Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 9/21/2022

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Haus stehen wir fortwährend vor der Aufgabe und der Pflicht, sowohl der Gegenwart als auch der Zukunft gerecht zu werden. Dabei geht es mehr denn je darum, unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, damit nicht nur wir, sondern auch künftige Generationen in Freiheit leben können. So trägt es uns das Bundesverfassungsgericht in seinem wegweisenden Beschluss vom März 2021 auf. Man kann es aber auch anders formulieren: Es geht darum, „die Schöpfung zu bewahren, um die Zukunft zu gewinnen“, so der bemerkenswerte Titel der Regierungserklärung – ich weiß nicht, ob sich jemand daran erinnert – von Helmut Kohl vor 35 Jahren. Die Herausforderung, der Gegenwart und der Zukunft gleichermaßen gerecht zu werden, stellt sich natürlich auch für unsere Landwirtschaft und in ganz besonderem Maße für die landwirtschaftliche Tierhaltung; dazu komme ich gleich. Der Veränderungsbedarf ist immens, wie uns auch die gesellschaftlich breit besetzte und weithin über Parteigrenzen hinweg anerkannte Borchert-Kommission eindrücklich bestätigt hat. Die notwendigen Veränderungen müssen jetzt angegangen und nicht auf die lange Bank geschoben werden. Eine zukunftsfeste Tierhaltung ist erklärtes Ziel dieser Bundesregierung: Erstens können und müssen wir es schaffen, dem Wohl der Tiere in den Ställen und auf der Weide besser gerecht zu werden. Sie sind schließlich unsere Mitgeschöpfe. Zweitens ist Tierhaltung nur dann zukunftsfest, wenn sie mehr als heute zum Schutz von Umwelt, von Natur und von Klima beiträgt. Drittens geht es darum, dem erklärten Wunsch der Verbraucherinnen und Verbraucher nach mehr Transparenz beim Einkauf nachzukommen. Sie wollen wissen, wie das Tier gelebt hat, dessen Fleisch auf ihre Teller kommt. Schließlich geht es bei all dem um bessere Perspektiven für unsere Bäuerinnen und Bauern. Sie brauchen Planungssicherheit, und sie brauchen unsere Unterstützung, um in ihre Höfe zu investieren. Sie verdienen ein gutes Einkommen für ihre harte Arbeit, auf die unsere Gesellschaft dringend angewiesen ist. ({0}) Die Bevölkerung fordert mehr Tierschutz und mehr Tierwohl; sie fordert mehr Qualität und mehr Klimaschutz. Es hat aber dann auch seinen fairen Preis, damit Landwirtinnen und Landwirte das leisten können. Wenn wir diesen Preis nicht zahlen, dann mag das Fleisch jetzt billig sein; aber dann wird es in Deutschland perspektivisch keine Tierhaltung mehr geben. Dann werden die tierhaltenden Betriebe dichtmachen, weil sie weder in einem ruinösen Wettbewerb bestehen noch dauerhaft gegen das Klima und die Verbraucher wirtschaften können. Deshalb ist es jetzt unsere wichtigste Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die notwendigen Investitionen auf den Höfen unterstützt werden, dass beim Verkauf der Produkte mehr Tierwohl für die Verbraucherinnen und Verbraucher sichtbar wird und dass insgesamt Verlässlichkeit und Planungssicherheit für die Landwirtinnen und Landwirte einkehren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist der umfassende Kontext, in dem wir intensiv daran arbeiten, die Tierhaltung mit vier Maßnahmen zukunftsfest zu machen: Erstens haben wir einen Vorschlag für ein staatlich verbindliches Tierhaltungskennzeichen eingebracht, das verlässlich Transparenz schafft und die Leistungen der Landwirtinnen und Landwirte sichtbar macht. Zweitens geht es um Anpassung im Bau- und Genehmigungsrecht, damit die Fläche sich an die Tiere anpasst und nicht umgekehrt. Drittens geht es darauf aufbauend um bessere Regelungen beim Tierschutz. Nicht zuletzt – viertens – braucht es jetzt eine Unterstützung der Landwirtinnen und Landwirte bei Investitionen in die Zukunft ihrer Höfe und beim laufenden Betrieb, damit der Wandel sich dann schließlich irgendwann selber tragen kann. All diese Maßnahmen tragen dazu bei, die Tierhaltung in Deutschland zukunftsfest zu machen. Man kann es auch zusammenfassen: Eine Investition in eine zukunftsfeste Tierhaltung nützt erst mal den Bäuerinnen und Bauern, sie nützt den Tieren, sie nützt dem Klima, sie nützt den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Sie stärkt sowohl die Gegenwart als auch die Zukunft unserer ländlichen Räume, wovon nicht nur unsere Wirtschaft profitiert, sondern schließlich auch – man kann es so pathetisch sagen – unsere Zivilgesellschaft und unsere Demokratie. Wir können mit einer vertretbaren Investition so viel gleichzeitig erreichen. Wir sollten diese große Chance gemeinsam beim Schopfe packen, um mit einer guten Politik sowohl der Gegenwart als auch der Zukunft gerecht zu werden. Wenige Generationen von Menschen sind jetzt gerade dabei, das Gesicht dieser Erde auf Jahrtausende hin zu verändern. Früher haben wir immer gesagt: Wir sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen. – Mittlerweile sind wir dabei, die Wurzel des Baumes zu zerstören, von dem wir alle leben. Wir müssen unsere Bäuerinnen und Bauern dabei unterstützen, die Wurzel dieses Baumes zu hegen und zu pflegen, um unsere Nahrung und unsere Zukunft sicher zu machen. Vielen Dank. ({1})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Vielen Dank. – Wir beginnen nun die Regierungsbefragung zu den einleitenden Ausführungen des Bundesministers und zum Geschäftsbereich sowie zu den vorangegangenen Kabinettssitzungen und allgemeinen Fragen. Das Wort hat zuerst aus der CDU/CSU-Fraktion Albert Stegemann.

Albert Stegemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004415, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Lieber Herr Minister, das waren viele Bilder und leider wenig Konkretes. Aber nun eine konkrete Frage. Die Bürger in diesem Land machen sich große Sorgen. Das Thema Inflation schlägt um sich; wir alle verbinden es zunächst mit den Energiekosten. Aber wir sehen – die letzten statistischen Erhebungen zeigen es uns –, dass wir bei den Lebensmittelpreisen bei einer Erhöhung von 22,3 Prozent sind. Die Lebensmittelpreise folgen also den Energiepreisen. Auch zu diesem Thema habe ich von Ihnen bisher leider überhaupt nichts vernommen. Sie waren komplett unsichtbar. Vor einigen Monaten hatten Sie jedoch einen Vorschlag gemacht, den ich noch einmal aufgreifen möchte. Sie haben in Erwägung gezogen, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel abzusenken. Seit Monaten habe ich nichts mehr von diesem Vorschlag gehört. Ich frage Sie jetzt konkret: Wie weit sind Sie in Ihren Überlegungen, diesen Vorschlag konkret umzusetzen?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Vielen Dank für die Frage. – Ich habe den Vorschlag deshalb nicht mehr wiederholt, weil es dafür erkennbar keine Mehrheit gibt. Ich bin ein koalitionsdienlicher Abgeordneter. Wir brauchen Mehrheiten für unsere Vorschläge. Die Bundesregierung hat sich zu Recht auf Maßnahmen verständigt, die unmittelbare Entlastungen mit sich bringen. Ich muss das nicht alles ausführlich zitieren. Sie kennen die Entlastungspakete I und II, die konkrete Entlastungen beinhalten: ob es die Entfernungspauschale ist, ob es die Erhöhung des Grundfreibetrags ist, ob es der Heizkostenzuschuss ist, ob es der Wegfall der EEG-Umlage ist. Aber ganz entscheidend ist jetzt das dritte Entlastungspaket. Darauf lege ich sehr viel Wert; denn darin sind viele Maßnahmen enthalten, die unsere Landwirtinnen und Landwirte entlasten. Wenn es dadurch gelingt, die Energiepreise zu deckeln und zu reduzieren, dann wird das hoffentlich Auswirkungen auf die Einkaufspreise haben. Sie haben das Beispiel angesprochen. Wenn wir es schaffen, die Energiepreise zu senken, dann hat das eine zweite Auswirkung: Damit wird auch die Kaufkraft gestärkt. Das ist ein ganz wesentlicher Bestandteil, damit unsere Bürgerinnen und Bürger Geld haben, um es für qualitativ hochwertige Lebensmittel auszugeben. ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Herr Stegemann, Sie können noch eine Nachfrage stellen.

Albert Stegemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004415, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich stelle konkret eine Nachfrage zum Thema Kostendämpfung. Ich habe gestern der Fachpresse entnommen – mir liegen noch keine konkreten Vorschläge aus dem BMEL vor –, dass die Landwirtschaft von der Kostendämpfung, von der Sie gerade gesprochen haben, überhaupt nicht profitiert. Hier werden vor allen Dingen die Bäcker und die Fleischer entlastet, aber die Landwirtschaft nicht. Nun sind Sie auch für die Landwirtschaft zuständig, und Sie wollen – das haben Sie in Ihrer ersten Rede gesagt – „Anwalt der Landwirte“ sein, ich stelle aber fest, dass von dieser Stelle aus überhaupt nichts kommt.

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Herr Minister, Sie können antworten.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Danke sehr. – Ich bin nicht nur auch für Landwirtschaft zuständig, sondern ich bin der Bundeslandwirtschaftsminister und der Bundesminister für Ernährung. ({0}) Das nur als technischer Hinweis. Wir haben kurzfristig 180 Millionen Euro auf den Weg gebracht, 60 Millionen von der Europäischen Union ergänzt um 120 Millionen vom BMEL. Den ersten Teil haben wir bereits überwiesen. Wissen Sie, wie die Bauern davon erfahren haben? Indem das Geld auf ihrem Konto war. Sie mussten keinen Antrag stellen. Für den zweiten Teil ist aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen ein Antrag nötig. Da die Bäuerinnen und Bauern aber gerade anderes zu tun haben, werden wir es so machen, dass wir sie anschreiben. Das heißt, sie müssen nicht aktiv werden, sondern sie werden von uns informiert. Das heißt, wir setzen das, was Sie zu Recht einfordern, nämlich dass wir unsere Bäuerinnen und Bauern in dieser schwierigen Situation nicht alleine lassen, längst um. Insofern ist Ihre Frage durch Regierungshandeln erledigt. – Vielen Dank. ({1})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Gibt es weitere Fragen zum gleichen Thema aus anderen Fraktionen? – Es gibt eine Nachfrage aus der CDU/CSU-Fraktion.

Steffen Bilger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, die Herausforderungen für die Landwirtschaft sind groß. Wir haben in Ihrem ersten knapp einjährigen Amtsjahr von Ihnen als Bundeslandwirtschaftsminister viele Ankündigungen gehört, was Sie alles anpacken wollen. Daher will ich Sie ganz konkret fragen: Wie viele und welche Gesetze haben Sie bisher durch den Deutschen Bundestag gebracht? ({0})

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Sie haben recht: Es waren einige Ankündigungen. Das hat aber auch etwas damit zu tun, dass die Versäumnisse umfassend sind. ({0}) Ich will die Gelegenheit nutzen, das klarzustellen. Schauen Sie: Sie kennen meine Reden. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die ständig über die letzten 16 Jahre reden. ({1}) Aber wenn Sie so fragen, dann bekommen Sie auch so eine Antwort. Sowohl die Zukunftskommission Landwirtschaft als auch die Borchert-Kommission – um beim Fußball zu bleiben; Sie sind ja, glaube ich, auch VfB-Fan – haben den Ball auf den Elfmeterpunkt gelegt, und es gab noch nicht einmal einen Torwart. Es gab damals keine hohe Inflation, wir waren damals in einer anderen wirtschaftlichen Lage, und es gab einen breiten gesellschaftlichen Konsens zum Umbau der Landwirtschaft. Vom Bauernverband bis zum Umweltschützer: Alle waren bereit, ihren Weg zu gehen. Aber Sie haben es nicht umgesetzt. ({2}) Lassen Sie uns jetzt bitte gemeinsam, auch unter viel schwierigeren Bedingungen aufgrund der hohen Inflation, dafür sorgen, dass wir an dieser Stelle weitermachen, auch wenn manche versuchen werden, auszubüxen und zur Ursprungsposition zurückzukehren. Ich lade Sie wirklich ein: Lassen Sie uns das gemeinsam machen. Ich bin froh, dass Ihre Kollegen Landesminister mir in der Agrarministerkonferenz beim Thema „Umbau der Tierhaltung“ den Rücken gestärkt haben. Sie wissen: Das ist keine Selbstverständlichkeit. Die Diskussionen waren früher viel konfrontativer. Wie viele Landwirtschaftsminister standen hier, die sich darauf berufen konnten, dass die gesamte Borchert-Kommission – da sitzen ja keine Grünen drin; Sie wissen, wer da drin sitzt – und die Agrarministerkonferenz – da gibt es von allen demokratischen Parteien mindestens einen Minister – sich hinter sie gestellt haben? ({3})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Vielen Dank. – Sie dürfen noch eine Nachfrage stellen, wenn Sie möchten.

Steffen Bilger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nach den vielen Ausführungen, nach den vielen Worten auch gerade eben über die Problematik, über die Vergangenheit usw. wollen wir endlich mal konkretes Handeln sehen. Daher wiederhole ich meine Frage, die Sie eben nicht beantwortet haben: Welche und wie viele Gesetze sind von Ihnen bisher durch den Deutschen Bundestag gebracht worden?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Es fängt an mit der Novellierung des Hopfengesetzes. Es wurden viele Verordnungen auf den Weg gebracht. Derzeit wird im Kabinett ein Gesetzentwurf zum Umbau der Tierhaltung beraten. Die Ernährungsstrategie ist auf den Weg gebracht. Wir sind ständig dran. Und weil vorhin das Thema „Bäcker und Metzger“ angesprochen wurde: Ich bin stolz darauf, dass wir es gemeinsam mit dem Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz geschafft haben, Maßnahmen auf den Weg zu bringen, die im Interesse von denjenigen sind, von denen wir besonders abhängig sind: von Bäckern, Brauereien und Metzgern. Gehen Sie also davon aus: Der Bundeslandwirtschaftsminister kämpft Tag und Nacht für die Interessen derer, die auf Unterstützung angewiesen sind. ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Mir liegt noch eine Nachfrage aus einer anderen Fraktion vor: Frau Künast für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Weil mein Kollege aus der CDU gefragt hat, was man durch den Bundestag gebracht hat, dachte ich, man könnte ja auch mal nach dem Bundesrat fragen. Ich hätte gerne noch einmal eine Vorstellung davon: Wie brisant war eigentlich die Situation bei der Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die bei uns mit dem Namen „Düngeverordnung“ aufschlug? Können Sie mir sagen, wie viele Jahre ein entsprechendes Konzept in der Schublade lag und darüber nicht entschieden wurde, wie teuer es hätte werden können, weil wir in der zweiten Stufe des Vertragsverletzungsverfahrens waren, und was Sie dann die Düngeverordnung betreffend gemacht haben? ({0})

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Wie gesagt, ich will den Blick eigentlich gar nicht zurückwerfen, weil ich nicht glaube, dass das den Landwirten viel hilft, aber ich beantworte Ihre Frage sehr gerne. 2013 – aus der Zeit stammt das Vertragsverletzungsverfahren. Nahezu zehn Jahre ist das Thema nicht abgearbeitet worden. Die Strafen, um die es gegangen wäre, wären 800 000 Euro pro Tag gewesen. Wenn man das alles zusammenrechnet, hätte es eine Strafe von bis zu 1 Milliarde Euro sein können. Ich will mich hier nicht mit Dingen schmücken, die ich nicht alleine gemacht habe. Das habe ich mit meinem Haus auf den Weg gebracht, aber auch mit Unterstützung der Agrarminister der Länder. Ich bin sehr dankbar dafür. Aber es ist noch nicht ganz vorbei. Wir müssen die Umsetzungsrichtlinie bis November in den Ländern in trockenen Tüchern haben. Dann haben wir eine weitere Aufgabe: Wir müssen dafür sorgen, dass das Verfahren durch eine Verdichtung des Messstellennetzes etc. so weit optimiert wird, dass anschließend das Verursacherprinzip gelten kann. Dafür setze ich mich ein. Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, dass es zu keinen Strafzahlungen kommt. Deutschland hat wieder ein anständiges Verhältnis zur Kommission und findet dort Gehör. ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Vielen Dank. – Wir sind immer noch bei Fragen zum gleichen Thema. Ich lasse noch eine Frage aus der Fraktion Die Linke zu.

Ina Latendorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005123, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Minister, die Eingangsfrage in dieser Runde drehte sich um die Kosten für Nahrungsmittel. Sie haben geantwortet, dass eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel nicht in Betracht gezogen wird. Ich möchte es ein bisschen spezifizieren. Die Linke – Sie wissen das – unterstützt die Forderung, die ich auch schon aus Ihrem Mund gehört habe, die Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel auf null durchzusetzen, zumindest temporär, so wie die EU dies erlaubt. Ich möchte Sie bitten, mir zu beantworten, was Sie dafür tun, damit diese Forderung, die von Ihnen selbst erhoben wurde, umgesetzt wird.

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Herr Minister.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Ich tue, was man als Minister tut. Man bringt einen Vorschlag ein, und dann schaut man, ob man dafür eine Mehrheit hat oder nicht. Ich glaube, es geht allen meinen Kabinettskolleginnen und ‑kollegen so, dass sie hier und da ein Projekt haben, für das sie sich Unterstützung wünschen würden – durch andere Fraktionen, manchmal auch durch Mitglieder der eigenen Fraktion oder Partei –, und dann passiert das eben nicht. Das muss ich akzeptieren. Das ist Demokratie. Ich bin ja hier nicht mit einem Vetorecht ausgestattet, sondern wir müssen in einer gemeinsamen Regierung Mehrheiten organisieren. Und ich habe den Verdacht: So, wie ich davon überzeugt bin, dass meine Ideen gut und richtig sind, sind das andere bezogen auf ihre Ideen auch. Am Ende müssen wir schauen, wie wir das vernünftig zusammenbringen. Das ist in Koalitionen so. Ich will aber auch ausdrücklich sagen: Das ist uns hier beim dritten Entlastungspaket sehr gut gelungen. Nur um die Punkte noch mal zu nennen: Die Einmalzahlung von 3 Euro Energiepreispauschale ({0}) hilft jetzt gerade denjenigen, die darauf beim Einkauf besonders angewiesen sind. Denken Sie an die Ausweitung der Midijobs! Denken Sie aber auch an die Abschaffung der kalten Progression! Die Landwirtinnen und Landwirte sehen sich als Unternehmer. Sie profitieren davon in ganz besonderer Weise. All diese Dinge helfen der Landwirtschaft. Sie helfen aber auch den Konsumentinnen und Konsumenten, und damit schließt sich ein Kreis. Zur Frage des Mehrwertsteuersystems. Ohne dass ich jetzt zu viel sage und nachher Ärger bekomme, behaupte ich: Das System schreit danach, dass man es sich mal insgesamt anschaut und unter logischen Gesichtspunkten überprüft. ({1})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Möchten Sie noch eine Nachfrage stellen? – Dann würde ich jetzt in der Liste weitergehen. Die nächste Fragestellerin ist Peggy Schierenbeck aus der SPD-Fraktion.

Peggy Schierenbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005206, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Es muss für alle leichter werden, sich gesund zu ernähren. Die Erarbeitung einer umfassenden Ernährungsstrategie kommt genau zur richtigen Zeit. Ich begrüße es daher sehr, dass das BMEL die Federführung übernommen hat und relevante Stakeholder bei der Entwicklung der Strategie miteinbezieht. Für uns als SPD-Fraktion sind die Bekämpfung von Ernährungsarmut und der Fokus auf Kinder und Jugendliche besonders wichtig. Die Gemeinschaftsverpflegung ist da ein zentraler Ansatzpunkt, ein wichtiger Hebel, den wir nutzen müssen. Meine Fragen sind: Wie ist der aktuelle Stand der Ernährungsstrategie? Wann können wir mit dem Eckpunktepapier rechnen? Und wie geht der weitere Prozess vonstatten?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Ich bin Ihnen sehr dankbar für die Fragen, ({0}) weil es mir auch ein Herzensanliegen ist, das Thema Ernährungsstrategie voranzubringen als jemand, der selber aus einer Familie stammt, wo du nachmittags schauen musstest, dass du dein Mittagessen bekommst, da die Mutter, der Vater oder beide berufstätig sind und die Schule keine Ganztagsschule ist. Daher will ich hier mal sagen: Wir sind die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt. Es muss uns möglich sein und dieses Land muss es sich leisten können, dass jedes Kind in diesem Land in der Schule, aber auch alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Fabrik, alle Menschen, die im Krankenhaus sind, alle, die in einer Pflegeeinrichtung sind, ein vollwertiges, gesundes Essen bekommen. Das ist unmöglich, dass wir das bis heute in der Bundesrepublik Deutschland nicht realisiert bekommen. ({1}) Da die Zeit davonläuft und ich Ihre Frage beantworten möchte: Wir haben auf den Startknopf gedrückt. Es gab eine erste Auftaktrunde, an der über 150 Teilnehmer aus Verwaltung, Wissenschaft, Verbraucherschaft, Umweltschutz, Zivilgesellschaft teilgenommen haben. Wir gehen jetzt weiter. Als Nächstes müssen wir das als Vorlage ins Kabinett einbringen; denn das ist kein reiner Akteursprozess. Es liegt mir sehr viel daran – das passt zu der Frage von vorhin – und erfordert einen Kabinettsbeschluss; als Nächstes kommt also die Umsetzung in der Bundesregierung. Vielleicht in aller Kürze, weil ich weiß, dass Sie sich dafür interessieren: Es geht darum, dass wir insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund, Kinder, armutsgefährdete Haushalte in den Blick nehmen. Auch die haben es verdient, ein gesundes, vollwertiges Essen zu bekommen, die notwendigen Informationen und den Zugang dazu. ({2})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Möchten Sie eine kurze Nachfrage stellen?

Peggy Schierenbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005206, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, danke.

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Dann frage ich: Gibt es aus anderen Fraktionen eine Nachfrage? – Der Kollege aus der CDU/CSU-Fraktion.

Artur Auernhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003706, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Bundesminister, Sie haben gerade erwähnt, dass Ernährung sehr wichtig ist und dass es auch sehr wichtig ist, dass die Menschen gesunde Lebensmittel zu sich nehmen dürfen und können. Aktuell erleben wir aber, dass gerade bei vielleicht nach Ihrer Ansicht hochwertigen Lebensmitteln aus dem Biobereich die Absatzzahlen in den Hofläden, in der Direktvermarktung zurückgehen. Der Verbraucher greift immer mehr zu Billigprodukten in den Discountern. Was haben Sie hierauf für Antworten, damit wir diese Struktur der Hofläden und der Vermarktungswege von Ökolandbau, die auch wir in den letzten Jahren aufgebaut haben, erhalten? Was machen Sie in Ihrem Haus, um dieses aufrechtzuerhalten?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Sie haben in Teilbereichen recht. Es ist tatsächlich so, dass es eine Verlagerung bei den Konsumentinnen und Konsumenten gibt. Ganz wichtig – das ist zum Teil etwas unvollständig dargestellt worden –: Der Anteil derer, die Bioprodukte kaufen, geht nicht zurück, sondern sie schauen, wo sie sie einkaufen. Sie gehen zum Discounter, sie gehen zum Teil weg vom Bioladen, sie gehen zum Teil weg vom Hofladen; ich höre das immer wieder. Das gilt übrigens auch für die Unverpacktläden, auch eine ganz spannende Innovation, die es in den letzten Jahren gab. Was können wir tun? Erstens ist es wichtig, zu wissen, dass Bioprodukte und diejenigen, die biologisch wirtschaften, gerade ihren Vorteil ausspielen können. Bei ihnen besteht keine Abhängigkeit von mineralischem Dünger. Wir merken zudem gerade, dass das Preisgefälle zwischen konventionell und bio drastisch gesunken ist, die Preise sich angenähert haben, zum Teil identisch sind. Das ist das Erste. Das Zweite ist: Es braucht hier also Informationen. Das Dritte ist: Der Staat kann über die außerhäusliche Verpflegung bei der Nachfrage einiges tun. Sie wissen, dass wir das Ziel von 30 Prozent bio bis 2030 haben. Dazu können wir etwas beitragen, indem wir dafür sorgen, dass wir in den eigenen Kantinen zum Beispiel, aber natürlich auch dort, wo wir selber Einkäufer sind, entsprechend darauf achten, dass die Lebensmittel bio, regional, saisonal, aus Deutschland sind – all das, an dem wir ein gemeinsames Interesse haben; davon gehe ich aus.

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Kollege Auernhammer, möchten Sie eine Nachfrage stellen?

Artur Auernhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003706, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte nur kurz nachfragen: Was wollen Sie akut für die Verbesserung der Einkommenssituation der Bauernfamilien tun, die auf Bioproduktion umgestellt haben, die auch die Erwartung haben, dass sie jetzt auf ökologischen Landbau umstellen können? Was wollen Sie für diese Betriebe tun, die eine höhere Wertschöpfung brauchen und nicht Billigware für den Discounter produzieren können?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Ich gehe völlig d’accord, was das Anliegen angeht. Wir haben da ein ganzes Bündel an Maßnahmen, die den Landwirtinnen und Landwirten helfen. In meinem Eingangsstatement war ja der Umbau der Tierhaltung ein ganz wesentlicher Punkt. Da ist eine Biostufe genau aus dem Grund, den Sie angesprochen haben, auch mit dabei. Das gilt aber natürlich auch für das Bundesprogramm zum Stallumbau; das gilt für das Zukunftsinvestitionsprogramm; das gilt für die Förderungen von Investitionen in emissionsmindernde Maßnahmen bei der Vergärung von Wirtschaftsdüngern; das gilt für das Bundesprogramm zur Steigerung der Energieeffizienz und CO2-Einsparung in Landwirtschaft und Gartenbau; das gilt für den Fonds „Aufbauhilfe 2021“; das gilt für das, was ich vorher angesprochen hatte, Stichwort „180 Millionen Euro“; und das gilt natürlich auch für das klimaangepasste Waldmanagement mit der Honorierung von Ökosystemleistungen. Es gilt ganz besonders dafür, dass wir jetzt auch endlich bei der Forschung zum Ökolandbau vorangehen. Sie wissen: Das ist ein Bereich, der lange Zeit vernachlässigt wurde. Als Argument gegen den Ausbau des Ökolandbaus wurde vorgebracht, dass die Produktivität niedriger sei. Sie wissen als Praktiker: Das Argument kann man umdrehen; denken wir an die Wasserbindefähigkeit, daran, wie das Wasser ins Grundwasser geht, an die Humusqualität oder die Abgabe von Emissionen oder an das Thema „Abhängigkeit von Futtermitteln aus Drittstaaten“. Vor allem aber kann man über Forschung dazu beitragen, dass wir die Produktivität nahe an die der konventionellen Landwirtschaft heranbringen. Da sind wir massiv unterwegs, indem wir die Mittel jetzt kräftig aufstocken. ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Vielen Dank. – Als Nächstes habe ich eine Nachfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast.

Renate Künast (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003576, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielleicht können wir, nachdem Herr Auernhammer sich auf die Landwirtschaft verlegt hat, den Blick wieder zurück auf das Thema Ernährung und damit auf die Menschen richten. ({0}) – Na ja, man kann alles immer dahin ziehen; aber betrachten wir doch mal das Ernährungsthema aus der Sicht der Menschen, insbesondere der Kinder. Wir haben Ernährungsarmut, wir haben aber auch 35 Milliarden Euro, die die Krankenkassen wegen Fehlernährung – meistens zu viel vom Falschen – zahlen. 35 Milliarden Euro für ernährungsbedingte Erkrankungen! Das sind Summen, die für sonstige notwendige medizinische Behandlungen fehlen. Das ist eine Gerechtigkeitsfrage, eine soziale Frage und auch eine, die in diesen Bereich gehört. ({1}) – Ja, intelligenter Zwischenruf. Gut. Sie waren doch gegen die Dinge, die ich einführen wollte. Aber wir können gerne über Ihre 16 Jahre reden. ({2}) Ich möchte jetzt gerne wissen – das ist meine Frage an den Minister –: Was sind die Kernpunkte einer solchen Ernährungsstrategie und auch der Maßnahmen, die in der Breite kommen: bei der Gemeinschaftsverpflegung, beim Thema Food Waste und bei der Ausrichtung neuer Rezepturen? Darauf kommt es ja an. Das sind Punkte, die jetzt schon anstehen. Vielleicht können Sie auch sagen, was sich bei der Gemeinschaftsverpflegung in den Bundeskantinen tut. Frau Bas, unsere Präsidentin, hat ja das Thema „Ernährung in den Kantinen“ hier schon an den Innenausschuss gegeben, der Bundestag bewegt sich also. Wie bewegt sich die Bundesregierung?

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Herr Minister. – Und bitte alle auf die Zeit und auch auf das Thema achten. ({0})

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Dann versuche ich das. – Vielen Dank. Ich fange mit dem Letzteren an. Wir sind dabei, Gespräche zu führen, Frau Kollegin Künast. Danke, dass Sie uns daran erinnern. Sie haben natürlich völlig recht: Wir sind da nur glaubwürdig, wenn wir das praktizieren, was wir von anderen fordern. Das umfasst auch die Thematik „30 Prozent Bioanteil“; da hinken wir hinterher. Was die grundsätzliche Ausrichtung angeht, will ich Ihnen erst mal dafür danken, dass Sie die Krankenkassen angesprochen haben – eine Stimme, die wir in dem Kontext leider viel zu wenig hören. Denn es geht nicht nur um das gesundheitliche Wohlbefinden – ich komme gleich dazu, was die Kernziele sind –, sondern auch darum, dass man präventiv unterwegs ist und auch Geld spart. Es ist einfach auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll, dass wir nicht über ernährungsbedingte Krankheiten Probleme schaffen, die wir nachher mühsam wieder beseitigen müssen, abgesehen davon, was das für einen Verlust an Lebensqualität beinhaltet, neben der sozialpolitischen Sauerei, dass eben manche davon besonders betroffen sind. Auch unter dem Aspekt kann man das diskutieren. In aller Kürze, wegen der Zeit: Es geht um einige zentrale Ziele. Es geht um eine stärker pflanzenbetonte Ernährung. Die Empfehlungen der Wissenschaft sind hier ganz eindeutig; da gibt es kein Vertun, wenn man nicht postfaktisch unterwegs ist. Es geht um eine weitere Reduzierung des Konsums von Zucker, Fett und Salz. Es geht um die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung – auch da führen wir Dinge der Vorgängerregierung fort und ergänzen sie jetzt um einige neue Maßnahmen – und schließlich um die Förderung der Gemeinschaftsverpflegung mit einem erhöhten Anteil an saisonalen, regionalen und ökologisch-klimafreundlich erzeugten Lebensmitteln. Wir wollen diesen Prozess bei mir im Ministerium nicht wie aus dem Elfenbeinturm vorantreiben, sondern es ist mir wirklich sehr wichtig, dass alle relevanten Stakeholder, wie man auf Neudeutsch so schön sagt, mit am Tisch sitzen, weil das am Ende nur funktionieren wird, wenn es gesellschaftlich angenommen wird. Wenn ich da irgendwas verkünde, dann bleibt es eine Verkündigung. Es muss gesellschaftlich angenommen umgesetzt werden. Wir müssen das außerdem so machen, dass das kein Programm für Bildungsbürger wird. Darauf werde ich sehr achten. Das ist ein Programm für die gesamte Gesellschaft, das so aufgebaut ist, dass es auch wirklich alle in den Blick nimmt. ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Sie möchten keine Nachfrage mehr stellen? – Zur Ernährungsstrategie keine Nachfrage mehr? – Dann gehe ich weiter in der Liste der angemeldeten Fragesteller. Als Nächstes: aus der AfD-Fraktion Stephan Protschka.

Stephan Protschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004858, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! – Sehr geehrter Herr Minister, Sie haben von Verlässlichkeit gesprochen; Sie haben von der Zukunft in der Landwirtschaft oder in der Ernährung gesprochen. Das ist ja sehr lobenswert. Allerdings: Der Produktionsstopp des deutschen Düngemittelherstellers SKW Piesteritz ist vermutlich besonders kritisch, weil ungefähr zwei Drittel der hergestellten Düngemittel aus dieser Firma kommen. Davon ist nicht nur die Düngemittelproduktion in Europa betroffen, sondern Stickstoff ist ja auch ein Nebenprodukt des AdBlue und ein Nebenprodukt des CO2. Somit ist die Landwirtschaft betroffen, ist der Transport betroffen, ist die Lebensmittelherstellung, in dem Fall die Getränkeproduktion, betroffen. Wie denken Sie hier einzugreifen, vor allem, da man heute gehört hat, dass der Firma Uniper mittlerweile schon zum zweiten Mal geholfen wurde, einmal mit der Gasumlage und jetzt mit der Verstaatlichung? Gibt es da ähnliche Pläne bei Ihnen im Haus? – Danke.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Vielen Dank für die Frage. – Die Bundesregierung befindet sich hinsichtlich der Frage der Düngemittelversorgung in engem Austausch zum einen mit der Landwirtschaft, zum anderen mit dem Landhandel und schließlich mit der Düngemittelindustrie. Nach den derzeit unserer Regierung vorliegenden Informationen sind Engpässe bei der landwirtschaftlichen Düngemittelversorgung für das Jahr 2023 nicht abzusehen. Wie sich die Verfügbarkeit, aber natürlich auch die Frage der Preise für landwirtschaftliche Düngemittel – die ist ja ganz entscheidend – im folgenden Jahr für die heimische Landwirtschaft entwickeln werden, hängt logischerweise nicht zuletzt vom Fortgang des Krieges Russlands gegen die Ukraine ab. Da haben Sie wahrscheinlich über Ihre Kontakte mehr Zugang zu Herrn Putin als andere Fraktionen hier im Haus. ({0}) Wenn Ihnen das Anliegen, dass wir unsere Landwirte nicht alleine lassen, was ich ja zu hundert Prozent teile, so wichtig ist, dann dürfen Sie nicht vergessen, dass ein wesentlicher Treiber – viele der Fragen, über die wir hier geredet haben, haben in ihm ihren Ursprung – der schreckliche, verbrecherische Angriffskrieg Wladimir Putins gegen die Ukraine ist. ({1}) Sobald der endet, gibt es eine Beruhigung an den Preismärkten. Sobald der endet, kann die Ukraine ihre Rolle als Lieferant wieder einnehmen. Sobald der endet, werden die Preise für Düngemittel etc. sinken. Insofern: Bitte lassen Sie uns das bei der Gelegenheit nicht vergessen! ({2}) Ich glaube, von hier aus geht auch im Namen aller ein Gruß an die Bäuerinnen und Bauern in der Ukraine, die ihre Heimat verteidigen und zur Versorgung der Menschen beitragen.

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Ich bitte, auf die Zeit zu achten.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Ja. Ich komme zum Schluss. – Es ist mir natürlich als ehemaligem Bierbotschafter selber ein wichtiges Anliegen: Das Bier wird nicht schal. Auch da sind wir im Gespräch, Stichwort „Biogas“. Wir schauen uns sehr genau an, wie wir denjenigen, die da betroffen sind, helfen können, dass die Produktion aufrechterhalten werden kann. – Sorry für die Zeitüberziehung. ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Herr Protschka, Sie können eine Nachfrage stellen.

Stephan Protschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004858, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Minister, das waren die erwarteten leeren Worthülsen wie „Putin-Versteher“ oder „Rechtspopulist“, und was anderes ist man ja aus Ihrem Hause und von Ihnen nicht gewöhnt. Aber Lösungen gab es jetzt leider wieder keine. Der Preisanstieg bei Düngemitteln war ja schon im Oktober letzten Jahres; also hat er relativ wenig mit dem Ukrainekrieg zu tun. Aus dem ifo-Institut kam ja schon im Februar, vor Beginn des Krieges, die Nachricht, dass eine drastische Preiserhöhung von bis zu 7 Prozent in der Nahrungsmittelproduktion kommen wird – auch vor dem Krieg! Also kann der Krieg nicht ganz so viel damit zu tun haben, sondern vielleicht hängt es eher mit der schlechten Regierungsarbeit Ihres Hauses zusammen. Eine Frage. Wir haben ein Düngemittelproblem; das ist uns jetzt allen bewusst. Laut einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von mir wird der Stickstoffbedarf aktuell zu 31 Prozent mit Wirtschaftsdünger abgedeckt. Aber Sie wollten die Nutztierhaltung reduzieren. Wie decken wir dann den Bedarf an Dünger, wenn Sie die Tierhaltung reduzieren wollen, wir aber auf Wirtschaftsdünger angewiesen sind, wo nun noch die Stickstoffdüngerproduktion eingestellt wird? – Danke schön.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Wenn man der weltweiten, zunehmend angespannten Versorgungssituation, was Düngemittel angeht, begegnen will, dann ist doch geradezu zwingend der wichtigste Ansatz, dass wir den Einsatz von energieintensivem mineralischem Stickstoffdünger reduzieren und immer da, wo möglich, durch alternative, idealerweise auch ökologisch vorzugswürdigere Maßnahmen ersetzen. Sie haben das Thema Wirtschaftsdünger angesprochen. Ich meine, da haben wir ja einen dramatischen Wandel. Viele Bäuerinnen und Bauern hatten früher Schwierigkeiten, das Zeug loszuwerden; das hat sie viel Geld gekostet. Mittlerweile kriegen sie Geld dafür. Da hat sich einiges geändert. Insgesamt geht es auch bei uns, in unserem Ressort, darum, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden. Wir haben ja beim Biogas jetzt noch mal einiges möglich gemacht; das wird uns helfen. Das ist übrigens eine gute Einnahmequelle für unsere Bäuerinnen und Bauern, auch was den Einsatz von Gülle angeht. Natürlich geht es auch darum, überall da, wo möglich, zu versuchen, durch Digitalisierung, durch technischen Fortschritt die Notwendigkeit des Einsatzes von Stickstoffdünger zu reduzieren. Da haben unsere Bauern durch die wirtschaftliche Not schon einiges an Einsparungen bewerkstelligt. Bei der Gelegenheit kann man denen übrigens auch dafür danken, dass sie unter diesen schwierigsten Bedingungen versuchen, den Betrieb aufrechtzuerhalten. ({0}) Das ist wirklich eine Riesenleistung.

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Wir sind beim Thema „Düngemittelversorgung und Beitrag der Industrie“. Ich sehe weitere Nachfragen. – Zunächst nehme ich den Kollegen aus der CDU/CSU für eine Nachfrage zum Thema „Düngemittelversorgung“ dran.

Steffen Bilger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004011, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, SKW Piesteritz sagt, dass die Gasumlage 30 Millionen Euro Zusatzkosten pro Monat bedeutet. Die Produktion steht still, mit allen Folgen: AdBlue-Versorgung, aber eben auch die Auswirkungen auf die Düngemittelproduktion. Jetzt haben Sie ja sicher heute im Kabinett auch über das Thema Gasumlage diskutiert. Mich würde interessieren, wie Sie sich in diese Debatte als Bundeslandwirtschaftsminister eingebracht haben. Waren Sie vielleicht auch in der einen Runde dabei, wo Herr Habeck Medienberichten zufolge die Gasumlage an sich infrage gestellt hat? Wie ist Ihre Position als Bundeslandwirtschaftsminister zur Gasumlage?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Ich habe mich heute nicht im Kabinett eingebracht, weil es keine Kabinettssitzung gab. Die letzte Kabinettssitzung fand letzte Woche statt. Wir sind eng im Gespräch mit dem Bundeswirtschaftsminister – mein Haus und das Haus des Wirtschaftsministers, aber auch wir persönlich – über die Frage, wie wir dazu beitragen können, dass der notwendige Bedarf, auch was die Energiesicherung der Lebensmittelwirtschaft, der Düngerindustrie angeht, von allen gesichert werden kann. Es kann, glaube ich, keine zwei Meinungen darüber geben, dass das geradezu existenzsichernd ist, und es gibt insofern bei der Priorisierung keine zwei Meinungen darüber, dass die ganz vorne sind. Was die Frage angeht, ob man darüber hinausgehende Maßnahmen trifft: Es gab ja auch die Forderung, einen Düngervorrat anzulegen. Ich versuche gerade, mir das praktisch vorzustellen, wie das hätte aussehen sollen: Der Staat greift in den Markt ein, schafft einen Düngervorrat, schafft dadurch eine Verknappung und logischerweise einen Anstieg der Preise mit dramatischen Konsequenzen. Also, da bin ich doch immer noch ein Fan des Marktes und finde, wir müssen schauen, wie wir dazu beitragen, dass der Markt funktioniert. Aber ich glaube nicht, dass es der bessere Weg ist, wenn der Staat jetzt einen Düngervorrat schafft. Das würde nur zu einer künstlichen Verteuerung der Preise führen. Das wäre, glaube ich, keine gute Idee.

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Möchten Sie eine Nachfrage stellen? – Nein. Dann kommt jetzt der Kollege Kraft aus der AfD-Fraktion.

Dr. Rainer Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004792, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – In der vergangenen Sitzungswoche, der Haushaltswoche, gab es eine Sondersitzung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie. Ihr Partei- und Kabinettskollege, der Vizekanzler Habeck, hat dort sinngemäß – es war eine nichtöffentliche Sitzung – gesagt, er sieht für die erdgasverarbeitende Industrie, insbesondere die Ammoniakherstellung, keine dauerhafte Zukunft am Standort Deutschland. Nun ist Ammoniak ein Grundstoff für die Düngemittelproduktion. Die Frage ist, wie Sie und Ihr Ressort damit umgehen, dass Ihr Kollege für die Grundstoffversorgung mit Ammoniak in Deutschland keine Zukunft sieht, weil die Energiepreise weiter hoch bleiben werden.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Mir ist die Äußerung nicht bekannt; deshalb kann ich nichts dazu sagen. Aber mit dem Kollegen Habeck sind wir eng im Gespräch. Er hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, ({0}) dass völlig klar ist, dass alles, was mit Ernährungssicherung zu tun hat, systemrelevant ist. Ich meine, allein dass Sie diese Frage stellen, zeigt ja, dass Sie nicht ganz richtig gewickelt sind. ({1}) Die Ernährungssicherung dieses Landes ist systemrelevant. ({2}) Und das ist, glaube ich, Konsens. Selbst wenn nicht mehr diese Regierung, sondern die Union oder wer auch immer regieren würde, würde der Landwirtschaftsminister, von welcher Partei auch immer, immer sagen: Ernährungssicherung ist systemrelevant. – Das hat immer oberste Priorität zu sein; das ist ja wohl so was von klar. Ich bin froh, dass es der Bundeswirtschaftsminister auch so sieht. ({3}) Übrigens hatten wir auf meine Veranlassung hin auch ein Gespräch mit Klaus Müller zur Lebensmittelindustrie. Das haben wir sehr früh gemacht, um den Sorgen zu begegnen. Ich bin sehr dankbar – ich will das an der Stelle auch sagen –, dass die Lebensmittelindustrie ihren Beitrag dazu leistet, Energie zu sparen. Das ist keine Selbstverständlichkeit – das sind zum Teil Prozesse, die nicht ohne sind –, dass sie ihren Beitrag dazu leistet, dass wir insgesamt gut durch den Winter kommen. Auch da kann man gelegentlich mal Danke sagen, ({4}) dass die Lebensmittelindustrie bereits jetzt ihren Beitrag zum Energiesparen leistet und versucht, diese Krise dafür zu nutzen, dass wir danach stärker dastehen. ({5})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Sie können noch eine kurze Nachfrage stellen.

