekulanten jetzt mit leeren Händen gegenüber. Ich finde das fatal. ({11}) Viel steht zum Thema Mietrecht ja sowieso nicht im Koalitionsvertrag, aber selbst das lässt auf sich warten. Gerade jetzt, vor diesem Winter, wäre es für einen Mietenstopp und einen besseren Kündigungsschutz höchste Zeit. ({12}) Das Chaos beim Wohngeld schließlich wäre vermeidbar gewesen, wenn man unseren Vorschlag angenommen hätte, die alten Anträge, die bereits bewilligt waren, pauschal und vorläufig für ein Jahr zu verlängern, damit die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt Überstunden machen müssen und selbst am Wochenende arbeiten, erst mal die neuen Anträge hätten bearbeiten können. Das wäre richtig und gut gewesen. ({13}) Klimaschutz, meine Damen und Herren, muss ohne Mieterhöhung möglich sein. Deswegen fordern wir 5 Milliarden Euro, um erst mal bei den energieintensiven Nachkriegsbauten anzufangen. Und zu klimagerechten Städten gehört auch eine gut ausgestattete Städtebauförderung. Lassen Sie uns mehr Geld in die Begrünung von Dächern und Fassaden, in essbare Gärten und in die Aufforstung der Städte investieren! Klimagerechte Städte sind lebenswerte Städte. ({14})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.

Caren Lay (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004088, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Zu guter Letzt: Zu lebenswerten Städten gehört eben auch Musik, gehören Konzerte und Klubs. Die Szene hat nachdrücklich ein Schallschutzprogramm gefordert – auch davon leider keine Spur. Das Klubsterben muss verhindert werden. Das Monopoly und das Wohnopoly müssen beendet werden. Vielen Dank. ({0})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Nächster Redner ist Torsten Herbst für die FDP-Fraktion. ({0})

Torsten Herbst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004746, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kein Haushaltsentwurf geht unverändert durch das Parlament. Das gilt auch für den Etat des Bauministeriums. Ich bin froh, dass es gelungen ist, gemeinsam mit den Partnern in der Ampel diesen Etat noch deutlich besser zu machen. ({0}) Es gab nicht nur einen finanziellen Aufwuchs, der natürlich in hohem Maße durch die Wohngelderhöhung verursacht wurde, sondern der Etat hat auch weiterhin einen der höchsten Investitionsanteile unter allen hier im Bundestag zu beschließenden Einzelhaushalten, und ich bin stolz, dass wir zu diesem Rekordinvestitionsvolumen von 71 Milliarden Euro in diesem Bundeshaushalt beitragen. ({1}) Worum geht es uns mit diesem Haushalt? Der erste Punkt ist: Wir wollen privates Wohneigentum ermöglichen. Wohneigentum, meine Damen und Herren, ist der Schlüssel zu einer stabilen Gesellschaft, und daher fühlen wir uns der Schaffung von ausreichend Wohneigentum verpflichtet. ({2}) Anders als die Linksfraktion immer behauptet, sind die Masse der Vermieter nicht Großkonzerne. ({3}) Fast zwei Drittel aller Wohnungen in Deutschland werden durch private Kleinvermieter zur Verfügung gestellt – die haben ein, zwei Wohnungen –, und ohne deren Engagement, ohne deren Investitionen sähe es richtig düster am Wohnungsmarkt aus. ({4}) Deshalb ist es auch richtig, dass wir gesagt haben: Wir beenden das wenig zielgerichtete Baukindergeld und starten ein Neubauförderprogramm, damit mehr privates Wohneigentum geschaffen werden kann. ({5}) Es ist auch richtig, dass wir mehr Mittel für das altersgerechte Umbauen mobilisiert haben – der Kollege Kurth hat es schon angesprochen –, damit man länger in den eigenen vier Wänden wohnen kann. Das hat nicht nur eine wohnungspolitische Dimension, das hat auch eine gesellschaftspolitische und sozialpolitische Dimension. Wir wollen, dass Menschen in den eigenen vier Wänden in Würde älter werden können. ({6}) Der zweite Punkt – ich glaube, das ist jenseits des Geldes eine große Herausforderung –: Ja, wir müssen Bauen bezahlbarer machen und beschleunigen, gerade jetzt, wo wir alle merken, dass der Kostendruck zunimmt. Das heißt, wir müssen uns Standards, gesetzliche Vorschriften und Genehmigungen noch mal anschauen und den Weg frei machen, dass neue Bautechnologien schneller zur Anwendung kommen. Ich setze da auch auf die Ergebnisse des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum. Zusammen mit dem Bauministerium werden wir Fortschritte erreichen; da bin ich mir sicher. ({7}) Wir wollen auch dafür sorgen, beim Bauen insgesamt mehr Innovationen zur Anwendung zu bringen; das Tempo ist dort zu langsam. Ich nenne als Stichworte: Carbonbeton, serielles Bauen, Holzbau, neue Dämmstoffe. Wir müssen schneller zur praktischen Anwendung kommen, um Material zu sparen und CO2-Emissionen beim Bau und im Betrieb zu senken. Das ist nicht nur eine ökologische Herausforderung, sondern auch eine ökonomische Notwendigkeit. Wenn wir weniger Energie verbrauchen, macht sich das auch im Geldbeutel bemerkbar. Deshalb bin ich froh, dass wir mehr Mittel für die Bauforschung mobilisiert haben. ({8}) Wenn wir uns im Land und zu Hause in unseren Wahlkreisen umschauen, dann sehen wir, dass es viele öffentliche Gebäude gibt, die sehr energieintensiv sind. Das sind Schwimmhallen, Sportstätten oder auch denkmalgeschützte Museen, bei denen die Umgebung oft mitgeheizt wird. Deshalb ist es so wichtig, dass wir auch darangehen, den Energieverbrauch öffentlicher Gebäude zu senken. Und deshalb haben wir eine neue Förderrunde zur Sanierung kommunaler Einrichtungen und Sportstätten gestartet. Dafür auch ein herzliches Dankeschön an die Koalitionspartner! ({9}) Wir nehmen auch zur Kenntnis, meine Damen und Herren, dass wir Wohnungsbaupolitik nicht nur aus dem Blickwinkel der Ballungsräume betreiben dürfen. Denn es gibt nicht nur den Prenzlauer Berg, es gibt auch die Region um Prenzlau, die Uckermark. Dort sind die Herausforderungen ganz andere; auf der einen Seite sehen wir Wohnungsnot und auf der anderen Seite Wohnungsleerstand. Deshalb ist es für uns ganz wichtig, dass wir auch die Lebensqualität in ländlichen Regionen erhalten und dass wir Mobilität bezahlbar machen, um nicht noch mehr Druck auf die Metropolen zu erzeugen. ({10}) Zum Abschluss noch ein Wort zur Union. Es ist schon sehr interessant: Wenn man die ersten Reden heute gehört hat, wird deutlich, dass die Haushaltspolitiker der Union kritisieren, dass wir viel zu viel Geld ausgeben. Wenn man die Reden der Fachpolitiker der Union hört, wird immer wieder die Kritik deutlich, dass wir zu wenig Geld ausgeben. ({11}) Das heißt, Sie fordern Mehrausgaben, ohne zu sagen, wie diese Ausgaben gedeckt werden. Das ist ein Widerspruch, den Sie mal versuchen sollten intern zu klären. ({12}) Im Gegensatz zu Ihnen kann ich sagen: Bei uns als Ampelkoalition ist der Etat des Bauministeriums in hervorragenden Händen. Wir haben Geld, mit dem wir arbeiten können. Wir können Bauen beschleunigen, ({13}) Wohnen bezahlbar halten und privates Wohneigentum fördern. Das ist der Unterschied zur Union, meine Damen und Herren. ({14})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Nächster Redner ist Michael Breilmann für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Michael Breilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005032, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich jetzt hier so die Lobeshymnen der Koalitionäre zu den Hilfen in dieser Energiekrise höre, ({0}) dann kann ich dem relativ einfach entgegnen – und das ist nicht mein Urteil, sondern das Urteil der Wohnungswirtschaft und der kommunalen Familie –: Es kommt viel zu spät, und es ist alles viel zu kompliziert. ({1}) Wir haben es in der letzten Debatte schon angesprochen: Die Schonzeit für diese Regierung ist längst vorbei. Bei dem Etat 2023 kann man sich nicht mehr hinter Zuständigkeiten der Vorgängerregierung verstecken. Es ist gerade schon deutlich geworden: Ja, der Baubereich steckt in einer tiefen Krise. Daher finde ich es nicht gut, wenn in der Öffentlichkeit von Frau Ministerin Geywitz Nachholbedarf eingeräumt wird, aber versucht wird, die Verantwortung für die Situation der Vorgängerregierung in die Schuhe zu schieben. Ich kann dem wirklich nur entgegnen: Wenn die unionsgeführten Bundesregierungen in den letzten Jahren wirtschaftlich nicht so gut gehaushaltet hätten, dann könnten Sie sich Ihre teuren Versprechungen und Ihre Schaufensterpolitik gar nicht leisten. So sieht es aus. ({2}) Sie liefern mit Ihrer Politik auch keine wirksamen Antworten zur Lösung der schwerwiegenden Probleme. Wenn ich das alles hier so höre, dann klingt es so, als handelten Sie nach dem Motto: Wir schaffen es zwar nicht, 300 000 bis 400 000 neue Wohnungen jährlich zu bauen, sind aber in der Lage, mit unserer Politik jedes Jahr mindestens 300 000 bis 400 000 Menschen in diesem Land zu verunsichern. – Mit großem Brimborium haben Sie kürzlich das Bündnis bezahlbarer Wohnraum im Kanzleramt zelebriert und einen Katalog mit 187 Einzelmaßnahmen gegen Deutschlands Wohnungskrise vorgelegt. Das ist aber alles auf Basis eines Minimalkonsenses vieler Gruppen erfolgt, und wir finden darin kaum neue Handlungsimpulse. ({3}) Wir haben sowieso kein Erkenntnisproblem, sondern wir haben ein Umsetzungsproblem. Es vergeht nicht nur bis zur formalen Genehmigung eines Bauantrages immer mehr Zeit, es dauert auch immer länger, bis ein genehmigtes Projekt fertig wird. Gut sechs Wochen vor Beginn des neuen Jahres braucht es dringend Klarheit über neue Förderkulissen. Eine Konsequenz muss auch sein, die geplanten Bauvorschriften und alles, was das Bauen 2023 verteuert, einem klaren Realitätscheck zu unterziehen. Das Dickicht der Bauvorschriften muss dringend gelichtet werden. ({4}) Ich frage mich auch: Welchen Stellenwert haben eigentlich die Kommunen bei dieser Koalition? Das ist für die SPD gerade schon deutlich geworden: Wir schaffen zusätzliche Arbeitsaufgaben, wir schaffen zusätzlichen Arbeitsanfall, und für neue Stellen sollen dann Kommunen und Länder sorgen. – Das ist eine Arbeitsaufteilung, die wir nicht akzeptieren können. ({5}) So finden sich in diesem Etat im Vergleich zum letzten Haushalt viele kommunalrelevante Minderausgaben, wie zum Beispiel im Bereich des altersgerechten Umbaus. Wenn ich dann höre, insbesondere von der grünen Seite, dass die Koalition da mehr hätte machen wollen, kann ich mich nur wundern, warum Sie dann unserem Antrag zur Bereitstellung zusätzlicher Mittel im Haushaltsausschuss nicht zugestimmt haben. Das hätten Sie tun können. Wir haben einen entsprechenden Antrag eingereicht. ({6}) Gut gemeint ist halt nicht immer gut gemacht, wie man beim Wohngeld sieht. Die Zahl der Wohngeldhaushalte soll durch eine Reform auf rund 2 Millionen mehr als verdreifacht werden. Dadurch droht nun mal eine Überbelastung der Wohngeldämter in den Kommunen. Ich kann das für meinen Wahlkreis in Recklinghausen nur bestätigen: Die Wohngeldreform ist zum 1. Januar 2023 nicht umsetzbar. Uns droht hier wirklich der Kollaps des Wohngeldsystems. Das sage nicht nur ich, sondern – darauf sollten Sie vielleicht hören – das sagt auch der Deutsche Städtetag. Ihr Gesetz ist handwerklich schlecht gemacht und kommt viel zu spät. Die Bearbeitung der Anträge dauert jetzt schon bis zu sechs Monate. Vor Kurzem wurde dann auch endlich das Konzept zur Wohnungseigentumsförderung vom Bauministerium vorgelegt. Die eigenen Koalitionäre hatten es im Mai gefordert; im September sollte es fertig sein. Im September hatten wir aber auch noch nichts. Allerdings hatte der Beschluss der Koalitionäre die klare Vorgabe an die Regierung formuliert, dass Schwellenhaushalte langfristig auch mit Tilgungszuschüssen unterstützt werden. Das sieht das Konzept jetzt nicht vor. Spätestens jetzt, spätestens in diesen Tagen, dürfte klar sein, dass diese Ampelregierung ein Problem mit Eigentumsförderung, aber auch mit Eigentumserhalt in Bezug auf private Immobilien hat. ({7}) Anstatt endlich bei der Erbschaftsteuer die Freibeträge anzupassen, um sich nicht an der steigenden Inflation zu bereichern, verschärfen Sie die Situation. ({8}) Weitgehend unbemerkt haben Sie eine Anpassung der Vorschriften der Grundbesitzbewertung auf den Weg gebracht. Was so harmlos klingt, hat massive Auswirkungen auf viele Haushalte in diesem Land. ({9}) – Ja, ich weiß, dass die FDP sich da getroffen fühlt. Ich kann Ihnen nur sagen: Dann setzen Sie sich durch, heben Sie die Freibeträge an! Über Nacht wird sich ab dem 1. Januar 2023 der Sachwertfaktor ändern. Damit beschließen Sie, damit beschließt faktisch auch die FDP – das muss man sich vorstellen – eine Steuererhöhung für viele Familien in diesem Land, ({10}) obwohl Sie das Versprechen gegeben haben, keine weiteren belastenden Maßnahmen für Menschen in unserem Land einzuführen. Es kann nicht sein, dass Kinder das Eigenheim ihrer Eltern, in dem sie selber aufgewachsen sind, verkaufen müssen, weil sie sich die Erbschaftsteuer nicht mehr leisten können. ({11}) Steuern und Abgaben dürfen keine treibenden Faktoren dafür sein, dass Wohnungseigentum nicht von einer Generation an die andere übertragen werden kann. Wir als Union fordern daher die massive Anhebung der Freibeträge bei der Erbschaftsteuer. ({12}) Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Die Ampel handelt nach dem Prinzip Hoffnung. Sie verstricken sich in einem ideologischen Knäuel. Deutschland kann mehr. Wir lehnen Ihre Pläne ab. Herzlichen Dank. ({13})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Das Wort erhält für die Bundesregierung die Bundesministerin Klara Geywitz. ({0})

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Nein, der Einzelplan 25 ist kein Knäuel, sondern ein riesiger Berg. Es ist in diesem Einzelplan nämlich gelungen, die Ausgabemittel des Bundesbauministeriums um fast 50 Prozent zu erhöhen. Das ist mehr als in allen anderen Resorts, und das spiegelt eindeutig die Priorität dieses Themas für die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen wider. ({0}) Hierzu zählt, dass wir jetzt mit dem Wohngeld Plus die Menschen unterstützen, die ganz dringend auf Hilfe angewiesen sind. Der Empfängerkreis verdreifacht sich; das wurde bereits in der Debatte erwähnt. Und es wird doppelt so viel Geld pro Monat zur Verfügung gestellt für immerhin 4,5 Millionen Menschen. Davon profitieren Alleinerziehende, Familien mit niedrigem Einkommen. Aber – auch ganz wichtig – die Hälfte der Wohngeldempfängerinnen und Wohngeldempfänger sind Rentnerinnen und Rentner. Sie haben über Eigentum gesprochen. Auch Menschen mit Wohneigentum können diese Unterstützung, den Lastenzuschuss, beantragen, damit sie in der Lage sind, ihr Haus zu halten. ({1}) Natürlich stellt die Wohngeldreform, die Verdreifachung des Bezugskreises, eine starke Mehrbelastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Wohngeldstellen dar. Deswegen bin ich allen Abgeordneten dankbar, die in den letzten Wochen vor Ort waren und darauf aufmerksam gemacht haben: Da wird wichtige Arbeit geleistet, die den Menschen in einer extrem schwierigen, in einer historischen Ausnahmesituation konkret hilft. Wir haben zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen im Bundestag, aber auch im Bundesrat geschaut, wie wir diese Reform operationalisieren, wie wir sie gangbar machen und entbürokratisieren können. Der Bewilligungszeitraum ist von 12 auf 24 Monate verdoppelt worden. Und wir haben auch jetzt die Möglichkeit, mit einem vorläufigen Bescheid zu arbeiten, damit sich viele Menschen nicht die Frage stellen müssen: „Essen oder heizen?“, sondern frühzeitig Unterstützung bekommen. Herr Luczak, Sie kennen sich ja in Berlin gut aus. Ich habe in Berlin das Wohnungsamt Pankow besucht. Da wurde mir gesagt, in Berlin werde man in der Lage sein, schon im Januar zu bescheiden. ({2}) Sie haben den Antrag aus dem Bundesrat zitiert. Was ist die Idee von Nordrhein-Westfalen? Die Idee von Nordrhein-Westfalen ist, das Wohngeld nicht zum 1. Januar 2023 in Kraft treten zu lassen, sondern zum 1. April. Dadurch geht doch nichts schneller. Das Einzige, was passiert, ist, dass die Menschen nicht rückwirkend ab 1. Januar 2023 ihren Anspruch erheben können und dann eine größere Summe ausgezahlt bekommen, wenn ihr Antrag bearbeitet wird. Vielmehr nehmen Sie ihnen die finanzielle Unterstützung für drei Monate weg, wenn Sie die Wohngeldreform später in Kraft treten lassen. ({3}) Wir erhöhen die Mittel für den sozialen Wohnungsbau; Sie haben die Entwicklung angesprochen. Wir arbeiten intensiv an der Einführung der Wohngemeinnützigkeit, und wir starten ein neues Förderprogramm, um Familien mit Kindern und Familien mit kleinen Einkommen beim Erwerb von Wohneigentum zu unterstützen. Die große Herausforderung dieser Zeit ist und bleibt trotz aller anderen Belastungen, die wir zurzeit spüren, natürlich der Klimawandel. Deswegen verbreitern wir unseren Ansatz. Wir fokussieren nicht mehr nur auf die Frage der Energieeffizienz, sondern haben das Qualitätssiegel Nachhaltiges Gebäude entwickelt, um einen nachhaltigen Gebäudebereich in Deutschland zu schaffen. Das Bündnis bezahlbarer Wohnraum – Sie haben es angesprochen – hat ein großes Maßnahmenpaket entwickelt. Mir war immer von Anfang an wichtig, dass es nicht nur auf einen Tag im Kanzleramt reduziert wird, an dem man zusammenkommt und ein schönes Foto macht. Es geht darum, anzuschauen und auszuwerten, was in Deutschland dazu führt, dass wir zurzeit zu langsam bauen. Dieser Prozess wird am Freitag im Rahmen der außerordentlichen Bauministerkonferenz fortgesetzt; denn wir arbeiten natürlich mit den Ländern zusammen. Sie wissen: Wesentliche Stellschrauben sind in der Bauordnung. ({4}) Natürlich gibt es viele Stimmen, die sagen: Kostensteigerung, Materialengpässe, Fachkräftemangel und jetzt die Einschränkungen durch den Krieg in der Ukraine – wir werden es dieses Jahr nicht schaffen, 400 000 Wohnungen zu bauen. – Aber blicken wir zurück auf das letzte Jahr, als es ganz viele dieser Einschränkungen noch nicht gab. Im letzten Jahr der alten Regierung wurden auch weniger als 300 000 Wohnungen gebaut. Deswegen sage ich: Wir haben in Deutschland ein Produktivitätsproblem. Wir brauchen dringend die Ausweitung der Baukapazitäten insgesamt. Denn wir schaffen es sonst weder in guten noch in schlechten Zeiten, die notwendigen Wohnungen zu bauen. ({5}) Wir haben es das letzte Mal im Jahr 2000 geschafft, 400 000 Wohnungen zu bauen. Das liegt natürlich auch daran, dass wir in dem Bereich der Transformation der Bauwirtschaft in den letzten Jahren viel zu wenig investiert haben. Stichwort „Bauforschung“: Schauen Sie sich an, wie wenig wir in Bauforschung investieren angesichts des gewaltigen Potenzials für CO2-Reduktion, aber auch angesichts der dringend notwendigen Modernisierungen und der Frage, wie wir in Zukunft mit weniger Fachkräften mehr bauen. Eines ist mir ganz wichtig – dieser Punkt betrifft die Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden –: Dieses Ministerium ist ein Kommunalministerium. Sie haben gesagt, wir hätten bei der Städtebauförderung 110 Millionen Euro gekürzt. Sie wissen genau: Dieser Bundestag hat sich entschieden, Sportstätten in den Kommunen in Zukunft anders, nämlich über das SJK-Bundesprogramm, zu fördern. Ich habe auch aus Reihen der Union so viele Schreiben bekommen, dass ich weiß, dass Ihnen dieses Programm sehr wohl bekannt ist. ({6}) Also sprechen Sie bitte nicht davon, dass wir die Unterstützung der Kommunen in dem Bereich reduziert haben. Wir haben sie deutlich erhöht. ({7}) Auch die Unterstützung bei der Anpassung der urbanen Räume an den Klimawandel ist mir sehr wichtig. Wir werden Hitzeinseln sehen. Wir werden Starkregenereignisse sehen. Wir lassen die Kommunen bei der Anpassung nicht allein. Ich danke dem Parlament, dass wir erneut Mittel für den barrierefreien Umbau bekommen haben, und bin ganz hoffnungsvoll, dass wir es beim nächsten Regierungsentwurf schaffen, dies gleich, dem Wunsch des Parlaments folgend, von vorneherein hineinzunehmen. ({8}) Ich danke auch den Abgeordneten, die an diejenigen gedacht haben, die keine Wohnung haben: die Obdachlosen, die Wohnungslosen. Es ist gut, dass diese Bundesregierung und dieses Parlament diesem wichtigen Themenfeld große Aufmerksamkeit widmen. Wohnen ist ein Menschenrecht. Es gibt immer noch zu viele Menschen in Deutschland, die dieses Menschenrecht nicht wahrnehmen können, weil sie keine Wohnung haben. Hier müssen wir dringend anpacken. Es gibt in den Kommunen ganz viele Engagierte, die darauf warten, dass wir auch grundlegende Fragen wie den Zugang zur Krankenversicherung ansprechen. Wir haben hier viel über Städte gesprochen. Als Brandenburgerin liegt es mir sehr am Herzen, zu sagen: Wir sind das Ministerium nicht nur für die großen Metropolen, sondern natürlich auch für den ländlichen Raum und die Kleinstädte, die im ländlichen Raum ganz wesentliche Ankerfunktionen haben. Deswegen freut es mich, dass wir auch die Arbeit der Kleinstadtakademie auf ganz neuem Niveau ausbauen und den so wichtigen Best-Practice-Austausch der Kommunen untereinander verstärken können. Als Raumordnungsministerin ist mir der Zusammenhalt in Deutschland sehr wichtig. Deswegen ist es schön, dass mein Ministerium mit seiner baufachlichen Expertise auch die wichtige Standortsuche für das Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und Europäische Transformation unterstützen kann. Sehr geehrte Damen und Herren, insgesamt setzen wir also mit diesem Haushalt beherzt an den drei drängenden gesellschaftlichen Fragen an: bezahlbarer Wohnraum für möglichst viele, ein innovatives, klimafreundliches Bauwesen und lebenswerte Städte und Gemeinden. Bei aller strittigen Debatte bedanke ich mich für die gute Zusammenarbeit mit den allermeisten Fraktionen. Herzlichen Dank. ({9})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Nächster Redner ist für die AfD-Fraktion Roger Beckamp. ({0})

Roger Beckamp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005020, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alles wird teurer. Nur Häuser und Wohnungen werden plötzlich zumindest etwas billiger. Das verwundert zunächst, ist das Bauen in letzter Zeit doch massiv teurer geworden. Und auch die Kaufangebote auf dem Wohnungsmarkt nehmen zu. Auch das verwundert, ist doch die Zahl der Baugenehmigungen für neue Wohnungen in Deutschland deutlich eingebrochen. In der Tat sind derzeit mehr Wohnungen und Häuser auf dem Markt – das allerdings immer noch auf einem sagenhaft hohen Preisniveau. Aber zumindest steigen die Preise erst einmal nicht weiter. Ist das ein Ergebnis guter Bau- und Wohnungspolitik, damit sich viele Menschen den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen können? Nein, leider nein, leider gar nicht. Wirklich freuen können sich über diese Entwicklungen die wenigsten, nur die, die schon viel Geld haben oder sehr gut verdienen. Eine eigene Immobilie ist für die meisten Menschen in unserem Land unerreichbarer denn je; denn Ursache des größeren Angebotes ist eben nicht, dass sehr viel mehr gebaut worden wäre, sondern, dass es länger dauert, bis Käufer gefunden sind. Gleichzeitig werden immer mehr Bauprojekte eingestellt. Eine Stornierungswelle in der Baubranche ist in vollem Gange. Zitat: Angesichts der oft kaum mehr kalkulierbaren Baukosten und rasch steigenden Bauzinsen werfen viele Bauherren das Handtuch, sie stellen Projekte zurück oder streichen sie ganz. So das ifo-Institut. – Die Erwartungen der Baubranche notieren auf dem tiefsten Stand seit Beginn der Erhebung im Jahre 1991. Die meisten Menschen können es nämlich einfach nicht mehr bezahlen. Daher machen viele Bauunternehmen zunächst einfach mal nichts. Die Hoffnung auf bezahlbares Wohneigentum für alle Deutschen und Einheimischen hat diese Regierung, haben Sie ausgeknipst. Und das ist geradezu zwangsläufig, wenn die Einnahmen der meisten Leute in unserem Land gleichbleiben, aber die Zinsen für Immobiliendarlehen massiv steigen. Diese Zinsen haben sich in den letzten Monaten vervierfacht: von gut 1 Prozent zu Anfang des Jahres auf jetzt 4 Prozent. Grund dafür ist die Inflation – Ihre Inflation! Die von Ihnen verschuldete Inflation muss runter. Solange das nicht der Fall ist, ({0}) müssen die Menschen in unserem Land von Kosten entlastet und muss ihnen zugleich geholfen werden, finanzielle Hürden beim Eigentumserwerb zu überwinden. ({1}) Gute Ideen – da können Sie gern dazwischenquaken, wie Sie möchten – ({2}) dafür gibt es genug, hatten Sie ja selbst schon mal! Es war von Ihnen vorgesehen, ({3}) den Bundesländern zu ermöglichen, die Grunderwerbsteuer flexibel zu handhaben, etwa mit Freibeträgen für Selbstnutzer. Diese Regierung hatte selbst einmal vorgesehen, eigenkapitalersetzende Darlehen einzuführen, damit Haushalte leichter Wohneigentum erwerben können. Das wäre in der Tat eine Wohnungspolitik, die ihren Namen verdient. Das wäre auch eine Haushaltspolitik zugunsten des eigenen Volkes. Das wären alles Wege, die vielen Menschen den Weg zu Wohneigentum erleichtern würden. Alles Versprechen dieser Regierung, übrigens auch der Vorgängerregierung! Passiert ist damals nichts und heute auch nichts. Auch Ideen wie etwa eine Hypothekenversicherung, also eine staatliche Immobilienkreditversicherung wie in den Niederlanden und wie vom Institut der deutschen Wirtschaft vorgeschlagen, wären ein weiterer Schritt. Aber das hat für Sie hier keine Priorität. Das findet im Haushalt eben alles nicht statt. ({4}) Es bleibt die Frage: Wie soll eine Familie das bezahlen? Aber Sie widmen sich lieber Ihrem Lieblingsprojekt: Geld der Steuerzahler an Leute zu verteilen, die absehbar nichts zu unserem Land beitragen. Und damit meine ich ausnahmsweise mal nicht nur Asylforderer aus Afrika und dem Nahen Osten, sondern zum Beispiel auch die Milliarde für das Bundeskanzleramt. Das ist noch konservativ geschätzt. Ich wette mit Ihnen, 1,5 Milliarden Euro werden es mindestens. Frau Ministerin, niemand verlangt von Ihnen, dass Sie Wohnungen bauen. Aber den Rahmen müssen Sie richtig setzen und das Geld an die richtigen Leute verteilen; bauen werden dann schon andere. Aber genau das machen Sie nicht, und vielleicht wollen Sie das auch nicht. Eigentum ist verdächtig, Eigentum ist Freiheit – und das ist Ihr Problem. ({5}) Es bleibt die Erkenntnis: Wer mit einem mittleren Einkommen ein Haus kaufen möchte in diesem Land, ({6}) wird auf ein Erbe oder das Ende der Inflation hoffen müssen oder am besten auf das Ende dieser Regierung. ({7})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Nächster Redner ist für Bündnis 90/Die Grünen Kassem Taher Saleh. ({0})

Kassem Taher Saleh (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005197, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Ich möchte heute meine Zeit etwas effektiver nutzen und werde daher nicht auf die Märchenstunde der AfD eingehen. ({0}) Sehr geehrte Damen und Herren, mein Bild von einer gelungenen Bauwende sieht wie folgt aus: Häuser, die von oben nach unten begrünt sind, mit Efeu an den Fassaden und Gras auf den Dächern. ({1}) So schön die Vorstellung ist: Dieses Gras fängt nicht plötzlich an, zu wachsen. Damit die Pflanzen auch gedeihen können, braucht es einen Nährboden, eine Grundlage. ({2}) Und das ist dieser Haushalt. Er schafft Grundlagen: erstens Grundlagen für bezahlbaren Wohnraum und gegen Wohnungslosigkeit; zweitens Grundlagen in der Forschung, damit weitere Lösungswege gefunden werden, um die viel zu hohen Emissionen im Gebäudesektor zu minimieren, ({3}) und drittens Grundlagen für eine Wärmewende, die mit Blick auf diesen und weitere Winter auch tatsächlich angegangen wird. Meine Damen und Herren, die Kälte ist nun endgültig angekommen. Eine Bevölkerungsgruppe hat in den nächsten Monaten besonders hart zu kämpfen: ({4}) Menschen, die von Obdach- und Wohnungslosigkeit betroffen sind. ({5}) Der Nationale Aktionsplan zur Überwindung von Obdach- und Wohnungslosigkeit bis 2030 ist ein wichtiges Projekt dieser Ampel. Ich bin froh, dass die Grundlage dafür im Haushalt durch unsere Haushälter Markus Kurth, Torsten Herbst, Uwe Schmidt gelegt ist; ({6}) denn das Recht auf Wohnen ist ein Menschenrecht. Ein weiteres Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag wurde in den Haushalt 2023 übersetzt: die Neubauförderung für die Schwellenhaushalte. Damit fördert der Bund künftig energieeffiziente Eigenheime. Wir sollten uns dabei nicht auf den energieintensiven Neubau versteifen. Stattdessen sollten auch Gelder in den Umbau zur Schaffung von Eigenheimen fließen. Vielleicht kann ich die Ministerin auch davon noch überzeugen. Aber in ihrer Rede hat sie das ganz klar betont: Neubau ist wichtig. Nichtsdestotrotz müssen wir auf den Bestand gehen, nicht nur in urbanen Gebieten, sondern auch im ländlichen Raum; ({7}) denn der größte Brocken ist die graue Energie. Beim Bau eines unterkellerten dreigeschossigen Mehrfamilienhauses in Massivbauweise entstehen pro Quadratmeter 800 bis 900 Kilogramm CO2, also pro Quadratmeter so viel wie ein Flug von Berlin nach Katar verursacht. Ich wiederhole noch mal: pro Quadratmeter. ({8}) Wir müssen jetzt also dringend und viel mehr darauf schauen, welche Baumaterialien wir verbauen. Die Bauforschung hat in diesem Feld schon viel geleistet. Es ist gut und wichtig, das Innovationsprogramm Zukunft Bau mit jetzt fast 4,8 Millionen Euro aufzustocken. Auf die Forschung muss aber auch die Umsetzung folgen. Wir wissen schon lange, wie wir mit nachwachsenden Rohstoffen wie zum Beispiel mit Holz bauen. Deshalb ist ja auch die nationale Holzbaustrategie im Koalitionsvertrag vereinbart. Wir Bündnisgrüne werden ökologische Baustoffe weiter pushen, auch ohne die entsprechenden Gelder im Haushalt 2023. Zuletzt: Wir schaffen mit diesem Haushalt viele wichtige Grundlagen für die Wärmewende. Wir haben es jetzt schwarz auf weiß: Diese Bundesregierung hat verstanden, dass es auf den Bestand ankommt. Ich und viele andere sagen es immer wieder: Wir müssen an unsere energetisch am schlechtesten gedämmten Gebäude ran. ({9}) Allein 13 Milliarden Euro sind im Haushalt 2023 für die Sanierungsförderung bereits vereinbart. Damit tatsächlich mehr saniert wird, braucht es eine flächendeckende Energieberatung und qualifizierte Fachkräfte. ({10}) Das Aufbauprogramm Wärmepumpe hat sogar einen eigenen Titel. Das ist auch gut so und kurbelt die Wärmewende weiterhin an. Meine Damen und Herren, dieser Haushalt schafft an vielen Stellen einen nährreichen Boden für den sozial-ökologischen Wandel unseres Landes, unserer Nation, nämlich indem wir investieren, investieren in die Wärmewende, investieren in die Forschung, investieren in die soziale Gerechtigkeit. Diesen Nährboden zu bepflanzen, das muss unsere gemeinsame Aufgabe sein. Lassen Sie uns gemeinsam die Bauwende angehen. Vielen Dank. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Nächster Redner ist für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Ulrich Lange. ({0})

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach einem Jahr Ampel, nach einem Jahr eigenes Bauministerium, Frau Ministerin, müssen wir leider konstatieren, dass es ein verlorenes Jahr war. Wenn Sie an das Jahr 2000 mit 400 000 Wohnungen erinnern, dann erinnere ich Sie daran, dass das das Ende der Regierung Kohl war, mit einem Bauministerium unter Eduard Oswald. Sie können aber gerne versuchen, an diese Historie anzuknüpfen, Frau Ministerin. ({0}) Es nützt nichts, weiter Luft- und Traumschlösser zu bauen und von diesen 400 000 Wohnungen zu reden oder zu träumen, Beschlüsse zu fassen oder Gipfel in welchen Räumen des Kanzleramtes oder Ministeriums auch immer abzuhalten. Fakt ist, dass wir 10 Prozent weniger Baugenehmigungen haben. Das heißt, wir werden definitiv auf einen weiteren Rückgang im Wohnungsbaubereich zusteuern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und was tun Sie dagegen? Eine Wohnungseigentumsförderung, die ihren Namen nicht verdient! ({1}) 350 Millionen Euro im Jahr sind es tatsächlich. Man mag jetzt über das Baukindergeld reden; aber das Baukindergeld hatte ein Volumen von 10 Milliarden Euro, liebe Kolleginnen und Kollegen, ({2}) 10 Milliarden Euro für 300 000 Familien, die damit ihre eigenen vier Wände bekommen haben, die ihren Traum vom Eigenheim leben können, die heute in einem energetischen, in einem schönen Häuschen mit Garten glücklich als Familie leben. Das ist Union. Das ist Gesellschaftspolitik, das ist Baupolitik, und das ist Familienpolitik aus einem Guss. ({3}) Was Sie jetzt produzieren, ist doch nichts anderes als neuer Frust nach Ihrem ganzen Förderchaos in diesem Jahr. Sie haben das Baukindergeld auch noch vorzeitig gestoppt. Lieber Kollege von den Grünen, da ich Sie gerade vom grünbegrasten, efeuumrankten Haus habe reden hören, muss ich ganz offen sagen: Ein Haus mit all den Baustoffen, die Sie verbauen möchten, sollte bei aller energetischen Wohlfühlatmosphäre für Menschen, für Familien mit normalem Einkommen bezahlbar bleiben. Darum geht es uns als Union auch. ({4}) Wenn es ein Menschenrecht ist, dann hat jeder den Anspruch auf eine warme Wohnung. ({5}) Das ist das, worum es uns primär geht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wohneigentum dient auch der privaten Vermögensbildung und schützt vor Altersarmut. ({6}) Mietenpolitik und Wohnungseigentumspolitik müssen immer zusammen gedacht werden. Das lässt sich nicht trennen. Eigentlich dachten wir mal, dass die FDP das auch wüsste, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Lassen Sie mich noch zwei, drei Sätze zu den Kommunen sagen. Lieber Kollege Daldrup, ich schätze Sie wirklich als Politiker aus der kommunalen Familie. Aber Sie wissen natürlich – Sie haben sicherlich die Stellungnahme des Bundesrates und damit auch Ihrer eigenen Länderkollegen ganz genau gelesen –, dass das Wohngeld Plus in den Kommunen so nicht umsetzbar ist. So schnell können sie das Personal gar nicht finden, das sie brauchen für Wohngeld, für Bürgergeld, für das 49‑Euro-Ticket. Allein bei mir im Landkreis brauchen wir 30 neue Stellen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die können wir nicht von der Straße holen. Die sind nicht da. Sie versprechen etwas, was in der Realität der Kommune, der Kommunalpolitik scheitert, und das ist unredlich den Bürgerinnen und Bürgern gegenüber. ({8}) Gleiches gilt für die Städtebauförderung. 790 Millionen Euro bedeuten, dass es am Ende deutlich weniger Geld sein wird. 790 Millionen Euro hatten wir die ganze Zeit schon fortgeschrieben; angesichts der Steigerung der Preise haben die Kommunen nun weniger Geld für die tatsächliche Umsetzung von Maßnahmen. Das ist einfach die Wahrheit und ein Teil der Lebenswirklichkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({9}) Das betrifft auch die nationalen Projekte des Städtebaus, die sogenannten Leuchttürme – der Kollege hat sie schon angesprochen –: Würden Sie das Geld, das Sie jetzt für den Erweiterungsbau des Bundeskanzleramts einsetzen, bei den Leuchttürmen der nationalen Projekte des Städtebaus einsetzen, dann hätte das ganze Land viel gewonnen. Die Möglichkeit dazu haben wir Ihnen gegeben, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({10}) Entgegen dem, was Kolleginnen und Kollegen der Ampelfraktionen in der letzten Debatte hier behauptet haben, haben wir im Haushaltsausschuss einen Maßgabebeschluss vorgelegt, beim Kanzleramt einen kleineren Erweiterungsneubau vorzusehen oder das Projekt zu verschieben. Die Zeitenwende darf an der Tür des Kanzleramts nicht enden. Das kann nicht sein, Herr Bundeskanzler. ({11}) Diese Form von Fake News über uns als Union an dieser Stelle in der letzten Debatte weise ich hier noch mal zurück, liebe Kolleginnen und Kollegen. Keine Wohnraumoffensive, keine Städtebauoffensive, keine Offensive für die Kommunen beim Wohngeld – stattdessen ist dies eine Schuldenoffensive einer funktionsgestörten Ampelregierung. Danke schön. ({12})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Der nächste Redner steht schon bereit: Hagen Reinhold für die FDP-Fraktion. ({0})

Hagen Reinhold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004229, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Lange, Sie wollen mit Fake News aufräumen. Das ist gut, das will auch ich; dafür nehme ich mir die Zeit. Herr Breilmann, die Immobilienwertermittlungsverordnung ist 2021 im Hause Seehofer – der gehörte zu welcher Fraktion? aha, Ihrer – erarbeitet worden und am 1. Januar 2022 in Kraft getreten. ({0}) Das ist die Wahrheit. ({1}) Sie haben auch das Vorschriftendickicht angesprochen. Ja, das haben Sie 16 Jahre gehegt, gepflegt und gegossen. Jetzt stehen Sie am Rand, schauen zu und beschimpfen noch diejenigen, die die Heckenschere in die Hand nehmen und diese Vorschriften angehen wollen. Das ist unredlich. ({2}) Efeu wächst übrigens auch kostenlos und von allein. Am besten finde ich, dass zwei Redner von Ihnen der Meinung waren, dass der Auftragseinbruch und der Genehmigungsrückgang ernsthaft mit dem Baukindergeld zu tun haben. Ich bin Maurermeister und habe selbst ein Bauunternehmen. Wir haben zurzeit eine Zinsentwicklung, die besorgniserregend ist. Wir haben hohe Materialpreise und Lieferengpässe noch und nöcher, Lieferketten drohen zusammenzubrechen. Es gibt viel zu wenig Facharbeiter. Das sind die Gründe, warum die Baufirmen zurzeit Not haben, aber mit Sicherheit nicht wegen Ihrem Baukindergeld, das im Übrigen schon im März 2021 endete. ({3}) Weil wir in der Ampel einen anderen Blick auf die Welt haben, nämlich einen realistischen, mache ich mal mit dem realistischen Blick weiter. Der ist nicht: Jeder wohnt in einem schönen Neubau, am besten am See, bodengleiche Duschen, ein Fahrstuhl drin, eine gut abgestimmte Heizung mit erneuerbaren Energien. – Nein, in diesem Land sind 70 Prozent der Häuser vor 1990 gebaut worden, und diese Häuser sehen etwas anders aus. ({4}) Da muss ich drei, vier Stufen hochgehen, um ins Haus hineinzukommen, wahrscheinlich noch eine ganze Etage, um ins Bad zu kommen. Ich gehe durch eine 73‑Zentimeter-Tür – das ist Rohbau-Richtmaß –, durch die ich weder mit Rollstuhl noch mit Gehhilfe komme, und lande in einem Badezimmer mit einer gemauerten Badewanne, an der ich kaum vorbeikomme. Weil wir auf die Realitäten schauen, haben wir dieses Jahr 75 Millionen Euro insgesamt in den Beratungen obendrauf gelegt, um altersgerechte Umbauten zu fördern. ({5}) So können die Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt in ihren eigenen vier Wänden bleiben; denn uns ist es wichtig, dass die Menschen in ein Heim kommen, wo sie Wärme und Liebe finden, und das ist bei sich zu Hause. Deshalb gehen wir als Ampel dieses Problem an. 20 Prozent der Bevölkerung sind über 67 Jahre alt, 12 Millionen Wohneigentümer sind über 60 Jahre. Weil uns all das bekannt ist, gehen wir das an. Realität ist auch: Wenn ich nicht nur das Vorschriftendickicht bekämpfen will, sondern auch die Kosten fürs Wohnen und fürs Bauen senken will, brauche ich Forschung und Entwicklung, zum Beispiel für neue Baumaterialien, neue Baustoffe. Deshalb stärken wir die Bauforschung. Ich brauche Maßnahmen, um die Bauwirtschaft anzureizen, in dieser Situation weiter zu bauen. Die Ministerin hat zu Recht ausgeführt, dass es in diesen schweren Zeiten trotzdem gelingt, die Zahl der Bauten so hoch zu halten, wie sie gerade ist. Wir verschließen die Augen nicht vor der Wahrheit wie Sie. Wir gehen das an, und zwar nicht mit Maßnahmen, bei denen wir einfach nur viel Geld ins Schaufenster stellen – Sie haben heute wieder versucht, es so darzustellen –, sondern mit klugen Beschlüssen des Haushaltsausschusses, die auch noch verlangen, dass man Bericht erstattet, wie das Geld ausgegeben worden ist und ob wir wirklich CO2 einsparen. Das ist eine kluge Haushaltsführung in diesem Land, indem wir endlich dazu kommen, dass Fördermittel aufgelegt werden, die auch abgerufen werden und diesem Land helfen. Wir helfen dem Land – Sie schreien heute nur. ({6})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Nächste Rednerin ist Mechthild Heil für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Mechthild Heil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004052, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gegen Ende der Debatte zu unserem schönen Einzelplan 25 einmal festhalten: Es ist wirklich schön, dass es diesen Plan gibt. Das haben wir Baupolitiker mit unserer Arbeit in der letzten Legislaturperiode erreicht. Das wird auch den Problemen in unserem Land wirklich gerecht. In der Gesamtschau – da bin ich ehrlich – ist der Einzelplan 25 finanziell durchaus nicht schlecht ausgestattet. Schwierig wird es allerdings, wenn man in die Details schaut. Da sieht man, dass es in nur zwei Bereichen erhebliche Mittel gibt, nämlich einmal für den sozialen Wohnungsbau – ich bin gespannt, was daraus wird – und beim vielbesprochenen Wohngeld. Der restliche Etat ist echt Brachland, ödes, dürres Brachland, ungenützte Fläche. Sie blicken mit Ihrem Einzelplan eben nicht in die Zukunft. Bei der Städtebauförderung verweisen Sie stolz darauf, dass Sie Mittel in Höhe von 790 Millionen Euro verstetigen würden. Was heißt das denn genau? Diese Summe steht ungefähr so seit Jahren in den Bundeshaushalten. Aber die Baupreise steigen ja nun seit einem Jahr immer schneller und der Gesamtumfang des Bundeshaushaltes auch. Was Sie also in Wirklichkeit machen, wenn Sie von „verstetigen“ sprechen, ist: Sie kürzen die Städtebauförderung real. ({0}) Natürlich wissen Sie das. Ich frage mich: Warum sagen Sie das eigentlich nicht? Fehlt Ihnen der Mut dazu? ({1}) Es findet sich auch keine finanziell kraftvolle Gestaltung im Bereich der Digitalisierung, nichts, um die Länder und Kommunen bei der Digitalisierung im Bereich „Planen, Genehmigen und Bauen“ zu unterstützen. ({2}) Dabei liegen gerade da ja die erheblichen Potenziale, auf die gerade auch die Wohnungswirtschaft immer wieder hinweist. „Digital first“, liebe Kollegen von der FDP, darf eben nicht nur ein Schlagwort sein. Sie müssen deshalb deutlich mehr Geld auch in diesem Bereich in die Hand nehmen, Frau Ministerin. Sie, Frau Ministerin, wollen, dass 400 000 neue Wohnungen errichtet werden – in einem zugegebenermaßen schwierigen Marktumfeld. Kürzlich haben Sie deswegen das „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“ ins Leben gerufen und dort Ihre Ideen vorgestellt. Ehrlich gesagt, viele der Ideen sind schon ziemlich alt. Vieles, was Sie da gesagt haben, ist regulatorischer Art. Aber der Kern liegt doch darin: Sie übersehen geflissentlich, dass Bauen nun mal Geld kostet, natürlich in erster Linie das Geld der Investoren und der Bauherren. Aber ohne eine substanzielle staatliche Förderung werden Sie Ihr Ziel, mehr zu bauen, nicht erreichen können. Was tun Sie nun? Anstatt zu fördern und Geld in die Hand zu nehmen, fallen Sie mit einem Förderchaos auf. Zugegebenermaßen, das müssen nicht Sie sich anheften, sondern Ihr Kollege, der die Federführung hat: Bundeswirtschaftsminister Habeck. 2023 werden Sie im Bauministerium für die Neubauförderung verantwortlich sein. Aber wo bleibt denn in diesem Haushalt der finanzielle Anschub für den Wohnungsbau? Nur 1 Milliarde Euro stehen – verteilt über alle Programme – im Haushalt zur Verfügung. Das ist nun wirklich kein kraftvoller Anschub, sondern für uns ist das ein Feigenblatt. ({3}) Ein wichtiges Thema in unserem Arbeitsbereich ist auch das mittlerweile sehr teure Bauland. Das stellen Sie in den Redebeiträgen auch immer wieder fest. Was könnte man da nicht alles machen? Sie könnten zum Beispiel die Kommunen beim Bodenmanagement finanziell unterstützen. Sie könnten ein Brachflächenprogramm auflegen, kraftvolle Programme für 2023 – aber nichts von alldem, Fehlanzeige, gähnende Leere. ({4}) Nur mit Reden und Konzeptpapieren lässt sich kein Bauland aktivieren. Fast hat es den Anschein, Sie wollen gar kein neues Bauland ausweisen. Sind Sie da von den Grünen am Nasenring durch die Manege geführt worden? Man weiß es nicht. Auch in den Einzelmaßnahmen ist Ihr finanzielles Engagement begrenzt. Wir haben eben schon über altersgerechten Umbau – wir haben einen entsprechenden Antrag gestellt – und Einbruchschutz geredet, alles erfolgreiche Förderprogramme der letzten Bundesregierung. Bei Ihnen müssen wir als Baupolitiker da um jeden Cent kämpfen; leider meistens sehr erfolglos. Da beneide ich jetzt die Kollegen von der Ampelkoalition nicht. Sie wollen wahrscheinlich mein Mitleid nicht. ({5}) Ich kann nur hoffen, dass es in den nächsten Jahren besser wird. Frau Ministerin, Sie haben angekündigt, im Jahre 2024 nachzulegen. Nicht nur für den Einzelplan 25, sondern für den gesamten Bundeshaushalt relevant ist auch das Thema Bundesbau. Hier wird tatsächlich einiges gestaltet und an Geld investiert. Ausgerechnet dieser Bereich soll nun nach dem Willen der Ampelkoalition in wesentlichen Teilen aus dem Verantwortungsbereich des Bauministeriums in den des Finanzministeriums übergehen. ({6}) Da liegt wirklich der Gedanke nahe: Was bleibt denn dann eigentlich im Bauministerium? Ist das die reine Mangelverwaltung, die Sie dann noch haben? Ich frage mich wirklich, was das soll. Aber die Antwort können Sie in der Ampel geben. ({7}) Weil wir es eben schon kurz angesprochen haben, würde ich gerne noch mal auf das Bundeskanzleramt eingehen. Ja, wir haben die Erweiterung damals mitbeschlossen. Aber damals war die Welt eine andere. Heute sind die Baukosten viel höher, und wir sagen: Es ist heute wirklich angemessen, dass man sich das noch mal anguckt, dass man nach Einsparpotenzialen sucht und prüft, ob man den Bauzeitpunkt nicht doch noch verschieben kann. ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss möchte ich sagen: Frau Ministerin, wir wissen, dass Ihr Ministerium noch nicht gut aufgestellt ist, dass es viele Planstellen gibt, die noch nicht besetzt sind. Aber ich lege Ihnen wirklich ans Herz: Setzen Sie sich im Einzelplan für das Jahr 2024 deutlich stärker gegen Ihren Finanzminister durch! Das tut allen im Land gut, vor allen Dingen den Leuten, die bauen und wohnen wollen. Vielen Dank. ({9})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Nächste Rednerin ist Franziska Mascheck für die SPD-Fraktion. ({0})