Dr. Rainer Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004792, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank. – Herr Minister, wunderbar, dass Sie die Systemrelevanz der Ernährungssituation in Deutschland aufzeigen. Aber ich möchte mal feststellen: Die systemrelevante Ernährung hängt an den Düngemitteln, die Düngemittel hängen an der Ammoniakproduktion, die Ammoniakproduktion hängt an der Energieversorgung. Und wie wir von Ihrem Kollegen und Vizekanzler wissen, ist die Energieversorgung bei uns ein Glücksspiel, das von einem guten Winter abhängt, der uns vielleicht die Chance gibt, dass wir da gut durchkommen. Für wie systemrelevant halten Sie denn die Hoffnung auf gutes Wetter im kommenden Winter, von der folglich die Ammoniakproduktion, von der folglich die Düngemittelproduktion und von der folglich die Produktion von Lebensmitteln im nötigen Umfang für die Bundesrepublik Deutschland abhängen? Wie systemrelevant ist die Hoffnung auf gutes Wetter?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Das hat er nicht gesagt; das ist einfach nicht zutreffend. ({0}) Deshalb korrigiere ich das bei der Gelegenheit. Diese Äußerung ist falsch, und sie sollte auch nicht öffentlich verbreitet werden. Im Gegenteil: Der Bundeswirtschaftsminister – auch da kann man Danke sagen, die Opposition dann vielleicht unter dem Tisch – hat dafür gesorgt, dass wir beim Füllstand der Speicher bei über 90 Prozent sind. ({1}) Ich gestehe: Das hätte ich nicht für möglich gehalten, als ich die ersten Informationen über den Zustand der Speicher erfahren habe. Das ist eine gute Nachricht für unser Land, parteiübergreifend, dass wir bei über 90 Prozent Füllstand sind. Wir sind weit, was LNG-Terminals angeht, was die Verfahrensbeschleunigung angeht, was den Ausbau der erneuerbaren Energien angeht, übrigens auch unter Einbezug von Beschlüssen – Sie kennen die –, die auch uns hier und da wehtun. Ich nenne als Stichwort: Wie setzen wir die Verfahrensbeschleunigung ins Verhältnis zum Naturschutz? Eins sage ich Ihnen auch: Wenn jeder immer sagt, was gerade nicht geht, dann wird es nicht funktionieren. Wir brauchen eine sichere, funktionierende Energieversorgung in der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt, die bezahlbar ist. Im Hinblick auf die Preise rate ich Ihnen einen Blick in die europäischen Nachbarländer, die Energieformen nutzen, die Sie, glaube ich, eher bevorzugen. Vergleichen Sie das mal; dann werden Sie sehen, dass wir in Deutschland auf einem guten Weg sind. Wir werden dank unserer Bevölkerung, dank unserer großartigen Wirtschaft gemeinsam solidarisch durch diesen Winter kommen. ({2}) Es wird keinen erfolgreichen Erpressungsversuch Putins gegenüber Deutschland geben. ({3}) Wir werden dafür sorgen, unterstützt durch die demokratische Opposition. Und Sie werden sich ärgern, wie man ja bei nichtabgestellten Mikrofonen hören konnte.

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Ich möchte daran erinnern, dass sich alle an die Zeit halten; sonst kommen wir mit den Fragen nicht durch. Ich möchte auch noch mal auf das Thema kommen. Die Ursprungsfrage betraf die Düngemittelversorgung und den Beitrag der Industrie dazu. Jetzt gibt es noch eine Nachfrage von dem Kollegen Karl Bär aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Karl Bär (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005017, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank für die Ausführungen. – Ich selbst finde es sehr bedenklich, dass wir für einen Teil der Lebensmittelversorgung darauf angewiesen sind, dass die konventionelle Landwirtschaft ausreichend Düngemittel aus Fabriken bekommt, die auf fossile Energieträger angewiesen sind, die wir von weither importieren müssen. Es schafft jetzt offensichtlich Probleme, dass wir uns von Russland und Herrn Putin abhängig gemacht haben. Wie kommen wir von diesen Abhängigkeiten herunter, die ja bestehen? ({0})

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Das betrifft jetzt natürlich vor allem andere Ressorts. Aber in aller Kürze, da ich ja auch Mitglied der Bundesregierung bin: Der wesentlichste Bestandteil ist sicherlich, dass wir die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern so schnell wie möglich reduzieren. Schauen wir uns doch mal die Regierungsformen der Länder an, wo fossile Energieträger herkommen: Da gibt es wenige Demokratien. Es sind fast alle autoritäre Gesellschaften bis hin zu Diktaturen. ({0}) Insofern haben wir alle miteinander ein Interesse daran, dass es im Turbogang vorangeht. Den Zwischenruf habe ich wohl gehört. Aber Sie sollten sich über die ärgern, die uns in die Lage gebracht haben, dass wir jetzt entscheiden müssen, wo wir die Energie herholen, um dafür zu sorgen, dass wir sicher durch diesen Winter kommen. Dazu gehört der Ausbau der Netze; auch das haben wir sträflich vernachlässigt. Dazu gehört eine massive Entbürokratisierung; das bringen wir gerade voran. Dazu gehört natürlich auch, dass mein Sektor seinen Beitrag dazu leistet, indem wir die Abhängigkeit von mineralischem Dünger reduzieren, indem wir beispielsweise Programme auflegen – das haben wir – und schauen, dass die hinterlegten Mittel auch abgerufen werden – das machen wir jetzt besser – und wie wir dafür sorgen können, dass landwirtschaftliche Betriebe weniger auf fossile Energieträger angewiesen sind. Die Aufgabe ist eine nationale: Es betrifft Kommunen, Länder, den Bund gemeinsam, und natürlich auch die Europäische Union. Da es die gesamte Regierung betrifft, betrifft es auch mein Haus. Auch mein Haus muss seinen Beitrag dazu leisten, dass die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern so schnell wie möglich sinkt; das tun wir. ({1})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Möchten Sie eine Nachfrage stellen? – Nein. Danke schön. Gibt es weitere Fragen zu dem Thema Düngemittelindustrie? Sonst würde ich nämlich in der Liste gerne weiter fortfahren. ({0}) – Kurz zum Thema Düngemittelversorgung.

Stephan Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004678, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Logisch. Ich habe mich ja schon ziemlich lange gemeldet nach der Aussage von Herrn Özdemir, die sinngemäß lautete: Die Bundesregierung befürchte für das Jahr 2023 keinen Mangel bei der Düngemittelversorgung. Ich hoffe, ich habe das so richtig vernommen. Da habe ich mich daran erinnert, dass sich die Düngemittelpreise in diesem Jahr schon ungefähr verfünffacht haben, was ja wohl auf einen absoluten Mangel schon in diesem Jahr hinweist, sonst würden die Preise nicht explodieren. Sie haben vielleicht Grundwissen, was Angebot und Nachfrage angeht, Herr Özdemir; das unterstelle ich jetzt mal. Vielleicht sind Sie da ein bisschen pfiffiger als der Kollege Habeck. ({0}) Also, wenn wir keine Mangellage hätten, dann wären die Preise nicht schon in diesem Jahr explodiert. Ich stelle mal meine Frage: Wie definieren Sie denn eine Mangellage an Düngemitteln? Dass sich gar keiner mehr Düngemittel leisten kann oder nur noch die, die viel Geld haben? Es wäre schön, wenn Sie versuchen, die Frage jetzt mal zu beantworten, ohne direkt persönlich zu werden, ohne Plattitüden herauszublasen und ohne die AfD zu beleidigen. ({1})

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Sie meinen, so wie Sie es gerade am Anfang Ihrer Frage gemacht haben? ({0})

Stephan Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004678, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ich habe die AfD nicht beleidigt.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Das habe ich ein bisschen anders gelernt an meiner Schule, aber ich bin auch nicht in Vulgarien auf die Schule gegangen.

Stephan Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004678, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ich auch nicht.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Aber zu Ihrer Frage – –

Stephan Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004678, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Was haben Sie denn gegen Bulgarien?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

„Vulgarien“ habe ich gesagt.

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Wir konzentrieren uns jetzt auf die Antwort des Ministers zum Thema. ({0})

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Ich zitiere es noch mal; denn den Satz habe ich mir extra aufgeschrieben. Ich habe gesagt: mögliche Engpässe, was die Preise angeht. – Was die Menge angeht, ist es gegenwärtig zu früh, um etwas darüber zu sagen. Wir wissen beispielsweise, dass es beim Weizen zusätzlich zur begrenzt verfügbaren Menge auch noch mal eine Preisspekulation über volatile Märkte gibt. Hier ist es in ähnlicher Weise so. Das heißt, es gibt einen Zusammenhang, aber es ist nicht zwingend so, dass sich der Preis über die Menge allein bestimmt, weil wir es hier auch mit volatilen Märkten zu tun haben. Was wir also beitragen können, ist – ich wiederhole es noch mal –, so schnell wie möglich den Krieg zu beenden. Was wir beitragen können, ist, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren. Was wir beitragen können, ist, da, wo möglich, für Ersatz zu sorgen. Das machen wir beispielsweise über Biogas; das hilft bereits heute vielen. Beim Getränkehandel schauen wir uns das sehr genau an. Wir sind mit all denen, die auf Kohlensäure angewiesen sind, im Gespräch darüber, wie wir dazu beitragen können, dass Abhängigkeiten reduziert werden. Das Ziel ist, dass wir möglichst niemanden dabei verlieren und auf der Strecke lassen. ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Möchten Sie eine Nachfrage stellen?

Stephan Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004678, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ja, eine reine Verständnisfrage. – Jetzt haben Sie gesagt: Dass die Mangellage im nächsten Jahr nicht eintreten soll, das hätte ich falsch verstanden. Es wäre eine Mangellage, die sich an den Preisen orientiert. Das habe ich jetzt wieder nicht verstanden. Was haben denn die Preise mit einer Mangellage zu tun, Herr Bundesminister Özdemir? ({0})

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Ich kann Ihnen auch noch eine Interpretationshilfe nachliefern: Nach den uns derzeit vorliegenden Informationen sind Engpässe bei der landwirtschaftlichen Düngemittelversorgung für 2023 gegenwärtig nicht abzusehen. Ich sage aber auch: Wie sich die Verfügbarkeit und die Preise für landwirtschaftliche Düngemittel im kommenden Jahr für unsere heimische Landwirtschaft entwickeln werden, hängt von Faktoren ab, die ich jetzt, glaube ich, schon mehrfach genannt habe, darunter der Krieg in der Ukraine. Wenn man den 24. Februar als Maßstab nimmt – davor und danach –, dann sehen Sie, welchen Einfluss er hat. Insofern sind es Faktoren, auf die der Landwirtschaftsminister nur bedingt Einfluss hat. Worauf der Landwirtschaftsminister Einfluss hat, das versucht er zu machen, indem er hilft, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren. Man kann es ja auch umdrehen: Es gibt diesen schönen Spruch – manche kennen ihn vielleicht –, dass man keine Krise ungenutzt an sich vorbeigehen lassen sollte. Wir sollten diese Krise, die uns jetzt noch mal daran erinnert hat, welche Abhängigkeit wir haben, nutzen, um uns möglichst resilient aufzustellen. ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Vielen Dank. – Ich gehe jetzt weiter in der Reihenfolge zur FDP-Fraktion, und die nächste Frage stellt Carina Konrad.

Carina Konrad (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004789, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, auch wenn das eben hier anders angeklungen ist: Ernährungssicherheit und Nachhaltigkeit gehören zusammen. Darüber sind wir uns ja einig, und dazu haben wir uns auch als Koalitionspartner verständigt. Der schreckliche Krieg hat uns auf eine dramatische Art und Weise vor Augen geführt, was ich persönlich 2022 nicht mehr für möglich gehalten hätte, nämlich dass Hunger auf dieser Welt wieder als Waffe eingesetzt wird. Und wir merken ja auch bei uns, dass die Inflation tatsächlich dazu führt, dass die Menschen an der Supermarktkasse überlegen, für was sie ihren Euro noch ausgeben können, sprich: Ernährungssicherheit und Nachhaltigkeit gehören zusammen. Wenn es keine Ernährungssicherheit gibt, gerät die Nachhaltigkeit auch ein Stück weit unter die Räder. Zur Landwirtschaft. Die Winzer sind in vielen Regionen Deutschlands in heller Aufruhr, weil die EU-Kommission einen Vorschlag gemacht hat, der aus unserer Sicht für ein Land, das schon sehr weit, gerade in puncto Nachhaltigkeit, vorangegangen ist, zu großen Problemen führt. In sehr vielen Regionen Deutschlands sollen Pflanzenschutzmittel in sensiblen Gebieten nicht mehr eingesetzt werden. Ich habe mich sehr gefreut, Herr Minister, dass Sie diese Schieflage der Kommission hier auch sehr klar benannt haben. Deshalb möchte ich an dieser Stelle fragen: Was tun wir jetzt weiterhin? Wie bringen wir uns ein, damit die Europäische Kommission diese Schieflage korrigiert?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Vielen Dank für die Frage. – Erst einmal vor der Klammer: Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln muss gesenkt werden; da gibt es, glaube ich, kein Vertun, wenn wir öffentliche Güter wie Artenvielfalt und Wassergüte schützen wollen. Das ist Teil der Farm-to-Fork-Strategie; die Vorgängerregierung hatte sich verpflichtet, sich daran zu beteiligen. Das ziehen auch die Bundesregierung und mein Haus nicht in Zweifel. Das grundsätzliche Ansinnen teilen wir. Aber – Sie haben es angesprochen – ich sehe Verbesserungsbedarf bei dem, was gegenwärtig auf dem Tisch liegt. Um das klar zu sagen: Es handelt sich hier – das wird oft falsch transportiert – um einen Vorschlag, um einen Entwurf, es ist kein geltendes Recht. Das ist die Verhandlungslogik in Brüssel, für die, die das wissen. Ich sehe ein paar Baustellen, mit denen wir uns beschäftigen müssen. Erstens. Man muss sich die Flächenkulisse sehr genau anschauen. Ich glaube, die Definition sogenannter sensibler Gebiete ist europaweit nicht identisch. Wir haben in Deutschland bestimmte Gebietsdefinitionen, die es anderswo so einfach nicht gibt. Das darf nicht zu unserem Nachteil gereichen. Zweitens. Man muss genau schauen: Was ist bereits an Reduzierungen erreicht worden? Welches Referenzjahr nehmen wir? Ich werde sehr genau darauf achten, dass wir aufpassen, dass es nicht denjenigen, die schon vorangegangen sind, zum Nachteil gereichen wird. Dritter Punkt, der unseren Bäuerinnen und Bauern sehr wichtig ist. Das Ganze muss bitte so gestaltet werden, dass es keine übermäßige Bürokratie gibt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Sie möchten gerne eine Nachfrage stellen?

Carina Konrad (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004789, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, gerne. – Sie haben es gerade richtig gesagt: Die deutsche Landwirtschaft ist Vorreiter in vielen Gebieten. Sie ist vorangegangen bei Digitalisierung; sie ist vorangegangen bei ganz vielen Nachhaltigkeitsthemen. Deshalb ist es gut, dass dies nicht zum Nachteil werden soll; dafür müssen wir uns einsetzen. Wie können wir es denn schaffen, dass EU-weite Regeln in Zukunft auch viel stärker harmonisiert werden? Das wäre meine Nachfrage – zur Abwechslung heute mal kurz und bündig.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Es gibt ein paar Dinge, die man sich sehr genau anschauen könnte. Die Länder haben dazu ja zum Teil heftigste Kämpfe – Sie kennen das –, beispielsweise in Baden-Württemberg mit Volksabstimmungen und mit moderierten Prozessen. Das schauen wir uns sehr genau an. Ich finde zum Beispiel einen moderierten Prozess sehr spannend, damit wir eben nicht mit vollendeten Tatsachen arbeiten. Das Zweite ist: Ich war ja auf dem informellen Agrarrat in Prag und habe dort auch die Gelegenheit genutzt, mit dem Kommissar zu sprechen, um die Bedenken, die ich jetzt gerade geäußert habe, schon mal zum Ausdruck zu bringen. Aber ich habe auch das Gespräch mit Vertretern anderer Mitgliedstaaten gesucht. Bei den Ländern, die ein ähnliches Phänomen haben, wie Sie es angesprochen haben, die schon weitergegangen sind, gibt es zum Teil ähnliche Sorgen und ähnliche Fragezeichen. Also, wir vernetzen uns da und versuchen, es gemeinsam voranzubringen, mit dem Ziel, dass die Grundrichtung bleibt, aber wir in der Umsetzung aufpassen, dass der Schuss nicht nach hinten losgeht.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Eckert haben Sie eine Nachfrage dazu? – Dann bitte schön.

Leon Eckert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005047, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich bleibe beim Thema Ernährungssicherheit und möchte einen speziellen Aspekt der Ernährungsnotfallvorsorge ansprechen, und zwar lagern wir ja Getreide, Weizen, in einem Lebensmittelnotvorrat ein. Ich möchte Sie, Herr Bundesminister, fragen, wie Sie dazu stehen, dass man Teile dieser Notreserve durch Fertigprodukte ersetzt, die ebenfalls die zehn Jahre Lagerdauer einhalten können und in der Anwendung im Katastrophenfall oder im Zivilschutzfall deutlich leichter zu handhaben sind.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Das ist eine sehr komplizierte Frage, vor allem in der vorgegebenen Zeit. Ich versuche, es trotzdem einigermaßen kurz zu machen. Zunächst mal vor der Klammer, weil es da auch Missverständnisse gibt: Der staatlichen Ernährungsnotfallvorsorge liegt nicht der Ansatz zugrunde, dass wir eine Vollversorgung für die Bevölkerung gewährleisten können, sondern es geht allenfalls um staatliche Notreserven, die einen zusätzlichen Beitrag leisten. Das Wichtigste ist und bleibt – darüber haben wir vorher zum Teil kontrovers gesprochen –, die privatwirtschaftliche Wertschöpfungskette so lange, wie es nur irgendwie geht, funktionsfähig zu halten. Also, die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln erfolgt in Deutschland erst mal über den Markt, durch Unternehmen, nicht durch den Staat. Das lassen wir bitte schön auch so. Der Staat hilft additiv, und wir machen das eben durch Produkte wie Erbsen, Reis und Weizen, die langjährig – bis zu zehn Jahre – eingelagert werden können, die man dann anschließend auch dem Markt wieder zugänglich macht. Das ist die Praxis, die wir gegenwärtig haben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Auernhammer, Sie hatten auch noch eine Nachfrage dazu. Dann sind Sie jetzt dran. – Danach komme ich wieder zur FDP zurück, und dann sind die Nachfragen zu diesem Punkt, glaube ich, erst mal erschöpft.

Artur Auernhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003706, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich möchte zum Thema Pflanzenschutz zurückkommen, also dem eigentlichen Thema der ursprünglichen Frage. Es gibt jetzt diesen Vorschlag der EU-Kommission, namentlich von Herrn Timmermans, sehr, sehr viele Pflanzenschutzmittel nicht mehr auf Flächen auszubringen. Es gibt Berechnungen, die von 3,5 Millionen Hektar Ackerfläche in Deutschland ausgehen, die nicht mehr mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden dürfen. Was sagen Sie den Bauernfamilien, den Weinbaubetrieben, die diese Flächen haben. Welche Flächen sind das überhaupt? In Ihrem Parteiprogramm steht irgendwas drin von erheblicher Reduzierung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes; das ist jetzt meine Formulierung, Sie haben eine andere drinstehen. Wie wollen Sie das in Ihrer Koalition dann auflösen? Wir müssen doch diese Pflanzenschutzmittel auf den Flächen, gerade im Weinbau, einsetzen dürfen.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Ich habe es ja gerade gesagt: Wir schauen uns die Flächenkulisse sehr genau an. Also, es gibt bestimmte Definitionen, beispielsweise für Landschaftsschutzgebiete; das Instrument kennen nicht alle Länder. Wir schauen uns zweitens den bürokratischen Aufwand bei der Umsetzung an. Und wir schauen uns drittens genau an, was das Referenzjahr ist und was an Vorleistungen einberechnet wird. Gehen Sie mal davon aus, dass der Bundesagrarminister da im Film ist und sich dafür einsetzt, dass eine ausgewogene Lösung gefunden wird, schließlich haben wir berechtigte Interessen. Ich meine, wir machen das ja nicht aus Jux und Tollerei. Wir machen das, weil wir einen dramatischen Artenschwund haben; wir machen das, weil wir eine dramatische Situation haben, gegen die wir etwas unternehmen müssen. Das Ganze müssen wir aber so machen – das habe ich vorher auch gesagt –, dass wir dabei nicht über das Ziel hinausschießen. Ich habe die Position Brüssels so wahrgenommen wie bei Tarifverhandlungen: dass man erst mal das Maximum fordert, um dann zu schauen, dass man auch einiges davon umsetzt. Wir schauen uns das in der Praxis an, damit es auch für Deutschland funktioniert. Das muss einfach in allen Mitgliedsländern funktionieren, und da haben wir einige Fragezeichen. Ich habe sie ja gerade genannt, die muss ich nicht wiederholen. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Nein, noch eine Nachfrage dürfen Sie nicht stellen, weil Sie ja nicht der ursprüngliche Fragesteller waren. – Okay, ich höre gerade, dass die Präsidentin heute ihren großzügigen Tag hatte. Dann will ich dem nicht nachstehen und lasse die Nachfrage noch zu. Danach kommt Herr Hocker, dann kommt Herr Straubinger, und dann gucken wir mal, damit wir wenigstens eine Runde durch die Fraktionen durchziehen; das muss möglich sein. Und der SSW möchte auch fragen, und das soll auch möglich sein. – Bitte schön.

Artur Auernhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003706, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank für die Großzügigkeit des Präsidiums an diesem heutigen Tag. – Herr Bundesminister, ich möchte konkret nachfragen. Wie wirkt sich diese Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln auf Bauernfamilien aus, die ihren gesamten landwirtschaftlichen Betrieb zum Beispiel in einem FFH-Gebiet haben, in einem Natura-2000-Gebiet haben, denen damals gesagt worden ist: „Für eure Betriebe ändert sich nichts bei dieser Gebietskulissenausweisung“? Welche Antworten haben Sie für diese Bauernfamilien, die ihre komplette Betriebsstätte in solchen Gebieten haben und jetzt aus Brüssel hören, sie dürfen zukünftig keine Pflanzenschutzmittel mehr einsetzen? Bitte konkret sein!

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Schauen Sie, ich sage es einfach nochmals in der Hoffnung, dass Sie es auch richtig weitertragen, weil das, glaube ich, für das gesellschaftliche Klima bei uns im Land ganz entscheidend ist: Es handelt sich hier um einen Vorschlag, einen Entwurf der Kommission. Wer das europäische Prozedere kennt, weiß: Das muss durch uns durch, das muss in den nationalen Parlamenten noch debattiert werden. Gehen Sie mal davon aus, dass das, was ich jetzt hier gerade an Fragen beantworte, genauso in einigen anderen Mitgliedstaaten besprochen werden wird. Nehmen Sie zum Beispiel Dänemark: Das ist ein Land, auf das wir schauen, weil es beim Thema Pestizidabbau mutig vorangegangen ist. Da gibt es auch viele Fragen; denn dort will man als Land, das vorangegangen ist, nicht, dass es ihm zum Nachteil gereicht. – Also werden genau diese Punkte eingebracht. Ich will aber Ihre Frage auch noch einmal als Gelegenheit zur Verdeutlichung nutzen, damit da jetzt nicht eine falsche Tonlage reinkommt. Gerade das Beispiel Dänemark zeigt ganz erstaunlich – das stammt jetzt übrigens nicht einfach von mir, sondern ist durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt –, dass man den Einsatz von Pestiziden nennenswert reduzieren kann, ohne dass die Ernten darunter leiden müssen. Ähnliche Beispiele gibt es auch von anderen Ländern; auch das schauen wir uns sehr genau an. Ich glaube, auch da geht mittlerweile technisch sehr viel über Precision Pharming und all die ganzen anderen Dinge, die wir ebenfalls fördern. Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich die Verhandlungsposition mit Brüssel jetzt nicht hier austrage. Ich habe meine Leitplanken genannt; unter diesen Prämissen verhandle ich. Das mache ich übrigens auch im Gespräch mit den Bauernorganisationen, und die Punkte, die ich genannt habe, decken sich ungefähr mit den Punkten, die dort auch gewünscht werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich sage Ihnen mal, welche Reihenfolge ich jetzt hier vorsehe, damit wir auf jeden Fall eine Runde durch die Fraktionen erreichen können. Damit ist die Nachfragemöglichkeit gegebenenfalls auch etwas geringer. Jetzt kommt Herr Hocker dran, dann Herr Straubinger, dann Herr Hoffmann, und dann kommt Herr Seidler dran.

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, verehrte Frau Präsidentin. – Verehrter Herr Minister, darf ich Ihre Antwort auf die vorherige Frage so werten, dass Sie meine Auffassung teilen, dass in Zeiten von globaler Nahrungsmittelknappheit, in Zeiten von Inflation, in Zeiten übrigens auch des Klimawandels, weil andere Formen der Unkrautbekämpfung deutlich CO2-intensiver sind als das Vorgehen mit Pflanzenschutzmitteln, die Vorschläge von Herrn Timmermans vollständig aus der Zeit gefallen sind, und Ihre Antwort vor allem so werten, dass Sie als Teil der Bundesregierung sich dafür verwenden werden, dass sie so in Deutschland nicht zur Anwendung kommen werden?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Nein, da haben Sie mich, glaube ich, überinterpretiert. Ich mache hier auch kein Timmermans-Bashing. Vielmehr bringt Herr Timmermans ein berechtigtes Anliegen, was Bestäuber angeht, was das Thema Vielfalt angeht, auf den Weg; aber die Umsetzung passt so nicht, weil sie für Deutschland ein paar Parameter übersieht. Sie habe ich genannt, dazu stehe ich. Ich würde auch nicht dazu raten, dass wir die eine Krise gegen die andere ausspielen. Wir müssen alle Krisen gleichermaßen angehen. Ich weiß, dass das eine wahnsinnige Herausforderung ist, dass es sich hier und da – wir teilen da die Einschätzung – anhört wie ein Berg, den man gar nicht abgetragen bekommt. Aber billiger ist es nicht zu haben. Die Zeit, in der wir leben, fordert von uns, dass wir zur Ernährungssicherung beitragen und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Biodiversitätskrise angegangen und die Klimakrise bekämpft wird. Mein Ratschlag wäre, dass wir da auch keinen konfrontativen Stil an den Tag legen. Wozu uns das führt, das haben wir bei Nitratrichtlinien in der Vergangenheit gesehen: Das Ergebnis war katastrophal für Deutschland. Vertrauen Sie darauf: Mein Stil ist nicht, dass man den Gesprächspartnern im Regelfall mit dem Hintern voraus begegnet; ich begegne ihnen mit ausgestreckter Hand. So führe ich das Gespräch in Brüssel, und bis jetzt haben wir gute Sachen erreicht. Denken Sie an GLÖZ 7, GLÖZ 8. Das war ein schmerzhafter Kompromiss, auch für mich. Ich versuche, die Dinge ausgewogen, mit Maß und Mitte, zu gestalten. Aber „mit Maß und Mitte“ heißt auch, dass man Herrn Timmermans jetzt hier nicht irgendwie in den Senkel stellt. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Straubinger.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, Sie haben vorhin in Ihren Antworten so viel auf die Ernährungssicherheit abgestellt. Sie ist verbunden mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln; denn sie tragen dazu bei, dass Ertragssicherheit gegeben bzw. auch Minimalbodenbewirtschaftung möglich ist. Das geht nicht ohne Pflanzenschutzmittel. Jetzt haben wir das Glyphosatverbot, das dazu beiträgt, dass letztendlich wesentlich mehr umgedreht werden muss. Aber mir geht es um eine andere Situation, nämlich: Wäre es nicht besser und klüger, neue Wirkstoffe schneller zuzulassen, die vielleicht wesentlich effektiver sind, aber aufgrund der derzeitigen Zulassungspraxis in Deutschland oder deshalb, weil sich das Bundeslandwirtschaftsministerium mit dem Umweltministerium nicht einigen kann, beim UBA liegen, womit neue Wirkstoffe nicht zum Einsatz kommen, die vielleicht in ihrer Ausbringung für die Natur weniger belastend sind?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Vielleicht sagen Sie etwas dazu, was Sie meinen. Meinen Sie jetzt die neue Gentechnik, oder was meinen Sie jetzt?

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, Pflanzenschutzmittel.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Ach so, Pflanzenschutzmittel.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Pflanzenschutzmittel. Wir sind ja bei Pflanzenschutz.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Erst einmal will ich, weil Sie Glyphosat angesprochen haben, sagen: Dazu gibt es eine klare Koalitionsposition. Wir haben in der Koalitionsvereinbarung stehen, dass ab 1. Januar 2024 kein Glyphosat mehr angewendet werden soll. Wir stehen auch jeder Verlängerung auf europäischer Ebene sehr kritisch gegenüber. Ob es eine qualifizierte Mehrheit für die Wiederzulassung von Glyphosat geben wird oder nicht, kann ich Ihnen schlicht nicht sagen. Es gab einmal ein Fenster – das kennen Sie –, das leider nicht genutzt worden ist; da war Deutschland ausschlaggebend. Ich führe dazu viele Gespräche und werde auch die Auswirkungen von Glyphosat auf die Biodiversität nochmals ins Gespräch bringen. Aber ich will die Gelegenheit hier auch nutzen, um noch einmal deutlich zu machen: Ob ein vollständiges nationales Anwendungsverbot, das über die bisherigen Beschränkungen in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung hinausgeht, in Einklang mit gemeinschaftlichen Vorgaben steht, das kann ich nicht sagen; das prüfen wir gerade umfassend. Wir werten dazu auch die Urteile zu Österreich und zu Luxemburg aus. Ich sage aber auch als Ihr Bundeslandwirtschaftsminister: Ich werde alle Möglichkeiten prüfen, um den Koalitionsvertrag hier umzusetzen. Und ich sage jetzt schon allen Akteuren der Branche, dass sie in ihren Planungen davon ausgehen sollten, dass das Verbot am 1. Januar 2024 umgesetzt wird, nicht dass nachher einer sagt: „Ich wusste es nicht, ich habe jetzt eingekauft.“ Es ist mir sehr wichtig, dass wir hier auch verlässlich miteinander sind, gerade wenn wir uns bei dem Thema der Richtlinie in Brüssel für eine differenzierte Lösung einsetzen. Sie haben gehört, dass ich versuche, beide Interessen in Einklang zu bringen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Özdemir.

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Insofern ist es umso wichtiger, dass wir da, wo wir wissen, welche drastischen Konsequenzen es für die Biodiversität hat, klar sind. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Jetzt hat Herr Hoffmann noch eine Nachfrage, und dann kommen ohne zweite oder dritte Nachfragen Herr Seidler, Herr Bär und Frau Latendorf dran. – Bitte schön. ({0}) – Die kann ich nicht mehr zulassen, einfach der Zeit halber. Wir sind eigentlich schon jetzt nahezu am Ende der Befragung, und deswegen – – ({1}) – Der Zeit wegen; Sie haben recht. – Dass ich Herrn Brandner noch einmal recht geben würde; der Zeit wegen. Insofern muss ich Sie bitten, sich zu setzen, gebe Herrn Hoffmann das Wort und verfahre dann so, wie ich es gerade gesagt hat. – Bitte schön.

Dr. Christoph Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

In dem Fall vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Minister! Ich bin hinsichtlich des Pflanzenschutzes sehr dankbar, dass Sie sich bei der EU dafür einsetzen werden, dass auch in den Flächenkulissen Südbadens die Winzer weiter existieren können; das ist eine ganz wichtige Nachricht. Sie haben jüngst ein Exportverbot für Pflanzenschutzmittel ohne deutsche Zulassung angekündigt, und für mich als Entwicklungspolitiker schrillen da ein bisschen die Alarmglocken; denn für viele Pflanzenschutzmittel werden in Deutschland überhaupt keine Zulassungen beantragt, weil es die Pflanzen hier nicht gibt, zum Beispiel Bananen, oder wir hier auch keine Heuschreckenschwärme haben, die zu bekämpfen sind. Dann müssen wir Regelungen treffen, damit der Globale Süden hier keine Nachteile erleidet. Was werden Sie tun, damit die Entwicklungsländer bei Ihrer Idee eines Exportverbots für Pflanzenschutzmittel nicht benachteiligt werden?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Da ich Sie beim ersten Punkt, was die Richtlinie aus Brüssel angeht, beruhigen konnte, hoffe ich, dass es mir auch beim zweiten Punkt gelingt. – Wenn Sie aufmerksam lesen, was ich da gesagt habe, dann stellen Sie fest: Ich spreche, weil mir der Sachverhalt ja bekannt ist, extra davon, dass wir Dinge, die bei uns aus gesundheitlichen Gründen nicht zugelassen sind, nicht mehr exportieren. Ich glaube, da habe ich Ihre Zustimmung, weil es auch ethisch nicht vertretbar wäre, dass Dinge, die Gesundheitsrisiken bergen und deshalb nicht zugelassen sind, exportiert werden. ({0}) Aber dass es natürlich Produkte gibt, die bei uns gar keiner Zulassung bedürfen, weil es die Pflanze hier nicht gibt, ist noch mal ein anderer Sachverhalt. ({1})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Seidler, bitte.

Stefan Seidler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005219

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Lieber Herr Minister Özdemir, ich erlaube mir, obwohl wir uns dem Ende zuneigen, ein etwas anderes Fass aufzumachen. Sie sind in Ihrem Haus auch für einen anderen Bereich zuständig, nämlich für den Küstenschutz und insbesondere den Deichbau. Wir erleben im Augenblick, dass die nordeuropäischen Kolleginnen und Kollegen dort nachbessern, ausbauen, Klimadeiche etablieren. Meine Frage an Sie: Welche Pläne hat die Bundesregierung im Augenblick, dort hinterherzukommen, weiterzuarbeiten? Wir wissen: Steigende Pegelstände, Sturmfluten werden zunehmen. Wir stehen vor einer riesigen Herausforderung. Und da Nachfragen nicht erlaubt sind, erlauben Sie mir, noch eine Frage hinterherzuschieben. Es gibt im Augenblick im Bereich des Innern die Überlegung, den Bevölkerungsschutz zu novellieren. Gibt es dort einen Austausch zwischen den Ressorts? Und wäre es sogar denkbar, dass man eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe/Taskforce einsetzt, die sich diesem Thema widmet, auch zusammen mit den Kommunen und Ländern, die hier ja auch Zuständigkeiten haben?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Letzteres kann ich Ihnen nicht sagen. Also wir sind daran über das Haus beteiligt. Aber was jetzt die Einsetzung einer Arbeitsgruppe angeht, müsste man mit den Ressortkollegen besprechen. Ich bitte da um Nachsicht; denn ich glaube, dass die das nicht so prickelnd finden würden, wenn ich das jetzt hier so mal kurz verkünden würde; darüber werden wir uns mit den Kollegen und Kolleginnen in dem zuständigen Gremium unterhalten. Dass der Küstenschutz auch eine Gemeinschaftsaufgabe ist, ist ja hinreichend bekannt; das ist auch für den Bundesminister ein wichtiges Anliegen. Wir sind mit den Kabinettskollegen im Gespräch, wie wir da helfen können. Sie haben recht: Es ist nicht nur ein Thema der direkten Küstenanrainer. Wir hatten das Thema heute früh auch im Ausschuss, und da habe ich ausdrücklich gesagt: Das ist auch für die Menschen im Hinterland ein wichtiges Thema. Auch da sind wir im Gespräch. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Seidler hat keine Nachfrage dazu. – Dann ist jetzt der Kollege Bär dran.

Karl Bär (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005017, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Minister, wir haben gerade schon kurz über Glyphosat gesprochen. Diese Koalition hat wie auch schon die Vorgängerregierung im Koalitionsvertrag festgeschrieben, das Ackergift ab dem 1. Januar 2024 zu verbieten. Ich frage mich nun, ob die Entwicklungen in der EFSA und in Brüssel daran etwas ändern, die dazu führen, dass die Entscheidung auf Unionsebene erst 2023 fallen wird. Was tut das Bundesministerium, um möglichst ein europäisches Verbot zu erreichen?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Also für mich nicht; für mich ist völlig klar: Der Koalitionsvertrag bindet mich als Bundesminister – übrigens auch aus tiefster Überzeugung. Ich setze mich dafür ein, dass wir dafür eine qualifizierte Mehrheit in Brüssel bekommen. Deshalb habe ich ja auch gesagt, dass ich einer Verlängerung sehr kritisch gegenüberstehe, und habe in Brüssel nicht zugestimmt. Ich sage aber auch für den Fall, dass es nicht gelingt, sich in Europa zu einigen: Es gilt der Koalitionsvertrag, und ich werde alles tun, was nach nationalem Recht möglich ist, um diese Koalitionsvereinbarung umzusetzen. Die Grenzen dessen, was ich sage, kennen Sie: Das ist das europäische Recht. Das kann ein Bundesagrarminister natürlich nicht außer Kraft setzen. Aber unterhalb dieser Schwelle werde ich alles tun, was in meiner legislativen Möglichkeit ist, um das umzusetzen, was in der Koalitionsvereinbarung steht. Ich glaube, auch da sind die Erkenntnisse zur Auswirkung auf die Biodiversität ja sehr deutlich belegt, und das leitet unser Handeln.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Haben Sie eine Nachfrage? – Dann ist Frau Latendorf dran.

Ina Latendorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005123, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister, am Montag forderten mehr als 300 Kinder- und Jugendärzte in einem Appell erneut das Verbot von Marketing, von Werbung für ungesunde Lebensmittel für Kinder. Allein die Süßwarenindustrie hat im vergangenen Jahr 1 Milliarde Euro für Werbung in diesem Bereich ausgegeben, und das ist das falsche Signal für eine gesunde Ernährung. Deswegen meine Frage: Werden Sie ein Gesetz auf den Weg bringen, das Kinder-Marketing für ungesunde Lebensmittel umfassend im TV, online und in Social Media verbieten wird, und, wenn es geht, noch in diesem Jahr?

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Sie sprechen etwas an, das mir auch persönlich als zweifachem Vater ein wichtiges Anliegen ist, der weiß, was es bedeutet, wenn man mit an Kinder gerichteter Werbung konfrontiert ist, wenn man einkaufen geht, aber auch in den Medien etc. Das ist Teil unserer Koalitionsvereinbarung. Ja, das habe ich fest vor. Wir arbeiten daran, an Kinder gerichtete Werbung entsprechend einzuschränken und, wo immer möglich, zu verbieten.

Andreas Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003780, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn es Ihre Auffassung ist, will ich Ihnen nicht widersprechen, sondern jetzt gerne sprechen. Vorneweg möchte ich nach den Aufgeregtheiten, die es gerade gegeben hat, darauf hinweisen, dass wir hier nicht etwa Parlamentsrechtsgeschichte schreiben, ({0}) sondern dass es ein völlig normaler Vorgang ist, dass aus der Fragestunde sich eine Aktuelle Stunde entwickelt. ({1}) Die Aktuelle Stunde heißt „Aktuelle Stunde“, weil sie sich mit aktuellen Fragen beschäftigt. ({2}) Offenkundig haben wir Gesprächsbedarf zur Gasumlage – wir melden ihn seit vielen Wochen an –; aber mit dem heutigen Tag hat er eine neue Qualität bekommen. Heute haben Sie, Herr Minister Habeck, mitgeteilt, dass Uniper verstaatlicht werden soll. Das verändert die Geschäftsgrundlage für die Bewertung der Gasumlage noch einmal mehr. ({3}) – Wir haben, Herr Kollege, selbstverständlich nach der Gasumlage gefragt. Wir haben die Gasumlage thematisiert, und wir werden morgen eine namentliche Abstimmung über die Aufhebung der Gasumlage beantragen. Das haben wir bereits vor der Ankündigung der Verstaatlichung gemacht. Aber mit der Verstaatlichung ist erst recht klar: Diese Gasumlage muss weg. ({4}) Sie war von vornherein völlig falsch aufgegleist, sie ist in der Umsetzung total verkorkst, und mit der Verstaatlichung ist sie rechtlich infrage gestellt. Politisch ist sie jedenfalls nicht haltbar. ({5}) Herr Minister, es ist schon bemerkenswert: Sie haben heute im Ausschuss öffentlich erklärt, das müsse jetzt finanzverfassungsrechtlich geprüft werden, diese Prüfung werde noch andauern, es würden sich genau diese Fragen stellen. Ja, es ist so: Wenn ein Unternehmen Staatsunternehmen wird, dann kann eine Umlage nicht Bestand haben, die eine Verteilung zwischen Privatunternehmen vorsieht. Es gibt kein Steuererfindungsrecht für Staatsunternehmen. ({6}) Da gilt das Grundgesetz. Da gilt unsere Verfassung. Es ist schon bemerkenswert, dass in der Bundesregierung der federführende Finanzminister sagt: „Diese Frage ist geklärt, die Gasumlage funktioniert“, und Sie als der Erfinder der Umlage sagen: Nein, nein, es muss noch geklärt werden. Ich sage Ihnen – Sie werden morgen unseren Antrag sicherlich ablehnen –: Das sind ihre Absetzbewegungen bei der Gasumlage. Die Geister, die Sie riefen, wollen sie loswerden, weil Sie merken, dass es nicht funktioniert. Sie sprechen jetzt von einer Brücke – wohin denn? Es war doch auch bisher schon zeitlich befristet –, bis die Verstaatlichung – nach Ihrer Auffassung: in drei Monaten – umgesetzt ist. Das zeigt: Die Gasumlage ist der große Elefant im Raum der Ampel. Sie wissen, sie ist vor die Wand gefahren, aber keiner spricht es heute offen aus. ({7}) Es galt von Anfang an: Sie halten sich mit dem Beschluss für die Gasumlage nicht an Ihr eigenes Gesetz. In Ihrem eigenen Gesetz haben Sie eine Priorisierung vorgesehen. Sie haben gesagt, es müsse erst einmal geprüft werden, ob man Unternehmen stützen kann, und nur wenn eine Stützung allein nicht ausreicht, dann gibt es eine zweite Stufe; die könnte die Gasumlage sein. Sie haben aber bis zum heutigen Tage nicht überzeugend und transparent dargelegt, ({8}) warum eine Stützung notleidender Unternehmen nicht ausreichend wäre, um in dieser Krisensituation Schieflagen abzuwenden, um den Gasmarkt funktionstüchtig zu halten. Bis heute haben Sie das nicht transparent gemacht. Stattdessen haben Sie den zweiten Schritt gemacht und den verkorkst. So geht es nicht. Deshalb muss die Gasumlage aufgehoben werden. ({9}) In Ihrem eigenen Gesetz schreiben Sie, das müsse alles ganz transparent dargestellt werden. Ja, das ist unsere Meinung als Opposition. Wir wollen, dass es transparent dargelegt wird. Aber bis zum heutigen Tag weiß kein Mensch, wie diese Gasumlage berechnet ist. ({10}) Herr Minister Habeck, Sie machen daraus ein Staatsgeheimnis. Sagen Sie uns, wie sie berechnet wurde. Sagen Sie uns, warum sie nach Ihren Vorstellungen genauso hoch bleiben soll, wenn die, die Sie Trittbrettfahrer nennen, die Gasumlage bekommen sollen, Herr Kollege, obwohl sie satte Gewinne machen, obwohl Aktionäre Dividenden bekommen, obwohl Mitarbeiter Prämien erhalten. Die sollen die Gasanlage bekommen? Das ist nicht in Ordnung. Und für den Fall, dass Sie die jetzt rauswerfen, dann muss sich doch auch die Höhe ändern. Dazu haben Sie auch noch keinen Vorschlag gemacht. Legen Sie es transparent dar! Bisher ist das nicht passiert. ({11}) Sie haben den ganzen Sommer unter dem Eindruck unserer Kritik immer wieder angekündigt: Ja, wir müssen nachbessern, wir haben im Gesetz eine Regelung zu den Festverträgen vergessen. Wir haben die Regelungen im Bereich Fernwärme vergessen, wir haben die Trittbrettfahrer nicht gesehen; das muss alles nachgebessert werden. Wir werden eine Revision des Energiesicherungsgesetzes vorlegen, und darin ist alles enthalten. Damit wird entsprechend nachgebessert. – Jetzt liegt Ihr Gesetzentwurf vor. Er wird in dieser Woche im Bundestag beraten. Wir haben reingeschaut: Nichts von den lange angekündigten Nachbesserungen ist enthalten. ({12}) Auch das ist ein Indiz dafür, dass diese Gasumlage nie kommen wird. So, wie Sie das aufgegleist haben, funktioniert es nicht.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege.