Franziska Mascheck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005144, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin ein bisschen irritiert. Wir haben hier gerade eine Debatte, in der die gesamten Haushaltsverhandlungen, die wir gemeinsam geführt haben, mit falschen Tatsachen, Verdrehungen und Verkürzungen einfach in der Luft zerrissen werden. Wissen Sie, ich komme aus Ostdeutschland. Wir brauchen ein bisschen Vertrauen in die Demokratie. Und wenn hier so eine seltsame Debatte stattfindet, die in den Fakten einfach falsch ist, ({0}) die verkürzt ist, dann mache ich mir wirklich Sorgen, ({1}) wie wir gemeinsam nach draußen transportieren wollen, dass wir hier eine unglaubliche Arbeit leisten, ({2}) in der wir die Probleme anpacken, gucken, was notwendig ist, und nach vorne gehen. Und ja, dieses kleine bisschen Haushalt macht sich eben nicht von allein. Wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier müssen jedes Mal dafür streiten und richtig kämpfen. Besonders jetzt, wo sich die Folgen des russischen Angriffskrieges in jedem Haushalt zeigen, müssen wir gucken, dass wir die Balance finden, einerseits die Herausforderungen zu bewältigen, andererseits aber auch in die Zukunft zu investieren. Die Kosten fürs Wohnen und für den gesamten Bausektor sind gestiegen; sie sind auch schon vorher gestiegen. Deswegen haben wir schon im Koalitionsvertrag den Heizkostenzuschuss und die Wohngeldreform vereinbart. Genau diese Dinge haben wir auch umgesetzt, liebe Union. ({3}) Aber zurück in die Zukunft: Die Kunst ist es also, die Balance zu halten zwischen bezahlbarem Wohnen einerseits und den Investitionen in die Zukunft andererseits, und das, meine Damen und Herren, macht sich eben nicht von allein. Deswegen danke ich den Kolleginnen und Kollegen in den Ausschüssen, im Haushaltsausschuss sowie auch deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diesen Drahtseilakt wirklich mit ganz großem Engagement gemeistert haben. Ein Baustein ist das massiv ausgebaute Wohngeld mit 2,9 Milliarden Euro. Damit helfen wir Menschen mit wenig und sehr wenig Einkommen. Unter ihnen sind besonders viele Menschen in Ostdeutschland, Rentnerinnen und Rentner und besonders auch Familien. Ich freue mich über das neue Förderprogramm für Wohneigentum für Familien, weil es genau da ansetzt, wo es uns wichtig ist: bei Familien mit wenig und mittlerem Einkommen. Bundesministerin Klara Geywitz hat es angekündigt: Dafür sind 350 Millionen Euro im Haushalt vorgesehen. ({4}) Ja, es trägt genau an dieser Stelle auch dazu bei, dass wir mehr Menschen in Ostdeutschland unterstützen, wo die Löhne und Vermögen 32 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch niedriger sind als in Westdeutschland. Das ist ein weiterer kleiner Baustein für gleichwertige Lebensverhältnisse. ({5}) Was ich besonders begrüße, ist, dass das sehr gut gelaufene – es wurde jetzt auch schon mehrmals erwähnt – Förderprogramm „Altersgerecht Umbauen“ noch einmal mehr Geld bekommen hat, als es der Haushalt ursprünglich vorsah. Auch damit unterstützen wir ältere Menschen, die in ihren eigenen vier Wänden bleiben möchten und dafür eben ein paar Anpassungen brauchen. All das macht sich nicht von allein. Liebe Union und lieber Herr Breilmann, Sie haben mehr Geld dafür gefordert. Aber Sie wollten das Geld aus dem sozialen Wohnungsbau nehmen. Irgendwie ist das komisch: von den Ärmsten das Geld wegnehmen, um es den anderen zu geben. So geht soziale Gerechtigkeit ganz sicher nicht, liebe Union. So was machen Sie bitte schön alleine. ({6}) Und ja, auch ich hätte sehr gern neue Haushaltsmittel für das Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ gesehen, tatsächlich. Aber angesichts der Herausforderungen im Haushalt ist es mir doch viel lieber, das Geld kommt bei den Familien an, bei Seniorinnen und Senioren, bei jungen Menschen und Menschen, die Unterstützung brauchen. Wir haben 13,8 Milliarden Euro für die energetische Sanierung im Gebäudebestand im Haushalt vorgesehen, zwar nicht in unserem Einzelplan, aber auch diese Aufgabe muss dringend angefasst werden. Unser Haus hingegen stellt das Geld für die Kommunen zur Verfügung. Die Kommunen können in der Stadtentwicklung – das ist mir ein sehr wichtiges Thema; das wissen Sie – die energetische Sanierung kommunaler Einrichtungen in Sport, Jugend und Kultur angehen. Außerdem ermöglichen wir Maßnahmen, damit Städte besser vor Hitze und Starkregen geschützt werden und sich anpassen können. Dafür stehen insgesamt 700 Millionen Euro zur Verfügung. All das sind wichtige Maßnahmen, um eine sozial gerechtere und ökologischere Welt von morgen zu bauen, und all das macht sich nicht von allein. Dafür dürfen und müssen wir in der Demokratie gemeinsam ringen. Vielen Dank und ein herzliches Glückauf! ({7})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Nächster Redner ist für die AfD-Fraktion Sebastian Münzenmaier. ({0})

Sebastian Münzenmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004836, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir nähern uns dem Jahrestag dieser Bundesregierung, und wir nähern uns auch dem Jahrestag des neu gegründeten Bauministeriums. Groß angekündigt, mit vielen Stellen ausgestattet und vor wichtige Aufgaben gestellt, waren wir, glaube ich, alle hier im Haus gespannt, welche bahnbrechenden Erfolge in Zukunft von Ministerin Geywitz verkündet werden können. 400 000 neue Wohnungen im Jahr war das Ziel der Bundesregierung, dazu Bürokratieabbau, vereinfachte Verfahren, schnellere Genehmigungen und insgesamt einfach weniger Wohnungsnot in Deutschland. Wie sieht denn Ihre Bilanz ein Jahr später aus? Erstens. Anstatt 400 000 Wohnungen werden im Jahr 2022 wahrscheinlich nur ungefähr 200 000 Wohnungen gebaut. Haus & Grund geht sogar davon aus, dass man in den nächsten Jahren sogar weniger als 100 000 Wohnungen pro Jahr baut. Das nennt man krachend gescheitert, meine Damen und Herren. ({0}) Zweitens. Anstatt für vereinfachte Verfahren und für eine bessere Unterstützung zu sorgen, hat die Bundesregierung die KfW-Förderung über Nacht gestoppt und so völlig abrupt bei vielen Bürgern den Traum vom Eigenheim beerdigt. Drittens. Anstatt für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, haben Sie mit Ihrer unsinnigen Energiepolitik die Nebenkosten noch weiter in die Höhe getrieben ({1}) und gehen jetzt ganz aktuell noch so weit, dass Sie die vielen kleinen Vermieter in Zukunft auch noch durch die anteilige CO2-Steuer zusätzlich belasten wollen. ({2}) Sie haben es also in zwölf Monaten geschafft, dass wir weniger Wohnungen als vorher gebaut haben, weniger Menschen Förderungen erhalten haben und weniger Vermieter in Zukunft die eigene Wohnung überhaupt noch vermieten werden. ({3}) Unter normalen Umständen würde man diese Bilanz als katastrophal bezeichnen, ({4}) aber in dieser Bundesregierung fällt Versagen schlicht und ergreifend nicht mehr weiter auf, meine Damen und Herren. ({5}) – Sie dürfen gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie so reinblöken. Melden Sie sich doch! ({6}) Stellen Sie eine Zwischenfrage, wie es unter anständigen Demokraten so Usus ist, und dann gebe ich Ihnen auch gerne eine Antwort darauf. ({7}) Sie schaffen es also nicht, auf der Angebotsseite Wohnraum zu generieren. Aber was ist mit der Nachfrageseite? Jetzt dürfen Sie gleich weiterschreien. Sie wollen es nicht hören – das ist mir bewusst –, aber es ist eben für unseren Wohnungsmarkt ein riesiges Problem, dass jedes Jahr Hunderttausende Migranten nach Deutschland einwandern und auf den Wohnungsmarkt drängen. Wenn im ersten Halbjahr 2022 1 Million Menschen einwandern, dann sind das 2 Millionen Menschen pro Jahr. In den nächsten zehn Jahren kommen wir dann auf 20 Millionen Migranten und hätten unsere Bevölkerung mal ganz flott von 82 Millionen auf über 100 Millionen Menschen gesteigert. ({8}) Irgendwann müssen doch selbst Sie mal merken, dass die jetzt schon bestehende Wohnungsnot beim besten Willen dann nicht mehr zu lösen ist. Wenn Sie auf unsere AfD-Fraktion schon nicht hören wollen, dann schreiben Sie sich doch bitte – gerade Sie, meine Damen und Herren, die immer die großen Zwischenrufe haben, können ganz besonders zuhören – die Worte des Präsidenten des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen hinter die Ohren – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: Bislang reagiert die Bundesregierung viel zu zögerlich und verharrt in ihrer realitätsfernen Wünsch-Dir-Was-Politik … Statt ideologischer Träumereien braucht Deutschland jetzt mehr denn je eine handfeste, auf der Realität basierende Energie-, Bau- und Wohnungspolitik. ({9}) Viel besser hätte ich es auch nicht ausdrücken können. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({10})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Als nächste Rednerin erhält Anja Liebert für Bündnis 90/Die Grünen das Wort. ({0})

Anja Liebert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005130, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Prioritäten und Schwerpunkte im Etat des Bauministeriums liegen 2023 deutlich bei der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger – durch die Ausweitung des Wohngeldes, den zweiten Heizkostenzuschuss und die Wohnraumförderung. ({0}) Die Wohnungsfrage ist die soziale Frage unserer Zeit. Wir schaffen Entlastungen und Unterstützung für die Menschen, die aktuell am dringendsten darauf angewiesen sind. Die Ampelregierung handelt damit in großer sozialpolitischer Verantwortung. ({1}) Wir behalten, gemeinsam mit den sozialen Aspekten, die langfristigen Ziele der ökologischen Transformation fest im Blick. Deshalb haben wir die Mittel für die nachhaltige Stadtentwicklung deutlich verstetigt, und wir haben auch die passenden Instrumente dafür gefunden, zum Beispiel das aus dem Klima- und Transformationsfonds finanzierte Programm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“. Es unterstützt genau das, um nach der verheerenden Flutkatastrophe 2021 und dem Sommer der Dürre und Hitze unsere Städte und Gemeinden klimaresilient anzupassen. ({2}) Es geht darum, dass wir auf der einen Seite mehr Grün und mehr Parks in den Städten schaffen, Frischluftschneisen, um besser mit der Hitze umzugehen, und auf der anderen Seite brauchen wir Versickerungsflächen und Schwammstadtkonzepte, um die Folgen von Starkregen und Überflutungen abzumildern. Laut Ministerium ist genau dieses Programm bereits fünffach überzeichnet. Die Kommunen – viele haben ja vorhin gefragt: wie ist das denn mit den Kommunen? – haben das Problem schnell erkannt. Wir müssen gerade die Kommunen beim Thema „Klimaschutz und Klimaanpassung“ weiter unterstützen. ({3}) Ein weiteres Beispiel: das KfW-Förderprogramm „Energetische Stadtsanierung“. Mit dem Geld wird die Wärmeversorgung öffentlicher Gebäude auf regional verfügbare regenerative Energien umgestellt oder industrielle Prozesswärme in das Fernwärmenetz der Kommunen eingespeist. Hier liegen so viele Potenziale, die wir mithilfe verschiedener Bundesprogramme heben können, aber auch heben müssen. Die Programme der klassischen Städtebauförderung haben wir mit den 790 Millionen Euro auf hohem Niveau verstetigt. Es geht um energetische Gebäudesanierung; es geht aber auch um Flächenrecycling, klimafreundliche Mobilität und Biodiversität in den Städten und Gemeinden. ({4}) Wir als Grüne wollen die Städtebauförderung zukünftig noch viel mehr als Treiber auch für nachhaltige Verkehrskonzepte und Stadtentwicklung ausbauen, für mehr Lebensqualität in den Städten. Mehr Geld für die Programme ist das eine; aber wir brauchen auch mehr Mut. Denn wir müssen auch jenseits der Haushaltsberatungen den Weg der Transformation fortsetzen. Wir müssen unsere Energieerzeugung unabhängig von Gas und Kohle ausrichten, Verfahren vereinfachen, Bürokratie abbauen – da sind alle herzlich eingeladen mitzumachen – und auch dem Ausbau der Erneuerbaren einen neuen Schub geben. Wir machen das schon nächste Woche mit einer kleinen Baugesetzbuchnovelle, und da können Sie sich alle dann auch gerne an der Debatte beteiligen. Sie sehen, dass sich die Ampel mit dem Blick nach vorn der Verantwortung stellt und viel für die soziale Gerechtigkeit und die sozial-ökologische Transformation leistet. Vielen Dank. ({5})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Ab und zu gibt es auch eine Punktlandung, zeitlich. – Nächster Redner ist Timo Schisanowski für die SPD-Fraktion. ({0})

Timo Schisanowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005207, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Von der bis heute unvergessenen Mutter Courage des Ostens, Regine Hildebrandt, stammt der Satz: Das Freudigste in der Politik ist es, Menschen helfen zu können, Gesetze hinzukriegen, die diesen Zweck erfüllen. – Deshalb haben wir heute allen Grund zur Freude; denn im vorliegenden Entwurf des Haushaltsgesetzes haben wir für Bauen und Wohnen einen Etat hingekriegt, der Millionen Menschen in unserem Lande hilft, ({0}) spürbar und ganz vielfältig, der Millionen Menschen hilft, die wir mit dem Wohngeld unterstützen, Millionen Menschen hilft, die vor Ort in den Kommunen von einer verlässlichen Städtebauförderung profitieren, Millionen Menschen hilft, die im sozialen Wohnungsbau leben. Insgesamt ermöglicht der Etat im kommenden Jahr Gesamtausgaben von mehr als 7,3 Milliarden Euro, davon alleine für Zukunftsinvestitionen in das Bauen und Wohnen knapp 4 Milliarden Euro. Damit realisieren wir mehr gutes, bezahlbares Wohnen und sorgen so auch für soziale Sicherheit in unserem Land, und das allen gegenwärtigen Krisen zum Trotz, die wir anpacken, um gezielt zu helfen. Genau deshalb haben wir erst jüngst das Wohngeld Plus auf den Weg gebracht und hierfür zusätzliche 2,2 Milliarden Euro bereitgestellt – die mit Abstand größte Änderung im vorliegenden Etat. Und mehr Wohngeld für mehr Menschen ist richtig und wichtig; denn mit dieser historisch größten Reform haben wir das Wohngeld endlich auf die Höhe der Zeit gebracht, ({1}) einer Zeit, in der sich immer mehr Menschen immer mehr Sorgen machen müssen, ganz besonders darüber, ob sie angesichts der steigenden Energiepreise ihre hohen Nebenkosten noch zahlen können, vor allem diejenigen Menschen, die ohnehin schon mit sehr wenig Geld auskommen müssen. Genau deshalb ist es uns als SPD-Fraktion so wichtig, mit dem Wohngeld Plus exakt diejenigen zu erreichen, die es am dringendsten brauchen: Geringverdiener, darunter viele alleinerziehende Menschen, Rentnerinnen und Rentner, die fast die Hälfte der wohngeldbeziehenden Haushalte ausmachen, sowie Familien mit geringen Einkommen. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie wir als SPD an den Infoständen zur Bundestagswahl von den Menschen immer wieder auf das Thema „bezahlbares Wohnen“ angesprochen worden sind. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir dabei ein Gespräch mit einem Familienvater aus meiner Heimatstadt Hagen. Er war Geringverdiener, hatte zwei kleine Kinder, eine Sechs-Tage-Woche und war Pendler. Doch trotz seiner harten, fleißigen Arbeit reichte es schon damals kaum zum Leben. Der Vater hat mir sichtlich bewegt erzählt, wie sehr die Situation ihn und seine junge Familie belastet, ihr ständiges Gefühl, finanziell nicht mithalten zu können. Dass dieser Familie jetzt ab dem 1. Januar mit dem Wohngeld Plus spürbar geholfen wird, das ist sozial, und das ist gerecht. ({2}) Denn der Vater, der sich jeden Morgen für seine kleine Familie fleißig auf den Weg zur Arbeit macht, verdient sich tagtäglich unseren Respekt und unsere Unterstützung. Dieser Vater und diese junge Familie stehen stellvertretend für ganz viele Menschen in unserem Land, und genau ihnen haben Olaf Scholz und wir als SPD vor einem Jahr mehr soziale Politik versprochen, gerade auch für das Bauen und Wohnen. Der vorliegende Etat ist ein weiterer, ganz wichtiger Baustein, mit dem wir unser Versprechen halten. Heute ist deshalb ein guter Tag für mehr bezahlbares Wohnen und vor allem für Millionen Menschen in unserem Land. Oder, um es im Sinne von Regine Hildebrandt zu sagen: Wir helfen Menschen. – Da haben wir was richtig Ordentliches hingekriegt. Herzlichen Dank. ({3})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Nächster Redner ist Daniel Föst für die FDP-Fraktion. ({0})

Daniel Föst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004716, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe mich ganz explizit der Kollegin Mechthild Heil von der Union an: Es ist sehr gut, dass es das Bauministerium gibt. Es ist ein Ministerium, das 82 Millionen Deutsche direkt berührt, weil es regelt, wie Menschen leben: wie sie bauen, wie sie wohnen. ({0}) – 84 Millionen, umso besser. – Fachkräftemangel, liebe AfD: Wir brauchen Zuwanderung. Dieses Ministerium berührt 84 Millionen Menschen. Deswegen ist es gut, dass es das gibt, und es ist auch gut, dass Klara Geywitz die Ministerin ist. ({1}) Das ist aber der einzige Punkt, wo ich mich der Union anschließen kann. Wirklich ernsthaft, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU: Ich habe ja gar keine Lust, darüber zu reden, wer wann was wo wie früher gemacht hat und woran wir jetzt noch leiden. Ich würde ja lieber mit euch darüber diskutieren: Was sind die besten Lösungen für die Zukunft? ({2}) Aber leider müssen wir ständig Sachen korrigieren, die ihr uns unterschiebt, die damals aus euren Häusern gekommen sind. Kollege Hagen Reinhold hat es schon erwähnt: die Immobilienwertermittlungsverordnung zur Neuregelung der Erbschaftsteuer – Erbe von Horst Seehofer. ({3}) Da könnt ihr euch doch nicht hinstellen und sagen: Hey, was habt ihr denn da gemacht? – Macht euch doch mal ehrlich! Die Frau Ministerin musste die falsche Aussage zum SJK-Programm korrigieren. Also, lasst uns doch bitte nicht immer über die Vergangenheit reden, sondern über die Zukunft! ({4}) Ständig müssen wir irgendwas korrigieren, was ihr entweder falsch darstellt oder uns unterschieben wollt. Und was ist das denn überhaupt für ein Bild? ({5}) Jetzt, wo ihr keinen Bundeskanzler stellt, seid ihr plötzlich gegen den Ausbau des Bundeskanzleramts. Vor vier Jahren wart ihr noch voll dafür. Also, wer soll euch das denn bitte abnehmen? ({6}) Der Haushalt hat sehr viele gute Ansätze. Er ist noch nicht perfekt; es ist erst das zweite Jahr, in das wir jetzt gehen. Ich wiederhole: Der Haushalt hat gute Ansätze. Was uns als Freien Demokraten sehr wichtig ist, ist natürlich die Eigentumsförderung. Sind wir damit schon da, wo wir hinwollen? Nein, sind wir noch nicht. ({7}) – Da stimme ich zu, Herr Kollege Luczak. – Wir müssen schauen, dass wir die Menschen ins Eigentum bringen. Eigentum schützt vor Altersarmut. Eigentum schließt die soziale Schere in unserem Land. ({8}) Und Eigentum stabilisiert ganze Wohnviertel. Deswegen ist der Weg ins Eigentum so wichtig. Wir sind dafür den ersten Schritt gegangen. ({9}) Wir werden die Grunderwerbsteuer reformieren. Wir werden Freibeträge möglich machen. Wir werden dies gegenfinanzieren über die Share Deals. ({10}) Was ich noch sehr gut fände, wäre tatsächlich ein Bürgschaftsprogramm für diejenigen, denen es noch an Eigenkapital fehlt. Dass es ein solches Programm noch nicht gibt, ist eine der größten Hürden auf dem Weg ins Eigentum. ({11}) Das werden wir früher oder später alles auf den Weg bringen. ({12}) Und es wird keine 10 Milliarden Euro – 10 Milliarden Euro! – kosten wie das Baukindergeld. Ich gönne es wirklich jedem, Geld vom Staat geschenkt zu bekommen; ich gönne es jedem. Aber 10 Milliarden Euro zu investieren und am Ende eine sinkende Eigentumsquote in Deutschland zu haben, das ist schon eine beeindruckende Fehlleistung. ({13}) Geld ist das eine, Regelungsrahmen ist das andere. Wir haben den finanziellen Rahmen geschaffen. Jetzt müssen wir den Regelungsrahmen so umbauen, dass wir mehr, schneller und günstiger in Deutschland bauen können; denn wer günstiger baut, kann auch günstiger wohnen. Vielen Dank. ({14})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Föst. – Letzte Rednerin zum Einzelplan 25 ist die Kollegin Melanie Wegling, SPD-Fraktion. ({0})

Melanie Wegling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005252, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich 2009 mein Studium in Frankfurt begonnen habe, habe ich versucht, eine Wohnung direkt in der Nähe der Universität zu finden. Ich musste dann aber feststellen: Das kann ich mir nicht leisten. – Ich hätte so weit in einen Vorort von Frankfurt ziehen müssen, dass die Pendelei mindestens genauso lange gedauert hätte, wie wenn ich einfach bei mir zu Hause, in der Nähe von Mainz, wohnen geblieben wäre. Und genau das musste ich am Ende auch machen; was anderes war finanziell für mich zu Beginn meines Studiums leider nicht drin. Seitdem haben die Wohnungspreise noch mal stark angezogen. Während ich das Problem damals gut lösen konnte, geht es vielen jungen Menschen heute anders. Ich frage mich: Wie viele müssen ihre Pläne eigentlich ändern, und wie viele verzichten auf ihren Wunschstudienplatz oder ihre Wunschausbildung, weil sie sich eine Wohnung dafür einfach nicht leisten können? Wie viele müssen ihre berufliche Zukunft von der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt abhängig machen? Es ist ein ursozialdemokratisches Anliegen, Aufstiegschancen zu ermöglichen und Bildungsgerechtigkeit zu schaffen. Das bedeutet für mich auch, jungen Menschen, Auszubildenden und Studierenden bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. ({0}) Denn alle jungen Menschen – nicht nur die, die von zu Hause aus mit mehr Geld ausgestattet sind – sollen die Ausbildungs- und Studienplätze annehmen können, die ihren beruflichen Wünschen entsprechen und nicht dem Wohnungsmarkt. Daher freue ich mich als Berichterstatterin für „Junges Wohnen“ sehr, dass wir als Ampelkoalition 500 Millionen Euro in ein Bund-Länder-Programm für studentisches Wohnen, junges Wohnen und Wohnen für Auszubildende investieren. ({1}) Als Teilprogramm innerhalb des klassischen sozialen Wohnungsbaus ist es dezidiert für junges Wohnen vorgesehen. Es erkennt den dringenden Bedarf in diesem Bereich an. Wir unterstützen damit junge Menschen in einer entscheidenden Phase ihres Lebens, die aufgrund ihrer Einkommenssituation besonders auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. Von dem großen Bedarf an dieser Förderung konnte ich mich vor Kurzem bei einem Besuch des Studierendenwerkes Frankfurt am Main überzeugen; es betreibt nämlich zwei Wohnheime in meinem Wahlkreis in Rüsselsheim. Wie in so vielen Bereichen stellen die steigenden Nebenkosten, die explodierenden Preise im Bausektor und der Mangel an bebaubaren Flächen die Studierendenwerke vor große Herausforderungen. Hinzu kommt, dass es ihnen in meinem Heimatland Hessen gesetzlich erschwert wird, auch an Menschen in Ausbildung zu vermieten. Dabei ist bezahlbarer Wohnraum für Auszubildende genauso knapp. Hier muss sich dringend etwas ändern. ({2}) Studierendenwerke verfolgen im Gegensatz zu Investoren keine Rendite und haben keine Gewinnabsichten. Aufgrund ihres Sozialauftrags zielen sie auf preisgünstige Mieten und vergeben Wohnraum nach dem sozialen Bedarf, nicht nach der Zahlungsfähigkeit der Mieter/-innen. Bundesweit wohnen derzeit jedoch nur knapp 10 Prozent der Studierenden in Wohnheimen. Das ist klar ausbaufähig, und dieser Ausbau ist dringend notwendig, wenn sich jeder junge Mensch ein Studium leisten können soll. Mit dem neuen Bund-Länder-Programm stellen wir als Ampelkoalition den Ländern eine große Summe zur Verfügung, mit dem klaren Ziel, bezahlbaren Wohnraum für junge Menschen zu schaffen. Damit sind Studierende und Auszubildende gleichermaßen gemeint. Wir erfüllen damit einen zentralen wohnungspolitischen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag und unterstreichen, dass wir den drängenden Bedarf in diesem Segment erkannt haben und handeln. Nun wünsche ich mir, dass diese Mittel zahlreich abgerufen werden; denn kein Studium und keine Ausbildung soll an mangelndem Wohnraum scheitern. Vielen Dank. ({3})

Paul Lehrieder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003799, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident Kubicki! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Das Ergebnis der stundenlangen Bereinigungssitzung vom 10. November dieses Jahres sind zusätzlich 45,6 Milliarden Euro Schulden. Damit sind es insgesamt 500 Milliarden Euro neue Schulden innerhalb eines Jahres. Das ist eine besorgniserregend hohe Summe, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen. Gleichzeitig werden in dreistelliger Milliardenhöhe und unter Umgehung der Schuldenbremse Gelder in Sondervermögen geparkt. Haushalterisch ist dies gerade vor dem Hintergrund des aktuell vorliegenden Krisenmixes ein ziemlicher Spagat und eine enorme Belastung für unsere kommenden Generationen, die diese Schuldenberge eines Tages abzahlen müssen. Nicht umsonst heißt es: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Jeder Mensch, jeder private Haushalt bemüht sich, zu sparen, gerade in der jetzigen Zeit. Aber bei der Ampelregierung findet sich nicht der Hauch einer Spur von Ausgabendisziplin oder gar notwendiger Prioritätensetzung. So etwas würde es mit der Union niemals geben. ({0}) Bei allen spürbaren Differenzen, auch innerhalb der Koalition, eint sie ein Momentum – genau das sehen wir leider auch im Einzelplan 17 –: Bereits im Regierungsentwurf gab es einen Aufwuchs von rund 800 Millionen Euro gegenüber dem bis dahin geltenden Finanzplan. Nach der Bereinigungssitzung vor knapp zwei Wochen kamen noch mal rund 690 Millionen Euro dazu. Damit vergrößert sich der Etat auf fast 13,6 Milliarden Euro. Das bedeutet einen enormen Anstieg bei den gesetzlichen Leistungen, die mittlerweile über 90 Prozent des Etats ausmachen. Gerade Familienpolitik sollte doch aber eigentlich mehr sein als das bloße Auszahlen von Transferleistungen. Neben den über 90 Prozent gesetzlich gebundenen Leistungen, die ausgebaut wurden, sinken die Programmausgaben sowohl absolut als auch relativ. Das merkt man vor allem bei den Förderungen in der Kinder- und Jugendpolitik – hier liegt ein Minus von 30 Prozent vor – und bei der Qualifizierungsoffensive, also Ihrem Kahlschlag bzw. der Mogelpackung, die Sie jetzt bei den Sprach-Kitas und bei der Kindertagespflege vorhaben. Liebe Frau Ministerin, in den letzten Wochen war das Thema Sprach-Kitas, wann immer wir zusammengetroffen sind, natürlich unumgänglich. Noch in der ersten Lesung dieses Haushaltes drohte ein Ende dieses Programms zum 1. Januar 2023. Das haben Sie jetzt hier geschwind bis zum 1. Juli hinausgeschoben. Aber Fakt ist auch: Die 109 Millionen Euro, die im Haushalt für die Sprach-Kitas verankert sind, nehmen Sie doch – „Linke Tasche, rechte Tasche“ – wieder aus dem Gute-KiTa-Gesetz. Von den rund 2 Milliarden Euro, die im Gute-KiTa-Gesetz stehen, kommen 109 Millionen Euro quasi in die Sprach-Kitas, um sie bis zum Sommer zu retten, wohl wissend, dass bisher nicht alle Länder mitmachen, Frau Ministerin. Da müssen wir uns insofern, glaube ich, auch ehrlich machen. Das ist ein tolles Programm, das wir in der Großen Koalition vor sechs Jahren eingeführt und seitdem mit großer Leidenschaft vorangebracht haben. ({1}) – Sie können nach mir reden, wenn Sie wollen. – Dem droht ein Ende. Immerhin: Über 7 000 Sprach-Kitas in Deutschland wissen nicht, wie es am 1. Juli 2023 weitergeht. Wir haben ein Moratorium von sechs Monaten; aber am 1. Juli 2023 werden viele Bundesländer noch nicht Klarheit darüber haben, wie sie mit ihren Beschäftigten in den Sprach-Kitas umgehen. Das haben die Kinder in Deutschland nicht verdient. ({2}) In der ersten Lesung habe ich hier den Kollegen Bsirske getroffen; er ist heute leider nicht da. Für die Bewältigung der Fachkräfteproblematik in zehn, zwölf Jahren legen wir heute den Grundstein, um Kinder, die es geistig und intellektuell an sich können, in der sprachlichen Förderung rechtzeitig an die Hand zu nehmen und ihnen zu helfen. Und, ja: Meine Vorstellung war: 100, 75, 50 Prozent. Das heißt, nächstes Jahr übernehmen wir als Bund die 200 Millionen Euro für die Sprach-Kitas noch mal, dann gehen wir auf 75 Prozent runter, und danach gilt eine prozentuale Aufteilung zwischen Bund und Ländern von 50 : 50, sodass wir uns die Aufgabe der sprachlichen Förderung im Kitabereich teilen. Das halte ich für gut. ({3}) Frau Ministerin, Sie haben ausgeführt, dafür bräuchten wir eine Grundgesetzänderung. Wir haben gerade eben im Plenum den Einzelplan 25 – Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen – diskutiert. Wir halten in diesem Jahr 790 Millionen Euro für die Städtebauförderung bereit. Das ist eine super Sache, von der viele Kommunen profitieren und bei der Bund und Länder zusammenarbeiten. Was wir bei der historischen Bausubstanz in den Gemeinden und Städten hinbekommen, sollten wir bei den kleinen Kindern auch hinbekommen, Frau Ministerin. Ich glaube, es wäre ganz wichtig, dass wir uns diese Sache noch mal angucken, bevor dieses Programm komplett kaputtgeht. Deshalb mein Appell an Sie: Schauen Sie sich an, wie es mit den Sprach-Kitas nach dem 1. Juli 2023 aussieht. – Ich glaube, die für dieses Programm eingeplanten Mittel, das ist die Achillesferse des Einzelplans 17 in diesem Bundeshaushalt. ({4}) Frau Ministerin, Sie haben noch ein paar Tage Zeit; am kommenden Freitag wird der Haushalt verabschiedet. Wir sind zu Gesprächen bereit. Ich hoffe, dass es uns gelingt, dieses gute Programm, das wir gemeinsam über Jahre hier vorangebracht haben, zu retten. Die Kinder in Deutschland haben es verdient. Es verdient den Schweiß aller Edlen und Gerechten, sich um die Sprach-Kitas zu bemühen, bevor wir da im Sommer irreversible Schäden anrichten. Herzlichen Dank. ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Bruno Hönel, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Bruno Hönel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005086, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das waren wirklich sehr herausfordernde Haushaltsberatungen unter dem Eindruck von Putins Krieg in der Ukraine und dessen Konsequenzen, vor allem wirtschaftlicher und sozialer Natur, natürlich auch hier bei uns. Viele Familien leiden unter den hohen Preisen. Deswegen mobilisieren wir sehr viel Geld für Entlastungsmaßnahmen. Das zeigt sich auch im Etat des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der im parlamentarischen Verfahren noch mal um 689 Millionen Euro auf über 13,5 Milliarden Euro anwächst. ({0}) Wir erhöhen den Mindestunterhalt und den Kinderzuschlag, und wir erhöhen das Kindergeld deutlich auf einheitlich 250 Euro, unabhängig davon, ob erstes, zweites, drittes oder viertes Kind. Das ist schlichtweg notwendig, um die Familien von den hohen Preisen zu entlasten. Wir senden damit eben auch ein deutliches Signal an die Familien, dass wir sie im Blick haben, aber vor allem auch, dass wir konsequent handeln. ({1}) Der Kampf gegen Kinderarmut hat für uns absolute Priorität, und da will ich schon auch noch mal sagen, dass es natürlich auch wichtig ist, dass wir die Eltern existenziell absichern, wenn wir die Kinder aus der Armut holen wollen. Daher ist es gut, dass beim Bürgergeld jetzt eine Einigung in Sicht ist. Und doch muss ich in Richtung der Union sagen, dass Sie mit Ihrer Kampagne gegen das Bürgergeld wirklich ein bedenkliches Menschenbild offenbart haben. ({2}) Immer wieder haben Sie mit Ihren Äußerungen alle Betroffenen in einen Sack gepackt und dann das Label „Zu faul zum Arbeiten“ draufgedrückt, ohne die Hintergründe, die Situation der Menschen wirklich zu erkennen. ({3}) Das ist eine Politik der sozialen Kälte. ({4}) Wir als Ampelkoalition haben da einen anderen Ansatz: echte Existenzsicherung, Hinzuverdienstmöglichkeiten, Weiterbildungsoffensive, gerade auch, um junge Menschen nachhaltig in Ausbildung und Arbeit zu vermitteln. Es geht um Respekt vor der Lebensleistung eines jeden Menschen; es geht um Respekt, liebe Kolleginnen und Kollegen! ({5}) Wir legen in diesem Haushalt eben auch einen sehr starken Schwerpunkt auf den Schutz von Kindern, und da müssen wir über das große Problem sexualisierter Gewalt gegen Kinder sprechen. Expertinnen und Experten gehen von ein bis zwei betroffenen Kindern pro Schulklasse aus. Daher ist es richtig, dass wir die Sensibilisierungskampagne der Unabhängigen Beauftragten mit 5 Millionen Euro jetzt wirklich ausfinanzieren. Wenn Erwachsene Missbrauch besser erkennen können, dann können wir Kinder auch besser schützen. Deswegen ist das eine wichtige Maßnahme, ein überfälliger Schritt im Sinne der Kinder. ({6}) Es ist auch gut, dass wir jetzt für die Sprach-Kitas eine Übergangslösung finden konnten. 109 Millionen Euro stehen im Haushalt bereit, um den Übergang an die Länder, bis das KiTa-Qualitätsgesetz greift, zu überbrücken. In meinem Wahlkreis Lübeck werden wir davon profitieren, dass die Ministerin Aminata Touré ein eigenes Sprachförderprogramm in Schleswig Holstein auflegt. Beispielsweise in Bayern würde genauso davon profitiert werden, wenn Markus Söder sich ein Beispiel an Schleswig-Holstein nähme ({7}) und, anstatt immer nur Verantwortung auf den Bund abzuschieben, endlich selbst in die Sprachförderung in den Kitas investieren würde. Das wäre der richtige Weg. ({8}) Ein weiterer Schwerpunkt der Beratungen war die niedrigschwellige Förderung und Prävention im Bereich der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Viele Studien belegen ja, dass unter dem Eindruck der Coronapandemie die Fallzahlen bei Depressionen, bei Angst- und Essstörungen, aber auch bei suizidalem Verhalten von Jugendlichen deutlich zugenommen haben. ({9}) Das ist ein großes Problem, dem wir uns widmen müssen. ({10}) Und genau das machen wir auch mit diesem Haushalt, indem wir zusätzlich 33 Millionen Euro einsetzen, um niedrigschwellige und leicht erreichbare Hilfsangebote auszubauen. Auch die psychosozialen Zentren stärken wir in ihrer wichtigen Arbeit. Die Mittel für die Jugendmigrationsdienste stocken wir auf. Wir setzen Haushaltsmittel für eine starke, kritische Zivilgesellschaft ein; denn sie ist der Grundpfeiler unserer lebendigen Demokratie. Und auch deswegen ist dieser Haushalt ein guter Haushalt. ({11}) Auch beim Kampf gegen Diskriminierungen gehen wir wirklich voran. Wir stocken die Mittel der Antidiskriminierungsstelle um 8 Millionen Euro auf. Es gibt die ADS seit 2006. Sie wurde allerdings von den Vorgängerregierungen nie bedarfsgerecht ausgestattet, war also im Grunde ein zahnloser Tiger. Wir ändern das jetzt. Es ist unser verfassungsmäßiger Auftrag, gegen Diskriminierung zu kämpfen, die Menschenwürde bedingungslos zu schützen, und es brauchte eben eine Ampelregierung, um diesem Verfassungsauftrag endlich nachzukommen. ({12}) Zum Abschluss zusammenfassend: Mit diesem Etat reagieren wir verantwortungsvoll in diesen Krisenzeiten, machen aber eben nicht nur reaktive Politik, sondern richten den Blick auch nach vorne.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Kommen Sie zum Schluss, bitte.

Bruno Hönel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005086, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das ist der Kern progressiver und zukunftsgewandter Politik, und der Haushalt liefert genau dafür eine gute Grundlage. Herzlichen Dank. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Hönel. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Schielke-Ziesing, AfD-Fraktion. ({0})

Ulrike Schielke-Ziesing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004873, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Verehrte Bürger! Wir stehen am Beginn einer Rezession. Während über Sparmaßnahmen gesprochen wird, die Bevölkerung zum Sparen aufgerufen wird und Millionen von Familien am Rand der Verzweiflung sind, wird Geld für unnötige Prestigeprojekte ausgegeben, werden Lobbyvereine bedacht und wird am falschen Ende gespart. Der Haushalt des Familienministeriums ist dafür exemplarisch. Er setzt die falschen Prioritäten und ist von grüner Ideologie geradezu durchtränkt. Für die falschen Prioritäten ist das Programm „Sprach-Kitas“ – Kostenfaktor: etwa 250 Millionen Euro pro Jahr – das beste Beispiel. Dieses Programm ist die Lebensader vieler Kitas. Über 7 000 Fachkräfte werden damit bundesweit finanziert, um die sprachliche Entwicklung der Kinder zu fördern. Wie wichtig das ist, zeigen uns die jüngsten Studien, wonach das Niveau der frühkindlichen Sprachbildung dank der Coronamaßnahmen ins Bodenlose fiel. Und was machen Sie als nahezu erste Amtshandlung? Im Familienministerium wurde dieses Programm gestrichen. Nach einer großen Protestwelle ruderte das Ministerium nun zurück, und es stellte für den Übergang, also bis Juni 2023, doch noch einmal 109 Millionen Euro zur Verfügung – Gelder, die übrigens mit einem Sperrvermerk versehen wurden. Groß angekündigt wurden 2 Milliarden Euro aus dem neuen Gute-KiTa-Gesetz, das jetzt „KiTa-Qualitätsgesetz“ heißt. Das ist aber eine gewaltige Nebelkerze. Es sind nämlich genau 0 Cent mehr, als bis dato ohnehin durch das Gute-KiTa-Gesetz geflossen sind. Wo Sie mal wieder völlig intransparent kürzen, ist beispielsweise bei den Investitionsprogrammen für die Kinderbetreuungsfinanzierung. In den Jahren 2020 und 2021 war dort immerhin 1 Milliarde Euro vorgesehen. Würde man also eine Bilanzsumme bei der Kitaförderung errechnen, würde die Rechnung folgendermaßen aussehen: minus 250 Millionen Euro bei den Bundesprogrammen inklusive der Sprach-Kitas, minus 500 Millionen Euro bei den Investitionsprogrammen. Das macht für 2023 ein Minus von 750 Millionen Euro, die bundesweit wegfallen. Das ist unfassbar für eine Familienministerin. ({0}) Aber Sie setzen eben Ihre Prioritäten anders; denn es muss ja Geld her für Ihre Lobbykollegen und die grüne Ideologieagenda Ihres Ministeriums. Für die sogenannten Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt und Toleranz sind wieder 200 Millionen Euro vorgesehen. Dass dabei auch Organisationen mit direkter Verbindung in die Muslimbruderschaft gefördert werden – egal. Auch bei Ihren Lobbykollegen gibt es einen Geldsegen. Am besten sieht man das bei der Antidiskriminierungsbeauftragten, Frau Ataman. ({1}) Ihr Amt, völlig losgelöst von jeder Verantwortung, bekommt im nächsten Jahr 13,4 Millionen Euro. Das sind satte 250 Prozent mehr als noch 2021. ({2}) Um das Geld dafür aufzutreiben, wurde übrigens bei den Frauenhäusern gekürzt. ({3}) Wenn ich dann die Liste weiterführen darf: Es gibt wieder 10 Millionen Euro für die Respekt Coaches, 4,2 Millionen für die Jugendorganisationen der politischen Parteien. Im Klartext: Ein Geschenk der Steuerzahler an die politischen Jugendorganisationen wie etwa Grüne Jugend, Jusos, Linksjugend und Co. 10 Millionen für Wohlfahrtsverbände zur „Beratung von Flüchtlingen“. Ich kann mir hier schon vorstellen, dass diese demnächst den Antrag aufs Bürgergeld gleich mitgeben bei der „Beratung“ – und, und, und. Die Krönung des Ganzen waren aber doch ernsthaft die Anträge der Koalition in der Bereinigungssitzung vor zwei Wochen. Ohne Scham haben Sie tatsächlich Gelder explizit an bestimmte Firmen vergeben. Da wären die jährliche Zahlung an die PHINEO AG von 350 000 Euro oder die 1,3 Millionen für LGBTQ-Projekte, das meiste davon, 850 000 Euro, explizit für Pinkdot. Normalerweise werden für den Haushalt eines Ministeriums Aufgaben und Ziele definiert, dann Gelder zur Verfügung gestellt und anschließend Aufträge ausgeschrieben, auf die die Firmen sich dann bewerben können. Aber so was ist natürlich sehr lästig und aufwendig. Da ist es doch viel bequemer, gleich eine konkrete Firma zu benennen und in den Haushalt zu schreiben. ({4}) Da spart man sich die ganze Bürokratie. Es geht ja nur um läppische 1,2 Millionen Euro. Wer soll sich denn schon daran stören? Das ist Vetternwirtschaft par excellence! ({5}) Während die Bevölkerung zum Sparen aufgerufen wird, während Schulden gemacht werden, als gäbe es kein Morgen, werden hier ohne Scham Gelder an Lobbyvereine verteilt. Das ist dreist! Und es ist mir unbegreiflich, warum die FDP diesen ganzen Irrsinn mitmacht. ({6}) Wir von der AfD werden jedenfalls diesen Einzelplan und diesen Haushalt nicht mittragen – nicht, solange Ideologie und Lobbyismus über die Bedürfnisse der Familien in diesem Land gestellt werden. Vielen Dank. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank Frau Kollegin. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Elisabeth Kaiser, SPD-Fraktion. ({0})

Elisabeth Kaiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004771, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Werte Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche war ich in meinem Wahlkreis in Caaschwitz ({0}) in der Kita „Zur Märchenbuche“ zu Gast. Dort habe ich den Kindern das Buch „Die neugierige kleine Hexe“ vorgelesen. Bei solchen Besuchen spüre ich immer, wie wichtig Fantasie, freie Entfaltung und Zusammenhalt für den Alltag und das Heranwachsen unserer Kinder sind. Die Erzieherinnen und Erzieher in den Kindergärten tun tagtäglich alles dafür, dass unsere Kinder in diesem frühen Lebensabschnitt mit einer positiven und selbstbewussten Einstellung zum Leben aufwachsen, aber auch schon verantwortungsvollen Umgang mit anderen kennenlernen. Und dafür möchte ich allen Erzieherinnen und Erziehern von Herzen danken. ({1}) Für mich als Politikerin, aber auch Mutter einer fast zweijährigen Tochter ist es Ansporn und Anspruch zugleich, für die Rahmenbedingungen zu sorgen, die es für eine gute Entwicklung unserer Kinder braucht. In meiner Fraktion und auch in der Koalition richten wir unseren Fokus im politischen Handeln besonders auf diejenigen, die am meisten Unterstützung benötigen. Wir lassen die Menschen, Alt und Jung, mit ihren Sorgen nicht alleine. Wir arbeiten aktuell mit Hochdruck daran, dass alle die steigenden Lebenshaltungskosten, insbesondere für Strom und Gas, bewältigen können. Neben kurzfristigen Entlastungen gilt es, soziale Gerechtigkeit über grundlegende Sozialreformen, wie eben dem Wohngeld, dem Bürgergeld und der Kindergrundsicherung, dauerhaft sicherzustellen. In den parlamentarischen Beratungen für den Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend haben wir den Regierungsentwurf an einigen Stellen noch verbessern können und finanziell gestärkt. Der Etat wächst, und das in diesen herausfordernden Zeiten und obwohl die Coronahilfsprogramme auslaufen. An dieser Stelle möchte ich auch der Ministerin, ihrem Haus, aber auch meinen lieben Mitberichterstattern, Bruno Hönel und Claudia Raffelhüschen, für die Zusammenarbeit danken. ({2}) Über 13,5 Milliarden Euro investieren wir im kommenden Jahr in Leistungen und Programme für Kinder, Jugendliche, Familien, Ältere und viele Ehrenamtliche in unserem Land. Besonders freue ich mich, dass es gelungen ist, eine Übergangslösung für die Sprach-Kitas zu finden. Damit verschaffen wir den Ländern mehr Zeit, das Programm in eigener Verantwortung zu übernehmen. Wichtig war uns in den Beratungen auch, mehr für den Schutz von Kindern zu tun. Damit weniger Kinder in den ersten Lebensjahren Vernachlässigung und Gewalt in ihrem privaten Umfeld erfahren, aber auch, damit Familien in schwierigen Lebenssituationen und Lebenslagen Unterstützung finden, haben wir die Mittel für die Bundesstiftung Frühe Hilfen erhöht. Und weil der Schutz von Kindern und Jugendlichen so wichtig ist und oberste Priorität haben muss, stärken wir auch die Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Als Koalition ist uns bewusst, dass die Jahre der Pandemie Kinder und Jugendliche besonders stark belastet haben. ({3}) Deshalb halten wir, was wir im Koalitionsvertrag versprochen haben. Das Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit soll Kinder und Jugendliche in ihrer ganzheitlichen Entwicklung fördern. Die Mittel in diesem Paket konnten wir in den Haushaltsberatungen auf insgesamt 55 Millionen Euro erhöhen. Damit legen wir auch einen Grundstein für ein neues Modellprogramm. Die Mental Health Coaches kommen bundesweit an Schulen zum Einsatz und kümmern sich um psychisch und sozial belastete junge Menschen – und das sind in diesen Zeiten leider nicht wenige. Die jüngst veröffentlichte Studie „Jugend in Deutschland“ zeigt, dass wir weiter daran arbeiten müssen, die Bedürfnisse und Interessen von Jugendlichen zu hören und zu berücksichtigen. Genau das haben wir uns als Ampel vorgenommen. In den Haushaltsverhandlungen haben wir den Kinder- und Jugendplan des Bundes weiter gestärkt. Für die Arbeit der Jugendverbände konnten wir die Erhöhung aus 2022 auch für das Jahr 2023 erreichen, und wir konnten damit wirksame Jugendarbeit absichern. Jugendverbände, die sinnvolle Freizeitangebote präsentieren, ermöglichen es Jugendlichen, wichtige Erfahrungen der Selbstwirksamkeit zu machen und sich auch in Verantwortung für andere zu üben. Als Mitglied der Naturfreunde Gera weiß ich: Das ist sehr sinnvoll investiertes Geld. ({4}) Wir machen damit junge Menschen stark. Und weil wir alle Kinder und Jugendliche in unserem Land in den Blick nehmen, stärken wir auch die Arbeit der Jugendmigrationsdienste; denn mit ihren Beratungs-, Bildungs- und Freizeitangeboten begleiten sie junge Menschen mit Migrationsgeschichte beim Übergang von der Schule bis ins Berufsleben. In engem Zusammenhang zu den Jugendmigrationsdiensten stehen auch die Respekt Coaches. Ich bin persönlich sehr froh, dass wir ihre Arbeit mit zusätzlichen 10 Millionen Euro absichern konnten. In meiner Heimatstadt Gera habe ich mir selbst ein Bild davon machen können, wie wichtig diese Form der sozialen Arbeit an Schulen ist. ({5}) Nun wissen wir aber, dass Menschen, die aus ihrer Heimat vor Krieg und Verfolgung fliehen müssen, vielfach traumatisierende Erlebnisse durchleben mussten. Damit dürfen wir sie hier nicht alleine lassen. Deshalb ist es gut, wenn wir mehr Mittel für bundesweite Koordinierung der psychosozialen Beratung für Geflüchtete und Folteropfer zur Verfügung stellen. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade in Krisenzeiten ist es notwendig, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Das bildet auch der Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ab. Wir unterstützen Familien mit Kindern und haben die gesetzlichen Leistungen, wie Kindergeld, Kinderzuschlag und Unterhaltsvorschuss, noch einmal spürbar erhöht. Bei der Projektförderung setzen wir mit zusätzlichen Mitteln wichtige Akzente im Bereich der Frühprävention, der Integration sowie der Demokratie- und Engagementförderung. Darauf werden die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion noch eingehen. Aber darüber hinaus arbeiten wir auch weiter als Koalition intensiv daran, dass weniger Kinder in Armut leben müssen, jedes Kind die gleichen Startchancen hat und wir auch künftig in einer freien, offenen und vielfältigen Gesellschaft leben können. Vielen Dank. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächste Rednerin erhält das Wort die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Unbekannt)

Politiker ID: 11003584

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung feiert sich selbst für die geplante Kindergelderhöhung. Doch leider gibt es keinen Grund zum Feiern: Mehr als die Hälfte der Menschen, die ihre Lebensmittel bei der Tafel holen müssen, sind Alleinerziehende und Kinder. Das ist doch ein Armutszeugnis für unser Land, ein Armutszeugnis für diese Regierung. Das muss sich ändern, meine Damen und Herren! ({0}) Das ist ja nicht nur ungerecht und beschneidet die Chancen dieser Kinder. Es wird auch viel Potenzial verschleudert. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass gerechte Gesellschaften für alle besser sind. Halten wir uns daran, meine Damen und Herren! ({1}) Die Bertelsmann-Stiftung zeigt in einer aktuellen Studie: Das Risiko, in Armut zu rutschen, ist für Paarfamilien mit mindestens drei Kindern fast dreimal so hoch wie für Familien mit zwei Kindern. 43 Prozent der Alleinerziehenden – eine unfassbare Zahl – gelten als einkommensarm. Das dürfen wir nicht länger hinnehmen! ({2}) Wolfgang Büscher, Sprecher des Berliner Kinder- und Jugendwerkes „Arche“, sagt, aufgrund der massiv steigenden Preise könne es schon im nächsten Jahr zu katastrophalen Zuständen für Kinder kommen. Seine Prognose: Anfang nächsten Jahres werden die ersten Menschen hungern. – Das müssen wir gemeinsam verhindern, meine Damen und Herren! ({3}) Die Bundesregierung ist ja über die Kinderarmut bestens informiert. Darum muss der Kampf gegen die Kinderarmut endlich entschlossen aufgenommen werden. Wir Linken unterstützen die Kindergrundsicherung. Aber sie kommt zu spät: 2025 ist zu spät. Es muss schneller gehandelt werden. ({4}) Die Begründung, dass es so lange dauere, weil so viele Ministerien daran arbeiteten, zeigt doch nur, dass die Bundesregierung die falschen Prioritäten setzt. Erinnern wir uns: Wie schnell konnten die Bundesregierung, die Ampel plus Union plus Teile der AfD das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr beschließen? Von der Idee bis zur Beschlussfassung hat es gerade 100 Tage gedauert. ({5}) Ich finde, die Grundsicherung für Kinder muss so schnell wie möglich auf den Weg. Da gibt es kein Vertun. ({6}) Jetzt hat die FDP auch noch die Aktienrente über Nacht aus dem Boden gestampft. ({7}) Die Aktienrente macht die Fondsmanager reich, aber nicht die Rentnerinnen und Rentner. Das ist der falsche Weg. ({8}) Meine Damen und Herren, es geht aber nicht nur um die Kindergrundsicherung; es geht auch um Kitas, Schulen, Säuglingsstationen in Krankenhäusern und Wohnungen für Familien mit Kindern. Alles, was Kinder brauchen, wird von dieser Bundesregierung ausgebremst. Das darf nicht länger so sein, meine Damen und Herren! ({9}) Ja, ich weiß: Bund und Länder müssen wirksam und verlässlich zusammenarbeiten. Aber wechselseitige Schuldzuweisungen helfen keinem Kind, armen Kindern erst recht nicht. Abschließend: Die Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse, insbesondere für Kinder und Enkelkinder. ({10}) Sie ist ökonomischer Unsinn. Sie muss weg. Vielen Dank. ({11})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Claudia Raffelhüschen, FDP-Fraktion. ({0})

Claudia Raffelhüschen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005273, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Etat des Familienministeriums lag schon im Regierungsentwurf 280 Millionen Euro über dem Soll 2022, und er wurde nun im Laufe des parlamentarischen Verfahrens auf knapp 13,6 Milliarden Euro aufgestockt. Das ist in jedem Fall eine gute Nachricht, vor allem für viele Familien, die von erhöhten gesetzlichen Leistungen profitieren, zum Beispiel vom Kinderzuschlag oder von den Zahlungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz. Es bedeutet aber auch, dass erschreckend viele Menschen auf Hilfe angewiesen sind und dass diese Zahl im Zuge von Corona, Lockdowns und Ukrainekrieg schier ungebremst zu wachsen scheint. Gerade im Bereich der psychosozialen Hilfe sind die Bedarfe immens, und zwar sowohl für deutsche Kinder und Familien als auch seit Februar dieses Jahres für die vielen Flüchtlinge aus der Ukraine. Ich freue mich daher sehr, dass wir in dieser letzten Haushaltsrunde die Gelder für die Frühen Hilfen nochmals um 5 Millionen Euro und diejenigen für die psychosoziale Versorgung Geflüchteter sogar um 9,7 Millionen Euro aufstocken konnten. ({0}) Ich selber war kürzlich als Delegationsleiterin bei der Reise einer Delegation des Haushaltsausschusses in Moldau und der Ukraine und bin von den Eindrücken dort immer noch nachhaltig beeindruckt. Ich weiß jetzt aus eigener Anschauung, dass unsere Hilfen vor Ort dringend gebraucht werden, und ich weiß, dass das für unsere Unterstützung der Flüchtlinge hier im Land gerade auch im Einzelplan 17 ganz genauso gilt. Was mich in Moldau wirklich ganz besonders beeindruckt hat: Obwohl die Aufgaben für dieses kleine Land schier unglaublich sind – 500 000 ukrainische Flüchtlinge kamen in ein Land mit knapp 4 Millionen Einwohnern –, werden sie dort ohne Gejammer und Klagen angepackt, und zwar schnell, pragmatisch und sehr effizient. Jeder tut, was er kann, und niemand versucht, erst einmal zu klären, ob vielleicht jemand anderes zuständig ist. So ein bisschen mehr von diesem zupackenden Wesen würde ich mir seitdem in Deutschland wünschen, wenn ich auf die Länder schaue, ({1}) die in Haushaltsdebatten mit chronischer Abwesenheit glänzen. ({2}) Denn die Länder haben inzwischen deutlich weniger Pro-Kopf-Schulden und höhere Einnahmen als der Bund, bekommen aber massive Unterstützung in vielen Bereichen, die ganz klar Länderaufgabe sind. Dennoch hört man natürlich nie ein Dankeschön. ({3}) Im Gegenteil: Die Forderungen an den Bund werden immer mehr, immer dreister, und der Tonfall wird immer hysterischer. ({4}) Ich muss schon sagen: Die Debatte um die Sprach-Kitas und das Gerangel um eine Übergangsfinanzierung bis zum Sommer war für mich der traurige Höhepunkt in dieser seltsamen Haltung der Länder gegenüber dem Bund und insbesondere gegenüber den Haushälterinnen und Haushältern. ({5}) Um das ganz klar zu sagen: In der Sache gab und gibt es hier niemanden, der nicht für die Sprach-Kitas wäre. ({6}) Wir alle sehen in frühkindlicher Bildung und Teilhabe einen der wichtigsten Bausteine für eine gelingende Integration. Gerade deshalb hätte ich aber – neben einer besseren und früheren Kommunikation seitens des Ministeriums – vor allem von den Ländern wesentlich mehr Eigeninitiative erwartet. Gerne weise ich noch mal darauf hin: Hier würde ich mir neben den Grundsätzen der Haushaltswahrheit und ‑klarheit in Zukunft auch mehr Haushaltsfairness wünschen. ({7}) Die Länder haben es nun in der Hand, diese Bundesgelder schnell und zielgerichtet einzusetzen und das KiTa-Qualitätsgesetz zu einem Erfolg zu machen. Wie wichtig ihnen die Zukunft der Kinder in ihrem Land jeweils ist, wird man sehr schön daran ablesen können, ob nur das Minimum von 50 Prozent in Qualität gesteckt wird oder ob ein Land nahezu 100 Prozent der Mittel in wirkliche Verbesserung investiert, darunter auch gerne in das zukunftsweisende Thema der Sprach-Kitas. Jetzt noch ein letzter Punkt in Sachen „Kinder und Zukunft“: Neben all den Geldern, die wir im Einzelplan 17 und anderswo verteilen und umschichten können, ist das Wichtigste, dass wir endlich wieder die Schuldenbremse einhalten. Damit beweisen wir als Parlamentarier unseren Respekt vor dem Grundgesetz, damit handeln wir als Haushälterinnen und Haushälter verantwortungsvoll und nachhaltig, und damit leisten wir als Eltern und Politiker den wichtigsten Beitrag zur Generationengerechtigkeit, ({8}) nämlich unseren Kindern und Enkeln etwas Besseres zu vererben als Schulden. Vielen Dank. ({9})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Raffelhüschen. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Silvia Breher, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Silvia Breher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004681, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Paus, schade, ich hätte gerne auf Ihre Rede reagiert. Heute drehen wir das offensichtlich mal um. Ja, es sind schwierige Zeiten, in denen Sie diesen Bundeshaushalt aufstellen, und, ja, Herr Kollege Hönel, es gibt eine Menge finanzielle Entlastungen für Familien und Kinder in diesem Bundeshaushalt insgesamt, aber eben nicht im Einzelplan 17. Der Aufwuchs basiert vor allen Dingen – Sie haben es schon gesagt – auf den gesetzlichen Ansprüchen, die einfach bestehen. Dazu gehört eben auch das Kindergeld, für das Sie sich ja so gerne feiern. Aber am Ende ist es nur wenig eine Entscheidung hier im Haus. Es ist vielmehr eine Folge aus dem Existenzminimumbericht. In Reaktion darauf haben Sie die steuerlichen Freibeträge angepasst, ({0}) und daran ist immer eben auch die Erhöhung des Kindergeldes gekoppelt. Ich finde es ja gut und richtig, dass das Kindergeld erhöht wird. Was wir allerdings skeptisch sehen, ist der Wechsel in der Systematik, den Sie vornehmen, dass Sie nämlich jetzt jedes Kind gleich fördern und nicht mehr anerkennen, dass Mehrkindfamilien eine besondere Belastung zugestanden werden muss, ({1}) dass das dritte und jedes folgende Kind einfach mehr kostet. Diesen Wechsel sehen wir einfach anders. Vor allen Dingen reicht Geld alleine an dieser Stelle einfach nicht. Es muss doch unser aller Anspruch sein – es ist auch, zumindest laut Ihrer ersten Rede hier im Haus, Frau Ministerin, Ihr Anspruch –, Chancengleichheit für Kinder in diesem Land herzustellen, egal wo und egal in welche Umgebung hinein sie in diesem Land geboren werden. Die Realität sieht in Ihrem Haushalt allerdings leider anders aus. Und ja, auch wenn Sie es nicht mehr hören können: Sie beenden das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“. Sie beenden es zum 30. Juni nächsten Jahres, und jetzt rühmen Sie sich damit, dass Sie 109 Millionen Euro doch noch bis Mitte Juni zur Verfügung stellen. Ich höre es in Ihren Reihen während der Reden: Es ist Ländersache. Es ist Ländersache. ({2}) Ja, ich sehe das auch vom Grundsatz her so, wenn Sie es vorbereitet hätten und nicht bis Mitte dieses Jahres so getan hätten, als würde das Bundesprogramm fortgesetzt, wenn es Absprachen mit den Ländern gegeben hätte, wenn es Vereinbarungen gegeben hätte, wie es fortgesetzt wird, ({3}) vor allen Dingen wenn es jetzt für die Übergangsphase – Sie sind ja zurückgerudert – wirklich zusätzliches Geld gewesen wäre. Das ist es aber leider nicht. ({4}) Es ist ein Linke-Tasche-rechte-Tasche-Spiel, indem Sie es bei den 2 Milliarden Euro vom KiTa-Qualitätsgesetz, Gute-KiTa-Gesetz wegnehmen und diese für die Sprach-Kitas sozusagen zweckgebunden einsetzen. ({5}) Wo allerdings sollen die Länder denn Gelder wegnehmen, wenn Sie gleichzeitig die Beitragsfreiheit weiter möglich machen? ({6}) Ich bin gespannt, in wessen Länderverantwortungen dieses Programm tatsächlich am Ende fortgesetzt werden wird. ({7}) Sie streichen ja nicht nur an dieser Stelle im Bereich frühkindlicher Bildung. Sie stellen die Fachkräfteoffensive ein – okay. Aber unser Antrag bezieht sich noch auf ein weiteres Bundesprogramm, nämlich das der Kindertagespflege, bei dem bis jetzt irgendwie noch niemand gemerkt hat, dass es wegfällt. Es ist nämlich versteckt in dem Haushaltstitel „Maßnahmen zur Umsetzung der Qualifizierungsoffensive“. Es geht da um die Weiterentwicklung des Systems der Kindertagespflege und auch um die pädagogische Arbeit der Kindertagespflegepersonen. Auch dieses Bundesprogramm lassen Sie auslaufen. Es endet, und auch das übertragen Sie in die Verantwortung der Länder, ohne Absprache, vielleicht auch in der Hoffnung, dass es keiner gemerkt hat. Mein persönliches Herzensanliegen – Sie haben es gerade schon angesprochen, Frau Kollegin – ist die Stiftung Frühe Hilfen. 51 Millionen Euro gab es dafür, jetzt haben Sie 5 Millionen Euro obendrauf gepackt; das reicht aber nicht – aktuell sind es 86 Millionen Euro, im letzten Jahr waren es 60 Millionen für die Stiftung Frühe Hilfen –, gerade für die niedrigschwelligen Angebote für werdende Eltern und deren Kinder bis drei Jahren; Babylotsen und die Familienhebammen sind Beispiele. Die kennt jeder von uns aus seinem Wahlkreis. Gerade hier haben wir aber Steigerungen bei den Personalkosten und auch bei den Sachkosten. Wenn Sie hier nur um 5 Millionen Euro aufstocken, bedeutet das gleichzeitig einen tatsächlichen Rückgang beim Leistungsangebot, obwohl der Bedarf nach Corona und in dieser jetzigen schwierigen Zeit einfach riesig ist. Deswegen stellen wir unseren Änderungsantrag. ({8}) Frau Ministerin Paus, Ihren Worten, Chancengleichheit zu erreichen, lassen Sie in diesem Haushalt jedenfalls leider keine Taten folgen und ziehen sich in weiten Teilen aus der Verantwortung einfach zurück und überlassen es den Ländern. Die müssen das dann schon richten. Chancengleichheit ist aber unser aller Aufgabe, hier im Haus genauso wie in den Ländern und in Zusammenarbeit mit den Kommunen; denn es muss unser aller Anspruch sein. Sie kürzen an einer Position ganz besonders: bei unseren Kindern, im Bereich der frühkindlichen Bildung. Da lassen Sie, Frau Ministerin, mit diesem Haushalt die Kinder im Stich. Das finden wir sehr schade. Vielen Dank. ({9})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Breher. – Als Nächstes erhält das Wort Frau Bundesministerin Lisa Paus. ({0})

Lisa Paus (Minister:in)

Politiker ID: 11004127

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Dieses Land lässt sich nicht spalten! ({0}) Mit diesem Leitgedanken haben wir diese Haushaltsberatungen geführt. Dieses Land hält nämlich zusammen: Politik, Wirtschaft, Zivilgesellschaft – die Menschen, ({1}) alle miteinander, solidarisch in all ihrer Vielfalt, meine Damen und Herren. ({2}) Diese Koalition stellt sich der Wirklichkeit, wie sie ist: Wir reagieren schnell auf Inflation, auf gestiegene Energie- und Lebenshaltungskosten, und wir haben eben auch die im Blick, die es besonders brauchen – mit dem ersten, mit dem zweiten, mit dem dritten Rettungspaket, mit dem Kindersofortzuschlag, mit der Wohngeldreform, ({3}) mit dem 200‑Milliarden-Abwehrschirm gegen die gestiegenen Strom- und Gaspreise. Wir lassen keinen Zweifel daran: Wir sehen die Sorgen der Menschen. Wir nehmen ihre Sorgen ernst. ({4}) Und wir handeln danach, meine Damen und Herren. Ich bin überzeugt: Das ist nicht nur gut, um die Krise abzuwehren, sondern wir können alle gemeinsam dadurch auch sehr viel gewinnen. ({5}) Das BMFSFJ unterstützt Familien, Senioren, Frauen und die junge Generation im Jahr 2023 mit 13,6 Milliarden Euro; das wurde bereits mehrfach gesagt. Wir investieren damit ganz konkret in ihre Zukunft. Alle Familien bekommen pro Kind vom 1. Januar 2023 an 250 Euro Kindergeld. Frau Breher, das ist die größte Kindergelderhöhung, die wir in Deutschland je gehabt haben, und es ist übrigens auch eine, die über der Inflation liegt; das wäre so nicht nötig gewesen. Und Sie, CDU/CSU, haben es nie so gemacht, wie wir es jetzt machen. Das ist einzigartig. ({6}) Wir haben den Kinderfreibetrag und den Mindestunterhalt angehoben. Familien mit kleinem Einkommen unterstützen wir zusätzlich zu den 250 Euro pro Kind Kindergeld mit einem Kinderzuschlag von ebenfalls noch einmal bis zu 250 Euro pro Kind. Mit dem Bürgergeld sollen ab 2023 auch die Regelsätze der Kinder steigen. Ich habe gehört, es waren heute gute Gespräche mit Ihrer Union dazu. – Aber, es ist wichtig, dass Sie Ihre Verabredung auch tatsächlich einhalten. Wenn Sie das nicht tun, dann haben Sie ganz konkret die Verantwortung dafür, dass zum Beispiel ein Drittel der Alleinerziehenden auf mehr Geld warten muss, dass ihre Situation sich noch zusätzlich verschärft. Das können Sie in dieser Situation in diesem Land nicht wirklich wollen. ({7}) Diese monatlichen Leistungen helfen den Familien jetzt. Unser Ziel aber ist die Kindergrundsicherung. Denn sie ist die Investition in die Chancengerechtigkeit für alle Kinder, und dann kann sie eben auch mit Ihrer Unterstützung – hoffentlich auch mit Ihrer, Frau Breher – ab 2025 ihre volle Wirkung entfalten. ({8}) Liebe Zuhörende, dieses Land lässt sich nicht spalten – im Gegenteil: Wir entlasten die Menschen schnell und verbessern aber eben auch die Strukturen langfristig zu unser aller Wohl. Wir verbessern auch die Bildungschancen der Kinder. Und ja: Lange habe ich für eine Übergangslösung für die Sprach-Kitas gekämpft und daran gearbeitet, aber nun ist es so: ({9}) Wir finanzieren die Infrastruktur für das Programm, plus die Gehälter der Spracherzieher/-innen von Januar für ein weiteres halbes Jahr aus den Mitteln meines Hauses, damit wir einen guten Übergang des Modellprogramms in die Regelfinanzierung der Länder schaffen und so die wichtige Sprachförderung eben dauerhaft sichern können, meine Damen und Herren. Etliche Bundesländer haben bereits gesagt, dass sie es tun. ({10}) Ich bin sehr zuversichtlich. Wir haben sehr konstruktive Gespräche. Es wäre super, wenn die anderen Länder auch noch folgen. Dann haben wir in ganz Deutschland eine vernünftige Sprachförderung. ({11}) Die 6 700 Sprach-Kitas in Deutschland haben damit endlich finanzielle Klarheit, damit alle Kinder bessere Bildungschancen haben, egal woher sie kommen oder was ihre Eltern sind. Deswegen haben wir eben auch das KiTa-Qualitätsgesetz auf den Weg gebracht: Für mehr sprachliche Bildung, mehr Gesundheit und Bewegung, einen besseren Betreuungsschlüssel und mehr Personal in Kitas und in der Tagespflege stellen wir 2023 und 2024 4 Milliarden Euro zur Verfügung. Gleichfalls langfristig wirkt das Elterngeld. Mit knapp 8,3 Milliarden Euro ist es übrigens der größte Posten in meinem Etat. Wenn Eltern Familie und Beruf besser vereinbaren können, dann profitieren davon auch die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt. ({12}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr denn je entlastet der Einzelplan 17 die Menschen in schwierigen Zeiten. Jeder Euro unterstützt den sozialen Zusammenhalt; denn wir lassen uns nicht spalten. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Etat. ({13})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Nächster Redner ist der Kollege Thomas Ehrhorn, AfD-Fraktion. ({0})

Thomas Ehrhorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004707, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In fast allen Nationen dieser Welt herrscht ein Konsens darüber, dass die Erhaltung des eigenen Volkes, der eigenen Kultur oberstes Staatsziel zu sein hat. ({0}) Wer nun die demografische Entwicklung der Bundesrepublik betrachtet, erkennt sehr schnell, dass wir hier eher von einer demografischen Katastrophe sprechen müssten. Bei einer Geburtenrate von durchschnittlich 1,3 oder 1,4 Kindern pro Frau ({1}) – hören Sie lieber mal zu; Sie können was lernen – erkennt jeder sehr schnell, dass jede kommende Generation zahlenmäßig um ein Drittel schwächer ist als die Generation der Eltern. Das heißt: Der Satz „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin ist nach wie vor ohne Wenn und Aber richtig. ({2}) Dies ist natürlich die Ursache für diverse Probleme wie Renten und Ähnliches, die auf uns zukommen; das brauche ich hier nicht zu erwähnen. ({3}) Diese existenzbedrohenden Probleme werden aber von unserer Bundesregierung weder erkannt noch thematisiert, und sie werden schon gar nicht in angemessener Weise im Einzelplan 17, im Familienhaushalt, abgebildet. Wie auch? Man ist ja mit Wichtigerem beschäftigt. Nicht die Interessen von 97 Prozent der Mehrheitsgesellschaft spielen eine tragende Rolle im politischen Diskurs, sondern die Interessen und Bedürfnisse einiger Minderheiten, und man fragt sich: Mit welchem Recht eigentlich? ({4}) Gleichzeitig ist das Bestreben nach politischer Dekonstruktion der traditionellen Familie fester Bestandteil links-grüner Politik. Regenbogenfamilie und beliebige Verantwortungsgemeinschaften sollen künftig das ersetzen, ({5}) was sowohl statistisch als auch kulturell der Normalfall ist, nämlich die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und Kindern, das, was die Väter unseres Grundgesetzes mit gutem Recht unter besonderen Schutz gestellt haben. ({6}) Ihre Gesetzesinitiativen dagegen lesen sich wie ein Entwurzelungsprogramm kommender Generationen. Insgesamt stellen sie einen Versuch dar, sich von allen biologischen Tatsachen zur Bestimmung von Geschlecht und Elternschaft final zu verabschieden. ({7}) Es ist der durchschaubare Versuch, lesbische, schwule und transsexuelle Menschen für Ihren politischen Klassenkampf zu missbrauchen. ({8}) Ein bisschen Gender-Gaga ist noch dabei, der Versuch, unsere Kinder, möglichst unabhängig von elterlicher Einmischung, frühestmöglich in staatliche Obhut zu verbringen, ({9}) um, wie es der jetzige Kanzler mal ausgedrückt hat, die „Lufthoheit über den Kinderbetten“ zu erreichen, dann noch ein bisschen staatliche Finanzierung linker bis linksextremer Gruppen über das Programm „Demokratie leben!“; das darf selbstverständlich auch nicht fehlen. Insgesamt kann man also sagen: Familienpolitik der Ampel – ein toxisches Konglomerat aus Krankem, Überflüssigem und Schädlichem: ({10}) Verarmung für die Alten, Entwurzelung und tiefe Verunsicherung unserer Kinder und Jugendlichen. Welche Folgen das hat, zeigt unter anderem ein Video vom Christopher Street Day, dem Tummelplatz der LSBTIQ-Gemeinde, in Wuppertal. Hier hat die Realität die Satire längst überholt. ({11}) Unter anderem zeigt das Video „Feda“. Sie sagt: Ich bin eigentlich 17 Jahre alt, aber ich bin auch nebenbei ein Fuchs, und in dem bin ich momentan vier Monate alt. – Danach stellt sich „Sol“ vor, und ihre Pronomen sind „they“ und „she“, erklärt sie. ({12}) „Mylo“ stellt sich vor, 13 Jahre alt: Ich gehe mit allen Pronomen. – Dann kommt „Felix“, eine Maske mit Hundeohren verhüllt sein Gesicht: Ich bin das Alpha von einem Rudel und bin anderthalb Jahre Papi. ({13}) Wieder eine andere gibt an, trans zu sein, und beschwert sich: Das ganze Transitioning in Deutschland, das geht ja gar nicht wirklich. ({14}) Das Wichtigste sei es, endlich ein Pronomen für non-binäre Personen zu finden, die sich keinem Geschlecht zuordnen möchten. – Das ist gut, dass wir keine anderen Probleme in diesem Land haben. ({15}) Schließlich kommt „Feda“ noch einmal zu Wort und bemerkt, dass sie oft nicht akzeptiert wird, weil sie ja ein Fuchs ist. ({16}) Manche von Ihnen werden an dieser Stelle sagen, dass jemand, der sich für Napoleon oder einen Fuchs hält, vielleicht besser in einer geschlossenen Anstalt aufgehoben wäre. ({17}) Eins ist aber klar: Was hier vor unseren Augen passiert, das ist gewollt. Das ist die bewusste Zerstörung aller gesellschaftlichen Normen und Wertvorstellungen. Es zielt auf die Diktatur von Minderheiten ab und dient dem sozialistischen Plan der Großen Transformation. Zu mehr Toleranz hat es jedenfalls nicht geführt, sondern eher zu der Frage, ob wir es hier nicht mit einer Subkultur der Geisteskranken zu tun haben. Vielen Dank. ({18})

Leni Breymaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004683, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Es ist immer bitter, nach der AfD reden zu müssen, aber ich will Ihnen mal sagen: Ich bin sehr froh darüber, dass die AfD nicht bestimmen kann, was in diesem Land normal ist. ({0}) Ich sage Ihnen: Mein Staatsziel ist, dass in diesem Land alle Leute gut und diskriminierungsfrei leben können. Das ist das Staatsziel. ({1}) Sie haben kein Wort zu dem Haushalt gesagt, den wir diese Woche beraten. Wir beraten den Bundeshaushalt in wirklich sehr, sehr herausfordernden Zeiten. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, Kolleginnen und Kollegen, jetzt Hunderte von Milliarden Euro zum Schutz der Menschen, der Familien, der Unternehmen, der Einrichtungen in die Hand nehmen zu müssen, und das, wo uns alle schon die Pandemie mehr als fordert und gefordert hat? Darum lassen Sie mich zuerst unseren Haushälterinnen und Haushältern danken, die nicht alle unsere Wünsche umsetzen konnten, aber ihr Bestes getan haben und am Ende dann doch noch an maßgeblichen Stellschrauben drehen konnten. Für unsere Arbeitsgruppe einen dicken Dank an Elisabeth Kaiser für gute Verhandlungen und eine transparente Kommunikation. Herzlichen Dank, Elisabeth! ({2}) Unser Einzelplan 17, das ist der Haushalt des Bundesministeriums für Familie, Seniorinnen und Senioren, Frauen und Jugend. Wären alle Leistungen für diesen Personenkreis in diesem Einzelplan 17 abgebildet, dann wäre Lisa Paus’ Haushalt der größte. Alleine das, was auf die bestehenden Ansprüche draufkommt, lässt sich sehen. Die Erhöhung des Kindergeldes – es wurde gesagt – ist die größte, die wir je hatten: 250 Euro pro Kind. Das spürt man in den Familien. ({3}) Die Erhöhung des Wohngeldes und die Ausweitung des Empfängerkreises, das hilft im Alltag. Die Ausweitung des BAföG und seine Erhöhung, das war so überfällig, und das merken Studierende und ihre Familien. Von der Erhöhung des Mindestlohns profitieren zu zwei Dritteln Frauen. Das 49‑Euro-Ticket schafft mehr Mobilität. ({4}) Die Rentenerhöhung kann sich sehen lassen. Mit der Hilfe bei den Heizkosten unterstützen wir diejenigen, die inmitten einer der schwersten Krisen seit Bestehen der Bundesrepublik dringend Hilfe brauchen usw. usw. Was wir in den vergangenen Monaten, Kolleginnen und Kollegen, über die Rampe geschoben haben, und das, was wir in der nächsten Woche vollends beschließen werden, das kommt bei den Kindern, den Familien, den Jugendlichen und den Seniorinnen und Senioren an. Die Ampel hat Kinder und Jugendliche im Blick. Wir lassen die Leute, wir lassen die Alleinerziehenden mit den gestiegenen Preisen nicht alleine und gehen weitere wichtige Schritte in Richtung einer armutsfesten Kindergrundsicherung. ({5}) Dann geht es natürlich auch darum, was wir gesellschaftspolitisch wollen. Wo wir hinschauen, sei es in Europa, sei es in der Welt, werden Frauenrechte geschliffen, setzen sich mutige Frauen und Männer zur Wehr gegen schlimme Regime. Wir hier in Deutschland spielen aber nicht auf Halten und freuen uns nicht an dem, was ist. Wir wollen mehr. Wir wollen echte Gleichberechtigung und setzen dafür auch in diesem Einzelplan Zeichen. Mit der Bundesstiftung Gleichstellung entfaltet sich gerade in diesen Monaten ein offenes Haus für Zivilgesellschaft. Der Deutsche Frauenrat, diese größte frauen- und gleichstellungspolitische Interessenvertretung, wird künftig drei Stellen mehr haben. Das ist gut. Denn in diesem soliden Dachverband der Frauenverbände wird professionell gearbeitet, und das soll auch weiter so sein. ({6}) Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat nun unabhängige Berichterstattungsstellen zu geschlechtsspezifischer Gewalt und zu Menschenhandel. Wir werden die Istanbul-Konvention mit einer staatlichen Koordinierungsstelle umsetzen. Zudem konnten wir weitere Akzente, zum Beispiel im Bereich der Hilfen für Frauen bei Genitalverstümmelungen, setzen. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist alles enger genäht in diesem Jahr. So eng war es die letzten Jahre nicht. Deshalb können wir auf diese Akzente und auf diesen Haushalt miteinander auch stolz sein. Kümmern wir uns jetzt um die Menschen! Kümmern wir uns um eine gute, gleichberechtigte Zukunft! Kästner hat es so schön gesagt: „Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es.“ Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Breymaier. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Heidi Reichinnek, Fraktion Die Linke. ({0})

Heidi Reichinnek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005186, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Paus! Im pädagogischen Bereich, aus dem ich ja komme, sagt man: Ich bin nicht wütend, ich bin enttäuscht. – Daher sage ich Ihnen: Von dem Haushalt, den Sie hier vorlegen, bin ich so was von enttäuscht. ({0}) Ja, es gibt einen Aufwuchs im Haushalt des Familienministeriums; der liegt aber vor allem beim Elterngeld und beim Unterhaltsvorschuss, also bei Pflichtleistungen, die der Bund sowieso zahlen muss. Es gibt hier Kolleginnen und Kollegen, die nicht so tief im Thema stecken. Daher eine kurze Einordnung für die fachfremden Kolleginnen und Kollegen oder die, die im Ausschuss gepennt haben; denn die Ampel hat immer so die Angewohnheit, das eine zu sagen und dann das andere zu beschließen. ({1}) Frühkindliche Bildung. „So wichtig“, sagen Sie. Tatsächlich kürzen Sie bei den Kitas durch die Hintertür. 260 Millionen Euro für die Sprach-Kitas fallen weg. Ja, ein halbes Jahr werden sie jetzt noch durch das KiTa-Qualitätsgesetz finanziert; aber in sie werden trotz Inflation nur etwa so viele Mittel gesteckt wie durch das Gute-KiTa-Gesetz. Also: eiskalte Kürzung. ({2}) Kinder- und Jugendbeteiligung. „So wichtig“, sagen Sie und kürzen um 30 Prozent die Mittel im Kinder- und Jugendplan. Wenn Sie Kinder und Jugendliche hier mal beteiligen würden, dann könnten Sie die fragen, ob das Sinn ergibt. Dann würden die Ihnen sagen: Nö. – Aber das scheint bei Ihnen in der Regierung nicht so richtig angekommen zu sein, oder Sie wollen es einfach nicht verstehen. Aber weiter. Gewaltschutz für Frauen. „So wichtig“, sagen Sie. Aber die wenigen Mittel, die es in einem Bundesprogramm für Baumaßnahmen für Frauenhäuser oder Beratungsstellen gibt, kürzen Sie um 30 Prozent. ({3}) Dabei wird damit zum Beispiel Barrierefreiheit ermöglicht. Wir alle wissen, dass Frauen mit Behinderung zwei- bis dreimal so häufig von Gewalt betroffen sind und diese Zugänge zwingend benötigen. Und am Freitag, dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, werden zum Glück wieder alle Bilder in den sozialen Medien posten. Sie sagen das eine und beschließen das andere. Ich dachte mir, ich sage Ihnen das einfach mal, vielleicht sind Sie dann wenigstens auch ein bisschen enttäuscht ({4}) und hören mal auf uns – enttäuscht von den Kolleginnen und Kollegen, die das verhandelt haben. Vielleicht stimmen Sie uns demnächst mal zu, wenn wir für ein bisschen mehr Geld im Familienministerium sorgen wollen. Vielen Dank. ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Matthias Seestern-Pauly, FDP-Fraktion. ({0})

Matthias Seestern-Pauly (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004890, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe ja gerade sehr aufmerksam zugehört, Frau Kollegin. Die erste gute Nachricht ist jedoch – und das können Sie auch nicht wegdiskutieren –, dass die Mittel für unseren Einzelplan gegenüber der bisherigen Finanzplanung weiter steigen. ({0}) Die zweite gute Nachricht ist, dass wir dies schaffen und parallel die Schuldenbremse des Grundgesetzes endlich wieder einhalten. Wir als Koalition verfolgen mit dem vorliegenden Haushalt das Ziel, Chancengerechtigkeit und soziale Teilhabe für alle Kinder und Jugendlichen zu ermöglichen. Parallel hierzu entlasten wir zielgerichtet unsere Familien, da sie von den steigenden Kosten der aktuellen Krise besonders betroffen sind. Genau deshalb haben wir die größte Kindergelderhöhung in der Geschichte unseres Landes auf den Weg gebracht. ({1}) Das Kindergeld steigt für die ersten beiden Kinder um jeweils 31 Euro und für das dritte Kind um 25 Euro monatlich ab 2023 an – eine großartige Hilfe, für die der Bund zusätzliche 2 Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Für eine Familie mit zwei Kindern sind das 744 Euro und für eine Familie mit drei Kindern sogar 1 044 Euro jährlich mehr. Das kann man auch nicht wegdiskutieren. ({2}) Außerdem erhöhen wir den Höchstbetrag beim Kinderzuschlag für Familien mit niedrigen Einkommen ab dem 1. Januar auf monatlich 250 Euro. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle wissen, wie schwierig die finanziellen Rahmenbedingungen derzeit sind. Trotzdem werden wir in den nächsten beiden Jahren wieder bis zu 4 Milliarden Euro für die frühkindliche Bildung in die Hand nehmen und in weitere Qualitätsverbesserungen investieren. Das tun wir, weil wir faire Startchancen für alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland erreichen wollen. Zudem ist eine verlässliche und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung wichtig für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Auch begrüße ich es sehr, dass wir uns als Koalition für die Chancengerechtigkeit von Kindern und Jugendlichen mit dem neuen Chancenpaket einsetzen. Dafür werden im Haushalt zusätzlich 55 Millionen Euro eingestellt. Das ist auch richtig so; denn die Folgen der Pandemie werden sich erst in einigen Jahren vollständig bemerkbar machen. Gerade deshalb ist es auch so wichtig, diese schon jetzt abzumildern und niedrigschwellige Angebote für Kinder und Jugendliche zur Verfügung zu stellen. Wir lassen unsere Kinder und Jugendlichen in Deutschland nicht im Stich. Ganz im Gegenteil: Wir unterstützen sie aktiv, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen und, wo immer es nötig ist, Hilfe in Anspruch nehmen zu können. Auch bin ich froh, dass wir im parlamentarischen Verfahren zusätzlich die Mittel für die Schwangerschaftskonfliktberatung, die Hilfe und Unterstützung bei ungewollter Kinderlosigkeit und Zuweisungen an die Stiftung Frühe Hilfen noch mal erhöhen konnten. ({3}) Damit unterstützen wir Familien in allen Lebenslagen von Beginn an. Herzlichen Dank. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Seestern-Pauly. – Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Hermann-Josef Tebroke, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Hermann Josef Tebroke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004912, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch oder gerade in aktuellen Krisen stehen wir als Parlament insgesamt in einer ganz besonderen Verantwortung für nachfolgende Generationen. Wie wir diese Verantwortung wahrnehmen, zeigt sich nicht zuletzt in der Haushaltsplanung. Nachhaltige, generationengerechte Haushaltspläne sind ausgeglichen. Frau Raffelhüschen, Sie verweisen darauf, dass jetzt endlich wieder die Schuldenbremse eingehalten werde. Aber immerhin 45 Milliarden Euro Neuverschuldung haben auch Sie ausgerechnet, und wir als CDU/CSU-Fraktion haben einige Vorschläge gemacht, wie auch das vermieden werden könnte. Sie haben – das muss ich an dieser Stelle deutlich sagen – dabei nicht erwähnt, dass in 2022 noch mal eben kurz einige Schulden auf Vorrat aufgenommen worden sind. Wir haben das an anderer Stelle quantifiziert: 500 Milliarden Euro Schulden lasten auf den nachfolgenden Generationen. Das ist gegen das Prinzip der Jährlichkeit, das ist gegen das Prinzip der Transparenz, und es ist auch gegen das Prinzip der Fairness gegenüber den jungen Generationen, ({0}) die sehr deutlich – auch Ihnen wird das geschehen – sagen: Wie sollen wir das alles zurückzahlen? Sieht denn keiner die Zinsentwicklung? Sieht denn keiner die drohende Rezession? Wie ist das denn mit der langfristigen Steuerentwicklung? Wie ist das mit der Alterssicherung? Wie ist das mit den Fachkräften? Sollen wir das alles bezahlen? Wer denkt an uns? Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Haushaltspolitik ist nicht nachhaltig, sie ist nicht generationengerecht. Ist das denn die Zeitenwende in der Haushaltsplanung: noch mehr Schulden? Die Devise müsste lauten: Schulden runter, Budgets kürzen, deutlich sagen, was geht, was nicht geht, und eine Strategie entwickeln, wie wir aus diesen multiplen Krisen herauskommen und wie wir eine Zukunft für unsere Kinder schaffen können. Wir haben Vorschläge gemacht; sie wurden nicht angenommen. ({1}) Nachhaltige Haushaltspolitik, meine Damen und Herren, so könnten Sie sagen, ist sparsame und gezielte Mittelverwendung. Verehrte Ministerin, Sie legen einen Haushaltsplan vor, der sich kaum, sage ich mal, gegenüber dem Vorjahresplan verändert hat. Die gesetzlichen Ausgaben sind gestiegen, die Programmausgaben gesunken, die Verwaltungsausgaben gestiegen. Und Sie sagen: Das ist okay so. – Meine Damen und Herren, liebe Ministerin, das ist für mich ambitionslos, und das ist eigentlich auch ungerecht. Denn gerecht wäre es, jetzt Mittel zu verwenden, um für die jungen Menschen in ihren Familien eine Grundlage zu schaffen, auf der sie dann irgendwann selbst das Leben in die Hand nehmen und auch dazu beitragen können, dass unser Gemeinwesen besteht. Das passiert in unzureichender Weise, nicht nur im Einzelplan 17, sondern insgesamt. Wir brauchen Familien, die stark gemacht werden. Sie wollen sie unterstützen mit Zeit, mit Infrastruktur und auch mit Geld. Der Kollege de Vries wird sicher gleich noch darauf zu sprechen kommen, was wir davon halten, wie sich die Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur entwickelt, und sagen, wie sie sich entwickeln sollte. Wir werden vielleicht irgendwann später auch mal darüber nachdenken, wie denn Elterngeld- und Elternzeitregelungen aussehen müssten, damit den geänderten Anforderungen der Familien Rechnung getragen wird und Kinder in diesen Familien größere Chancen haben. Ich möchte abschließend zu den finanziellen Hilfen etwas sagen, zu dem Geld, das als akute Hilfe für Familien gezahlt werden muss, die in dieser Krise, gerade in der Inflation – da gebe ich Ihnen recht, Frau Paus –, unter besonderem Druck stehen. Sie hatten in Aussicht gestellt, Ihre finanz- und steuerpolitische Kompetenz an dieser Stelle in die Waagschale zu werfen und sich für die Familien einzusetzen. Sie verweisen auf einige Hilfsprogramme, die nötig sind, auch von uns unterstützt werden, etwa wenn es um die Senkung der faktischen Energiekosten geht, um die Umsatzsteuersenkung, um den Energiepreisdeckel, der demnächst kommen soll. Wir wissen immer noch nicht, ob er versteuert wird oder nicht versteuert wird. Das ist ein bisschen symptomatisch für die Politik der Ampel und verunsichert die Menschen. Aber immerhin passiert etwas – zwar für alle, aber eben auch für Familien. Ich verweise auf die Kosten der Artikel des täglichen Bedarfs. Es gibt Überlegungen, die abgesenkten Umsatzsteuersätze für Lebensmittel des täglichen Bedarfs auch auf Hygieneartikel zur Versorgung von Kindern anzuwenden. Wir haben das verschiedentlich diskutiert. Es gab dazu einige Anträge, die wir diskutiert haben. Eine systematische Herangehensweise zur Lösung dieser Frage sehe ich nicht. Wir haben andere Vorschläge gemacht zur Förderung des Sparens, zur Vermögensbildung, zur Bildung von Rücklagen, die nur teilweise angenommen worden sind. Kinderfreibeträge sollten erhöht werden, war unsere Forderung. Wir haben darauf hingewiesen, dass es dringend notwendig ist, auch das Kindergeld zu erhöhen. Dem sind Sie endlich in allerletzter Minute gefolgt. Herr Seestern-Pauly, wenn Sie das als höchste Kindergelderhöhung preisen, dann haben Sie vergessen, zu erwähnen, dass die vierten Kinder nicht mehr bekommen als vorher. Alleinerziehende werden kaum unterstützt; wir haben hier Maßnahmen gefordert. Insgesamt haben Sie für Familien sicherlich einiges erreicht; dafür sind wir dankbar. Wir haben dazu beigetragen. Aber viel zu viel ist noch in der Mache. Der Haushalt insgesamt ist nicht generationengerecht.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Kommen Sie zum Schluss, bitte.