Andreas Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003780, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Deshalb: Stimmen Sie morgen unserem Antrag zu. Folgen Sie unseren Argumenten. Wir haben den besseren Weg. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat der Kollege Bernd Westphal für die SPD-Fraktion. ({0})

Bernd Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befinden uns in einer sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation. Ich glaube, wir hatten seit 1945 keine Situation in dieser Dimension. Aus der Fragestunde heraus hat sich nun diese Aktuelle Stunde entwickelt, aber mein Vorredner von der Union hat zur Fragestellung die Gas- und Ölimporte betreffend überhaupt nichts gesagt. ({0}) Vielmehr hat er sich auf die Frage konzentriert, ob wir die Gasumlage nun bekommen oder nicht. ({1}) Ich will Ihnen sagen: Diese Bundesregierung befindet sich in einem Krisenmanagement, und alle Ministerinnen und Minister verdienen Unterstützung. ({2}) Wir befinden uns in einer der schwierigsten Situationen, die wir in unserem Land bisher hatten. Man kann solche Aktuellen Stunden natürlich aufsetzen, sie sind aber im Kern nicht geeignet, die großen Probleme, die wir haben, zu lösen. Ich will Ihnen sagen, dass diese Regierung handlungsfähig ist. Wenn wir dem gefolgt wären, was Sie gefordert haben, Herr Merz, nämlich schon im Frühjahr ein Gasembargo gegen Russland zu verhängen, hätten wir schon vor einem halben Jahr eine viel verschärftere Situation gehabt. ({3}) – Herr Merz, da waren Sie leider nicht im Bild. – Es war richtig, daran festzuhalten: Wir müssen die Versorgungssicherheit garantieren. ({4}) Angesichts der Verschärfung der Situation merken wir, dass das, was in Gang gebracht worden ist, genau die richtige Antwort war, nämliche eine Gasförderstruktur aufzubauen, die den Betrieb von LNG-Terminals an den Häfen ermöglicht. Die Genehmigungen zu den dafür erforderlichen Investitionen sind relativ schnell in diesem Parlament erteilt worden, die Umsetzung ist erfolgt, und deshalb haben wir jetzt eine Alternative zu dem Pipelinegas aus Russland. Wir haben mit unseren europäischen Freundinnen und Freunden die Möglichkeiten genutzt, verstärkt auf Importe aus anderen Ländern, aus Frankreich, aus Benelux, aber auch aus Norwegen, zu setzen. Eine Maßnahme ist zum Beispiel, dass man die Gasfüllstände in den Gasspeichern untertägig in Norddeutschland gesetzlich flankiert hat. Deshalb können wir jetzt mit Gasspeichern, die zu fast 90 Prozent der Kapazitäten gefüllt sind, in diesen Winter gehen. Das ist etwas, was diese Regierung auf den Weg gebracht hat. ({5}) Wir unterstützen die energieintensiven Unternehmen. Die entsprechenden Programme werden erweitert – das ist angekündigt worden –, weil jeder in Gesprächen vor Ort merkt, dass wir aufgrund der Abhängigkeit der Unternehmen von Öl und Gas jetzt die Situation haben, dass bei den vorhandenen Preisen keine Wettbewerbsfähigkeit mehr dargestellt werden kann. Deshalb wird das Ganze von Maßnahmen flankiert. Unternehmen können Leistungen beantragen. Das Ministerium ist dabei, die Infrastruktur für die Beantragung zu erweitern. Wir werden auch hier Absicherungen treffen, sodass unsere ökonomische Basis nicht gefährdet wird. Ich will Ihnen aus der Erfahrung der letzten Jahre sagen: Als wir zusammen in der Regierung Coronahilfsprogramme auf den Weg gebracht haben, wurden am Anfang der Pandemie doch nicht alle Unterstützungsprogramme bis zuletzt durchdekliniert. Vielmehr mussten wir immer wieder anpassen, wir mussten neu justieren mit den Überbrückungshilfen I, II und III. Sie wissen das doch aus Ihrer Erfahrung. Deshalb ist das Vorgehen der Regierung, entsprechend der aktuellen Situation Anpassungen vorzunehmen, genau die richtige Politik. ({6}) Was unser Land stark macht und als viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt auszeichnet, ist, dass wir eine gute Politik machen, dass wir eine stabile Regierung haben, dass wir Industrie und einen innovativen Mittelstand haben. ({7}) – Gut, Sie werden gleich noch genug Redezeit haben, um Ihre Konzepte vorzustellen. Sie haben sich eben nur auf die Gasumlage fokussiert, die aber im Grunde genommen gar nichts damit zu tun hat, was wir im Moment alles regeln müssen. ({8}) Es macht unser Land stark, dass wir innovative Unternehmerinnen und Unternehmer haben, die in einer Transformation sind, die mit Investitionen in Zukunftstechnologien für Sicherheit sorgen, um die Abhängigkeit von fossilen Energien zu reduzieren. Das ist der Weg in die Zukunft, nicht die Laufzeitverlängerung, die Sie wollen. Vielen Dank. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Rainer Kraft hat das Wort für die AfD. ({0})

Dr. Rainer Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004792, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Verehrte Präsidentin! Verehrte Kollegen! Herr Jung, wunderbar, dass Sie sich Gedanken um die Gasumlage machen und darüber, ob sie kommen soll. Ich habe sehr gute Nachrichten für Sie: Die AfD-Fraktion wird heute Abend noch über einen Antrag von uns debattieren, durch den die Gasumlage neu geregelt werden soll; denn auch wir haben erkannt, dass die Gasumlage so, wie sie vom Ministerium geplant worden ist, nicht kommen kann. Wir freuen uns, dass Sie das genauso sehen. Vielen Dank dafür. ({0}) Kommen wir zu einem Thema, das auf die Frage 5 vom Kollegen Gebhart aus der Fragestunde zurückgeht, nämlich zur Frage, wann die Lieferungen von Gas und Öl gestoppt werden sollen. Erste Vorbemerkung: Das Energieembargo war keine gute Idee. Das merkt man auch daran, dass die arroganten, hochnäsigen Reden der EU-Kommission und anderer mittlerweile verstummt sind. Wir sehen oben in Wyborg, dass Russland das Gas zurzeit lieber verbrennt, als es uns zu liefern. ({1}) – Okay. Sie brauchen es trotzdem. Bringen Sie mich hier nicht aus dem Konzept! ({2}) Kommen wir zu Schwedt, zum Ölembargo und zu dem, was der Herr Minister und sein Staatssekretär gesagt haben. ({3}) Sie haben jetzt die PCK Schwedt unter Treuhandschaft gestellt. Das ist natürlich eine Sache, die kommen musste; denn der Betreiber PCK Schwedt hat kein Interesse daran, alternative Lieferrouten zur Druschba-Pipeline zu finden. Das ist verständlich; es ist ein russischer Konzern, er hält zum russischen Staat. Insofern war es klar, dass dieser Konflikt kommen musste. ({4}) Aber die Lösungen, die von Ihnen und vor allem von Ihren Staatssekretären angedacht und im Ausschuss präsentiert worden sind, sind absolut ungenügend. Sie haben jetzt die nächsten drei Monate der Raffinerie mit der Begründung gesichert, dass andere Sublieferanten und Partner nicht mehr mit dieser Raffinerie zusammenarbeiten wollen. Sie haben nach wie vor kein Konzept, wie es ab dem 1. Januar in Schwedt denn weitergehen soll. ({5}) Die Pipeline aus Rostock ist ungenügend, um die Produktion in Schwedt aufrechtzuerhalten. ({6}) Der Neubau, die Ertüchtigung einer neuen Pipeline dauert gemäß Ihrem Staatssekretär – das wurde im Ausschuss heute gesagt – mindestens zwei Jahre. Das heißt, wir reden hier von Anfang 2025, bis dort wieder eine Ertüchtigung stattfinden könnte. Dass Sie dem russischen Betreiber nicht sagen, wie Ihre Pläne aussehen, ist ja so weit okay. Da habe ich aber erwartet, dass Sie jetzt, wo Sie sie unter Treuhandschaft gestellt haben, die Schublade aufmachen und Ihren Versorgungsplan herausholen, aus dem hervorgeht, wie Sie eine 100-prozentige oder zumindest eine ausreichende Auslastung der Raffinerie PCK Schwedt sicherstellen können: über die Schiene, über das Wasser, den Fluss hinauf, oder mit Lastwagen. Aber nichts davon ist bislang gekommen, nur die Ankündigung, dass Sie in zwei Jahren eine Pipeline bauen werden. Das heißt, am 1. Januar werden in Schwedt offensichtlich die Lichter ausgehen. ({7}) Und dann kommen die anderen Dinge, die Ihnen vorschweben, nämlich die Ertüchtigung von anderen Standorten, die mit Raffinerie nichts zu tun haben, etwa mit Wasserstofferzeugung. Das ist ein kompletter Bruch einer Produktionskette an einem traditionellen Standort und hat mit den traditionellen Produktionen nichts zu tun. Wenn das kommt, können viele Leute nicht sicher sein, dass ihre berufliche Ausbildung noch gebraucht wird. Das ist wieder einmal nur ein Beispiel dafür, dass Sie viel Geld in die Hand nehmen, um Probleme, die Sie selbst verursacht haben, auf Steuerzahlerkosten zu lösen. ({8}) Zur Energie im Allgemeinen. Ja, die Gasspeicher sind wieder – Herr Westphal war voll des Lobes – zu 90 Prozent voll. Ja, aber 90 Prozent von was? Die Gasspeicher decken nämlich ungefähr 30 Prozent der Jahreskapazität. 90 Prozent von 30 Prozent sind 27 Prozent. 27 Prozent der Jahreskapazität befinden sich gerade, mit Milliarden aufgekauft, in den Speichern. 27 Prozent vom Jahr sind ungefähr dreieinhalb Monate. Das muss aber wirklich ein kurzer Winter sein. Da sind wir bei den Ankündigungen unseres Wirtschaftsministers: Wir hoffen auf einen milden Winter, damit wir eine Chance haben, hier durchzukommen. ({9}) Das impliziert natürlich, dass wir, wenn wir keinen milden Winter haben, keine Chance haben werden, hier durchzukommen. Das ist Energiepolitik auf dem Niveau eines Schwellen- und Entwicklungslandes und eines Industrielandes unwürdig. ({10}) Zweitens, die LNG-Terminals: Wir haben zur Hochzeit – ja, es war zu viel, und die Abhängigkeit war schlecht – 55 Milliarden Normkubikmeter Gas durch die Pipeline aus Russland bekommen. Jetzt haben wir LNG-Terminals. Die Kapazität eines LNG-Terminals pro Jahr beläuft sich auf 5 Milliarden Normkubikmeter. Nach Adam Riese braucht man also elf LNG-Terminals und Regasifizierungseinheiten, um die Kapazität russischen Pipelinegases zu kompensieren. Wir haben in Zukunft drei solcher Terminals, wenn der in Hamburg gebaut wird und nicht pleitegeht. Das heißt, die Kapazität ist schon nicht ausreichend. ({11}) Dann kommen wir zu der entscheidenden Frage. Selbst wenn Sie die LNG-Terminals gebaut haben und selbst wenn Sie sie an das deutsche Gassystem anschließen, dann ist die Frage: Wie viele Kontrakte sind unterschrieben, wie viel LNG wird irgendwo auf der Welt in Tanker gepackt und über die Meere gefahren, damit es in deutschen LNG-Terminals angelandet werden kann, um in das deutsche Gasnetz durch Regasifizierung eingegast zu werden? Davon hört man nichts. Ein LNG-Terminal allein bringt keinen einzigen Kubikmeter. ({12}) Kommen wir zu den anderen Dingen, die wir brauchen. Herr Habeck, Sie und Ihr Ministerium haben viel Zeit verschwendet. Am 24. Februar war klar, dass wir in einen Konflikt mit unserem großen Energielieferanten Russland kommen. Sie haben bis zum Juli gebraucht, bis Sie erlaubt haben, weitere Kohlekraftwerke hochzufahren, um Strom zu produzieren und Gas zu ersetzen. Sie weigern sich nach wie vor, Kernkraftwerke weiterlaufen zu lassen. Sie wollen offensichtlich auch nach dem 1. Januar weiterhin Gas verbrennen und weiterhin Gas verstromen, weil ja die grüne Befindlichkeit durch den Weiterbetrieb von Kernkraftwerken nicht gestört werden darf. ({13}) Das heißt: zu wenig, zu spät und immer Rücksicht nehmen auf die grüne Seele, weil ja wieder eine Wahl in Niedersachsen ansteht. Aber wir werden sehen, was nach der Wahl in Niedersachsen von Ihren ganzen Ankündigungen noch übrig bleiben wird. Vielen Dank. ({14})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Bundesregierung hat das Wort der Bundesminister Dr. Robert Habeck. ({0})

Dr. Robert Habeck (Minister:in)

Politiker ID: 11005074

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Unionsopposition, ich rede total gerne hier, und ich komme auch jederzeit; ich kann mich nur nicht klonen. Ich war gerade auf Bitten der Union im Haushaltsausschuss und habe erzählt, was es mit den Details der Uniper-Rettung oder -Verstaatlichung auf sich hat. Ihre Kollegen waren konsterniert, dass ich abberufen wurde. Ich glaube, Sie müssen da ein paar Sachen untereinander klären. Es gibt ja Telefone dafür. ({0}) Aber das ist nicht mein Hauptpunkt. Mein Hauptpunkt ist – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin Frage 5 des Abgeordneten Gebhart, die zu dieser Aktuellen Stunde geführt hat –: Wann legt die Bundesregierung einen konkreten Ausstiegsfahrplan für russische Öl- und Gasimporte vor …? Ist Ihnen aufgefallen, dass Russland kein Gas mehr liefert, ({1}) dass die Situation also nicht ist, dass wir uns ein Embargo ausgedacht haben, sondern, dass Putin den Gashahn abgedreht hat? Sie sollten zumindest überlegen, was die Wirklichkeit an Aufgaben stellt, wenn Sie schon nicht bereit sind, die Antworten auf die Wirklichkeit zu akzeptieren. ({2}) Bevor ich die gestellten Fragen beantworte – ich gehe gleich auf die Gasumlage und die damit verbundenen Debatten ein –, ein Wort zu Schwedt. Es gab vom rechten Rand unter anderem die Forderung: Kein Embargo für Schwedt! – Was sehen wir, was im Moment passiert? Es gibt ja kein Embargo. Es kann russisches Öl aus der Druschba-Pipeline in Schwedt raffiniert werden, aber niemand oder immer weniger wollen es haben. ({3}) Es gibt Versicherungen, die nicht mehr versichern. Es gibt Geldgeber, die kein Geld mehr geben. Es gibt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich zurückziehen. Es gibt Abnehmer, die nicht mehr abnehmen wollen. ({4}) – Nicht wegen meiner Politik, ({5}) sondern weil Öl von Putin auf dem europäischen Markt nicht mehr gefragt ist. ({6}) Das Zögern und das Nichtagieren haben Schwedt in diese Situation geführt. Das ist im Übrigen auch die Begründung, warum wir eine Treuhand eingesetzt haben; denn die Begründung zur Einsetzung einer Treuhand kann ja nur sein, dass wir die Energieversorgung im staatlichen Auftrag sicherstellen, weil sie nicht anders sicherzustellen wäre, weil der Markt sonst wegen der Overcompliance in Schwedt kollabiert wäre. ({7}) Lassen Sie mich zur Gasumlage kommen und auf die Fragen des persönlich sehr geschätzten Kollegen Jung eingehen. Die sogenannten Trittbrettfahrer, also die Unternehmen, die von der Gasumlage profitieren, obwohl sie Gewinne machen, machen bei der Gasumlage einen Anteil von ungefähr 8 Prozent aus. Das ist nicht nichts, aber es ist nicht so, dass die Berechnungen, die ja auf eine Preisprojektion abgezielt haben, jetzt sofort korrigiert werden müssten. Die Systematik der Gasumlage ist – wie mehrfach im Ausschuss erläutert –, dass sie quartalsweise mit Blick auf die Preise justiert wird. Das kann auch im Januar vorgenommen werden; das ist aber auch die Antwort, warum diese 8 Prozent jetzt nicht den großen Unterschied machen. Zweite Antwort. Wie wird die Gasumlage berechnet? Auch das wurde mehrfach dargestellt: Die Unternehmen, die berechtigt sind, stellen Anträge, THE prüft diese Anträge auf Plausibilität, und daraus errechnet sich dann, gestreckt über den Zeitraum, bis wann die Gasumlage erhoben werden kann ({8}) – wahrscheinlich bis Ende Winter 2024 –, also die Summe, die im Durchschnitt erhoben werden soll. Sie kann nach oben wie nach unten korrigiert werden. So ist es auch vorgesehen. Die Systematik und die Logik sind denkbar klar und auch mehrfach erläutert. Dritter Punkt. Die rechtliche Bewertung, wann ein Unternehmen in staatliche Hand gerät wie jetzt Uniper – es ist noch nicht in staatlicher Hand; es wird ja noch ein paar Wochen, wahrscheinlich zwei bis drei Monate dauern –, ist berechtigt und muss streng erfolgen. Dass eine verfassungsrechtliche Normenprüfung erfolgt, ist richtig und notwendig. Es ist eben ein Unterschied, ob ein staatliches Unternehmen eine Umlage bekommt oder ein mehrheitlich privat gehaltenes Unternehmen. ({9}) Das Verfahren zur Umlage ist in der Ressortabstimmung. Wir haben es heute eingebracht, und im Rahmen dieser Ressortabstimmung wird dann die Klärung erfolgen. ({10}) Lassen Sie mich ganz kurz einmal darauf eingehen, was Ihre Forderung ist, und den Rahmen etwas weiter fassen. Ich erinnere mich daran, wie wir – damals war ich Parteivorsitzender – während der letzten zweieinhalb Jahre diskutiert haben, wie wir uns politisch verhalten in Zeiten einer nationalen Krise: Corona. ({11}) Wir waren damals in der Opposition, und uns hat vieles im Detail nicht gepasst, was Sie, auch die jetzigen Koalitionspartner, verantwortet haben. Wir haben gesehen, dass Soloselbstständige nicht genug bedacht wurden. Wir haben gesehen, dass nicht schnell genug Vorsorge geschaffen wurde. Wir haben gesehen, dass Kinder und Alleinerziehende nicht berücksichtigt wurden, ({12}) dass die Förderprogramme nicht ausreichten usw. Das haben wir immer wieder im Detail kritisiert. Aber wir haben, wenn es darauf ankam, immer die Verantwortung gesucht. ({13}) Wir haben Ihre Politik, obwohl wir in der Sache abgewichen sind, immer wieder unterstützt. ({14}) Jetzt haben wir eine Situation – Corona ist ja noch nicht vorbei –, wo sich die multiplen Krisen aufzuschaukeln drohen, wo wir eine hohe Inflation haben und gleichzeitig eine drohende Rezession. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen, was dieses Land erlebt. Und – das ist der eigentliche Punkt – was hören wir von der Opposition? „Die Gasumlage muss weg!“ ({15}) Sind wir denn hier im Fußballstadion, oder was? Ist das eine Demo? ({16}) „Muss weg!“ – Sie sind die Muss-weg-Opposition. Was ist denn das für eine Antwort? Fragen Sie mich mal, was mir alles nicht gefällt und bei was allem ich mir wünschen würde, dass es weg muss! Aber das ist doch keine Politik. ({17}) Was kommt denn stattdessen? Was ist denn die Antwort darauf? Und wenn Sie sich schon entschieden haben, eine nicht-konstruktive Opposition zu sein, dann sollten Sie wenigstens die Traute haben, zu Ihren eigenen Anträgen auch Wahrheit und Ausspruch zu geben. ({18}) Das tun Sie nämlich nicht. Natürlich gibt es eine Möglichkeit, anders Geld aufzunehmen; aber dann müssen Sie sich hierhinstellen und sagen: Statt der Gasumlage wollen wir jetzt sofort etwa 35 Milliarden Euro aufnehmen ({19}) oder die Unternehmen kapitalisieren. – Das tun Sie aber nicht. ({20}) Sie stellen sich mit plumpen Forderungen hierhin. Dann seien Sie wenigstens ehrlich! ({21}) Diese Ehrlichkeit vermisse ich in dieser Debatte – die Ehrlichkeit und die Verantwortungsbereitschaft. Sie haben sich für einen Weg entschieden. Ich glaube nicht, dass es der richtige ist. ({22}) Von der Fragestellung, die falsch ist, die, wenn ich das sagen darf, quasi unterstellt, die Bundesregierung würde ein Gasembargo verhängen, obwohl wir uns bewusst dagegen ausgesprochen haben, von einer eine falsche Wirklichkeit insinuierenden Fragestellung bis zur Verweigerung einer Antwort stellen Sie sich hierhin, holen die Abgeordneten aus den Kammern hervor, um keine Antwort zu geben. ({23}) So stelle ich mir Opposition nicht vor. Danke schön. ({24})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege Alexander Ulrich das Wort. ({0})

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Jung, wir schreiben heute keine Parlamentsgeschichte, aber die Union macht sich schon lächerlich. ({0}) Eine Aktuelle Stunde aus der Fragestunde heraus zu beantragen, obwohl man selbst schon eine Aktuelle Stunde beantragt hatte, in der man das Thema hätte unterbringen können, und morgen auch noch ein Antrag zur Gaspreisumlage im Bundestag beraten wird – also, lächerlicher kann man sich nicht machen. ({1}) Ohne Quatsch: Das war jetzt keine große Stunde dieser Oppositionsfraktion. Ganz nebenbei: Ist Ihnen hin und wieder mal klar geworden, dass wir mit vielen Problemen schon weiter wären, wenn nicht 16 Jahre lang gerade von Ihrer Fraktion, Ihrer Regierung der Ausbau der erneuerbaren Energien blockiert worden wäre? ({2}) Sie kämpfen heute noch gegen jedes Windrad; Sie kämpfen heute um die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke und machen sich hier einen schlanken Fuß. Besser, Sie hätten heute nichts gesagt. ({3}) Aber, Herr Minister Habeck, Sie machen es natürlich der Opposition auch ein Stück weit leicht. Sie haben diese Woche gesagt – ich zitiere Sie –: Wenn beim Gassparen alles gut geht und wir Glück mit dem Wetter haben, dann haben wir eine Chance, gut durch den Winter zu kommen. ({4}) – Kann sein, dass das ehrlich war. Aber Deutschland braucht keinen Minister, der glaubt und hofft und nach Glück sucht, sondern wir brauchen einen Minister, der macht. ({5}) Das ist das Entscheidende. Deutschland braucht in diesen Tagen einen Minister, der macht, und, Herr Habeck, da haben Sie zurzeit wenig geliefert. ({6}) Wir haben heute Morgen im Wirtschaftsausschuss des Bundestags darüber geredet, was denn mit den Unternehmenshilfen passiert. Ich glaube, 3 500 Anträge sind bis jetzt gestellt worden; noch keine 40 sind zur Auszahlung gekommen. Jeden Tag, den wir hier verschenken, gehen Betriebe insolvent, ob Sie das verstehen oder nicht. Jeden Tag, den wir hier verschenken, sind Hunderttausende Arbeitsplätze gefährdet. Viele Unternehmen wissen nicht nur nicht, wie sie den nächsten Winter überstehen; sie wissen nicht, wie sie im nächsten Monat produzieren sollen. Und von dieser Bundesregierung wird dieses Thema Woche für Woche verschlafen. Wir brauchen ganz dringend schnelle und unbürokratische Unternehmenshilfen, um die nächsten Wochen und Monate zu überstehen. ({7}) Und, Herr Habeck, Sie haben jetzt gesagt: Die Union macht sich es einfach und sagt: Gaspreisumlage weg! – Wir als Linke haben das seit der ersten Stunde gesagt. Wir sagen: Wir können in einer Situation, in der die Energiepreise so durch die Decke gehen, die Verbraucher und die Unternehmen mit dieser Umlage nicht weiter belasten. – Das haben wir von Anfang an gesagt. Dieser Gaspreiszuschlag muss weg! Dafür haben Sie eben die Union kritisiert. Dann sollten Sie sagen, wo die 35 Milliarden Euro herkommen. Ich sage Ihnen das mal ganz ehrlich: Wer in dieser Krise nicht versteht, dass sie ähnlich oder sogar größer ist als die Coronakrise, und immer noch an der Schuldenbremse festhält, hat nicht verstanden, was jetzt getan werden muss. ({8}) Die Schuldenbremse muss weg! Die muss ein weiteres Jahr ausgesetzt werden. ({9}) Dann hätten wir die 35 Milliarden Euro auf andere Art und Weise zur Verfügung, um die Verbraucher und die KMU zu unterstützen. Das wäre die richtige Antwort. ({10}) Sie müssen, ob Sie wollen oder nicht, jetzt langsam mal in der Bundesregierung mit der FDP Tacheles reden. ({11}) Denn eine FDP, die weiterhin die Schuldenbremse einhalten will in einer Situation mit, wie Sie selbst beschreiben, hoher Inflation und Rezessionsgefahr, die versündigt sich an den kommenden Generationen. ({12}) Denn jedes Unternehmen, das aus Deutschland abwandert, jedes Unternehmen, das pleitegeht, jedes Unternehmen, das sich jetzt fragt: „Warum ist in Amerika der Gaspreis zehnmal geringer als bei uns?“, ist nicht mehr da, ({13}) und die kommenden Generationen werden diese Arbeitsplätze leider suchen. Deshalb: Die FDP versündigt sich mit ihrer Schuldenbremse an der Zukunft dieses Landes. ({14}) Und, Herr Habeck, Sie müssen jetzt auch langsam tatsächlich liefern; Sie haben nicht mehr lange Zeit. Die Unternehmenshilfen können nicht mehr lange auf sich warten lassen. Wir haben Ihnen heute Morgen ja auch im Wirtschaftsausschuss die Frage gestellt: Wo kommen die Milliarden her? Sie haben sie nicht so richtig beantwortet. Sie haben gesagt: Ja, gut, entweder müssen wir die Einnahmen erhöhen oder die Ausgaben irgendwo anders einschränken. – Ja, wo wollen Sie denn sparen, um die zusätzlichen Unternehmenshilfen zu bezahlen? Ich sage noch einmal: Die aktuelle Haushaltsplanung für 2023 wird nicht halten. Sie wird den Herausforderungen nicht gerecht, und da muss diese Bundesregierung endlich liefern. Ganz nebenbei: Der Bundeskanzler hat bereits im Februar gesagt, die Sanktionen dürfen uns nicht härter treffen als Putin oder Russland selbst. ({15}) Ich glaube, es gehört auch zur Ehrlichkeit dazu, dass wir jetzt jeden Tag spüren, dass diese Sanktionen uns schon härter treffen als Putin. ({16}) Deshalb muss man auch die Sanktionspolitik hinterfragen; denn es ist doch wirklich so, dass Gazprom weiterhin super Geschäfte macht, während wir oder die Bürgerinnen und Bürger da draußen nicht mehr wissen, wie sie ihre Gasrechnungen bezahlen sollen. Das heißt, wir dürfen nicht nur darüber nachdenken, wie wir mit Entlastungspaketen am Schluss wieder die Pflaster draufsetzen, sondern wir müssen auch die Sanktionspolitik hinterfragen; denn die schadet uns mehr als Russland. Vielen Dank. ({17})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat nun Dr. Lukas Köhler das Wort. ({0})

Dr. Lukas Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004786, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Dass Die Linke sich mal hierhinstellen und amerikanisches Fracking-Gas gut finden würde, das wundert mich schon sehr. ({0}) Dass Sie hier Amerika verteidigen – da muss ich sagen: Ich hätte andere Politik von Ihnen erwartet, zumindest gedacht, dass Sie das anders formulieren. Aber machen Sie ruhig! ({1}) Aber einen Punkt haben Sie ja richtigerweise ausgeführt: Wir haben eine reale Knappheit am Gasmarkt. Der Gaspreis in Deutschland ist so hoch, weil das Gas real knapp ist, und das ist eine Herausforderung. Das ist aber keine Herausforderung, weil wir zu wenig fördern. ({2}) – Ja, wollen wir auch. – Aber das Problem ist, dass Putin einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt und dass aufgrund dieses Krieges Gas knapp ist. ({3}) Meine Damen und Herren, wir reden ja nicht im luftleeren Raum, sondern natürlich ist an der aktuellen Situation Putin schuld. Da hilft auch kein Biegen und Brechen. ({4}) Aber: Reale Probleme bedeuten, wir brauchen auch reale Lösungen. Und, liebe Union, ein bisschen mehr marktwirtschaftliches Verständnis hätte ich schon von Ihnen erwartet. Sie stellen sich hierhin und sagen: Das Einzige, was uns bei den realen Problemen einfällt, ({5}) ist heute Markus Söder, der die Schuldenbremse infrage stellt. Das ist das Einzige, was Ihnen einfällt – keine marktwirtschaftliche Lösung, kein Ansatz, keine Alternative dazu, wie Sie die Gasumlage denn anders gestalten wollen. ({6}) Herr Jung, angesichts der Verantwortung, die Sie hier mittragen, hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie sich hierhinstellen und sagen: ({7}) Das ist eine bessere Alternative. – Nichts kommt dazu, nichts! ({8}) Und jetzt sagen Sie: Uniper wird gerettet. – Das wird zu einem Staatsunternehmen für kurze Zeit. ({9}) Das geht natürlich wieder zurück in den Markt. Es wird sogar übertragen. Man überlege sich mal: Das kommt von einem finnischen Staatsunternehmen, geht über Deutschland und wird dann ein marktwirtschaftliches Unternehmen. Ich freue mich darauf, dass wir mehr Markt, mehr Privatisierung schaffen; das ist eigentlich gut. Aber, meine Damen und Herren, nur dadurch, dass wir Uniper in dieser Situation jetzt retten, halten wir den Gasmarkt stabil; denn eine weitere Disruption des Gasmarktes würde ja nicht dazu führen, dass irgendetwas besser wird, sondern wenn jetzt Uniper pleitegehen würde, würde das einen Ripple-Effekt, einen Kaskadeneffekt im Markt haben, ({10}) und das würde zu noch mehr Problemen führen. Deswegen ist richtig, dass Robert Habeck, dass die ganze Bundesregierung sagt: Wir retten dieses Unternehmen in einer schweren Krise. – Aber es ist genauso richtig, dass die Preise ja weiterhin bestehen bleiben. Falls Sie das Prinzip der Gasumlage noch nicht so ganz durchdrungen haben: Das Problem ist doch, dass Gasanbieter aktuell Langfristverträge zu ganz anderen Preisen haben, als sie im Moment am Spotmarkt vorherrschen. Also, am Markt wird zu anderen Preisen gehandelt als in Langfristverträgen vorgesehen. Diese Langfristverträge sorgen noch dafür, dass Deutschland im Moment stabil ist. Wenn jetzt auf einmal Russland kein Gas mehr liefert, na ja, was müssen die dann machen? Dann müssen sie an genau diesem Markt einkaufen. Meine Damen und Herren, es ist völlig richtig, dass wir ein Instrument finden, das da hilft. Wenn das nicht die Gasumlage ist, können wir gerne über andere Instrumente sprechen. Aber dass wir jetzt auf einmal 38 Milliarden Euro einfach mal so über den Bundeshaushalt aufnehmen ({11}) – und es werden stündlich mehr; das sagen Sie ja selber –, wenn wir einfach mal so die Schuldenbremse in einer Inflationszeit abschaffen, dann ist das Wahnsinn. Dass das Ihre ökonomische Intelligenz völlig zu überfordern scheint, das ist ein wirkliches Problem. Ich glaube, wir brauchen – und ich glaube, das brauchen wir schnell – einen gemeinsamen Konsens darüber, wie wir mit den Märkten, wie wir mit dem Energiemarkt umgehen. Wir müssen auch die Unternehmen retten und den Unternehmen helfen. Es ist auch richtig, dass wir da als Regierung schon viel getan haben. Das müssen wir den Bürgerinnen und Bürgern überlassen. Aber Gaspreisdeckel vorzuschlagen, in die Merit Order einzugreifen, wovon Sie die Effekte selber nicht kennen: Meine Damen und Herren, ich erwarte mir mehr von der Union. ({12}) Ich erwarte mir sehr viel mehr von einer Partei, die für sich die soziale Marktwirtschaft einfordert. ({13}) Und ich erwarte mir auch von Ihnen als Oppositionsfraktion sehr viel mehr konstruktive Kritik mit Vorschlägen. Es ist meiner Meinung nach absolut absurd, sich hierhinzustellen und zu sagen: Ja, eine Finanzierung lassen wir offen, wir stellen mal die Schuldenbremse infrage, ({14}) wir weiten die Inflation aus, aber das Instrument mögen wir trotzdem nicht. ({15}) Meine Damen und Herren, das ist doch keine konstruktive Kritik. Das ist meiner Meinung nach das Eingeständnis, nicht genau zu wissen, was man will, und sich nicht ganz so sicher zu sein, wie der Markt funktioniert. ({16}) Ich glaube, dass wir genau an der richtigen Stelle darüber diskutieren, wie wir die Gasumlage besser machen können. ({17}) Ich glaube auch, dass wir genau an der richtigen Stelle, nämlich hier, darüber diskutieren, wie wir dieses Land über diese wahrliche Krise bringen. Das passiert aber nicht, indem wir die Inflation noch weiter anheizen, weitere Schulden aufnehmen und die Gas- und die Geldmenge weiter ausweiten, sondern dadurch, dass wir vernünftige, angebotsorientierte Wirtschaftspolitik machen. ({18}) Auf dem Weg sind wir; und dafür danke ich der Regierung ganz herzlich. ({19})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Jens Spahn für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frage, wie wir von russischen Gaslieferungen unabhängig werden, ob ein Unternehmen, ein Gasversorger wie Uniper mit Milliarden gestützt wird, wie die Gasumlage weitergeht, das beschäftigt Millionen Menschen, und das bewegt viele Milliarden. Da stellen sich Fragen – Fragen, die wir heute im Ausschuss gestellt haben, Fragen, die wir in der Fragestunde, Herr Kollege Mohrs, genau in diesem Zusammenhang gestellt haben, Fragen, die aber nicht beantwortet worden sind. ({0}) Und, lieber Herr Minister Habeck, anstatt die Opposition zu beschimpfen, hätten Sie ihr gerade lieber ein paar Antworten auf diese Fragen geben können. ({1}) Da kommen nicht Abgeordnete aus den Kammern; das ist gelebte parlamentarische Demokratie, wenn Fragen wie diese hier diskutiert werden. ({2}) Es sind Fragen, die die Wirklichkeit stellt; das kann ich Ihnen sagen. Wir werden ab dem 1. Oktober 2022 den Gaspreis aufgrund gesetzlicher Vorgaben anheben müssen. Das ist konkrete Wirklichkeit, wo sich Fragen stellen. Die Bürgerinnen und Bürger, 20 Millionen Gaskunden, bekommen nämlich gerade Briefe. Die Gasumlage wird konkret. Nur, leider ist nichts geklärt; nichts ist klar. ({3}) Man kommt ja kaum noch hinterher. Die anfänglichen handwerklichen Fehler: Wer zahlt was? ({4}) Mehrwertsteuer ja oder nein? ({5}) Unternehmen mit Milliardengewinnen, die auch profitieren sollen: Umverteilung von unten nach oben? Anpassungen an die Regelungen werden vor Wochen angekündigt; heute werden welche in die Ressortabstimmung gegeben, während der zuständige Minister gleichzeitig finanzverfassungsrechtliche Zweifel hat. Die FDP ist ja der letzte Fan der Umlage, die anderen Koalitionäre stellen sie auch schon infrage. Die Bürgerinnen und Bürger zahlen ab dem 1. Oktober, in zehn Tagen, eine Umlage, bei der weder klar ist, wer wofür oder für wen zahlt, noch ob sie überhaupt kommt. Das ist Chaos pur in einer Zeit, wo es Sicherheit und Planbarkeit bräuchte. ({6}) Auch zur Uniper-Rettung, die auf den ersten Blick konsequent ist, stellen sich zumindest mal Fragen, ({7}) die wir auch hier stellen: Um wie viele Milliarden Euro handelt es sich denn bei welchen Instrumenten für Uniper? Warum beteiligt sich der finnische Staat als Miteigentümer nicht stärker? Ist diese Bundesregierung nun Eigentümer von Kernkraftwerken in Schweden und Kohlekraftwerken in Russland? ({8}) Und wenn ja, warum betreiben Sie dann in anderen Ländern, was Sie im eigenen Land nicht ans Netz kriegen und am Netz halten wollen? ({9}) Herr Minister, schauen wir uns die Fragen an, die die Wirklichkeit stellt. Die Frage, die die Wirklichkeit stellt, ist nämlich die: Wo kommt der Strom, die Energie her? ({10}) In einer Zeit eines Angebotsschocks geht es darum, jedes Angebot, jede Möglichkeit zu nutzen. Ich kann Ihnen sagen, welche Fragen die Wirklichkeit stellt: Warum sind sieben Monate nach Kriegsbeginn bisher nur zwei Kohlekraftwerke zusätzlich am Netz? Das ist eine Frage, die die Wirklichkeit stellt. ({11}) Ich kann Ihnen noch eine Frage stellen, die die Wirklichkeit stellt: Warum sind sieben Monate nach Kriegsbeginn, nachdem wir das hier zur Abstimmung gestellt haben, Sie es abgelehnt haben, im Sommer Ankündigungen gemacht haben und jetzt erst Vorschläge vorlegen, wie man es vielleicht mal regelt, die Möglichkeiten für mehr Biogaserzeugung, die wir im Land haben, immer noch nicht am Netz? Das ist die Frage, die die Wirklichkeit stellt. ({12}) Eine Frage, die die Wirklichkeit auch stellt, ist die: Warum lassen wir mitten im Winter, in einer Energiekrise, wo die Strompreise auf Rekordniveau sind und sich die Frage stellt, ob wir genug Energie im Land haben, drei sichere und verlässliche Kernkraftwerke nicht weiterlaufen? ({13}) Das sind die Fragen, die sich stellen und die Sie hier nicht beantwortet haben. ({14}) Dann gibt es noch eine sehr entscheidende Frage, die die Wirklichkeit stellt, ({15}) nämlich die, was eigentlich in der Regierung los ist. ({16}) Das alles, was da passiert, wäre ja in normalen Zeiten ganz unterhaltsam. Der Finanzminister und der Wirtschaftsminister sind im täglichen Streit miteinander: Schuldenbremse, Weiterlaufen der Kernkraftwerke, Gasumlage ja oder nein? Finanzverfassungsrechtliche Zweifel ja oder nein? In normalen Zeiten wäre das vielleicht unterhaltsam. Wir sind aber in einer der schwersten Krisen unseres Landes. Millionen Bürgerinnen und Bürger sind verunsichert. Die Heizperiode beginnt spätestens am 1. Oktober. Sie fragen sich, was sie erwartet, welche Kosten auf sie zukommen. Das gilt auch für viele Unternehmen im Land. In einer Zeit wie dieser kriegen wir nicht Führung, Einigkeit, ein beherztes Handeln, sondern täglichen Streit zwischen Finanz- und Wirtschaftsminister, sekundiert von FDP und Grünen unter Anfeuerung der SPD. ({17}) Was dieses Land braucht – und das ist die Frage der Wirklichkeit, die sich stellt –, ist eine Regierung, die das Nötige tut, die geeint handelt, die in Zeiten der Unsicherheit nicht noch täglich zusätzliche Verunsicherung schafft. Das ist die Frage, die die Wirklichkeit stellt. ({18})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Falko Mohrs das Wort. ({0})

Falko Mohrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004824, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Spahn, eine Frage, die die Wirklichkeit stellt, ist, wie eigentlich jemand wie Sie, mit Ihrer Leistungsbilanz in der Regierung ({0}) in der letzten großen Krise dieses Landes, den Mund hier so voll nehmen kann. ({1}) Das ist eine Frage, die die Wirklichkeit stellt. ({2}) Es gibt eine weitere Frage, die die Wirklichkeit stellt. Herr Merz, manche Aussagen altern ja schlecht im Laufe der Zeit. ({3}) Anfang März, am 10. März, haben Sie gefordert, ({4}) dass wir ein Embargo auf russisches Gas aussprechen sollen. ({5}) Das war Ihre Forderung Anfang März. ({6}) Ihr Kollege Kiesewetter hat im gleichen Atemzug gefordert, dann müsste doch das Land einfach mal den Gürtel enger schnallen. Das ist die Frage, die heute die Wirklichkeit stellt: Was wäre denn passiert, wenn wir Ihnen gefolgt wären? ({7}) Was wäre denn mit den Gasspeichern in diesem Land passiert? Was wäre mit der industriellen Substanz in diesem Land passiert, zu einem Zeitpunkt, wo wir von russischem Gas deutlich abhängiger waren, als wir es heute sind? Denn diese Bundesregierung mit dem Bundeskanzler und dem Bundeswirtschaftsminister haben seit Ende des letzten Jahres, noch bevor – noch bevor! – der russische Angriffskrieg erfolgte, angefangen, sich auf einen Weg der Unabhängigkeit von russischer Energie zu machen, weil Peter Altmaier zugelassen hat, dass sich die Gasspeicher leeren, dass wir hier in dieser Abhängigkeit drin sind. ({8}) Das hat Ihr Wirtschafts- und Energieminister zugelassen, während diese Bundesregierung als eine der ersten Maßnahmen eingeleitet hat, dass wir von russischer Energie unabhängiger werden. Das ist doch die Frage, die die Wirklichkeit stellt, warum Sie das zugelassen haben und diese Bundesregierung seit dem ersten Tag genau dagegen anarbeiten musste. ({9}) Wir sehen doch, dass Putin genau mit dieser Vorbereitung, die Gasspeicher leerlaufen zu lassen, von Anfang an einen hybriden Krieg geführt hat – einen hybriden Krieg, in dem Gas, in dem Energie eine Waffe gegen den Westen, gegen die Demokratie war. Es ist doch genau das Gleiche, was uns klar sein muss. Genau wie in der Ukraine gilt auch in der hybriden Kriegsform: Putin darf diesen Krieg nicht gewinnen! Deswegen ist es auch unsere Verantwortung, dass wir das Land stabilisieren, dass wir den Haushalten über Preisdeckel eine Verlässlichkeit über den Winter anbieten. Es ist ja ein bisschen absurd, dass Sie mit der Frage zur Gasumlage eigentlich die viel breiter gefasste Aktuelle Stunde zu der Frage von Bezahlbarkeit und industrieller Substanz verdrängt haben. Das wäre doch eigentlich die Frage gewesen, über die wir hier in aller Breite hätten diskutieren müssen: Wie denn tatsächlich Sicherheit organisiert wird, damit für die Menschen neben der Frage der Versorgungssicherheit beim Gas auch die Bezahlbarkeit sichergestellt werden kann, also wie wir es über eine Preisdeckelung, eine Preisbremse, über einen Grundtarif schaffen, dass Sparanreize gesetzt, aber gleichzeitig Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit garantiert werden können, und wie wir es jetzt genau hinbekommen, dass wir – es wurde ja heute Morgen in beiden Ausschüssen sehr ausführlich diskutiert – den Unternehmen ein Unterstützungsprogramm anbieten, das eben nicht mehr von der Definition „Bin ich auf einer KUEBLL-Liste? Bin ich energie- und handelsintensiv?“ ausgeht, sondern von der Frage: Bin ich betroffen? Das ist doch die entscheidende Frage, die viele Unternehmen im Mittelstand, im Handwerk gerade umtreibt: Kann ich mich darauf verlassen, unterstützt zu werden? Und darauf haben wir heute Morgen eine klare Antwort gegeben: Ja, die Unternehmen können sich genau darauf verlassen. Diese Frage hier im Plenum zu debattieren, haben Sie mit Ihrem lächerlichen Polittheater leider hier verdrängt; aber Sie kriegen die Antworten trotzdem. ({10}) Ich hätte mir in der Tat von Ihnen mehr an konstruktivem Umgang und staatspolitischer Verantwortung gewünscht, sowohl von Herrn Merz als auch von Herrn Spahn. Wie Sie mit Ihrem Ministerpräsidenten der CSU in Bayern in die Debatte einsteigen, wie wir dieses Land entlasten können, ist doch an Absurdität nicht zu übertreffen. Mit dem Blick auch auf Niedersachsen, mit Stephan Weil, der gesagt hat, er sei bereit, 1 Milliarde Euro in die Hand zu nehmen als Land Niedersachsen, um die Unternehmen zu stabilisieren, ({11}) um eine Nachfolgelösung für das 9‑Euro-Ticket zu finanzieren, um einen Härtefallfonds für die Stadtwerke und die kommunalen Einrichtungen zu organisieren, sage ich Ihnen: Das ist doch verantwortliche Politik in einer Krisensituation und nicht, sich hinzustellen und zu sagen: Mit mir hat keiner geredet; ich bin nicht bereit dazu. – Das ist nun wirklich keine staatspolitische Verantwortung. Ehrlicherweise hätte ich von Ihnen mehr erwartet. Vielleicht ist es aber auch eine Frage, die die Wirklichkeit stellt. Man darf es von der Union in diesen Tagen eben nicht mehr erwarten. ({12}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir als Koalition, wir als Bundesregierung nehmen vom ersten Tag an die Frage der energiepolitischen Unabhängigkeit, der Versorgungssicherheit, der Bezahlbarkeit für dieses Land, für die Menschen und für die Unternehmen ernst. Das ist eine der Kernaufgaben seit unserem Amtsantritt. Diesen Aufgaben fühlen wir uns weiter verpflichtet. Da werden wir uns von Ihnen nicht aus dem Konzept bringen lassen. Wir arbeiten daran. Die Antworten liegen zum Teil auf dem Tisch. Die anderen Antworten arbeiten wir sauber aus. Ich freue mich, wenn Sie irgendwann mal auf einen konstruktiven Weg zurückkommen. Wir werden daran weiterarbeiten. Vielen herzlichen Dank. ({13})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Dieter Janecek das Wort. ({0})

Dieter Janecek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004312, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Zum Anfang dieser Debatte darf ich feststellen, dass die Union den heiligen Gral der Schuldenbremse heute endgültig geopfert hat. ({0}) Das ist die absolute Konsequenz Ihrer politischen Forderungen: Industriestrompreis 4 Cent haben wir heute schon gehört, die Gasumlage aus Steuermitteln. Ich kann mich auch noch an Anträge von Ihnen erinnern, in denen Sie die Energiesteuern auf ein Mindestmaß senken wollten. Ich will das gar nicht alles zusammenrechnen. Da ist die Linkspartei solider als Sie in den Forderungen. ({1}) Aber ich will auch ein Lob damit verbinden. Ich halte es nämlich für verantwortungsvoll, in dieser Krise zu sagen: Wir müssen jetzt den finanziellen Spielraum des Staates erweitern, um Unternehmen und betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu helfen; das müssen wir. ({2}) Jetzt darf man Sie aber auch nicht aus der Verantwortung nehmen für das, was Sie in der Vergangenheit geleistet haben. ({3}) – Ich schaue gar nicht auf 16 Jahre. ({4}) Ich schaue auf einen Zeitraum, den Sie in dem Recherchemagazin „Correctiv“ nachlesen können. Die Verflechtungen von Unionspolitikern, ({5}) auch von Markus Söder, mit den großen russischhörigen Gasimporteuren, mit dieser Politik, die Sie zu verantworten haben, die uns in diese Krise hineingetrieben hat; diese große Abhängigkeit von russischem Gas ist auch eine Abhängigkeit, die die Union erzeugt hat. ({6}) Das ist verbunden mit einem historischen Versagen beim Ausbau der erneuerbaren Energien über Jahrzehnte. Hätten wir heute schon einen großen Ausbau auf den Weg gebracht, hätten wir Energieeinspeicherung, hätten wir Speichermöglichkeiten geschaffen, hätten wir diese Krisensituation heute nicht. Auch das müssen Sie zur Kenntnis nehmen, und wir werden Sie aus dieser Verantwortung nicht entlassen. ({7}) Gleichzeitig gibt es kein Ministerium, seit ich mich im Bundestag erinnern kann, das jemals so viele Gesetze auf den Weg gebracht hat, so viel Handeln geschafft hat wie dieses Bundeswirtschaftsministerium. ({8}) Allein in dieser Woche: die Verstaatlichung von Uniper, übrigens für einen Preis, der für den Staat – günstig ist das falsche Wort – auf jeden Fall nicht teurer ist, als er hätte sein können, die Treuhandlösung jetzt auch für Rosneft, die Fragen auch, die wir jetzt im Strommarkt klären müssen, dass wir auf der Energieministerkonferenz eine schwierige Aufgabe zu lösen haben, nämlich einen Eingriff in den Markt zu tätigen, um die Preise runterzukriegen. ({9}) Die Hauptaufgabe der Politik ist es nämlich, die Preise runterzukriegen. Daran arbeiten wir sehr intensiv durch den Ausbau der LNG-Terminals, beispielsweise durch Maßnahmen im Marktdesign, und ich hoffe, auch durch einen gemeinsamen europäischen Einkauf bei Gas in der Zukunft; denn auch das würde uns helfen. ({10}) Ganz wesentlich ist jetzt aber auch, dass wir ganz genau auf die Betroffenen in den Betrieben schauen. Das sind nicht nur die Bäckereien; das sind Gießereien, das sind Lackierereien, das sind auch Metzgereien; das sind viele kleine, auch mittlere, manchmal auch größere Betriebe, die sehr stark unter den horrenden Energiekosten zu leiden haben. Deswegen ist es notwendig und richtig, dass Bundesminister Habeck jetzt auch einen Vorschlag für eine Ausweitung des Energiekostendämpfungsprogramms auf alle energieintensiven Betriebe unterbreitet, auch eine Extrastufe für kleine und mittlere Unternehmen einführt, damit wir hier gezielt Hilfe schaffen. Aber ich sage Ihnen auch ganz deutlich: Das Versprechen, das Sie hier abzugeben versuchen, kann man nicht abgeben. In Bayern ist es ja besonders explizit ausgelegt: Es gibt ja kein Land, das so stark von russischem Gas und Öl abhängig ist wie Bayern und das so viel Verantwortung abschiebt, wie das der bayerische Ministerpräsident tut. ({11}) Die Folgerung muss aber jetzt sein, dass wir auch nicht versprechen können: Wir können alle Kosten abfedern. – Das können wir nicht. Es wird Verluste geben. Wir werden mit großer Wahrscheinlichkeit in eine rezessive Phase kommen. Es gibt dann aber auch das Licht am Ende des Tunnels, und das heißt: Wir investieren jetzt in Energieeffizienz; wir investieren jetzt in die Carbon Contracts for Difference; wir geben jetzt die Sparanreize. Wir sind der Industrie auch dankbar, dass sie bereits über 20 bis 30 Prozent an Gas eingespart hat; das muss jetzt auch für die Haushalte gelten. Also, wir haben eine schwierige Zeit, wir haben eine Krise, und so sollten wir auch mit ihr umgehen. Zum Schluss möchte ich Ihnen noch kurz etwas berichten. Ich hatte vor drei Wochen die Gelegenheit, ein ganzes Wochenende mit sieben Abgeordneten aus der Ukraine zu verbringen. Und die Herausforderungen jenseits des Krieges, der schrecklich ist und uns jeden Tag beschäftigt, sind ja dort auch ökonomisch: minus 30 bis 50 Prozent „Wirtschaftswachstum“ – in Anführungszeichen. Die Heiztemperatur in Kiew ist garantiert bei 12 Grad, wenn überhaupt Gas da ist; in Charkiw ist gar nichts garantiert. Auch das sind Verhältnismäßigkeiten, die wir uns immer wieder angucken müssen. Wir tun hier im Land alles, was wir können. Aber die Sanktionen gegen Russland bleiben richtig. Es bleibt richtig, Waffen an die Ukraine zu liefern. Es bleibt richtig, gemeinsam europäisch zu handeln. Darauf kommt es jetzt in dieser Krise an. Deswegen bitte ich Sie auch, dass wir in dieser Krise gemeinsam handeln und uns nicht spalten lassen. Vielen Dank. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Reinhard Houben das Wort. ({0})

Reinhard Houben (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, welche Debatte wir hier eigentlich hätten führen sollen: „Pleitewelle verhindern – wirtschaftliche und industrielle Substanz in ganz Deutschland erhalten“. Das war der Ursprungstitel für Ihre Aktuelle Stunde. Am Freitag werden Sie noch einen entsprechenden Antrag, wenn Sie ihn nicht kurzfristig wieder ändern, einbringen: „Bürgern und Unternehmen eine energiepolitische Perspektive geben, Preise unter Kontrolle bringen, Insolvenzwelle verhindern“. Das sind eine ganze Menge Wellen. Vielleicht machen Sie auch mal was zur Donauwelle. – Aber Spaß beiseite, meine Damen und Herren. Nachdem ich jetzt Ihre Beiträge, also die aus der Unionsfraktion, gehört habe, ({0}) muss ich Sie fragen: Meinen Sie das eigentlich ernst, was Sie in diesen beiden Aktuellen Stunden mit uns hier debattieren wollen? Meinen Sie das wirklich im Ernst? Die Menschen sind in Sorge. Die Menschen in Deutschland haben wirklich Sorgen, und dann wird hier eine solche Debatte losgetreten. ({1}) Ich kann es, ehrlich gesagt, nicht verstehen. ({2}) Sie haben am 24. Februar zugesagt, bei bestimmten Fragen die Regierung zu unterstützen. Wir begrüßen das bei den Fragen der Verteidigung der Freiheit in der Ukraine und insgesamt in Europa. Aber dazu gehört natürlich auch, meine Damen und Herren, dass wir die Heimat, unser Land, weiterhin im Auge behalten, und dazu gehört natürlich die ganz entscheidende Aufgabe, Energiesicherheit in Deutschland herzustellen. ({3}) Herr Spahn, Sie haben ja eine ganze Menge Fragen gestellt. Vielleicht kann das Herr Lenz, der ja gleich noch dran ist, erklären. ({4}) Der Minister war eine Stunde bei uns im Wirtschaftsausschuss; nach meiner Kenntnis war er auch im Ausschuss für Klimaschutz und Energie. Herr Spahn, ich habe Sie im Wirtschaftsausschuss vermisst. Ihre Kolleginnen und Kollegen haben dort einige Fragen gestellt, die auch beantwortet worden sind. Es wären vielleicht manche Fragen nicht nötig gewesen, wenn Sie sich wirklich informiert hätten. ({5}) Meine Damen und Herren, die Ampelkoalition hat das schwere Erbe einer fatalen Energieabhängigkeit von Russland nun wirklich nicht gerne übernommen. ({6}) Aber nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass wir neben den schon beschlossenen Paketen – 95 Milliarden Euro – uns weiterhin darum kümmern, dass wir eben Gas bekommen. Dazu gehört in diesem Zusammenhang dann leider auch die Frage, wie man mit Uniper umgeht. Sie alle gehen zu Veranstaltungen, wo regionale Energieversorger auf uns, die Politik, zukommen – auf Sie auch – und sagen: Ihr dürft Uniper nicht kaputtgehen lassen. ({7}) Mein regionaler Energieversorger, die RheinEnergie AG, Köln, sagt: Wenn Uniper kaputtgeht, haben wir einen Schaden von mindestens 300 Millionen Euro. ({8}) – Nein, ich baue keinen Popanz auf. Es scheint Sie ja zu stören, Herr Merz. ({9}) Ich kann ja die Äußerungen des Kollegen Falko Mohrs zu Ihren Formulierungen zum Thema Nord Stream 1 wiederholen. Das brauchen wir doch nicht. Ich halte Sie für intelligent genug, dass Sie wissen, dass Sie damals nicht das Richtige gesagt haben. Also, tun Sie doch nicht so! Sie wissen genau, meine Damen und Herren: Wenn Uniper fällt und in Insolvenz geht, werden wir Probleme mit der Gasversorgung haben, weil dann sämtliche Verträge, die Uniper abgeschlossen hat, faktisch nicht mehr umsetzbar sind. Deswegen ist es sinnvoll, das zu tun. Glauben Sie mir als FDPler: Ich freue mich auch nicht darüber, dass wir nun ein Unternehmen verstaatlichen, und ich freue mich auch nicht darüber, dass wir nun auf einmal Atomkraftwerke in Schweden im Portfolio haben. Sie könnten ja mal den Minister fragen, ob er denn Uniper ohne die AKWs bekommen hätte. Ich halte das für eine relativ irrige Frage. ({10}) Meine Damen und Herren, dann kommt die Debatte, die wir führen müssen: Wie finanzieren wir das? Ich kann für die Ampelkoalition nur feststellen, dass man an dem Wochenende, als man 22 Stunden debattiert hat, sich beraten hat, mit dem Ergebnis auseinandergegangen ist, dass eine Gasumlage eingeführt wird. Das ist für zumindest uns Grundlage der Debatte. ({11}) Deswegen sind wir gespannt auf vernünftige Lösungen, die der Wirtschaftsminister einbringen wird. ({12}) Eine letzte Bemerkung. Wir haben auch ein Problem mit dem Strom, und deswegen sollten wir ernsthaft überlegen, ({13}) die drei AKWs, die wir noch haben, über den 31. Dezember hinaus laufen zu lassen. Vielen Dank. ({14})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Dr. Andreas Lenz für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Andreas Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004339, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, am Ende, Herr Houben, haben Sie die Kurve ja noch mal gekriegt. ({0}) Aber was ja auch klar ist: Die Gasumlage ist Murks. Das müsste doch spätestens jetzt zum Ende der Debatte allen hier klar geworden sein. ({1}) Das und nicht mehr wollen wir hier betonen; wir wollen aber auch nicht weniger betonen. Bei der Frage der Rettung Unipers gibt es keinen Dissens. Es gibt aber bei der Frage zum Weg dorthin durchaus einen Dissens, und den werden wir auch hier entsprechend diskutieren. Wir lassen es Ihnen nicht durchgehen, dass jetzt die Ampel hier das Ampelchaos zur Strategie erklärt. Das wird so nicht funktionieren. ({2}) Es ist so, dass die Gasumlage einseitig Verbraucher belastet, insbesondere die Unternehmen, das Handwerk und den Mittelstand. ({3}) Sie war ein Schnellschuss, der weder sozial gerecht noch durchdacht noch sinnig konstruiert ist. Morgen können Sie entsprechend einem Antrag von uns zustimmen. Wir fordern Sie auf, letzten Endes dieses vermurkste Gesetz vom Tisch zu nehmen. ({4}) Wie viele Unstimmigkeiten es gibt, das zeigte doch auch die letzte Sondersitzung des Ausschusses in der letzten Sitzungswoche. ({5}) Da gab es keine Antworten auf sehr, sehr viele Fragen. Was ist beispielsweise die Berechnungsgrundlage der Gasumlage? ({6}) Wir wissen nicht, wie sich die 2,4 Cent pro Kilowattstunde zusammensetzen. ({7}) Das bleibt ein Rätsel. Übrigens sind diese 2,4 Cent fast genauso viel, wie der Gaspreis in den USA momentan beträgt. Es belastet übrigens einen Familienhaushalt mit 600 Euro im Jahr. ({8}) Ist es klug, auf der einen Seite zu belasten und auf der anderen Seite dann zu versuchen, für die Verbraucher, aber nicht für die Unternehmen die Umsatzsteuer auf Gas zu senken? ({9}) Wie kann man Trittbrettfahrertum verhindern, also den Fakt, dass Unternehmen die Gasumlage bekommen, obwohl sie sie nicht brauchen? Darauf gab es keine Antwort im Ausschuss. Nach der ersten Fassung wäre die Gasumlage insgesamt zwölf Unternehmen ausbezahlt worden, übrigens zwei Unternehmen mit Rekordgewinnen. Das ist doch Wahnsinn. Wie wollen Sie die Systemrelevanz derjenigen Unternehmen definieren, die die Gasumlage bekommen? Keine Antwort. Werden außer Uniper noch andere Unternehmen – das ist ein relevanter Punkt – die Gasumlage brauchen, oder befinden sich schon andere Unternehmen in einer Schieflage, Stichwort „VNG“? Keine Antwort. ({10}) Es drängt sich doch der Verdacht auf, dass Sie überhaupt keine Ahnung haben, was Sie hier überhaupt wollen ({11}) und wie Sie diese Umlage ausgestalten wollen. Damit werden Sie im Moment Ihrer Verantwortung in keiner Weise gerecht. ({12}) Mittlerweile sagen ja auch die FDP und die SPD immer wieder: Das ist die Umlage Robert Habecks. Anfang dieser Woche hieß es noch: Habeck zweifelt selbst an der Gasumlage. – Herzlichen Glückwunsch, Herr Habeck! Das machen wir schon lange. Im August meinte Herr Habeck übrigens noch wörtlich: Die Alternative ist nicht „keine Umlage“. Die Alternative wäre der Zusammenbruch des deutschen Energiemarktes gewesen und damit weiter Teile des europäischen Energiemarktes. „Diese Umlage ist die gerechtestmögliche Form“, erklärte Habeck damals weiter. Herr Habeck, das ist nach Prüfung der Fakten einfach falsch. Eine Rettung ist auch ohne Umlage möglich, und eine andere Form der Rettung ist sowohl gerechter als auch rechtssicherer. ({13}) Es ist doch nicht richtig, wenn jetzt die Oma durch ihren Gasverbrauch letzten Endes die Rettung von Uniper bezahlt – aber das ist Realität. Bezüglich Uniper weiß die Bundesregierung jetzt übrigens etwas, was sie im Juli noch nicht wusste oder noch nicht wissen konnte: Ende Juli wollte der Bund eine Minderheitsbeteiligung von 30 Prozent, jetzt de facto eine gesamte Übernahme. Das sind Fragen über Fragen. Unternehmen brauchen jetzt aber schnelle Hilfe und keine zusätzliche Gasumlage, die ihnen gerade in der jetzigen Situation noch den Todesstoß bringen könnte. Führen Sie lieber einen Basistarif für Gas ein, wie es beispielsweise die Niederlande in dieser Woche gemacht haben. Stimmen Sie gegen diese Gasumlage! ({14}) Sie haben jetzt die Gelegenheit dazu; dann ist das vom Tisch. Das ist letzten Endes auch konstruktive Opposition. Wir reichen Ihnen die Hand, um gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Aber die Gasumlage ist weder sinnig noch durchdacht. Herzlichen Dank. ({15})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Timon Gremmels für die SPD-Fraktion. ({0})

Timon Gremmels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004732, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Spahn ist anscheinend von seinem Pressetermin zurückgekommen. Sie haben 20 Minuten lang der Debatte nicht folgen können, die Sie selber hier beantragt haben. Das ist, finde ich, nicht gerade ein ganz toller Stil. ({0}) Genauso wenig, Herr Spahn, ist es ein guter Stil, heute Morgen weder im Wirtschaftsausschuss noch im Klimaausschuss gewesen zu sein. Da hat sich Herr Habeck nämlich den Fragen gestellt, und all diese Fragen, die Sie hier am Pult gestellt haben, hat er dort beantwortet. Sie waren aber nicht dabei. ({1}) – Ich war im Klimaausschuss, Frau Klöckner, ja selbstverständlich. ({2}) – Ja, sehr schön. Aber es geht nicht, dass sich Herr Spahn hierhinstellt und sozusagen fehlende Informationen beklagt, die aber heute Morgen gegeben wurden. ({3}) Aber warum haben Sie das gemacht, Herr Spahn? Weil im Ausschuss keine Kameras waren. Und warum haben Sie es auch noch gemacht? Weil die ganze Inszenierung von heute Nachmittag dort nicht funktioniert hätte, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist Doppelmoral! ({4}) Wissen Sie, Herr Spahn: Demnächst veröffentlichen Sie ein Buch mit dem Titel „Wir werden einander viel verzeihen müssen“. Genau das machen Sie aber nicht. Diesen Persilschein haben Sie sich selber ausgestellt in der Coronakrise. Wenn Sie jetzt das, was Sie für sich selbst in Anspruch nehmen, anderen, die hart arbeiten, die eine Krise bewältigen, die vermutlich größer sein wird als die Coronakrise, nicht zugutekommen lassen, dann nenne ich das Doppelmoral. Herr Spahn, schämen Sie sich! Schämen Sie sich! ({5}) Ich sage Ihnen: Mir ist es zehnmal lieber, dass Robert Habeck dafür sorgt, dass wir hier Gas bekommen, als dass die Union Masken besorgt, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({6}) – Ja, das müssen Sie sich anhören. Das gehört nämlich auch zur Wahrheit. Bei Ihrer Krisenbewältigung ging es doch in erster Linie darum, dass sich die Kollegen die Taschen vollgestopft haben! Die Namen der Kollegen nenne ich jetzt hier lieber nicht; Sie kennen sie alle selbst. Das war Ihre Art von Krisenbewältigung! Da ist es mir zehnmal lieber, dass wir uns hier um eine ordentliche und schnelle Versorgung mit Gas kümmern. Übrigens, warum machen wir das denn? Weil die Schubladen und die Konzepte von Peter Altmaier leer waren. ({7}) Wir hatten doch gar keine gefüllten Speicher. Es gab keine Speicherstrategie. Es war doch alles leer. ({8}) Er hat als Bundeswirtschaftsminister zugelassen, dass im letzten Jahr die Speicher ausgelaufen sind und nicht nachgefüllt wurden. Da gab es eine Ressortverantwortung, und die hieß Peter Altmaier, sehr verehrten Damen und Herren! ({9}) Und wo waren denn die LNG-Terminals? Auch nicht da. Da mussten wir uns nach Regierungsübernahme darum kümmern, dass die kommen! Deswegen, backen Sie hier doch bitte kleine Brötchen, und reden Sie von Ihrer eigenen Verantwortung. ({10}) Wir handeln – wir handeln! Wir sorgen dafür, dass gerade im Osten Deutschlands die Unternehmen eine Perspektive bekommen. Ich bin Bundeskanzler Olaf Scholz und Robert Habeck sehr dankbar, dass man jetzt hier einen Weg gefunden hat, um PCK Schwedt eine Zukunftsperspektive zu geben: eine Standortsicherung und Investitionen in Höhe von knapp 1 Milliarde Euro. Das ist eine Zukunftssicherung, die wir auf den Weg gebracht haben. Das sind die Signale, die die Menschen interessieren. Sie wollen, dass wir hier den industriellen Wandel gestalten. Das macht diese Bundesregierung, und das ist auch gut so. ({11}) Sie fragen nach der Strategie für einen Ausstieg aus fossilen Energien. Die Union fragt, was die Strategie der Bundesregierung für einen Ausstieg aus fossilen Energieträgern ist. Ich sage Ihnen, was unsere Strategie ist. ({12}) Unsere Strategie ist eine Ausbaustrategie für erneuerbare Energien. ({13}) Und da haben wir noch viel nachzuholen; denn auch da haben Sie nichts hinbekommen. Sie haben blockiert und gebremst. Ich nenne die Kollegen Pfeiffer, Nüßlein und Co. Sie haben den Ausbau der erneuerbaren Energien über Jahre hier gebremst. Wir wären doch sehr viel weiter; wir wären doch sehr viel energieunabhängiger, wenn die Union dort nicht auf der Bremse gestanden hätte. Deswegen erwarte ich bei all dem, was wir hier diskutieren – wir haben schwierige Diskussionen –, von einer Volkspartei wie der Union, dass sie auch ihren gesellschaftlichen Auftrag bei der Bewältigung der Krise wahrnimmt und hier keinen billigen Populismus betreibt. ({14}) Das ist mein Wunsch. Ob der Wirklichkeit wird, da haben Sie in dieser Woche noch an der einen oder anderen Stelle die Möglichkeit, dies unter Beweis zu stellen. Vielen Dank. ({15})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Maik Außendorf das Wort. ({0})

Maik Außendorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005012, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Union hat das Thema der Aktuellen Stunde reduziert auf die Frage der Öl- und Gasimporte und die Gasumlage. Da aber diese Fragen alle schon umfänglich von Minister Habeck beantwortet wurden, möchte ich die Gelegenheit nutzen, den Blick mal wieder ein bisschen zu weiten auf die Folgen der Inflation und auf die Maßnahmen, die wir ergreifen müssen und werden, um Unternehmen in diesem Land über den Winter zu helfen. Zunächst mal sind wir uns einig: Der Auslöser für diese Krise ist der russische Angriffskrieg. Daraus resultiert Öl- und Gasknappheit. Wir hatten schon vorher das Problem des Fachkräftemangels und abgebrochener Lieferketten, und das alles zusammen hat zu einem nie dagewesenen Angebotsschock geführt. Wenn wir die fossile Inflation in Zahlen fassen, kommen wir geschätzt auf eine mindestens dreistellige Milliardensumme, die pro Jahr ins Ausland abfließt für die Beschaffung fossiler Energien. Das Geld fehlt hier, und das wollen wir langfristig reinholen durch den Umstieg auf die Erneuerbaren. Das heißt gleichzeitig: 100 Milliarden Euro oder mehr an Wertschöpfung hier im Land und für uns in der Politik. ({0}) Ich möchte auch noch mal auf das oft beschworene Gespenst einer Lohn-Preis-Spirale zu sprechen kommen. Das ist nicht das eigentliche Problem, das uns droht – im Gegenteil: Wir haben die importierte Inflation. Wenn wir dem mit klugen Lohnsteigerungen im unteren Sektor entgegenwirken, dann können wir es schaffen, einen möglicherweise drohenden Nachfrageschock abzuwenden. Ein solcher wäre eine weitere Verschärfung der Inflation und der Krise. Beides zusammen, Nachfrage- und Angebotsschock, das wäre nur schwer auszuhalten. Deswegen muss man beides zusammen betrachten. ({1}) Wie begegnen wir der Krise? Wenn ich an die Situation vor einigen Monaten zurückdenke: Da haben wir die ernsthafte Sorge gehabt, ob wir mit dem vorhandenen Gas und Strom überhaupt durch den Winter kommen. Diese Sorge haben wir jetzt überwunden. Dank Minister Habeck und seines ganzen Hauses haben wir jetzt Sicherheit, was die Versorgung mit Energie anbelangt. Dafür zunächst mal herzlichen Dank. Wie geht es jetzt weiter? Nachdem wir die Versorgungssicherheit geklärt haben, muss als Nächstes die Senkung der Energiepreise die höchste Priorität haben. Fangen wir an beim Strom. Hier haben wir die gigantische Aufgabe, die Versäumnisse vor allem der CSU aufzuräumen, die insbesondere in Bayern den Ausbau der Stromtrassen boykottiert und die Windenergie blockiert hat. Dann haben wir noch Sicherheitsprobleme in den von Ihnen so favorisierten Atomkraftwerken. Da kann man sich einfach nicht auf das verlassen, was uns die CSU da präsentiert; da müssen wir andere Wege beschreiten. ({2}) Wenn wir jetzt über Preise reden: Die Europäische Kommission arbeitet schon an einem Preisdeckel für Strom, der aber blöderweise größtenteils aus Gas erzeugt wird. Und da haben wir die Kombination aus Gaspreis und Strompreis. Diese Kombination müssen wir aufheben. Daran arbeitet die Kommission, und das muss möglichst schnell gehen. Zum Thema Gas. Wir haben das Angebot verbessert. Das wird auch im Laufe des Winters noch weiter noch besser werden durch LNG-Terminals. Wir stellen fest, dass sowohl Verbraucher/-innen als auch die Industrie nennenswerte Einsparungen vornehmen. Auch das hilft uns, über den Winter zu kommen, und es hilft auch, den Preis zu senken. Schwieriger ist es beim Öl. Hier sind wir vom Weltmarkt abhängig, und da hilft im Grunde nur, den Verbrauch zu senken, und zwar ohne Ideologie. Wenn wir mal auf das Umweltbundesamt hören: Dies sieht allein durch eine systematische Geschwindigkeitsreduktion ein Einsparpotenzial von mehr als 2 Milliarden Liter Kraftstoff jährlich. ({3}) Das waren die Preissenkungen. Kommen wir zur zweiten Priorität, nämlich zu einer möglichst zielgerichteten Entlastung. Nichtstun ist keine Option; das würde die Rezession verstärken. Da müssen wir gegensteuern. Wir müssen aber auch ehrlich sein und dürfen keine falschen Erwartungen wecken. Denn egal was wir tun, es wird am Ende nie reichen. Kein Entlastungspaket, das wir auf den Weg bringen können, wird am Ende dazu führen, dass alle Verluste ausgeglichen werden. Das müssen wir uns immer wieder vergegenwärtigen, und das müssen wir den Menschen auch offen sagen. Es geht darum, die existenzielle Versorgung zu sichern und möglichst vielen Unternehmen das Überleben zu ermöglichen. So oder so wird es Wohlstandseinbußen und Verluste geben. Das sei einmal vorweggenommen. Die Bundesregierung und ihre Ministerien werden zusammen mit dem Parlament verschiedene Wege beraten. Die Ausweitung des Energiekostendämpfungsprogramms auf alle Branchen ist bereits im Gespräch. Auch da werden natürlich immer nur Spitzen weggenommen werden können. Es wird nicht eine komplette Entlastung geben können. Es ist auch klar, dass möglicherweise zweistellige Milliardenbeträge nicht aus dem normalen Haushalt kommen. Da ist natürlich auch der Bundesfinanzminister gefragt, Einnahmequellen aufzuzeigen, über die wir das machen können. Insgesamt sind die Hilfen nämlich eine gesamtstaatliche Aufgabe. Nicht nur der Bundesminister für Wirtschaft hat dafür zu sorgen, dass wir Entlastungen schaffen; wenn wir uns die Krankenhäuser anschauen, sehen wir: Es ist vielmehr auch das Bundesgesundheitsministerium gefragt. Wir alle hören in unseren Wahlkreisen alarmierende Stimmen von Kommunen, von Sportvereinen, die ihre Sporthallen nicht mehr betreiben können. Das können wir nur im Schulterschluss mit den Ländern lösen. Dann komme ich zum Schluss auf die Union zurück. Sie regieren ja in einigen Bundesländern mit, das heißt, Sie stehen in einer gesamtstaatlichen Verantwortung. Sie können sich jetzt entscheiden: ({4}) Sie können weitermachen wie bisher – Fundamentalopposition –; das ist einfach. Sie können immer mehr fordern – denn kein Paket wäre groß genug – und die Gegenfinanzierungsfrage offenlassen. Das können Sie machen. ({5}) Aber ich fordere Sie auf: Lassen Sie uns zusammen, in gemeinsamer Verantwortung mit den Ländern und allen demokratischen Fraktionen hier im Haus, an zielgenauen Lösungen arbeiten. Das ist es nämlich, was die Menschen von uns in diesem Land erwarten. ({6})

Nadja Sthamer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005231, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin Schulze! Bildung ist ein Menschenrecht und ein Hebel für nachhaltige Entwicklung. Eine gut ausgebildete Bevölkerung ist die Basis für Armutsbekämpfung, Wirtschaftswachstum und gesellschaftliche Entfaltung. Bildung wirkt sich zudem positiv auf die Gesundheit von Familien aus. Sie stärkt die Rolle der Frau und ermöglicht gesellschaftliche sowie wirtschaftliche Teilhabe. ({0}) Bildung befähigt, besser mit Widrigkeiten umzugehen und kreative Problemlösungen zu finden. Bildung ist also unglaublich wichtig. Wir als Koalition bringen heute anlässlich des Weltkindertages und des Transforming Education Summit der UN einen Antrag zur Bildungsgerechtigkeit im Globalen Süden ins Plenum ein. Liebe Kolleginnen und Kollegen ({1}) – vielleicht hören Sie auch von der CDU/CSU ganz kurz zu, das wäre wunderbar; danke schön –, ({2}) auch wenn Schule und Hausaufgaben manchmal keinen Spaß machen: Kinder haben ein Recht darauf, etwas zu lernen. Dieses wichtige Kinderrecht besagt, dass jedes Kind die Möglichkeit haben muss, eine Schule zu besuchen. Der Besuch der Schule darf nichts kosten, und die Kinder müssen dort anständig behandelt werden. ({3}) Mehr als 260 Millionen Kinder können allerdings gar nicht selber entscheiden, ob sie Hausaufgaben cool finden oder auch nicht. Sie gehen nämlich gar nicht in die Schule. Besonders dramatisch sieht dabei die Lage in Afrika aus. Laut der Europäischen Investitionsbank sind weniger als 20 Prozent der afrikanischen Frauen je zur Schule gegangen. Die Hälfe der Kinder, die weltweit keine Schule besuchen, lebt in Afrika. Das sind rund 30 Millionen Jungen und Mädchen. Aber auch in Asien und Lateinamerika ist vielen Kindern der Weg zur Bildung versperrt. Häufig befinden sich die Schulen zu weit weg vom Wohnort der Kinder, oder sie kosten Geld, das die Eltern nicht bezahlen können. Tatsächlich haben viele Kinder auch einfach keine Zeit für die Schule. Sie müssen nämlich arbeiten und Geld verdienen, weil ihre Familien zu arm sind. Corona war hier ein negativer Verstärker. Eines von drei Kindern hat während der Pandemie überhaupt keine Form von Bildung erhalten: keine Bücher, keine Arbeitsblätter, keine Whatsapp-Gruppe, kein Radioprogramm. Aufgrund von Schulschließungen haben laut Welternährungsprogramm im ersten Jahr der Pandemie 370 Millionen der ärmsten Kinder der Welt 39 Milliarden Mahlzeiten verpasst. Mithilfe unseres Engagements in der Entwicklungszusammenarbeit sind wir aber handlungsfähig und setzen der Bildungskrise im Globalen Süden etwas entgegen. Mit dem vorliegenden Antrag stellen wir vier Schwerpunkte besonders in den Fokus: Erstens: den Zugang. Bildung muss für alle Kinder verfügbar sein – auf dem Land, in der Stadt –, und wir fokussieren uns auf die Bildung für Mädchen. Deutschland rückt im Rahmen der G‑7-Präsidentschaft das Thema Mädchenbildung und die Bedeutung von gendertransformativen Bildungssystemen in den Vordergrund. ({4}) Zweitens: die Ganzheitlichkeit. Bei den Bildungsprojekten wird ein viele Aspekte umfassender Ansatz genutzt; denn Schule funktioniert nur, wenn sie auch ein Dach hat, wenn sie Strom hat und wenn es ausreichend Lehrpersonal gibt. ({5}) Drittens: den Schutz. Schulen sind mehr als Orte, an denen Wissen vermittelt wird. Es gibt Essen, es entsteht Gemeinschaft außerhalb des eigenen Zuhauses. Da sind Menschen, die helfen können. Da ist ein Ort zum Spielen. Wenn Kinder zur Schule gehen, ist das wie eine schützende Kraft in ihrem Leben. Viertens: die Zukunft. Grundbildung ist der Grundstein, um Selbstbestimmung über die eigene Zukunft zu erlangen. Insbesondere für Mädchen werden die Zukunftsaussichten deutlich verbessert, wenn sie Zugang zu Bildung haben. ({6}) Durch den deutschen Beitrag an die Globale Bildungspartnerschaft, GPE, in Höhe von 316 Millionen Euro bis mindestens 2026 unterstützt das BMZ die Stärkung von Bildungssystemen in bis zu 90 Partnerländern. Der Fokus liegt dabei auf der Förderung von hochwertiger Grundbildung in den ärmsten Ländern der Welt. Die GPE hat seit ihrer Gründung dazu beigetragen, dass zusätzlich 160 Millionen Kinder die Schule besuchen konnten. Mehr als die Hälfte davon sind Mädchen. Über die finanziellen Zusagen an den Fonds „Education Cannot Wait“ fördert das BMZ Bildungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Notsituationen und lang anhaltenden Krisen, ganz im Sinne der Bildungskoordination zwischen humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Mit der Mittelzusage von 200 Millionen Euro für den Zeitraum 2023 bis 2026 durch Bundesministerin Schulze am Internationalen Tag der Bildung Anfang des Jahres ist Deutschland derzeit größter Geber bei „Education Cannot Wait“. ({7}) Für Mitte Februar 2023 ist erstmals eine Wiederauffüllungskonferenz geplant, und Deutschland ist Mitausrichter dieser Konferenz. Das ist gut, richtig und wichtig so. ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Grundbildung ist essenziell für alle Kinder. Wir arbeiten gemeinsam für eine Verbesserung der Lebenssituation und der Zukunftsaussichten von Kindern im Globalen Süden. Daher bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Antrag. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Dr. Wolfgang Stefinger für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Wolfgang Stefinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004414, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Vertreter der Regierungsfraktionen! Liebe Kollegin Sthamer, Sie fordern in Ihrem Antrag, zugegeben, ja viele sinnvolle Maßnahmen, um die Bildung in Entwicklungsländern zu stärken. Wir sind uns ja auch einig, dass Bildung der Schlüssel zur Hungerbekämpfung ist, dass sie der Schlüssel zur Verbesserung von Lebensgrundlagen ist und auch beim Thema Familienplanung eine wichtige Rolle spielt. Hinzu kommt, dass Bildung zu einem höheren Wirtschaftswachstum führt und auch zu einer besseren Gesundheit, zu weniger Konflikten und zu verbesserter ökologischer Nachhaltigkeit. Das Gespräch, das wir heute Morgen im Ausschuss mit UNICEF und Safe The Children hatten, hat noch mal verdeutlicht, welche fatalen Auswirkungen gerade die Coronapandemie auf den Bildungsbereich hatte und hat. Die Schulabschlussquoten sinken massiv. Die globale Hunger- und Wirtschaftskrise führt dazu, dass Mädchen wieder vermehrt zwangsverheiratet werden und die Schule abbrechen. Viele Eltern können auch das Schulgeld nicht mehr aufbringen. Die Vertreter haben heute Morgen aber auch deutlich gemacht, wie verheerend die Folgen für Kinder und die Zukunftsfähigkeit in den Ländern sind. Vor allem haben sie deutlich gemacht, was die geplanten Kürzungen im Etat 2023 für diesen Bereich bedeuten. Daher, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel – mit Verlaub –, wirkt Ihr Antrag auf mich so, als würden Sie hier mit vollem Anlauf und mit viel Getöse in ein Becken springen, aus dem Ihnen die Entwicklungsministerin und der Finanzminister aber schon vor Wochen das Wasser abgelassen haben. ({0}) Ich darf Sie daher wirklich einmal fragen: Mit welchen Haushaltsmitteln wollen Sie denn all Ihre Forderungen umsetzen? Erst vor zwei Wochen haben wir hier an dieser Stelle über den Etat debattiert und waren uns auch fraktionsübergreifend weitestgehend einig, dass die Gelder hier nicht ausreichen, um die Krisen unserer Zeit anzugehen. Im Lichte der Haushaltsdebatte, die wir in der letzten Sitzungswoche geführt haben, wirkt Ihr Antrag, mit Verlaub, nicht wie ein Akt von parlamentarischem Selbstbewusstsein, sondern eher wie ein Antrag fürs Schaufenster. Sie haben nur leider vergessen, dass der Finanzminister die Stromrechnung nicht bezahlt hat und der Wirtschaftsminister bereits das Licht abgedreht hat; das ist die Realität. ({1}) Sie beschreiben in Ihrem Antrag, was Sie gerne umsetzen würden, wenn Ihre eigene Regierung Sie nur ließe – oder wie kann man diesen Antrag sonst verstehen? ({2}) Interessant ist auch, wenn wir uns anschauen, was die FDP und die Grünen in ihren Anträgen aus der letzten Wahlperiode noch alles forderten: Die Grünen wollten in ihrem Antrag auf Drucksache 19/456 noch Kinder mit Behinderungen stärker gefördert wissen. Davon lese ich in Ihrem jetzigen Antrag überhaupt nichts. Die Grünen wollten den Anteil für die Globale Bildungspartnerschaft perspektivisch auf 100 Millionen Euro erhöhen, die FDP in ihrem Antrag auf Drucksache 19/27809 sogar auf 110 Millionen Euro. ({3}) In Ihrem jetzigen Antrag lese ich: Sie begrüßen die Aufstockung der Mittel im Rahmen der Haushaltsverhandlungen und wollen den deutschen Beitrag zur Globalen Bildungspartnerschaft und zu Education Cannot Wait nachhaltig auf das erforderliche Niveau heben. Was ist denn jetzt das erforderliche Niveau? Das aus Ihren Anträgen aus der letzten Wahlperiode, mit 100 bzw. 110 Millionen Euro, oder das, was Sie im Haushaltsentwurf vorgelegt haben, die Kürzung auf 50 Millionen Euro? Diese Frage sollten Sie meines Erachtens schon einmal beantworten. Ich darf Sie auch daran erinnern, dass Sie die Mittel zum Beispiel für UNICEF um 57 Prozent und für die Globale Bildungspartnerschaft insgesamt um 21 Prozent kürzen wollen. ({4}) Die FDP im Übrigen forderte noch im März 2021 – also gar nicht so lange her –, dass im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit das privatwirtschaftliche Engagement in der beruflichen Bildung in Entwicklungs- und Schwellenländern wesentlich stärker zu unterstützen sei und hierbei auch eine bessere Verzahnung von Ausbildungsmaßnahmen und Arbeitsplatzaufbau in Entwicklungs- und Schwellenländern zu schaffen sei. Was ist aus dieser Forderung geworden? ({5}) Die ist in Ihrem Antrag überhaupt nicht mehr enthalten. ({6}) Sie wissen – das haben wir heute Morgen auch in dem Gespräch im Ausschuss gehört –, dass man nicht alles mit öffentlichen Geldern regeln kann – schon gar nicht, wenn Sie diese kürzen. Es braucht also die Kooperationen mit der Wirtschaft, um Arbeits- und Ausbildungsplätze auch im Globalen Süden zu schaffen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider habe ich nicht ausreichend Redezeit, um noch weitere Beispiele zu nennen. ({7}) Es gäbe nämlich schon noch ein paar schöne Schmankerl von Aussagen, die Sie in den letzten Jahren hier gebracht haben. Ich kann nur eines feststellen: Als Sie in der Opposition waren in den letzten Jahren, waren Ihre Forderungen so groß – im Umsetzen ist die Regierung so klein. ({8}) Manchmal ist es halt doch besser, lieber nicht zu regieren als falsch zu regieren. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Susanne Menge das Wort. ({0})

Susanne Menge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005149, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Stefinger, ich bin erstaunt, wie wenig Sie diesem Parlament zutrauen. Wir haben den Haushalt noch gar nicht verabschiedet. Wir sitzen hier, damit wir alle gemeinsam für die guten Dinge und die guten Ziele kämpfen, ({0}) und das werden wir im November entscheiden. ({1}) „Let me learn!“, „Lass mich lernen!“, das forderten weltweit Jugendvertreter/‑innen und Jugendbotschafter/-innen am Wochenende stellvertretend für ihre Generation beim Bildungsgipfel der Vereinten Nationen in New York. Bildung ist ein Menschenrecht. In der Realität ist sie jedoch ein Privileg. Wir lassen viele Kinder und Jugendliche dieser Welt nicht lernen; dieses in den SDGs und in der Kinderrechtskonvention verankerte Recht bleibt ihnen verwehrt. Bereits vor der Coronapandemie hatten wir es mit einer Bildungskrise zu tun; denn rund die Hälfte der zehnjährigen Kinder war nicht in der Lage, eine einfache Geschichte zu lesen und sie auch zu verstehen; die meisten davon in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Nach den jüngsten Modellrechnungen von UNICEF und der Weltbank sind es heute zwei Drittel der Zehnjährigen weltweit, die keine einfache Geschichte lesen und verstehen können. Ja, die Krisen der Welt überschlagen sich aktuell: der völkerrechtswidrige Angriffskrieg auf die Ukraine, die dadurch ausgelöste Hunger- und Energiekrise, die Coronapandemie und die Klimakrise. Aber in der breiten Öffentlichkeit ist kaum die Rede von der aktuellen Bildungskrise in unserer Welt. In Uganda endete Anfang Januar dieses Jahres nach fast zwei Jahren die längste pandemiebedingte Schulschließung weltweit: 83 Wochen lang wurde fast 95 Prozent der Schüler/-innen in Uganda ihr Recht auf Bildung verwehrt. Nur Eltern der restlichen 5 Prozent konnten den alternativen Distanzunterricht überhaupt finanzieren. Internationalen Schätzungen zufolge sind 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen, insbesondere Mädchen, nicht mehr in die Schulen zurückgekehrt; viele Mädchen wurden schwanger oder wurden früh zwangsverheiratet. Andere Kinder müssen arbeiten, weil die Eltern den Job verloren haben oder das Schulgeld nicht mehr bezahlen können. Lehrkräfte haben ihren Arbeitsplatz gewechselt, weil sie über einen Zeitraum von zwei Jahren nicht arbeiten konnten. Diese Entwicklungen alarmieren. Daher bringen wir hier heute gemeinsam mit der SPD und der FDP unseren Antrag zur Grundbildung im Globalen Süden ein. ({2}) Denn das Recht auf Bildung darf kein Privileg bleiben! Grundbildung, das heißt beispielsweise, lesen und schreiben zu können und die Grundrechenarten zu beherrschen. Mit einer Grundbildung geben wir Kindern Kulturhandwerkszeug an die Hand; wir legen damit den Grundstein dafür, das eigene Potenzial auszuschöpfen. Grundbildung bereitet den Weg für eine existenzsichernde Ausbildung und Arbeit. Grundbildung bedeutet, zukunftsfähige Perspektiven zu entwickeln; sie hilft, Macht und Herrschaft zu verstehen, Argumente zu finden und Lösungen für schwierige Situationen zu entwickeln. Grundbildung erhöht die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben. Ich bin fest davon überzeugt, dass Grundbildung und die Bildungsinhalte, die wir vermitteln, heute wichtiger denn je sind, wenn wir Demokratiebildung wollen und wenn wir Demokratiebildung weltweit wollen. ({3}) Bildung ist ein öffentliches Gut, und Bildungsorte müssen Schutzorte sein. Die Staaten dieser Welt müssen ihrer Verantwortung nachkommen und Bildung für ihre Gesellschaften bestmöglich bereitstellen. Wie aber soll ein Staat wie Ghana zum Beispiel, der 46 Prozent seiner öffentlichen Einnahmen zur Schuldendeckung ausgeben muss, in die Grundbildung seiner Bürger/‑innen investieren? Wir brauchen ein kodifiziertes internationales Staateninsolvenzverfahren; darauf arbeiten wir hin, so wie im Koalitionsvertrag festgehalten. ({4}) Stattdessen wurde nun beim UN-Bildungsgipfel eine neue Finanzierungsfazilität vorgestellt, die wieder einmal auf Krediten und Schulden fußt – vorangetrieben vom UN-Sonderbeauftragten für globale Bildung, dem ehemaligen britischen Premierminister Gordon Brown. Statt Gordon Brown sollten wir lieber Farida Shaheed aus Pakistan zuhören, der aktuellen UN-Sonderberichterstatterin für das Recht auf Bildung. Sie fordert, Partnerländer darin zu stärken und zu unterstützen, mehr Eigenmittel für Grundbildung auszugeben, anstatt ihnen noch mehr Schulden aufzubürden. ({5}) Deutschland tut dies beispielsweise über seinen Beitrag zur Globalen Bildungspartnerschaft. In Zusammenarbeit mit den Partnerländern fördert die Globale Bildungspartnerschaft öffentliche Bildungssysteme und den Zugang zu kostenfreier Bildung. Gemessen an Deutschlands Wirtschaftskraft sollten wir somit endlich unseren Beitrag auf mindestens 110 Millionen Euro pro Jahr anheben und uns dafür einsetzen, dass der internationale Finanzierungsbedarf der Globalen Bildungspartnerschaft von allen Geberländern erreicht wird. ({6}) Jeder einzelne Euro, meine Damen und Herren, der für Grundbildung ausgegeben wird, ist ein sinnvoll ausgegebener Euro zur Krisenbekämpfung, zur Krisenprävention und zur Friedensbildung. Zur Stärkung der Grundbildung von Kindern gehören für mich auch Fragen von Gesundheit und reproduktiver Gerechtigkeit. Der Einsatz für Grundbildung ist für uns auch Kernaufgabe feministischer Entwicklungspolitik; darunter verstehen wir unter anderem eine gendertransformative Ausbildung von Lehrkräften, geschlechtergerechte Lehrpläne und Bildungsmaterialien, adäquate Sanitäreinrichtungen und auch die Bereitstellung von Ressourcen, zum Beispiel für Menstruationshygiene. „Gendertransformativ“ ist – das habe ich gerade wahrgenommen – ein sperriger Begriff; wohl wahr. Aber wer Maßnahmen ergreift, um die eben genannten Veränderungen in Schulen umzusetzen, schafft echte Gleichstellung. ({7}) Schülerinnen und Schüler werden mithilfe einer gendertransformativen Arbeit erst befähigt, tradierte Geschlechter- und Machtverhältnisse zu verändern. Gendertransformative Arbeit will echte Inklusion. Angesichts der dramatischen Entwicklung weltweit, dass laut Bertelsmann-Stiftung aktuell Autokratien gegenüber Demokratien dominieren, haben wir eine internationale Aufgabe. Gendertransformative Arbeit ist gesellschaftspolitische Arbeit.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin.