Dr. Hermann Josef Tebroke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004912, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie können nachvollziehen, dass wir diesem Haushalt insgesamt nicht zustimmen werden und dem Einzelplan 17 erst recht nicht. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Schahina Gambir, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Schahina Gambir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005059, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit – diesen Satz haben wir schon oft hier im Plenum gehört. So banal dieser Satz auch klingt, er ist und bleibt wahr. Für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit müssen wir uns einsetzen, ({0}) jeden Tag, mit allem, was wir haben, mit unseren Worten und Taten. Weltweit stehen Demokratien unter Druck. Auch direkt vor unserer europäischen Haustür ({1}) werden Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ungehemmt angegriffen. In Ungarn und Polen werden Rechtsstaat und Gewaltenteilung sowie Presse- und Meinungsfreiheit beschnitten. ({2}) In Italien regiert die rechtsextreme Giorgia Meloni. ({3}) Und auch Schweden ist nicht gefeit gegen massiven Rechtsruck. Das erfüllt mich mit großer Sorge. ({4}) Doch wir sind nicht zum Nichtstun und Zuschauen verdammt. Es gibt unterschiedliche Anknüpfungspunkte, wo, wie und womit wir unsere Demokratie und unsere Gesellschaft insgesamt stärker und resilienter machen können. Deshalb werde ich insbesondere die gesellschaftspolitischen Maßnahmen im Einzelplan unterstreichen. Diese Maßnahmen sind nicht einfach „nice to have“, sie sind essenziell für eine funktionierende und stabile Demokratie. ({5}) Aus diesem Grund ist die Unterstützung zivilgesellschaftlicher Arbeit im Bereich Demokratieförderung so wichtig. Deshalb haben wir nicht nur die Jugendmigrationsdienste selbst mit zusätzlichen Mitteln gestärkt, sondern auch ihr Programm „Respekt Coaches“; ({6}) denn diese Coaches leisten so wichtige Präventionsarbeit an den Schulen. ({7}) Nur eine freie, offene, inklusive Gesellschaft ist stark genug, ihre Demokratie zu verteidigen. Für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft ist es so wichtig, dass wir Vielfalt, Gleichbehandlung und Teilhabe wertschätzen und anerkennen. ({8}) Als Ampel haben wir auch hier Geld in die Hand genommen, um die wichtige Arbeit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu stärken. Wir haben hier nicht nur zusätzliche Stellen geschaffen, sondern auch die Mittel insgesamt um ein Vielfaches erhöht, ({9}) damit wir eine Aufstockung erreichen, die sich sehen lassen kann. Insgesamt sind es über 7,5 Millionen Euro. ({10}) Ein Teil fließt in den Aufbau eines bundesweiten Netzwerkes von Beratungsstellen, ein anderer Teil ist unter anderem für Maßnahmen, die Benachteiligungen entgegenwirken sollen. Damit unterstützen wir Menschen, die täglich Diskriminierung erleben, ({11}) zum Beispiel aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer Religionszugehörigkeit oder ihrer Behinderung. ({12}) Die Stärkung der Antidiskriminierungsstelle sowie die Antidiskriminierungspolitik insgesamt haben wir uns als Ampel in den Koalitionsvertrag geschrieben. Ich bin sehr froh, dass wir auch in diesen Zeiten gesellschaftspolitische Fragen nicht aus dem Blick verlieren. Vielen Dank. ({13})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Kollege Stefan Schwartze, SPD-Fraktion. ({0})

Stefan Schwartze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004150, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir beraten abschließend über den Haushalt für das Jahr 2023. Dieser Haushalt spiegelt unsere Anstrengungen wider, den Menschen, den Familien durch diese schwierigen Zeiten zu helfen und gleichzeitig Impulse für die Zukunft zu setzen. In diesen Zeiten machen sich die Menschen, diejenigen, die Verantwortung in Unternehmen, in den Einrichtungen im Sozial- und Gesundheitswesen und der Behindertenhilfe tragen, viele Sorgen. Wir hören sie, wir nehmen sie ernst, und wir handeln entschlossen. Daher möchte ich an dieser Stelle noch mal auf die wichtigen Bestandteile unserer Entlastungspakete eingehen. Alle Eltern haben im Juli einen Kinderbonus von 100 Euro pro Kind erhalten. Ab Januar 2023 wird für jedes Kind 250 Euro Kindergeld monatlich ausgezahlt. Und auch der Kinderfreibetrag wird angehoben. Um Entlastung für die zu schaffen, die es wirklich brauchen, gibt es bis zur Einführung der Kindergrundsicherung seit Juli 2022 einen Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro pro Monat. Damit wurde auch der Höchstbetrag beim Kinderzuschlag auf 229 Euro monatlich pro Kind erhöht. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind ganz konkrete, sofort spürbare Unterstützungen. ({0}) Und wir gehen noch weiter. Um die zusätzlichen Belastungen dieser Familien aufgrund der Inflation abzumildern, wird der Höchstbetrag des Kinderzuschlags ab 1. Januar 2023 auf 250 Euro monatlich angehoben. Alle Erwerbstätigen erhalten einen Energiepauschale von 300 Euro, die seit September 2022 ausgezahlt wird. Das gilt auch für alle Minijobberinnen und Minijobber, unabhängig davon, ob sie Steuern zahlen oder nicht. Und das hilft gerade auch Alleinerziehenden. Im Dezember 2022 bekommen auch Rentnerinnen und Rentner eine Energiepauschale von 300 Euro, und Bezieherinnen und Bezieher von BAföG und Berufsausbildungsleistungen erhalten 345 Euro. Zusätzlich gibt es das neue Wohngeld. Meine Damen und Herren von der Union, Sie sind herzlich eingeladen, mit uns das neue Bürgergeld zu schaffen. Dass Sie mit der Höhe der Regelsätze des Bürgergeldes keine Probleme haben, haben Sie ja in der letzten Sitzungswoche hier im Bundestag schon bewiesen. ({1}) Jetzt lassen Sie uns auch dafür sorgen, dass wir die richtigen Maßnahmen ergreifen, damit wir die Leute in den ersten Arbeitsmarkt reinbekommen und das Wort „fördern“ an der Stelle ernst nehmen. ({2}) Außerdem wird der Bund im Dezember als Soforthilfe die in diesem Monat fälligen Abschlagszahlungen auf Gas und Fernwärme übernehmen. Das heißt, die Versorger erheben sie nicht und bekommen das fehlende Geld vom Bund erstattet. Vermieter verrechnen die staatlichen Dezemberhilfen mit Abschlagszahlungen der Mieter/-innen. Aber wir unterstützen auch die Institutionen und Einrichtungen im Bereich Familie, Kinder und Jugend, deren Überleben durch extrem hohe Energiepreise bedroht ist. Mit der geplanten Gas- und Strompreisbremse werden alle, aber eben auch diese Einrichtungen stark entlastet. Für Einrichtungen in der Verantwortung des Bundes haben wir zudem einen Härtefallfonds geschaffen. Der Fonds soll die Belastungen auch aus diesem Jahr begrenzen. Ich kann an dieser Stelle nur an die Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen appellieren, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und ähnliche Fonds aufzulegen und die Einrichtungen, die sie in ihrer Verantwortung haben, durch die Krise zu bringen. Herr Wüst, es reicht als Ministerpräsident des größten Bundeslandes nicht, immer nur nach dem Bund zu rufen und selbst keinen Finger zu rühren. ({3}) Insgesamt nimmt der Bund 300 Milliarden Euro in die Hand, um die Auswirkungen der Krise bestmöglich zu begrenzen. Wir werden nicht alle Härten nehmen können, und wir werden nicht jede Belastung ausgleichen können. Aber wir stehen den Menschen, den Unternehmen und den Einrichtungen zur Seite. Wir tragen mit diesem Haushalt nicht nur zur Bewältigung der Krise bei, sondern wir setzen Impulse für die Zukunft. Es macht eben einen Unterschied für die Familien, Kinder und Jugendlichen, wer die Regierung führt. Wir begegnen ihnen mit Respekt und stehen ihnen in diesen schweren Zeiten zur Seite. Als Koalition werden wir die Krise meistern und die Zukunft gestalten. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Nico Tippelt, FDP-Fraktion. ({0})

Nico Tippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005239, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Die Familienpolitik wird vor allem durch drei gesetzliche Leistungen geprägt: das Elterngeld, den Kinderzuschlag und vor allem das Kindergeld, welches wir ganz aktuell deutlich erhöht haben. Deshalb ist es richtig, dass es im Etat für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vor dem Hintergrund einer schwierigen Haushaltslage in 2023 einen Aufwuchs in Höhe von 1,18 Milliarden Euro geben wird. Gerade in diesem Einzelplan zeigen sich die enormen Herausforderungen unserer Gesellschaft: die Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die gesunkene Kaufkraft sowie auch ganz konkrete soziale Problemlagen wie der Mangel an Bewegung von Kindern und Jugendlichen und die Einsamkeit von Menschen. So werden die Zuwendungen für das Programm Frühe Hilfen auf 56 Millionen Euro wachsen; die entsprechende Stiftung unterstützt Eltern von Kindern im Alter bis drei Jahren in besonders belasteten Lebenslagen mit speziellen psychosozialen Angeboten. Auch für das Zukunftspaket für Bewegung, Kultur und Gesundheit sind 50 Millionen Euro bestimmt. Es schließt an das bisherige Coronaaufholpaket an und adressiert Probleme Jugendlicher wie den Bewegungsmangel und eine exzessive Mediennutzung. Nicht zuletzt findet sich das Programm „Respekt Coaches“ im Einzelplan wieder, welches Schülerinnen und Schüler im Alltag begleitet. Wenn wir eine resiliente Gesellschaft wollen, die Krisen meistert, Herausforderungen angeht, positiv in die Zukunft schaut, dann gehören Teilhabe und finanzielle Stabilität unbedingt dazu. Es ist enorm wichtig, dass wir bestimmte Nöte bei Kindern und Jugendlichen dann angehen, wenn sie am besten gelöst werden können. Das ist genau jetzt. Jetzt müssen wir die Probleme anpacken und Lösungen liefern. ({0}) Sehr geehrte Damen und Herren, etwa 30 Millionen Menschen engagieren sich in Deutschland ehrenamtlich. Das ist eine Zahl, auf die wir in unserem Land wirklich stolz sein können. Es ist begrüßenswert, dass die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt als zentrale Anlaufstelle mit 10 Millionen Euro für ihre wichtige Arbeit bedacht wird. Die Ampel wirkt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Christoph de Vries, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Christoph Vries (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004926, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Kinder- und Jugendpolitik der Ampel in diesem Haushalt anschaut, kommt einem wirklich das kalte Grausen. Was Sie von der Koalition als Fortschritt bezeichnen, das nennen wir Raubbau an der Zukunft der Kinder und Jugendlichen. Ich habe selten eine Regierung erlebt, bei der Worte und Taten so weit auseinander klaffen wie bei Ihnen, meine Damen und Herren. ({0}) Wir haben das heute ja auch wieder erlebt. Aber damit nicht genug. Sie haben ja noch nicht mal die Traute, zu Ihren eigenen Entscheidungen zu stehen und den Bürgern reinen Wein einzuschenken. Werfen wir doch mal einen Blick in den Koalitionsvertrag. Dort schreiben Sie: Wir wollen allen Menschen unabhängig von ihrer Herkunft beste Bildungschancen bieten, Teilhabe und Aufstieg ermöglichen … Dazu stärken wir die frühkindliche Bildung … Kinder verdienen beste Bildung. Jedes Kind soll die gleichen Chancen haben. ({1}) Wenn man diese vollmundigen Worte in Ihren Entscheidungen in den Haushalten 2022 und 2023 spiegelt, muss man feststellen: Diese Worte sind wirklich der blanke Hohn, meine Damen und Herren. ({2}) Sie kürzen die geplanten Ausgaben, gemessen an den ursprünglichen Planungen, um fast 40 Prozent: von über 1 Milliarde um 405 Millionen Euro. Diese Haushaltsplanung ist ein Armutszeugnis für eine Koalition, die den Anspruch hat, soziale Politik zu machen und für Chancengerechtigkeit einzustehen, so wie Sie das vorhin genannt haben. Schauen wir uns doch das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ mal an. Dort lautet Ihr Motto: Gestern noch verstetigt, heute schon gestrichen. – Man will in Wahrheit das Programm lieber früher als später an die Länder abgeben, um für die eigenen ideologischen Projekte Kapazitäten zu schaffen. Vor einem Jahr haben Sie eine Verstetigung und Weiterentwicklung im Koalitionsvertrag angekündigt. Und nun zeigen Sie, dass Ihnen in Wahrheit diejenigen Kinder besonders wenig am Herzen liegen, die eigentlich unsere Unterstützung ganz besonders brauchen, meine Damen und Herren. ({3}) Wie kann man eigentlich auf die Idee kommen, in einer Zeit, wo wir jeden Einzelnen brauchen und auf niemanden verzichten können, so kurzsichtig Einsparungen auf dem Rücken der Kinder zu beschließen? ({4}) Wie kann man sich im Koalitionsvertrag für gleiche Chancen aller Kinder aussprechen und dann als Bundesregierung vollständig aus der frühkindlichen Sprachförderung aussteigen? Sie wollen die Kindergrundsicherung einführen, und gleichzeitig nehmen Sie billigend in Kauf, dass Kinder mit Sprachdefiziten nicht mehr ausreichend frühkindliche Sprachförderung bekommen ({5}) und später auf der Strecke bleiben, meine Damen und Herren. Da muss ich wirklich sagen: Dümmer geht’s nimmer. ({6}) Bei mir im Wahlkreis haben 75 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund. Jede zweite Kita profitiert dort von diesem Bundesförderprogramm. Es war nie sinnvoller, frühzeitig in Bildung und Entwicklung der Kinder zu investieren. Und Sie betreiben den Ausstieg aus genau dieser frühkindlichen Sprachförderung, meine Damen und Herren! ({7}) Eins ist für uns klar: Wir wollen frühkindliche Sprachförderung nicht nach Kassenlage in den Ländern, und wir wollen keinen Flickenteppich unterschiedlicher Landesförderprogramme. ({8}) Wir als Union wollen ein einheitliches Programm mit gleichen Bildungschancen für alle Kinder und kein Stückwerk. Aber damit noch nicht genug. Sie machen mit Ihren Kürzungen an anderer Stelle weiter. Das Programm „Kita-Einstieg“ sei genannt oder das Programm „Fachkräfteoffensive Erzieherinnen und Erzieher“. ({9}) Im letzten Jahr haben Sie das Programm fast vollständig eingestellt, nun haben Sie das endgültige Aus besiegelt, und das in einer Zeit, wo wir in Deutschland, in den Kommunen und in den Städten, händeringend Fachkräfte suchen, prekäre Situationen haben, Eltern keine Betreuungsplätze mehr finden. Zu diesem Zeitpunkt stellen Sie die Fachkräfteförderung ein; das ist auch ein Armutszeugnis meine Damen und Herren. ({10}) Ich komme zum Schluss. Mit Ihrem Kahlschlag versündigen Sie sich an den Zukunftschancen vieler Kinder in Deutschland. Auch mit wirklich gutem Willen kann man nicht erkennen, dass Ihnen fachlich oder haushaltspolitisch frühkindliche Förderung am Herzen liegt. ({11}) Besonders bitter ist das für ein Grün-geführtes Familienministerium, ({12}) in dem ja regelmäßig Krokodilstränen vergossen werden, wenn es um Kinderarmut geht. Ich sage zum Schluss: Lassen Sie uns noch besser in frühkindliche Bildung der Kinder kraftvoll investieren. ({13}) Das ist der bessere Weg aus der Armutsfalle, und das ist die größte Gewähr für ein erfolgreiches, selbstbestimmtes Leben unserer Kinder. Vielen Dank. ({14})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Nina Stahr, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Nina Stahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005227, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer/-innen! Man sollte die AfD ja eigentlich einfach ignorieren. Aber was Sie, Herr Ehrhorn, hier gemacht haben, wie Sie trans Menschen und queere Menschen verunglimpft haben, ({0}) ist der Würde dieses Hauses wirklich nicht angemessen. ({1}) Deshalb möchte ich es einmal ganz klar sagen: Wir als Ampel und, ich gehe fest davon aus, alle demokratische Fraktionen in diesem Haus stehen an der Seite der queeren Community. Und Ihr Hass wird das nicht ändern. ({2}) Zurück zum Haushalt und zunächst ein paar Punkte zur bisherigen Debatte. Liebe CDU, es stimmt einfach nicht, egal wie oft Sie es wiederholen, dass wir die Sprach-Kitas beenden wollen. ({3}) Im Gegenteil, sie werden – ich erzähle es gerne noch einmal – in die Regelfinanzierung der Länder überführt. Denn die Länder sind zuständig. ({4}) Es muss endlich Schluss sein mit den gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen Bund und Ländern. Alle Beteiligten müssen hier ihre Aufgaben wahrnehmen, damit alle Kinder gute Chancen bekommen und alle Fachkräfte gute Arbeitsbedingungen haben. Der Bund leistet seinen Beitrag. Es ist gut, dass wir 109 Millionen Euro aus dem Einzelplan 60 jetzt in den Einzelplan 17 umgeschichtet haben und so den Übergang bis zur Mitte des kommenden Jahres ermöglichen und den Ländern ausreichend Zeit geben, die Regelfinanzierung abzusichern. ({5}) Länder wie NRW, Niedersachsen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein – übrigens alles Grün-mitregierte Länder, falls Sie sich noch mal fragen, wo unser Schwerpunkt liegt – zeigen, wie es geht: Sie werden die Sprach-Kitas weiterführen. Herr Lehrieder, Sie haben gesagt: Die Betroffenen wissen nicht, wie es ab Mitte des nächsten Jahres weitergeht. ({6}) Deshalb frage ich: Was ist denn mit Bayern? Ich kann an Bayern und alle anderen Länder nur appellieren: Schaffen Sie Klarheit, geben Sie den Menschen eine klare Perspektive, führen Sie in den Ländern die Sprach-Kitas weiter! ({7}) Auch im – damit komme ich noch einmal zu diesem Gesetz – KiTa-Qualitätsgesetz setzen wir Prioriät auf die Sprachförderung. Die Länder können die knapp 4 Milliarden Euro, die sie vom Bund in den nächsten zwei Jahren erhalten, in die Sprachförderung investieren. Das ist übrigens Geld, liebe CDU/CSU, das Sie in der mittelfristigen Finanzplanung genau wie ({8}) für die Sprach-Kitas überhaupt nicht vorgesehen hatten, ({9}) Geld, mit dem wir, liebe Frau Breher – weil Sie es angesprochen hatten –, auch die Kindertagespflege unterstützen werden. Ganz kurz noch zwei Punkte zur Unterstützung von Familien im vorliegenden Haushaltsentwurf. Die wichtige Arbeit der Bundesstifung Frühe Hilfen wurde schon angesprochen. Wir stärken sie mit zusätzlichen 5 Millionen Euro. Hier investieren wir in die Prävention. Das ist genau der richtige Schwerpunkt; denn wir wollen nicht hinterher an Symptomen herumdoktern, sondern direkt etwas bewirken, Kinder von Anfang an unterstützen, dass sie gut aufwachsen. ({10}) Als Letztes. Alle Familien bekommen die Kindergelderhöhung; das ist oft genug gesagt worden. Wir reagieren damit, genau wie mit vielen anderen Maßnahmen – Kindersofortzuschlag, Erhöhung des Kinderzuschlags, Kinderbonus, Energiepauschale, Ausweitung der Berechtigung zum BAföG- und Wohngeldbezug, um nur einige zu nennen –, auch auf die gestiegenen Belastungen durch Inflation, Energiekrise und Coronapandemie. Wir machen damit den nächsten, wichtigen Schritt Richtung Kindergrundsicherung, stehen als Ampel verlässlich an der Seite der Familien. Wir lassen die Familien nicht allein, wir helfen ihnen durch die Krise und schaffen so Chancengerechtigkeit. Herzlichen Dank. ({11})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Nächste Rednerin ist die Kollegin Anke Hennig, SPD-Fraktion. ({0})

Anke Hennig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005081, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Willy Brandt hat das Wesen der Demokratie als Kompromiss beschrieben. Ohne Kompromisse geht es auch hier nicht. Jede Fraktion – jede und jeder von uns – streitet mit allen Mitteln darum, dass ihre politischen Wünsche, Interessen und Ideen Gehör finden und mit den entsprechenden Geldern hinterlegt werden; denn nur so können diese Ideen in den meisten Fällen umgesetzt werden. Das ist ein zäher und anstrengender Prozess, bei dem man nie all das erreicht, was man sich gewünscht hat, aber eben im Endeffekt das, was aus der eigenen Sicht absolut nötig ist. Genau so nehme ich den Haushalt 2023 wahr. Viele von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern aus der Opposition haben erläutert, warum sie den Haushalt im Bereich Familie, Senioren, Frauen und Jugend für einen schlechten Kompromiss halten. Dem muss ich entschieden widersprechen. ({0}) Ich möchte erläutern, was aus meiner Sicht an diesem Kompromiss sehr gelungen ist und warum gerade die Parlamentarier der SPD und die Parlamentarier der anderen Ampelfraktionen wesentlich dazu beigetragen haben. Beispielhaft will ich hierzu einige Titel aus dem Bereich der Kinder- und Jugendpolitik des Einzelplans 17 aufführen, die dank des Einsatzes unserer Haushälterinnen und Haushälter mit den entsprechenden Mitteln hinterlegt werden konnten. Dies wird vor allem am Bundesprogramm Sprach-Kitas deutlich. Das von der ehemaligen Familienministerin Schwesig eingeführte Bundesprogramm fördert seit 2016 deutschlandweit Kindertageseinrichtungen und deren Träger und erhöht die Qualität der Integration, Inklusion und Spracherziehung von Kindern. Das Programm trägt wesentlich zur Qualifizierung der Fachkräfte in den Kitas bei und ist in der Gesamtbetrachtung ein sehr erfolgreiches Kitaprogramm des Bundes. Dieses Programm ist seit Monaten medial präsent, weil es aufgrund der aktuell sehr angespannten Haushaltslage auf Bundesebene ursprünglich zum Jahresende auslaufen sollte – ein Missstand, den wir Familienpolitikerinnen und ‑politiker der Ampelfraktionen gerade in der aktuellen Situation nicht akzeptieren konnten und wollten. ({1}) In einer gemeinsamen Kraftanstrengung wurde von unseren Parlamentariern nun ein Kompromiss verhandelt, der es den Ländern ermöglicht, dieses erfolgreiche Programm ab Juli 2023 in die eigenen Strukturen, in Landesstrukturen zu überführen – dort, wo es nach der Kulturhoheit der Bundesländer ohnehin verstetigt werden sollte. Bis dahin bauen wir den Ländern eine Brücke von 109 Millionen Euro, durch die das eigentlich Ende 2022 auslaufende Bundesprogramm bis Mitte nächsten Jahres aus Geldern des Bundeshaushalts weiterfinanziert wird. Darüber hinaus konnten wir für die Arbeit der Jugendmigrationsdienste, die seit vielen Jahren erfolgreich junge Menschen mit Migrationsgeschichte durch Beratungs-, Bildungs- und Freizeitangebote am Übergang von der Schule ins Berufsleben begleiten, bereits Mitte Oktober im Haushaltsausschuss eine Stärkung um 8 Millionen Euro gegenüber dem Regierungsentwurf beschließen. Das ist gerade in Zeiten von Flucht und Vertreibung durch Krieg und Klima ein absolut notwendiger Schritt. Zudem konnten unsere Parlamentarier gegenüber dem Regierungsentwurf 10 Millionen Euro für ein neues Modellprogramm mit dem Namen „Mental Health Coaches“ erstreiten. Die Coaches sollen den Kindern und Jugendlichen an Schulen als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner dienen, um so den Folgen der Coronapandemie, die für viele Kinder und Jugendliche massive psychische Belastungen mit sich gebracht hat, entgegenzuwirken und so Kinder und Jugendliche, aber auch deren Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrer in dieser Situation nicht alleinzulassen. ({2}) Besonders freue ich mich auch darüber, dass unsere Haushälterinnen und Haushälter die Mittel der Jugendverbandsarbeit im Kinder- und Jugendplan in den parlamentarischen Beratungen erneut, um zusätzliche 3 Millionen Euro, gegenüber dem Regierungsentwurf stärken konnten. Das hilft vor allem der Arbeit des Deutschen Bundesjugendrings und seiner Mitgliedsverbände. Mit diesen Mitteln stärken wir das politische und soziale Engagement von Kindern und Jugendlichen; ({3}) denn der Deutsche Bundesjugendring steht für eine Jugendpolitik, die junge Menschen wahrnimmt und ihnen tatsächliche Beteiligung ermöglicht. Darüber hinaus erhält auch die Deutsche Sportjugend eine Aufstockung von 1 Million Euro für 2023. Insgesamt konnten wir die Mittel für den Kinder- und Jugendplan, das zentrale Förderinstrument des Bundes in der Kinder- und Jugendhilfe, durch die parlamentarischen Beratungen gegenüber dem Haushaltsentwurf der Bundesregierung um 14,78 Millionen Euro erhöhen – ein großer Erfolg! ({4}) Dies sind nur einige Punkte, weshalb ich den vorliegenden Bundeshaushalt für den Bereich Familie, Senioren, Frauen und Jugend für einen sehr gelungenen Kompromiss halte. Vielen Dank. ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Hennig. – Vorletzte Rednerin in dieser Aussprache ist die Kollegin Dorothee Bär, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was für eine Enttäuschung! Was für eine Enttäuschung ist der Haushalt für die Familien in unserem Land, für die Senioren, für die Frauen, aber vor allem für die Kinder und für die Jugendlichen! Frau Ministerin, den größten Anteil im Einzelplan 17 machen fixe, gesetzlich vorgeschriebene Leistungen aus. Da fragt man sich schon, was dann für den Rest überhaupt noch übrig bleibt bei dieser Eigenleistung der Ampel. Dafür bleibt leider nichts übrig. Wir haben in den Ausführungen der Vorrednerinnen und Vorredner gehört, dass man über Prioritäten sicherlich noch diskutieren kann. Aber die Schwerpunktsetzung, die Sie hier vorgenommen haben, ist absolut unverständlich. So, wie meine Kollegen es ausgeführt haben, muss ich es leider auch noch einmal betonen: Ankündigungen und Handeln gehen völlig diametral auseinander. Es ist wahnsinnig schade, dass Sie das auf dem Rücken der Schwächsten austragen. ({0}) Auch wenn Sie es vielleicht nicht für möglich gehalten haben: Menschen lesen Koalitionsverträge. Damit haben Sie wahrscheinlich nicht gerechnet. ({1}) Ihr Koalitionsvertrag ist reine Makulatur. Darin hatten Sie angekündigt, dass Sie das Programm Sprach-Kitas nicht nur fortführen, sondern verstetigen wollen. Jetzt wollen Sie die Mittel für die Sprach-Kitas rasieren, wollen sie ohne Not an die Wand fahren. Wenn Sie jetzt schreien: „Das war nie so gedacht“, fragt man sich schon: Wer hat das denn in den Koalitionsvertrag geschrieben? ({2}) Ist das in einer Nacht-und-Nebel-Aktion früh um drei von irgendeinem Praktikanten noch reingeschrieben worden, ohne dass Sie es wussten? – Jetzt schieben Sie es auf die Länder. Ich finde dieses Schwarzer-Peter-Spiel wirklich perfide, ({3}) sich hierhinzustellen und zu sagen: „Nun sollen es halt die Länder machen“, obwohl Sie es versprochen hatten. ({4}) Ich finde es total beeindruckend, dass ausgerechnet Sie, Frau Stahr, als jemand, der aus Berlin kommt, versuchen, sich jetzt an anderen Landesregierungen abzuarbeiten. Dafür braucht man schon viel Chuzpe; das muss wirklich mal gesagt werden! ({5}) Selbst wenn Berlin das machen würde: Woher bekommt denn Berlin das Geld? Aus dem Länderfinanzausgleich, aus Bayern; das gehört zur Wahrheit an dieser Stelle dazu. ({6}) – Ich weiß, dass Sie vom Wort „Bayern“ immer extrem getriggert werden. Es tut mir auch leid, dass bei uns alles so gut läuft. ({7}) Aber Sie können sich eine Scheibe davon abschneiden. Wie gesagt: Angekündigt, nicht weitergeführt, nach acht Monaten die Katze aus dem Sack gelassen: knallhartes Förder-Aus – mit kurzer Verlängerung. Warum diese Verlängerung? Union sei Dank! Wir haben in unseren Wahlkreisen überall Kitagipfel durchgeführt und das Land wirklich aufgemischt. ({8}) Dann ist auch die Ministerin aufgewacht und hat festgestellt, dass es vielleicht doch nicht so opportun ist, das Ganze auf dem Rücken der Erzieherinnen in unserem Land auszutragen. ({9}) Genau deswegen gibt es jetzt eine Verlängerung: weil der Aufschrei der Fachwelt so gigantisch war.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hönel?

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wer?

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Ich habe gar nicht gewusst, dass man in Bayern keine Luft holen muss, wenn man redet.

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme aus Franken, da geht das noch besser. – Nein, der Kollege hatte ja schon Redezeit, und die Rede fand ich auch nicht prickelnd, also würde die Frage auch nicht so prickelnd sein. ({0}) Im selben unredlichen Stil – auch das gehört zur Wahrheit dazu; ich bin meiner Kollegin Silvia Breher dankbar, dass sie es angesprochen hat; denn von der Ampel macht das niemand – stampfen Sie auch das Bundesprogramm „ProKindertagespflege“ ein. ({1}) Die unionsgeführte Bundesregierung hatte noch im letzten Jahr bei der mittelfristigen Finanzplanung für eine Weiterführung Sorge getragen. Und da sind sie wieder, die 16 Jahre, die Sie uns dauernd vorhalten: 16 gute Jahre in der Familienpolitik, die Sie in weniger als 16 Monaten völlig an die Wand fahren. ({2})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der SPD-Fraktion?

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich weiß ehrlicherweise überhaupt nicht, was los ist. Alle anderen haben keine Zwischenfragen bekommen.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Aber es verlängert Ihre Redezeit, wenn Sie die Frage zulassen.

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Alles gut. – Ich erlaube sie deswegen nicht, weil ich jetzt mal über etwas aufklären muss, was die Zuhörerinnen und Zuhörer bestimmt interessiert; denn das sind alles redliche Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. ({0}) – Hören Sie mal zu! – In diesem Jahr werden innerhalb eines Jahres so viele Schulden gemacht wie von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen zusammen in 40 Jahren. Und da stellt sich die FDP noch hin und sagt, sie versuchen, redliche Haushalte zu machen! Das machen Sie nämlich nicht. Das nur zur Einordnung der Dimension der vermeintlich generationengerechten und nachhaltigen Haushaltsführung dieser Ampel. ({1}) Und bei den Familien kommt davon kaum etwas an. Das ist das Schlimme. Die Sprach-Kitas, die Kindertagespflege, weitere erfolgreiche Programme aus den letzten 16 Jahren verstecken sich in den „Maßnahmen zur Umsetzung der Qualifizierungsoffensive“. Es wird alles umgeschichtet, es kommt nicht bei Kindern an, es kommt nicht bei Jugendlichen an. Das Schlimme ist: Die Menschen spüren, dass sie sich auf Ihre Politik nicht verlassen können; gerade in diesen herausfordernden Zeiten wird das gespürt. Am meisten würde man sich als Familie auf eine Bundesfamilienministerin verlassen mögen. Ich erwarte einfach, dass Sie sich mit ein bisschen mehr Elan, mit ein bisschen mehr Leidenschaft auch um diejenigen kümmern, die Ihnen hier politisch anvertraut sind. ({2}) Ihnen wird in Zukunft keiner mehr ernsthaft glauben, dass Ihnen an der Qualität der Kinderbetreuung irgendwas am Herzen liegt. Sie brauchen das hier von diesem Pult nicht mehr behaupten. ({3}) Stimmen Sie unseren Anträgen zu, dann können Sie noch was retten! Aber so wird das nichts – leider, leider, leider. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Bär. Aber Franken liegt auch noch in Bayern, wenn ich das richtig im Kopf habe. ({0}) – Gut. Weil Sie Wert drauf gelegt haben, dass Sie aus Franken kommen und nicht aus Bayern. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat eine Kurzintervention beantragt, die ich zulasse. Das Wort hat der Kollege Hönel.

Bruno Hönel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005086, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Vorsitzender. – Liebe Frau Bär, das war in Ihrer Rede ja wirklich ein abenteuerlicher Ritt durch den Haushalt, ({0}) mit dem Sie sich offensichtlich nicht wirklich intensiv beschäftigt haben. Ich kann in dieser Kurzintervention jetzt nicht mit all diesen falschen haushaltspolitischen Unterstellungen aufräumen. Deswegen will ich Ihnen einfach zwei Fragen stellen, die ich sonst gerne als Zwischenfrage gestellt hätte. Zum einen haben Sie ja jetzt hier mehrere Male dargestellt, was Bayern alles für Deutschland leistet. Wir haben hingegen dargestellt, dass viele Länder die Weiterführung der Sprach-Kitas im KiTa-Qualitätsgesetz jetzt entsprechend wahrnehmen, eigene Sprachförderungsprogramme auf den Weg bringen. Meine konkrete erste Frage an Sie ist: Wann können wir denn mit dem Sprachförderprogramm von Markus Söder in Bayern rechnen? ({1}) Zum anderen – darauf hat meine Kollegin Nina Stahr dankenswerterweise hingewiesen – waren in Ihrer Finanzplanung, die Sie in Ihrer Regierung aufgestellt haben, die Sprach-Kitas gar nicht etatisiert; die waren gar nicht enthalten. ({2}) Daher meine ganz konkrete zweite Frage vor dem Hintergrund Ihrer Äußerungen hier, die ja komplett gegensätzlich sind: Warum eigentlich nicht? ({3})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin Bär, Sie können antworten.

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Um Ihre zweite Frage zuerst zu beantworten: Wir haben es immer weitergeführt. Es war auch nach den vielen Jahren bei den Erzieherinnen vor Ort – und ich war in den letzten Wochen und Monaten in vielen Kindertagesstätten – Common Sense, dass es weiterfinanziert werden würde. Selbstverständlich hätten wir das weiterfinanziert, da bin ich tausendprozentig sicher. Das war Punkt eins. ({0}) – Es ist so. Es hat sich in den letzten Jahren bewährt. Es ist von der Fachwelt als das erfolgreichste Programm überhaupt abgefeiert worden. Deswegen wäre es selbstverständlich weitergegangen, weil wir erfolgreiche Programme nicht ohne Not an die Wand fahren. ({1}) Punkt zwei. Frau Paus hat groß angekündigt, dass sie sich mal mit allen Ländern ins Benehmen setzen will. Ehrlicherweise erwarte ich von einer Bundesministerin auch insofern Führungsstärke, dass sie es mal schafft, die 16 Länder an einen Tisch zu bekommen. ({2}) In unserem Land wird alles – – ({3}) – Interessiert Sie die Antwort, Frau Schauws? Anscheinend nicht! Das ist die Arroganz der Macht. Die ist bei der Ampel aber ganz schön schnell eingezogen. Ja, so ist das. ({4}) Unser Bundesland geht immer über die normalen Leistungen hinaus – immer! Daher werden wir jetzt mal die nächsten Wochen abwarten. ({5}) – Am Schluss retten wir es doch immer für euch. Das ist doch immer so. So ist es einfach. ({6}) Aber ich finde es einfach unredlich, wenn FDP, Grüne und SPD es an die Wand fahren und jetzt sagen: Wir brauchen euch, weil wir es allein nicht schaffen. – Schade. Setzen, sechs, Herr Kollege. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, vielen herzlichen Dank. Ich finde das bayerische Selbstbewusstsein mal wieder bemerkenswert. Wirklich wahr! Da das Präsidium des Deutschen Bundestages auch Dienstleister ist, Herr Kollege Hönel: Die Sitzungsleitung sitzt nicht vor, sondern präsidiert, wird also immer mit „Frau Präsidentin!“ oder „Herr Präsident!“ und nicht mit „Herr Vorsitzender!“ oder „Frau Vorsitzende!“ angesprochen. Das nur als eine Dienstleistung. ({0}) Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Daniel Baldy, SPD-Fraktion. ({1})

Daniel Baldy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005015, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zurück aus Franken in die Realität. ({0}) Eine bessere Beleuchtung des öffentlichen Raums, Bezahlung von Pflichtpraktika für Schüler/-innen, mehr öffentliche Trinkbrunnen in der Innenstadt – das sind Forderungen der Mainzer Jugenddemokratiekonferenz, die dieses Jahr im September zum ersten Mal stattfand. Junge Menschen erarbeiten hier einen Katalog von Zukunftsideen für die eigene Stadt. Warum erzähle ich das? Veranstaltet wird die Jugenddemokratiekonferenz vom Jugendforum Mainz, das zum Haus des Erinnerns gehört. Das Haus des Erinnerns wird gefördert durch das Programm „Demokratie leben!“. Mit der Jugenddemokratiekonferenz macht das Jugendforum Mainz genau das: Demokratie leben. Seit 2014 wird das Programm durchgeführt, und im kommenden Jahr wachsen die Ausgaben zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie um 16,5 Millionen Euro. Das ist ein Ampelerfolg, und das ist gut für unsere Demokratie, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) „Die Gratismentalität in der Demokratiebildung muss überdacht werden“, gab mir die Leiterin des Hauses im September mit auf den Weg. Die Akteure brauchen Planungssicherheit – nicht nur abstrakt als Organisation, sondern insbesondere für die vielen engagierten und gut eingearbeiteten Beschäftigten, die oftmals mit befristeten Verträgen zu kämpfen haben. Deshalb braucht es das Demokratiefördergesetz. So erkennen wir Demokratieförderung und Extremismusprävention als Aufgabe des Bundes an und geben finanzielle Sicherheit. Das ist der richtige Schritt zur richtigen Zeit, meine sehr geehrten Damen und Herren. ({2}) 2014 wurde neben „Demokratie leben!“ aber auch die Stiftung Frühe Hilfen ins Leben gerufen. Seitdem stagniert der Bundeszuschuss für die Stiftung bei 51 Millionen Euro pro Jahr. „Die Mittel der ‚Stiftung Frühe Hilfenʼ werden wir dynamisieren“, so steht es in unserem Koalitionsvertrag. Mit diesem Haushalt gehen wir dazu den ersten Schritt und erhöhen den Ansatz um 5 Millionen Euro. Frau Breher, weil Sie eben die Stiftung Frühe Hilfen angesprochen haben: Nein, wir verringern den Ansatz nicht um 35 Millionen Euro – Sie haben die Coronasoforthilfen dazugerechnet –, sondern im Vergleich zu 2019 gehen wir um 5 Millionen Euro rauf. Das ist die Wahrheit. ({3}) Damit unterstützen wir Eltern vom Beginn der Schwangerschaft bis zum dritten Lebensjahr des Kindes gerade in belastenden Lebensjahren. Das ist ein ganz wichtiges Zeichen, um Kindern in Deutschland eine gesunde Entwicklung, aber auch ein gewaltfreies Aufwachsen zu ermöglichen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Denn gewaltfreies Aufwachsen ist leider immer noch keine Selbstverständlichkeit in Deutschland. Und zu oft schauen wir nicht genau genug hin, um häusliche Gewalt und sexuellen Missbrauch zu verhindern. Dabei wissen wir, dass drei Viertel aller Fälle sexuellen Missbrauchs bei Kindern im privaten Umfeld passieren. Aufklärungskampagnen müssen also auch auf diese Dunkelfälle im privaten Umfeld aufmerksam machen, um wirksam zu sensibilisieren. Und genau das tun das Bundesfamilienministerium und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs mit ihrer in der vergangenen Woche vorgestellten Aufklärungskampagne. „Schieb den Gedanken nicht weg!“ lautet der Titel, zum Beispiel den Gedanken – der Kollege Hönel hat es bereits angesprochen –, dass in jedem deutschen Klassenzimmer ein bis zwei Schülerinnen und Schüler sitzen, die bereits Opfer sexualisierter Gewalt wurden. Sensibilisierung in allen gesellschaftlichen Bereichen ist deshalb der erste Schritt, damit Dunkelziffern nicht länger im Schatten bleiben und betroffene Kinder und Jugendliche Hilfe und Gerechtigkeit erfahren. ({5}) Damit die Unabhängige Beauftragte die Themen „Aufklärung“ und „Sensibilisierung“ im kommenden Jahr stärker in die breite Öffentlichkeit tragen kann, erhöhen wir die Mittel auf 12,2 Millionen Euro. Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Bereich der Prävention und Aufklärung muss Deutschland besser werden. Das ist auch der Auftrag an uns als Ampelkoalition. Und mit diesem Haushalt gehen wir dabei den richtigen Weg. Vielen Dank. ({6})

Florian Oßner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe rot-grün-gelbe Ampelkoalitionäre, wenn ich mir den Bundeshaushalt und die diversen Sondervermögen so anschaue, frage ich mich, ob Sie privat mit Ihrem eigenen Geld ebenso umgehen, wie Sie es mit dem Steuergeld machen, das die Bundesbürger erwirtschaften. ({0}) Hier 1 Milliarde, da 1 Milliarde – dem Wumms folgt ein Doppel-Wumms mit über 200 Milliarden Euro. Die Bereinigungssitzung zum Haushalt hat 18 Stunden gedauert – mit dem Ergebnis, dass nochmals 31 Milliarden Euro schuldenfinanziert mehr ausgegeben werden. Man spricht nur noch von Milliarden. Also: Jede Stunde hat im Schnitt 1,7 Milliarden Euro verschlungen – ein wirklich beispielloser Vorgang in der Geschichte Deutschlands. Das hat mit gewissenhafter Haushaltspolitik wenig zu tun. ({1}) Und obwohl diese Schuldenorgie nicht mehr zu stoppen scheint, werden auf der anderen Seite Programme aufgrund fehlender Budgetierung eingestampft. Der Etat für Digitales und Verkehr steht hierfür sinnbildlich. Ein Beispiel: Mit der Breitbandförderung des Bundes, dem sogenannten Graue-Flecken-Programm, sollten vor allem ländliche Gebiete in Deutschland beim Glasfaserausbau unterstützt werden. Völlig überraschend wurde im Oktober vom FDP-Minister der Stopp des Programms verhängt, obwohl Zusagen an die Kommunen bis Ende des Jahres gemacht wurden. Begründung: Das Budget ist ausgeschöpft. – Also, verstehe ich es richtig? Um das milliardenschwere Bürgergeld und das 9‑Euro-Ticket zu finanzieren, wird an der Digitalisierung, also an der Zukunft in unserem Land, gespart? Das kann es wirklich nicht sein, liebe Ampel. ({2}) Vom entstandenen Vertrauensbruch bei vielen Bürgermeistern und betroffenen Bürgern möchte ich überhaupt nicht sprechen. Mit dem Programm aus unserer Regierungszeit leistete der Bund auch einen wichtigen Beitrag zur digitalen Teilhabe. Wer dies aufgibt, spielt offensichtlich Städte gegen ländliche Räume aus und setzt unser gemeinsames Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse in Deutschland aufs Spiel. Dieses Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse ist aber für uns als CDU und CSU völlig unverhandelbar. ({3}) Übrigens – „49‑Euro-Ticket“ als Stichwort –: Auch hier hat sich die – man höre und staune! – gesamtdeutsche kommunale Familie heute in einem Brandbrief an Sie, Herr Minister, mit dem Inhalt gewandt, dass der jetzige Vorschlag nicht – ich unterstreiche es dick: nicht – umsetzbar ist. Insofern hätte ich hier die Zustimmung zu unseren Unionsanträgen in den Haushaltsberatungen seitens der Ampel erwartet. Dies gilt auch für unseren Antrag zur Einführung eines Digitalbudgets, den wir jetzt zum wiederholten Male eingebracht haben, und die Ampel fordert es im Koalitionsvertrag ja sogar selbst. Was ist bis heute passiert? Nichts! Nehmen Sie endlich den Fuß von der Fortschrittsbremse, liebe Fortschrittskoalition! Legen Sie den Gang ein, und geben Sie Gas, liebe Ampel! Weitere Verzögerungen können wir uns beim Thema „schnelles Internet und Digitalisierung“ in unserem Land nicht mehr leisten. ({4}) Kommen wir zur Wasserstraße. 350 Millionen Euro wurden gekürzt, was sogar bei den Ampelkollegen zu Unmut führte. Doch auch da scheinen die großspurigen Ankündigungen in der Tat nur reine Lippenbekenntnisse für den klimafreundlichsten Verkehrsträger gewesen zu sein. Hier zeigt sich abermals die Scheinheiligkeit: Jeden Tag wird von Klimaschutz gesprochen, und beim klimafreundlichsten Verkehrsträger wird gespart. Das passt wahrlich nicht zusammen. ({5}) Der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt sprach in seiner ersten Stellungnahme nach der Bereinigungssitzung sogar von einer „mittelschweren Katastrophe“. Ich zitiere: Die große Chance, aus dem 3. Entlastungspaket mehr Mittel für klimaschonenden Transport für die Wasserstraßen zu bewilligen, wurde vertan … Die Beschlüsse straften alle Absichtsbekundungen zur Klimarelevanz der Binnenschifffahrt und zur Notwendigkeit eines soliden Flussausbaus Lügen. Also, das kann man in der Tat als eine schallende Ohrfeige bezeichnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampelkoalition. Die rot-grün-gelbe Koalition ist unseren Anregungen aus den Haushaltsberatungen gefolgt und hat die Mittel für die Störfestigkeit des GSM-R-Bahnfunksystems als kritische Infrastruktur erhöht; das ist gut. Opposition wirkt also. ({6}) Nicht berücksichtigt haben Sie, liebe Ampelkollegen, allerdings, dass die Baupreise in der Vergangenheit deutlich gestiegen sind. Deswegen haben wir einen Änderungsantrag eingereicht, um diese Entwicklung auszugleichen. Ich bitte daher ausdrücklich um Zustimmung zu diesem Antrag für mehr Investitionen in die Schiene. ({7}) Das Erhaltungsbudget für die Bundesstraßen wurde um 13 Millionen Euro, die Verpflichtungsermächtigungen um 23 Millionen Euro gekürzt. Gerade das wäre wichtig, beispielsweise für mehrjährige Bauprojekte. Die Folge daraus sind weniger Planungssicherheit und unnötige Verzögerungen bei der Engpassbeseitigung – also wiederum ein Bärendienst für den Klimaschutz, da dies mit Sicherheit zu mehr Staus auf unseren Straßen führen wird. Wer Staus in unserem Land fördert, statt diese zu beseitigen, darf keine Verantwortung für die Verkehrspolitik tragen. ({8}) Am Ende bleibt, Herr Präsident, die traurige Erkenntnis: Es handelt sich hier um einen Haushalt der vertanen Chancen. Wir als Union haben insgesamt über 370 gegenfinanzierte Änderungsanträge in die Beratungen zu diesem investivsten Titel des Haushalts eingebracht.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Sie müssen trotzdem zum Schluss kommen, Herr Kollege.

Florian Oßner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerade in den wichtigen Bereichen Digitalisierung, Verkehr, Klimaschutz, Wasserstoff, Deutsches Zentrum Mobilität der Zukunft –

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege.

Florian Oßner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

– und der notwendigen Technologieoffenheit setzt die rot-grün-gelbe Bundesregierung für uns als CDU/CSU die falschen Prioritäten –

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

So, jetzt aber Schluss.

Florian Oßner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004366, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

– und bremst den Fortschritt vorsätzlich aus. Herzliches „Vergelts Gott!“ fürs Zuhören. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege. – Nächster Redner ist der Kollege Frank Schäffler, FDP-Fraktion. ({0})

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Oßner, Sie wissen ja: Wir haben in der Bereinigungssitzung noch 1 Milliarde Euro an zusätzlichen VEs bei der Breitbandförderung draufgelegt. ({0}) Also das Bild, was Sie hier gezeichnet haben, stimmt nicht. ({1}) Aber das, was Sie an Einsparvorschlägen vorgelegt haben, ist schon ein Skandal; ({2}) denn Sie wollen etwa beim Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz um 350 Millionen Euro kürzen. ({3}) Ich frage mich, was eigentlich die Kommunen in Bayern dazu sagen, wenn ihre Investitionen künftig nicht mehr ausreichend vom Bund querfinanziert werden. ({4}) Insofern, glaube ich, sollten Sie da noch mal ein bisschen nacharbeiten. ({5}) Ich will sagen: Wir haben einen Etat vorgelegt, der ein sehr hohes Investitionsvolumen hat. 62 Prozent des Etats sind Investitionen. 2013, also damals, als Sie noch regiert haben, hat der Bund im Verkehrsetat 14,3 Milliarden Euro für Investitionen ausgegeben; inzwischen sind es 7,7 Milliarden Euro mehr. Allein im Bereich der Investitionslinie Verkehr, also im Bereich Schiene, Straße, Wasserstraße, geben wir inzwischen 8 Milliarden Euro mehr aus als vor 10 Jahren. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Schäffler, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Brandl?

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein. Vielen Dank. Ich will das gerne zu Ende führen. Er kann ja gleich eine Kurzintervention machen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Nein. Das Wort zu Kurzinterventionen erteilen immer noch Präsidentinnen und Präsidenten und nicht die Redner.