Susanne Menge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005149, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie ist somit demokratiebildend. ({0}) Ich komme auf den Beginn meiner Rede zurück.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Liebe Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Susanne Menge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005149, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen wir sie lernen! Ich danke für die Unterstützung des Antrages. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Dietmar Friedhoff für die AfD-Fraktion. ({0})

Dietmar Friedhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004719, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Werte Frau Präsidentin! Werte Politikmachende! Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger! Der Antrag liest sich so unglaublich, dass ich Ihnen Auszüge nicht vorenthalten möchte. Die Zeitenwendler stellen fest: Erstens. Es droht eine Generation von Kindern und Jugendlichen heranzuwachsen, deren Kindheit von Armut und Unsicherheit gekennzeichnet ist. ({0}) Zweitens. Kinder von Eltern mit niedrigem und mittlerem Einkommen können bis zum Ende der Grundschulzeit keinen einfachen Text lesen und verstehen. Drittens. Klima, Covid, Krieg und steigende Lebensmittelpreise setzen bereits gefährdete Familien unter enormen Druck. Viertens. Bildung trägt dazu bei, Mädchen vor Gewalt und früher Verheiratung zu schützen. Fünftens. Spielen stellt eine wichtige Lernform dar. Vermutlich meint man hier Original Play, mit Sicherheit nicht Völkerball. Sechstens. Bildung ohne Hunger ist entscheidend. Und siebtens. Kindern muss der Schulzugang auch in Krisen und Konflikten ermöglicht werden, und Schulbildung muss möglichst lückenlos fortgesetzt werden. – Wie genau bitte war das denn bei uns während des Corona-Lockdowns? Haben wir das selber gemacht? Unfassbar. Man beschreibt die Zustände in Deutschland, meint aber eigentlich Afrika. Dazu will man unter anderem digitales Lernen und digitalen Wandel. In Nordafrika wächst derzeit eine digitale First Generation heran, die startklar ist; die braucht unsere Last-Generation-Straßen-Klebe-Kids garantiert nicht. ({1}) Wo leben Sie überhaupt? Man will geschlechtergerechte Aufklärung, meint aber nicht das Mann/Frau-Bild, sondern man meint Geschlechtsidentität und geschlechtliche Orientierung, also Gender in Reinform. Das braucht der afrikanische Kontinent mit Sicherheit nicht. ({2}) Das ist nämlich das, was er als westliche Dekadenz ablehnt. Übrigens: Wie gendert man übrigens in Suaheli? Das ist mir noch nicht ganz klar. ({3}) Zu den Fakten in Deutschland und zu den wirklichen Entwicklungsaufgaben. Deutschlands Bildungspolitik, das Rückgrat unserer Nation, wird der links-grünen Ideologie geopfert. In Deutschland hungern weit mehr als 500 000 Kinder, leben 2 Millionen Kinder in Hartz-IV-Verhältnissen und 3 Millionen Kinder in Armut. Hungern und lernen, liebe Freunde, ist in Deutschland Realität. ({4}) Über 70 000 Mädchen und Frauen in Deutschland sind zwangsbeschnitten, Tausende von Mädchen leben in Deutschland in Kinderehen. In Deutschland sind Zehntausende von Mädchen abgeschnitten vom wirklichen Zugang zu Bildung und Sport. ({5}) Tendenz? Stark steigend. Deutschland hat 11 Millionen Schüler, inklusive beruflicher Bildung. Davon haben 500 000 Kinder eine Rechenschwäche, 1,5 Millionen eine akute Lese- und Rechtschreibschwäche. Insgesamt sind es in Deutschland 6 Millionen Menschen, die schlecht lesen und schreiben können. In Deutschland leben 3 Millionen Menschen ohne allgemeinen Schulabschluss, davon 2,2 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. 12 Millionen Menschen in Deutschland haben keine Berufsqualifikation, davon 6 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. ({6}) Warum scheint ihre Integration zu scheitern? Haben Sie sich einmal die Frage gestellt, warum das so ist? Warum fördern Sie nicht diese Menschen, die hier in Deutschland sozial abgehängt werden? Das wäre zielgerichtete Entwicklungspolitik und hat sogar was mit „wirtschaftliche Zusammenarbeit – gut für Deutschland“ zu tun. ({7}) Unser Land treibt immer weiter auseinander, und das liegt daran, dass wir unseren Blick nicht mehr auf das Eigene richten. Die Außenministerin hat es ja eindrucksvoll beschrieben. Der eigene Wähler ist ihr egal. Milliarden für jeden und alles, nur nicht für das Eigene. Der links-grüne Weltenrettungswohlfühlfaktor ausgetragen auf dem Rücken unserer Heimat. ({8}) Deswegen: Niedersachsen, am 9. Oktober AfD wählen! Wählen wir diese Regierung ab! Danke schön. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Knut Gerschau für die FDP-Fraktion. ({0})

Knut Gerschau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005064, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Bildung, Bildung, Bildung – das wissen wir doch alle – ist der Schlüssel für starke Gesellschaften. Wir wollen starke Frauen und starke Männer. Bildung steht für selbstbestimmtes Leben, stärkt Demokratien, schafft Bewusstsein für Empathie, für Solidarität. ({0}) Am Anfang aller Bildungssysteme steht die Grundbildung. Welchen enormen Stellenwert Bildung hat, haben wir hier in Deutschland in den letzten zweieineinhalb Jahren deutlich erfahren: Die Coronapandemie hat zu Schulschließungen geführt, zu einer Überlastung der Eltern und der Lehrer, zum Anstieg von psychischen Problemen bei jungen Menschen. Auch klaffende Lücken bei der Digitalisierung wurden uns vor Augen geführt. Die Konsequenz sind erhebliche Wissenslücken bei unseren Kindern, die nur mit Mühe wieder aufgeholt werden können. Wir sorgen dafür, dass es nicht wieder zu Schulschließungen kommt. ({1}) Dies sind ja nur die Konsequenzen in einem reichen Industrieland. Wie dramatisch muss man sich erst die Lage in den Entwicklungsländern vorstellen? Länder, in denen weder der Staat noch die Familien auch nur annähernd über solche Ressourcen verfügen wie wir. Wussten Sie, dass schon vor der Coronapandemie über 250 Millionen Kinder weltweit keinen Zugang zu Grundbildung hatten? Durch die Pandemie hat sich die Krise noch erheblich zugespitzt. Auf ihrem Höhepunkt hatten weltweit 1,6 Milliarden Menschen keinen Zugang zu Bildung. Besonders schlimm ist die Situation für Mädchen. Während der Pandemie werden sie oft in Lohnarbeit gedrängt oder sogar zwangsverheiratet oder gar verkauft. Bildung, Bildung, Bildung. Bildung ist absolut zentral für die Entwicklung von Persönlichkeiten und die Gestaltung von Gesellschaften. Sie ist unverzichtbar, um den Menschen in den Entwicklungsländern eine Perspektive und ein Leben in Würde zu bieten. ({2}) Daher wollen wir die weltweite Grundbildung noch mehr als bisher in den Mittelpunkt der Entwicklungszusammenarbeit rücken; denn Bildung ist ein Menschenrecht. Höherer Bildungsstand führt nicht nur zu höherer Produktivität, sondern auch zu einer Abnahme der Kinderzahl und zu geringerer Mütter- und Kindersterblichkeit. In Afrika wird die Bevölkerungsdynamik zum bestimmenden Thema der nächsten Jahrzehnte. Alle Bemühungen um ein besseres Leben werden zunichtegemacht, wenn eine Verdopplung der Bevölkerung zu einem Verteilungskampf um Arbeit, um Nahrung und gesellschaftlichen Einfluss führt. Eine bessere Bildung für Frauen und Mädchen, sowohl in Schulen als auch in der Weiterbildung, wird helfen, dieses Thema in den Griff zu bekommen. Die Grundbildung, um die es in unserem Antrag geht, ist dafür die Grundlage. Mit unserem Antrag „Das Recht auf Bildung stärken“ bekennen wir uns zur Aufstockung der Haushaltsmittel für die Globale Bildungspartnerschaft, für die Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit, für die Sicherung von Schulmahlzeiten. Bildung, Bildung, Bildung: Ich erwarte große Zustimmung zu diesem Antrag, auch von den Oppositionsfraktionen. Danke. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Cornelia Möhring das Wort. ({0})

Cornelia Möhring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004111, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Bildung steckt weltweit in einer tiefen Krise. „Etwa 70 Prozent der Zehnjährigen in armen Ländern sind nicht in der Lage, einen einfachen Text zu lesen“, so UN-Generalsekretär António Guterres in seiner Rede beim Bildungsgipfel an diesem Montag in New York. Der UN-Bildungsbeauftragte Gordon Brown ergänzte weitere bittere Zahlen: 260 Millionen Kinder weltweit besuchen derzeit keine Schule. 400 Millionen Elfjährige können weder lesen noch schreiben und nicht ein bisschen rechnen. 840 Millionen Kinder bringen am Ende ihrer Schulzeit keinerlei Qualifikationen für das Erwerbsleben mit. Diese Bildungskrise trifft die ärmeren Länder besonders hart. Bildungsbudgets wurden weltweit massiv gekürzt, und die Mittel aus der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe fließen nur zu einem geringen Teil ins Bildungswesen. Durch die Folgen der Pandemie, militärischer Konflikte und der akuten Hungerkrisen ist die globale Bildung mittlerweile zum schweren Notfall geworden. Wir wissen schon lange, dass mit den Schulschließungen in der Pandemie aus Fortschritten Rückschläge im Lernen wurden, die schwer aufzuholen sind. Heute hat uns – das wurde schon erwähnt – der Vertreter von UNICEF im Ausschuss berichtet, dass circa 20 Millionen Mädchen wohl nicht mehr in die Schule zurückkehren werden. Dabei geht es um weit mehr als den reinen Gang zur Schule. Es geht um Sicherheit. Es geht um Schritte aus der Armut. Es geht um Selbstbestimmung. Es geht um eine Zukunft der Einzelnen und ganzer Gesellschaften. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen – wir haben es schon gehört –, Mädchen sind besonders von diesen Rückschritten und dem Bildungsnotstand betroffen. Frühverheiratungen, frühe Schwangerschaften und sexualisierte Gewalt nehmen extrem zu. In der Beschreibung der Lage sind wir uns, glaube ich, sowieso weitgehend einig, und wir können Ihrem Antrag im Großen und Ganzen auch zustimmen. Aber in den Schlussfolgerungen bleiben Sie nach meinem Geschmack etwas zu unkonkret. So beschreiben Sie im Antrag ganz richtig die Bedeutung der Schulspeisungen des UN-Welternährungsprogramms. Für sehr viele Kinder ist das die einzig verlässliche Ernährungsquelle des Tages. Dass Sie dann aber in Ihrem aktuellen Haushaltsentwurf die Mittel für das Welternährungsprogramm um 42 Millionen Euro auf den Stand von vor Corona gekürzt haben, ist absurd. ({1}) Nun sagen Sie: Wir können das in den Haushaltsdebatten im Parlament nachholen. – Ich fordere Sie dazu auf, da auch für die Erhöhung der Mittel zu stimmen. ({2}) Die Zusage von Ministerin Schulze, 200 Millionen Euro in vier Jahren für Education Cannot Wait beizutragen, begrüßen wir. Aber es ist aus unserer Sicht auch bitter notwendig, die Mittel für den globalen Bildungsfonds auf mindestens 100 Millionen Euro zu erhöhen. ({3}) Das fordern im Übrigen auch zahlreiche NGOs – ebenso wie die FDP und die Grünen in der letzten Wahlperiode. Klar ist: Es sind sehr viel mehr Mittel nötig, um das Menschenrecht auf Bildung zu sichern. Das wird ohne globale Umverteilung von Reichtum nicht gehen. Genau dafür wird Die Linke weiter streiten. Zu diesem Kampf laden wir Sie recht herzlich ein. Vielen Dank. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Rebecca Schamber für die SPD-Fraktion. ({0})

Rebecca Schamber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005202, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich wirklich schockiert und bedrückt bin, wie hier in diesem Hohen Haus von der rechten Seite Kinder, die auf verschiedenen Kontinenten leben, gegeneinander ausgespielt werden, die Schwächsten unserer globalen Gesellschaft. ({0}) Bei den Kolleginnen und Kollegen von der Opposition nehme ich durchaus Zustimmung zu unseren Forderungen und den Aufgaben, die wir uns gestellt haben, wahr. Der Haushalt ist eingebracht worden; wir befinden uns also noch in der Debatte. Ich lade herzlich ein, sich konstruktiv, auch mit konstruktiven Finanzierungsvorschlägen, daran zu beteiligen, sodass wir diese Ziele gemeinsam erreichen. ({1}) Dazu passt auch das folgende Zitat, mit dem ich meine Rede eigentlich beginnen wollte: Lasst uns unsere Bücher und Stifte in die Hand nehmen, sie sind die mächtigsten Waffen. Ein Kind, eine Lehrkraft, ein Buch, ein Stift können die Welt verändern. Dieses Zitat von Malala Yousafzai ist heute genauso aktuell wie im Jahr 2013, als sie diesen Satz vor der Jugendversammlung der Vereinten Nationen sagte. Malala, deren Geschichte hier im Saal sicherlich alle kennen: ein Mädchen, das sich sein Recht auf Bildung nicht nehmen lassen wollte, das dafür fast von den Taliban getötet wurde, das sich selbst dadurch nicht hat unterkriegen lassen. Im Gegenteil: Sie ist heute wohl die weltweit bekannteste Aktivistin für Bildungsgerechtigkeit, hat ihre eigene Organisation gegründet und 2014 den Friedensnobelpreis erhalten. Quasi ein Albtraum für alle, die eben nicht wollen, dass Bildung für alle Menschen gleich zugänglich ist – unabhängig von Geschlechtsidentität, Ethnie, Behinderung oder dem sozialen Status. ({2}) Wir sehen es aktuell wieder in Afghanistan. Eine der ersten Maßnahmen der neuen Machthaber war es, Mädchen den Zugang zu Bildung zu verweigern. Die Taliban – so könnte man es zynisch zusammenfassen – haben die Macht der Bildung erkannt, und genau deshalb wollen sie diese einem großen Teil der afghanischen Bevölkerung verwehren. Wir können uns kaum vorstellen, wie viel Mut die Mädchen und Frauen aufbringen, die dagegen auf die Straße gehen. ({3}) Und nicht nur in Afghanistan ist das Recht auf qualitativ hochwertige Bildung in Gefahr. ({4}) Wir erleben eine globale Bildungskrise. Die Schulschließungen aufgrund der Coronapandemie haben Mädchen und Jungen weltweit in ihrer Bildung zurückgeworfen. ({5}) Die Zahl der Kinderarbeiterinnen und ‑arbeiter steigt wieder, genauso wie die Zahlen der Frühverheiratungen und Teenagerschwangerschaften. Niemanden zurücklassen – das ist das Prinzip der Agenda 2030. Das gilt ganz besonders für Bildung. Sie ist der Schlüssel für ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben. Genau deshalb ist ein feministischer Ansatz in der Entwicklungspolitik so wichtig. ({6}) Jedes zusätzliche Schuljahr erhöht das spätere Einkommen eines Mädchens um 20 Prozent. Die Zahl von Teenagerschwangerschaften in Subsahara-Afrika und Südasien könnte um 10 Prozent sinken, wenn allen Mädchen Zugang zu Grundbildung gewährt wäre. ({7}) Genau deshalb begrüßen wir, dass Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze in Grundbildung für alle investiert. Sie tut dies über die Globale Bildungspartnerschaft, die GPE. Damit stärken wir die Geschlechtergerechtigkeit in der Bildung. Dazu möchte ich Ihnen ein Beispiel nennen: Seit 2002 gehen 82 Millionen mehr Mädchen in den Partnerländern der Globalen Bildungspartnerschaft in die Schule. Damit ist die Einschulung von Mädchen in diesen Ländern um 65 Prozent gestiegen. ({8}) Damit diese Erfolge bestehen bleiben und eines Tages alle Kinder ihr Recht auf Bildung verwirklichen können, darf es keine Unterbrechung in der Bildung geben. So verheerend die Schulschließungen aufgrund der Coronapandemie waren, so war es doch für viele Kinder weltweit nicht das erste Mal, dass sie aufgrund einer Krise nicht zur Schule gehen konnten. Schätzungen zufolge sind weltweit über 200 Millionen Kinder von Krisen betroffen. Fast 80 Millionen von ihnen gehen nicht zur Schule. Halten wir kurz fest: Das wäre fast die gesamte Einwohnerzahl Deutschlands. Weil Krisen immer länger andauern, muss uns allen hier bewusst sein: Wir sprechen nicht nur von einer Unterbrechung von ein oder zwei Jahren, sondern von einer kompletten Kindheit und Jugend ohne wirklichen Zugang zu Bildung. Deshalb ist es so wichtig, dass die Ministerin den Fonds der Vereinten Nationen für Bildung in Krisen stärkt: Education Cannot Wait – Bildung kann nicht warten. Meine Kollegin Nadja Sthamer hat es schon erwähnt: Mittlerweile ist Deutschland hier größter Geldgeber. Das ist ein wichtiger Beitrag für globale Bildungsgerechtigkeit, den die Bundesregierung hier leistet. Sehr geehrte Damen und Herren, gemeinsam in dieser Koalition wollen wir die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass es durch den Zugang zu Bildung noch viele mutige Mädchen und Jungen wie Malala geben wird, die sich nicht einschüchtern lassen, die laut sind und ihr Recht auf Bildung einfordern. Herzlichen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Nicolas Zippelius das Wort. ({0})

Nicolas Zippelius (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005266, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag enthält grundsätzlich viele wichtige Forderungen und beginnt mit einer passenden Zustandsbeschreibung: „Konflikte … bestimmen zunehmend das Weltgeschehen.“ Weltweit leiden noch immer zu viele Kinder darunter, dass sie keinen geregelten Zugang zu Grundbildung haben; Tendenz leider steigend. Die Folgen der Klimakrise und vieles mehr werden genannt, was in den Grundsätzen richtig ist. Fassen wir es zusammen: Das Grundrecht auf Bildung – insbesondere für Frauen – in den Fokus zu rücken, ist ein richtiges und wichtiges Anliegen. Wie bereits angesprochen: Weltweit werden die Krisen nicht weniger. Deutschland sollte hierbei seinen wirtschaftlichen Fähigkeiten entsprechend tätig werden. Dieser Herausforderung wurden die Bundesrepublik Deutschland und die Bundesregierung in der Vergangenheit bereits gerecht. In der vergangenen Legislaturperiode wurden unter einer Großen Koalition – liebe Kollegen von der SPD, der Bundeskanzler und auch Sie haben bezüglich der Vergangenheit regelmäßig Erinnerungslücken; ({0}) ich erinnere aber gerne daran – die Zusagen für die Bildung – das betrifft bilaterale Zusagen, Bewilligungen an Zuwendungsempfänger und multilaterale Beiträge – im Vergleich zur vorherigen Legislaturperiode mehr als verdoppelt. ({1}) Denn: Grundbildung im Globalen Süden ist insbesondere auch eine Geschlechterfrage. Minister Gerd Müller hat deshalb beispielsweise schon mit dem „Entwicklungspolitischen Aktionsplan zur Gleichberechtigung der Geschlechter 2016 bis 2020“ viele Themen und Handlungsfelder adressiert. Das sage ich, weil diese Erkenntnis, dass vieles, was im Antrag enthalten ist, bereits in der Vergangenheit angepackt wurde, einem beim Lesen jeder zusätzlichen Zeile des Antrages offenbar wird. Das Thema Bildung war bereits zu einem früheren Zeitpunkt aufgrund seiner zentralen Bedeutung nicht nur in der BMZ-Bildungsstrategie 2015, sondern auch in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, dem BMZ-Strategiepapier „Entwicklungspolitik 2030“, der Digitalen Agenda des BMZ, dem Marshallplan mit Afrika usw. enthalten. Des Weiteren hat sich Deutschland bei der Verabschiedung der Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung zur Entwicklungsfinanzierung explizit dafür eingesetzt, Frauenrechte als Querschnittsthema zu verankern und die tatsächliche Überwindung geschlechterspezifischer Diskriminierungen als Ziel aufzunehmen. Daher verwundern einige Forderungen umso mehr – nicht weil sie falsch sind, sie wirken aber wie alter Wein in neuen Schläuchen und konterkarieren stellenweise den Haushaltsentwurf der Bundesregierung. ({2}) So überrascht zum Beispiel die Forderung, das Engagement im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik zu verstärken, während die Bundesregierung unter anderem dem Goethe-Institut die Haushaltsmittel um circa 10 Prozent streichen möchte. Gleichzeitig will ich aber auch erwähnen, dass im Vergleich zum ersten Entwurf die Mittel für den Global Partnership for Education Fund nicht von 64 auf 50 Millionen Euro sinken. Dies wurde in den Haushaltsberatungen korrigiert. ({3}) Kommen wir zum Schluss. Man kann festhalten, dass die Ampelfraktionen hier eine Wunschliste an die Bundesregierung und das BMZ verfasst haben, ohne selbst Vorschläge zur konkreten Ausgestaltung und Priorisierung vorzunehmen. ({4}) Unter dem engen Korsett des Haushaltsentwurfs und der vorgenommenen Einsparungen werden diese Wünsche nicht ohne Abstriche bei anderen Projekten erfüllt werden können. Dieser unangenehmen Einsicht und Aufgabe entzieht sich der Antrag, indem er keinen Finanzierungsvorschlag unterbreitet, sondern die Bundesregierung und das BMZ auffordert, „im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel“ – das ist kein konkreter Finanzierungsvorschlag – diese Wunschliste umzusetzen. ({5}) Darüber hinaus kommt bei Ihrem Antrag zur Grundbildung im Globalen Süden das Thema „Zusammenarbeit mit der Wirtschaft“ – und in diesem Kontext „Berufliche Bildung“ – nicht vor. ({6}) Hier lässt man ein wichtiges Feld unbestellt, und da muss man sich fragen, Herr Kollege von der FDP – Sie haben gerade noch von „Bildung, Bildung, Bildung“ gesprochen, lassen aber den Kontext der beruflichen Bildung komplett außen vor –: Wie konnte das eigentlich passieren? ({7}) Wir halten also fest: Bei der sogenannten Zukunftskoalition – wobei sie sich diesen Namen wahrscheinlich nicht mehr selbst geben würde – fehlt die inhaltliche Linie. Da bleibt noch einiges an Arbeit übrig. Wir werden das weiter beobachten und uns zu gegebener Zeit auch dazu äußern. Herzlichen Dank. ({8})

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Aus für die Sprach-Kitas wäre eine kinder- und eine bildungspolitische Katastrophe. ({0}) Und das ist nicht nur eine Einschätzung von uns, von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sondern das ist eine Einschätzung Tausender Erzieherinnen und Erzieher im ganzen Land, von allen einschlägigen Verbänden und von der gesamten Fachwelt. Über 200 000 Menschen in Deutschland haben eine Petition für die Fortsetzung als Bundesprogramm unterschrieben. Und was macht die Ministerin? Sie glänzt durch Abwesenheit. ({1}) Das finde ich traurig. Das finde ich nicht angemessen. Das finde ich einen Schlag ins Gesicht für alle Erzieherinnen und Erzieher und auch für die Eltern in unserem Land. ({2}) Der Bundesrat hat einstimmig für die Fortsetzung votiert. Einstimmig bedeutet – auch wenn es da gerade einen Zwischenruf gab –, dass eben die von SPD, auch die von Grünen und von der FDP regierten Länder einstimmig Lisa Paus letzten Freitag gesagt haben: Diese Politik ist falsch, diese Politik ist verfehlt. ({3}) Warum? Weil das Bundesprogramm eine beispiellose Erfolgsgeschichte ist. Wie viel mehr Entscheidungsgrundlage brauchen Sie eigentlich noch? Ich skizziere Ihnen mal, was passieren würde, wenn Sie dieses Programm jetzt einstellen. Was passiert dann? Tausende Fachkräfte weg, obwohl sie in den Einrichtungen dringend gebraucht werden. Die Träger werden nicht mehr in der Lage sein, die Qualität in der frühkindlichen Bildung zu gewährleisten. Die über Jahre aufgebauten bundeseinheitlichen Strukturen, die Qualifizierungen der Teams, die Begleitung in den Familien: Alles wird zerschlagen, und dies nur, weil sich die Ministerin an dieser Stelle nicht gegen den Bundesfinanzminister durchsetzen kann. ({4}) Wir müssen mühsam wieder neue Strukturen aufbauen, was einem Flickenteppich gleichen wird. Ich kann das Geheule nicht hören, wir brauchten bundesweit einheitliche Standards. Das kommt dauernd von Ihnen, und wenn Strukturen da sind, werden sie kaputtgemacht. Das ist doch bigott, was hier passiert. ({5}) Und das Schlimmste ist: Sie benachteiligen vor allem auch Kinder und Familien mit Unterstützungsbedarf, die ohnehin schon benachteiligt sind – nicht nur diejenigen mit Migrationshintergrund, sondern auch diejenigen, die in Deutschland in prekären Familienverhältnissen leben. Wenn uns die Erzieherinnen und Erzieher bei unserem Kitagipfel der Unionsfraktion sagen, dass auch Kinder aus deutschen Familien, die aus schwierigen Verhältnissen kommen, noch nicht mal die Hälfte des Wortschatzes der Kinder aus besser situierten Familien haben, dann darf man solche Strukturen einfach nicht zerschlagen. ({6}) Bei Sprach-Kitas – auch das scheinen die meisten von Ihnen nicht verstanden zu haben; das habe ich zumindest im Ausschuss heute gemerkt – geht es ja nicht nur um Sprache. Es geht auch um Diversity, Integration, Inklusion, Teilhabe, Chancengerechtigkeit, Demokratieförderung in der Praxis. Sie brauchen nicht mit irgendwelchen neuen Demokratiefördergesetzen zu kommen, wenn Sie die Demokratieförderung in den Kindergärten sofort ohne Not streichen. ({7}) Das ist eine krasse Fehlentscheidung. Das haben Ihnen auch Ihre eigenen Parteimitglieder am Freitag ins Stammbuch geschrieben. Es ist schon eine beachtliche Leistung als Bundesministerin, nach fünf Monaten von der eigenen Partei so abgewatscht zu werden. ({8}) Sie enttäuschen die Familien, Sie enttäuschen die Erziehenden. Sie enttäuschen aber nicht nur, sondern – das bekommen Sie alle jetzt in der Debatte mal mit – Sie täuschen auch, indem Sie mit gespaltener Zunge Versprechungen machen, wie beispielsweise heute Vormittag im Ausschuss. Jetzt schieben Sie das alles den Ländern in die Schuhe und sagen: Sollen die Länder halt machen; wir ziehen uns zurück. – Ohne Übergangslösungen! ({9}) Sie werden auch behaupten, dass es neue Möglichkeiten gibt. Sie werden jetzt behaupten, dass es ein neues Bundesprogramm und das neue KiTa-Qualitätsgesetz gibt. Das ist nicht vergleichbar. Die Qualität wird an dieser Stelle leiden. Es gibt ab Januar keine Übergangslösung. Alles andere ist Augenwischerei. Machen Sie sich ehrlich! Sagen Sie es bitte Ihrer Ministerin, Frau Deligöz! Setzen Sie das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ fort! Versündigen Sie sich nicht an den Kindern in unserem Land! ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Sönke Rix für die SPD-Fraktion. ({0})

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will vorweg ein paar grundsätzliche Bemerkungen machen. ({0}) Die erste ist über das Verhältnis zwischen Bund und Ländern in der Frage der Zuständigkeiten. ({1}) – Genau. – Wir sind diejenigen in der letzten Koalition gewesen, die an vielen Stellen immer wieder darauf gepocht haben: ({2}) Wie steht zum Beispiel die Union zur Aufhebung des Kooperationsverbotes? Wie steht die Union eigentlich genau zu diesem Punkt? Wie ist da Ihre Position? ({3}) Wenn Sie hier davon sprechen, dass wir als Bund Aufgaben der Länder machen sollen, ({4}) dann müssen Sie auch den zweiten Schritt gehen und bereit sein, genau diesen Punkt mit zu erfüllen, und das sind Sie nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist heuchlerisch, was Sie hier vorbringen. ({5}) Denn man muss auch noch mal daran erinnern – ich habe das 16 Jahre lang mit vier Jahren Unterbrechung nun wirklich sehr intensiv in einer Koalition mit der Union in dem Feld Familienpolitik genießen dürfen –: ({6}) Wir haben hervorragende Dinge zustande gebracht. Aber Sie tun so, als ob es was Neues wäre, dass Programme tatsächlich auslaufen; das glaubt Ihnen kein Mensch, dass Sie nicht wissen, dass Programme auch auslaufen. ({7}) Sie sind diejenigen gewesen, die immer wieder betont haben, dass Programme nur befristet gelten und dass Länder ihren originären Aufgaben nachkommen sollen. ({8}) Das ist O‑Ton Union. Und auf einmal entdecken Sie Ihre Zuneigung für die Kitas, und auf einmal soll der Bund dafür einspringen. ({9}) Sie haben sich am meisten gegen ein Qualitätsgesetz auf Bundesebene gewehrt. ({10}) Die Union hat das nie gewollt. Wir mussten Ihnen wirklich händeringend abringen, dass wir wenigstens das Gute-KiTa-Gesetz gemeinsam machen, das Sie eigentlich auch nicht wirklich gewollt haben. Und heute stellen Sie sich hierhin und tun so, als ob Sie den Bund schon immer originär in dieser Verantwortung gesehen hätten. ({11}) Das ist reine Wahlkampftaktik; das ist ein reines Wahlkampfmanöver. ({12}) Nun will ich betonen, dass wir jetzt eine Situation haben – und da gebe ich Ihnen ja recht –, die sich in den Sprach-Kitas verschärft, ({13}) weil die Information, dass das Programm nicht weiterläuft, kurzfristig kommt. Das ist für diejenigen eine Herausforderung. ({14}) Wir als Fachpolitiker der Ampelkoalition sagen: Natürlich müssen wir dafür sorgen, dass die Strukturen der Sprach-Kitas erhalten bleiben ({15}) und auch tatsächlich in das Qualitätsgesetz überführt werden. ({16}) Dafür brauchen wir eine Zwischenlösung, und für diese Zwischenlösung stehen wir als Ampelkoalition, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({17}) Ich will auf noch etwas hinweisen; auch da sind Sie an vielen Stellen vergesslich. Wir haben jetzt die ersten Punkte für das Qualitätsgesetz vorgelegt. Sie wollen sich mit uns nur über Sprach-Kitas unterhalten, wir würden uns aber auch gerne mit Ihnen über das Qualitätsgesetz insgesamt unterhalten. ({18}) Da wird auch immer ganz schnell von der Union angebracht: Das kann doch wohl nicht wahr sein, dass wir auch Mittel für die Beitragsabsenkung brauchen. ({19}) Ich habe mal nachgeforscht: Ausgerechnet das Land Nordrhein-Westfalen und das Land Bayern verwenden sehr viel Geld des alten Gute-KiTa-Gesetzes für die Beitragsabsenkung. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen in der Union: Erinnern Sie sich auch daran, wenn Sie an der grundsätzlichen Ausrichtung unserer Kita-Qualitätspolitik Kritik üben! ({20})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Rix, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Ziemiak?

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Von Herrn Kollegen Ziemiak immer. ({0})

Paul Ziemiak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! – Lieber Herr Kollege Rix, vielen Dank für die Zulassung der Zwischenfrage. – Also: sehr schöne Parteitagsrede! Sie haben hier sehr viel über die Union und Parteien gesprochen, nicht über Sprach-Kitas. ({0}) – Ja, es ging hier um die 16 Jahre. Es ging hier um die Union. Es ging um die Frage des Bundesrates. Es ging in der Rede der SPD gerade leider nicht um die Kinder. Das habe ich jetzt hier festgestellt. ({1}) – Bevor Sie sich aufregen, will ich Ihnen aber jetzt mit meiner Zwischenfrage eine Möglichkeit verschaffen, dass wir auf den Kern des Problems, nämlich die Frage „Was ist mit den Kindern in den Sprach-Kitas?“, zurückkommen und von Parteitagsreden wegkommen. ({2}) Es ist ja jetzt so: Viele der Abgeordneten, die sich zu Hause um die Wahlkreise kümmern, haben Sprach-Kitas besucht. Ich höre das auch vor allem von Kollegen der Grünen, die mit vorgehaltener Hand auf dem Flur sagen: Es ist natürlich falsch, dass dieses Programm jetzt ausläuft, weil wir uns an den Kindern versündigen. ({3}) Meine Frage an Sie geht dahin, ob Sie von der SPD – wenn man sich umhört: auch Mitglieder anderer Fraktionen sagen, sie dürfen das hier im Plenum nicht sagen – bereit wären, dass wir jetzt einfach völlig unabhängig von Parteitagsdiskussionen und parteipolitischen Spielchen und unabhängig von der Parteizugehörigkeit parteiübergreifend in diesem Haus für die Integration der Kinder – gerade der Kinder mit Migrationshintergrund, gerade in diesen Zeiten, wo es um die Zukunft dieser Kinder geht – sagen: Das ist ein gutes Programm, und wir ziehen jetzt gemeinsam an einem Strang und führen dieses Programm fort. ({4})

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank für die Zwischenfrage. – Zunächst einmal zum Vorwurf, meine Rede sei angeblich rein parteitaktisch, ich hätte mich damit nur an die Union gewandt. Ich will auch noch mal darauf aufmerksam machen: Die Rede von meiner Vorgängerin gerade eben hat sich sehr stark an die abwesende Ministerin gewandt; das wurde mehrfach betont. ({0}) Da ging es auch weniger um die Kinder und um Inhalte, sondern um taktische Fragen. Ich will ebenfalls darauf aufmerksam machen: Es war auch bei Unionsministern nicht immer so, dass bei Oppositionsanträgen immer die zuständige Ministerin oder der zuständige Minister anwesend war. ({1}) – Auch da nicht. Da ist sehr viel in Vergessenheit geraten. Nur um das auch noch mal in der Balance zu halten. ({2}) Aber es ist ja schön, wenn Sie auf dem Trip jetzt neu mit dabei sind; das ist ja wunderbar. Es geht um die Sache. Ich habe es Ihnen gerade eben gesagt. ({3}) Wir als Ampelkoalition wollen in dem Gesetz auch eine Übergangslösung haben. ({4}) Wir wollen, dass die Strukturen nicht wegbrechen. Aber wir wollen auch eine Verstetigung des Programms. Eine Verstetigung heißt: eine gesetzliche Grundlage. Und das ist das KiTa-Qualitätsgesetz, Herr Kollege. ({5}) Vielen Dank, Herr Kollege. Das ist die Antwort. ({6}) Sie haben gerade gefragt, ob wir dazu bereit sind, das Programm weiterzulaufen zu lassen. ({7}) Wir haben gesagt: Wir wollen die Strukturen befristet bis zum Inkrafttreten des Gesetzes erhalten, und das ist doch wohl eine Antwort. ({8}) Das ist unsere Antwort darauf. ({9}) Wir wollen eine Verstetigung der Sprach-Kitas im Qualitätsgesetz. Wir wollen eine gesetzliche Lösung und nicht dauerhaft ein wackeliges Programm dafür. ({10}) Dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir auch die Unterstützung der Länder. Eine Brücke hat immer zwei Hälften. Die eine Hälfte gehen wir. Die andere Hälfte müssen die Länder gehen. ({11}) Das ist kein Wegschieben der Verantwortung, sondern das ist ein Hinweis auf die originäre verfassungsrechtliche Zuständigkeit der Länder. Wir sind den einen Teil bereit zu gehen, wenn die Länder auch bereit sind, zu sagen: Ja, wir nehmen die Sprach-Kitas in das Qualitätsgesetz, in unsere Beschreibungen mit auf. – Dann haben wir wirklich eine Lösung, bei der alle an einem Strang ziehen und nicht einseitig nur der Bund. Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({12})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Abgeordnete Nicole Höchst für die AfD-Fraktion. ({0})

Nicole Höchst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004753, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Werte Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Argumentationen meiner Vorredner kratzten leider nur sehr an der Oberfläche des Problems. Worum geht es? Die Ampelregierung möchte Sprach-Kitas nicht weiterfinanzieren. Die CDU/CSU beantragt, sie zu erhalten. Warum wurden Sprach-Kitas damals ins Leben gerufen? Weil sprachliche Kompetenzen einen erheblichen Einfluss auf Bildungs- und Integrationserfolg haben. Kinder aus bildungsbenachteiligten Familien und Familien mit Migrationshintergrund benötigen besondere Unterstützung. Diese Auffassung teilen wir. Warum brauchen wir heute eher mehr Unterstützung als weniger? Weil die Politik der offenen Grenzen zur Folge hat, dass unter den deutschen Passinhabern der jüngeren Generationen immer mehr Menschen ohne deutsche Muttersprache sind. In den jüngeren Alterskohorten gibt es in meinem Wahlkreis Bad Kreuznach und fast flächendeckend in Rheinland-Pfalz immer weniger Schüler, die Deutsch-Muttersprachler sind. ({0}) Fast die Hälfte der Kinder ist demnach per se benachteiligt. Die konkreten Zahlen dazu hat die AfD-Landtagsfraktion erfragt. Sie sind in der Drucksache 18/2655 des Landtages nachzulesen. Vielen Dank, liebe Kollegen in Rheinland-Pfalz. Das Sprachproblem ist virulent. Ob das die Sprach-Kitas überhaupt noch auffangen können? Werte Kollegen von den anderen Parteien, Sie haben in der Vergangenheit unseren Familien schweres Leid zugefügt. Durch Ihre Renten- und Sozialpolitik zwingen Sie Mütter zur Erwerbstätigkeit. ({1}) Diese fehlen zu Hause, wo sie sich nicht am Spracherwerb ihrer Kinder liebevoll beteiligen können, selbst wenn sie wollten. Die Familie ist aufgespalten: Kinder in der Kita oder in der Ganztagsschule, die Großeltern im Seniorenheim oder beim Flaschensammeln statt im wohlverdienten Ruhestand, Eltern bei der Arbeit. ({2}) Es fehlt Zeit, Familie zu leben. ({3}) Darunter leidet bekanntlich die kognitive Entwicklung, unter anderem der Spracherwerb. ({4}) Ihre Coronapolitik zulasten der Kinder hat diesen nicht nur zusätzlichen Schaden zugefügt, sondern ihnen auch ganz konkret Bildungschancen genommen. Am schlimmsten betrifft es die ohnehin Benachteiligten. Die vielgepriesene Digitalisierung hat dafür gesorgt, dass Kinder im zarten Alter schon auf Tablets wischen können, aber nicht mehr sprechen, Gedanken vernetzen, sich konzentrieren können oder Ähnliches. Der Bildungsnotstand in Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist über Jahrzehnte in diesem Land hausgemacht. ({5}) Wissen Sie eigentlich, welches Problem Sie haben? Sie haben einfach niemanden in Ihren Reihen mit Weitblick; ({6}) und falls doch, lassen Sie diese Person nicht zu Wort kommen. Meine Damen und Herren, Sie verlieren sich seit Jahrzehnten im Klein-Klein von teuren Maßnahmen mit wohlklingenden Namen, ohne sich die Folgen Ihres Handelns im großen Bild anzusehen. Das ist aber dringend geboten; denn es ist ein Bild der Zerstörung. Sie haben nicht nur die Familien auf dem Gewissen, sondern mit Ihren falschen Weichenstellungen auch den Schul- und Ausbildungserfolg. ({7}) Sie sind Deutschland-Ruinisten auf so vielen Ebenen. ({8}) Durch den massiven Zuzug nehmen Sie den Deutschmuttersprachlern die Heimat, und Sie nehmen gleichzeitig der Heimat die deutsche Muttersprache. Wollen Sie das so? ({9}) Wir unterstützen den Unionsantrag als Tropfen auf den heißen Stein. Wenn Sie uns schon weiter ent- und überfremden, sollen die Neubürger wenigstens von klein auf Deutsch sprechen. ({10}) Allerdings wäre es besser, wenn Sie nicht zuletzt mit Blick auf unsere Sozialsysteme und vor allem angesichts der Situation in Kitas und Schulen endlich sagten: Das Maß ist voll. Ein Weiter-so führt zum Scheitern des gesamten Bildungssystems und der Zukunft Deutschlands. Vielen Dank. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Kollegin Nina Stahr das Wort. ({0})

Nina Stahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005227, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Sprache ist der Schlüssel zur Welt – und die Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe und einen erfolgreichen Bildungsverlauf.“ So steht es auf der Seite des Bundesfamilienministeriums zur Erläuterung des Bundesprogramms „Sprach-Kitas“. Ich kann das voll und ganz unterschreiben. Sprache ist die Grundlage für Teilhabe. Ohne ein Verständnis der Sprache kann kein Kind lernen; es wird von der Gesellschaft abgehängt, bevor es überhaupt in sein Leben gestartet ist. Deshalb ist Sprachförderung eines der wichtigsten Handlungsfelder in der frühkindlichen Bildung. ({0}) Aber natürlich darf so ein wichtiges Handlungsfeld nicht von einem befristeten Sonderprogramm abhängig sein, sondern es muss strukturell verankert und dauerhaft abgesichert sein. ({1}) Deshalb ist es richtig, dass wir uns in der Koalition darauf verständigt haben, die Sprachförderung zu verstetigen. Das stellt sicher, dass die Sprachförderung in den Kitas dauerhaft stattfindet. Ich bin der Familienministerin sehr dankbar, dass sie dafür gesorgt hat, dass dies ein prioritäres Handlungsfeld wird. Damit ist Sprachförderung nicht mehr einfach nur ein Nice-to-have, es ist ein Essential. ({2}) Deshalb geht, liebe Union, Ihr Antrag in die falsche Richtung. Es kann nicht darum gehen, ein Sonderprogramm weiterlaufen zu lassen. Es muss darum gehen, es wirklich zu verstetigen. ({3}) Und das tun wir mit dem KiTa-Qualitätsgesetz. Ich bin mir sicher, dass wir auch für den Übergang bis dahin eine gute Lösung gemeinsam mit den Ländern finden werden. ({4}) Frau Bär, persönlich total bei Ihnen bin ich bei Punkt 3 Ihres Antrags, dass es sinnvoll wäre, sicherzustellen, dass die Bundesmittel „ausschließlich für Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität in der“, wie Sie schreiben, „Kinderbetreuung verwendet werden dürfen“. Eine kleine Anmerkung: Es müsste „frühkindliche Bildung“ heißen; denn Kitas sind Bildungseinrichtungen und nicht Betreuungsanstalten. ({5}) Aber sonst bin ich da voll bei Ihnen. Nur eine kurze Frage: Sind denn auch Ihre Länder bei Ihnen, zum Beispiel Bayern, das derzeit 61,4 Prozent der Gute-KiTa-Gelder in Beitragsfreiheit statt in Qualität steckt, also genau das Gegenteil von dem macht, was Sie hier propagieren? ({6}) Bayern will im Bundesrat übrigens die Verwendungsquote streichen, also genau den Punkt, mit dem wir im Gesetz festlegen wollen, dass der überwiegende Teil der Gelder in Qualität fließen soll. ({7}) Damit zeigt sich: Bayern macht nicht nur im Moment exakt das Gegenteil dessen, was Sie hier fordern, sondern will das auch in Zukunft tun. Wo wir schon bei Bayern sind: ({8}) Mir ist vollkommen schleierhaft, wie Sie hier so große Töne spucken können, dass der Bund doch bitte, bitte mehr für Bildungsgerechtigkeit tun soll, während Sie gleichzeitig im CSU-geführten Bayern die Sozialstaffelung der Elternbeiträge aus dem KiTa-Qualitätsgesetz rausstreichen wollen. Die Regelung, die sicherstellt, dass alle Kinder Zugang zu frühkindlicher Bildung haben, wollen Sie rausstreichen. Das, was Sie hier machen, ist heuchlerisch. ({9}) Bildungsgerechtigkeit bedeutet, dass alle Kinder, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern, Zugang zu frühkindlicher Bildung haben und dass Sprachförderung und Qualität in der frühkindlichen Bildung endlich gesetzlich abgesichert werden. Das machen wir mit dem KiTa-Qualitätsgesetz. Vielen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Heidi Reichinnek für die Fraktion Die Linke. ({0})

Heidi Reichinnek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005186, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jede achte Kita in Deutschland wird durch das Programm „Sprach-Kitas“ gefördert. 7 500 Fachkräfte werden darüber finanziert, was wiederum über 500 000 Kindern zugutekommt – ziemlich beeindruckende Zahlen. Davon profitieren alle Kinder, die Aufholbedarf in ihrer Sprachentwicklung haben. Sprachförderung ist sinnvoll und muss gestärkt werden; ({0}) ich denke, darüber sind sich hier alle einig. Deswegen finden wir als Linke den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP an der Stelle auch richtig gut, an der steht – Zitat –: Wir wollen „das Programm ‚Sprach-Kitasʼ weiterentwickeln und verstetigen“. Deswegen ist es ja auch nur konsequent, dass die Ampel jetzt die Sprach-Kitas absägt, quasi über Nacht. ({1}) Also, ich weiß nicht, wie es dem Rest hier geht, aber Verstetigen und Streichen, das sind zwei verschiedene Dinge. ({2}) Und dann sagt die Ampel, gerade wieder geschehen: Sprachförderung geht doch jetzt über das KiTa-Qualitätsgesetz, als Regelfinanzierung, weg von Projektmitteln. – Da bin ich ja voll bei Ihnen, das ist richtig so. Aber mal ehrlich: Das klingt nett, nur ist das gut Gemeinte hier so was von nicht gut gemacht! ({3}) Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“ läuft zum 31. Dezember 2022 aus. Das neue Gesetz greift – nach allen Verhandlungen – ab dem 1. Juli 2023. Da war doch von Anfang an klar, dass der Übergang nicht vernünftig organisiert werden kann. ({4}) Sie machen doch genau das Gegenteil von dem, was Sie behaupten zu tun. Wie kann man denn so eine gute Idee nehmen und sie dann so vor die Wand fahren? ({5}) Das ist Ihnen jetzt ja anscheinend auch aufgefallen. Und jetzt soll es eine Übergangslösung bis Juli 2023 geben. Auch da weiß niemand, wie die aussehen soll. Dadurch verlieren wir Fachkräfte in Massen. Es mag Ihnen nicht bekannt sein, aber man muss sich drei Monate vor Jobende arbeitslos melden. In dieser Phase sind wir jetzt, und Sie haben nicht wirklich eine Lösung. Jetzt frage ich mich: Haben Sie bei der Planung nicht gewusst, dass das passiert, oder hat es Sie einfach nicht interessiert? Das können Sie mir gerne mal erklären. Aber erklären Sie das vor allem denen, die dann ohne Job dastehen, und den Familien und den Kindern, die ihre Bezugspersonen in den Kitas verlieren. ({6}) Ob und wie genau die Sprachförderung über das sogenannte KiTa-Qualitätsgesetz gefördert wird, ist offen, vor allem, weil Sie mit diesem Gesetz, das seinen Namen übrigens nicht verdient, die Mittel für Kitas kürzen und Länder, Kommunen und Träger mit den aktuellen Kostensteigerungen alleinlassen; auch das ist Fakt. Der Bund muss hier mehr liefern. Nur so lässt sich die chronische Unterfinanzierung der Kitas beenden. Weder dafür noch für den Fachkräftemangel haben Sie doch irgendeine Lösung. Aber gut. Neu ist das alles nicht. Es ist ja schön, dass Sie, liebe CDU/CSU, jetzt in der Opposition ihr Herz für Kinder entdecken. Aber das ist schon ziemlich scheinheilig, liebe Kolleginnen und Kollegen; ({7}) denn 16 Jahre lang haben Sie exakt alles Hilfreiche in diesem Bereich blockiert, von der Kindergrundsicherung oder „Kinderrechte ins Grundgesetz“ mal ganz zu schweigen. Dass Sie sich jetzt als Retterin der Sprach-Kitas aufschwingen, ist, gelinde gesagt, ein bisschen peinlich. Wir werden Ihren Antrag auch deshalb ablehnen, weil er unter anderem die Sprach-Kitas gegen die Demokratieförderung ausspielt. Da können Sie vielleicht Applaus von rechts erwarten, aber nicht von uns. ({8}) Der Bundesrat – ich muss zum Schluss kommen – hat sich, wie wir alle wissen, einstimmig für den Erhalt der Sprach-Kitas ausgesprochen. Der Antrag dazu kam aus Mecklenburg-Vorpommern, natürlich aus einem Land, in dem Die Linke mitregiert. ({9}) Deswegen wird da auch gute Politik gemacht. ({10}) Wir werden die Weiterführung der Sprach-Kitas in den Haushaltsberatungen beantragen. Wir hoffen, dass wir dann gemeinsam vorankommen. Ein letzter Satz, Frau Präsidentin. – Liebe Ampel, mal ehrlich, bei dem Chaos, das Sie hier veranstalten, hätten wir auch die GroKo behalten können. ({11})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Die nächste Rednerin in der Debatte ist Gyde Jensen, FDP-Fraktion. ({0})

Gyde Jensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004941, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst mal muss ich sagen: Liebe Union, es ist ein wunderbares Signal, dass uns allen hier im Hohen Haus die bestehenden Sprach-Kita-Strukturen so wichtig sind. ({0}) Wir als FDP-Bundestagsfraktion sind der Meinung, dass frühkindliche Bildung, dass beste Startchancen für alle Kinder in Deutschland das elementarste Anliegen sind, wenn es darum geht, das Aufstiegsversprechen einzulösen. Sprache – das sehen wir doch eigentlich alle so – ist der Schlüssel für alles Weitere, was an Entwicklungsschritten folgt. Deshalb ist es absolut notwendig, dass Programme zur Sprachförderung in dauerhafte Strukturen überführt werden. Dauerhafte Strukturen müssen sich an den grundgesetzlich festgelegten Verantwortlichkeiten orientieren, und die liegen in diesem Fall – so steht es auch in Ihrem Antrag – bei den Ländern. Gerade weil wir als Ampelkoalition dieses Thema für absolut notwendig halten, wird es weiterhin Bundesmittel geben, die die Länder für die Sprachförderung einsetzen können. ({1}) Dafür stellt der Finanzminister mit dem KiTa-Qualitätsgesetz in den nächsten zwei Jahren 4 Milliarden Euro für beste Kitas überall in Deutschland zur Verfügung. ({2}) – Hören Sie zu, Frau Schön, es geht weiter. – Wir haben im KiTa-Qualitätsgesetz die Sprachförderung endlich als prioritäres Handlungsfeld festgelegt, und wir ermöglichen damit den Ländern, dass sie Bundesmittel in die Sprachförderung und damit in den Erhalt der Sprach-Kitas investieren können. ({3}) Es ist völlig klar, dass diese nicht einfach über Nacht in neue Strukturen überführt werden können. ({4}) Dazu brauchen die Länder eine verlässliche Aussage vom Familienministerium dazu, wie Sprach-Kitas mit den Mitteln aus dem KiTa-Qualitätsgesetz weitergeführt werden können. ({5}) Jetzt kommen wir aber zu dem entscheidenden Punkt, nämlich zu dem Verantwortungsgefühl, das weiterzuentwickeln Sie den Ländern helfen müssen – das wäre toll –; denn dieses Verantwortungsgefühl scheint in den Ländern nicht so richtig zu bestehen. ({6}) Und dazu brauchen die Kitas und die Fachkräfte, die Sie in Ihrem Antrag ansprechen – jetzt komme ich zu einem zweiten Punkt, der wichtig ist –, eine Sprach-Kita-Garantie von den Ländern, damit sie verlässlich weiterplanen können. ({7}) Jetzt sprechen wir hier ganz viel über Verantwortung. Ich würde mich freuen, wenn wir diesen Weg gemeinsam beschreiten und gemeinsam abstimmen können. Diese Garantie hätten die Länder den Kitas, den Fachkräften geben können, als bekannt war, dass das Sprach-Kita-Programm des Bundes ausläuft. ({8}) Dann hätte man frühzeitig, konstruktiv, gemeinsam an einer Übergangslösung arbeiten können. Sie haben meinen letzten Satz gehört: frühzeitig, konstruktiv, gemeinsam. Aber nichts von dem ist passiert. Letzte Woche tagte der Bundesrat. Das, was wir hörten, war, dass sich die Länder nicht bereit erklärt haben, sich mit dem Familienministerium an einen Tisch zu setzen, um an einer Übergangslösung zu arbeiten. Dieses ganze „Hätte, hätte, Fahrradkette“ bringt uns hier nicht weiter. Am Ende ist es ein Blame Game, das Sie hier spielen, und das ist absolut nicht angemessen angesichts der Lage, in der wir uns hier befinden. ({9}) Sie hätten in Ländern dafür sorgen können, dass vermieden wird, dass sich Fachkräfte schon jetzt wegbewerben. Sie hätten dafür sorgen müssen, zu verhindern, dass die Strukturen so nicht mehr weitergeführt werden können. Und da nehme ich Sie mit in die Verantwortung; und Sie wissen genau, dass es auch Ihre Verantwortung ist, Frau Bär. Die Familienministerin arbeitet an einer Übergangslösung. Das haben wir heute von den Ampelkoalitionären gehört. ({10}) Ich nehme Sie hier in die Verantwortung, weil Sie wissen, dass es Länderhoheit ist, ({11}) weil Sie wussten, was in der mittelfristigen Finanzplanung steht, weil auch Sie Ihren Job sehr gut beherrschen. ({12}) Frau Bär, Sie wissen, wie Haushaltspläne zu lesen sind. Ich würde mir wünschen, dass dieser destruktive Mechanismus wegfällt, dass die Länder nicht vorsorgen, obwohl sie wissen, dass sie vorzusorgen haben, und so lange Druck ausüben und abwarten, was passiert, bis der Bund dann in die Bresche springt. ({13}) Ich finde, das ist dem Ganzen nicht angemessen. Es geht darum, zu zeigen – und das haben Sie sehr gut gemacht –, dass uns die Kinder und die Fachkräfte am Herzen liegen. ({14}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist ein föderaler Staat, in dem der Bund und die Länder jeweils Aufgaben haben, die mit finanziellen Ressourcen verbunden sind, und das ist auch in diesem Fall so. ({15}) Und im Übrigen – das wurde noch nicht erwähnt –: Wir hatten letzte Sitzungswoche Haushaltswoche. Die finanziellen Ressourcen, die Steuereinnahmen der Länder sind im Verhältnis zu denen des Bundes sehr üppig. Herr Ziemiak, Sie haben vorhin gesagt, dieses Haus kann sich auf etwas einigen. Dann können wir uns doch darauf einigen, dass Sie nach dieser Debatte das Telefon in die Hand nehmen, mit Ihren MPs telefonieren, die nämlich genau wissen, dass sie in der Verantwortung sind, damit diese sich zeitnah mit der Bundesfamilienministerin an einen Tisch setzen und an einer Übergangslösung arbeiten. Wir stehen hier alle bereit. ({16}) – Wunderbar, dann können wir uns darauf einigen. Das wäre das erste Mal, dass die Union in dieser Zeit auch die Mitte des Hauses für solche Unterfangen nutzt. Noch einen Punkt, weil ich eben über Haushaltsverhandlungen sprach. ({17}) – Hören Sie zu, Herr Ziemiak.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Gyde Jensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004941, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum Schluss, aber dieser Punkt ist wichtig. – Es gab Zeiten, da hatten wir den Eindruck, dass der Union haushalterische Verantwortung wichtig ist.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Letzter Satz bitte, Frau Jensen.

Gyde Jensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004941, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Daran erinnere ich Sie in diesem Moment. Wir freuen uns auf die Beratungen zu den Übergangslösungen, um das Sprach-Kita-Programm in ein richtiges Gesetz zu überführen und um dafür zu sorgen, dass sich keine Fachkraft wegbewirbt. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Frau Jensen, bitte, das waren jetzt schon mehr als zwei Sätze.

Gyde Jensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004941, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum Schluss. – Die Kitas in Deutschland sind der Schlüssel zur Sprache.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Frau Jensen, jetzt muss ich Ihnen gleich das Mikro abstellen.

Gyde Jensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004941, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sie haben recht, Frau Präsidentin; aber ich glaube, der Punkt ist angekommen. Vielen Dank. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die CDU/CSU hat das Wort Dr. Katja Leikert. ({0})

Dr. Katja Leikert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004337, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von den Ampelfraktionen! Vor unserer Debatte hier bin ich gerade aus der Kinderkommission gekommen. Es ist, wie Sie wissen, eine überparteiliche Kommission, die sich für Kinder einsetzt; danke für die Diskussion. Es waren auch Ländervertreter dabei, und auch hier war die einhellige Auffassung, dass die Sprach-Kitas beibehalten werden müssen. ({0}) Herr Rix, was eben wirklich auffällig war in der Antwort auf die Zwischenfrage vom Kollegen Zimiak: Kein Wort über die Kinder. Das ist für uns wirklich nicht hinnehmbar. ({1}) Uns als CDU/CSU ist es inhaltlich sowie politisch ein völliges Rätsel, warum Sie ausgerechnet ein Bundesprogramm abschaffen wollen, das so konkret vor Ort hilft und so exzellent evaluiert ist wie die Sprach-Kitas. ({2}) Sie haben doch wirklich nicht ernsthaft gedacht, dass die Länder da so einfach mitmachen und das Programm fröhlich übernehmen. ({3}) Es kann wirklich keine Überraschung für Sie sein, dass Ihnen im Bundesrat unter der Führung Ihrer eigenen Parteikollegen und ‑kolleginnen, Ihrer eigenen Genossen, die rote Karte gezeigt wurde. ({4}) Und was wir Ihnen wirklich vorwerfen – Frau Jensen hat das eben auch wieder gemacht –: Sie zetteln hier ausgerechnet auf dem Rücken von sprachlich förderbedürftigen Kitakindern eine grundsätzliche Föderalismusdebatte an. ({5}) Dass es sich hier nicht um eine irgendwie abstrakte Theoriediskussion handelt, sondern ganz konkrete Auswirkungen hat, das zeigt sich in den Wahlkreisen. Bei mir in meinem Wahlkreis Hanau betrifft das 25 Sprach-Kitas. ({6}) Da fragt man sich, ob Sie überhaupt wissen – man kann nur immer wieder darauf hinweisen –, was in Ihren Wahlkreisen los ist. ({7}) Herr Rix und auch Sie, Frau Stahr – auch Frau Jensen hat es angesprochen –, haben gesagt, Sie hoffen auf eine Lösung. ({8}) Herr Rix, Sie haben gesagt, wir brauchen eine Zwischenlösung. Es wäre ein bisschen klüger, wenn Sie erst verhandeln und das klären würden, und dann für einen guten Übergang sorgen würden. ({9}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hatten den Kitagipfel mit über 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern; Dorothee Bär hat es angesprochen. Sie wissen auch: Es sind viele Frauen, die in dem Bereich arbeiten, und es dauert immer ein bisschen, bis Frauen eine Überlastungsanzeige abgeben. Es ist wirklich großartig, was da vor Ort geleistet wird. Aber wirklich alle haben betont, wie wichtig die Fachkräfte vor Ort in ihren Einrichtungen sind. ({10}) Eine Kitaleiterin hat es auf den Punkt gebracht. Sie hat gesagt: Dieses Programm auf diese Art und Weise abzuschaffen, ist schlichtweg ein Zeichen von mangelnder Wertschätzung. ({11}) Sie hatten es laut Ihrem Koalitionsvertrag eigentlich anders vorgehabt. Sie hatten andere Signale gesetzt. Vor Ort hat man auf Sie gesetzt. Sie zerstören vor Ort gerade viel Vertrauen.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Ende.

Dr. Katja Leikert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004337, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Am Ende sind es die Kinder in Hanau und überall in Deutschland, die jeden Tag das Nachsehen haben werden. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die SPD-Fraktion hat das Wort Erik von Malottki. ({0})

Erik Malottki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005139, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Wir haben in den letzten Wochen hier im Bundestag viel über Sprach-Kitas gesprochen. Dass wir so intensiv um deren Zukunft ringen, ist angesichts der Bedeutung der Sprachbildung von Kindern und der sehr guten Arbeit in den Sprach-Kitas absolut richtig. Die Fachkräfte und Fachberatungen im Rahmen unseres Bundesprogramms leisten eine großartige Arbeit. Die Strukturen und das Wissen der Sprach-Kitas müssen nach einhelliger Auffassung von Praxis und Wissenschaft unbedingt erhalten werden. ({0}) Was erwarten die Fachkräfte und die Eltern der Kinder in den Sprach-Kitas von der Politik? Sie erwarten, dass alle, die Verantwortung im Land tragen, jetzt zu einer schnellen Entscheidung kommen und die Fortführung der Sprach-Kitas langfristig garantieren. ({1}) Das heißt hier im Bund: Wir unterstützen die von der Ministerin vorgeschlagene Übergangslösung. ({2}) Diese gibt ganz konkret Sicherheit für die Fachkräfte und Fachberatungen des Programms. Keine einzige Fachkraft, keine einzige Fachberatung einer Sprach-Kita wird ab dem 1. Januar 2023 auf der Straße stehen. ({3}) Dafür müssen die Verhandlungen mit den Ländern über die Weiterführung der Sprach-Kitas im Rahmen des KiTa-Qualitätsgesetzes schnell zum Abschluss kommen. Wir brauchen eine Bestandsgarantie für die Sprach-Kitas im Rahmen der Staatsverträge zwischen Bund und Ländern. Nur so schaffen wir Sicherheit. Das heißt für alle Parteien, die in den Bundesländern Verantwortung tragen, dafür zu werben, dass auch hier eine Bereitschaft zur Übernahme der Sprach-Kitas besteht. Was hilft den Kindern und Fachkräften auf keinen Fall? Wenn die Sprach-Kitas zu einem politischen Spielball zwischen Opposition und Regierung, zwischen Bund und Ländern werden. Deshalb meine Bitte an die Union: Setzen Sie sich für eine Bestandsgarantie der Sprach-Kitas in Ihren Bundesländern ein! ({4}) Frau Dr. Leikert, Frau Bär, bitte sorgen Sie dafür, dass es in den Staatskanzleien der unionsgeführten Länder die uneingeschränkte Bereitschaft gibt, gemeinsam mit dem Bund, gemeinsam mit der Bundesfamilienministerin eine Lösung für die Sprach-Kitas zu finden. ({5}) Für mich steht fest: Nur gemeinsam mit Bund und Ländern können wir die Sprach-Kitas retten. ({6}) – Ich habe es gesagt: Es braucht eine Bestandsgarantie in den Staatsverträgen, die mit dem Bundesqualitätsgesetz zusammenhängt. ({7}) Die Rettung der Sprach-Kitas könnte ein Beispiel werden, wie unsere Demokratie trotz aller Schwierigkeiten funktioniert: ({8}) Zivilgesellschaft und Praxis machen auf ein Problem aufmerksam, – – ({9})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Die Linke?

Erik Malottki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005139, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich mache kurz meinen Abschluss, und dann gerne. Der Satz ist gleich vorbei.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Nein, es gibt entweder die Frage, oder es gibt keine Frage.

Erik Malottki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005139, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, dann gerne eine Kurzintervention. ({0}) – Also, wenn einer Stuss erzählt, dann Sie. Egal.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Jetzt lassen wir den Redner mal zu Ende reden, und dann hat jeder die Möglichkeit zu einer Kurzintervention. Ansonsten gehen wir in der Rednerliste weiter vor. – Bitte, Sie dürfen Ihren Abschlusssatz sagen.

Erik Malottki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005139, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Rettung der Sprach-Kitas könnte ein Beispiel werden, wie unsere Demokratie trotz aller Schwierigkeiten funktioniert: Zivilgesellschaft und Praxis machen auf ein Problem aufmerksam, eine Ministerin reagiert und arbeitet an einer Lösung. Bund und Länder einigen sich schnell auf einen Kompromiss. So würden wir den Kindern, den Familien und den Fachkräften der Sprach-Kitas das geben, was sie am meisten brauchen: Sicherheit. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der Kollegin Gohlke aus der Fraktion Die Linke.

Nicole Gohlke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004041, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Danke schön, dass Sie die Kurzintervention zulassen. Schade, dass Sie die Zwischenfrage nicht zugelassen haben, aber Sie waren ja auch am Ende Ihrer Rede. Meine Anmerkung ist: Ihre Rede hat mich wirklich baff gemacht; denn Sie als momentan regierende Fraktionen rasieren dieses Programm, ({0}) Sie stellen die Anschlussfinanzierung zumindest nicht sicher – das ist ja hier völlig klar geworden –, und dann nehmen Sie sozusagen alle anderen in die Verantwortung und appellieren an den Gemeinsinn. ({1}) Das ist wirklich völlig absurd, so als gäbe es Sie überhaupt nicht an dieser verantwortlichen Stelle. ({2}) Dann habe ich noch eine zweite Anmerkung, falls Sie darauf eingehen wollen. Sie erzählen hier sozusagen, beschwören an dieser Stelle, dass das Kooperationsgebot wichtig sei, erzählen, was die Linie der SPD dabei anscheinend ist, und verstecken sich hinter Ihrem alten Koalitionspartner bei der Begründung, warum es nicht ging. Jetzt ist hier ein neuer Koalitionspartner, und alle verkünden, wie wichtig das ist, dass wir jetzt ein Kooperationsgebot haben und dass das Kooperationsverbot abgeschafft wird, zu den Akten gelegt wird. Wir haben die größte Krise seit Bestehen der Bundesrepublik, und es tut sich nichts. Ich frage mich an der Stelle wirklich, wie man eine Rede halten kann, bei der man auf alle anderen zeigt und selber nichts macht. Ich finde das unglaublich. ({3})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Sie haben die Möglichkeit, zu antworten.

Erik Malottki (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005139, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Kollegin, entschuldigen Sie erst mal, dass ich Ihre Zwischenfrage nicht zugelassen habe. Es war genau mein Schluss, und mir war dieser Schluss sehr wichtig, wie Sie vielleicht gemerkt haben. Zu Ihrer Frage. Das Erste ist: Die Regierung hat am 1. Juli einen Regierungsentwurf vorgelegt. Dann haben wir als Regierungsfraktionen angefangen zu arbeiten. Ich kann Ihnen für meine Fraktion sagen, dass wir seit diesem Tag daran arbeiten, eine Lösung für die Sprach-Kitas zu finden. ({0}) Sie haben mir vorgeworfen, ich würde hier reden, aber nicht machen. Reden Sie mit den Sprach-Kitas in Ihrem Wahlkreis – machen Sie das alle –, ({1}) und fragen Sie die, ob der Bundestagsabgeordnete von Malottki sich in den letzten Monaten dafür eingesetzt hat, dass die Sprach-Kitas erhalten bleiben! ({2}) Ich verspreche Ihnen: Sie werden von hier bis nach München eine positive Antwort erhalten. Das hat auch meine gesamte Fraktion gemacht, und wir kommen jetzt zu einer sehr guten Lösung. ({3}) Ich bin mir sicher, dass wir das zusammen schaffen, weil das Thema so wichtig ist, dass wir eine gemeinsame Lösung brauchen. Danke schön. ({4})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die Bundesregierung hat das Wort die Parlamentarische Staatssekretärin Ekin Deligöz. ({0})

Ekin Deligöz (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003068

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will drei wichtige Punkte festhalten. Erstens. Von der Sprach-Kita und Sprachförderung profitieren alle Kinder unabhängig von ihrer Herkunft und ihrer Familie. ({0}) Zweitens. Wenn der Bund Bundesmodelle macht, haben sie einen Anfang und ein Ende. Das ist auch die Grundlage der Haushaltsplanung. Ein Bundesprogramm kann und darf nicht dauerhaft laufen. ({1}) Drittens. Die Kompetenzen für die Kitas liegen bei den Ländern. Niemand in diesem Haus fordert, dass sie auf den Bund übergehen. ({2}) Wir wissen aber um die Bedeutung. Deshalb haben wir jetzt ein KiTa-Qualitätsgesetz vorgelegt, mit dem wir noch mal 4 Milliarden Euro in die Kitafinanzierung investieren. ({3}) Genau dadurch haben die Länder die Möglichkeit, die Förderelemente der Sprach-Kitas zu übernehmen. Ich will Ihnen da auch ein Beispiel geben. Mit dem Gute-KiTa-Gesetz haben die Bundesländer 1,6 Milliarden Euro – knapp 30 Prozent der Förderung – in die Beitragsreduzierung investiert. Hier würden viele, viele Sprach-Kitas hineinpassen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) – Bitte schön. Eine Redezeitverlängerung ist sehr willkommen.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Eine Frage der Kollegin Bär.

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, vielen herzlichen Dank, dass Sie die Frage zulassen. Nachdem Sie, aber auch alle anderen Rednerinnen und Redner der Ampel gerade noch mal betont haben, dass wir falsch liegen, weil es eben ganz wichtig und auch ganz eindeutig ist, dass die Länder zuständig sind, frage ich Sie schon, warum Sie denn dann, als Sie als Ampel diesen Koalitionsvertrag geschrieben haben, dort reingeschrieben haben: Wir wollen das Programm der Sprach-Kitas verstetigen und ausbauen. – Was hat sich denn in den letzten Monaten geändert? ({0})

Ekin Deligöz (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003068

Liebe Frau Kollegin, vielen Dank für diese Frage. – Das Ziel ist an erster Stelle, mit einer Übergangslösung für die nächsten zwei Jahre den Ländern noch mal die Möglichkeit zu geben, in diesem Bereich weiterzuarbeiten – natürlich ist auch das ein Bundesprogramm, nämlich ein auf zwei Jahre angelegtes Programm – und das zu evaluieren, ({0}) sich mit diesen Erkenntnissen gemeinsam an einen Tisch zu setzen und an einem KiTa-Qualitätsgesetz zu arbeiten. Dann hätten wir eine gesetzliche Grundlage für eine dauerhafte Förderung in dem Bereich der Kinderförderung. Ich finde aber ganz spannend, woher derzeit der Gegenwind kommt, nämlich direkt aus Bayern. ({1}) Sie wollen sich gar nicht mit uns an einen Tisch setzen. Sie haben gar kein Interesse an einem KiTa-Qualitätsgesetz. ({2}) – Und ich bin immer noch nicht fertig mit meiner Antwort. ({3}) Wenn die Bundesländer, Frau Kollegin, gemeinsam mit dem Bund an einem Tisch sitzen und zusammenarbeiten würden, hätten wir eine Verstetigung. ({4}) Die haben wir nicht. Fangen Sie mal an, in Bayern, wo Sie regieren, daran zu arbeiten! ({5}) Ich bin immer noch nicht fertig mit meiner Beantwortung. Ich will noch einen Punkt hinzufügen. ({6}) Sie haben jetzt im Bundesrat einen Antrag aus Bayern eingebracht, in dem genau das, was Sie hier in Ihrem Antrag fordern, überhaupt nicht steht, nämlich dass die Gelder in den Bereich der Beiträge übergehen. ({7}) Sie wollen, dass noch mehr Geld in die Beitragsbefreiung fließt. ({8}) Sie wollen, dass noch weniger Geld in die Verbesserung der Qualität fließt. Wie passt das eine denn mit dem anderen zusammen? ({9}) Sie wollen doch nur in die Schlagzeilen. Sie wollen gar nicht konstruktiv daran arbeiten, dass es am Ende eine Lösung gibt! ({10}) Wenn es nämlich so wäre, dann würde es in der Debatte ganz anders aussehen. Ich will das hier zum Schluss auch noch mal betonen, liebe Kolleginnen und Kollegen: ({11}) Ich war letzte Woche selber im Bundesrat. Ich habe dort den Vorschlag gemacht, dass wir gemeinsam an einer Übergangslösung arbeiten. Wir haben konkrete Vorschläge, wie das gehen kann. Das setzt aber die Bereitschaft voraus, auch miteinander zu verhandeln. Das setzt die Bereitschaft voraus, miteinander zu reden und konstruktiv zusammenzuarbeiten. ({12}) Wir werden hier auf jeden Fall eines nicht machen, nämlich Demokratieförderung gegen Sprach-Kitas ausspielen. ({13}) Ja, Frau Kollegin, die Mittel für die Demokratieförderung konnten in den letzten zwei Jahren nicht vollständig abgerufen werden, weil wir eine Pandemie hatten. ({14}) Dann besteht aber die Verantwortung, erst recht darin zu investieren, und nicht die Menschen in der Kälte stehen zu lassen, ({15}) und das ist erst recht ein Grund, Verantwortung in diesem Land zu übernehmen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, ({16}) anstatt hier nur Schlagzeilen und Schlammschlachten zu produzieren. Vielen Dank. ({17})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort Nadine Schön. ({0})

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich hoffe, dass wirklich viele, die in den Einrichtungen arbeiten, diese Debatte verfolgen. ({0}) Denn was heute hier gesagt wird, ist wirklich ungeheuerlich. ({1}) Sie wissen so gut wie ich, dass Sie die Axt an bestehende Strukturen anlegen und so Strukturen zerstören, die so schnell nicht mehr aufzubauen sind. ({2}) Wir haben die Situation, dass seit März dieses Jahres in jeder Klasse, in jeder Kindertageseinrichtung ukrainische Mädchen und Jungs sitzen, die kaum oder ganz wenig Deutsch können. Für diese Kinder wäre es so wichtig, dass sie in der Kita gefördert werden, dass sie unterstützt werden, genau wie die vielen anderen Kinder, die sprachliche Probleme haben. Kinder, die zu uns gekommen sind, Kinder, die hier geboren sind – sie alle profitieren von diesen Sprach-Kitas. Das sind eine halbe Million Kinder, 500 000 Kinder, die von 7 500 Fachkräften in den letzten Jahren betreut worden sind, und das zerstören Sie mit einem Federstrich. ({3}) Es ist eine Mogelpackung, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sagen, dass da ja jetzt noch ein Folgeprogramm kommt, und zwar aus zwei Gründen: zum einen, weil Sie den Haushaltsansatz im Gute-KiTa-Gesetz ja gar nicht erhöhen. Darin stehen für dieses Jahr 2 Milliarden Euro, für nächstes Jahr 2 Milliarden Euro und für übernächstes Jahr auch. Diese 2 Milliarden Euro sind in den Ländern verplant. Da sind Vereinbarungen geschlossen, da sind Schwerpunkte definiert, da sind Maßnahmen definiert, die mit diesem Geld gemacht werden. Deshalb ist da bisher kein Cent zusätzlich für Sprach-Kitas vorgesehen. ({4}) Es geht um sinnvolle Maßnahmen, die weitergeführt werden müssen, und es ist falsch, wenn Sie sagen: Da gibt es eine Folgefinanzierung. – Die gibt es nicht. Dann hätten Sie was drauflegen müssen. ({5}) Der zweite Punkt, der mich wirklich entsetzt, ist, dass Sie jetzt von einer Übergangslösung sprechen. Gehen Sie mal vor Ort in die Einrichtungen! Sprechen Sie mal mit den Mitarbeiter/-innen! Es ist so, dass das Programm Ende dieses Jahres ausläuft, und heute ist der 21. September. Das heißt: In diesen Tagen werden Arbeitsverträge gekündigt; in diesen Tagen müssen sich die Mitarbeiter/-innen arbeitslos oder arbeitsuchend melden, weil sie keine Grundlage für eine Weiterbeschäftigung ab dem 1. Januar 2023 haben. Und jetzt gehen Sie hin und sagen, die Länder sollen ab dem 1. Januar eine Lösung finden. Ja, wie denn? Die Haushalte sind beschlossen; das Geld aus dem Gute-KiTa-Gesetz ist anders verplant. ({6}) Und jetzt gehen Sie hin, zeigen mit dem Finger auf die Länder und sagen: Die sind schuld, wenn die Strukturen im Januar sterben. – Das ist absurd. ({7}) Sie haben mit Ihrem Koalitionsvertrag den Eindruck erweckt, dass die Sprach-Kitas weiterlaufen. Wir haben uns als Familienpolitiker in all den Jahren dafür eingesetzt, dass die Sprach-Kitas zusätzlich zum Gute-KiTa-Gesetz weiterlaufen. Sie haben genau das versprochen, ({8}) und jetzt streichen Sie das völlig unerwartet –

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

– und reden jetzt von einer Übergangslösung. Ich frage Sie: Wo ist die Übergangslösung? Wie geben Sie den Fachkräften morgen die Sicherheit, dass sie im Januar noch einen Job haben, und wie geben Sie den Kindern die Sicherheit, dass sie in diesen wichtigen Jahren mit der frühkindlichen Bildung weiterhin unterstützt werden? ({0}) Geben Sie heute die Antwort! Es wäre schön gewesen, wir hätten die Antwort heute von der Ministerin gehört. ({1})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Die letzte Rednerin der Debatte ist Leni Breymaier, SPD-Fraktion. ({0})

Leni Breymaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004683, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Staatssekretärin! Liebe Erzieherinnen und Erzieher! Liebe Eltern! Liebe Kinder! „Man hat so viel Welt, wie man Sprache hat“, hat mein Deutschlehrer damals immer gesagt. Das ist eine Weile her, aber es gilt heute noch. Wir alle wissen, wie wichtig frühe Sprachförderung ist. Die Grundlage dafür legen besonders auch außerfamiliäre Bildungsangebote. Dass das mittlerweile auch bei den Familienpolitiktraditionalistinnen und ‑traditionalisten der CDU und CSU angekommen ist, freut mich ganz besonders. ({0}) Komisch: Wenn es darum geht, die verfassungsrechtlich verbrieften Zuständigkeiten in der frühkindlichen Bildung zu übernehmen, dann will man in Bayern plötzlich nichts mehr vom Freistaat wissen, getreu dem Motto von Herrn Söder: „Immer so, wie es für die Parteitaktik der CSU gerade passt“. ({1}) „Man hat so viel Welt, wie man Sprache hat.“ – Sprache ist der Türöffner für gesellschaftliche Teilhalbe. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen, dass diese Tür für alle Kinder gleichermaßen so weit wie möglich offen steht. ({2}) Deshalb wollen wir die Sprachförderung auch langfristig –

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Liebe Frau Breymaier, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion? ({0})

Leni Breymaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004683, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

– nein – in einem KiTa-Qualitätsgesetz regeln, und darum setzen wir uns auch weiterhin für den Abbau von Zugangshürden – Stichwort „Beitragsfreiheit“ – ein. ({0}) Liebe Frau Schön, das Gute-KiTa-Gesetz ist zu Ende. Das KiTa-Qualitätsgesetz wird ab Januar kommen, und die Länder verhandeln mit dem Bund jetzt, welches Geld sie wofür ausgeben. Die Runde beginnt gerade neu. Und weil sie gerade neu ist, müssen wir uns jetzt alle zusammen unterhaken, um die Megaherausforderungen gemeinsam zu meistern. ({1}) Dabei geht es unter anderem um Bildungschancen von Anfang an; aber daneben geht es auch um bezahlbare Energie, sichere Arbeit, bezahlbare Mieten, bezahlbare Mobilität. Dafür brauchen wir große, gemeinsame Kraftanstrengungen von Bund, Ländern und Kommunen und keine kleinteiligen Bund-Länder-Zuständigkeitsstreitigkeiten, angeheizt durch Oppositionsanträge im Bundestag. ({2}) Zum roten Faden gehört auch: besser Brücken bauen, statt Mauern bauen. Die Sprach-Kitas waren und sind ohne Zweifel ein Erfolgsmodell, und an das sollten die Länder anknüpfen. Wenn die Länder das Auslaufen des Sprach-Kita-Bundesprogramms verschlafen haben, dann sollten wir sie im Interesse der Familien und der Kinder nicht vor die Wand fahren lassen; dann sollten wir ihnen für ein paar Monate noch einmal eine finanzielle Brücke bauen. Wir wollen, dass durch die Sprach-Kitas geschaffene erfolgreiche Strukturen vor Ort erhalten bleiben. ({3}) Dafür stehen vor allem Länder und Kommunen in der Verantwortung, und wir als Ampel werden sie auch in Zukunft nicht alleine lassen. Schönen Dank. ({4})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Martin Reichardt. ({0})

Martin Reichardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004859, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Breymaier, ich möchte noch Folgendes feststellen: Sie haben offensichtlich hier als Ampelkoalition aus einem stehenden Gebäude eine tragende Wand herausgerissen, sodass Sie jetzt sehen, dass es zusammenstürzt. Und in dieser Situation wollen Sie uns erklären, dass Sie jetzt Verhandlungen mit Bauträgern beginnen, um in irgendeiner Weise zum Erhalt des Gebäudes eine Wand wieder einzuziehen. Das ist doch einfach ein Unfug. ({0}) Wir müssen doch eins ganz klar feststellen: Wenn Sie denn so an den Sprach-Kitas gehangen hätten, warum haben Sie das Programm dann nicht so weit verstetigt, bis Sie diese Verhandlungen zu Ende geführt haben, damit das Gebäude gar nicht in die Gefahr des Einsturzes gerät? Das wäre Ihre Aufgabe gewesen, und das hätte eine verantwortungsvolle Politik tun müssen. (Beifall bei der AfD – Daniel Baldy [SPD]: So sprach Bob der Baumeister!]

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Frau Breymaier, Sie haben die Möglichkeit, zu antworten.

Leni Breymaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004683, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Kollege, Stand der Dinge ist halt: Es ist noch nichts entschieden. Wir sind mitten im Verfahren. ({0}) Wir haben im Moment die Wochen der Haushaltsberatungen. Insofern müssen Sie sich schon an die politischen Gepflogenheiten halten. ({1}) Weil Sie hier gerade so schöne Bilder von Mauern gewählt haben, will ich Ihnen auch ein Bild zurückgeben: Wenn wir jetzt in der Lage waren, einen Kuchen hunderttausendfach gut zu backen, dann sollten wir das Rezept des Kuchens endlich ins Kochbuch schreiben, ({2}) das heißt dahin, wo es hingehört, nämlich in die Zuständigkeit der Länder. ({3})

Katja Hessel (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11004750

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ampelfraktionen haben sich für diese Legislatur vorgenommen, Steuergerechtigkeit und Digitalisierung im Steuerrecht voranzubringen. Mit dem Gesetzentwurf zur Umsetzung der DAC-7-Richtlinie fangen wir hier mit einem großen Teil an. Wir stehen nämlich vor der großen Herausforderung, Steuergerechtigkeit in einem Umfeld sicherzustellen, das durch zunehmende Mobilität und fortschreitende Digitalisierung geprägt ist. Von entscheidender Bedeutung ist hierbei Transparenz. Insbesondere gilt das für den wachsenden Bereich der sogenannten digitalen Plattformökonomie. Diese Geschäftsmodelle bringen Anbieter von beispielsweise Waren oder Dienstleistungen mit Interessenten auf einem digitalen Marktplatz zusammen. Sie ermöglichen es den Anbietern, Leistungen unkompliziert, aber auch über Staatsgrenzen hinweg anzubieten und neue Märkte zu erschließen. Die Steuerverwaltungen hatten bisher ein Informationsdefizit. Es bestand keine hinreichende Transparenz, um die entsprechenden Transaktionen für das nationale Besteuerungsverfahren umfassend nutzen zu können. Mit der DAC‑7-Richtlinie soll dies nun geändert werden. Ziel ist es, durch die Verbesserung der Zusammenarbeit der Steuerbehörden innerhalb der EU Steuertransparenz und damit auch das Steueraufkommen sicherzustellen und für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Es wird hier insbesondere ein neues Stammgesetz für digitale Plattformökonomien geschaffen, welches eine Meldeverpflichtung für digitale Plattformbetreiber vorsieht. So werden den Steuerverwaltungen die Einkünfte transparent gemacht, die die Anbieter auf den einzelnen Plattformen erzielen. Da die Anbieter auch auf ausländischen Plattformen aktiv sind, wird das Vorhaben zudem mit einem automatischen Informationsaustausch zwischen den EU‑Steuerverwaltungen versehen. Durch diese Maßnahme werden neben Transparenz auch gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaft geschaffen, unabhängig davon, ob sie in einem digitalen oder analogen Umfeld da sind. Wir schaffen also nicht nur Steuergerechtigkeit, sondern auch Wettbewerbsgerechtigkeit. ({0}) Des Weiteren beginnen wir mit diesem Vorhaben auch, ein Anliegen aus der Wirtschaft umzusetzen. Es ist nämlich festzuhalten, dass die Außenprüfungen in Deutschland insgesamt einer Reform bedürfen, damit in Zukunft Prüfungen zeitnäher durchgeführt werden können. Dadurch werden die mit der Außenprüfung verbundenen Bürokratiekosten gemindert und mögliche Steuernachforderungen zeitnäher verwirklicht. Auch hiermit schaffen wir einen großen Wettbewerbsnachteil Deutschlands ab. Gemeinsam mit den Ländern haben wir als Bundesregierung die in diesem Gesetzentwurf enthaltenen Maßnahmen für das Steuerverfahrensrecht erarbeitet. Als beschleunigende Elemente sind insbesondere die Verkürzung der Verjährungsfrist, die Einführung eines Teilabschlussbescheides zur gesonderten Feststellung von abgrenzbaren Besteuerungsgrundlagen und die Einführung von Sanktionsmaßnahmen bei fehlender Mitwirkung vorgesehen. Dabei hält der Gesetzentwurf an dem bestehenden Grundsatz der Deklaration vor Verifikation fest. Mit der Umsetzung dieses Gesetzes wird das Steuerverfahrensrecht in Deutschland zukünftig in Hinblick auf den Zeitpunkt der Außenprüfung mit ausländischen Steuern harmonisiert, sodass auch hier mehr Gerechtigkeit vorhanden ist und wir die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss und bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({1})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort der Kollege Sebastian Brehm. ({0})