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das ist schön. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Das Thema Investitionen ist ein sehr wichtiges Thema. Hier zeigt sich nämlich, wie marode die Brücken in Deutschland sind; und das ist eben auch ein Erbe der Vorgängerregierungen. Deshalb müssen Sie sich das auch ans Revers heften. ({0}) Ich glaube, die Bedarfspläne sind die eigentliche Herausforderung für die künftigen Bundeshaushalte. Wir als Koalition haben einen Maßgabebeschluss erwirkt, der eine jährliche Überprüfung der Bedarfspläne und ihrer Kostenentwicklung zur Folge haben muss. Wir haben festgestellt, dass die Ausgabevolumen der Bedarfspläne gegenüber ihrem Ursprungsdatum inzwischen um 50 Prozent gestiegen sind. Die tatsächliche Ausfinanzierung dieser Bedarfspläne ist absolut um 125 Milliarden Euro auf 379 Milliarden Euro gestiegen. Ich will anhand des Bereichs Schiene einmal darstellen, was das bedeutet: 160 Milliarden Euro müssen allein für den Bedarfsplan Schiene aufgewandt werden, für den Deutschlandtakt 61 Milliarden Euro. Das sind zusammen 221 Milliarden Euro. Ab dem Jahr 2023 geben wir in jedem Haushaltsjahr 2 Milliarden Euro für den Bedarfsplan. Wenn man das ausrechnet, dann kommen 110 Jahre heraus, bis wir den Bedarfsplan ausfinanziert haben. ({1}) Das heißt, der Bund braucht bis zum Jahr 2132, um seinen Bedarfsplan Schiene inklusive Deutschlandtakt tatsächlich auszufinanzieren. Daran sieht man, dass das überprüft werden muss. Wir müssen die Bedarfspläne tatsächlich auf ihre Notwendigkeit überprüfen. Ansonsten werden wir das Ganze in ein Planungs- und Ausführungschaos führen. Ich glaube, das ist total gaga, wenn wir das machen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Deshalb sollten wir davon abweichen. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Marcus Bühl für die AfD-Fraktion. ({0})

Marcus Bühl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004687, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Haushalt für Digitales und Verkehr ist der größte Investitionshaushalt des Bundes. „Investitionshaushalt“ bedeutet investieren, und da sind wir auch gleich schon bei den Problemen angekommen, Herr Minister Wissing. Es werden dieses Jahr Ausgabereste in Höhe von 7,2 Milliarden Euro erwartet; das ist seit Jahren der absolute Spitzenwert. Investitionen auf dem Papier, die nicht realisiert werden, bringen null Fortschritt. Für 2023 sind über 21 Milliarden Euro an Investitionen geplant. Geht man von den bisherigen Erfahrungen bei den Ausgaberesten aus, dürften diese 21 Milliarden Euro reine Wunschvorstellung sein. Herr Minister, Abertausende marode Brücken sind dringend zu sanieren oder zu ersetzen. Diese Aufgabe muss absolute Priorität haben; denn unsere Straßen wickeln fast 80 Prozent des Verkehrs ab. Die links-gelbe Koalition hingegen hat die Mittelansätze für Bundesstraßen und Autobahnen in der Bereinigungssitzung gekürzt. Das ist für uns absolut nicht nachvollziehbar und falsch. ({0}) Wir teilen nicht die Auffassung der Koalition, dass die Schiene mehr Mittel als die Straße erhalten soll. Auch diese Position passt zur Politik der links-gelben Regierung, Autofahren zu verteufeln. Ihre Verkehrspolitik ist ideologiegetrieben und geht an den Realitäten in unserem Land vorbei. ({1}) Für die Autofahrer, die Pendler, die Bürger im ländlichen Raum und das Transportgewerbe sind die unfassbaren Spritpreise ein Albtraum. Unser Nachbar Polen zeigt: Billigerer Treibstoff ist machbar, und zwar mit deutlich geringeren Steuern und Abgaben. Aber Ihr Wille und der Ihrer Vorgänger war und ist es, Autofahren zu verteuern, sei es durch die CO2-Bepreisung oder hohe Energiesteuern. ({2}) Machen Sie dauerhaft Schluss mit all den hohen Abgaben und Bepreisungen! Gehen Sie runter mit den horrend hohen Steuern auf Kraftstoffe! Was die Transport- und Logistikbranche in dieser Krise am allerwenigsten braucht, sind jetzt auch noch erhöhte und ausgedehnte Mautgebühren, damit Sie Ihre ideologische Verkehrswende betreiben können. ({3}) Wir lehnen den Haushalt in dieser Form ab. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Hakverdi das Wort. ({0})

Metin Hakverdi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004289, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind nach wie vor im Krisenmodus: erst Corona, dann der russische Krieg in der Ukraine, daraufhin steigende Inflation und damit verbunden extrem stark steigende Energiepreise. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in dieser Zeitenwende Handlungsfähigkeit bewiesen. Wir haben den Menschen in unserem Land und unseren Partnern in der Welt gezeigt: Wir handeln; die Koalition handelt. ({0}) Wir haben es geschafft: Unsere Gasspeicher sind zu Beginn des Winters gefüllt. Wir haben die Bundeswehr mit einem in der Verfassung gesicherten Sondervermögen gestärkt. Wir, der Bund, die Länder, die Gemeinden und viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer leisten Großartiges. Sie gewähren Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Ländern Schutz und versorgen sie. Herzlichen Dank dafür. ({1}) Wir setzen noch einmal 200 Milliarden Euro ein, um Energiepreise zu senken, ein wichtiges Instrument des Zusammenhalts in der Zeitenwende, und wir bauen in kürzester Zeit eine LNG-Infrastruktur auf. Wir haben gezeigt, dass wir gemeinsam handlungsfähig sind. Obwohl wir jetzt schon ziemlich ausgelastet sind, dürfen wir nicht vergessen, dass es noch langfristigere und mindestens genauso bedeutsame Krisen gibt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen unsere CO2-Emissionen senken; denn sonst droht ein noch mächtigerer und noch katastrophalerer Klimawandel. Die Klimakonferenz COP 27 hat uns erneut gezeigt, dass wir schon einiges erreicht haben, aber noch nicht genug. Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir massiv in unsere Infrastruktur investieren. Insbesondere im Bereich Verkehr müssen wir noch besser werden. ({2}) Wir müssen die Elektromobilität weiter ausbauen – auch mit öffentlichen Mitteln. Wir bauen eine eng verzahnte Ladeinfrastruktur auf, damit wir bis 2030 15 Millionen Elektroautos auf unseren Straßen haben. Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir massiv in den Schienenverkehr investieren. ({3}) Bis 2030 wollen wir die Fahrgastzahlen auf der Schiene verdoppeln. Im gleichen Zeitraum wollen wir den Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene von heute 18 Prozent auf dann 25 Prozent erhöhen. Das sind gewaltige Aufgaben, denen wir uns stellen müssen. In diesem Zusammenhang geht mein Dank an die Mitglieder des Koalitionsausschusses. Strompreisbremse, Wohngeldreform, 49‑Euro-Ticket, die Maßnahmen des Entlastungspakets III entlasten alle Haushalte, von Studierenden bis Rentnerinnen und Rentnern. Was nicht überall bemerkt wurde: Die Koalition hat mit dem Entlastungspaket III auch zusätzliche 1,5 Milliarden Euro für die Stärkung der Schiene beschlossen. ({4}) Diese 1,5 Milliarden Euro etatisieren wir heute hier im Einzelplan 12. Mit dem Geld können wir große Investitionen in unsere Schieneninfrastruktur realisieren. Wir beseitigen damit Engpässe für den Deutschlandtakt und bauen unser Schienennetz aus. Im großen Stil treiben wir die Digitalisierung der Schiene voran. Mit der Digitalisierung der Schienentrassen und der Schienenfahrzeuge in unserem Land können wir einen riesigen Schatz heben. Die Digitalisierung der Schiene ermöglicht es uns, die Kapazitäten auf den schon bestehenden Trassen zu erhöhen und den Verkehr darauf zuverlässiger zu machen. In diese Digitalisierung investieren wir noch mal 420 Millionen Euro mehr. Die Digitalisierung der Schiene bedeutet zum Beispiel, dass auf der S-Bahn-Linie der S 3 und der S 31 – Hamburg-Harburg-Wilhelmsburg – noch eine weitere Linie, die S 32, fahren kann. ({5}) Das ist ein hoher Kapazitätsgewinn, der bitter nötig ist. Digitalisierung der Schiene bedeutet auch, dass die S 21 in Hamburg-Bergedorf noch zuverlässiger fährt. Was gut für den Hamburger Süden ist, das ist auch gut für ganz Deutschland. ({6}) Durch die konsequente Digitalisierung der Schiene können wir unser Ziel erreichen und die Fahrgastzahlen auf der Schiene bis 2030 verdoppeln. Mit den zusätzlichen 1,5 Milliarden Euro aus dem Entlastungspaket III stärken wir auch den Güterverkehr auf der Schiene. Wir machen Ernst; denn wir wollen mehr Güter von der Straße auf die Schiene bekommen. ({7}) Deshalb reduzieren wir die Kosten im Schienengüterverkehr, unterstützen den Einzelwagenverkehr und die längst überfällige Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung. Das ist ein guter, ein sehr guter Haushalt für die Schiene. Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, müssen wir massiv in die Schiene investieren, auch in den kommenden Jahren. Machen wir uns nichts vor: Wir werden die Defizite in unserer Verkehrsentwicklung der letzten Jahre nicht über Nacht geraderücken. Es wird noch Jahre dauern, bis wir unsere Ziele im Schienenverkehr erreicht haben. Dafür müssen wir ehrgeizig und zielstrebig bleiben, auch über diesen Haushalt hinaus. Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zu den Bundeswasserstraßen. Wir haben in den Beratungen im Haushaltsausschuss die großen Investitionslücken in diesem Bereich schließen können. Bis zu 250 Millionen Euro Barmittel können nunmehr in wichtige Investitionen in die Wasserstraßen unseres Landes fließen. Ich nehme dies zum Anlass, hier noch einmal den Kabinettsbeschluss aus dem Sommer zu kommentieren: Sehr geehrter Herr Wissing, es kann nicht sein, dass die Regierung dem Haushaltsausschuss sehenden Auges riesige Löcher im Haushaltsentwurf vor die Tür legt und sich dann von uns wünscht, dass wir das schon richten. So geht das nicht! ({8}) Am Ende muss ich mich bedanken: zuerst bei meiner Kollegin Paula Piechotta und meinem Kollegen Frank Schäffler. Das war ein wirklich intensiver Beratungsprozess. ({9}) Ich denke, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Vielen Dank auch an den Hauptberichterstatter, den Kollegen Florian Oßner. Vielen Dank für deine gute Arbeit als Hauptberichterstatter. ({10}) Der Dank geht natürlich auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem BMDV, dem BMF und allen anderen Häusern. Mein besonderer Dank gilt hier und heute aber besonders ({11}) den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Büros der Abgeordneten und der Fraktionen. Wir haben in diesem Jahr eine ganze Menge Haushalt gemacht: einen Nachtragshaushalt, zwei reguläre Haushalte, zwei Sondervermögen und drei Entlastungspakete. Habe ich was vergessen? – Das alles geschah immer unter Zeitdruck und immer alles prioritär. Ich danke euch für eure Arbeit und euren Einsatz. Ohne euch läuft hier gar nichts! ({12}) Ihr kommt alle in mein Book of the Cool. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({13})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Bernd Riexinger für die Fraktion Die Linke. ({0})

Bernd Riexinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004865, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorgelegte Verkehrshaushalt ist das in Zahlen gegossene Scheitern der vielbeschworenen Verkehrswende. ({0}) Der vorgelegte Haushalt für Verkehr und Digitales ist vor dem Hintergrund der vor uns liegenden Herausforderungen mutlos, kraftlos und überwiegend ziellos. Deshalb werden wir ihn ablehnen. ({1}) Deutschland ist im Ranking beim Klimaschutz-Index zurückgefallen. In den Punkten „Erneuerbare Energien“, „Energienutzung“ und „Klimapolitik“ reicht es nur für ein „mäßig“. Hauptgründe für die insgesamt schlechtere Bewertung sind der verlangsamte Ausbau von erneuerbaren Energien und der hohe Anstieg der Emissionen im Verkehrssektor. Das ist weder klimagerecht noch sozial. Wir wissen doch, dass es die Menschen mit geringen und mittleren Einkommen sein werden, die am meisten unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden müssen. Einen wirklichen Fortschritt sucht man im Verkehrssektor bei der selbsternannten Fortschrittskoalition vergeblich. Die Erhöhungen bei der Schiene reichen bei Weitem nicht aus, um den jahrelang angehäuften Investitionsstau zu beheben. ({2}) Unter dem Druck des von uns unterstützen Protestes von Gewerkschaften und Verbänden haben Sie einige vorgesehene Kürzungen beim Schienengüterverkehr wieder zurückgenommen. Gut so! ({3}) Um das angestrebte Ziel, den Güterverkehr mit der Bahn auf 25 Prozent zu erhöhen, zu erreichen, müsste jedoch geklotzt und dürfte nicht gekleckert werden. ({4}) Das 49‑Euro-Ticket ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, aber leider wieder nur ein halbherziger. Es ist eine Verbesserung für alle, die schon jetzt regelmäßig den ÖPNV nutzen. Es ist aber zu weit weg vom 9‑Euro-Ticket, um viele Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV zu bewegen. Genau das müsste aber das Ziel sein! Enttäuschend ist, dass es keinerlei soziale Komponente gibt. Es hätte doch nicht die Welt gekostet, Menschen ohne oder mit geringem Einkommen ein 29‑Euro-Ticket zur Verfügung zu stellen oder gar einen Einstieg in einen kostenfreien Nahverkehr zu wagen. Das wäre klimapolitisch richtig, und das wäre im Übrigen auch sozial, meine Damen und Herren. ({5}) Außerdem werden Millionen Menschen ausgeschlossen, wenn es das Ticket nur in digitaler Form und im Abo gibt. Das sollten Sie dringend überdenken. ({6}) Wenn ich es richtig sehe, haben Sie die angekündigten Mittel für das 49‑Euro-Ticket noch nicht einmal in den Haushalt eingestellt. ({7}) Das ist ja fast schon Sabotage an der Schmalspurversion einer „der besten Ideen der Koalition“, wie Kanzler Scholz das 9‑Euro-Ticket nannte. ({8}) Sie haben Sorge dafür zu tragen, dass der Verkehrssektor endlich seinen Beitrag zum Klimaschutz leistet. ({9}) Mir ist es ein absolutes Rätsel, wie Sie auf dem Weg, den Sie mit diesem Haushalt beschreiten, die im Koalitionsvertrag beschriebenen Ziele erreichen wollen. Es wird keine klare Priorität für den Ausbau der Bahn und des ÖPNV gesetzt. Von allem gibt es etwas, aber nirgendwo werden klare Pflöcke eingerammt. Sie sind gefesselt in der gerade im Verkehrsbereich nicht funktionierenden marktwirtschaftlichen Logik, und schon gar nicht wollen Sie sich mit der mächtigen Automobillobby anlegen. Leider werden Sie so auch beschäftigungspolitisch die Weichen in die falsche Richtung stellen. Diese Woche erreichte uns die Meldung, dass Mercedes mit seiner Luxuslimousinenstrategie in China eingebrochen ist. Chinesische Hersteller machen sich daran, mit E‑Autos den europäischen Markt zu erobern. Die Wirklichkeit nähert sich den Vorhersagen, dass allein die Elektromotorisierung 200 000 Arbeitsplätze kosten wird. Die Umsetzung einer sozial-ökologischen Mobilitätswende zusammen mit einer vernünftigen Industrie- und Strukturpolitik hätte ohne Weiteres das Potenzial, die gefährdeten Arbeitsplätze zu sichern und sogar noch zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. ({10}) Anstatt zum Beispiel die Produktion von E-Bussen und Minibussen zu forcieren, will der einzige noch übrig gebliebene Busproduzent EvoBus den Bau der Karosserien verlagern und so mindestens 1 600 Arbeitsplätze in Mannheim vernichten. ({11}) Für eine nachhaltige Verkehrswende werden jedoch emissionsfreie und vor allem kleinere Busse dringend gebraucht. ({12}) Hersteller außerhalb von Deutschland haben das längst erkannt. Auch beim Lieblingsthema der FDP, der Digitalisierung, setzt die Ampel weiter auf den Markt.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Riexinger, das müssen Sie jetzt verschieben.

Bernd Riexinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004865, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Letzter Satz, Frau Präsidentin. – Im Haushalt für 2023 gibt es trotz einiger kleinerer Verbesserungen keine sichtbare Kehrtwende gegenüber der vorherigen Koalition. So wird das nichts, meine Damen und Herren! ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich hole eine Belobigung, die ich vorhin versäumt habe, jetzt nach. Der Kollege Hakverdi hat es fertiggebracht, alle Danksagungen in seine Redezeit einzupreisen. ({0}) Ich bitte nachfolgende Rednerinnen und Redner, das genauso vorbildlich zu machen und auf die Signale zu reagieren. ({1}) Dann muss ich nachfolgenden Rednern keine Redezeit abziehen. Das Wort hat Dr. Paula Piechotta für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({2})

Dr. Paula Piechotta (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005180, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer/-innen! Erlauben Sie mir, auch als erste Frau hier in der Debatte, vielleicht mal kurz einen Schritt zurückzutreten und gerade auch hier in der Runde der verkehrspolitisch Interessierten, die wir ja ein bisschen unter uns sind, noch mal auf das zu schauen, was uns derzeit jeden Monat und jeden Tag bewegt, nämlich das, was in der Ukraine passiert. Das ist auch verkehrspolitisch spannend. Denn wenn wir uns anschauen, was für eine Rolle die ukrainische Eisenbahn da gerade einnimmt – nicht nur, indem sie sehr spontan viele, viele Züge organisiert, um Tausende von Menschen aus den umkämpften Regionen zu bekommen, nicht nur, dass es inzwischen normal geworden ist, dass da Staatsgäste regelhaft mit dem Nachtzug anreisen, nicht nur hinsichtlich der enormen strategischen Bedeutung, die jeder zurückeroberte Eisenbahnknotenpunkt hat, sondern auch mit Blick auf so große Symbole wie den ersten Zug der Ukraine, der jetzt am Samstag wieder in Cherson eingefahren ist –, dann müssen wir konstatieren: Die ukrainische Eisenbahn ist tatsächlich eines der Rückgrate des ukrainischen Widerstandes in diesen Monaten, und sie kann das nur sein, weil sie selber so widerständig ist. Es gibt unglaublich viele Ausweichstrecken, unglaublich schnelle Reparaturen und flache Hierarchien. Das ist vor dem Hintergrund der Beratungen des deutschen Verkehrshaushalts deswegen spannend, weil in diesem Land niemand „Bahn“ und „Rückgrat der Gesellschaft“ oder „Widerstandsfähigkeit“ in einem Satz verwenden würde. Ich glaube, daran sieht man, wo wir hinmüssen, und vor diesem Hintergrund, vor dieser Kulisse war der Kabinettsentwurf des Einzelplans 12, der uns erreicht hat, problematisch. Kollege Metin Hakverdi hat es richtigerweise angesprochen: Zentrale Probleme waren in dem Entwurf, der uns vorgelegt wurde, nicht gelöst. Es waren auf der einen Seite viel zu viele Kürzungen im Bereich Schiene vorgesehen, ({0}) obwohl wir alle jeden Tag sehen, welche unglaublichen Investitionen es da in die Kapazität braucht; die Kritik von Frank Schäffler bleibt ihm aber unbenommen und ist richtig. Auf der anderen Seite gibt es aber auch das ungelöste Problem der Finanzierung der Sanierungsprojekte, insbesondere der Sanierungsprojekte im Bereich Wasserstraßen. Gerade hier beim Einzelplan 12 hat das Parlament und haben auch der Haushaltsausschuss und der Koalitionsausschuss gezeigt, warum das Haushaltsrecht als Königsrecht ins Parlament gehört. Diese Probleme, die nicht klein waren, haben wir im Verfahren gelöst: ({1}) Auf der einen Seite kommen 1,5 Milliarden Euro für die Schiene und ausschließlich für die Schiene in den Jahren 2023, 2024 und 2025 obendrauf, auch dank der Hilfe des Koalitionsausschusses, und über die Hälfte dieser zusätzlichen Mittel fließt in unmittelbar kapazitätserweiternde Maßnahmen. Das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange; da werde ich allen recht geben, die uns an dieser Stelle kritisieren. Auf der anderen Seite gibt es bis zu 250 Millionen Euro mehr für die Sanierung der Wasserstraßen. Auch das ist unglaublich wichtig. Wir haben damit nicht nur den Koalitionsvertrag und seine Ziele ernst genommen, sondern auch die Menschen und die Unternehmen in diesem Land, die sich nicht mehr auf diese Infrastruktur verlassen können und die es verdient haben, dass wir als Parlament auch an dieser Stelle den Koalitionsvertrag ernst nehmen. ({2}) Wir haben damit von den drei großen Verkehrsträgern die beiden gestärkt, die schon heute klimaneutraler als die Straße sein können. Wir haben insgesamt, auch noch mit kleineren Projekten für den Fahrradverkehr, neue Förderschwerpunkte unter dem Dach des Sonderprogramms „Stadt und Land“ gesetzt. Auch mit der Förderung von Mobilitätsstationen in strukturschwachen Gemeinden haben wir genau für all die Bereiche im Verkehr, die klimaneutraler unterwegs sein können, neue Schwerpunkte gesetzt. Das ist angesichts der Realität der Klimakrise wichtig. Zur Wahrheit gehört aber auch – gerade wenn wir uns die Höhe der Mittel anschauen, die in den ÖPNV fließen, dieses Jahr fast 10 Milliarden Euro allein vom Bund –: Die Verkehrswende wird nicht funktionieren, wenn wir Nahverkehr gegen Fernverkehr und gegen Güterverkehr ausspielen. Die Verkehrswende wird nur dann funktionieren, wenn nicht nur der Bund seine Hausaufgaben macht, sondern alle Ebenen, die Kommunen im Rahmen ihrer Möglichkeiten, aber vor allem auch die Länder. Hier dafür zu sorgen, dass alle drei Ebenen die Verkehrswende auskömmlich finanzieren, wird unglaublich wichtig sein, damit wir am Ende auch im Hinblick auf den Schienenverkehr in diesem Land sagen können, dass die Schiene ein Rückgrat unserer Gesellschaft ist und vor allen Dingen auch ein widerstandsfähiges, zuverlässiges, resilientes Verkehrsmittel, sowohl im Nah- als auch im Fernverkehr. ({3}) Gestatten Sie mir am Ende, auch weil ich ja mit einem Blick auf die Ukraine begonnen habe, noch eine Bemerkung zu einem relativ kleinen Posten im Haushalt, der relativ spät im Haushaltsverfahren noch auf den Tisch kam. Wir haben 5 Millionen Euro für ein deutsch-französisches Jugendticket bereitgestellt. Das ist unglaublich wichtig; die Vertiefung der Beziehungen auch zwischen den Zivilgesellschaften unserer beiden Länder ist sehr, sehr wichtig. Aber gerade nachdem wir im Februar dieses Jahres gesehen haben, wie sträflich unterentwickelt unser Blick auf Osteuropa ist, wie wenig wir hier über die politische und die zivilgesellschaftliche Situation in Polen, in den baltischen Staaten, in Tschechien und in der Slowakei wissen, sollten wir uns im Hinblick auf das nächste Haushaltsverfahren vielleicht gemeinsam fragen, ob man in diesen Zeiten noch ein deutsch-französisches Jugendticket aufsetzen kann, ohne gleichzeitig ein deutsch-polnisches oder deutsch-tschechisches aufzusetzen. Vielen herzlichen Dank. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Felix Schreiner das Wort. ({0})

Felix Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004883, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Beginnen wir mal mit dem Wichtigsten zu diesem Haushaltsentwurf in einem Satz: ({0}) Ich glaube, die Enttäuschung ist selbst in der Regierungskoalition sichtbar und gerade eben wieder hörbar gewesen. ({1}) Er ist kein Wumms, er ist kein Wümmschen – er ist einfach nur peinlich, weil er den Herausforderungen dieser Zeit nicht gerecht wird. Das ist die Wahrheit, und das müssen Sie sich heute von mir auch sagen lassen. ({2}) Sie setzen die falschen Prioritäten. Sie bleiben konzeptlos. Wo sind denn Ihre ambitionierten Ziele im Bereich des Klimaschutzes im Verkehrssektor geblieben, die Sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben? ({3}) Anstatt zum Beispiel mehr Güterverkehr auf das Wasser zu bekommen, werden stattdessen Verlagerungseffekte vom Wasser hin auf die Straße ({4}) und auf die Schiene in Kauf genommen. Anders kann man sich die Kürzung bei den Bundeswasserstraßen nicht erklären. ({5}) – Frau Kollegin, Sie haben gerade eben schlicht und ergreifend nicht die Wahrheit gesagt. Es sind nämlich immer noch 200 Millionen Euro Kürzungen in diesem Haushalt vorgesehen, und das müssen wir heute auch so aussprechen. ({6}) Was einmal mehr auffällt, ist, dass die Koalition den ländlichen Raum im Stich lässt. Sie entlasten in Zeiten von Energie- und Teuerungskrise nicht dort, wo dies notwendig ist. Zum Beispiel wäre es angesichts horrender Energiekosten notwendig, eine auskömmliche ÖPNV-Finanzierung gerade für die mittelständischen Busbetriebe auf den Weg zu bringen. ({7}) Es wäre notwendig, dass wir eine Entlastung für die Menschen, die auf das Auto angewiesen sind, auf den Weg bringen. Es sind übrigens 40 Millionen Menschen, die in diesem Land auf ihr Auto angewiesen sind. Da haben Sie nichts in den Haushalt eingestellt; solche zielgerichteten Maßnahmen suchen wir in diesem Etat für 2023 vergeblich. ({8}) Es ist einfach nicht richtig, was Sie hier heute so sagen. ({9}) Es geht auch nicht aus Ihrem Haushaltsentwurf hervor, wie Sie die Straßen- und die Schienenverkehrsinfrastruktur ausbauen wollen. Es ist schon bemerkenswert, wenn Sie in den Haushaltsberatungen dann sagen: Die Union hat ja recht. Wir sind auch nicht zufrieden mit dem, was die Regierung vorgelegt hat. Aber in den Bereinigungssitzungen und im parlamentarischen Verfahren wird alles geregelt. – Na ja, was ist denn jetzt wirklich davon übrig geblieben? ({10}) Ich bin sogar der Meinung, dass auch Sie Verkehrspolitiker in Ihren Reihen haben, die Ahnung haben. Aber wenn sich halt keiner gegenüber diesem Bundesverkehrsminister durchsetzen kann oder wenn Sie, andersherum, so einen Streit in der Koalition haben, dass Sie nicht die Kraft dazu haben, einen gemeinsamen Nenner zu finden, dann läuft doch etwas schief. Das müssen Sie doch zur Kenntnis nehmen! Ich kann mich bei klugen Haushaltspolitikern wie Florian Oßner, der versucht hat, mit Änderungsanträgen den Finger in die Wunde zu legen, nur bedanken. Denn jedem ist zum Beispiel klar: Wir haben jetzt schon Rohstoffpreissteigerungen und Baukostensteigerungen. Ihr Minister hat ein Gutachten vorgelegt, in dem mit Baukostensteigerungen in der Infrastruktur in Höhe von 65 Milliarden Euro gerechnet wird. Sie haben dafür nichts in den Haushalt eingestellt. Sie werden uns dann am Ende sagen: Wir haben es nicht hinbekommen, und wir haben kein Geld dafür. ({11}) Aber die Wahrheit ist: Sie stellen nichts in den Haushalt ein, weil Sie gar keine Infrastrukturprojekte in diesem Land umsetzen wollen. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege – –

Felix Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004883, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist die Wahrheit, und darüber werden wir diskutieren. – Ich komme bereits zum Schluss.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Schreiner, Sie können weitersprechen, tun das aber auf Kosten Ihrer Fraktion.

Felix Schreiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004883, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren, ob Planungsbeschleunigung, Technologieoffenheit, Klimaschutz: Sie verstricken sich im Klein-Klein, Sie streiten, und das wird zunehmend zum Problem für unser Land. Herzlichen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Bundesminister für Digitales und Verkehr, Dr. Volker Wissing. ({0})

Dr. Volker Wissing (Minister:in)

Politiker ID: 11003702

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wie wichtig eine gute Infrastruktur ist, wissen wir spätestens dann, wenn sie einmal nicht funktioniert. Dann gerät plötzlich alles ins Stocken: Züge verspäten sich, Autos fahren kilometerlange Umleitungen, Lkws stehen im Stau, Regale in den Läden bleiben leer, E‑Mails können nicht verschickt werden. Infrastruktur ist die Grundlage für unseren Alltag, unser Berufsleben, unsere Freizeit, für unsere Versorgung, für eine produktive Wirtschaft und Industrie und – ganz wichtig – auch für unsere Sicherheit. Ist die Infrastruktur gestört oder gar zerstört, hat das sofort Auswirkungen auf nahezu alle Lebensbereiche. Eine gute Infrastruktur ist lebenswichtig – ja, manchmal überlebenswichtig. ({0}) Deshalb ist ganz klar: Wir müssen und werden alles daransetzen, sie zu erhalten, sie zu verbessern, zu digitalisieren und zu modernisieren. Und wir müssen sie klima- und umweltfreundlich gestalten. Nur so werden wir unserer Verantwortung gegenüber künftigen Generationen gerecht. Für all das bietet der vorliegende Haushalt eine gute Basis. Wir machen klimafreundliche Mobilität attraktiv, indem wir die Schiene umfassend stärken, den Rad- und Fußverkehr zu einem zentralen Element unserer Verkehrspolitik machen und die Mittel dafür erheblich aufstocken, ({1}) indem wir mit unserem Masterplan Ladeinfrastruktur beim Ausbau der Infrastruktur für E‑Fahrzeuge Druck und Tempo machen, indem wir klimafreundliche Pkw, Lkw, Nutzfahrzeuge, Busse, Schiffe, Züge oder Flugzeuge weiter fördern und indem wir mit den Ländern einen Ausbau- und Modernisierungspakt für den ÖPNV beschließen und nach dem großen Erfolg des 9‑Euro-Tickets im kommenden Jahr das Deutschland-Ticket einführen. Warum Sie das immer noch schlechtreden, obwohl die Leute das sehnsüchtig erwarten, bleibt, liebe Opposition, Ihr Geheimnis. ({2}) Wir sorgen außerdem dafür, dass unsere Straßen und Brücken endlich wieder in einen guten Zustand kommen und für aktuelle und künftige Herausforderungen gewappnet sind. ({3}) So wie wir die Straßen und Brücken in Deutschland übernommen haben, kann und darf das nicht bleiben. ({4}) Straßen sind und bleiben unverzichtbar, gerade auch für die Anbindung ländlicher Regionen und damit für gleichwertige Lebensverhältnisse. Deshalb ist es unsere Aufgabe, sie zu erhalten und, wo nötig, zu erneuern und auch auszubauen. Damit jetzt alles zügiger vorangeht, schnüren wir gerade ein Herbstpaket, mit dem Infrastrukturprojekte schneller geplant und genehmigt werden können. All diese Maßnahmen gehören zu den sicherheitsrelevanten Versorgungsaufträgen, die wir gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern übernommen haben. Fast 19 Milliarden Euro können wir im Einzelplan 12 allein in die Bereiche Schiene, Straße und Wasserstraße investieren, und dafür, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich dem Hohen Haus herzlich danken. Verkehrsinfrastruktur ist das eine. Auch die digitale Infrastruktur muss flächendeckend gewährleistet und gesichert sein. Nur mit der passenden Infrastruktur können wir die Digitalisierung in allen Lebens- und Arbeitsbereichen weiter vorantreiben, und das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, dringend notwendig. Ich freue mich deshalb über die zusätzliche Milliarde für den Gigabit-Ausbau. ({5}) Für das Jahr 2023 sind damit rund 3 Milliarden Euro für Neu- und Änderungsbewilligungen im Rahmen des sogenannten Graue-Flecken-Programms vorgesehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt und gab keinen Förderstopp; das wissen Sie auch. Das habe ich im Haushaltsausschuss und auch im Verkehrsausschuss breit dargelegt: Es gibt und gab keinen Förderstopp. ({6}) Somit können wir Projekte auf den Weg bringen, für die wir bisher nicht ausreichend Mittel hatten. Es stehen jetzt angemessene Fördermittel für den geplanten neuen Förderaufruf zur Verfügung. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Rahmenbedingungen für diese Haushaltsverhandlungen waren und sind herausfordernd. Die Erwartungshaltungen sind vielfältig, die Mittel begrenzt. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns auf das konzentrieren, was am meisten drängt, und gleichzeitig mehr Fortschritt und Teilhabe ermöglichen. Klar ist, Infrastruktur spielt für beinahe alle aktuellen Herausforderungen eine zentrale Rolle. Wir sorgen dafür, dass sie gesichert ist, dass alle Menschen, egal wo sie leben, gut zur Arbeit und wieder nach Hause kommen, dass wir ihnen nichts erschweren, aber alles ermöglichen, dass unsere Versorgungsketten aufrechterhalten werden können – und das zu jeder Zeit –, dass unsere Infrastruktur als Teil unserer Sicherheit geschützt und widerstandsfähig ist, dass unsere Infrastruktur mit all den Veränderungen in der Welt Schritt halten kann und ihnen im besten Fall einen Schritt voraus ist. Ich bin überzeugt, das alles muss ein Haushalt gewährleisten, und ich bin sicher, dass uns das gemeinsam gelungen ist. Deshalb bedanke ich mich für die sehr guten Haushaltsberatungen und bitte um Ihre Zustimmung. Vielen Dank. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dirk Spaniel für die AfD-Fraktion. ({0})

Dr. Dirk Spaniel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004899, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Wissing, Ihr Verhalten ist sehr gefährlich. Sie sind – verglichen mit dem Straßenverkehr – der klassische Mensch, der rechts blinkt und links abbiegt. ({0}) Das muss man sich einfach mal merken. Hier wird einfach vorgetäuscht, eine Politik zu machen, die so in der Praxis eben nicht realisiert wird. ({1}) Kommen wir mal zu den einzelnen Punkten Ihrer Politik: Sie haben hier im Plenum eine Lobrede auf den Verbrennungsmotor gehalten – nicht Sie persönlich, aber Ihre Fraktion –, um hinterher eine Zustimmung zu dem Ende des Verbrennungsmotors zu geben. ({2}) Sie haben in der letzten Legislatur hier die Planungsbeschleunigung als heilige Kuh vorangetrieben; wir haben da übrigens auch zugestimmt. Jetzt sind Sie ein Jahr im Amt, und Sie haben das alles vergessen und realisieren das nicht. Und das Dritte ist Ihre absolute Tiefstleistung, nämlich dieser faktische Nulltarif im ÖPNV, den Sie hier realisiert haben. Erst war es das 9‑Euro-Ticket, jetzt ist es das 49‑Euro-Ticket. Man muss mal sagen: Der einzige verkehrspolitische Erfolg der FDP in den letzten Jahren war ja die Liberalisierung des Fernbusmarktes. Und die machen Sie mit Ihrer Politik hier kaputt. ({3}) Entweder ist das Tollpatschigkeit oder einfach sachliche Unkenntnis. Sie ruinieren den Wettbewerb im Fernbusmarkt, und da stehen wir dagegen. ({4}) Und dann komme ich auch noch mal – das war ja ein großes Thema Ihrer Rede – zum Thema Infrastrukturausbau. Wer traut eigentlich einem Verkehrsminister zu, dass er die Infrastrukturprobleme dieses Landes löst, wenn seit einem Jahr – Sie sind hier ja seit fast einem Jahr im Amt – noch nicht mal ein Abriss der maroden Talbrücke Rahmede erfolgt ist? Noch nicht mal das haben Sie hingekriegt. Und hier erzählen Sie uns die Geschichte von dem Brückensanierungsminister! Das alles ist doch nicht zutreffend. ({5}) – Ja, ja. Dann kommen wir mal zur Bahn. Bei der Bahn hören wir hier immer wieder dieses Mantra von der Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene. Das wollen Sie erreichen. Ich zitiere jetzt mal mit Erlaubnis der Präsidentin die Pressestelle der Deutschen Bahn. Die sagt: Das deutsche Schienennetz ist in Teilen zu alt, zu störanfällig und hat zu wenig Kapazität. – Das sagt die Bahn, und da die Bahn das sagt, frage ich mich: Welche Geschichte erzählen Sie hier, dass Sie auf dieses Netz tatsächlich Kapazitäten verlagern wollen? Das sind doch alles Märchengeschichten aus „Tausendundeine Nacht“, die überhaupt nicht zutreffen. Dafür haben Sie die Mittel doch gar nicht eingestellt. ({6}) Herr Wissing, der rechtsblinkende Linksabbieger ist auch in der Politik gefährlich. Kommen Sie zu mehr Ehrlichkeit, und machen Sie ehrliche Politik! Das tragen wir dann auch mit. Vielen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Detlef Müller für die SPD-Fraktion. ({0})

Detlef Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003816, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Spaniel, aus dem Zitate-Büchlein: Der Ulmer Designer Rido Busse hat mal gesagt: „In jeder Gesellschaft gibt es Macher, Mitmacher und Miesmacher“. ({0}) In welcher Kategorie Sie und Ihre Fraktion einzuordnen sind, dürfte uns allen klar sein. ({1}) Meine Damen und Herren, es sind herausfordernde Zeiten, sehr angespannte Zeiten. Für den Haushalt 2023 änderten sich fast wöchentlich die Grundlagen und Perspektiven. Digitalisierung und eine gute Verkehrsinfrastruktur sind aber eine Grundlage bei der Krisenbekämpfung, eine Grundlage für Wirtschaftswachstum und für sichere Arbeitsplätze; sie sind systemrelevant. Klar ist: Wir müssen besser, schneller und zukunftsfester werden. Mit der Gigabit-Strategie werden der neueste Mobilfunkstandard sowie der Ausbau von Glasfaseranschlüssen für schnelles Internet bis in jedes Zuhause, jede Schule und jedes Gewerbegebiet vorangetrieben. Für den Ausbau von Gigabit- und Mobilfunknetzen werden deshalb in diesem Haushalt 4,1 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Das bedeutet einen Aufwuchs von 1 Milliarde Euro. Eine Rekordsumme! ({2}) Wir müssen aber auch sicherstellen, dass die Bundesländer, Städte, Gemeinden, Landkreise Planungssicherheit haben. Für Sie, Herr Minister, darf es nicht wieder das Risiko einer möglichen Förderlücke geben. Deshalb brauchen wir hier, Herr Minister, ein Monitoring zum Mittelabfluss. Zudem wurden in der Digitalstrategie konkrete Vorhaben aus allen Ministerien vereinbart, die bis zum Jahr 2025 umgesetzt werden sollen. Es ist die digitalpolitische Prioritätenliste dieser Legislaturperiode. Klar ist: All die genannten Vorhaben benötigen zur Umsetzung eine entsprechende finanzielle Ausstattung. Wenn wir es mit der Umsetzung und mit „Digital ist besser“ ernst meinen, braucht es das vereinbarte Digitalbudget. Diese Aufgabe gilt es im nächsten Haushalt gemeinsam zu lösen. ({3}) Meine Damen und Herren, vieles können wir bereits mit diesem Haushalt erfolgreich auf den Weg bringen. Meine Vorredner haben es angesprochen. Dank der Einigung zum dritten Entlastungspaket und den damit erfolgten sprichwörtlichen Weichenstellungen konnten für den Verkehrsetat zusätzlich 1,5 Milliarden Euro für die Schiene bereitgestellt werden. Herr Schreiner, Sie müssen uns nicht loben, aber wenigstens mit einem „Geht schon“ zur Kenntnis nehmen: 1,5 Milliarden Euro mehr für die Schiene. ({4}) Zur Aufteilung dieser Mittel hatte es im Vorfeld sehr frühzeitig viele Gespräche, viele Diskussionen gegeben: untereinander, mit dem Ministerium, aber auch mit der Branche. Daher: Vielen Dank an alle Beteiligten, insbesondere an die Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltausschuss, auch dafür, dass sie sich auf so manche sehr fachspezifische Diskussion mit Bahndeutsch – ETCS, ERTMS, Gleiswechselbetrieb, DAK, GSM-R – eingelassen haben. Ich möchte nur drei Schwerpunkte hervorheben: Erstens. Wir stärken den Schienengüterverkehr enorm. Allein im kommenden Jahr stellen wir über 150 Millionen Euro zusätzlich bereit, um den Schienengüterverkehr in dieser herausfordernden Zeit zu unterstützen; nicht nur in Hamburg, sondern in ganz Deutschland. ({5}) So wird die Förderung der Anlagenpreise, beispielsweise für die Nutzung von Rangierbahnhöfen und Lade- und Entladegleisen, um 45 Millionen Euro erhöht sowie die Trassenpreisförderung um 27 Millionen Euro aufgestockt. Erhöhung der Förderung – das muss man an dieser Stelle vielleicht sagen – heißt konkret, dass Eisenbahnverkehrsunternehmen im Güterverkehr weniger Nutzungsgebühren für Trassen und Anlagen zahlen als im Anlagen- und Trassenpreissystem der DB Netz eigentlich vorgesehen ist. Das ist echte Unterstützung. Zudem gibt es ab dem kommenden Jahr ein eigenes Förderprogramm für den wichtigen Einzelwagenverkehr in Höhe von 80 Millionen Euro, welches 2024 und 2025 in Höhe von 200 Millionen Euro abgesichert wird. ({6}) Wir stärken damit die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs, auch bei kleineren Transportmengen, gegenüber der Straße. Denn der Einzelwagenverkehr ist die Basis, wenn wir mehr Güter von der Straße auf die Schiene bringen wollen und bringen müssen. Er ist klimafreundlich und gerade in Zeiten von Lkw-Fahrermangel die Alternative zum Straßentransport. Außerdem, meine Damen und Herren, unterstützen wir den Prozess zur Einführung der Digitalen Automatischen Kupplung. Zweitens. Wir modernisieren unsere Bahnhöfe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir über Bahninfrastruktur reden, denken wir zumeist an Gleise, Weichen, Fahrleitung, vielleicht an Signale und an Stellwerke, aber viel zu wenig an Bahnhöfe. Diese sind aber Start- und Zielpunkt einer Reise, Umsteigepunkt und oft auch Stadteingang, erster oder eben auch letzter Blick auf eine Stadt oder Gemeinde. Im kommenden Jahr investieren wir daher zusätzlich 87,3 Millionen Euro in unsere Bahnhöfe. Damit erhöhen wir für die Bahnreisenden die Aufenthaltsqualität und bringen die Barrierefreiheit voran. Ganz wichtig hierbei: Auch Aufwandsförderungen sind möglich, also kleinere Arbeiten, Renovierungen zur Verbesserung des Erscheinungsbildes der Bahnhöfe, unbürokratisch, schnell sichtbar. Das bedeutet eine Stärkung der Handwerker und Kleinunternehmen vor Ort. Meine Damen und Herren, die umgesetzten Änderungen zum ursprünglichen Haushaltsentwurf sind gerade in solch fordernden Zeiten ein großer Erfolg für die Bereiche Verkehr und Digitales. Wir stärken damit zwei unserer wichtigsten Infrastrukturen maßgeblich. Vielen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Dr. Julia Verlinden für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal“, so hat UN-Generalsekretär António Guterres zum Auftakt der Weltklimakonferenz in Ägypten die Situation nachdrücklich beschrieben. Schäden der Klimaerhitzung sind schon jetzt weltweit sichtbar, in manchen Ländern deutlich drastischer als bei uns in Europa. Und das ist nur ein Vorgeschmack auf das, was der Menschheit droht, wenn wir nicht gegensteuern. ({0}) Deswegen lohnt es sich, gemeinsam um jedes Gramm CO2, um jedes Zehntel Grad zu kämpfen, auch wenn es mühsam und herausfordernd ist. ({1}) Ja, es ist frustrierend, dass Erdöl- und Erdgasstaaten auf der Klimakonferenz überfällige Schritte zur Minderung und zum Ausstieg aus fossilen Energien verhindert haben; denn Klimaschutz ist eine weltweite, gemeinsame Verantwortung. Das gilt auch bei uns in Deutschland: Alle Sektoren müssen ihren Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten. Das gilt besonders für den Verkehrssektor. Hier ist in zwölf Jahren CSU-Führung im Verkehrsministerium fast nichts passiert, ({2}) und das hat deutliche Spuren hinterlassen. So eine Verkehrspolitik passt nicht mehr ins 21. Jahrhundert. ({3}) Für uns Grüne ist klar: Wir können nicht darauf hoffen, dass andere Sektoren CO2-Einsparungen für den Verkehrsbereich übernehmen. Jeder Sektor muss Verantwortung übernehmen; denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder Sektor kann CO2 reduzieren. ({4}) Im Verkehrsbereich heißt das konkret: vermeiden, verlagern, verbessern. Wir vermeiden zum Beispiel Verkehr, indem wir regionale Wirtschaftskreisläufe stärken und externe Kosten des Verkehrs von den Verursachern bezahlen lassen, nicht mehr von der Allgemeinheit. Deswegen wollen wir als grüne Fraktion zum Beispiel unnötige und teure neue Straßenbauprojekte vermeiden und den Schwerpunkt auf den Bestand legen; denn der Bestandserhalt von Bundesstraßen und Autobahnen wird in den nächsten Jahren all unsere Aufmerksamkeit erfordern. ({5}) Die maroden Brücken, die jeder von Ihnen im Wahlkreis hat, sind nur die Spitze des Eisberges. Dabei geht es auch um Prioritätensetzung knapper Planungskapazitäten. ({6}) Wie verlagern wir Verkehr? Indem wir zum Beispiel Investitionen in die Schiene erhöhen, um über das Netz mehr Güter und mehr Menschen zu transportieren. Deswegen investieren wir zusätzlich 1,5 Milliarden Euro in die Schiene. ({7}) Es ist ein riesiger Erfolg, dass alle Menschen bald für 49 Euro monatlich sämtlichen Nahverkehr in Deutschland nutzen können. Danke an alle, die daran mitgearbeitet haben. ({8}) Mit zusätzlichen Investitionen in den ÖPNV bleibt dann bei vielen Menschen das Auto künftig öfter stehen, weil die Alternative günstig und bequem ist. Den Verkehr, den wir nicht vermeiden oder verlagern können, den verbessern wir. Stichwort „Antriebswende“: erneuerbar angetriebene Elektroautos, die für alle erschwinglich sind. Mit dem jüngst auf EU-Ebene verabschiedeten Verbot der Neuzulassung von Verbrennern ab 2035 sind wir einen wichtigen Schritt vorangekommen und haben zugleich Planungssicherheit für die Hersteller geschaffen. ({9}) Klimaschutz heißt, Verantwortung zu übernehmen. Lassen Sie uns – auch mit klaren Prioritäten bei den Ausgaben – gemeinsam dafür sorgen, dass auch der Verkehrssektor seiner Verantwortung beim Klimaschutz gerecht wird. Vielen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Ulrich Lange für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, bei der Einbringung des Haushaltes hatten Sie vier Grundsätze genannt: Verlässlichkeit, Vernunft, Verantwortung und Fortschritt. Darüber diskutieren wir heute, und wir stellen fest: ({0}) weder verlässlich noch vernünftig, weder verantwortlich noch fortschrittlich. ({1}) Lieber Minister, fangen wir bei dem an, was gerade gefeiert wurde, dem 49‑Euro-Ticket. Wir reden es nicht schlecht, nein, aber wir erwarten Qualität, dass so etwas auch funktioniert. Und es ist eben nicht verlässlich; denn es wird nicht zum 1. Januar 2023 starten, wie es auf dem Papier steht. Selbst Ihre Verkehrsministerin aus Sachsen-Anhalt – sie gehört zur FDP – sagt, frühestens 1. März 2023. ({2}) Es ist ungeklärt, wie eigenwirtschaftliche Verkehre hier mit eingebunden werden. Das ist keine verlässliche Planung. Privaten Busbetreibern droht die Insolvenz. Es gibt keine ausreichende Finanzierung gegenüber den Ländern und den Betreibern; von Energiepreisen ganz zu schweigen. Wer nur „Wünsch dir was“ aufschreibt, ohne es verlässlich zu machen, der sollte sich hier nicht feiern lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Ein weiterer Bereich war die Verantwortung. Verantwortung für den Infrastrukturausbau heißt, auch die Mittel zur Verfügung zu stellen und nicht Hütchen zu spielen; erst etwas herausnehmen, dann ein bisschen mehr wieder drauflegen und sagen: Wir haben alles gut gemacht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind billige Tricks; auf die fallen wir nicht rein. Auch wir wissen, wie so etwas funktioniert. Da lassen wir uns von Ihnen definitiv nicht täuschen. ({4}) – Es ist zu wenig; denn die Baukostensteigerungen bilden Sie nicht ab, und zwar bei überhaupt keinem Verkehrsträger. Sie streichen und kürzen. Lieber Minister Wissing, ja, Sie haben einen Haushalt mit 42 Milliarden Euro übernommen und haben jetzt noch 35 Milliarden. 16 Jahre unionsgeführte Bundesregierung waren 16 Jahre Aufbau an Finanzierung in der Verkehrsinfrastruktur, ({5}) 12 Jahre Aufbau unter der CSU, 10 Milliarden Euro Investitionen übernommen, ({6}) 25 Milliarden übergeben, 22 Milliarden heute. Hier wird Verkehrspolitik gemacht: Union macht Verkehrspolitik! ({7}) Sie sorgen für keine langfristige Planbarkeit. Sie richten Infrastruktur damit zugrunde. Genau das Gegenteil von dem, was Sie sagen, tun Sie, und das werden wir Ihnen auch in den nächsten Jahren immer wieder deutlich sagen und aufzeigen. ({8}) – Beim Minister Scheuer hatten wir die höchsten Investitionen in der Verkehrspolitik seit den 2000er-Jahren. Das kann ich Ihnen nur sagen. Da waren Sie mit dabei. ({9}) – Es war erfolgreich. Da war es erfolgreicher als all das, was Sie uns jetzt vorlegen. ({10}) Es ist nicht fortschrittlich, was Sie uns vorlegen, weil „fortschrittlich“ bedeuten würde, dass Sie bei der Planungsbeschleunigung weiterkämen. Aber, Herr Minister, Sie sind bei der Planungsbeschleunigung noch nicht – –

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Kollege Lange, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie – – Darf ich die Meldung noch einmal sehen?