Sebastian Brehm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004682, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 22. März 2021 wurde die DAC-7-Richtlinie (EU) – das ist ja gerade dargestellt worden – beschlossen. Ziel dieser Richtlinie ist es, Transparenz von digitalen Geschäftsmodellen, insbesondere bei grenzüberschreitendem Vertrieb von Waren und Dienstleistungen auf Onlineplattformen, zu erhöhen. Die Finanzverwaltung wird in die Lage versetzt, besser Einblick zu nehmen und Daten zu bekommen – so weit in Ordnung. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, der zweite Teil des Gesetzentwurfs ist keine EU-Richtlinie, sondern ein Gesetzentwurf der Bundesregierung und des FDP-Finanzministers Christian Lindner unter der Überschrift „Modernisierung des Steuerverfahrensrechts“. Vorgetäuscht wird eine Beschleunigung der steuerlichen Betriebsprüfung. Dahinter verbirgt sich aber nichts anderes als eine erhebliche Belastung und eine Vorverurteilung sowie erhebliche Sanktionen insbesondere für den Mittelstand. ({0}) Wir sind ja von den Grünen und von der SPD gewohnt, dass Unternehmer per se des Teufels sind. ({1}) Aber dass dieses Gesetz aus einem FDP-geführten Haus kommt, macht mich ein Stück weit fassungslos. Mit diesem Gesetz brechen Sie mit den bisherigen Grundsätzen der kooperativen Betriebsprüfung zwischen Unternehmern und Staat. Auch Unternehmer haben ein erhebliches Interesse daran, die Betriebsprüfungen gut und ordnungsgemäß zu Ende zu führen. Aber anstatt die Betriebsprüfung zu reformieren und schnellere Rechtssicherheit für Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch für den Staat zu bekommen, kann weiterhin bis zu neun Jahre rückwirkend geprüft werden. Also: keine Beschleunigung der Betriebsprüfung. Anstatt zu modernisieren, verschärfen Sie die Strafen und Sanktionen einseitig für die Unternehmer und schaffen neue Bürokratie und Mehrbelastung. Ich möchte das an drei Punkten darstellen. Erster Punkt. Bisher gab es klare Grundsätze der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Nur wenn diese Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht gegeben war, konnte das Finanzamt die Buchführung verwerfen und Zuschätzungen vornehmen. Von diesem Prinzip nehmen Sie jetzt Abstand und fordern zusätzlich eine einheitliche digitale Schnittstelle, die übrigens noch gar nicht vorliegt. Wenn diese Schnittstelle, die es noch gar nicht gibt, nicht vorhanden ist, dann ist die Buchführung eben nicht mehr ordnungsgemäß und es gibt Strafmaßnahmen. Das ist ehrlicherweise skandalös. Sie schaffen jetzt schon Strafmaßnahmen für Dinge, die es noch gar nicht gibt. ({2}) Zweitens. Wenn ein Unternehmer bewusst die Betriebsprüfung verzögert oder Unterlagen nicht herausgegeben hat, dann lag es im Ermessen des Finanzamtes, die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes auszusprechen. Zukünftig – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – gibt es für alle Unternehmer ein generelles Mitwirkungsverzögerungsgeld ohne Ermessen des Finanzamtes nach dem 30. Tag in Höhe von 100 Euro, insgesamt bis 100 Tage also 10 000 Euro. Und im Wiederholungsfall, liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es pro Tag ein Verzögerungsgeld von 10 000 Euro, bei 100 Tagen macht das 1 Million Euro Strafe für den Unternehmer, wenn Unterlagen im Rahmen der Betriebsprüfung nicht beigebracht werden können, übrigens egal aus welchem Grund und ohne Ermessensspielraum des Finanzamtes. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie machen die Finanzämter zum Handlanger. Diese müssen jetzt ein Ordnungsgeld aussprechen, und sie müssen die Unternehmer bestrafen, auch wenn es bei den Betriebsprüfungen normalerweise zwischen Finanzamt und Unternehmen ein gutes Miteinander gibt. Ich weiß nicht, ob Sie schon mal an einer Betriebsprüfung teilgenommen haben oder ob Sie mal eine Betriebsprüfung durchgeführt haben. Aber Verzögerungen sind in einer Betriebsprüfung völlig normal, weil Unterlagen beigebracht werden müssen, weil irgendwelche anderen Dinge fehlen, die übrigens auch bei den Finanzämtern zu Verzögerungen führen. Sie zwingen jetzt die Finanzämter von politischer Seite, Strafmaßnahmen gegen die Unternehmer vorzunehmen, wie gesagt, ohne jeglichen Ermessensspielraum, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen mit der Unschuldsvermutung im rechtsstaatlichen Verfahren ist. Was Sie da machen, ist absoluter Irrsinn – absoluter Irrsinn! –, und es wird dazu führen, dass der Mittelstand weiter gedrängelt, weiter vernichtet wird. Das ist in unserem Land mit uns so nicht zu machen. ({4}) Drittens. Ich nenne Ihnen eine dritte Verschärfung – es gäbe noch viele andere Punkte –: Normalerweise hat man nach Betriebsprüfungen immer Anpassungen in den Folgebetriebsprüfungen, also in den Folgezeiträumen, vorgenommen. Wenn eine Betriebsprüfung bis 2016 war, hat man dann ab 2017 angepasst usw. Zukünftig – das schreiben Sie in dem Gesetzentwurf – muss es unmittelbar erfolgen – was auch immer „unmittelbar“ heißt; das ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Wenn dieses nicht unmittelbar erfolgt, dann gibt es Strafmaßnahmen für die Unternehmer: Strafe, Steuerstrafverfahren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie verurteilen die Unternehmer, den guten rechtschaffenen Kaufmann von vornherein und überziehen ihn mit Strafmaßnahmen. Das ist von unserer Seite aus nicht zu machen. Bei Ihnen dort sind wir das ja gewohnt, aber, liebe FDP, wo ist Ihr Rechtsstaatsverständnis? Wo ist Ihr liberaler Rechtsstaatsgedanke? Das kann doch nicht sein, dass wir Vorverurteilungen vornehmen, dass wir Zwangsgelder für Dinge fordern, die vielleicht im Geschäftsbereich ganz normal sind. So wird keiner in der nächsten Generation ein Unternehmen übernehmen. Es wird zum Habeck’schen Effekt führen: Es wird einfach aufgehört zu produzieren. Und es kommt zu einer Vernichtung des Mittelstandes; das werden wir nicht zulassen. Wir bieten an, im parlamentarischen Verfahren wirklich mitzuarbeiten, aber wir müssen diese Strafmaßnahmen für die Unternehmer, die jetzt unzulässig sind und zukünftig gesetzlich von Ihnen fixiert sind, abschaffen.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Sebastian Brehm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004682, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Deswegen freue ich mich auf das parlamentarische Verfahren und bitte die FDP wirklich, wieder an ihren liberalen Rechtsstaatsgedanken anzuknüpfen. Herzlichen Dank. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die SPD-Fraktion erteile ich das Wort der Kollegin Nadine Heselhaus. ({0})

Nadine Heselhaus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005084, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin im Rheinland aufgewachsen und wohne seit einigen Jahren im Münsterland. Bei uns in Nordrhein-Westfalen, in der Nähe zu den Niederlanden, war es absolut üblich, dort günstigen Kaffee einzukaufen. Das war es allerdings auch nur, solange wir tatsächlich nicht so weit weg wohnten, sonst lohnte es sich ja schlichtweg nicht. Den Umstand, 30 Kilometer bis ins Nachbarland zu fahren, müssen wir uns schon lange nicht mehr antun. Und noch mehr: Inzwischen ist es völlig egal, wo wir eigentlich wohnen und von wo wir eigentlich den Kaffee dann auch beziehen wollen. Meine Damen und Herren, die Wirtschaft im Bereich der Onlineplattformen ist in den vergangenen Jahren sehr stark gewachsen und mit ihr auch der Wirtschaftsverkehr über Grenzen hinweg. Die digitalen Geschäftsmodelle erleichtern es den Plattformbetreibern, ihre Dienste mit geringem Aufwand grenzüberschreitend anzubieten. Wir alle haben es gemerkt und sicher auch ein wenig selbst unterstützt: Die Pandemie hat diesem Wachstum noch mal einen Schub gegeben, der den Zuwachs der vorangegangenen Jahre sogar klein aussehen lässt. Der Umsatz auf Portalen, die kurzzeitig Wohnraum anbieten oder Fahrdienste vermitteln, ist stark gestiegen wie auch die Anzahl der entsprechenden Anbieter. Für die Finanzbehörden sind dabei insbesondere die grenzüberschreitenden Geschäfte eine Herausforderung. Um die korrekte Besteuerung zu prüfen, benötigen sie eine ganze Handvoll Daten. In bestimmten Fällen bekommen sie von den Plattformbetreibern aber eben nicht genügend Auskunft, um diese bewerten zu können. Daher braucht es hier sowohl klare Regeln als auch mehr Kooperation zwischen den EU-Staaten, um Steuervermeidung und Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Deshalb bauen wir die zwischenstaatliche Zusammenarbeit der Steuerbehörden mit der Umsetzung dieser EU-Richtlinie aus, und das bestehende Amtshilfeverfahren zwischen den Behörden bekommt klarer definierte Kriterien, damit es leichter anzuwenden ist. ({0}) Wir verpflichten die Betreiber digitaler Plattformen dazu, Informationen über Umsätze zu melden, die darauf erzielt werden. Um auch Informationen ausländischer Anbieter einfacher zu erfassen, werden wir den Austausch dazu innerhalb der EU automatisieren; das ist ein echter Gewinn. ({1}) Die Betrugsbekämpfung wird effizienter, wenn man schneller erkennen kann, wenn Einnahmen gar nicht oder nur unvollständig gemeldet werden. Mehr Kooperation für mehr Steuergerechtigkeit: Das ist der richtige Weg für Europa und auch für Deutschland. Meine Damen und Herren, als Ampelkoalition ist es uns genauso ein Anliegen, dass Steuerprüfungen für Betriebe zügig ablaufen. Und auch hier gilt für uns der Zweiklang: mehr Kooperation und klare Regeln. Damit Außenprüfungen künftig früher beginnen und auch früher abgeschlossen werden können, erweitern wir die Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Unternehmen und dem Finanzamt. Künftig können Prüfungsschwerpunkte benannt werden, was es den Betrieben ermöglicht, sich auf die Prüfungen vorzubereiten. ({2}) Das kann den Inhalt und den Ablauf der Prüfung deutlich beschleunigen, setzt aber auch Vertrauen und ein gewisses Maß an Transparenz voraus, also eine Mitwirkung aufseiten der Betriebe. Zudem kann das Finanzamt bindende Teilabschlüsse vornehmen. So können Unklarheiten frühzeitig ausgeräumt werden. Die Betriebe erhalten zeitnah Rechtssicherheit, und das Finanzamt hat diesen Prüfungsschritt für sich bereits abgeschlossen. Selbstverständlich werden Verfahrensabläufe auch durch digitale Anwendungen vereinfacht. Künftig werden Besprechungen mit dem Finanzamt auch elektronisch möglich sein. Dies hat sich in der Pandemie bewährt und kann den Zeitaufwand verringern. Darüber hinaus werden die Finanzämter in den kommenden Jahren eine weitere Vereinfachung erproben: Wenn Betriebe eigene Kontrollsysteme zur korrekten Besteuerung wirksam anwenden, ({3}) besteht die Möglichkeit, künftig einige Prüfungsschritte entfallen zu lassen. Denn auch hier gilt: Transparenz schafft Vertrauen. ({4}) Missbrauch muss von vornherein durch entsprechende Regelungen begegnet werden. Für den Fall, dass die Mitwirkung durch die Steuerpflichtigen nicht oder nicht ausreichend erfüllt wird, kann ein Strafgeld verhängt werden. Ganz ohne Mittel zur Durchsetzung kommt man eben nicht aus. Und Herr Brehm, da Sie es vorhin angesprochen haben: Meine Informationen sind da tatsächlich ganz andere. Aus der Praxis höre ich, dass diese Anpassung zu den Betriebsprüfungen ausdrücklich gelobt wird. ({5}) Insgesamt wird die Kultur der Kooperation deutlich gestärkt. Diese kann, wenn sie von beiden Seiten gelebt wird, alle weiterbringen. Denn das Ziel ist ganz klar: das Steuersystem für Menschen und Unternehmen einfacher zu machen. Vielen Dank. ({6})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Und für die AfD-Fraktion hat das Wort Klaus Stöber. ({0})

Klaus Stöber (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005232, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Ich gebe zu, nach der ganzen Diskussion um Inflation, Energiekrise und der emotionalen Debatte um die Sprach-Kitas handelt es sich jetzt vielleicht um ein ein bisschen sperriges Thema, aber ich denke mal, man kann es doch mit Leben füllen. Kollege Brehm, Sie haben mir die ganzen Pointen für meine Rede genommen. Das ist natürlich nicht in Ordnung. Aber wir sind, glaube ich, ziemlich einer Meinung. Ich beschränke mich mal auf das Thema Betriebsprüfungen, und ich kann Ihnen sagen, dass sich das Verhältnis zwischen Steuerberatern und Betriebsprüfern in den letzten zehn Jahren nicht verbessert hat. Früher einmal war es so, dass man während der Betriebsprüfung öfter einmal Zwischenergebnisse ausgewertet hat, miteinander diskutiert hat. Das findet im Prinzip jetzt nicht mehr statt. Jetzt wird die Prüfung durchgeführt, es gibt keine Gespräche, und am Ende wird ein Ergebnis präsentiert, das man dann auswerten kann. Insofern ist die Regelung nach § 204 Abgabenordnung, dass es einen Teilabschlussbericht und Teilergebnisse gibt, durchaus zu begrüßen. Zu begrüßen wäre auch, dass das Verfahren der Betriebsprüfung beschleunigt werden soll. Aber der Gesetzentwurf lässt nicht erkennen, inwieweit die Finanzbehörden an dieser Beschleunigung beteiligt sein sollen. Vielmehr soll der Steuerpflichtige seinen Teil dazu beitragen, dass das Verfahren beschleunigt wird. Kollege Brehm hat es schon angeführt: Das Mitwirkungsverzögerungsgeld, schon eine Sprachbarriere an sich, in Höhe von 100 Euro pro Tag ist natürlich aus meiner Sicht schon eine ziemliche Schweinerei. ({0}) Faires Verhalten und Zusammenwirken zwischen Finanzamt und Steuerpflichtigen stelle ich mir einfach anders vor. Und auch die Ausführungen zu § 158 AO in dem Gesetzentwurf hinsichtlich der Beweiskraft der Buchführung stelle ich in Zweifel. Ich betreue sehr viele Mandanten, Kleinstmandanten, auch viele mit Migrationshintergrund – aus Vietnam, aus der Türkei, aus dem ehemaligen Jugoslawien –, für die das deutsche Steuergesetz natürlich ein Buch mit sieben Siegeln ist. Leider kommt es vor, dass bei Betriebsprüfungen dann gerade diese Klientel keine ordnungsgemäße Buchführung vorweisen kann. Kleinere Mängel mehren sich zu größeren Mängeln und führen dann dazu, dass Schätzungen durchgeführt werden. Die angewandten Verfahren wie Ausbeutekalkulationen etc. führen zu erheblichen Steuernachzahlungen, die diese Klientel meistens nicht aufbringen kann. Buchführungsunterlagen heranzuziehen und dann zu sagen: „Hier liegt eine Steuerverkürzung oder sogar eine Steuerhinterziehung vor“, das finde ich schon vermessen. Gerade diesem Personenkreis, der den Anforderungen des deutschen Steuerrechts nicht ganz gerecht wird, aber dem Sozialsystem im Gegensatz zu einigen anderen nicht auf der Tasche liegt, denjenigen, die mit ihrem Kleinstgewerbe ihre Familie ernähren und auch sonst im Sozialsystem keine Kosten verursachen, solche Auflagen zu erteilen, das finde ich vermessen. ({1}) Man würde die Effizienz der Betriebsprüfung deutlich erhöhen, wenn man sich auf die großen und mittleren Unternehmen konzentrierte und die kleinen Unternehmen weitgehend ausgeklammert würden. Das könnte man zum Beispiel dadurch erreichen, dass man die Kleinunternehmerregelung ausweitet, beispielsweise von jetzt 22 000 Euro auf 50 000 Euro oder wie zum Beispiel bei Landwirten, bei bestimmten Berufsgruppen wie Journalisten etc. bestimmte Pauschalierungen einführt. ({2}) Das würde viele kleinere Unternehmen von der normalen Buchführungspflicht befreien und dementsprechend auch die Betriebsprüfungen überflüssig machen. Ich denke, wir sollten uns auf die Unternehmen konzentrieren, die, wie auch im Gesetzentwurf teilweise angeführt ist, auf Internetplattformen und im grenzüberschreitenden Verkehr unterwegs sind oder sogar kriminelle Machenschaften wie bei Cum-ex betreiben, die der Bundeskanzler aktiv unterstützt hat. ({3}) Das zu lokalisieren, aufzudecken und dann eine entsprechende Steuernachzahlung festzusetzen, das ist, denke ich, Aufgabe der Finanzbehörden. Das würde nicht nur den betroffenen Steuerpflichtigen, sondern auch den Steuerberatern erhebliche Erleichterung verschaffen. Vielen Dank. ({4})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Deborah Düring. ({0})

Deborah Düring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005045, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Steuerflucht kostet Staaten weltweit Hunderte Milliarden von Euro jedes Jahr. Insbesondere für Länder des Globalen Südens ist dies katastrophal; denn sie haben viel kleinere finanzielle Spielräume zur Finanzierung ihres Staatshaushaltes. Jeder Euro, der durch Steuerbetrug oder Steuertricks in den Staatskassen fehlt, kann nicht mehr für Gesundheitsversorgung, für Bildung, für soziale Sicherung oder für Infrastruktur ausgegeben werden. Deswegen müssen wir Steuervermeidung und Steuerhinterziehung global bekämpfen. Die Grundlage dafür ist Transparenz über staatliche Grenzen hinweg. ({0}) Mit den Richtlinien DAC 1 bis 6 haben wir uns auf eine geregelte und intensive Kooperation zwischen den Finanzbehörden innerhalb der EU geeinigt. Das ist ein riesiger Fortschritt. Steuerrelevante Informationen werden grenzüberschreitend gemeldet und ausgetauscht. Dabei ist klar: Die Qualität der ausgetauschten Daten und deren Kontrolle müssen noch besser werden; daran arbeiten wir. Und dennoch: Der steuerliche Informationsaustausch versetzt Finanzbehörden in die Lage, Steuerflucht effektiv zu bekämpfen. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wann haben Sie denn das letzte Mal bei eBay oder bei Amazon bestellt? ({2}) Wahrscheinlich eher in den letzten Wochen. Plattformen wie diese benutzen mittlerweile relativ viele Menschen, auch ich, und jeden Tag werden wahrscheinlich Milliarden an Umsätzen darüber gemacht. Die Finanzbehörden können aber bisher nur schwer nachvollziehen, welche Umsätze Händler/-innen auf diesen Plattformen haben. ({3}) Dadurch entgehen den Staaten Steuereinnahmen, zum Beispiel, weil Händler/-innen auf den Plattformen oft keine Umsatzsteuer zahlen. ({4}) Das ändert sich nun mit der Umsetzung der DAC-7-Richtlinie. Die Plattformen werden verpflichtet, Umsätze der Händler/-innen an die Finanzbehörden zu melden. Steuerhinterziehung wird so um einiges schwieriger. Wir werden dank DAC 7 EU-weit circa 33 Milliarden Euro mehr an Steuern einnehmen, ({5}) Steuern, die wir wirklich dringend zur Bekämpfung der aktuellen Krisen benötigen. Wir freuen uns sehr über die Erweiterung des Informationsaustausches, die wir auch im Koalitionsvertrag vereinbart haben, und ich kann Ihnen versprechen: Wir Grünen werden alles daransetzen, auch bei dem Gesetz zur Modernisierung des Steuerverfahrens gründliche Betriebsprüfungen trotz einer neuen Frist möglich zu machen. ({6}) Dennoch: Es bleibt weiterhin viel zu tun, um Deutschland zu einem Vorreiter im Kampf gegen aggressive Steuervermeidung und Steuerhinterziehung zu machen. Ich freue mich als neues Mitglied im Finanzausschuss, das gemeinsam mit Ihnen anzugehen. ({7})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die Fraktion Die Linke hat das Wort Janine Wissler. ({0})

Janine Wissler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005260, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, es ist derzeit kaum möglich, auf steuerlich relevante Daten von Anbietern auf digitalen Plattformen wie eBay oder Amazon zuzugreifen. ({0}) Da hier viele Geschäfte wie die Vermietung von Immobilien und Transportmitteln, wie Crowdfunding oder der Verkauf von Waren stattfinden, die grenzüberschreitend getätigt werden, ist es eben für die nationalen Steuerbehörden sehr schwer, Steuertatbestände zu erkennen und zu überprüfen. Natürlich ist damit der Hinterziehung von Steuern – darauf ist schon mehrfach hingewiesen worden – Tür und Tor geöffnet. Die jährlichen Steuerausfälle in diesem Bereich, im europäischen Plattformhandel, werden auf mehrere Milliarden Euro geschätzt. Ganz klar: Hier muss dringend etwas passieren. Wir brauchen Steuergerechtigkeit, und im Einsatz für Steuergerechtigkeit ist es notwendig, auch hier anzusetzen. ({1}) Der Gesetzentwurf setzt eine EU-Richtlinie um, die vorsieht, den automatischen Informationsaustausch zwischen den nationalen Steuerverwaltungen auf den Bereich der digitalen Plattformen auszuweiten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Mitgliedstaaten Informationen über die vom Vermieter oder Verkäufer auf Onlineplattformen erzielten Einnahmen automatisch austauschen. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Meldepflichten für Onlineplattformbetreiber und der dazugehörige automatische Informationsaustausch zwischen den EU-Mitgliedstaaten sind grundsätzlich natürlich zu begrüßen, und es ist richtig, dass hier endlich gehandelt wird. ({2}) Ich will noch ansprechen, was aus unserer Sicht kritische Sachverhalte sind. Sehr optimistisch nimmt die Bundesregierung an, dass die Angaben der auf ihrer Plattform angemeldeten Anbieter in neun von zehn Fällen korrekt sein werden und keiner zusätzlichen Prüfung bedürfen. Da haben wir zumindest mal ein paar Fragezeichen. Unklar bleibt aus unserer Sicht ebenso, wie die Verpflichtung auch gegenüber nicht in der EU ansässigen Plattformbetreibern durchgesetzt werden soll. Auch über die vorgesehenen Sanktionsmöglichkeiten würden wir gerne noch mal reden; denn wir waren uns jetzt alle einig, dass Steuerbetrug eben keine Kleinigkeit ist, dass er nicht eine Ordnungswidrigkeit ist; aber es ist eben das Problem, dass unvollständige oder falsche Meldungen in diesem Fall Ordnungswidrigkeiten darstellen und mit einem Bußgeld von maximal 50 000 Euro belegt werden. Ich finde, wenn wir ernsthaft den Kampf gegen Steuerhinterziehung führen wollen, dann müssen wir natürlich auch über Sanktionsmöglichkeiten sprechen. ({3}) Zudem ist im Gesetzentwurf eine Änderung der Abgabenordnung vorgesehen, die die steuerliche Betriebsprüfung beschleunigen soll. Im Jahr 2020 waren in Deutschland insgesamt 12 664 Prüferinnen und Prüfer tätig, und sie haben bei ihren Prüfungen steuerliche Mehrergebnisse von 11,2 Milliarden Euro festgestellt. Die Dauer der Prüfverfahren ist vor allem durch Personalmangel und massive Verzögerungen bei der Digitalisierung bedingt. So kommt es zu erheblichen Verzögerungen bei den Betriebsprüfungen, insbesondere der KMU. Bei Ihrem Vorschlag, Frau Staatssekretärin, die Betriebsprüfung allein durch die Änderung bei den verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen zu bewirken

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Janine Wissler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005260, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

– ich komme zum Schluss –, sind wir zumindest skeptisch. In diesem Sinne werden wir die Ausschussberatungen abwarten. Vielen Dank. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Maximilian Mordhorst. ({0})

Maximilian Mordhorst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005158, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir gehen heute einen wichtigen Schritt bei der Steuergerechtigkeit und nehmen vor allem diejenigen in den Blick, die bislang von dem System profitiert haben, gerade auf europäischer Ebene. Es geht hier um die Ubers und die Airbnbs, die sich so oft um Steuern herumschleichen konnten. Ich kann es nicht ertragen, wenn hier einige immer wieder in ihren Wahlkreisen, in Sonntagsreden oder zurzeit vor allem in Bierzelten erzählen, man müsse für Steuergerechtigkeit sorgen und die großen Plattformen an die Leine nehmen. Sie haben jetzt die Chance, genau das zu tun und es im parlamentarischen Verfahren zu erreichen. Wir werden es machen. ({0}) Ich will auch klar für uns Freie Demokraten sagen: Ja, wir sind für niedrigere Steuern und streiten dafür – auch und sogar in der Ampel. Aber genauso wichtig wie niedrigere Steuern ist für uns die Durchsetzung dieser Steuern, und deswegen werden wir solche Verfahren weiter in den Blick nehmen. Ich freue mich über die Einigkeit und im weiteren Verfahren hoffentlich auch über Zustimmung für das, was wir uns da vorgenommen haben. ({1}) Einen zweiten Punkt möchte ich noch kurz ansprechen: die Betriebsprüfung. Ich kann verstehen, dass da sachliche Kritik vorherrscht. Wir haben aber auch noch ein parlamentarisches Verfahren vor uns. Ich will im Grundsatz für uns ganz klar sagen: Eine Beschleunigung von Verfahren ist bei uns keine Einbahnstraße. Das geht sowohl von dem Steuerpflichtigen aus als auch vom Staat. Wir verstehen den Steuerpflichtigen, egal ob Bürger oder Unternehmen, nicht als Untertan, sondern wir verstehen das Ganze als Kooperation, die auf Augenhöhe erfolgen muss. Deswegen werden wir einerseits mit neuen Sanktionen und anderen Verfahren dafür sorgen, dass beim Steuerpflichtigen etwas passiert. Andererseits ist es aber mindestens genauso wichtig, dass wir bei der Digitalisierung des modernen Staatswesens und der Beschleunigung der Verfahren in den Behörden als Staat unsere Hausaufgaben machen. Genau das werden wir bei dem parlamentarischen Verfahren in den Blick nehmen. ({2}) Ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Punkt in den kommenden Beratungen. Ich freue mich da sehr über Unterstützung aus einer möglichst breiten Koalition oder Unterstützung insgesamt aus dem Hause. Vielen Dank. ({3})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die CDU/CSU-Fraktion hat das Wort Johannes Steiniger. ({0})

Johannes Steiniger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004418, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Sommer war ich in meinem Wahlkreis unterwegs, wie viele von Ihnen wahrscheinlich auch. Ich war bei einem Hotelier und habe mit ihm über seine Situation gesprochen: Familienbetrieb, inhabergeführt; da werden Arbeitsplätze geschaffen. Er zahlt seine Sozialversicherungsbeiträge, muss vom Brandschutz bis zu den Hygienevorschriften sehr viele gesetzliche Vorgaben umsetzen und zahlt auch ganz brav seine Steuern. Das macht er, weil er ein guter Typ ist, aber natürlich auch, weil das Finanzamt sämtliche Informationen über ihn hat. Die wissen, wer dieses Hotel führt; die kennen Telefonnummer, Anschrift, Identifikationsnummer etc. – Dann sind wir auch ins Gespräch gekommen über die Vermietung von Ferienwohnungen über digitale Plattformen. Da fehlen viele der Punkte, viele dieser gesetzlichen Vorschriften, die ich gerade angesprochen habe. Da fehlen aber auch die Informationen darüber, wer hier eigentlich zu welchen Preisen Wohnungen vermietet. Der Staat weiß deshalb nicht, wie viel an Steuern er darauf ansetzen kann. Wir finden es gut, dass auf europäischer Ebene mit DAC 7 genau hier angesetzt werden soll. Finanzbehörden sollen in die Lage versetzt werden, diesen schlechten Zugang zu Informationen auszugleichen und Informationen über die Einkünfte zu bekommen. Wir wissen, dass bei digitalen Geschäftsmodellen der Vermieter im Zweifel nicht in Deutschland sitzt, sondern in einem anderen europäischen Land. Deswegen ist es wichtig, dass der Austausch über die Finanzbehörden in DAC 7 enthalten ist. ({0}) Es ist doch klar: Keine Meldung von Einkünften und keine Versteuerung führen zu fehlenden Einnahmen beim Staat. Es ist aber insbesondere in der aktuellen Situation wichtig, dass wir die Steuern, die wir als Staat ansetzen, dann auch einnehmen. Das ist im Übrigen bei anderen Plattformen ähnlich; wir haben heute schon das eine oder andere Beispiel gehört. Aus unserer Sicht ist daher klar: Das ist ungerecht. Hier liegt kein fairer Wettbewerb vor. Wir brauchen daher Instrumente, um für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. ({1}) Ich habe schon erwähnt, welches die einzelnen Instrumente sind: Das ist der bessere Austausch, und das ist auch die Verpflichtung der Plattformen, diese Informationen an die Finanzbehörden weiterzugeben. Ich finde es aber etwas schade – das ist der Ruf in Richtung Europa, auch der Europäischen Kommission –, dass einige Vorschläge, die im Europäischen Parlament gemacht worden sind und die dafür gesorgt hätten, dass DAC 7 noch besser geworden wäre – also genau das, was wir hier machen –, leider nicht in die Richtlinie aufgenommen worden sind. Das betrifft beispielsweise Informationen zu anderen Einkommenskategorien, aber auch die Frage, was man eigentlich alles mit solchen Daten machen kann. Und es ist auch die Frage nach der Datenqualität; denn auch das ist in den verschiedenen europäischen Ländern sehr unterschiedlich. Wir brauchen hier aber ein einheitlich hohes Niveau. Ein weiterer Punkt – dazu haben wir schon einiges gehört – behandelt Betriebsprüfungen und Modernisierungen. Ich möchte mal einen Schritt auf die Metaebene gehen und überlegen: Warum ist das eigentlich so wichtig? Jeder weiß doch: Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Es wird wirtschaftlich nicht so gut bleiben, wie es in den letzten Jahren war. Wir werden uns alle mehr anstrengen müssen. Und da kann man zwei Dinge machen: Zum einen kann man die Unternehmen finanziell entlasten; das passiert aus unserer Sicht völlig unzureichend. ({2}) Zum anderen muss man aber bei den Regeln, bei den Verfahren, bei der Bürokratie abschichten. Wir begrüßen es sehr, wenn man hier zu schnelleren Verfahren kommen möchte; aber wir sehen noch ganz viel Arbeitsbedarf in den Ausschüssen. Wir werden uns als CDU/CSU massiv einbringen, auch eigene Vorschläge vortragen, damit wir dieses Gesetz besser machen. Wir haben es schon gehört: Einen Generalverdacht gegen Unternehmen brauchen wir in Deutschland nicht. Herzlichen Dank. ({3})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die SPD-Fraktion hat das Wort Dagmar Andres. ({0})

Dagmar Andres (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005009, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Wir debattieren hier eine Richtlinie, die auf europäischer Ebene beschlossen wurde und nun in nationales Recht umgesetzt werden muss. Das Ziel ist, damit die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung zu verbessern und das Steuerverfahrensrecht zu modernisieren. Dazu ist sachlich und fachlich schon viel gesagt worden. Vieles davon war richtig. Ich will jetzt versuchen, diese Richtlinie mit Beispielen ins Normaldeutsche zu übersetzen, damit auch Menschen, die sich nicht tagtäglich mit Steuerthemen beschäftigen, verstehen können, was wir hier debattieren. Im Wesentlichen geht es um zwei Punkte: erstens, eine Lösung zu finden, damit gleiche Sachverhalte auch gleich besteuert werden, und zweitens, trotzdem die Bürokratie möglichst gering zu halten. Ein Beispiel: Wir haben auf der einen Seite Otto und Liselotte Normalverbraucher. Sie haben in ihrem Leben ein Haus gebaut, einen Baum gepflanzt, Kinder großgezogen. Die Kinder sind aus dem Haus. Das Haus ist zu groß, also vermieten die beiden einen Teil des Hauses zu Wohnzwecken. Damit erzielen sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, und diese Einkünfte sind steuerpflichtig. Jetzt haben wir auf der anderen Seite ein anderes Paar. Die beiden kaufen sich eine Ferienwohnung, zum Beispiel in Spanien. Da sie diese Wohnung aber nicht selbst das ganze Jahr über nutzen, vermieten sie diese immer wieder mal über eine Onlineplattform. Davon erfährt das deutsche Finanzamt nichts. Also zahlen die beiden dafür keine Steuern auf ihre Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Und das ist nicht in Ordnung. Wenn Otto und Liselotte Normalverbraucher für ihre Einkünfte aus der Vermietung Steuern zahlen müssen, dann muss das auch für alle anderen gelten, die Einkünfte aus Vermietung erzielen. ({0}) Ein anderes Beispiel: Taxiunternehmen X mit Personenbeförderungsschein, mit Taxilizenz, mit entsprechenden Versicherungen, macht, was ein Taxiunternehmen macht, und fährt Gäste von A nach B. Es erzielt damit Einkünfte, und natürlich muss das Unternehmen diese Einkünfte versteuern. Irgendjemand anders, ohne Personenbeförderungsschein, ohne Lizenz, bietet seine Fahrdienste über eine Onlineplattform an und fährt ebenfalls Gäste von A nach B, oft sogar noch günstiger als ein Taxiunternehmen, da sein Aufwand deutlich geringer ist. Weil dieser Irgendjemand seine Fahrdienste über eine Onlineplattform anbietet, erfährt auch hier das Finanzamt nichts von den Einkünften, und diese werden nicht versteuert. Auch das ist nicht fair. Genau diese Ungerechtigkeiten werden durch die Umsetzung dieser Richtlinie beseitigt, und das ist gut so. ({1}) Betreiber von derartigen Onlineplattformen müssen ab kommendem Jahr einmal jährlich eine Mitteilung an die Steuerbehörden machen, wer auf ihrer Onlineplattform welche Umsätze im abgelaufenen Kalenderjahr erzielt hat, und das grenzüberschreitend. So erfährt dann auch das deutsche Finanzamt zum Beispiel von der Vermietung der Ferienwohnung im Ausland. Damit wird ein großer Teil von bisher möglichen Steuerhinterziehungen verhindert, und das ist gut so. Nun kommen wir zum zweiten Punkt, zur Betriebsprüfung. Wir wollen nicht nur die Steuerhinterziehung bekämpfen. ({2}) Wir wollen auch nicht immer mehr Bürokratie aufbauen und vor allem keine unnötige Mehrarbeit in der Finanzverwaltung erzeugen. Deshalb werden die Vorgaben für Betriebsprüfungen modernisiert. Zukünftig werden Unternehmen, die über ein sinnvolles und korrektes internes Kontrollsystem verfügen, weniger durch Prüfungen der Finanzverwaltung belastet. ({3}) Wir reden hier von Unternehmen, die selbst ein Interesse daran haben, ihre betrieblichen Geschäftsfälle korrekt abzuwickeln und ihre steuerlichen Angelegenheiten legal und ehrlich umzusetzen, und das sind die meisten der Unternehmer. Wenn diese Unternehmen ein innerbetriebliches Kontrollsystem installieren und geprüft wurde, dass dieses auch funktioniert, dann können Betriebsprüfungen durch die Finanzverwaltung deutlich abgekürzt werden, und zwar sowohl im Umfang der Betriebsprüfung ({4}) als auch in der zeitlichen Dauer der Betriebsprüfung. Somit wird Ehrlichkeit belohnt. Der Nutzen liegt sowohl beim Unternehmen als auch bei der Finanzverwaltung. Im Übrigen wird genau das von den verschiedenen Unternehmensverbänden äußerst positiv aufgenommen, so unsere Information. ({5}) Mit dieser Richtlinie sorgt Europa für Transparenz und Fairness und leistet einen entscheidenden Beitrag zur Steuergerechtigkeit. Ich freue mich jedenfalls auf die Diskussion im Ausschuss. Vielen Dank. ({6})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der letzte Redner in der Debatte ist für Bündnis 90/Die Grünen Sascha Müller. ({0})

Sascha Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005162, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heute hier vorliegenden Gesetzentwurf legen wir als Ampelkoalition nicht nur einen Vorschlag zur Umsetzung der DAC-7-Richtlinie vor, sondern machen auch Vorschläge zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechtes, insbesondere bei der Durchführung von Außenprüfungen. Es gibt wohl kaum Steuerpflichtige, die jubeln, wenn eine Außenprüfung ansteht. Dennoch sind sie natürlich notwendig, um Zweifelsfälle besser beurteilen zu können und, ja, natürlich auch, um illegale Steuertricksereien zulasten der Allgemeinheit aufzudecken. Damit aber diejenigen – das ist die große Mehrheit; das muss auch mal gesagt werden –, die ihre Angaben gegenüber den Steuerverwaltungen nach bestem Wissen und Gewissen korrekt machen, die Außenprüfung gut und konstruktiv gemeinsam mit den Prüferinnen und Prüfern durchführen können, braucht es gute Verfahrensregeln, die mit dem Gesetzentwurf modernisiert werden. ({0}) Vielerorts wird beklagt, dass die Außenprüfungen in Deutschland zu spät beginnen und zu lange dauern. Bürokratiekosten, Unsicherheit über mögliche Steuernachforderungen und damit verbundene mögliche höhere Zinsbelastungen können die Folge sein. Daher beinhaltet der Gesetzentwurf Instrumente wie das Begrenzen der Aufschiebung der steuerlichen Festsetzungsfristen auf fünf Jahre. Eine solche Frist ist aus unserer Sicht grundsätzlich durchaus sinnvoll. Sie darf aber nicht zur Beeinträchtigung der Prüfungsgenauigkeit führen, insbesondere dann nicht, wenn ausländische Finanzbehörden mitwirken oder Steuerstrafverfahren eingeleitet werden; denn für die Aufdeckung von komplexen Sachverhalten, wie beispielsweise in der jüngeren Vergangenheit bei Cum-ex, muss ausreichend Zeit bleiben. Darauf werden wir in den weiteren Beratungen sehr genau achten. ({1}) Zudem ist vorgesehen, dass Prüfungsschwerpunkte vorab kommuniziert werden, auf die sich die Steuerpflichtigen dann vorbereiten können, und während der Prüfung werden Zwischengespräche geführt. Auch dies finden wir insgesamt durchaus positiv. Bei der neu eingeführten qualifizierten Mitwirkungspflicht muss Klarheit bestehen, damit es nicht zu Rechtsunsicherheiten kommt. Das Bußgeld und vor allem der Zuschlag müssen so gestaltet sein, dass kleine und mittlere Unternehmen gegenüber den Konzernen nicht benachteiligt werden. Positiv anzumerken ist auch, dass mit den Teilabschlussbescheiden künftig die Möglichkeit geschaffen werden soll, bei bereits während der Prüfung abgeschlossenen Sachverhalten frühzeitiger Rechtssicherheit herzustellen. Wie immer, wenn es um Angelegenheiten der Außenprüfungen geht, bleibt natürlich festzuhalten, dass die zu Prüfenden sowohl ein Einzelunternehmen als auch ein großer Konzern sein können. Entsprechend muss der Gesetzentwurf für alle Prüfungssituationen zu einer Verbesserung führen; denn natürlich hat der Großkonzern andere Voraussetzungen als beispielsweise der kleine Einzelhändler oder die Tanzschule. Ich bin mir sicher, dass wir dazu in den Anhörungen viele Anregungen erhalten werden, die wir dann gemeinsam bewerten werden. Der Gesetzentwurf ist aus unserer Sicht zunächst einmal eine gute Grundlage. Wir freuen uns auf die weiteren Beratungen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({2})

Leif Erik Holm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004761, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Bürger! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Unmut über die Energiepolitik der Ampel wird immer größer. In meiner Heimatstadt Schwerin haben am Montag 4 500 Menschen demonstriert. Seit ich denken kann, gab es das in dieser Summe nicht. Das waren ganz normale Bürger, die sich Sorgen machen, wie sie im nächsten Monat die Rechnungen bezahlen sollen: Handwerksbetriebe, Mittelständler, die kurz vor dem Ruin stehen und von den Entlastungspäckchen nichts oder fast nichts haben. Der dramatische Anstieg der Gaspreise – teilweise um das Zehnfache – zeigt: Es ist nicht mehr von der Hand zu weisen, dass wir hier in eine richtig schwere Krise schlittern. ({0}) Und Sie kommen mit einer Gasumlage um die Ecke, die das ganze Problem noch größer macht. Sie verschärft die Inflation und ist natürlich auch – das erleben wir ja – ungerecht. Während Bürger und Betriebe sie allesamt bezahlen müssen, können sich einige Unternehmen mit den Mitteln aus der Umlage die Taschen vollstecken, obwohl sie sie gar nicht brauchen, weil sie gute Gewinne gemacht haben. Tut mir leid: Das ist vielleicht gut gemeint, aber es ist schlecht gemacht. Es ist unsozial, es trifft die Schwächsten der Gesellschaft, und es trägt nicht zur Verbesserung der Lage bei. ({1}) Und dann ist das Ganze ja auch noch technisch völlig verkorkst. Mit der Verstaatlichung von Uniper wird daraus de facto eine Steuer, die für ein Staatsunternehmen erhoben wird. Man kann mit Recht mehr als ein Fragezeichen dahinter machen, ob das funktioniert. Sie haben ja selbst Zweifel, ob die Umlage rechtlich Bestand haben wird. Also blasen Sie den Unfug besser vorher ab! Heute können Sie bei diesem Antrag den Anfang dazu machen. ({2}) Ja, es gibt akute Finanzprobleme; das ist nicht von der Hand zu weisen. Es gibt Finanzprobleme bei den Importeuren und den Versorgern. Aber wenn das Problem nicht dauerhaft bestehen sollte – und davon gehen Sie doch schließlich aus –, dann lässt sich das über Kredite und Eigenkapitallösungen überbrücken. Gerne kann die Bundesregierung auch mithelfen, dass es zur Absicherung Gewährleistungen für Kredite gibt. Aber eine verkorkste Gasumlage ist die schlechteste aller Lösungen. ({3}) Die beste Lösung wäre ohnehin, dass wir das Gasangebot schnell wieder vergrößern und damit für Preissenkungen sorgen. Ja, wir brauchen langfristig natürlich eine Diversifizierung unserer Importe. Aber kurzfristig führt kein Weg an russischem Gas vorbei; das ist die Realität. Grund dafür – das muss man an dieser Stelle auch mal deutlich sagen – ist Ihre planlose Energiewende mit der Abschaltung von Kern- und Kohlekraftwerken. Erst das hat den massiven Hunger nach Gas geschaffen. ({4}) Dieser Realität müssen Sie sich stellen; Sie regieren hier schließlich. Die Bürger sind da offensichtlich weiter als Sie. Sie sehen, dass wir Nord Stream 2 brauchen, ({5}) obwohl sie keine Putin-Fans sind. Sie sehen einfach, dass die Sanktionen uns viel mehr schaden als den Russen. ({6}) Es ist doch niemandem geholfen – übrigens auch keinem Ukrainer –, wenn Deutschland wirtschaftlich in die Knie geht. ({7}) – Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so echauffieren. ({8}) Die Bundesregierung möchte ja auch mehr Gas aus Russland haben, aber durch Nord Stream 1. Das bekommt sie nicht, weil in Moskau politische Spielchen gespielt werden. Ja, das ist der Fall. Aber was hält uns denn davon ab, dann eben Nord Stream 2 zu nutzen? Nehmen wir halt die neue Leitung! Es ist den Leuten doch völlig egal, durch welche Leitung das Gas kommt. ({9}) Wir reden über kurze und lange Frist, Herr Gremmels. Kurzfristig brauchen wir dieses Gas, und das sieht die Bundesregierung offensichtlich genauso. ({10}) Langfristig brauchen wir andere Lösungen, wir brauchen Diversifizierung; das ist klar. Aber was ist denn mit unseren Planungen? Was ist denn mit dem LNG aus Katar? Dieses LNG kommt nicht. Während Italien längst Verträge hat, sich langfristig dort gebunden hat, will der Wirtschaftsminister an dieses Thema nicht ran, weil er keine langfristigen Verträge abschließen möchte, wegen des grünen Dogmas. Und dieses Dogma ist falsch. Wir können dem Minister nur zurufen: Der grüne Traum ist jetzt geplatzt. – Das sollte doch jeder jetzt erkannt haben. Sehen Sie es ein! Treffen Sie endlich die notwendigen Entscheidungen! ({11}) Wir brauchen alle nutzbaren Energielieferanten. Nord Stream 2 darf kein Tabu mehr sein. Die Kohlekraftwerke müssen wieder in Betrieb genommen werden. Und die Kernkraftwerke dürfen nicht vom Netz gehen – das sagt mittlerweile ja auch der Koalitionspartner FDP. Aber was macht der Minister? Er betet lieber. Zitat: Wenn beim Gassparen alles gut geht und wir Glück mit dem Wetter haben, dann haben wir eine Chance, gut durch den Winter zu kommen. Man muss sich das vorstellen: Der grüne Wirtschaftsminister der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt schaltet sichere, moderne Kernkraftwerke ab und muss dann im Winter auf den Klimawandel hoffen. ({12}) Verrückter geht es doch kaum. ({13})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Leif Erik Holm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004761, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Das ist grüne Wirtschaftspolitik. Im NRW-Wahlkampf haben die Grünen schon mit dem Versprechen geworben: „Erlebe dein grünes Wirtschaftswunder.“

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Und bitte keine Großplakate hochhalten!

Leif Erik Holm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004761, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Man muss das im Nachhinein wohl als Drohung verstehen. – Es ist höchste Zeit, diesen ideologischen Klamauk zu beenden. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Holm.