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein. – Sie sind bei der Planungsbeschleunigung auch nicht weitergekommen, und auch da hatten wir gut vorgelegt. ({0}) Zusammen mit der Partei des heutigen Bundeskanzlers haben wir das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz, die Planfeststellungsbeschlüsse, die Investitionsbeschleunigung und die Verkürzungen im Verwaltungsgerichtsverfahren vorangebracht. Machen Sie dort weiter, Herr Minister – die Aufgabe ist groß –: für Ersatzbauwerke, auch für den Straßenbau, selbst wenn er noch so ungeliebt ist. Wie soll das denn mit der Brücke auf der A 45 ohne Planungsbeschleunigung funktionieren? Wie soll Infrastruktur ohne funktionierende Straße funktionieren, liebe Kolleginnen und Kollegen? Die Straße ist und bleibt das Rückgrat unseres Industriestandortes Deutschland. ({1}) Wir brauchen Präklusion, und da bin ich sehr gespannt, wie Sie mit den Koalitionspartnern wirklich weiterkommen. Wir brauchen mehr als nur eine Grundgesetzänderung, die weiße Salbe ist. Denn da müssen Sie dann mit Ihren Koalitionspartnern auch wirklich ins Detail gehen, und da wissen wir, wie schwierig das wird. Wir brauchen eine Bundesregierung, die sich auf Maßnahmen einigt. Sie sind sich nicht einig; das haben wir jetzt gesehen. Wir brauchen einen Verkehrsminister, der Anpacker, Macher und Entscheider ist. Wir brauchen keine Ampel mit Funktionsstörung; wir brauchen eine starke Infrastruktur.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Lange, Sie sprechen auf Kosten Ihrer Kollegen.

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke schön. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Bernd Reuther das Wort. ({0})

Bernd Reuther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004864, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition hat einen hohen Sanierungsstau bei allen Verkehrsträgern vorgefunden; ({0}) das will ich an dieser Stelle mal voranstellen. Diese Koalition und der Verkehrsminister sind die Themen angegangen: mit der Sanierung des Kernnetzes der Bahn, mit der schon im kommenden Jahr begonnen wird, und mit den so häufig angesprochenen Brücken, die in den vergangenen Jahren sträflich vernachlässigt worden sind. ({1}) Ich will jetzt hier einen Punkt setzen. Zu den Wasserstraßen – sie sind hier auch mehrfach angeklungen – will ich Ihnen mal ein Beispiel geben, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion hat 2016 50 sanierungsbedürftige Schleusen definiert, die in den nächsten zehn Jahren saniert werden sollen. Bis zu diesem Jahr sind von diesen 50 Schleusen 5 – in Worten: fünf – saniert worden. ({2}) Gleiches gilt im Übrigen für die Wehre für den gleichen Zeitraum: 30 Wehre, bis dato saniert: 1. Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben hier ein Umsetzungsproblem und weniger ein Finanzierungsproblem. Das will ich an dieser Stelle einmal sagen. ({3}) Und, Kollege Lange – jetzt regen Sie sich nicht so auf –, ich bin sehr froh – ich komme gleich noch zu Ihnen –, dass Minister Wissing das Herbstpaket angekündigt hat. Allein diese Beispiele zeigen auch, wie dringend wir hier Planungsbeschleunigung brauchen, wie dringend wir Building Information Modeling benötigen, wie dringend wir bessere Ausschreibungen, größere Lose, das gesamte Paket benötigen. Dann kommen wir auch schneller um die Kurve, wenn es um die Sanierung unserer Infrastruktur geht, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Da ich jetzt gerade die Sanierung der Infrastruktur auf allen Verkehrsträgern angesprochen habe, will ich eines noch mal besonders herausgreifen. Kollege Müller hat die Investitionen in die Schiene, bei der Digitalisierung, bei den Trassen und natürlich auch das 49‑Euro-Ticket angesprochen. Kollege Lange, mir ist es jetzt immer noch nicht klar: Sie haben jetzt viel über die Probleme und die großen Herausforderungen gesprochen, aber keinen Satz über die Chancen und die Möglichkeiten gesagt, die dieses Ticket bietet. Sie haben es hier mit großer Wucht vorgetragen. Aber das macht es nicht besser, lieber Kollege Lange. ({5}) Ich will sagen: Wir werden dieses Ticket in digitaler Form schaffen, auch wenn Die Linke da lieber weiterhin eine Streifenkarte haben möchte. Wir werden hier ein digitales deutschlandweites Ticket schaffen. Das wird zu vielen Erleichterungen für die Menschen in diesem Land führen. Diese Koalition hat sich auf die Fahnen geschrieben, die Menschen und die Güter in diesem Land weiterhin mobil zu halten. Vielen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Eugen Schmidt für die AfD-Fraktion. ({0})

Eugen Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005209, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Das Geld der deutschen Steuerzahler ist in Straßen und Infrastruktur besser angelegt als in vielen Projekten der deutschen Regierung, die vor allem Schaden anrichten. Darum war der Digital- und Verkehrshaushalt verhältnismäßig angenehm zu lesen. Tatsächlich klingen einige Ihrer Pläne sogar auffallend beispielgebend. So schreiben Sie von der flächendeckenden Verfügbarkeit leistungsfähiger digitaler Netze sowie der Digitalisierung der Verkehrssysteme. Gut so! Aber reden Sie nicht bereits seit 20 Jahren davon? Tatsächlich jedoch hinkt Deutschland der Welt hinterher. ({0}) Das haben Sie zu verantworten, meine Damen und Herren von Union, SPD, Grünen und FDP. ({1}) Die Bundesregierung will die digitale Transformation beschleunigen und damit die digitale Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken. „Souveränität“ klingt ganz hervorragend, nach AfD. Ich traue Ihnen aber eine Umsetzung nicht zu. Keine Regierung zuvor hat den technologischen, wirtschaftlichen und auch moralischen Niedergang so sehr vorangetrieben wie Sie: ({2}) mit Selbstgefälligkeit. Außerdem glaube ich Ihnen nicht, dass Sie die Souveränität Deutschlands wollen. Sie haben ein gestörtes Verhältnis zu unserem Land. Sie wollen Steuergeld für innovative Anwendungen von künstlicher Intelligenz nutzen. ({3}) Auf dem Papier liest es sich ganz gut. Doch welche Fachkräfte sollen diese Systeme umsetzen? Die Deutschen, die zu Massen dieses Land verlassen, können es nicht mehr tun: Ingenieure, Wissenschaftler, Handwerker und Techniker. In den letzten 20 Jahren haben wir knapp 1 Million deutsche Auswanderer zu beklagen. ({4}) Das haben Sie mit Ihrer Politik zu verantworten, ({5}) Ihrer Politik, die Menschen auspresst, die arbeiten gehen. Darum flüchten Steuerzahler. Mindestens 76‑mal kommt im Einzelplan 12 und in anderen Plänen das Wort „Intelligenz“ vor: intelligente Werkzeuge, intelligente Netze, intelligente Modernisierung. Und rauf und runter lese ich dort die Wörter „künstliche Intelligenz“. Aber auf 3 300 Seiten ist nicht ein einziges Mal von menschlicher Intelligenz die Rede, kein einziges Mal. Für erfolgreiche Digitalisierung braucht es aber intelligente Menschen. ({6}) Liebe Landsleute, ich habe den Eindruck: Mehr Steuergeld für Digitalisierung, wie es diese Regierung will, bedeutet eben nicht, dass Sie sich freier informieren können, nicht, dass Sie sich besser informieren können. Es bedeutet nicht, dass das Video, das Sie sehen wollen, schneller lädt. Mehr Digitalisierung wird bedeuten, dass Ihnen die Informationen, die den Herrschenden nicht recht sind, einfacher vorenthalten werden können. Die Vorauswahl an Nachrichten, ja, letztendlich die Zensur in unserem Land, soll noch effektiver werden. Die Politik dieser Regierung bedeutet weniger Freiheit. Sie bedeutet mehr Zensur durch ausländische Konzerne, mit denen sie sich zusammensetzt und gemeinsame Sache macht, ({7}) Überwachung auf Schritt und Tritt, weil es dem Machterhalt dient und dem Aufbau einer neuen Ordnung. ({8}) Auf Ihre Welt der Bevormundung können wir verzichten. Vielen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Dorothee Martin für die SPD-Fraktion. ({0})

Dorothee Martin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004959, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Dass es in diesen wirklich schwierigen und krisenbelasteten Zeiten gelungen ist, einen Verkehrshaushalt mit einem ganz klaren Fokus auf Zukunftsinvestitionen zu erarbeiten, ist wirklich eine große Leistung aller Beteiligten. Ich danke allen Mitgliedern des Haushaltsausschusses und vor allem ihren Teams. Aber ich bin doch sehr erstaunt über den noch offenbar sehr großen Phantomschmerz, den es hier in den Reihen der Union gibt. ({0}) Ich finde, dass man gerade in einer Haushaltsdebatte, aber nicht nur da, mal zur Kenntnis nehmen muss, was die anderen sagen und was auch beschlossen wurde. Das fehlt bei Ihnen völlig. ({1}) Was diese Koalition eint, sind der Wille zum Fortschritt und auch der Wille zu einer ganz anderen Mobilitätspolitik. Das ist in diesem Haushalt ganz klar erkennbar, meine Damen und Herren. ({2}) Wir zeigen darin auch ganz deutlich: Das Verkehrsmittel der Zukunft ist die Bahn; denn nur mit einer ganz klaren Priorität für die Schiene wird eine echte und auch erforderliche Mobilitätswende gelingen. Sie ist die Grundlage für eine nachhaltige, effiziente und nicht zuletzt auch für eine für alle bezahlbare Mobilität. Und ich will noch eines sagen: Deutschland ist Industrieland, und wir wollen, dass das so bleibt. ({3}) Auch für den klimafreundlichen Güterverkehr muss der Transport auf der Schiene die Priorität Nummer eins sein. ({4}) Ich sage es noch einmal, damit es auch bei dem Letzten hier ankommt: 500 Millionen Euro zusätzlich für die Schiene in diesem Haushalt, 1 Milliarde Euro mehr für die nächsten Jahre, das ist ein großer Schwung für die Verlagerung von der Straße auf die Schiene, für mehr Kapazität und Attraktivität. Es wurden ja schon einige Beispiele dafür genannt, was mit diesem Haushalt alles für die Schiene gemacht wird. Ich will noch mal einige benennen: Wir kümmern uns unter anderem mit mehr Mitteln um die Reaktivierung von Schienengüterverkehrsstrecken, um mehr Kapazität auf die Schiene zu bringen. Wir fördern Mobilitätsstationen gerade in kleinen und mittleren Gemeinden, um den Umstieg auch dort zu erleichtern, und sorgen dafür – das ist ganz wichtig; Kollege Müller sagte es schon –, dass unsere Bahnhöfe als Visitenkarten der Mobilität noch sicherer, noch barrierefreier und auch noch attraktiver werden. ({5}) Es wurde auch schon viel zum 49‑Euro-Ticket, zum Deutschlandticket, gesagt. Das ist doch mal ein Weg, Verkehrspolitik wirklich anders zu gestalten und mit Verkehrspolitik Klimaschutz und auch Daseinsvorsorge voranzubringen. Ich bin sicher: Dieses bundesweite Ticket ist eine Revolution und wird auch einen ganz enormen Schub für die Mobilitätswende bringen. Diesen Tarifdschungel mit Waben, Zonen, Ringen, den wir alle kennen, wird es nicht mehr geben. Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir so etwas hier realisieren können? Das ist ein riesengroßer Fortschritt, und er wird so schnell wie möglich kommen. ({6}) Ich möchte an dieser Stelle auch mal mit der Legende aufräumen, dass die Menschen im ländlichen Raum nichts von dem Ticket hätten. Fakt ist doch: Je länger ich vom ländlichen Raum in die Stadt zur Arbeit oder zur Ausbildung fahren muss, also je mehr Tarifzonen ich durchqueren muss, desto teurer ist mein Monatsticket im ÖPNV. Das heißt, gerade da liegt das Einsparpotenzial für die Menschen, die pendeln müssen. ({7}) Um mal ein konkretes Beispiel aus der Region Unterems zu nennen – ich könnte noch viele andere Beispiele, auch aus Ihren Wahlkreisen, anführen –: Wenn Sie vom Kreis Leer nach Oldenburg fahren, zahlen Sie im Jahr 2 184 Euro. In Zukunft zahlen Sie unter 600 Euro. Das ist eine Ersparnis von fast 1 600 Euro im Jahr. Das sind konkrete und spürbare Entlastungen für die Menschen in diesem Land. ({8}) Genau dafür sorgen wir. Sie machen das nur mies. Sie haben keinen Fortschritt. Sie verhindern nur. Natürlich wissen wir, dass nicht allein der Preis entscheidend ist. Wir müssen auch für mehr Angebot, für den Ausbau sorgen, und das machen wir. Wir geben 1 Milliarde Euro zusätzlich an Regionalisierungsmitteln. Wir hätten das gerne diese Woche schon in erster Lesung hier beraten; das haben Sie verhindert. Sie verhindern, wir gestalten hier Fortschritt für Stadt und Land, auch mit diesem Verkehrshaushalt. ({9}) Vielen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Swantje Henrike Michaelsen das Wort. ({0})

Swantje Henrike Michaelsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005152, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute schon einiges über Klimaschutz gehört – zu Recht; denn gerade der Verkehrsbereich ist ein absolutes Sorgenkind. Die Emissionen wurden seit 30 Jahren nicht gemindert. Wir reißen die Klimaschutzziele, und die Erstellung eines ausreichenden Klimaschutzsofortprogramms kommt zu langsam voran. Jahre und Jahrzehnte verfehlter Verkehrspolitik haben unsere Mobilität einseitig aufs Auto ausgerichtet. Landauf, landab sind die Menschen abhängig vom Auto. Allzu oft fehlt es an Infrastruktur und einem guten Angebot für Alternativen. Umfragen zeigen dabei immer wieder, dass viele Menschen bereit wären, ihre Alltagsmobilität anders zu gestalten, wenn die Alternativen attraktiver wären. Deshalb müssen wir ein Verkehrssystem schaffen, das ÖPNV und Rad kombiniert und die Abhängigkeit vom Auto reduziert. ({0}) Mit dem Sonderprogramm „Stadt und Land“ fördert der Bund seit einigen Jahren erstmalig die kommunale Radinfrastruktur. Große und kleine Kommunen überall im Land haben sich seitdem auf den Weg gemacht. Radverkehrskonzepte wurden aufgestellt, Radwegenetze entwickelt. Radwege und Abstellanlagen werden geplant, gebaut oder saniert. Es ist etwas in Gang gekommen in Deutschland; aber der Weg zum Fahrradland ist noch sehr weit. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass mit diesem Haushalt das Programm „Stadt und Land“ bis 2028 verstetigt wird. Wenn die Mittel auch noch keine ausreichende Höhe haben, so ist es doch ein klares Signal an die Kommunen, dass es sich auch jetzt lohnt, die Förderung des Radverkehrs aufzunehmen oder auszubauen. ({1}) Mit einem neuen Förderschwerpunkt für Raddirektverbindungen können die Kommunen Brücken und Unterführungen bauen, die Wege verkürzen und Quartiere und Orte verbinden. ({2}) Dass bei solchen Maßnahmen zukünftig die Mittel für begleitende Fußwege mit abgerechnet werden können, erleichtert die Beantragung der Mittel und mindert bürokratische Hürden. Damit beschleunigen wir den Bau von Wegen für Fuß und Rad. ({3}) Das Förderprogramm „Stadt und Land“ wird also mit diesem Haushalt attraktiver. Es wurde zudem im parlamentarischen Verfahren noch einmal gestärkt und zeigt bis 2028 eine Finanzierungsperspektive auf; das sind wichtige Signale für die Kommunen. Wir machen mit einem neuen Investitionsprogramm Bahnhöfe angenehmer und barrierefreier. So entstehen Stationen, die von allen Menschen genutzt werden können und wollen. Und wir fördern Mobilitätsstationen in kleinen und mittleren Kommunen. Wenn für die letzte Meile Räder, Roller und E‑Autos bereitstehen und das eigene Rad sicher geparkt werden kann, wird der ÖPNV für mehr Menschen auch auf dem Weg in kleine Orte und im ländlichen Raum zur echten Alternative. ({4}) Es ist gut, dass wir gerade auch bei der Alltagsmobilität ansetzen. Jeden Tag gibt es in Deutschland 40 Millionen Autofahrten, die kürzer sind als 2 Kilometer, 40 Millionen Autofahrten, die anders zurückgelegt werden können und müssen. Dieser Haushalt gibt für die Alltagsmobilität einige Impulse. Ein System, das über Jahrzehnte aufgebaut und manifestiert wurde, ändert aber kein Haushalt über Nacht. Viel bleibt für die nächsten Jahre zu tun. Packen wir’s an! Vielen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun die Kollegin Ronja Kemmer das Wort. ({0})

Ronja Schmitt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004617, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war einmal eine Partei namens FDP, die hatte den Menschen landauf, landab „Digital first“ versprochen. ({0}) Die Freude war groß, als sie den Schlüssel zum Digitalisierungsschloss des Landes in den Händen hielt, und es wurden viele Feste der Digitalisierung für die nächsten Monate angekündigt. ({1}) Es wurde auch tatsächlich digitalisiert, und zwar das Namensschild am Türschloss. Aber was ist seitdem passiert? Seitdem verweilt die ganze Ampelkoalition im Dornröschenschlaf, und es findet sich einfach kein Prinz, der sie aus diesem erweckt. ({2}) Liebe Ampelkoalition, man wünscht sich, es wäre eine Märchengeschichte. Es ist aber leider bittere Realität. Das ist jetzt bereits der zweite Haushalt in Folge, in dem Sie das von Ihnen angekündigte zentrale Versprechen nicht einlösen, ({3}) in dem das zentrale Versprechen eines Digitalbudgets eben nicht umgesetzt wird. Herr Minister Wissing, beim ersten Mal haben Sie noch gesagt, dass man zunächst die Digitalstrategie ausarbeiten müsse. Die liegt jetzt aber seit August vor. Auf das Digitalbudget warten wir trotzdem vergeblich. Vielleicht schaffen Sie es ja im nächsten, im dritten Anlauf. Das heißt aber auch, dass die Impulse des dann sogenannten Digitalbudgets erst im Jahr 2024 zu bemerken wären. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist einfach zu wenig. ({4}) Wie im Dornröschenschlaf verwalten Sie leider auch die erfolgreichen Förderprogramme, die von der unionsgeführten Bundesregierung aufgesetzt worden sind. ({5}) Und wenn dann doch alle paar Monate mal die Minister Wissing und Habeck ganz unsanft aus dem Schlaf gerissen werden, muss es irgendwie immer ganz schnell gehen. ({6}) Doch anstatt diese guten Förderprogramme entsprechend zu verlängern, werden sie erst mal konsequent eingestampft und dann mit viel Müh und Not irgendwie halbherzig fortgeführt. So war es beim KfW-Förderprogramm, so war es beim ZIM, und so ist es aktuell auch beim Graue-Flecken-Förderprogramm. ({7}) Sehr geehrter Herr Minister, Sie sagen, das sei kein Förderstopp. Dann frage ich Sie: Was sagen Sie eigentlich den Bürgermeistern, ({8}) den momentan kommunal Verantwortlichen? Wo können sie denn die Anträge stellen, wenn es angeblich gar keinen Förderstopp gibt? ({9}) Herr Minister Wissing, deswegen haben Ihnen ja die Digitalminister der Länder, darunter übrigens auch zahlreiche aus den Parteien der Ampelfraktionen und auch aus Ihrer Heimat Rheinland-Pfalz, einen Brandbrief geschrieben. Allein in meinem Wahlkreis sind 18 Kommunen betroffen. Bundesweit sind es Hunderte von Kommunen. Ich glaube, das zeigt, wie man Vertrauen auf der kommunalen Ebene verspielt und wie man mit den kommunal Verantwortlichen nicht umgehen darf, wenn man Planungssicherheit von Bundesseite geben will. Es hat Jahre gebraucht, bis die Bundes- und die Landesförderung kompatibel ausgestaltet worden sind. Und jetzt stoppen Sie so ein erfolgreiches Programm? Sie haben ja die Gigabit-Strategie verabschiedet, die irgendwie auch den Gigabit-Ausbau zum Ziel hat. Aber ich glaube, in dieser Strategie steckt am Ende vielleicht dann doch mehr Märchenstunde, als uns allen hier lieb sein kann. ({10}) Auch auf die Frage, warum Sie die Gelder, die im Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“ genau dafür vorgesehen sind, nicht für die Fortschreibung verwenden, geben Sie keine Antwort, wahrscheinlich weil Sie immer noch glauben, dass „mehr Markt und weniger Förderung“ das Problem irgendwie ein Stück weit regeln wird. Aber ich sage Ihnen: Schauen Sie doch mal in die jüngste Vergangenheit! Es regelt sich eben nicht von alleine. Der Markt regelt es eben nicht. ({11}) Gerade im ländlichen Raum werden die Kommunen im Regen stehen gelassen, und das ist ein schwerer politischer Fehler. ({12}) Neben dem Ausbau der digitalen Infrastruktur ist das Thema der Verwaltungsdigitalisierung ein weiteres zentrales Thema. Aber auch hier ist Ihre Bilanz bisher reichlich überschaubar. Wenn man mal von den einigermaßen überschaubaren Ambitionen in der Digitalstrategie absieht, muss man wirklich sagen: Eigentlich wird das nur noch übertroffen von der chaotischen Umsetzung. Das Onlinezugangsgesetz, das OZG, läuft Ende des Jahres aus, und bis jetzt liegen dem Bundestag keine Eckpunkte für eine Verlängerung vor, obwohl Sie in Ihrem Koalitionsvertrag versprochen haben – ich zitiere –: Die Weiterentwicklung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) geht mit einer ausreichenden Folgefinanzierung einher. Für beide Ankündigungen – das dürfen wir heute festhalten – gilt: leider Fehlanzeige. Auch die OZG-Fortschreibung haben Sie verschlafen. Da kann man abschließend nur sagen: Wenn sie nicht entschieden haben, dann diskutieren sie noch heute. – Das ist zu wenig für unser Land. ({13})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Anja Troff-Schaffarzyk das Wort. ({0})

Anja Troff-Schaffarzyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005240, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haushaltswochen sind etwas ganz Besonderes, und sie sind auch besonders herausfordernd. Jetzt stehen wir am Ende monatelanger Verhandlungen, und wir als SPD-Fraktion haben klar die Richtung vorgegeben: Unsere Verkehrsinfrastruktur muss gestärkt werden. Dabei haben Schienen und Wasserstraßen Priorität. ({0}) Die Verabschiedung eines neuen Bundeshaushaltes ist aber eben auch ein Anfang: Jetzt können die Projekte beginnen. Das Geld muss zügig dort ankommen, wo es gebraucht wird. Gerade bei einem so investitionsstarken Haushalt wie dem des Verkehrsministeriums ist das natürlich eine Herausforderung; aber ich bin mir sicher, dass sie gelingen wird. ({1}) Gerade bei uns im ländlichen Raum hängt manchmal viel an einem einzigen Punkt in der Infrastruktur. Bei mir im Wahlkreis ist das beispielweise die Friesenbrücke. Durch die Zerstörung der alten Brücke wird eine ganze Region in Ostfriesland seit 2015 abgehängt. Natürlich ist das ein Grund gewesen, besonders darauf hinzuweisen, dass es wichtig ist, dass dieses Teilstück, das regional, aber eben auch international von Bedeutung ist, wiederhergestellt wird. Ja, sowohl mein Wahlkreis als auch ich waren da sicherlich sehr hartnäckig an vielen Themen dran. Aber die langen Mühen haben sich gelohnt: Der Haushaltsausschuss hat die Mittel freigegeben. Die neue Friesenbrücke kommt. ({2}) Auch im Namen aller Betroffenen in meinem Wahlkreis sage ich an dieser Stelle: Vielen Dank an alle, die daran mitgewirkt haben und das möglich gemacht haben. Der Verkehrshaushalt ist das in Zahlen gegossene Versprechen der Verkehrswende, die wir als Koalitionsfraktionen alle wollen und gemeinsam vorantreiben. In den Haushaltsberatungen wurde genau deshalb zielgenau nachgesteuert. Ein paar Beispiele: Wir investieren deutlich mehr Geld in die verbesserte Barrierefreiheit und höhere Attraktivität unserer Bahnhöfe. Wir schaffen eine neue Förderlinie für Mobilitätsstationen im ländlichen Raum; meine Kollegin Dorothee Martin hat das schon angesprochen. Damit werden auch intermodale Verkehre dort zur Option, wo sie bisher nicht möglich waren. Mit dem Deutschlandticket haben wir einen verkehrspolitischen Meilenstein auf den Weg gebracht. Die Menschen im ländlichen Raum haben nun wirklich lange genug gewartet, bis der öffentliche Personennahverkehr auch dort attraktiver wird. Die beschriebenen Maßnahmen zeigen, dass ein konkreter Wandel möglich ist. Außerdem demonstriert dieser Haushalt inmitten diverser Krisen Handlungsfähigkeit. Wir fördern die Erforschung resilienter maritimer Versorgungswege, um die Schifffahrt auch in trockenen Sommern am Laufen zu halten. Wir investieren in die Sicherung eines Zugfunks, damit eine Störung unserer Infrastruktur wie im Oktober in Zukunft ausgeschlossen wird. „Löppt“, sagt man bei mir zu Hause zu so einer Bilanz. ({3}) Es werden überall und besonders im ländlichen Raum bessere und passgenauere Mobilitätsangebote erwartet. Nun geht es an die Umsetzung. Packen wir es gemeinsam an! Vielen Dank. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Tobias Björn Bacherle das Wort. ({0})

Tobias Bacherle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005013, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um ganz kurz bei diesem Metaphern- und Märchengedöns zu bleiben: Zaubern können wir auch nicht. ({0}) Aber wir erhöhen immerhin die Verpflichtungsermächtigung für den Gigabit-Ausbau um 1 Milliarde Euro und haben mit der Gigabit-Strategie schnellere Genehmigungsverfahren und moderne Verlegetechniken ermöglicht, damit wir mit dem notwendigen Ausbau weitermachen können. Ich glaube, es tut uns allen weh, dass wir über den so notwendigen Ausbau immer noch diskutieren müssen. Aber es ist nun mal so. ({1}) Ein guter Internetanschluss muss heutzutage – eigentlich schon in den letzten zehn Jahren – Teil der Daseinsvorsorge sein. ({2}) Gutes Internet ist essenziell, damit Menschen am Alltag teilhaben können, egal ob es um Homeoffice und mobiles Arbeiten, um Familienanrufe oder um kulturelle Teilhabe geht. Richtig: Weiße Flecken können wir uns eigentlich schon lange nicht mehr leisten. ({3}) Wie existenziell wichtig der Zugang zu einem freien demokratischen Internet ist, zeigen jüngst auch die Internet-Shutdowns im Iran. Die Menschen dort werden von einem brutalen Regime unterdrückt. Sie können die Dokumentation dieser Verbrechen nicht mehr teilen, nicht miteinander kommunizieren, sich nicht mehr über das Internet organisieren. Das zeigt, dass unsere Verantwortung für ein freies Internet nicht an unseren Grenzen enden kann. Digitalpolitik hat immer eine internationale Dimension. Infrastruktur, Datenverkehr, digitale Wertschöpfung – all das wird von anderen mit einem globalen geopolitischen Interesse gestaltet. Dem können wir uns nicht entziehen. Deswegen müssen wir uns breit aufstellen und über alle Ressorts hinweg Digitalpolitik denken. Das findet sich auch im Haushalt wieder. ({4}) Weiterhin wird die Cyberaußenpolitik im Haushalt des Auswärtigen Amts gut unterlegt, um klare Antworten zum Beispiel auf Internet-Shutdowns zu finden. Damit verbunden ist natürlich auch essenziell, dass die Mittel für Cybersicherheit in der Ukraine sowie für unseren Einsatz gegen Desinformation weltweit in Zusammenarbeit mit der globalen Zivilgesellschaft ordentlich angewachsen sind. Wir müssen die digitale Wertschöpfung bei uns stärken und uns wettbewerbsfähig halten. Dafür stellen wir die Datennutzung und die Datenverfügbarkeit, aber auch die Selbstbestimmung über Daten in den Mittelpunkt. Mit dem Dateninstitut schaffen wir eine Ergänzung zu den europäischen Bemühungen für ein neues, partizipatives und inklusives Datenökosystem. Denn – das gilt allgemein – nur im Rahmen der Europäischen Union können wir digitale Souveränität wirklich voranbringen. Abschließend: Wir stocken die Mittel für den Sovereign Tech Fund weiter auf und stärken so die globale Open Source Community. ({5}) Auf diesen Ansätzen aufbauend, wird das BMDV nun die internationale Digitalstrategie in die Hand nehmen. Das ist ein wichtiger Schritt; wir wollen ja auch international für ein freies Internet einstehen. Damit sie ein Erfolg wird, muss sie aber mit den Perspektiven aller involvierten Ministerien gestaltet werden: AA, BMWK, Verteidigungsministerium, Innenministerium. Alle müssen hier gemeinsam an einem Strang ziehen und daraus eigene Arbeitsaufträge mitnehmen. Denn nur mit guter Koordination kann es uns gelingen, unsere Ziele aus dem Koalitionsvertrag und das, wofür wir international einstehen – Recht auf freies Internet, Recht auf verschlüsselte Kommunikation, Recht auf anonyme Nutzung des Internets –, bei uns umzusetzen und mit gutem Beispiel voranzugehen. Vielen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Nicolas Zippelius für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Nicolas Zippelius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005266, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Entgegen der Beschreibung des Einzelplans ist die Thematik „Digitales und Verkehr“ missverständlich; denn das Digitale steht unter Minister Wissing nicht an erster Stelle, es ist nicht mal gleichberechtigt, sondern ein lästiges Anhängsel, das kaum Tageslicht genießt und von Herrn Wissing auch nur unregelmäßig Besuch bekommt. ({0}) 1,94 Millionen Euro werden im Etat des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr für die Umsetzung der nationalen Digitalpolitik im Jahr 2023 zur Verfügung gestellt, was ohne weitere Kenntnis einfach ein Mittelansatz ist, wie meine Kollegin Franziska Hoppermann zu Recht in der ersten Lesung grundsätzlich kritisch hervorgehoben hat. ({1}) Denn bei der nationalen Digitalpolitik handelt sich um eines der umfassenden und übergreifenden Metavorhaben, welches Ihrem Haus federführend zugewiesen ist, Herr Minister. Dafür sind die nun finalen 1,94 Millionen Euro bei allem Respekt absolut unzureichend. Gleiches gilt für die europäische und internationale Digitalpolitik. Ihr Stellenwert ist schwer zu erkennen. Das ist umso bedenklicher, als die Erarbeitung einer Strategie für internationale Digitalpolitik eine zentrale Zielsetzung der Bundesregierung im Rahmen ihrer eigenen Digitalstrategie darstellt. Und wenn das Ministerium auf meine schriftliche Frage vom Oktober antwortet, dass es gedenkt, die Strategie im nächsten Jahr, also 2023, vorzulegen, dann täte die Bundesregierung gut daran, solche Ankündigungen in ihren Haushaltsplanungen finanziell entsprechend zu unterfüttern und es nicht bei leeren Worthülsen bleiben zu lassen. ({2}) Aber dieser rote Faden zieht sich durch die gesamte Struktur. Auf die Frage meines Kollegen Marc Biadacz bezüglich der Verteilung von Personalkapazitäten in den unterschiedlichen Ressorts kam die Antwort vom Staatssekretär, dass dies nicht klar beziffert werden könne. Apropos klarer roter Faden in der Digitalpolitik: Dazu hätten das Ministerium und die Bundesregierung hier die Chance gehabt. Stattdessen ist der Bereich Digitales von einem eklatanten Zuständigkeitswirrwarr über alle Bundesressorts hinweg gekennzeichnet, das sich im Juni durch eine Intervention durch das Kanzleramt weiter verschlimmert hat. Herr Kollege Funke-Kaiser, mit Erlaubnis der Präsidentin zitiere ich Sie aus „t-online“: Es sei von Anfang klar gewesen, „dass die Digitalpolitik eine Querschnittsaufgabe ist … Die Rolle des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr ist dabei die eines Taktgebers.“ Ich habe den Minister zweimal nach seinem Terminkalender gefragt. Wenn herauskommt, dass er im Schnitt zwei digitalpolitische Termine pro Woche wahrnimmt, wobei sich hier Grußworte die Klinke in die Hand geben, dann frage ich mich: Von welchem Takt sprechen Sie hier eigentlich? ({3}) Sie hätten die Forderungen in Ihrem eigenen Koalitionsvertrag umsetzen müssen, nämlich ein zentrales zusätzliches Digitalbudget einzuführen. Dies haben Sie im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zum Haushalt 2023 mehr als deutlich verpasst. Wann wollen Sie das Digitalbudget einführen? 2024, 2025, kurz vor Ende der Legislatur? Sie, liebe Ampelkoalition, haben dies konsequent abgelehnt. ({4}) Das Fehlen eines Digitalbudgets im Bundeshaushalt wird ja nicht nur von uns, sondern auch von der Expertenkommission Forschung und Innovation – das ist eine wissenschaftliche Politikberatung für die Bundesregierung – aufgegriffen. Sie kritisiert das sehr scharf. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: Der Verzicht auf das Digitalbudget ist nicht nur eine grundfalsche, weil zukunftsgefährdende Entscheidung, sondern sendet zudem ein fatales Signal für den Innovationsstandort Deutschland. Sowohl innerhalb als auch außerhalb Deutschlands verfestigt sich der Eindruck, dass Digitalisierung in Deutschland ein nachgeordnetes Projekt ist, das man getrost aussetzen und auf unbestimmte Zeit verschieben kann. Meine Damen und Herren, wie viele meiner Kollegen bin auch ich ehrenamtlich Gemeinderat und Kreisrat und kann Ihnen eines sagen: Auch bei mir im Wahlkreis Karlsruhe-Land ist das, was unsere Kommunen im Moment gar nicht brauchen und weshalb sie vor allem ächzen, die Last, die sie zu stemmen haben, und was sie dahin gehend am wenigsten brauchen, ist ein miserabel kommunizierter Förderstopp beim Graue-Flecken-Programm. ({5}) Deswegen ist es umso wichtiger, dass erstens genügend Mittel für die bereits eingereichten Anträge zur Verfügung gestellt werden und dass zweitens eine darauffolgende Förderrichtlinie umgesetzt wird. Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Sehr geehrte Damen und Herren, in diesem Sinne wäre es wünschenswert, wenn in Zukunft an dieser Stelle nicht nur ein Verkehrsminister, sondern auch ein Digitalminister anzutreffen wäre. Herzlichen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Dr. Jens Zimmermann für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Jens Zimmermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004603, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns als Fortschrittskoalition ist klar: Digitalisierung muss Priorität haben; denn sie ist Antriebsmotor für die Gesellschaft, für unsere deutsche und europäische Wirtschaft. Neben Souveränität, Kompetenz und fairen Regeln bedeutet das vor allem auch: Wir müssen Geld zur Verfügung stellen, um diese wichtigen Maßnahmen, die wir uns im Koalitionsvertrag vorgenommen haben, am Ende auch umzusetzen, und das tun wir mit diesem Haushalt, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Da sei beispielsweise die Breitbandförderung erwähnt, wo wir 1 Milliarde Euro draufsatteln, oder aber auch die Games-Förderung, die Computerspieleförderung, wo wir über 20 Millionen Euro draufpacken. ({1}) Ich möchte mich bei allen bedanken, die in den Haushaltsverhandlungen dazu beigetragen haben, dass wir auch Themen wie digitale Verwaltung und Wirtschaft, Infrastrukturausbau und Datensouveränität mit reinpacken konnten. Die Kritik der Opposition hat auch bei der internationalen Digitalpolitik angesetzt. Ich will dazu sagen: Der Digitalausschuss war gerade in Japan und Südkorea. Wir haben den japanischen Digitalminister getroffen, der gesagt hat, Volker Wissing habe im G-7-Format sehr, sehr wichtige Impulse gesetzt und er freue sich, dass er auch beim Digital-Gipfel dabei sein werde. In Südkorea kam man auf uns zu und hat gefragt: Wie wäre es, können wir nicht ein gemeinsames Abkommen zum Thema „digitale Sicherheit“ machen? Der Abteilungsleiter aus dem Digitalministerium ist überall unterwegs. Also, ich hätte mir in den letzten Jahren so viele internationale Aktivitäten im Digitalbereich gewünscht, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Zur Hauptkritik beim Thema Breitbandausbau: Wir haben in einem Bundeshaushalt noch nie so viel Geld für den Breitbandausbau eingestellt wie in diesem Haushalt, den wir jetzt verabschieden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das müssen Sie doch auch mal zur Kenntnis nehmen! ({3}) Denn wir haben, wie gesagt, 1 Milliarde Euro draufgepackt. Das ist auch das Ergebnis der Diskussion, die wir hier im Deutschen Bundestag geführt haben. Wir haben ein erfolgreiches Förderprogramm für den Breitbandausbau, und der Minister hat zugesagt, dass es keine Förderlücke geben wird. Deswegen haben wir finanziell hier noch mal nachgelegt. Es wird immer so getan, als würde 2023 der Breitbandausbau nicht mehr gefördert. ({4}) Das Gegenteil ist der Fall: Es wird ein neues Förderprogramm geben, das noch weiter geht als das bestehende, und das ist auch gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({5}) Schauen wir uns weitere wichtige Digitalvorhaben an. 10 Millionen Euro stehen für den Aufbau eines Dateninstitutes zur Verfügung, ({6}) über 48 Millionen Euro für das Zentrum für Digitale Souveränität. Es gibt 52 zusätzliche Planstellen beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Das alles sind Themen, wo wir ganz klar – auch kurzfristig – Bezug nehmen auf die internationale Situation. Denn wir alle wissen: Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine ist ein Thema, das uns auch im Digitalbereich massiv beschäftigt. Deswegen ist es sehr gut, dass wir für den Haushalt 2023 finanziell noch mal nachgelegt haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Für uns gehört auch die Kultur- und Innovationsförderung im Digitalbereich dazu. Deswegen freut es mich sehr, dass wir zu den bestehenden 50 Millionen Euro noch mal 20 Millionen Euro für die Computerspieleförderung obendrauf setzen. Manche Leute mögen bei dem Thema immer so ein bisschen schmunzeln, nach dem Motto: Computerspieleförderung, was ist das? – Ich will Ihnen eins sagen: Das ist mittlerweile eine Branche, die weitaus größer als die Filmindustrie ist, und ebenso wie in der Filmindustrie geht es auch hier um Kultur. Ich möchte, dass Computerspiele in Zukunft nicht nur aus den USA kommen, sondern auch aus Deutschland. Deswegen ist es sehr gut, dass wir das an dieser Stelle entsprechend fördern. Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Stefan Seidler. ({0})

Stefan Seidler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005219

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Moin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der uns vorliegende Haushaltsentwurf enthält eine Menge guter Neuigkeiten: Der Bundeshaushalt 2023 sieht mehr Investitionen für die klimafreundliche Schiene vor als der ursprüngliche Entwurf, und auch die Bahnhöfe, Herr Müller, bekommen mehr Mittel. Das freut mich besonders; ich konnte mich letzte Woche vom schlechten Zustand der Bahnhöfe in Flensburg und Schleswig vergewissern. – Das ist Ihr Erfolg. Danke dafür! Allerdings sind die Bedarfe im Einzelplan 12 weiterhin gewaltig. Selbst die erhöhten Ausgaben sollten uns nicht täuschen. Wir müssen weiter mehr in den Erhalt, den Ausbau und vor allem in den klimagerechten Umbau unserer Infrastruktur investieren. ({0}) Besonders besorgt mich weiterhin der Zustand unserer Wasserstraßen. Und um der Kollegin aus Ostfriesland auf Plattdeutsch zu entgegnen: Dor weet ik nich so richtig, ob dat löppt. Denn klar ist: Es gibt weiterhin erheblichen Sanierungsstau und viel zu wenige Mittel, um den massiven Problemen zu begegnen. Im Juli etwa wurde bekannt, dass am Nord-Ostsee-Kanal Löcher in der Böschung aufgetreten sind. Es droht das Abrutschen von Böschungsteilen in den Kanal. Das Ergebnis: Die Kapazität des Kanals wird herabgesetzt. Bei uns am Nord-Ostsee-Kanal ist es wie überall in Deutschland: Marode Infrastruktur verliert an Effizienz und Verlässlichkeit. Nun mag es sein, dass Wasserstraßen nicht viele kümmern. Wer nutzt sie schon? Aber das ist ein Trugschluss. Gerade beim Niedrigwasser am Rhein im Sommer haben wir gesehen, welche erheblichen wirtschaftlichen Auswirkungen mit einer Kapazitätsbegrenzung einhergehen. Sollte es einmal zu ernsthaften Problemen am Nord-Ostsee-Kanal kommen, wäre der Schaden gar nicht auszumalen. Dabei sind die volkswirtschaftlichen Kosten nur ein Aspekt fehlender Verkehrsinvestitionen. Dort, wo Bürgerinnen und Bürger den Verfall essenzieller öffentlicher Infrastruktur erleben, nähren sich Zweifel an der Leistungsfähigkeit unseres Gemeinwesens. Das geht auf Kosten unserer Demokratie. Solchen Zweifeln musste ich leider kürzlich selbst begegnen. In meinem Wahlkreis gibt es am Wikingeck in Schleswig eine Umweltverschmutzung in der Bundeswasserstraße Schlei, die – da sind wir uns alle einig – beseitigt werden muss. ({1}) Ausführend ist der Landkreis, also eine Behörde, die nah an den Alltagsproblemen der Menschen dran ist. Aber obwohl man das Projekt dort mit viel Energie betreibt, kommt es seit Jahren nicht voran. Es gibt nämlich ein Hin und Her, ein Heckmeck und keine Klarheit über die Finanzierung zwischen Bund, Land, Kreis und Stadt. Bei uns in Schleswig versteht das keiner. Man fühlt sich hingehalten, ignoriert und nicht gehört. Man hat den Eindruck, dass Berlin die Probleme vor Ort nicht ernst nimmt, selbst dann nicht, wenn sie im wahrsten Sinne des Wortes giftig sind. ({2}) Auch das ist mit Kosten für unsere Demokratie verbunden, die wir vermeiden sollten. Deshalb, Herr Minister Wissing, packen Sie es an! Vielen Dank. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Dr. Holger Becker für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Holger Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005021, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Kennen Sie das, wenn man abends im Bett liegt und partout das Gefühl nicht loswird, dass man irgendetwas Wichtiges vergessen hat? Man kommt einfach nicht darauf, was es gewesen sein könnte, und denkt sich: Na ja, wenn es wirklich wichtig war, dann fällt mir das bestimmt schon wieder ein. – So ungefähr stelle ich mir die Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion in den letzten Jahren vor, in denen sie eigentlich die Digitalisierung voranbringen wollten, ({0}) es aber dann anscheinend irgendwie immer vergessen haben. Wir machen das anders. Das sieht man unter anderem daran, dass sich für das kommende Jahr im vorgelegten Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur die Ausgaben für die digitale Infrastruktur mehr als verdoppeln, nämlich von knapp 450 Millionen Euro auf über 1 Milliarde Euro. Die Ausgaben für die Umsetzung der Nationalen Digitalpolitik verdreifachen sich sogar. Und auch im Bereich „digitale Innovationen“ ist der Gesamtetat angestiegen, zum Beispiel für die Forschung und Anwendung der künstlichen Intelligenz. Denn unsere Fortschrittskoalition weiß, dass die Digitalisierung eben nicht einfach irgendein weiteres Projekt ist, sondern sie ist das Projekt, ({1}) das Projekt, welches uns in allen Bereichen voranbringt, wettbewerbsfähig hält und zu einem inklusiven und modernen Staat macht. Dabei ist es ganz wichtig, immer im Blick zu behalten, dass Digitalisierung nicht nur ein Schlüsselthema ist, sondern eine Querschnittsaufgabe. Deswegen haben wir die Mittel für die Digitalisierung nicht nur im Haushalt des BMVI erhöht, sondern auch in den Haushalten des BMWK und des BMBF. Denn diese Koalition weiß, dass wir an einem ganz kritischen Punkt stehen. Erlauben Sie mir an dieser Stelle als jemand, der einerseits neu im Parlament ist und andererseits 25 Jahre Industrieerfahrung beim Aufsetzen komplexer Projekte mitbringt, eine Anmerkung: Wie die letzten Jahre verdeutlicht haben, stoßen wir bei dem Thema Digitalisierung immer wieder an die Grenzen unserer derzeitigen administrativen Organisationsformen. Auch wenn ich glaube, dass wir in der derzeitigen interministeriellen Zusammenarbeit versuchen, das Beste bei diesem Thema herauszuholen, schränken wir uns doch immer wieder durch die jahrzehntelang gewachsenen Verwaltungsstrukturen selbst ein. Ich vermisse in diesem Bereich sehr deutliche disruptive Innovationen jenseits einer Matrixorganisation. Darüber sollten wir uns auch in diesem Haus Gedanken machen, wobei auch die Idee eines allumfassenden Digitalministeriums, wie es zum Beispiel in Taiwan geschaffen worden ist, kein Allheilmittel zu sein scheint. Die Digitalisierung durchdringt all unsere Prozesse, und ich würde mir wünschen, dass wir uns dabei deutlich mehr im Bereich Entbürokratisierung zutrauen. ({2}) Denn wie schon im Koalitionsvertrag erkannt wurde, „verändert die Digitalisierung die Art und Weise, wie wir wirtschaften, arbeiten und miteinander kommunizieren“. Mit der vorgelegten Digitalstrategie haben wir einen guten Anfang gemacht, und auch der vorgeschlagene Bundeshaushalt für 2023 führt auf den richtigen Weg. Nun wäre es an der Zeit, tiefgreifende Prozessinnovationen anzustoßen. Vielen Dank. ({3})

Uwe Feiler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004271, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst auch von meiner Fraktion gute Besserung an die Bundesministerin. Sie hat lange darauf verwiesen, dass man in so kurzer Zeit keine großen Veränderungen im Umweltetat vornehmen könne, und den Haushalt der letzten unionsgeführten Regierung deshalb fortgeführt. Bei jeglichen Fehlern der Ampel nun auf die Regierungszeit der Union zu verweisen, ist inzwischen aber nicht mehr als eine Plattitüde, liebe Ampelkoalition. Fatale Fehler und falsche Entscheidungen wurden nicht in den letzten 16 Jahren, sondern in den Wochen und Monaten nach dem 24. Februar 2022 begangen, Stichworte: Energiesicherheit, Inflation und Atomdebatte. ({0}) Das zeigt sich auch im Einzelplan 16. Um es mit Worten aus dem Fußball zu sagen: Die Aufgabenzeit für Bundesministerin Lemke ist vorbei. Sie bewegt sich in Richtung Halbzeitpause und hatte noch keine klare und zwingende Aktion vor dem Tor. Meine Damen und Herren, so gewinnt man kein Spiel. ({1}) Der uns nun vorliegende Haushaltsentwurf 2023 für den Einzelplan 16 ist zumindest ein kleiner Lichtblick. Denn im Gegensatz zum wenig ambitionierten ersten Regierungsentwurf haben die Ampelfraktionen fast alle unsere Vorschläge während der Haushaltsberatung in ihren eigenen Anträgen übernommen. Das hätten Sie auch einfacher haben können. Immerhin haben Sie damit eingestanden, dass wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion gute und wirkungsvolle Oppositionsarbeit leisten. ({2}) Keine transparente Arbeit leistet das BMUV beim Klima- und Transformationsfonds des Bundes und bei der Internationalen Klimaschutzinitiative. Eine teilweise Titelbewirtschaftung aus einem anderen Einzelplan seitens des BMUV, insbesondere in einer Größenordnung von zusammen fast 900 Millionen Euro, halte ich für sehr kritisch. Diese Form der Mittelbewirtschaftung verstößt gegen die Grundsätze von Haushaltswahrheit und ‑klarheit. ({3}) Leider ist das von Bundesministerin Lemke angekündigte transparente Vorgehen bisher nicht festzustellen. Eine Konkretisierung, wofür das Geld im Einzelnen verwendet werden soll, wofür es gebraucht wird, ist daher dringend erforderlich. Ein großes Problem sehen wir beim nationalen Meeresschutz, insbesondere bei den Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee. Im Koalitionsvertrag der Ampelfraktionen wurde groß und medienwirksam angekündigt, für die Bergung und Vernichtung von Munitionsaltlasten in der Nord- und Ostsee ein Sofortprogramm aufzulegen ({4}) sowie einen Bund-Länder-Fonds für die mittel- und langfristige Bergung einzurichten und solide zu finanzieren. Warum im ersten Regierungsentwurf nur 22 Millionen Euro für den nationalen Meeresschutz vorgesehen waren, obwohl eine mobile Plattform zur Bergung dieser Munition mindestens 100 Millionen Euro kostet, ist mir bis heute unerklärlich. ({5}) Unserem gegenfinanzierten Antrag, diesen Betrag bereits im Jahr 2023 in den Bundeshaushalt einzustellen, damit die Bergung der Munition schnellstmöglich stattfinden kann, wurde bedauerlicherweise nicht zugestimmt. ({6}) Immerhin ist man unserer Einschätzung gefolgt und hat entsprechende Gelder für die Folgejahre vorgesehen. Jetzt darf es nicht mehr nur bei Lippenbekenntnissen bleiben, jetzt muss gehandelt werden. Aber nicht nur die Rüstungsaltlasten im Meer stellen eine Gefahr für die Umwelt dar, auch die rostenden Bomben an Land sind eine Gefahr für den Boden und für unser Grundwasser. Hierbei jedes Mal zu behaupten, es sei im Umweltetat an der falschen Stelle im Haushalt verortet, da es sich lediglich um Gefahrenabwehr handele, greift viel zu kurz, liebe Ampelkoalition. ({7}) Oder wie erklären Sie sich, dass der Bund ohne vorherige Absprache mit den dafür zuständigen Ländern Gelder für die Bergung der Munitionsaltlasten im Meer bereitstellt, nicht aber für den nationalen Bodenschutz? Die Gefahr für die Umwelt und letztlich auch für uns Menschen ist in beiden Bereichen immens. Unser Antrag, 18 Millionen Euro für den Bodenschutz bereitzustellen, ist ein Anfang, um gemeinsam mit den Ländern schnell und effektiv tätig werden zu können. ({8}) Für Verwunderung sorgte bei mir die Kürzung der Förderung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel um knapp 15 Millionen Euro. Verstärkt auftretende Wetterextreme sind in der Bundesrepublik bereits spürbar und stellen Menschen, Natur sowie Infrastruktur vor große Herausforderungen. ({9}) Daher haben wir beantragt, diese Mittel zumindest auf dem Niveau von 2022 zu belassen. Dass wir als Union einen solchen Antrag stellen mussten, um eine Kürzung von 15 Millionen Euro zu verhindern, zeigt auch die schlechte Prioritätensetzung dieser Regierung im Umweltetat. Immerhin folgte der Haushaltsausschuss unserem Ansinnen und hat daraufhin einen eigenen Antrag gestellt, um diesen Mittelansatz zu verstetigen. Bei der Vernässung von Moorböden im Rahmen der Nationalen Moorschutzstrategie stehe ich aufseiten des Ministeriums und finde die Vorgehensweise richtig, dass den Landwirten als Nutzern der Flächen finanzielle Anreize geboten werden. „Freiwilligkeit“ und „Kooperation“ sind hierbei allerdings die Stichwörter. Unsere Landwirte brauchen für ihren Betrieb eine dauerhafte wirtschaftliche Perspektive und Planungssicherheit. Das Prinzip der Freiwilligkeit muss zum Maßstab aller Maßnahmen zur Umsetzung der Strategie gemacht werden und es auch bleiben. Dass das der Koalitionspartner, die Grünen, auch so sieht, bezweifle ich allerdings ein Stück weit. Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Unsere Landwirte brauchen, wie schon gesagt, Planungssicherheit. Eine geplante Wiedervernässung wird nicht nur einzelne landwirtschaftliche Flächen betreffen, sondern ganze Bereiche, Dörfer und ländliche Regionen. Das will wohldurchdacht sein. Wir hätten dazu gerne in Kürze etwas Näheres aus dem Ministerium. Vielen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ein kleiner Hinweis: Die Ankündigung des Schlusspunktes ersetzt diesen nicht. Ich gehe davon aus, dass nicht nur ich, sondern auch die nachfolgende Kollegin Magwas darauf achten wird, dass wir das in den Fraktionen entsprechend ausgleichen. Das Wort hat der Kollege Dr. Sebastian Schäfer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Sebastian Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005201, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe ja, dass in der Union der Phantomschmerz groß ist, wenn man nicht mehr regiert. ({0}) Aber entscheidend ist aufm Platz. Sie sollen mich ja verstehen; ich bleibe gerne bei Ihrem Fußballbild. Entscheidend ist, was das Parlament aus dem Entwurf der Regierung macht. Darüber reden wir heute und nicht mehr über den Entwurf. ({1}) Wir haben diesen Entwurf im Haushaltsverfahren nochmals deutlich verbessert und einen besonderen Schwerpunkt beim Meeres- und Naturschutz gesetzt; hier übernehmen wir entschieden mehr Verantwortung. ({2}) So können wir das Sofortprogramm Munitionsaltlasten jetzt mit 100 Millionen Euro ausfinanzieren. Wir stellen die Summe, die wir für dieses weltweit einzigartige Pilotprojekt brauchen, vollständig zur Verfügung. ({3}) Mit einer schwimmenden Verbrennungsplattform ermöglichen wir die sichere Vernichtung von tonnenweise Munition, die vor unseren Küsten liegt; das ist wichtig für die marinen Ökosysteme, den Tourismus, die Sicherheit der Schifffahrt und von Offshoreprojekten. Der Zeitplan ist sehr konkret: Ziel ist es, die Verträge in 2023 abzuschließen. Die Regierung hat gerade in der Nordsee gezeigt, wie schnell Bauvorhaben fertiggestellt werden können, wenn der politische Wille da ist, und das werden wir jetzt auch beim Meeresschutz unterstreichen. ({4}) Insgesamt werden die Mittel für den Naturschutz deutlich erhöht. Auch für den bisher sträflich vernachlässigten natürlichen Klimaschutz werden erhebliche Mittel zur Verfügung stellt. Sie haben die Anpassung an den Klimawandel angesprochen. Die Formulierung „Anpassung“ ist ja echter Euphemismus; denn an manche Wetterextreme, die durch die Krise beim Klima viel häufiger auftreten, kann man sich nicht anpassen. Wir brauchen aber zwingend eine widerstandsfähigere Infrastruktur, und das Ministerium bereitet hierzu ja auch ein Gesetz vor. Je nach Region hat der Klimawandel sehr unterschiedliche Auswirkungen. Wir sehen, dass in Deutschland an vielen Orten Hitze und Dürre immer stärker zunehmen. Nicht nur bei mir daheim im Stuttgarter Kessel war es in diesem Sommer oft unerträglich heiß. Gerade der ältere Teil unserer Gesellschaft leidet darunter massiv. Wir haben in diesem Hitzesommer 4 500 Hitzetote zu beklagen – in unserem Land, das in einer Klimazone liegt, die eigentlich als gemäßigt gilt. Der Bund stellt jetzt noch mal Mittel zur Verfügung, um in einem sinnvollen Rahmen für die regionale Organisation und Umsetzung durch Kommunen und soziale Einrichtungen zu sorgen – ein ganz wichtiges Programm. ({5}) Wir haben im parlamentarischen Verfahren auch auf das Fischsterben in der Oder reagiert, die große Umweltkatastrophe, die diesen Sommer prägte. Wir werden dafür sorgen, dass im Bundesnaturschutzfonds ein Förderschwerpunkt bei der Renaturierung der Oder gesetzt werden kann; ({6}) damit können wir die Wasserökologie deutlich resilienter machen. Die Ampel setzt Schwerpunkte da, wo sie notwendig sind, und die Ampel spart da, wo es möglich ist. So setzen wir mit dem Haushaltsgesetz eine pauschale Stellenstreichung von 1,6 Prozent um – eine deutliche Erhöhung im Vergleich zur Vergangenheit. Wie immer sind davon die Sicherheitsbehörden, die Bundespolizei oder der Zoll, ausgenommen. Jetzt nehmen wir von der Stellenstreichung auch die Bundesnetzagentur, das Umweltbundesamt und das Bundesamt für Naturschutz aus; die Energienetze, das Klima, die Natur sind systemrelevant, das ist kritische Infrastruktur, ({7}) die überlebensnotwendig ist. – So entsteht ein Bundeshaushalt auf der Höhe der Zeit. Herzlichen Dank. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Vielen Dank. – Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgang Wiehle für die AfD-Fraktion. ({0})

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Grüne Politik muss man sich leisten können. Sie hilft zwar manchen dabei, sich als besonders gute Menschen zu fühlen; aber sie führt zugleich zu wirtschaftlichem Rückschritt. Gerade die Energiepolitik der Fraktion der Ministerin liefert das beste Beispiel dafür. Der Ausstieg aus der Kernenergie, den Ihre Ideologie befiehlt, verschärft den Mangel im Stromnetz. ({0}) Zugleich verbaut er den Weg in die Zukunft. Neue, sichere Reaktoren der vierten Generation könnten Reststoffe für die Stromerzeugung nutzen, und das Ministerium Lemke könnte sich bei der mühsamen Suche nach einem Endlager viel Arbeit sparen. ({1}) Durch Ihre Ausstiegspolitik steigt auch der Strompreis immer höher. Der von Deutschland gehaltene schändliche Weltrekord in dieser Disziplin nähert sich einem Durchschnitt von 60 Cent pro Kilowattstunde. Als Ersatz wollen Sie große Teile unseres Landes mit Windrädern zupflastern. Diese Rotoren schaden den Menschen, die in ihrer Nähe leben müssen, und sie führen zum Tod von Millionen Vögeln und Insekten. ({2}) Als Lösung dafür haben Sie zwar den Menschen nichts zu bieten; aber immerhin gibt es in Ihrem Haushalt nun für die Tiere 14 Millionen Euro für ein sogenanntes Artenhilfsprogramm. Kein einziges Tier – kein Adler, keine Eule, keine Fledermaus – wird davon aber wieder lebendig. Dieses Programm ist, mit Verlaub, nicht viel mehr als ein Ablasshandel. ({3}) So können sich viele Grüne trotz der gewaltigen Naturzerstörung durch die Windindustrie offenbar immer noch gut fühlen. ({4}) Das Bundesumweltministerium müsste an der Spitze der Bewegung stehen, die hier lautstark Einspruch erhebt. ({5}) Wer wie wir von der AfD Deutschland und seine Naturschönheiten wirklich liebt, würde eine solche Barbarei niemals zulassen. ({6}) Kleine, wünschenswerte Verbesserungen am Umweltetat können den Gesamteindruck kaum verbessern. Dass es mehr Geld geben wird, um Munitionsaltlasten im Meer zu beseitigen, begrüßt die AfD-Fraktion ausdrücklich. ({7}) Wir unterstützen auch die Forderung nach einem ergänzenden Bodenschutzprogramm. Dass die Zuschüsse für die Anpassung an den Klimawandel nun doch nicht gekürzt werden, zeugt von einem Funken Realitätssinn. Dennoch wird die Regierungspolitik im Ganzen von der völlig abgehobenen Vorstellung geleitet, dass Deutschland mit Selbstkasteiung das Weltklima retten könnte. Die mit geradezu manischer Entschlossenheit betriebene Energiewende leitet sich aus dieser Vorstellung ab. Sie ist ein mächtiger Antreiber der stärksten Inflation seit Jahrzehnten. Auch das beweist: Die grüne Politik sorgt für wirtschaftlichen Rückschritt. ({8}) Sie zwingen damit viele Bürger gerade dazu, für das Heizen auf den nachwachsenden Rohstoff Holz zurückzugreifen. Ich wiederhole an dieser Stelle die Aufforderung an die Regierung, die Bürger über das richtige Heizen mit Holz zu informieren, aber mit Schikanen gegen Holzfeuerung endlich aufzuhören. ({9}) Ja, grüne Politik müsste man sich leisten können. Die Beispiele zeigen, wie diese Politik aber in die völlig falsche Richtung führt. Die AfD-Fraktion wird diesen Haushalt ablehnen. ({10}) Denn wir erkennen klar: Deutschland kann sich eine solche Politik nicht leisten. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Michael Thews das Wort. ({0})

Michael Thews (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Den Klimawandel und das Artensterben zu stoppen, sind zwei der größten Herausforderungen unserer Zeit, Herausforderungen, die so grundlegend sind, dass wir ihnen nur mit einer nachhaltigen Veränderung unserer Lebensweise und nachhaltigen Veränderungen bei der Produktion und bei der Energieversorgung begegnen können. Nach Berechnung des Weltressourcenrates der Vereinten Nationen sind rund die Hälfte der globalen Treibhausgasemissionen sowie 90 Prozent des Biodiversitätsverlustes und der Wasserknappheit auf die Gewinnung und Verarbeitung von Ressourcen für Dinge, die wir tagtäglich nutzen, zurückzuführen. Den Verbrauch von Primärressourcen wie Metallerzen, Öl, Kohle und Gas, Holz und Wasser müssen wir deutlich reduzieren; sonst zerstören wir lebenswichtige Naturlandschaften. Eine Kreislaufwirtschaft in allen Bereichen im Großen und im Kleinen muss das Ziel sein. Wir können es uns nicht leisten, immer mehr Ökosysteme zu zerstören oder zu beschädigen; denn wir brauchen sie im Kampf gegen den Klimawandel, aber auch im Kampf gegen das Artensterben. Naturschutz ist Klimaschutz. Kreislaufwirtschaft ist Klimaschutz. Deswegen ist dieser Haushalt von besonderer Bedeutung. ({0}) Meine Berichterstatterkollegen Sebastian Schäfer und Frank Schäffler und ich haben jetzt gut elf Wochen über den Regierungsentwurf für den Haushalt des Umweltministeriums diskutiert. Bei diesen Diskussionen ging es auch immer um den Schutz der Arten, der Biodiversität, des Klimas und der Natur. Wir haben verhandelt – wir haben übrigens nie gestritten, das finde ich an dieser Stelle auch noch mal wichtig zu betonen –, haben verschiedene Optionen überlegt, mit Fachleuten gesprochen und uns schließlich auf diesen, wie ich finde, guten Entwurf geeinigt. Bei den Projekten, die der SPD von Anfang an wichtig waren, konnten wir zu einer guten Einigung finden. Dafür möchte ich mich auch bei meinen Kollegen noch mal herzlich bedanken. ({1}) So haben wir rund 44 Millionen Euro mehr für die Bergung der Munitionsaltlasten eingestellt. Vor elf Wochen habe ich an dieser Stelle noch darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass wir endlich und schnell mit der Bergung der Munitionsaltlasten aus Nord- und Ostsee beginnen. Mit rund 100 Millionen Euro, für die wir gekämpft haben, werden wir das jetzt ermöglichen. 1,6 Millionen Tonnen gefährliche Munition liegen auf dem Meeresgrund. Sie stellen eine potenzielle und leider zum Teil auch schon akute Gefahr für Mensch und Natur dar, die wir so schnell wie möglich in den Griff bekommen müssen. Wir können jetzt mit dem Bau einer schwimmenden mobilen Plattform beginnen, von der aus Munition geborgen und schadlos entsorgt werden kann. Mit dieser Technik wären wir gleichzeitig Vorreiter in der Welt und könnten derartige Plattformen und diese Technik vermutlich auch exportieren; denn leider werden sie auch in anderen Teilen der Welt benötigt. Viele Erkenntnisse hat auch die Veranstaltung mit vielen Experten und der Kollegin Bettina Hagedorn in Haffkrug gebracht, an der ich teilnehmen durfte. Vielen Dank für diesen wichtigen Austausch. ({2}) Ich bin nun zuversichtlich, dass wir im nächsten Jahr schon eine konkrete Zeitplanung haben und Ende 2023 die notwendigen Verträge zur technischen Umsetzung der Bergung geschlossen sein werden. Wer in Deutschland über wenig Einkommen verfügt, steht momentan wegen der hohen Preise aufgrund der Pandemie und des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine besonders unter Druck und braucht gegebenenfalls unabhängige Beratung. Auf unsere Initiative hin konnten wir das Fördervolumen für die Stärkung von verschuldeten Verbraucherinnen und Verbrauchern um insgesamt 4 Millionen Euro für die nächsten Jahre aufstocken. Schon jetzt gelten rund 7 Millionen Verbraucher/-innen als überschuldet. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns auch von Bundesseite stärker damit beschäftigen. Wir konnten erreichen, dass zusätzliche Mittel für die Weiterentwicklung der Verbraucherforschung bereitgestellt werden können. ({3}) Die Verbraucherperspektive, der Schutz der Verbraucher/-innen müssen in dieser Gesellschaft stärker berücksichtigt werden. Verbraucherforschung muss sie eng begleiten. ({4}) Viele Änderungen haben wir auch für den Naturschutz erreicht. Hier geht es nicht um mehr Geld. Der Bundesnaturschutzfonds ist mit rund 244 Millionen Euro für die nächsten Jahre zufriedenstellend ausgestattet. Unsere Änderungen bewirken hoffentlich, dass diese Gelder noch sinnvoller eingesetzt werden können als bisher. Wir haben dafür gesorgt, dass in bestimmten Programmen, die in diesem Titel untergebracht werden, wie zum Beispiel bei der Förderung der Renaturierung der Auen und dem Bundesprogramm Biologische Vielfalt, der Eigenmittelanteil für die Antragsteller auf 10 Prozent herabgesetzt wird. Außerdem werden die Antragsformulare einfacher gestaltet. Der zu hohe Eigenanteil und die oftmals zu komplexen Antragsvoraussetzungen haben mit dazu geführt, dass die Gelder von den Antragstellern nicht in Anspruch genommen werden konnten und deshalb zum Teil große Reste im Haushalt verblieben. Wir haben Gespräche mit den Antragstellern geführt, und ich gehe davon aus, dass die Änderungen dazu beitragen können, dass diese Gelder jetzt tatsächlich für die dringend notwendigen Maßnahmen für den Naturschutz eingesetzt werden. ({5}) Mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz werden wir den Klimaschutz in den kommunalen Gebieten im ländlichen Raum besonders voranbringen. Natürlicher Klimaschutz bedeutet, unsere Wälder, Auen, Gewässer, Meere, Grünflächen, Böden zu renaturieren, zu stabilisieren und zu schützen. Denn diese leider oft vernachlässigten Ökosysteme sind ein wichtiger Faktor beim Klimaschutz, bei der Klimaanpassung und bei dem Schutz der Biodiversität. Gesunde und stabile Ökosysteme können in der Atmosphäre vorhandenes Kohlendioxid binden und speichern, gesunde Böden speichern Regenwasser, Auen halten Wasser zurück, gesunde Wälder kühlen, und natürlich sind diese Ökosysteme als Lebensraum entscheidend für den Erhalt der Arten. Wir stellen 100 Millionen Euro für die Jahre 2022 bis 2026 für den natürlichen Klimaschutz besonders in den kommunalen Gebieten im ländlichen Raum zur Verfügung. Die Förderrichtlinie soll noch in diesem Jahr kommen und der Förderaufruf Anfang nächsten Jahres gestartet werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir durch dieses Programm und diese Gelder Verbesserungen für den Klimaschutz, die Klimaanpassung, den Schutz der Arten und die Lebensqualität in unseren Kommunen schaffen. Und das ist natürlich genau das, was wir mit den Geldern im Einzelplan 16 erreichen wollen. ({6}) Meine Damen und Herren, es ist die Aufgabe von uns Parlamentariern im Haushaltsausschuss, uns die Haushaltsentwürfe der Regierung genau anzusehen und dort, wo möglich und notwendig, miteinander für bessere Lösungen zu kämpfen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir heute einen guten Entwurf für den Haushalt des Ministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz verabschieden. In diesem Sinne: Vielen Dank. ({7})

Amira Mohamed Ali (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004823, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass der Etat im Bereich Umwelt und Naturschutz erhöht wurde. Es gibt auch einige gute Vorhaben, zum Beispiel „Reparieren statt Wegwerfen“, mehr Recycling. Das ist sehr vernünftig. In anderen Bereichen sieht es aber leider düster aus, zum Beispiel beim Verbraucherschutz. Hier gibt es immer noch viel zu wenig Mittel, und das geht so nicht, Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Verbraucherinnen und Verbraucher sind zunehmend mit unlauteren Geschäftspraktiken konfrontiert. Der Wust an Informationen wird immer größer. Kaum einer blickt da noch durch, gerade im Internet. Ständig soll man Cookies, Datentracking, seitenweise Allgemeine Geschäftsbedingungen akzeptieren. Was man da akzeptiert, versteht fast niemand. Und Unternehmen nutzen das immer wieder aus, um die Leute über den Tisch zu ziehen. Verbraucherinformationen müssen kurz, allgemein verständlich und leicht zugänglich sein. ({1}) Aber das Gegenteil ist leider die Regel. Die Ampel glaubt ernsthaft, diesem wachsenden Problem mit gerade mal 100 000 Euro mehr für Verbraucherforschung Einhalt gebieten zu können. Wie soll das denn gehen? ({2}) Klar ist doch: Nur wenn alle ihre Rechte kennen, gibt es überhaupt die Chance auf ein faires Gleichgewicht zwischen Verbraucher- und Unternehmensinteressen. Genau das muss doch das Ziel sein, Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Seine Rechte zu kennen, ist das eine, sie durchzusetzen, ist das andere. Dazu braucht man gute Beratung und starke Partner, zum Beispiel die Verbraucherzentralen. Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter prüfen Strom- und Heizkostenabrechnungen, decken unlautere Geschäftspraktiken auf, beraten und begleiten die Verbraucher in allen Belangen. Sie leisten hervorragende Arbeit. Ich frage mich: Warum machen Sie es diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach wie vor so schwer, ihre wichtige Aufgabe zu erfüllen? Warum statten Sie die Verbraucherzentrale nicht endlich mit den nötigen Mitteln aus? Das muss doch endlich passieren; denn der Bedarf ist riesig. Allein im Energiebereich: Die Beschwerden zu Stromrechnungen haben sich in diesem Jahr verdreifacht. Zu Gasversorgern gab es in diesem Jahr sogar siebenmal mehr Beschwerden. Denn ja, es gibt Energieanbieter, die sich mit unlauteren Methoden an der Krise weiter bereichern wollen. Da werden unrechtmäßige Kündigungen ausgesprochen, die Kunden werden in teure Neuverträge gequatscht oder genötigt, oder man schlägt einfach direkt mal noch einen Zuschlag auf die ohnehin schon viel zu hohen Preise drauf. Damit Menschen davor geschützt werden, braucht es mehr Personal in den Verbraucherzentralen. So ist es nun mal. ({4}) Ihre Antwort ist: Gerade mal 2 Millionen Euro mehr als vor der Energiekrise bekommt die Verbraucherzentrale Bundesverband. Das Doppelte wäre nötig. Die Verbraucherzentrale fordert das zu Recht. Und was sie hier fordert, ist übrigens gerade mal so viel, wie ein halber Leopard-2-Panzer kostet, nur mal so zum Vergleich. Man könnte den Eindruck gewinnen, Sie wollen gar nicht, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher zu ihrem Recht kommen. ({5}) Auch hier habe ich ein Beispiel: Im nächsten Jahr kommt endlich die Verbraucherverbandsklage. Sie wird es Verbänden ermöglichen, stellvertretend für eine Vielzahl von Geschädigten Klagen zu führen, und die Geschädigten werden dann auch direkt entschädigt. Wenn jetzt zum Beispiel die Verbraucherzentrale gegen eine Bank klagt, die überhöhte Kontogebühren erhoben hat, dann muss die Bank nach einem entsprechenden Urteil die zu hohen Gebühren direkt an die Kunden zurückzahlen. Sie wissen ganz genau, dass diese wirklich sinnvolle neue Klagemöglichkeit, die richtig viel bringen könnte, bloß ein Papiertiger bleibt, wenn die Verbraucherzentralen nicht genug Leute haben, um diese Klagen auch führen zu können. So bleibt eben Betrug und Abzocke weiterhin Tür und Tor geöffnet. Das geht so nicht, Kolleginnen und Kollegen. ({6}) Was auch nicht geht, ist, dass Sie die vielen Menschen weiter im Regen stehen lassen, denen jetzt aufgrund der heute so hohen Lebenshaltungskosten Überschuldung droht. Sie sind nicht mal bereit, hier das Mindeste zu tun, was notwendig wäre, nämlich das Recht auf kompetente und schnelle Schuldnerberatung zu realisieren. ({7}) Die Schuldnerberatungsstellen sind weiter unterfinanziert und deshalb überlastet. Wer da Auskunft möchte, muss oft monatelang auf einen Termin warten. Oft ist es dann zu spät. Das geht so nicht. ({8}) – Frau Kollegin Skudelny, es ist leider so. Wir wissen, dass eine Welle von Überschuldungen auf uns zurollt. Experten rechnen damit, dass in 2023 fast jeder fünfte Haushalt Zahlungsschwierigkeiten haben wird – jeder fünfte Haushalt! Wir als Linke haben ausgerechnet, was es für eine flächendeckende, kostenlose und schnelle Schuldnerberatung bräuchte. Es bräuchte 25 Millionen Euro. Aber Sie erhöhen den Etat gerade mal um einen halben Leopard-2-Panzer, nämlich um 2 Millionen Euro. Kolleginnen und Kollegen, das reicht nicht; das sind Tropfen auf heiße Steine. Das ist eine Frechheit! ({9}) Vor diesem Hintergrund – auch das möchte ich noch sagen – finde ich es wirklich unerträglich, dass Sie unseren Antrag zum Verbot von Strom- und Gassperren abgelehnt haben. Es droht Hunderttausenden Haushalten in diesem Winter eine kalte Zeit und Dunkelheit in der Wohnung. Ich werde nicht müde, das hier zu sagen: Es ist ihre Pflicht, das zu verhindern. ({10}) Es reicht eben nicht, sich immer nur hinzustellen und „You’ll never walk alone“ zu sagen; man muss auch danach handeln. Das wäre wirklich das Allermindeste. Verbieten Sie Strom- und Gassperren! Danke schön. ({11})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Frank Schäffler. ({0})

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich auf drei Bereiche konzentrieren: Der erste Bereich ist schon angesprochen worden; das ist das Thema Munitionsaltlasten. Das ist sicherlich ein großes und wichtiges Thema. Es ist nicht nur eine große ökologische Katastrophe, wenn Tausende von Tonnen Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee vor sich hin rosten, sondern es ist natürlich auch eine große ökonomische Herausforderung. Denn die Meere werden ja auch genutzt, um Energie zu erzeugen, indem man Windkraftanlagen errichtet usw.; Seeschifffahrt findet statt. Das heißt, es ist auch eine Gefahr für unseren Wirtschaftsstandort. Deshalb ist es richtig, dass wir mit diesem Haushaltsentwurf erstmals die Grundlage dafür schaffen, dass wirklich etwas passiert. Wir hatten ja vorher schon einen Haushaltstitel geschaffen. Der hat uns aber nicht ermöglicht, das zu machen, was wir jetzt tun, nämlich dafür zu sorgen, dass die schwimmende Plattform tatsächlich auch ausgeschrieben werden kann. Denn dafür war die Voraussetzung, dass wir auch die notwendigen Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 72 Millionen Euro bereitstellen. Jetzt sind wir in der Lage, dieses Thema auch wirklich anzugehen. Damit das jetzt auch wirklich funktioniert und das Ministerium entsprechend tätig wird, haben wir das noch mit einem Maßgabebeschluss unterlegt und das Ministerium aufgefordert, hier bis zum 30. Juni 2023 entsprechend tätig zu werden und diese Anlage auszuschreiben. Das ist aber nur die eine Seite. Die andere Seite ist: Die Ausschreibung führt ja noch nicht automatisch dazu, dass dann auch alles andere geregelt wird. Man muss ja auch fragen: Wer betreibt diese Anlage? Was passiert eigentlich im Verlauf? Wer trägt dafür die Kosten? Da, meine ich, darf man die Länder nicht völlig aus der Verantwortung entlassen. Natürlich ist der Bund außerhalb der 12-Meilen-Zone verantwortlich; aber innerhalb der 12-Meilen-Zone sind erst mal die Länder verantwortlich. Deshalb, meine ich, muss es auch Verhandlungen mit den Ländern geben, was die Kostenbeteiligung an der Stelle betrifft. Denn die Länder stehen finanziell besser da als der Bund; deshalb müssen die Länder an der Stelle auch tätig werden. Deshalb, Herr Kollege Feiler, ist es eigentlich ein falscher Move, zu sagen: Das machen wir jetzt auch an Land; wir haben es ja als Bund. ({0}) – Natürlich gibt es einen; das habe ich doch gerade erklärt. ({1}) – Genau, und außerhalb der 12-Meilen-Zone ist der Bund zuständig; das ist der Unterschied. Und auf Landesebene ist es eben eine klassische Aufgabe der Bundesländer, dieses Thema für sich zu bewältigen; da können die doch tätig werden. Ich glaube nicht, dass das eine Aufgabe ist, in die der Bund im Rahmen einer Mischfinanzierung zusätzlich hineingehen sollte. ({2}) Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage. Wir sollten aufpassen, dass wir nicht immer mehr Aufgaben auf Bundesebene im Rahmen einer Mischfinanzierung finanzieren, sondern das ist eine klassische Aufgabe, die die Länder vollziehen sollen. Ich will sagen, dass wir als FDP in diesem Haushalt auch die Blockchain-Forschung im Umweltetat etabliert haben, weil wir glauben, dass auch die Gefahrgutabwicklung sehr gut mit der Blockchain-Technologie verbunden werden kann, wenn es darum geht, die Gefahrgutabwicklung rückzuverfolgen, auch dauerhaft rückzuverfolgen. Vor allem kann sie im Rahmen von Smart Contracts automatisch zu einem Bezahlvorgang führen. Ich glaube, das ist etwas, mit dem sich die Ministerien in diesem Haushalt aktiver beschäftigen sollten. Denn das wird am Ende Bürokratie abbauen und gleichzeitig zu mehr Rechtssicherheit auf beiden Seiten beitragen. Abschließend möchte ich noch sagen, dass es entscheidend ist, wenn wir über das Thema „Energieversorgung in Deutschland“, über das wir gerade schon diskutiert haben, sprechen, dass wir mit Blick auf die Angebotsseite auch wieder stärker darüber diskutieren müssen, fossile Energien durch Kernkraftwerke zu ersetzen. Ich glaube, das ist etwas, was auch der Umwelt zusätzlich dient. ({3}) Wenn wir unsere drei Kernkraftwerke weiterlaufen lassen würden, dann könnten wir alleine in Deutschland 5,2 Millionen Tonnen CO2 einsparen. ({4}) Würden wir die drei bereits abgeschalteten Kernkraftwerke wieder ans Netz nehmen, dann könnten wir 10,4 Millionen Tonnen CO2 einsparen. ({5}) Ich glaube, das sollten wir aus Umweltgründen tun; wir sollten es aber auch aus Energiesicherheitsgründen tun. ({6}) Denn Stromausfälle können wir uns als Standort Deutschland nicht leisten. ({7}) Deshalb sollten wir alles dafür tun, dass wir das Stromangebot insgesamt erweitern. Insgesamt ist es ein zustimmungsfähiger Etat. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank. ({8})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die CDU/CSU hat das Wort Steffen Bilger. ({0})

Steffen Bilger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Haushaltsdebatte, bald ein Jahr nach Antritt dieser Bundesregierung, ({0}) bietet Gelegenheit, eine Bewertung der Arbeit der Bundesumweltministerin und der Ampelkoalition im Bereich der Umweltpolitik vorzunehmen. Viele Regierungsmitglieder sind ja zur Weltklimakonferenz gereist ({1}) und haben anschließend das unzureichende Ergebnis beklagt, und das auch völlig zu Recht. Ich will an das anknüpfen, was Kollege Schäffler gerade gesagt hat. Denn wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Glaubwürdigkeit Deutschlands beim Klimaschutz leidet, wenn diese Bundesregierung lieber Kohle verfeuert, als klimaneutrale Kernkraftwerke vorübergehend weiterlaufen zu lassen, meine Damen und Herren. ({2}) Da helfen dann auch weder die moralisch aufgeladenen Appelle, die wir da vereinzelt aus der Bundesregierung an die ganze Welt gerichtet gehört haben, noch hilft es, die frühere Greenpeace-Chefin einzubürgern, zur Staatssekretärin zu machen und für die Bundesregierung zur Weltklimakonferenz zu schicken, wenn die Bundesregierung gleichzeitig zu Hause so unglaubwürdig handelt, meine Damen und Herren. ({3}) Was könnte, was müsste die Rolle Deutschlands beim weltweiten Klimaschutz sein? ({4}) Natürlich Antreiber, auch Geldgeber für ärmere Länder und nicht zuletzt Vorbild für andere. Aber sind wir das? Nicht wirklich! ({5}) Dabei geht es nicht nur um die Frage der Kernkraft. Neue Züchtungstechnologien zur Sicherung der globalen Ernährung, synthetische Kraftstoffe für emissionsfreie Mobilität, Wasserstoffstrategie zum Erhalt des Industriestandorts unter Wahrung der Klimaziele, ({6}) CO2-Abscheidung und ‑Speicherung zur Zurückführung der Emissionen, Planungsbeschleunigung: Überall hier bremst vor allem Bundesumweltministerin Lemke, und das ist schlecht für unsere Zukunft. ({7}) Ich glaube, wenn Deutschland glaubhafter Vorreiter für einen technologiegetriebenen Klimaschutz wäre, dann bekäme der globale Klimaprozess eine ganz neue Dynamik. Friedrich Merz hat am Wochenende darauf hingewiesen, dass die klare Mehrheit der jungen Menschen sagt: Innovationen statt Verbote, um das Klima zu schützen. ({8}) Daraufhin empörte Reaktionen aus dem linken Lager – passt zu Ihren Zwischenrufen – bis hin zum Minister Lauterbach, der vom angeblichen „ewigen Warten auf Innovationen“ getwittert hat. ({9}) Dabei sind doch viele Innovationen schon da. Wir müssen sie nur endlich konsequent nutzen und nicht so behindern, wie Sie das mit Ihrem Bundesumweltministerium tun. ({10}) Wenn Deutschland derzeit etwas dringend braucht, dann ist es eine Offensive für mehr Innovation und für Investitionen in moderne Technologie. Statt für Zukunftstechnologien einzutreten, verzettelt sich diese Regierung im Hier und Jetzt, voll zulasten der Verbraucher. ({11}) Ich zitiere: Das bisherige Krisenmanagement der Regierung überzeugt nicht. So bringt es die Chefin des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, Ramona Pop, auf den Punkt. Ich zitiere weiter: Die Gaspreisbremse kommt viel zu spät. … Dabei brauchen die Verbraucher die Entlastung kurzfristig … So viel von Frau Pop. Von Ministerin Lemke als Verbraucherschutzministerin hören wir zu all dem aber kein Wort. ({12}) Deswegen wissen wir knapp ein Jahr nach Regierungsbildung: Der Verbraucherschutz hat im Umweltministerium eine schlechte neue Heimat gefunden. Es kommt aber noch schlimmer: Anstatt aktiv für eine Entlastung der Verbraucher zu kämpfen, trägt das Bundesumweltministerium zu einer weiteren Verunsicherung der Verbraucher und zur höheren Belastung bei. Ich will noch mal das Thema Kernkraft ansprechen. ({13}) Mit Ihrer Entscheidung für eine viel zu kurze Verlängerung der Laufzeiten sorgen Sie aus rein parteitaktischen Gründen, wegen Ihrer ganzen Jürgen Trittins bei den Grünen usw., dafür, ({14}) dass die Stromkosten 13 Prozent höher sind, als sie es sein könnten. Das haben Studien ergeben: 13 Prozent höhere Stromkosten ohne die Laufzeitverlängerung. Das heißt, wer 1 000 Euro Stromrechnung hat, ({15}) kann sich für 130 Euro bei Ihnen bedanken. Das sind die klaren Fakten. ({16}) Ich will ein weiteres Beispiel ansprechen, nämlich das Thema Luftreinhaltung. Wir erinnern uns ja noch alle an die Fahrverbotsdebatten vor wenigen Jahren. ({17}) Jetzt sind die Grenzwerte eingehalten, dank der Maßnahmen der Bundesregierung, auch weil sehr viel dafür investiert wurde, ({18}) dank der Anstrengung der Kommunen und auch der betroffenen Autofahrer. Und jetzt kommt die EU-Kommission mit einem neuen Vorschlag um die Ecke: Grenzwerte massiv verschärfen. ({19}) Da erwarte ich von der Umwelt- und Verbraucherschutzministerin doch, dass sie sich in diese Debatte einschaltet, ({20}) darauf hinweist, wie viel besser die Luft in Deutschland in den letzten Jahren geworden ist, was wir alles erreicht haben. Das ist doch ein Erfolg der Umweltpolitik, auf den wir gemeinsam stolz sein können. Hier geht es auch um die Glaubwürdigkeit der Politik in Deutschland und Europa. ({21}) Wenn jetzt einfach neue Grenzwerte kommen, nachdem die alten Grenzwerte erreicht sind: Neue Belastungen für Kommunen und Autofahrer wären die Folge. Da muss ich dann auch mal an die Ampel gerichtet sagen: Sie haben sich in einem Beschluss mal vorgenommen, ein Belastungsmoratorium als Maßstab für sich zu setzen, und zwar vor allem auch nach Europa gerichtet. Leider müssen wir feststellen: Deutschland ist und bleibt unter grüner Ägide ungeachtet der jeweiligen Sinnhaftigkeiten Treiber für strengere Grenzwerte, für höhere Auflagen, mehr Bürokratie, für ausufernde Kosten. Das sehen wir bei der Luftreinhaltung, das werden wir, so fürchte ich, beim Pflanzenschutz sehen, und das konnten wir bei den CO2-Flottengrenzwerten schon eindrucksvoll miterleben. Die FDP bemüht sich redlich; aber beim Verbrennerverbot war es dann nur eine relativ unverbindliche Protokollnotiz. Ich halte das alles für brandgefährlich, meine Damen und Herren; denn wenn Mobilität, Energieversorgung, industrielle Produktion oder landwirtschaftliche Erzeugung sich in Europa nicht mehr rechnen, dann schwindet auch die Akzeptanz des Umweltschutzes. Eine weltweite Vorreiterrolle durch Technologie und Innovation, das sollte Deutschlands Anspruch sein. Das Bundesumweltministerium darf hier nicht weiter der Bremser sein. ({22})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die Bundesregierung erteile ich das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär Christian Kühn. ({0})

Christian Kühn (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11004333

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nur selten in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland waren Bürgerinnen und Bürger, Verbraucherinnen und Verbraucher so sehr auf einen handlungsfähigen Staat angewiesen wie in diesen Krisenzeiten. Wir als Bundesumwelt- und ‑verbraucherschutzministerium, als Bundesregierung in der Gänze, haben umfangreiche Maßnahmen und Hilfen auf den Weg gebracht, um wirklich jeden Menschen unserer Gesellschaft gut durch diesen Winter zu bringen. Wir stellen die Energieversorgung im Land für diesen Winter sicher. Wir führen Preisbremsen bei Gas und Strom ein. Wir haben bereits einen besseren Schutz vor Kündigungen bei Energieverträgen gesetzlich umgesetzt. Wir sorgen dafür, dass niemand den Strom oder das Gas abgestellt bekommt, wenn er die Rechnung nicht bezahlen kann, und dazu werden wir diese Woche noch die Regelungen im Kabinett auf den Weg bringen. ({0}) Wir haben, wie in dieser Debatte auch schon gesagt worden ist, die Mittel der Schuldnerberatung so massiv erhöht, wie es der Bund im Rahmen seiner grundgesetzlichen Zuständigkeiten leisten kann. Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Schuldnerberatungsstellen in Deutschland wirklich bedanken; denn sie leisten in diesen Tagen einen unfassbaren Beitrag dazu, dass Menschen eben nicht in die Verschuldung rutschen. ({1}) All diese Maßnahmen werden dafür sorgen, dass wir die Auswirkungen der Inflation, der Energiepreissteigerungen und der Energiekrise auf die am stärksten betroffenen Menschen abfedern. In diesen Tagen ist eine gute Verbraucherschutzpolitik Sozialpolitik, und wir setzen sie um, meine Damen und Herren. Klar, in diesen Tagen beschäftigen wir uns viel mit der Energieversorgung. Aber wir sollten auch nicht die langfristigen Krisen aus dem Blick verlieren: die Klimakrise, das Artensterben, die Verschmutzung unserer Umwelt mit Chemikalien und Plastik. Letzte Woche war die Weltklimakonferenz. Ich will einen Punkt herausgreifen, der auch bei diesen Verhandlungen eine immense Rolle gespielt hat: Die massiven Folgen des Klimawandels sind in unserem Land längst angekommen – global verheerende Auswirkungen, die aber auch bei uns massive Auswirkungen haben. Dieser Sommer war ein Sommer der Waldbrände, der Dürre und der Hochwasserkatastrophen. Ich will Ihnen eins sagen: Wir werden mit diesem Haushalt dafür sorgen, dass 60 Millionen Euro für die Abfederung dieser Folgen darin verankert sind. Wir werden in dieser Wahlperiode ein Gesetz zur Klimaanpassung und eine Klimaanpassungsstrategie auf den Weg bringen. Damit sorgen wir vor für ein gutes Morgen in diesem Land. Die Klimaanpassung ist in diesem Haushalt verankert, und sie ist eine der Kernaufgaben unseres Hauses in diesen Tagen. ({2}) Wir werden hier nachlegen müssen. Da werden wir gemeinsam – auch an die Union gerichtet – dafür sorgen müssen, dass wir in Zukunft auch mehr Geld für die Anpassung in Deutschland auf den Weg bringen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Umweltschutzpolitik ist oft das Aufräumen und Reparieren dessen, was andere zu ihrer Zeit hinterlassen haben, auch in der Bundesregierung. Das gilt nicht nur bei den Klimafolgen, sondern eben auch bei den Munitionsaltlasten. 100 Millionen Euro sind nun im Etat vorgesehen, um die Munitionsaltlasten in Nord- und Ostsee zu bergen. Wirklich auch noch mal danke an die Berichterstatter für ihre Arbeit in den letzten Wochen! ({3}) Das gilt eben auch bei der nuklearen Sicherheit. Etwa die Hälfte des Haushalts des Bundesumweltministeriums wird dafür eingesetzt, nach dem Atomausstieg die Zwischen- und Endlagerung des radioaktiven Mülls zu gewährleisten – die Hälfte dieses Haushaltes! Angesichts dieser Dimension bin ich froh, dass wir am Atomausstieg zum 15. April nächsten Jahres festhalten und in Deutschland keinen zusätzlichen Müll produzieren. ({4}) Es ist gut, dass diese Bundesregierung am Atomausstieg festhält. Diese Bundesregierung klammert sich nicht wie andere im Haus an die Vergangenheit, sondern wir sind in die Zukunft gerichtet. Der Einzelplan 16 trägt massiv dazu bei, die Krisen der Zukunft zu bewältigen. Ich bedanke mich noch mal bei allen Beteiligten der Haushaltsberatungen für die konstruktiven Gespräche, für die Arbeit der Berichterstatter/-innen und bitte um Zustimmung zum Haushalt. Danke schön. ({5})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die AfD-Fraktion hat das Wort Andreas Bleck. ({0})

Andreas Bleck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004674, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Werte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Umwelt- und Naturschutz sind zunehmend in Gefahr, und das nicht trotz, sondern wegen der Grünen. Alle grünen Minister betrachten sich vor allem als Klimaschutzminister. Das ist nicht die Lösung; das ist das Problem. ({0}) Irgendwie erinnert das alles an den Titel des Bestsellers von Richard David Precht: ({1}) „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ Es könnte lustig sein, wenn es nicht so traurig wäre. Wer nicht weiß, wer er eigentlich ist und was er eigentlich zu tun hat, ist als Minister ungeeignet. ({2}) Mit der Einstufung des Ausbaus von Windkraftanlagen als öffentliches Interesse hat sich die Bundesregierung einseitig zugunsten des Klimaschutzes und zulasten des Artenschutzes positioniert. Meere und Wälder werden zunehmend zu Industriegebieten reduziert, und die Auswirkungen auf den Artenschutz werden verheerend sein. Bereits jetzt sterben jährlich Hunderttausende Vögel und Fledermäuse durch Windkraftanlagen, und die Auswirkungen auf Insekten sind noch nicht einmal erforscht. Zwar verweist die Bundesregierung im Einzelplan 16 auf gestiegene Mittel für den Artenschutz, aber das Mehr an Mitteln für den Artenschutz kann das Weniger an Artenschutz in keiner Art und Weise kompensieren. ({3}) Das Osterpaket der Bundesregierung war der größte politische Anschlag auf den Artenschutz seit Gründung des Umweltministeriums, und die Grünen tragen dafür maßgeblich die Verantwortung. ({4}) Beim Klimaschutz setzt die Bundesregierung hingegen auf die Dekarbonisierung der Sektoren Strom, Verkehr und Wärme. Beim Strom hält sie lieber an der CO2-reichen Kohleverstromung fest und eben nicht an der CO2-armen Kernenergie. Beim Verkehr bremst sie synthetische Kraftstoffe aus, obwohl sich damit ab 2035 nicht nur die Neu- sondern auch die Bestandsflotte CO2-neutral betreiben ließe. Diese Politik ist widersprüchlich. Und mehr noch: Diese Politik ist gemeingefährlich; denn der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe warnt vor Stromausfällen. ({5}) Ich frage die Bundesregierung: Muss in Deutschland erst das Licht ausgehen, damit Ihnen das Licht in der Regierung endlich aufgeht? ({6}) Doch Deutschland irrlichtert weiter. Dies wurde auch beim Weltklimagipfel in Ägypten deutlich. Die Vertragsstaaten lehnten eine Verschärfung der Klimaschutzpolitik aufgrund der wirtschaftlichen Krise ab, nicht jedoch Deutschland. Politiker in Deutschland speisen die Bürger lieber mit Energiespartipps wie „Nutzt Waschlappen“ oder „Tragt zwei Pullover“ ab. Es lässt sich gut reden, wenn Politiker in Ägypten bei Temperaturen um die 27 Grad getreu dem Motto „Außer Spesen nichts gewesen“ ihre Zeit verbringen, während sich Bürger in Deutschland überlegen müssen, ob sie lieber essen oder heizen sollen. Mit dieser Arroganz und Ignoranz gegenüber den Bürgern muss endlich Schluss sein. ({7}) Zum Schluss, werter Herr Staatssekretär Kühn: Sie haben völlig zu Recht die Rolle der Schuldnerberatung herausgestellt: Schaut man sich diesen Haushalt an, stellt man fest: Die Bundesregierung als größter Schuldner sollte selber eine Schuldnerberatung annehmen. Vielen Dank. ({8})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die SPD-Fraktion hat das Wort der Kollege Carsten Träger. ({0})

Carsten Träger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004426, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So eine Haushaltsdebatte ist ja immer eine Gelegenheit für einen kurzen Blick zurück und dann auch für einen Blick voraus. Wenn wir auf die Ergebnisse des Klimagipfels in Scharm al-Scheich schauen, dann müssen wir feststellen, dass da viele Deutungen möglich sind. Es war ein Gipfel in extrem schwierigen Zeiten: Ukrainekrieg, Energiekrise und generell die Haltung vieler Nationen, sich in solchen Situationen zurück ins fossile Zeitalter zu bewegen. Dass die ärmeren Staaten, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind und gleichzeitig am wenigsten dazu beitragen, jetzt mit einem Ausgleichsfonds unterstützt werden, das ist eine gute Sache und ein toller Erfolg von Svenja Schulze und vom gesamten Verhandlungsteam der Bundesregierung. Für das Klima jedoch sind die Ergebnisse ausbaufähig, und für die Biodiversität sind es damit auch die Ergebnisse; denn die beiden großen Krisen, die Klimakrise und die Biodiversitätskrise, sind zwei Seiten derselben Medaille. Sie bedingen sich gegenseitig, und sie lassen sich nur gemeinsam lösen. Das heißt für uns: Wir müssen jetzt ranklotzen. Wir müssen für gute Ergebnisse bei der UN-Biodiversitätskonferenz in Montreal in diesem Dezember sorgen. ({0}) Mit dem Haushalt unterstreichen wir an dieser Stelle die große Bedeutung des natürlichen Klimaschutzes. 4 Milliarden Euro stehen in den nächsten Jahren für das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz für Projekte an der Schnittstelle Klimaschutz, Klimaanpassung und Naturschutz zur Verfügung. Wir sind da hoch flexibel, und das ist ein großer Schluck aus der Pulle; das ist weit mehr als das, was wir als Naturschützer in den letzten Jahren gewohnt waren. Mit dem neuen Artenhilfsprogramm – da teile ich Ihre Auffassung überhaupt nicht – unterstützen wir sowohl mit Steuermitteln als auch mit Einnahmen aus der Windenergie den Ausbau der erneuerbaren Energien, besonders die von Windkraft betroffenen Arten. Die Mittel für die Klimaanpassung sind aufgestockt. Ich glaube, das sind alles gute Nachrichten für den Natur- und Artenschutz und gleichzeitig für den Ausbau der erneuerbaren Energien. ({1}) So positiv ich die Bilanz in diesem Bereich ziehe, so muss ich an dieser Stelle schon sagen, dass ich mir Sorgen mache um den Verbraucherschutz. Die Bevölkerung ist bis weit in den Mittelstand hinein verunsichert, und zwar zu Recht, wie ich finde: Die Energiekrise, die Inflation, also die gestiegenen Preise, sorgen dafür, dass sich viele Menschen Sorgen machen, ob sie sich Energie überhaupt leisten können und ob sie mit dem Heizen gut über den Winter kommen. Deswegen fordere ich uns an dieser Stelle gemeinsam auf, dass wir Verbraucherschutz aus einem Guss und damit einhergehend vor allem eine gute Kommunikation betreiben, die nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht ist. Das ist eine Aufgabe, der wir uns alle stellen müssen. Die Mieter müssen wissen, was auf sie zukommt, und auch die Vermieter müssen wissen, was auf sie zukommt. Man muss auch wissen: Was ist überhaupt eine Gaspreisbremse? Wie funktioniert und wie wirkt die Strompreisbremse? Erst dann werden sich die Menschen in unserem Land sicher sein können, dass all die guten Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben – ein Entlastungspaket, im Grunde fast drei Entlastungspakete, mit einem Umfang von fast 100 Milliarden Euro sowie eine Gaspreisbremse und einen Abwehrschirm in Höhe von 200 Milliarden Euro –, am Ende auch bei ihnen ankommen. Das heißt, wir müssen Gutes tun – da sind wir auf einem guten Weg –, aber wir müssen auch gut darüber reden. Das ist nicht zuletzt die Aufgabe von uns Verbraucherschützern. ({2}) Weil ich noch ein paar Sekunden Zeit habe, möchte ich ein kleines Beispiel dafür nennen, wie man es vielleicht machen kann. Ein Blick über die Grenze nach Frankreich zu unseren Nachbarn zeigt, dass dort mit dem Wetterbericht zugleich eine Stromverbrauchsampel angezeigt wird. Da steht Rot für hohen Energieverbrauch – das hat was mit der Energie und der Wärme zu tun, die sich da entfaltet; aber Spaß beiseite – und Grün für niedrigen Energieverbrauch. Man muss es ja nicht so machen; aber das sind einfache Ideen, die, so glaube ich, der Bedeutung des Themas gerecht werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die Botschaften, die wir mit gutem Grund senden, auch bei den Menschen ankommen, wenn wir wollen, dass die Verunsicherung, die allenthalben festzustellen ist, nicht weiter um sich greift, sondern dass wir sagen können: Politik kümmert sich um eure Probleme, und Politik löst diese Probleme. ({3}) In diesem Sinne: Glück auf! ({4})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die FDP-Fraktion erteile ich das Wort der Kollegin Judith Skudelny. ({0})

Judith Skudelny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004159, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Für die FDP ist ein ausgeglichener Kernhaushalt essenziell für eine funktionierende Regierung. Deswegen freue ich mich sehr, dass trotz der vielfältigen Herausforderungen der Kernhaushalt ausgeglichen ist. Trotzdem haben wir es als Umweltpolitiker geschafft, im Vergleich zum Jahr 2022 im Bereich „Umwelt und Verbraucherschutz“ 280 Millionen Euro mehr auszugeben und in den Berichterstattergesprächen noch mal eine Schippe draufzulegen. Das zeigt die neue Schwerpunktsetzung in dieser Ampelkoalition, und es zeigt, dass Ökonomie und Ökologie sich durchaus vertragen. ({0}) Ich möchte an dieser Stelle auch auf den Meeresschutz zu sprechen kommen, weil das eine ganz große Herausforderung war, die wir endlich angegangen sind. Ich möchte Ihnen erklären, warum wir jetzt 30 Millionen Euro und erst später noch mal weitere 72 Millionen Euro in die Hand nehmen. Wir sehen, dass Korrosionsschäden auftreten – jetzt schon. Im Moment können wir jedoch nur die Munitionsaltlasten beseitigen, die gerade in den Schiffswegen liegen. Dass ökologisch ein Desaster passiert und dass durch die Vergiftung der Meere auch Menschen gefährdet werden, wurde in den letzten Jahren ignoriert. In diesem Jahr gehen wir es an: Wir planen die richtige Entsorgung, und dabei werden wir Hightech einsetzen. Wir werden ferngesteuerte Roboter an den Boden setzen, und wir werden eine schwimmende Plattform in Auftrag geben, damit wir in den Meeren die Bergung und Entsorgung schadstofffrei gewährleisten können. ({1}) Weil vieles davon überhaupt erst entwickelt werden muss, nutzt es nichts, sehr viel Geld in diesem Jahr auszugeben. Wir müssen perspektivisch einen Marathon laufen, und deswegen planen wir 30 Millionen Euro in diesem Jahr und 70 Millionen Euro in den kommenden vier Jahren. Dann sind unsere Meere von unseren Munitionsaltlasten nach zwei Weltkriegen endlich wieder sauber. ({2}) Auch im Verbraucherschutz müssen wir viel tun. Die steigenden Energiepreise und die Inflation führen dazu, dass die Menschen in Deutschland bis in die Mittelschicht hinein schwer belastet sind. Gerade denjenigen, die jeden Tag darum kämpfen, ihre Einnahmen und Ausgaben ausgeglichen zu halten, haben wir mit mehreren Entlastungspaketen geholfen. Allerdings wird es weiterhin diejenigen geben, die durch zusätzliche Herausforderungen die neuen finanziellen Belastungen vielleicht trotzdem nicht stemmen können. Eigentlich wissen wir auch, dass es Ländersache ist, hier Hilfe zu leisten. Weil aber die Länder eigene Herausforderungen haben, haben wir in diesem Haushalt 4 Millionen Euro in die Hand genommen, um die Resilienz überschuldeter Haushalte zu stärken, eben damit wir erreichen, dass mit Augenmaß Strom- und Gassperren vermieden werden. Wir haben das als Teil des Entlastungspakets versprochen. Diese Regierung wird liefern. Auch in der Krise wird es in Deutschland keine Strom- und Gassperren geben. ({3}) Die größten finanziellen Risiken und Chancen liegen tatsächlich aber nicht im Umwelthaushalt; sie liegen in begleitenden Haushalten. Und da möchte ich zunächst mal mit dem größten Risiko anfangen. Wir haben in den letzten Tagen gehört, dass die Endlagersuche mindestens doppelt so lange dauern wird, wie ursprünglich prognostiziert. Finanziert wird das Ganze aus dem KENFO, aus dem Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung. Das Problem dieses Fonds ist, dass in den letzten Jahren die Zinsentwicklung nicht ganz so gut war, wie wir ursprünglich gehofft hatten. Im Moment ist das gar kein Problem. Wir wissen aber schon, dass, wenn die Endlagersuche doppelt so lange dauert, hintenraus die Finanzierung schwierig wird. ({4}) Und weil wir den nachfolgenden Generationen nicht nur die Herausforderung der Endlagersuche mit auf den Weg geben dürfen, sondern gleichzeitig die Mittel, ({5}) nämlich die finanziellen Mittel, das auch zu erreichen, mit auf den Weg geben müssen, müssen wir uns schon heute darüber Gedanken machen – eine Aufgabe, der sich diese Bundesregierung annehmen wird. ({6})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Frau Kollegin, möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Judith Skudelny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004159, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein. – Die größten Möglichkeiten, die diese Bundesregierung hat, liegen im Klima- und Transformationsfonds. Wir werden in den nächsten vier Jahren 4 Milliarden Euro für Klima- und Umweltschutz in Deutschland ausgeben können. Wir werden alles – natürlichen Klimaschutz, Resilienz bei Hochwasser, Artenschutz – unter einen Hut bringen. Die ersten Schritte sind wir mit der Nationalen Moorschutzstrategie schon gegangen. ({0}) Wir werden die Kommunen stärken; das ist der nächste Schritt. Anfang März werden wir ein umfassendes Maßnahmenpaket im Fast-Track-Verfahren vorlegen. Ich freue mich darauf, diese 4 Milliarden Euro mit der Ampel und mit der Bundesregierung, insbesondere mit Ministerin Lemke, sinnvoll in Klima- und Umweltschutz für Deutschland umzusetzen – eine Aufgabe, der wir alle uns angenommen haben und auf die sich eigentlich das ganze Haus freuen sollte. ({1}) Wir sehen, dass wir eine neue Schwerpunktsetzung haben. Wir schaffen es, Wirtschaft und Umwelt unter einen Hut zu bringen, etwas, was ohne die Ampel nicht möglich gewesen wäre. Deswegen bedanke ich mich nicht nur bei den Haushältern, sondern auch bei meinen Berichterstattern, dass wir diese Leistung hier geschafft haben. ({2})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die CDU/CSU hat das Wort die Kollegin Anja Karliczek. ({0})

Anja Karliczek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will den Fokus noch mal auf etwas anderes lenken als auf den Verbraucherschutz; darüber haben schon so viele gesprochen. Ich will drei Punkte ansprechen, die mir persönlich, aber auch unserer Fraktion wichtig sind. Der erste ist: Mikroplastik in den Flüssen und Meeren ist ein großes Problem für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Deshalb war es uns als CDU/CSU-Fraktion schon immer ein Anliegen, mit deutschem Know-how und deutscher Technologie mitzuhelfen, dieses Problem weltweit in den Griff zu kriegen. Deutsche Unternehmer/-innen sind hier führend und wegweisend. Wenn sie ihr Können in die Welt exportieren sollen, dann müssen wir sie an dieser Stelle unterstützen. Genau aus diesem Grund haben wir schon zu den Haushaltsberatungen 2022, also vor gut einem Jahr, einen Änderungsantrag formuliert und darin gefordert, den Export von Umwelttechnologien mit 25 statt 17 Millionen Euro zu unterstützen. ({0}) Das war für die Ampel zu schnell. Aber ich freue mich sehr darüber und will an dieser Stelle auch Danke dafür sagen, dass Sie unser Anliegen nun mit einjähriger Verspätung umsetzen. ({1}) Ein zweiter Punkt, der mich persönlich und auch die Menschen bei mir im Wahlkreis sehr bewegt hat: Bei den Änderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes haben Sie einfach zu lange gebraucht. Wenn vorausschauende Unternehmerinnen und Unternehmer nicht schon im Frühjahr begonnen hätten, Alternativen für ihre bisherige Energieversorgung aufzubauen, dann würde die Änderung, die wir jetzt nach den Sommerferien auf den Weg gebracht haben, ins Leere laufen. Sie haben – Gott sei Dank – sehr spät, aber dann doch die Erleichterungen beim Bundes-Immissionsschutzgesetz auf den Weg gebracht, und zwar mit unserer Unterstützung. Sie alle haben in der Anhörung dagegen votiert und alles Mögliche dagegen ins Feld geführt; ({2}) wir waren damals die Einzigen, die das unterstützt haben. Das war für viele Unternehmerinnen und Unternehmer, die große Sorgen gehabt haben, eine große Erleichterung, die wir sehr begrüßen. ({3}) Drittens möchte ich Ihnen noch eines mit auf den Weg geben: Kümmern Sie sich frühzeitig um die Industrieemissionsrichtlinie, die gerade aus Brüssel kommt! Es kann doch nicht sein, dass wir gerade mit Gas- und Strompreisbremse Unternehmen helfen, ihre Geschäftsmodelle zu retten, beim Bundes-Immissionsschutzgesetz den Fuel Switch erleichtern und gleichzeitig mit einer verschärften Industrieemissionsrichtlinie aus Brüssel konfrontiert werden. ({4}) Wo sind denn eigentlich die Verhandler der deutschen Bundesregierung? ({5}) Sagen die gar nichts mehr dazu? Ich kann das Wort „Belastungsmoratorium“ gerne auch buchstabieren. Vielleicht hilft das. ({6}) Das Industrieland Deutschland steht unter massivem Druck. Bitte sorgen Sie dafür, dass jetzt nicht noch weitere Verschärfungen und Auflagen auf uns einprasseln! Das ist eine falsche Maßnahme zur falschen Zeit. Denn viele Unternehmen sind guten Willens und auf einem guten Weg. Sie wollen ihre Geschäftsmodelle klimaschonend und klimaneutral machen. Dazu brauchen sie gerade nicht neue Regeln aus Brüssel und Berlin, sondern Beinfreiheit, den eigenen Weg zu finden. ({7})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Linda Heitmann. ({0})

Linda Heitmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005078, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In dieser Beratung des BMUV-Haushaltes möchte ich jetzt doch gerne noch mal das V im Namen besonders starkmachen und den Blick hier auf den Verbraucherschutz lenken. Wir haben in diesem Haushalt, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, noch einmal den vzbv und damit die starke Vertretung von Verbraucherinteressen in Deutschland gestärkt. Ich finde, das sollten wir in diesen Haushaltsberatungen noch mal herausstellen. Wir müssen aber darauf achten, dass manche Verbrauchergruppen diese Stärkung und diese Unterstützung ganz besonders brauchen. Es wurde jetzt schon mehrfach darauf eingegangen, dass wir die Mittel gerade im Bereich der Schuldnerberatung gegenüber dem Vorjahr verdoppelt haben. ({0}) – Es reicht Ihnen vielleicht nicht. Der Bund kann aber auch nur begrenzt Mittel in die Schuldnerberatung stecken; es sind auch die Länder in der Pflicht, sie aufzustocken. ({1}) Wir arbeiten daran, dass dieses Geld auch wirklich dahin fließt, wo es ganz besonders gebraucht wird, dass beispielsweise aufsuchende Schuldnerberatung stattfindet für Menschen, die mobilitätseingeschränkt sind, dass diese Schuldnerberatung vielleicht auch mehrsprachig geschieht, damit wirklich auch jene von diesen Geldern profitieren, die das in diesem Land ganz besonders nötig haben. ({2}) Nicht zuletzt ist jetzt auch das Konzept zur Entwicklung eines Bundesinstitutes für Verbraucherforschung Teil des Haushalts, damit wir künftig wissen, wie noch zielgenauere, effiziente Verbraucherpolitik wirklich gut Wirkung entfalten kann. ({3}) Ich möchte auch darauf eingehen, dass gerade im Bereich Verbraucherschutz gar nicht immer alles unbedingt so viel Geld kosten muss. Wir beraten hier in den kommenden Monaten über das Verbandsklagerecht und wollen es auf den Weg bringen. Das gilt es klug auszugestalten, damit wir auch an dieser Stelle die Verbraucherinteressen wirklich gut stärken können. Wir haben im Koalitionsvertrag noch andere Projekte, wie die Bestätigungslösung bei telefonisch geschlossenen Verträgen oder eine bessere Transparenz bei Kreditscoring, vereinbart. Nicht zuletzt wollen wir auch noch vernünftige Regelungen gegen Greenwashing auf den Weg bringen, damit Verbraucherinnen und Verbraucher mit Begriffen wie Klima- oder CO2-Neutralität nicht länger hinters Licht geführt werden. ({4}) Meine Damen und Herren, wenn wir all das – sowohl das, was viel Geld kostet, aber auch das, was weniger Geld kostet – in 2023 wirklich mit Ehrgeiz und im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land angehen, dann, glaube ich, können wir den Verbraucherschutz in diesem Land auch auf eine neue Stufe heben. Mit diesem Ministerium machen wir das. Herzlichen Dank. ({5})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Helmut Kleebank das Wort. ({0})

Helmut Kleebank (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005105, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich lade Sie zu einem kleinen Gedankenexperiment ein. Es ist nicht völlig neu. Trotzdem ist es leider nach wie vor aktuell, und der eine oder die andere hier im Saal kennt es möglicherweise. Es geht folgendermaßen: Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem handelsüblichen Pkw, vielleicht in dem eigenen, und Sie fahren über die Autobahn mit 100 Kilometer pro Stunde oder einigem mehr, je nachdem, wie man es mit dem Tempolimit hält. Stellen Sie sich nun weiter vor, der laufende Motor verliert nach und nach ein Schräubchen nach dem anderen, oder Sie entfernen ein Schräubchen oder einen anderen Bestandteil nach dem anderen. Bei dem ersten ist es vielleicht noch völlig harmlos. Es passiert nichts weiter. Der Motor läuft weiter; Sie fühlen sich sicher. Dann entfernen Sie den zweiten Bestandteil; auch das ist möglicherweise noch unkritisch. Wenn Sie dieses Gedankenexperiment aber konsequent fortführen, werden Sie wegen der Endlichkeit der Bestandteile eines Motors irgendwann an die Stelle kommen, an der er es Ihnen echt übel nimmt. Wenn Sie es noch weiter treiben, werden Sie irgendwann an eine Stelle kommen, an der der Schaden, der das Fehlen wesentlicher Bestandteile erzeugt, so groß wird, dass der Motor sich schlichtweg aufraucht. Es gibt einen Totalschaden, und das bei 100 Kilometer pro Stunde auf der Autobahn. Ich glaube, niemand von uns würde vernünftigerweise dieses Gedankenexperiment in die Realität umsetzen. ({0}) – So weit sind wir uns trotz anderslautendem Zwischenruf, glaube ich, erst mal einig. Das aber ist genau die Situation bei der sogenannten Biodiversitätskrise, die eigentlich der Pfad hin zu einem erneuten Massenaussterben ist – so brutal muss man es sagen –; denn wir reden über Ökosysteme, bei denen die Arten, Pflanzen und Tiere eng miteinander verknüpft sind und wir nicht einfach einzelne entnehmen oder unfreiwillig aussterben lassen können, ohne den Kollaps des gesamten betreffenden Ökosystems zu riskieren. Das ist unsere Situation. ({1}) Ein paar Zahlen. 50 Prozent aller lebenden Korallen sind bisher verschwunden, die Biomasse fliegender Insekten in Deutschland ist um 75 Prozent zurückgegangen, und circa drei Viertel der großen Säugetiere sind aus ihren traditionellen Lebensräumen verschwunden. Täglich sterben, so die Schätzungen, 150 Pflanzen- und Tierarten unwiederbringlich aus. Wir werden sie nicht zurückholen. So weit die Fakten. Das heißt, wir sind auf dem Pfad in ein sechstes, diesmal menschengemachtes Massenaussterben, und wir müssen vieles dagegen tun. Die Gründe – vielleicht auch dazu noch ein paar Sätze –: Natürlich ist der menschengemachte Klimawandel – anders als es hier anklang – einer der Haupttreiber. Es ist aber bei Weitem nicht der einzige. Auch die Zerstörung der Lebensräume für die Nutzung durch die Landwirtschaft oder anderes, die Umweltverschmutzung – Mikroplastik ist schon genannt worden –, Ölkatastrophen und illegale ungeregelte Abfallentsorgung sind weitere Ursachen. Dieses drohende Massensterben ist also eine eigenständige Katastrophe, die von der Klimakatastrophe abzugrenzen ist, auch wenn es zahlreiche Verbindungen gibt. Ich habe versucht, das zu skizzieren. Warum muss uns das interessieren? Anders als es hier bei einigen Beiträgen aus der Union anklang, wird die Lösung zum Beispiel für die Ernährungskrise nicht die Züchtung neuer Arten in Anpassung an den Klimawandel sein. Das wird partiell vielleicht auch wichtig; aber es ist wichtiger, die Wirtschaftsleistung der Ökosysteme aufrechtzuerhalten, die Ökosysteme zu schützen und damit Artenschutz zu betreiben. Die Ampel macht genau das. Es ist einiges schon gesagt worden; ich will es aber noch einmal betonen. Wichtig ist am Ende nämlich nicht, was auf dem Papier steht, sondern wichtig ist, was in der Praxis ankommt, was umgesetzt wird. Es ist beispielsweise beim Bundesnaturschutzfonds extrem wichtig, dass die Umsetzbarkeit gewährleistet ist. Das war in der Vergangenheit ein Problem. Die verschiedenen Programme zusammenzufassen und damit Gelder verschieben zu können, wenn bestimmte Programme besser als andere laufen, ist wichtig. Ganz entscheidend ist die Absenkung des Eigenanteils der finanzschwachen Kommunen auf 10 Prozent. Die Eigenanteile waren in den Kommunen in der Vergangenheit immer ein Problem. Es geht darum, Programme und Projekte aufsetzen und umsetzen zu können. Das heißt, wir stocken nicht nur auf, sondern wir machen die ganze Sache auch umsetzbar. Ich bin sehr zuversichtlich, dass uns das mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz gelingt. 4 Milliarden Euro in vier Jahren aus dem KTF, das ist ein wirklich gutes Signal. Weitere 100 Millionen Euro jährlich – der Kollege Thews hat es hier angedeutet – sind ebenfalls ein richtig großer Schub. ({2}) International wird sehr genau geschaut, was wir tun. Es wird nicht nur geschaut, was wir auf internationalen Konferenzen tun, sondern es wird auch geschaut, was wir bei uns tun. Dieser Haushalt, dieser Einzelplan, ist ein gutes Signal, und ich hoffe auf eine gelungene Umsetzung. Vielen Dank. ({3})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die AfD-Fraktion hat das Wort Dr. Rainer Kraft. ({0})

Dr. Rainer Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004792, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Präsidentin! Herr Staatssekretär! Werte Kollegen! Die Moorschutzstrategie, der neueste Streich, ist heute schon angesprochen worden. Also reden wir halt einfach darüber. 148 Millionen Euro, so viel soll die Nationale Moorschutzstrategie die Bürger dieses Jahr kosten. Für Ihre ganzen Schattenhaushalte ist das sogar eine relativ kleine Summe. Dennoch ist das ein exzellentes Beispiel für diesen Bundeshaushalt der Fehlallokationen. Gestern veröffentlichte „Die Welt“ einen Artikel über die Pläne des Umweltministeriums zu dieser Moorschutzstrategie. Ein großer Teil der in Jahrhunderten mühevoll in Kulturlandschaften verwandelten ehemaligen Sumpfflächen soll wieder vernässt werden. Es geht dabei um fast 18 000 Quadratkilometer an Fläche; das entspricht fast der Größe Sachsens. Und die veranschlagten Kosten bis 2030 sollen rund 4 Milliarden Euro sein. Genau dort, wo die grünen Minister für Umwelt und Landwirtschaft wieder frühzeitliche Sümpfe und Moore bilden wollen, werden heute nachwachsende Rohstoffe und dringend benötigte Lebensmittel erzeugt. Offensichtlich sind Sie aber der Meinung, dass man darauf verzichten kann, ganz getreu dem Motto: Der Strom kommt aus der Steckdose, und die Kartoffeln kommen vom Biosupermarkt. ({0}) Wir reden nicht über existierende Sümpfe und Moorflächen. Der Schutz dieser Ökosysteme steht außer Frage. ({1}) Die Diskussion dreht sich um Flächen, die ehemals Sümpfe oder Moore waren, aber heute Teil der Kulturlandschaft sind. Die Liebe für nacheiszeitliche Moore und Sumpflandschaften entspringt dabei nicht dem Umwelt- oder Artenschutzgedanken. Nein, es ist wie so oft bei Ihnen die CO2-Ideologie. 5 Millionen Tonnen CO2 sollen so nach Ihrem Willen bis 2030 durch Ihre Moorschutzstrategie jährlich eingespart werden. Zum Vergleich: Die Volksrepublik China braucht derzeit drei Stunden und 49 Minuten, um diese Einsparung wieder zunichtezumachen. 4 Milliarden Euro an Steuergeldern also verpulvert und verschwendet für die Ablösung von drei Stunden und 49 Minuten an CO2-Emissionen! Das ist komplett absurd, liebes Umweltministerium. ({2}) Genauso absurd geht es weiter auf Seite 19 des Moorschutzpapieres. Dort wird behauptet, dass der Schutz der Moore ein signifikanter Beitrag unter anderem zur Erreichung des Nachhaltigkeitsziels 2– die Bekämpfung des globalen Hungers – sei. Ich hätte mich gefreut, wenn die Ministerin da wäre – sie ist leider erkrankt –; aber vielleicht kann es mir der Herr Staatssekretär ja erklären: Wie kann das Absaufenlassen von 340 000 Hektar wertvoller Ackerfläche und 930 000 Hektar an Weide- und Grünflächen einen wertvollen Beitrag zur Bekämpfung der globalen Ernährungskrise leisten? Wer kann mir das erklären? ({3}) Das Gegenteil ist doch der Fall! Die Reduzierung der Nahrungsmittelproduktion im Inland führt zu einem verstärkten Ankauf von Lebensmitteln auf dem Weltmarkt, und am Ende dieses Verdrängungswettbewerbes in den ärmsten Ländern der Welt werden die ärmsten Leute ohne Nahrung dastehen. Am Schluss heißt das, Sie verschwenden 4 Milliarden Euro an Steuergeldern und verschärfen damit in den ärmsten Ländern der Welt die Ernährungskrise. Dann werden diese Menschen von Ihnen wieder als Opfer der Klimaveränderung instrumentalisiert werden. Sie werden uns erzählen, was wir diesen Leuten wieder an Unrecht getan haben. Tatsächlich aber sind diese Menschen das Opfer Ihrer Misswirtschaft und Ihrer sogenannten Klimapolitik. ({4})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die CDU/CSU hat das Wort der Kollege Alexander Engelhard. ({0})

Alexander Engelhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005050, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Haushaltswoche kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus. Beim zur Abstimmung stehenden Bundeshaushalt hat die Ampelkoalition die Trickkiste in Bezug auf die Schuldenbremse voll ausgeschöpft. Die Finanzakrobaten der Bundesregierung jonglieren mit den Milliarden, dass einem schwindelig werden kann. Zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsministerium werden sich die Bälle durch eine neue grüne Hausfreundschaft gegenseitig zugespielt. Dabei sollten unsere Landwirtinnen und Landwirte nicht nur zusehen dürfen, sondern sie müssen mit einbezogen werden. Wir von der Union sind der festen Überzeugung, dass wir die Ziele beim Natur- und Klimaschutz besser und schneller erreichen können, wenn wir gemeinsam mit unseren Landwirten arbeiten und sie nicht am Ring durch die Manege führen. ({0}) So stellt das Bundesumweltministerium beispielsweise mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz neue Milliarden in das Schaufenster, obwohl das Geld aus dem Sondervermögen des Klima- und Transformationsfonds kommt, woraus sich auch andere Ministerien bedienen. Das widerspricht nicht nur dem Grundsatz der Haushaltsklarheit, die Kollege Feiler schon angesprochen hat. Auch ist nicht klar, auf was sich unsere Landwirte und Kommunen konkret bei den im Aktionsprogramm geplanten Renaturierungsmaßnahmen einstellen müssen. Wie umfangreich sind die Nutzungseinschränkungen, kommt es zu Enteignungen, sind Entschädigungen geplant und, wenn ja, in welcher Art und Höhe? Dass die Verunsicherung groß ist, da viele Landwirte in ihrer Existenz bedroht sind, ist verständlich. Natürlichen Klimaschutz wollen wir auch; das haben wir nicht zuletzt mit unserem Antrag deutlich gemacht. Wir setzen aber auf Kooperation und Klarheit statt auf Konfrontation und Verunsicherung. ({1}) Dabei brauchen wir eine ganzheitliche Betrachtung, und wir müssen aufpassen, dass wir nicht durch einseitigen Aktionismus Gegenteiliges erreichen und Umwelt- wie Klimaschutz schwächen. So ist es zweifelhaft, ob es zielführend ist, Waldflächen dauerhaft aus der Nutzung zu nehmen. Nicht nur versorgt uns eine verantwortungsvolle Forstwirtschaft mit nachhaltigen Rohstoffen, um fossile Energie und Werkstoffe zu ersetzen. Auch kann ein sich selbst überlassener Wald nicht unendlich viel CO2 aufnehmen. Durch die Verrottung wird das CO2 relativ schnell wieder freigesetzt. Verwenden wir dagegen das Holz zum Bauen, verlängert sich die Speicherwirkung um ein Vielfaches. Wenn wir unseren Wald nicht nutzen, müssen wir stattdessen Holz aus anderen Teilen der Welt importieren. Global gesehen sind die Biodiversitätsverluste dadurch deutlich größer. ({2}) Die Notwendigkeit der ganzheitlichen Betrachtung führt mich zum nächsten Thema. Die eingangs angesprochene Verunsicherung ist auch im Ökolandbau groß. Das liegt unter anderem daran, dass auf Ökobetriebe deutlich mehr Einschränkungen zukommen. So sieht beispielsweise die EU-Pflanzenschutzverordnung ein Anwendungsverbot sämtlicher Pflanzenschutzmittel und damit auch für im Bioanbau zugelassener Mittel in ökologisch empfindlichen Gebieten vor. Damit macht das Anwendungsverbot sogar den ökologischen Landbau teilweise unmöglich. ({3}) Flächen wie zum Beispiel Wasserschutzgebiete würden so zusätzlich der landwirtschaftlichen Nutzung mit all ihren positiven Nebeneffekten entzogen. Gegenwärtig haben wir es mit einem Ökoparadoxon in Deutschland zu tun. Ausgerechnet diejenigen, die immer am lautesten nach der ökologischen Landbewirtschaftung gerufen haben, setzen nun leichtfertig die Zukunft der regionalen Ernährungswirtschaft aufs Spiel. ({4}) Obwohl der Bundesregierung bewusst ist, dass es durch die gestiegenen Preise zu einer Verlagerung von regionalen Bio- und Hofläden hin zu den großen Discountern gekommen ist, verweigert sie sich, gezielt diesen Familienbetrieben durch die schwierige Zeit zu helfen. ({5}) Diese regionalen Betriebe und Vermarktungsstrukturen sind dabei nicht nur für die nachhaltige Produktion von Lebensmitteln wichtig, sondern auch für die Attraktivität des ländlichen Raums. In Berlin mag es nicht auffallen, wenn einer von vielen Bioläden schließt. Außerhalb der Ballungsgebiete sieht es aber ganz anders aus; denn hier gehen großflächig Vielfalt, Traditionen und Lebensqualität verloren. Das zeigt uns mal wieder, dass sich die Bundesregierung um den ländlichen Raum nicht ausreichend kümmert und mühsam aufgebaute, regionale Strukturen kaputtgehen lässt. ({6}) Die von uns im Rahmen der Haushaltsberatungen geforderten 100 Millionen Euro, um ökologische Betriebe und Direktvermarkter zu stützen, hat die Regierung abgelehnt. So bleibt zum Schluss nur zu hoffen, dass die Regierung in ihrer Haushaltsvorstellung nicht nur mit viel Geld jongliert, sondern endlich auch in konkrete, praxistaugliche und zielführende Umsetzungsschritte kommt. Vielen Dank und viel Erfolg! ({7})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die SPD-Fraktion hat das Wort Nadine Heselhaus. ({0})

Nadine Heselhaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005084, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Stellen Sie sich vor: Sie kommen finanziell gerade so eben über die Runden. Vollzeitarbeit funktioniert für Sie nicht, weil das Pendeln zum Arbeitsplatz und die Betreuungszeiten für die Kinder es einfach nicht zulassen. Nun trifft Sie ein Schicksalsschlag mit finanziellen Auswirkungen. Selbst die Kosten für das Essen der Kinder in der Betreuungseinrichtung übersteigen jetzt Ihre Möglichkeiten. Die Schulden häufen sich. Sie tun alles dafür, Ihre finanzielle Lage selbst in den Griff zu bekommen, doch es will Ihnen einfach nicht gelingen. Helfen kann an dieser Stelle – Sie ahnen es – eine Schuldnerberatung, doch die Schuldner- und Insolvenzberatung ist Sache der Länder und Kommunen und bundesweit unterschiedlich geregelt. Mitunter ist es vom Wohnort abhängig, ob man den Zugang zur Beratung überhaupt bekommt. Ein flächendeckendes, generelles Recht auf Schuldnerberatung haben wir bisher nicht. Wir reden von knapp 6 Millionen Menschen, die bereits überschuldet sind. Die Begleiterscheinungen können schwerwiegend sein: soziale Ausgrenzung, familiäre Konflikte, Verzweiflung. Die Fachleute sind sich einig: Je früher geholfen wird, desto besser ist es natürlich für die Betroffenen selbst, aber auch für die Gläubiger und für die Gesellschaft. Es wird deutlich: Die Arbeit der Beratungsstellen ist von großem Wert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die vielen Mitarbeitenden in den Schuldnerberatungsstellen und für die Ratsuchenden werden wir deshalb mehr tun. Obwohl die Zuständigkeit eigentlich bei Ländern und Kommunen liegt, übernimmt bereits seit diesem Jahr auch der Bund finanziell Verantwortung. Im Rahmen der Haushaltsberatungen konnten die Mittel für Maßnahmen zur Stärkung überschuldeter Verbraucherinnen und Verbraucher auf 2 Millionen Euro jährlich verdoppelt werden. ({0}) Damit setzen wir das Ziel aus dem Koalitionsvertrag, die Schuldner- und Insolvenzberatung auszubauen, konsequent um, und darüber bin ich sehr froh. Das ist gerade auch jetzt nötig; denn die massiven Preissteigerungen, vor allem für Energie, sind noch nicht in vollem Umfang bei allen Haushalten angekommen. Ohne entschiedenes Gegensteuern würden wir mit hoher Wahrscheinlichkeit in eine private Überschuldungskrise hineinlaufen. Deshalb sind neben dem Ausbau der Schuldnerberatung die Entlastungspakete der Ampelkoalition inklusive Strom- und Gaspreisbremse so wichtig. ({1}) Damit Direktzahlungen wie die Energiepreispauschale auch tatsächlich bei überschuldeten Menschen ankommen, haben wir den Pfändungsschutz bei der Pauschale für Rentenbeziehende übrigens explizit festgeschrieben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so geht soziale Verbraucherpolitik, und sie ist noch besser, wenn sie auch vorsorgenden Charakter hat und nicht erst auf den Plan tritt, wenn die Krise schon da ist. Um gute soziale und vorsorgende Politik machen zu können, brauchen wir eine gute Datenbasis zum Verbraucherverhalten und geeignete politische Instrumente. Mit anderen Worten: Dafür ist eine gut ausgestattete Verbraucherforschung absolut zentral. Mit dem Haushalt für 2023 gehen wir auch das an. Wir finanzieren eine Arbeitsgruppe, die ein Konzept zur Schaffung eines Bundesinstituts für Verbraucherforschung erarbeiten soll. Lassen Sie uns diesen Weg gemeinsam gehen und das vorantreiben! ({2}) Meine Damen und Herren, mehr Geld für Schuldnerberatung und Verbraucherforschung, für eine soziale und vorsorgende Verbraucherpolitik, ich finde, das kann sich sehen lassen. Herzlichen Dank an alle, die sich dafür eingesetzt haben. ({3})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Harald Ebner. ({0})

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen, insbesondere Kollegen Bilger und Engelhard! Alte Antworten in neuen Schläuchen oder alte Antworten ohne Ende oder alter Wein in alten Schläuchen – ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. ({0}) Herr Engelhard, verbreiten Sie doch keine Fake News zu der Pestizidrichtlinie der EU. ({1}) Hätten Sie in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass unsere Landwirtschaft weniger von Pestiziden abhängig ist, dann wäre die Kommission heute gar nicht im Zugzwang und die Biodiversität hätte gar nicht dieses große Problem. ({2}) In vier Wochen trifft sich die Weltgemeinschaft nach der COP erneut; dieses Mal in Montreal zur COP 15 – es geht um die Konvention über die biologische Vielfalt –, weil das notwendig ist. Lassen Sie uns die Bedeutung dieser Konferenz nicht unterschätzen. Sie darf nicht im Schatten der Klimakonferenz stehen, weil hier eben nichts Geringeres als die Zukunft unserer biologischen Lebensgrundlagen verhandelt wird; denn nach wie vor ist leider real: Wir sind im schlimmsten Artensterben seit Menschengedenken. Und ich bleibe dabei: Nur eine ökologisch intakte Welt kann auch eine dauerhaft friedliche und sozial gerechte Welt sein. Deshalb ist es wichtig, dass in Montreal richtig gute Fortschritte erzielt werden. ({3}) Hierzulande werden nach wie vor jährlich Abermilliarden für Naturverbrauch ausgegeben. Vorhin in der Verkehrsdebatte hat es der Kollege Lange gesagt: Ungebremsten Straßenbau braucht man. – Die Union will da immer nur wieder am Alten festhalten ({4}) und mit entgrenzter Naturvernichtung weitermachen, wir aber nicht. ({5}) Wir müssen, wenn ich die Stimmen der Union da höre, darauf achten, dass die für die Energiewende notwendige Planungsbeschleunigung nicht zur Naturvernichtungsbeschleunigung benutzt wird. Denn ob Acker, Wiese, Wald oder Moor, Herr Kraft, einmal versiegelt oder entwässert, sind sie dem Naturhaushalt meistens für immer entzogen und damit auch der Biodiversität. ({6}) Wer ressourceneffizient wirtschaften will, der muss den Verbrauch dieser Ressource Fläche drastisch reduzieren. Deshalb ist es auch so wichtig, dass wir in diesem Umwelthaushalt genau in diese Richtung deutliche Zeichen setzen, um Krisen zusammengedacht zu lösen und Ressourcen effizient einzusetzen. Das machen wir mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, in das wir 4 Milliarden Euro investieren, nicht nur, um CO2 zu binden, sondern auch, um Klimaanpassung voranzubringen und damit auch natürliche Ökosysteme weiterzuentwickeln und der biologischen Vielfalt zu helfen. ({7}) Deshalb ist es auch eminent wichtig, dass an der Stelle, gerade bei der Stelleninfrastruktur Naturschutz, bei BfN und UBA, eben keine Stellen gekürzt werden; denn ohne diese Stellen sind wir gar nicht in der Lage, diese so notwendigen Programme am Ende umzusetzen. Letzte Sitzungswoche haben wir mit der Änderung des Atomgesetzes zum begrenzten Weiterbetrieb von drei Atomkraftwerken auch über das definitive Ende der Atomkraftnutzung in diesem Land noch mal entschieden und damit klargemacht: keine neuen Brennstäbe, kein neuer Atommüll. Und dennoch wird uns dieses Erbe einer technologischen Irrfahrt noch Hunderte von Generationen beschäftigen. Die nächste Aufgabe sind 1 900 Castoren mit hochradioaktivem Müll, die noch keinen Platz, noch kein Endlager haben. Der Staatssekretär hat es vorhin gesagt: Wir geben zwischen der Hälfte und 60 Prozent des Haushaltes des Umweltministeriums allein für die Atomkraft aus. – Deshalb ist es gut, dass damit jetzt Schluss ist, dass es beim Atomausstieg bleibt. Ich sage es noch mal in aller Deutlichkeit, weil es so wichtig ist: Das Wort des Kanzlers ist auch unseres. Am 15. April 2023 ist endgültig Schluss. Danke schön. ({8})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die CDU/CSU hat das Wort Björn Simon. ({0})

Björn Simon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vor bald einem Jahr haben Sie, liebe Ampelfraktionen, in Ihrem Koalitionsvertrag ambitionierte Ziele und eine umfassende Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft in Deutschland angekündigt. Zum Ende der heutigen Debatte kann man wirklich feststellen: Im Ankündigen sind Sie ungeschlagen. ({0}) Aber Sie sind zu spät, Sie sind zu bürokratisch, Sie setzen schlecht um und produzieren damit in der Bevölkerung und bei den Unternehmen mehr Frage- als Ausrufezeichen. ({1}) Dabei ist es gerade in Krisenzeiten für die Wirtschaft doch elementar, zuverlässige Impulse und realistische Vorgaben aus der Politik zu bekommen. Da darf man ruhig mal einen Dank an solche Haushälter wie Uwe Feiler aussprechen, die sich dafür stark einsetzen. Bleiben wir aber bei der Kreislaufwirtschaft, die heute in meinen Augen deutlich zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat. Falls Sie es noch nicht bemerkt haben: Die Branche wartet sehnsüchtig auf die Impulse, die ich angesprochen habe, und vor allem auf realistische Vorgaben seitens der Regierung. Und was kommt? Nichts. Sie skizzieren gern brachiale Ziele, aber anspruchsvolle und wirksame Vorgaben, die eine Rückgewinnung von Rohstoffen und das Schließen von Stoffkreisläufen in Deutschland voranbringen könnten, verschweigen Sie. Da stelle ich mir die Frage, ob Sie überhaupt mit den Unternehmen sprechen, die sehnsüchtig darauf warten, Antworten von Ihnen zu erhalten. Immer wieder kündigen Sie eine allumfassende nationale Kreislaufstrategie an. Jedoch fragen wir uns, wann diese Strategie endlich kommen soll. ({2}) Eine solche Strategie kann nur erfolgreich sein, wenn Sie dazu auch mit allen beteiligten Akteuren wie den Wirtschaftsverbänden, den Herstellern und der Entsorgungswirtschaft in den Austausch treten. ({3}) Wann wollen Sie endlich in diesen Dialog treten? Wir fordern Sie auf, hier keine weitere Zeit zu verlieren und es nicht bei einem bloßen Versprechen zu belassen. Schaffen Sie endlich Klarheit, schaffen Sie Planungssicherheit, und schaffen Sie ein Innovationsklima in Deutschland, das eine stetige Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft möglich macht! Die Kreislaufwirtschaft in Deutschland ist ein starker, ein innovativer Wirtschaftszweig, der seitens der Bundesregierung viel mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, als er aktuell bekommt. Hilfszahlungen und finanzielle Unterstützung aus Sondervermögen sind ja das eine. Aber Sie müssen doch verstehen, dass solche stolzen Unternehmen, die ihre Technologie international vermarkten wollen und sich im globalen Wettstreit behaupten müssen, wissen wollen, was auf sie zukommt, mit welchen Vorgaben sie morgen arbeiten müssen. Verstanden haben Sie es scheinbar – meine Kollegin Anja Karliczek hat es ja schon genannt – bei den Mitteln für den Export von Technologien gegen die Vermeidung der Vermüllung der Meere. ({4}) Unsere Anmerkung zur Aufstockung der Mittel von 8 auf dann insgesamt 25 Millionen Euro hat scheinbar gefruchtet, zwar ein Jahr zu spät; aber wir stehen jetzt da, wo wir eigentlich vor einem Jahr schon sein wollten. ({5}) Auf diesem Weg begleiten wir Sie gerne weiter, das unterstützen wir gerne. Wir sind nämlich konstruktive Opposition, liebe Kolleginnen und Kollegen, ({6}) und das wollen wir auch bleiben. Vielen Dank. ({7})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der letzte Redner in der Debatte ist Daniel Schneider für die SPD-Fraktion. ({0})

Daniel Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Etat unseres Bundesumweltministeriums steckt echter Fortschritt für den nationalen Meeresschutz. Ich spreche noch einmal über die Bergung der rund 1,6 Millionen Tonnen alter Munition konventioneller Art – Bomben, Torpedos, Minen und Granaten – sowie der rund 5 000 Tonnen chemischer Kampfmittel in Nord- und Ostsee. Diese Altlasten aus den beiden Weltkriegen wurden 1945 durch die Alliierten in konzentrierten Mengen vor unseren Küsten verklappt und bei Kampfhandlungen, Übungen oder Unfällen unkontrolliert im Meer verteilt. Von ihnen geht eine direkte Gefahr für Leib und Leben aus, und sie sind ein zunehmendes Risiko bei der Bewirtschaftung der Meere, in der Fischerei etwa oder in der Schifffahrt. Räumungen finden bisher nur anlassbezogen statt, etwa bei Fahrrinnenanpassungen durch die Nassbaggerei oder natürlich beim Bau der Offshorewindenergieanlagen. Nun soll die geplante Entwicklung einer Spezialplattform den Einstieg in die flächendeckende Beräumung, also in die industrielle Bergung und Entsorgung der Kampfmittel, markieren. Für die Entwicklung und den Bau dieser ersten Pilotanlage haben wir im Einzelplan 16 nun die erforderlichen 100 Millionen Euro eingeplant. Deshalb geht auch mein Dank hier noch einmal an unsere Haushälter/-innen und die Mitglieder im Umweltausschuss sowie an die Kolleginnen und Kollegen im BMUV. ({0}) Auch das langjährige Engagement in den Ländern und in den verschiedenen Arbeitsgruppen ist zu würdigen. Mittlerweile liegen umfassende Erkenntnisse aus zahlreichen Forschungs- und Entwicklungsprojekten vor. Dabei geht es um innovative und nachhaltige Meerestechnik, um Sensorsysteme und toxikologische Untersuchungen. Da möchte ich auch einmal das GEOMAR-Institut in Kiel anführen. Hier wird zum Beispiel erforscht, wie sich die Bedrohung für die Meeresumwelt durch die austretenden Gifte entwickelt. So werden TNT-Rückstände in Muscheln, in Wasserschnecken, in Speisefischen nachgewiesen, nicht etwa nur in einer Wassersäule, sondern auch in Fischen, die auf dem Markt eingekauft wurden. Der Verzehr ist für uns Menschen noch ungefährlich, es sei denn, wir essen 7 Kilo Fisch am Tag. Jedoch steigt die Gefahr tagtäglich; denn die Metallhüllen korrodieren ja nun schon seit fast 80 Jahren dort auf dem Meeresboden. Es wird also Zeit, dass wir das Zeug da rausholen, als Erstes aus der Ostsee – die ist ein bisschen flacher und ruhiger –, später dann aus der Nordsee. Dafür gibt es einen Prioritätenplan. Eine robotergestützte Plattform soll die Altlasten am Meeresgrund lokalisieren, diese mit autonomen Unterwasserfahrzeugen an die Oberfläche holen und sie durch die Entfernung ihrer Zünder unschädlich machen. Anschließend sollen die Kampfmittel dann zerschnitten und in speziellen Verbrennungsöfen direkt an Bord verbrannt werden. An Land ist übrigens die GEKA mbH in Munster die wichtigste Einrichtung für die Kampfmittelvernichtung. Als Gesellschaft des Bundes sollte sie bei neuen Systemen an Land und auf See eine führende Rolle einnehmen. Wir müssen sie nur rechtzeitig mit Mitteln ausstatten und ihren Auftrag auch entsprechend erweitern. Überhaupt werden wir bei dieser gewaltigen Aufgabe der flächendeckenden Beräumung nur im Verbund erfolgreich sein. Die Kooperation vieler Industrieunternehmen ist erforderlich; sie findet auch schon langsam statt. Zunächst finanzieren wir ja auch nur das erste Pilotprojekt. Da gehört es zur Wahrheit dazu, dass wir zur kompletten Räumung der Altlasten aus Nord- und Ostsee möglicherweise zehn oder mehr Plattformen benötigen werden. Ihr gesamter Betrieb ab Fertigstellung ist noch zu konzipieren und langfristig zu finanzieren. Eine gute Koordination des Bundes mit den Küstenländern ist dafür natürlich essenziell wichtig. Andererseits sehen wir große Chancen auf einen echten Exportschlager, einen maritimen Exportschlager „made in Germany“. Denn vergleichbare Gefahrenlagen finden wir überall auf der Welt, ob in Europa, Asien oder Australien – überall, wo große Konflikte stattgefunden haben. Munitionsaltlasten, meine Damen und Herren, sind eine globale Herausforderung. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend und danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. ({1})