Leif Erik Holm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004761, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Mit diesem Antrag können wir dazu einen Beitrag leisten. Herzlichen Dank. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Ich bitte, in Zukunft auf solche Plakate zu verzichten; so ist es Gepflogenheit in diesem Hause. Wenn es das nächste Mal vorkommt, erteile ich einen Ordnungsruf. Der nächste Redner in der Debatte ist für die SPD Timon Gremmels. ({0})

Timon Gremmels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004732, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer sich einmal mit dem Antrag der AfD befasst, muss sagen: Gleich in der ersten Zeile kommen Sie zu einem Fehlschluss. Sie schreiben: Die Energiekrise, vor der Deutschland steht, ist hausgemacht. Ich sage Ihnen: Nein. Grund ist der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Putins auf die Ukraine. ({0}) Das ist die Ursache unserer derzeitigen Energielage, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({1}) Wenn Sie hier die Lautsprecher Putins sind und Landtagsabgeordnete von Ihnen in der jetzigen Zeit nach Russland reisen, dann sind das – auch wenn sie die Reise abgebrochen haben – aus meiner Sicht völlig falsche Signale. ({2}) Sie schreiben in Ihrem Antrag: „im Zuge des Russland-Ukraine-Krieges“. Nein, es ist kein Russland-Ukraine-Krieg, es ist ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg. Das müssen Sie doch hier einmal zugestehen. Es gehört zur Wahrheit und zu einer guten und ordentlichen Analyse dazu, dass man sagt, was ist, anstatt hier russlandfreundliches Sprech auf den Weg zu bringen. ({3}) Ich sage Ihnen noch einmal: Natürlich gibt es Menschen – auch bei mir im Wahlkreis –, die Sorgen und Nöte haben, die Angst haben, die Existenzängste haben. ({4}) Das müssen wir ernst nehmen, und das machen wir auch. ({5}) Diese Regierung und diese Koalition nehmen die Menschen sehr ernst. ({6}) Aber man darf ihnen auch keinen Sand in die Augen streuen, wie die AfD das hier macht. Sie haben von Gassanktionen gesprochen. Es gibt keine Gassanktionen des Westens. Putin war derjenige, der den Gashahn abgedreht hat; das muss man an dieser Stelle einmal deutlich sagen. ({7}) Es ist Putins Verantwortung, dass der Gasfluss durch die Pipeline Nord Stream 1 mit fadenscheinigen Begründungen abgestellt wurde. Und was macht die AfD? Sie läuft zweimal gegen die gleiche Wand. Sie sagen allen Ernstes, Sie wollen, dass Nord Stream 2 in Betrieb geht. ({8}) Was würde das bedeuten? Das würde Folgendes bedeuten: Wir würden uns innerhalb Europas entsolidarisieren. ({9}) – Natürlich würden wir uns innerhalb Europas entsolidarisieren. Es gibt in Europa keine Mehrheit dafür, Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({10}) Wenn Nord Stream 2 in Betrieb genommen würde, würde Folgendes passieren: Es wäre für Putin eine Genugtuung, eine Freude, ({11}) zwei Tage später auch den Gasfluss durch Nord Stream 2 wieder abzuschalten. In diese Falle sollten wir nicht tappen, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({12}) Wir haben doch Gaspipelines. Wenn es darum geht, Gas aus Russland zu bekommen, warum nutzen wir dafür nicht Nord Stream 1? Wir brauchen Nord Stream 2 an dieser Stelle nicht, und wer etwas anderes sagt, streut den Leuten Sand in die Augen. Genau das macht die AfD – wieder einmal. ({13}) Und dann sagen Sie, Atomkraft und Kohlekraft seien die Lösung. ({14}) Ja, warum ist denn das mit der Kohle derzeit so schwierig? Wegen des Klimawandels führte der Rhein Niedrigwasser. Die Kohle konnte gar nicht transportiert werden. Dass wir die Kohlekraftwerke derzeit nicht so nutzen können, wie es notwendig wäre, ist eine Folge des Klimawandels, den Sie ignorieren; auch das gehört zur Wahrheit dazu. ({15}) Dann sagen Sie, Atomkraft sei die Lösung. Ja, gucken Sie doch einmal nach Frankreich, was da passiert: Mehr als die Hälfte der Atomkraftwerke sind nicht am Netz, produzieren gar nicht. Warum müssen wir hier Gas verstromen? Damit wir Frankreich solidarisch unterstützen. ({16}) Das gehört auch zur Wahrheit dazu, wenn Sie über Atomkraft reden. Auch das muss hier einmal deutlich gesagt werden, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({17}) Jetzt sagen Sie auf einmal: Na gut, dann lassen Sie doch die drei deutschen Atomkraftwerke weiterlaufen, im Streckbetrieb! ({18}) Ja, gucken Sie sich doch einmal an, was mit Isar 2 ist! ({19}) Auch das ist ein Problem, das ignoriert wird, auch von der bayerischen Atomaufsicht, auch von Markus Söder und Co; das gehört auch zur Wahrheit dazu. Atomkraft kann keine Lösung sein. ({20}) Weil Sie auch gegen Windkraft aktiv unterwegs sind, will ich Ihnen hier ein Beispiel nennen: Wenn wir allein bei der Nachtabsenkung von Windkraftanlagen eine kleine Veränderung vornehmen, ({21}) brauchen wir Isar 2 gar nicht, weil wir allein mit dieser Regelung, die wir von heute auf morgen ohne irgendein Risiko umsetzen können, ({22}) die Strommenge von Isar 2 kompensieren können. So geht Energiewende und so geht Energiesicherheit in Deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist das, was wir machen müssen. ({23}) Ich sage Ihnen zum Thema Gasumlage eines: Es ist ein offenes Geheimnis, dass auch die SPD nicht der allergrößte Freund davon ist. Aber es gehört zur Wahrheit dazu, dass wir das gemeinschaftlich in dieser Regierung beschlossen haben. Da kann sich jetzt keiner vom Acker machen. Wir haben das gemeinschaftlich beschlossen. Wir müssen jetzt allerdings auch gemeinschaftlich die Lage neu bewerten, die mit der Verstaatlichung von Uniper einhergeht. ({24}) Ich bin sehr zuversichtlich, dass diese Regierung das einvernehmlich miteinander besprechen wird und die Menschen sich sicher sein können, dass wir hier etwas machen, was finanzrechtlich möglich und sicher ist. ({25}) Geben Sie uns die Zeit! Wir machen das verantwortungsbewusst ({26}) und nicht so populistisch wie das, was die AfD mit ihren Anträgen auf den Weg bringen will. Wenn Sie etwas tun wollen für Energiesicherheit, wenn Sie etwas dafür tun wollen, dass wir auch perspektivisch preiswerte Energie haben, dann müssen wir jetzt massiv in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren, ({27}) weil die uns unabhängig von Russland machen, weil wir dann keine Brennstoffe brauchen. ({28})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

Timon Gremmels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004732, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, danke. – Wind und Sonne schicken keine Rechnung; die nutzen wir, ohne dass wir Rohstoffe einkaufen müssen. Noch einmal zum Thema Atomkraft: Wo kommen denn die Brennstäbe her? ({0}) Mehr als die Hälfte der Brennstäbe kommt aus Russland. Das wäre ein Pyrrhussieg. In diesem Sinne sage ich Ihnen: Atomkraft kann keine Lösung sein. Nord Stream 2 in Betrieb zu nehmen, ist auch keine Lösung. Wir müssen massiv die erneuerbaren Energien ausbauen. ({1}) Dafür steht diese Ampelkoalition. In diesem Sinne: Glückauf! ({2})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Hilse. ({0})

Karsten Hilse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004752, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie die Kurzintervention zulassen. Ich habe schon mehrmals die Seite agora-energiewende.de erwähnt. Dort kann man unter „Agorameter“ nachschauen, aus welchen Energiequellen gerade Strom produziert wird. ({0}) Die hängen mit ihren Daten ein bisschen nach. Die letzten Daten sind von gestern Abend, 23 Uhr. Wir haben 63 Gigawatt verbaute Nennleistung – das wissen Sie – an Windkraft. Gestern um 23 Uhr haben sie insgesamt onshore und offshore 2,3 Gigawatt produziert. 2,3 Gigawatt haben sie also produziert. Jetzt frage ich Sie: Was passiert, wenn wir quasi doppelt so viele Windräder haben? Werden wir dann 4,6 Gigawatt bei – ich rechne es einmal aus – 126 Gigawatt verbauter Nennleistung haben? Wind und Sonne schicken keine Rechnung, aber sie sind extrem unzuverlässig, wie sie Energie produzieren. Darauf sollte man sich nicht verlassen. Das ist unsere Meinung. Wir wollen Grundlastkraftwerke. Ich glaube, die Rechnung stimmt nicht ganz, dass Isar 2 abgeschaltet werden könnte, wenn man einfach nur die Windräder abends weiterlaufen lassen würde. Da hat Ihnen jemand etwas Falsches ausgerechnet. ({1})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Herr Kollege Gremmels, Sie können antworten.

Timon Gremmels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004732, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Herr Kollege, eines muss man einmal klarstellen und auch sagen: Die erneuerbaren Energien in ihrer Gänze und in ihrer Zusammenschaltung können Energiesicherheit für Europa und Deutschland bringen. ({0}) Sie müssen sich das so vorstellen: Es gibt im Internet – das kann ich Ihnen zuschicken – ein virtuelles Kraftwerk. Dort können wir die verschiedenen erneuerbaren Energien mit ihrer Flexibilität und ihren unterschiedlichen Spitzen so zusammenschalten, ({1}) dass sie ganze Städte, ganze Regionen sozusagen energieautark versorgen können. Mit dem Netz als Backbone im Rücken funktioniert das. ({2}) Wir werden dieses auf den Weg bringen. Es funktioniert auch im europäischen Verbund. Insofern ist Ihr Argument von gestern. Die erneuerbaren Energien können Sicherheit für Europa und für Deutschland bringen. Danke schön. ({3})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der nächste Redner in der Debatte ist Thomas Heilmann, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Thomas Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004741, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Selten war eine Debatte so unstrukturiert und so von Klamauk geprägt wie diese, sodass man sich wirklich schwertut, die Dinge zu ordnen. Anlass für Ihren Antrag von der AfD ist offensichtlich die Gasumlage, aber Sie garnieren das mit Ihren Standardplatten, mit falschen Argumenten. Herr Gremmels hat einiges dazu gesagt. Aber auch da ging es aus meiner Sicht etwas durcheinander. Fangen wir mit der Gasumlage an. Liebe Koalition, die Gasumlage ist rechtswidrig ({0}) – aber nicht aus Ihren Argumenten –, weil Sie beim Einsammeln des Geldes Ungerechtigkeiten produzieren, weil Sie bei der Verteilung des Geldes Ungerechtigkeit produzieren, weil Sie Trittbrettfahrer bisher immer noch nicht ausgeschlossen haben. Das haben Sie zwar angekündigt, aber bisher nicht geschafft. Jetzt kommt hinzu, dass der Großteil an ein Unternehmen gehen wird, das im Wesentlichen dem Staat gehört. Damit wirkt es wie eine Steuer, ist aber nicht von Artikel 106 Grundgesetz gedeckt. Das sind die wahren Gründe, warum man, wenn man über die Gasumlage ernsthaft und nicht so wie die AfD reden würde, dagegen sein kann. Liebe Kollegen von der AfD, ich habe selten so viel maximale Desinformation in so wenigen Zeilen gelesen. ({1}) Kurz noch einmal: Wir haben aus zwei Gründen – Herr Gremmels – so hohe Strompreise. Der eine ist das Allzeithoch bei Gas und übrigens auch bei Öl aus den Gründen, die im Krieg liegen. Dieser Krieg ist einseitig begonnen worden und von Herrn Putin weit vor den Sanktionen vorbereitet worden, sonst wären die Gasspeicher nicht leer gewesen. Der zweite Grund ist das Allzeittief bei der Produktion aus Atomkraft, aus Kohlekraft und aus Wasserkraft. ({2}) Warum? Weil wir eine maximale Dürre hatten, wie wir sie seit 500 Jahren nicht hatten, und deswegen die von Ihnen gelobte Atomkraft viel zu wenig Strom geliefert hat. ({3}) Das ist doch der Grund für den wahren Preisanstieg in diesem Sommer gewesen. Das ist ein großes Problem für diese Volkswirtschaft. Freuen Sie sich nicht zu früh, die Bundesregierung macht einiges falsch, aber Deutschland wird deswegen nicht in die Knie gehen. Das wünschen Sie sich, und wir haben in einem Youtube-Video auch gehört, dass Sie sich das wünschen, weil das Wasser auf Ihre Mühlen mit den immer wieder falschen Argumenten wäre. Die erneuerbaren Energien sind gerade nicht der Grund für den Preisanstieg. Die erneuerbaren Energien könnten auch viel günstiger sein, wenn wir ein neues Strommarktdesign haben. Hier hat die Bundesregierung recht, das dauert eine Weile. Deswegen brauchen wir einen Zwischenschritt, eine Dämpfung, die die Strompreise runterbringt. Das wäre auch möglich, und ich kann die Bundesregierung auch nur auffordern, das zu tun. ({4}) Herr Gremmels, Sie haben gesagt, Atomkraft ist keine Lösung. Damit haben Sie recht; anders als die AfD. Wenn Sie über die dauerhafte Nutzung von Atomkraft reden, ist das auch unsere Meinung. Und ja, Atomkraft steht nur für 6 Prozent der Stromproduktion und ist deswegen auch nicht die Lösung für die Strommangellagen, die wir hier und da haben. Aber dass das keine preissenkende Wirkung hat, ist einfach Unsinn. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. Wenn Sie das Angebot erhöhen und nicht nur die Notreserve nehmen, dann würden Sie es selbstverständlich verbessern. Den letzten Teil meiner Rede möchte ich Ihnen, Herr Kruse, widmen. Sie können uns gleich aufklären. Heute Morgen – Sie waren dabei – hat Herr Habeck im Ausschuss erklärt, es gäbe eine vertiefte Prüfung über die Frage: Können wir die Gasumlage so lassen, oder ist sie verfassungsrechtlich problematisch? Ihr Parteivorsitzender hat gerade erklärt, es gebe gar nicht die vertiefte Prüfung. Ich frage mich, wie man sich darüber streiten kann, ob man etwas sinnvoll prüft oder nicht. Aber vielleicht können Sie – Sie sind gleich als Redner an der Reihe – uns darüber aufklären, wie dieses Chaos in der Regierung aufgelöst wird. Vielleicht können Sie dann gleich weiter sagen, wie die FDP-Ministerien damit umgehen wollen, dass wir beim Verkehr – eindeutig rechtswidrig, wie wir heute Morgen gelernt haben – keinen Plan vorgelegt bekommen, wie wir die CO2-Einsparung erhöhen. Vielleicht können Sie uns auch noch darüber aufklären, wie Sie mit dem Atomausstieg umgehen. ({5}) Kurz: In dieser Krise ist es notwendig, dass wir eine einige, handlungsfähige Regierung haben. Nehmen Sie sich ein Beispiel an der großen Koalition in der Coronazeit. Das waren auch schwierige Zeiten, schwierige Entscheidungen. Wir haben uns immer auf eine Linie einigen können. Ehrlich gesagt, wenn ich mir Ihre Themen ansehe, dann gibt es leider keine Linie. Das ist für unser Land nicht gut. Vielleicht können Sie das gleich aufklären. Vielen Dank. ({6})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Dr. Ingrid Nestle. ({0})

Ingrid Nestle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004119, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So, wie Kollege Timon Gremmels es hier gerade getan hat, wurde auch heute früh im Ausschuss darauf hingewiesen, dass es einen völkerrechtswidrigen Angriff von Putin auf die Ukraine gibt. Es erfolgte sofort ein Zwischenruf aus Reihen der AfD: Na und! ({0}) Kolleginnen und Kollegen, an der Frage, ob wir in Europa friedlich zusammenleben und die Menschenrechte achten oder ob es einen mörderischen Krieg gibt, dass ein Machthaber versucht, die Grenzen zu verschieben, ist nichts, aber auch gar nichts „Na und!“. ({1}) Sie haben immer wieder bewiesen – heute früh im Ausschuss genauso wie jetzt –, dass Sie vor Fakten die Augen verschließen, dass die erneuerbaren Energien inzwischen um Größenordnungen günstiger sind, dass die Preiskrise, die Putin uns mit voller Absicht einbrockt – auch das hat er öffentlich erklärt –, an unserer Abhängigkeit von den Fossilen, an der Abhängigkeit von Putin und nicht an den Erneuerbaren liegt. Es liegt offen sichtbar auf dem Tisch. Aber auch das leugnen Sie nach wie vor. ({2}) Sie haben auch die Gasumlage angesprochen. Ja, natürlich findet gerade die Korrektur statt. Trittbrettfahrer sollen nicht von der Gasumlage profitieren können. Ehrlich gesagt: Im Sommer haben wir die Kriterien vorgelegt. Die Kriterien waren: Nur wer wirklich wegen Putin Verluste macht, nur wer viele der Verluste bereits selbst getragen hat und nur wer auch weiterhin einen Teil seiner Verluste selbst trägt, bekommt die Umlage. Da hat keiner gesagt: Die Kriterien sind falsch. Dann hat man gesehen, als sich die Unternehmen gemeldet hatten, dass es doch Trittbrettfahrer gibt. Ja, das wird jetzt korrigiert. Ich glaube, so weit ist das okay. Jeder, der die Umlage infrage stellt und sagt, man soll das Problem – das Putin uns mit voller Absicht eingebrockt hat – der Abhängigkeit von den Fossilen mit Steuergeld lösen, muss auch verantworten, dass dieses Steuergeld nicht mehr zur Verfügung steht, um im Winter, der uns bevorsteht, der für viele Menschen und viele Unternehmen ganz, ganz bitter wird, zielgenau dort zu helfen und zu unterstützen, wo die Not am größten ist. ({3})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Erlauben Sie eine Zwischenfrage aus den Reihen der AfD?

Ingrid Nestle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004119, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, bitte.

Leif Erik Holm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004761, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Wenn Sie unseren Antrag gelesen hätten, dann hätten Sie dem entnehmen können, dass es eben nicht darum geht, mit Steuergeld weiter nachzuhelfen. Es geht hier um 35 Milliarden Euro. Das ist eine enorme Summe, ja. ({0}) Wenn Sie als Ampelkoalition die Probleme an der Ursache angehen würden, nämlich die mangelnden Energiekapazitäten aufzufüllen – in jeder Hinsicht, natürlich auch beim Gas –, dann ist es doch wohl keine Frage, dass sich auch private Institute, Banken zur Verfügung stellen würden, um Kredite für diese Importeure und Versorger auszugeben. ({1}) Denn normalerweise ist es ein sehr sicheres Geschäft, diese Kredite auszugeben. Diese kann der Staat – das habe ich in meiner Rede auch gesagt – über Gewährleistungen sogar noch absichern; das wäre alles möglich. Aber wir wollen nicht generell weiteres Steuergeld hineinblasen, auf Deutsch gesagt. Das wäre alles möglich. Es wäre schön, wenn Sie das zur Kenntnis nehmen würden. ({2})

Ingrid Nestle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004119, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich hörte gerade aus den Reihen der Kollegen den Hinweis, dass das, was Sie erzählen, „Schwachsinn“ sei. In der Tat: Solange ein Unternehmen wie Uniper jeden Tag zweistellige Millionensummen verbrennt – das ist kein Liquiditätsproblem, das ist ein gigantisches Verlustproblem –, ({0}) finden sich keine Banken, die sagen: Ach, das Problem schaffe ich Ihnen aus der Welt. ({1}) Aber Sie haben auch recht. Ich habe an der Stelle aufgehört, mich an Ihnen abzuarbeiten, weil es das nicht wert war. Vielmehr habe ich mich generell der Debatte um die Gasumlage zugewandt, die, glaube ich, eine sehr wichtige ist und dieses Land gerade sehr beschäftigt. Tatsächlich ist die allgemeine Annahme oft, man könnte das Problem mit Steuergeld lösen. Man könnte die Preisschocks natürlich auch direkt weitergeben. Das wäre aber deutlich unsozialer als die Umlage. Die andere Lösung, die im Raum steht, ist die mit Steuergeld. ({2}) Der hatte ich mich zugewandt, weil ich, ehrlich gesagt, keine Lust hatte, meine ganze Redezeit mit Ihnen zu verbringen. Aber danke für die Zwischenfrage. ({3}) Jetzt war ich gerade wieder beim Thema Steuergeld. Würden wir Steuergeld nehmen, um die Gasumlage abzuschaffen, dann bedeutet das, dass die Reichen am meisten Steuergeld bekommen.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Frau Kollegin, erlauben Sie noch eine Zwischenfrage –

Ingrid Nestle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004119, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Noch eine?

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

– aus der CDU/CSU-Fraktion vom Kollegen Heilmann?

Ingrid Nestle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004119, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, gerne. Noch lieber.

Thomas Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004741, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Frau Kollegin Nestle, kurz mal zu den Fakten der Gasumlage. Erstens. Es sollen zwar 34 Milliarden Euro verteilt werden, aber davon kommen allein 14 Milliarden Euro aus der Mehrwertsteuersenkung. Dann sind wir nur noch bei 20 Milliarden Euro. Zweitens. Jetzt werden 20 Milliarden Euro von den Bürgerinnen und Bürgern eingesammelt, die Gas beziehen. Das ist dasselbe, wie wenn ich 20 Milliarden Euro von Verbraucherinnen und Verbrauchern einsammle. Es ist nur zufällig anders. Es ist sehr ungerecht, wie die Gasumlage eingesammelt wird. Denn diejenigen, die schon jetzt einen teuren Gasvertrag haben, zahlen obendrauf noch eine Gasumlage, während diejenigen, die mit ihren Stadtwerken einen Festvertrag inklusive aller Umlagen haben – also diejenigen, die sowieso den besseren Vertrag haben –, die Gasumlage nicht zahlen. Deswegen ist es hoch ungerecht, wie das Geld eingesammelt wird, und das macht es aus meiner Sicht rechtswidrig. Das ist das Argument. Am Ende des Tages: Ja, das ist teuer, und ich verstehe, dass Sie das nicht einfach durchreichen wollen. Ich verstehe auch, dass Sie Uniper nicht einfach pleitegehen lassen wollen. Die Ursache – das vielleicht an die AfD gerichtet – kommt daher, dass Gazprom sich vertragswidrig verhält, Uniper Festverträge mit Gazprom hatte und wiederum Festverträge an seine Kunden gegeben hat. Wenn Uniper das Gas von Gazprom nicht kriegt, müssen sie es teurer einkaufen; das wird Ihnen kein Kreditgeber der Welt bezahlen. Das nur als Randnotiz. Deswegen ist es Schwachsinn, wie Sie zu Recht gesagt haben. Aber noch mal zu Ihrem Punkt. Es ist ein ungerechtes Einsammeln von netto 20 Milliarden Euro von einem Teil der Bürger, die sehr zufällig ausgewählt worden sind. Die Auszahlung erfolgt auch noch mal ungerecht, zum Beispiel an Trittbrettfahrer. Sie wollen das ausschließen – das weiß ich –, aber die Vorlage dazu fehlt.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Herr Heilmann, eine Frage jetzt bitte.

Thomas Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004741, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Frage ist: Verstehen Sie nicht, warum diese Gasumlage leider ein Missgeschick ist, die Sie mit dem Anlass Uniper jetzt bitte zurücknehmen, und warum wir eine andere Lösung dafür finden müssen?

Ingrid Nestle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004119, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie haben insofern recht, als dass man Steuergeld auch dann ungerecht und zielungenau ausgeben kann, wenn man das nicht über eine Umlage macht. Wir haben schon große Entlastungspakete geschnürt. Wir als Ampel haben gezeigt, dass wir die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Innerhalb der Debatte, wie dieses Steuergeld eingesetzt wird, haben wir Grüne immer dafür gekämpft, dass möglichst viel bei den Menschen und Unternehmen ankommt, die in Not sind. Dass die Pakete nicht komplett so gestrickt sind und dass die Umsatzsteuerabsenkung, die Sie gerade angesprochen haben ({0}) – genau –, über andere Ecken da reingerutscht ist, erkenne ich auch, ebenso wie die Steuerdebatte im Zusammenhang mit der kalten Progression. Aber das war nicht unsere Initiative. Es gibt auch andere Interessen; man kann auch andere Fehler machen. Jetzt geht es darum, in die Zukunft zu schauen. Wir wissen, dass dieser Winter wirklich bitter wird. Wenn wir jetzt noch einmal Steuergeld in die Hand nehmen – das möchte ich –, können wir Not lindern. Aber die Not, die kommen wird, ist einfach zu groß, um mit der Gießkanne zu helfen. Die Reichen, die es nicht brauchen, bekommen doppelt so viel Steuergeld als diejenigen, die wirklich in Not sind. Das wäre das Ergebnis, wenn wir die Gasumlage durch Steuergeld ersetzen würden. Ja, es hat genau die gleiche Verteilungswirkung wie die Mehrwertsteuerabsenkung, die an dieser Stelle auch nicht perfekt ist. Wir müssen anfangen, zielgenau zu werden, weil die Not so groß ist. Ich wünsche mir – das ist genau der Punkt, den Sie gerade angesprochen haben –, dass man speziell die Kunden unterstützt, die Neuverträge haben, die besonders große Kosten haben. Auch dafür gibt es Vorschläge, zum Beispiel, dass man Gaskunden mit einem Grundkontingent unterstützt oder nur Kunden mit überaus wenig Einkommen unterstützt, die besonders in Not sind. Für das alles gibt es Modelle, und alle diese Modelle sind um Welten sozialer als die pure Abschaffung der Gasumlage durch Steuergeld, auch wenn das gerade von vielen gefordert wird. Auch wenn das opportun ist: Es ist nicht das, was den Menschen in Armut durch den Winter helfen wird. ({1}) Zum Schluss noch ganz kurz an die Kollegen der AfD. Sie wollen Nord Stream 2 wieder aufmachen. Das ist nun wirklich das Verrückteste der Welt. Putin hat klar gesagt: Er möchte unsere Energiepreise in die Höhe treiben. Putin könnte schon längst Gas über andere Pipelines liefern und tut es nicht. Zu sagen: „Die Lösung dafür ist noch mehr Abhängigkeit von dem, der uns einen Energiekrieg aufgetischt hat“, kann nicht funktionieren. ({2}) Kollege Weyel von Ihnen hat es vor Kurzem gesagt, als er dachte, das Mikro sei schon aus. Er hat gesagt, dass er hoffe, die Situation in Deutschland würde dramatisch; denn sonst würde sich ja nichts ändern. ({3}) Das ist Ihre Haltung. Ihnen ist jedes Mittel recht, um der Demokratie zu schaden. ({4})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ingrid Nestle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004119, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die Fraktion Die Linke hat das Wort Janine Wissler. ({0})

Janine Wissler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005260, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, die AfD schlägt die energiepolitischen Fehler der Vergangenheit als Plan für die Zukunft vor. Ja, die aktuelle Energiekrise ist in der Tat auch Folge verfehlter Energiepolitik; aber nicht, weil die Energiewende umgesetzt wurde – wie die AfD behauptet –, sondern weil die Energiewende blockiert und ausgebremst wurde, meine Damen und Herren. Sehenden Auges wurde dadurch die Abhängigkeit von fossilen Energien und damit von Energieimporten – ja, auch aus Russland – zementiert. Wären wir heute bei 100 Prozent erneuerbaren Energien, was im Strombereich durchaus möglich gewesen wäre, dann wären wir in einer vollkommen anderen Situation, und wir wären beim Klimaschutz deutlich weiter. ({0}) Ein Zurück zur Atomkraft zu fordern, ist die völlig falsche Antwort. Wir sehen doch gerade in Frankreich, wie stör- und klimaanfällig die AKWs sind. ({1}) Damit würde man sich doch wieder von Energieimporten abhängig machen, in diesem Fall von Uran. Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie. Sie ist viel zu teuer. Atomkraft ist Teil des Problems und nicht Teil der Lösung, meine Damen und Herren. ({2}) Die Vorschläge der AfD, weiter auf Atomkraft und Kohle zu setzen, helfen den Menschen nicht, und die schaden dem Klima. Aber die Vergiftung des Klimas ist bekanntermaßen Ihre Kernkompetenz, egal ob es um rassistische Parolen oder dämliche Vorschläge zur Energiepolitik geht. ({3}) Was wir stattdessen brauchen, ist ein Gaspreisdeckel. Denn viele Menschen sind verzweifelt, weil sie jetzt die Rechnungen für Gas bekommen, weil sich die Abschlagszahlungen verdreifachen, teilweise verzehnfachen. Familien und Rentner sollen zum Teil hohe dreistellige oder gar vierstellige Beträge für Gas zahlen – und zwar monatlich, wohlgemerkt. Der Anstieg der Gaspreise trägt auch wesentlich zu der Preisentwicklung bei. Frankreich und Großbritannien haben gerade Maßnahmen ergriffen, um die Energiepreise zu deckeln. Nötig ist ein kostengünstiges Grundkontingent für Strom und Gas. Und wir brauchen ein gesetzliches Verbot von Strom- und Gassperren, damit niemand in diesem Land im Winter frieren muss. ({4}) Hoher Verbrauch muss im Gegenzug deutlich teurer werden. Gasversorger, insbesondere Stadtwerke und kommunale Versorger, müssen natürlich unterstützt werden. Es ist auch richtig, Uniper zu retten. Aber das muss doch aus Steuermitteln erfolgen und darf nicht über die Gasumlage auf die Verbraucher abgewälzt werden. ({5}) Der Bund sollte dann auch dauerhaft Eigentümer bleiben; denn Energieversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge gehört in die öffentliche Hand und unter eine demokratische Kontrolle. Wir sehen doch gerade, wo sich durch Verknappung und Spekulation bereichert wird. ({6}) Was wir gerade wieder erleben, ist, dass Verluste sozialisiert und Gewinne privatisiert werden. Während sich einige Konzerne dumm und dusselig verdienen, werden andere auf Kosten der Allgemeinheit gerettet. Deswegen brauchen wir eine Übergewinnsteuer, damit wir die Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten und für Gerechtigkeit sorgen können. ({7})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Janine Wissler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005260, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Letzter Satz, Frau Präsidentin. – Es geht darum, diese Krise solidarisch zu lösen, es geht um Gerechtigkeit, es geht um Würde – und um all das geht es der AfD zweifellos nicht. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die FDP-Fraktion hat das Wort Michael Kruse. ({0})

Michael Kruse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005117, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Viele Menschen in diesem Land machen sich große Sorgen um die Energieversorgung im nächsten Winter und auch um die Energiepreise, und deswegen ist es richtig und wichtig, dass wir an diesem Ort hier über dieses Thema sprechen. Ich möchte meine Redezeit gerne darauf verwenden, Ihnen einmal darzulegen, was wir in diesem Jahr – nur in diesem Jahr! – schon unternommen haben, damit wir im kommenden Winter keine Energieknappheit – und insbesondere keine Gasknappheit – erleben werden. ({0}) Das Erste ist: Wir haben bereits im März angefangen, die Gasspeicher zu füllen. Da waren Sie noch damit beschäftigt, uns zu sagen, dass doch Nord Stream 1 abgeschaltet werden könnte. Man müsste dann halt den Gürtel ein bisschen enger schnallen. Ich stelle an dieser Stelle einmal fest: Wir sind es, die dafür gesorgt haben, dass die Speicher so voll sind wie noch nie zu diesem Zeitpunkt, und damit die Basis dafür legen, dass wir ohne eine große Gasknappheit durch den nächsten Winter kommen. ({1}) Wir haben Effizienzreserven gehoben, wir haben Planungsbeschleunigung vorgenommen, den Infrastrukturausbau gestärkt, wir haben die LNG-Terminals in einer Rekordgeschwindigkeit durch dieses Parlament gebracht. Ich habe manchmal das Gefühl, die Geschwindigkeit war so hoch, dass Sie noch nicht einmal mitbekommen haben, dass es schon passiert ist. ({2}) Im März, April, Mai dieses Jahres haben wir die Entscheidungen dafür getroffen, dass ab diesem Winter LNG importiert werden kann, und zwar auf einem Weg unabhängig von Russland. Wenn Sie hier behaupten, liebe AfD, dass die Gasknappheit an den Sanktionen liegen würde, dann muss ich Ihnen leider sagen: Es gibt überhaupt keine Sanktionen im Gasbereich. Ihr Loverboy im Kreml ist es, der den Gashahn zudreht. Vielleicht hören Sie mal auf, sich von dem in die Ukraine einladen zu lassen, und vertreten stattdessen die Interessen der Menschen in diesem Land! Wie wäre das denn als Option? ({3}) Und was tun wir nicht gegen die hohen Preise! Ja, die Energiepreise sind zu hoch, und deswegen habe ich eingangs gesagt, dass es sehr wichtig ist, dass wir an dieser Stelle über dieses Thema sprechen. Wir tun eine ganze Menge, zum Beispiel den schnellsten und größten Ausbau der Erneuerbaren, den dieses Land je gesehen hat – im Juli dieses Jahres verabschiedet von der Ampelregierung. Ihre Beiträge ganz rechts außen dazu: Ausgefallen. – Aus der Union, muss man ja sagen, kam der eine oder andere gute Vorschlag dazu. ({4}) Das Zweite, was wir tun – und Sie wissen, das fällt insbesondere unserem Koalitionspartner, den Grünen, schwer –, ist, die Kohle wieder ans Netz zu nehmen, die Kohle übrigens, die Sie von der Union auch mit verauktioniert haben. Deswegen ist sie ja vom Netz. Also, vielleicht ein bisschen leiser an der Stelle aus der Union! Denn hier sind Kraftwerke vom Netz, die wir jetzt wieder ans Netz bringen, um Sicherheit in der Energieversorgung im nächsten und im übernächsten Winter zu garantieren. ({5}) Wir sorgen dafür, dass an sehr vielen Stellen in den Industriebetrieben in diesem Land Gasverbrennung substituiert wird. ({6}) Während Sie hier muntere Reden halten, sitzen wir an der dritten Reform des EnSiG in diesem Jahr, um dafür zu sorgen, dass an so vielen Stellen wie möglich in diesem Winter kein Gas verbrannt wird. ({7}) Ich warte noch auf die erste E‑Mail aus Ihren Reihen, in der steht: Mensch, wir haben auch eine richtig gute Idee, wo im nächsten Winter noch Gas eingespart werden kann. – Und ich verspreche Ihnen: Wenn diese E‑Mail kommen sollte, dann werde ich sie hier vortragen, und wenn der Vorschlag gut ist, dann werden wir es schon in der nächsten Woche ins Gesetzblatt bringen, weil wir alles dafür tun, um die Gasknappheit abzuwenden. ({8}) Ich habe aber nicht den Eindruck, dass Sie jenseits von Sonntagsreden irgendetwas dazu beitragen wollen. ({9}) Und dann diese Mär zu Nord Stream 2! Die ärgert mich wirklich. Ich erkläre Ihnen einmal Nord Stream 1; denn offensichtlich haben Sie davon noch nie was gehört. Die hat acht Verdichterstationen. Es fehlte angeblich eine Turbine. Das war der Grund dafür, dass Russland die Drosselung auf 20 Prozent vorgenommen hat. Jetzt rechnen Sie mal! Eine Pipeline, die sechs Verdichterstationen benötigt, acht hat, und eine Turbine fehlt: Wie viel muss sie die Leistung mindern? Ich sage Ihnen die Antwort: 0 Prozent Leistungsminderung – 0 Prozent! ({10}) Weil Sie es offensichtlich für völlig plausibel halten, was der Irre im Kreml so erzählt, und lieber seiner Argumentation folgen als dem, was uns die Physik lehrt, und zwar in der achten Klasse, kommen Sie zu den völlig falschen Schlussfolgerungen. Der Anschluss von Nord Stream 2: Das wäre die vierte Gaspipeline aus dem Osten. Drei sind von Russland abgedreht worden. ({11}) Die vierte würde hier nichts zur Gasversorgung beitragen. Vielleicht nehmen Sie das einmal zur Kenntnis! Herzlichen Dank. ({12})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die SPD-Fraktion hat das Wort Robin Mesarosch. ({0})

Robin Mesarosch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005151, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind zum Erfolg verdammt. Während wir hier reden, gibt es Familien, die gerade Briefe bekommen, und in den Briefen stehen Dinge drin wie die, wie viele Hunderte Euro sie für Strom und Gas ab jetzt bezahlen sollen. Bei einigen ist es schon mehr, als sie an Gehalt bekommen. Wir sind zum Erfolg verdammt, und der Erfolg muss lauten, dass diese Familien diese Rechnungen bezahlen können, dass alle diese Rechnungen bezahlen können, dass es bei allen warm bleibt und dass unsere Unternehmen arbeiten können. ({0}) Das ist der Erfolg, den wir alle brauchen. Aber es gibt Leute, die gegen den Erfolg arbeiten. Ich verstehe jeden, der wütend ist, und ich verstehe dann auch, dass man Sachen sagt, die nicht richtig sind. Diese Krise ist ja hochgradig kompliziert. Was ich aber nicht verstehe, ist, dass es Leute gibt – Abgeordnete von der AfD und leider auch einige von der CDU –, die hier sehr viel Geld dafür bekommen, dass sie sich mit dieser Herausforderung auseinandersetzen, es aber für richtig halten, in dieser Krise falsche Maßnahmen vorzuschlagen, die sie so hoch halten, dass einige Leute glauben, dass das das wäre, was man tun sollte. Die Regierung macht das dann natürlich nicht, weil es kompletter Blödsinn ist, und verursacht dann Enttäuschung. Das ist Ihr Kalkül, weil es Ihnen an dieser Stelle nicht darum geht, irgendjemandem zu helfen, sondern weil Sie diese Enttäuschung wollen. Da zündeln Sie an einer Stelle, die Sie nie wieder gelöscht kriegen. ({1}) Konkret geht es darum: Sie schlagen vor, Nord Stream 2 zum Laufen zu bringen. – Wir haben das jetzt schon öfter gehört, aber Sie verstehen es anscheinend nicht: Es gibt Gaspipelines von Russland nach Deutschland. Da schickt Putin kein Gas durch. Wieso braucht er jetzt die vierte? Das liegt nicht an der Farbe; das ist Putins Kalkül. ({2}) Dass es ausgerechnet die vierte Pipeline sein soll, liegt nur daran, dass wir uns Putins Bedingungen hingeben sollen. Das machen wir aber nicht mehr, weil Deutschland nie wieder auf der Seite der Täter stehen darf. ({3}) Was Sie auch vorschlagen – und da kommt leider die CDU ins Boot –, ist das mit der Atomkraft. ({4}) Ich sage Ihnen: Wenn man viel Geld dafür ausgibt, wenn man hohe Risiken in Kauf nimmt, wenn man sich technologisch und logistisch verrennt, dann kann man da im kommenden Jahr einige wenige Kilowattstunden rausquetschen. Wenn jemand diese Abwägung mitmacht, dann akzeptiere ich diese Meinung, die ich aber nicht teile. Sie aber sagen – in Ihrem Antrag steht das Wort für Wort – und auch Kolleginnen und Kollegen von der CDU geben leider immer wieder den Anschein, dass dann, wenn man die Atomkraftwerke weiterlaufen lässt, alles gut wird, ({5}) dass dann die Preise plötzlich niedriger werden, und das ist falsch. Das ist einfach falsch. ({6}) Hier ist jede Meinung geduldet, aber Sie begeben sich in ein Gebiet, in dem Fakten keine Rolle mehr spielen, und da wird es schwierig. ({7}) Sie reden auch von einem Blackout – den es nicht geben wird. Da sagen wir: Wir setzen auf die Fakten, und wir strengen uns an. ({8}) Ich verstehe auch, was Sie da machen. Es ist so schrecklich einfach, und es macht auch noch Spaß, wenn Leute dafür klatschen, die frustriert sind, weil Sie dann als die angeblichen Helden dastehen. ({9}) Ich sage Ihnen aber, was nicht einfach, sondern schwer ist: Lösungen! Lösungen sind schwer. Es war verdammt schwer, in den letzten sechs Monaten zumindest behelfsmäßig unabhängig von Russland zu werden. Die Gasspeicher sind jetzt fast voll. Wir müssen hier Gas sparen. Das macht in Deutschland niemand gerne; aber wir tun es. Wir haben LNG-Terminals angeschafft. Wir haben Rettungspakete in Summe von fast 100 Milliarden Euro auf den Weg gebracht. Das sind so viele Maßnahmen, dass Sie schon gar nicht mehr verstehen, was alles dabei ist. Dann kann man sich natürlich auf bestimmte Sachen beziehen, die dem Einzelnen nur ein paar Euro bringen. Aber wesentliche Maßnahmen sind zum Beispiel die Strompreisbremse, die kommen und es schaffen wird, die Gewinne von dort zu nehmen, wo sie zufällig bei Konzernen, die sie nicht brauchen, angefallen sind, und sie den Leuten zu geben, die sie brauchen, nämlich den Familien, die davon ihre Rechnungen bezahlen können. Das ist es, was wir machen. Das ist komplizierter; aber es hilft eben. ({10}) Wir sind schon weit gekommen; aber natürlich sind wir nicht am Ziel. ({11}) Aber gerade deswegen ist es doch auch so wichtig, dass Sie sich beteiligen, aber mit sinnvollen Vorschlägen und nicht mit Ablenkungen und Täuschungen. Ich erwarte ja von niemandem, der seine Stromrechnung sieht, dass er die Bundesregierung lobt. Aber ich erwarte von Ihnen, dass Sie erkennen, dass es hier nicht mehr um den Erfolg der AfD oder der Union und auch nicht um den Erfolg der SPD geht.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Robin Mesarosch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005151, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es geht um den Erfolg von uns allen. Deswegen: Beteiligen Sie sich verdammt noch mal an diesem Erfolg! Vielen Dank. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die CDU/CSU hat das Wort die Kollegin Maria-Lena Weiss. ({0})

Maria Lena Weiss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005254, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Energiekrise ist vor allem eines, nämlich eine Krise der Abhängigkeit von Putin. Wenn Sie, liebe AfD, heute mit Ihrem Antrag immer noch die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 fordern, wenn Sie Deutschlands Weg der Energiewende und die Befreiung von fossiler Energie, die uns abhängig gemacht hat, kritisieren, statt ihn zu unterstützen, dann frage ich mich ernsthaft: In welcher Welt und in welchen Abhängigkeiten wollen Sie jetzt und künftig leben? ({0}) Mit solchen Anträgen, liebe Bundesregierung, bräuchten wir uns ehrlicherweise aber auch gar nicht befassen, wenn Sie bei der Bewältigung der Energiekrise schneller, entschlossener und verlässlicher handeln würden. ({1}) In meinem Wahlkreis, da fragt man mich, ob man in Berlin denn nicht bemerkt, dass die Hütte lichterloh brennt. Die Bäckereien, die Wäschereien, die metallverarbeitenden Betriebe, die Drehteileindustrie – kurzum unser ganzer Mittelstand, dem wir den Wohlstand hier in Deutschland zu verdanken haben –, ihnen geht es über alle Branchen hinweg ähnlich: Sie wissen nicht, ob und wie sie ihre Unternehmen dieses Jahr noch durchbringen. Sie sind ratlos, wie lange sie die Arbeitsplätze noch halten können. Und was tun Sie dagegen? Im Mai beschließen Sie im Energiesicherungsgesetz die Durchreichung von Preisanpassungen bei verminderten Gasimporten. Der Fall tritt ein, und Sie nehmen Abstand von Ihrem eigenen Gesetz. ({2}) Im Juli ändern Sie es in ein abgestuftes System, behalten aber die problematische Regelung bei. Im Sommer wenden Sie das Gesetz wieder anders an, als Sie es beschlossen haben. Sie überspringen die erste Stufe der Staatshilfe und basteln stattdessen eine handwerklich schlecht gemachte Gasumlage. Im Sommer dann großes Erstaunen, dass auf die Umlage Mehrwertsteuer anfällt, obwohl wir Sie darauf hingewiesen hatten! Es folgt ein symbolischer Brandbrief nach Brüssel. Der Bundeskanzler kündigt hektisch – linke Tasche, rechte Tasche – eine Mehrwertsteuersenkung für Gas an, und dieses Mal werden ausnahmsweise nicht die Rentner vergessen, sondern dieses Mal werden die Betriebe im Stich gelassen, bei denen die Umlage verbleibt. ({3}) Heute Morgen dann die Ankündigung, Uniper doch zu verstaatlichen, während man laut darüber diskutiert, ob die Gasumlage überhaupt finanzverfassungsrechtlich zulässig sei. Aber anstatt dass Sie spätestens jetzt auf die Bremse steigen, beharrt Staatssekretär Kellner in der Fragestunde auf der Unabhängigkeit der Umlage vom Einstieg bei Uniper, und der Minister räumt in der Aktuellen Stunde ein, dass man ja ohnehin erst frühestens zum Jahresende bei Uniper einsteigt. Während dieser Diskussionen verschicken außerhalb der Berliner Blase gerade die Gasversorger und Stadtwerke Millionen Briefe an die Bürgerinnen und Bürger und informieren über die Gasumlage ab dem 1. Oktober, nicht wissend: Kommt sie jetzt, oder kommt sie nicht? – Chaos total! ({4}) Liebe Ampelregierung, merken Sie es? Sie murksen mit der Umlage. Sie versemmeln es mit der Atomkraft. Und Sie kündigen den großen Plan eines neuen Marktdesigns an, absehbar, dass er zu spät kommen wird. ({5}) Es ist nicht fünf vor zwölf, sondern es ist fünf nach zwölf, falls Ihnen entgeht, was jetzt in dieser Stunde draußen geschieht. ({6}) – Ich sage es Ihnen. ({7}) Handwerk und Mittelstand finden keine bezahlbaren Energieverträge für das nächste Jahr. Die Unternehmen hören auf, zu produzieren, weil sie insolvent sind. Unternehmer setzen die Flaggen vor dem Firmensitz zum Protest auf Halbmast – ein verzweifelter Hilfeschrei. Und was macht die Regierung? Hier philosophiert der Wirtschaftsminister. ({8}) Dort keift der Finanzminister. Der Kanzler hingegen ist mal wieder abgetaucht oder kann sich vielleicht gar nicht an die Krise erinnern. ({9}) Ich gebe ja zu: Das alles hier hat einen gewissen Unterhaltungswert – wenn es jemandem zum Lachen zumute wäre. Zur Bewältigung der Energiekrise brauchen wir nicht Unterhaltung, wir brauchen Taten. Deshalb: Handeln Sie endlich! Ermöglichen Sie den befristeten Weiterbetrieb der verbleibenden drei Kernkraftwerke! Schaffen Sie die Gasumlage ab! Senken Sie die Strom- und Energiesteuern! Nutzen Sie die Milliarden aus dem Fördertopf der Erneuerbaren, und setzen Sie damit die Netzentgelte aus! Legen Sie ein Förderprogramm für die energieintensive Industrie auf, das seinen Namen verdient, und das vor allem schnell und unbürokratisch! Sie haben jetzt viele Monate wertvolle Zeit verstreichen lassen. ({10}) Deshalb: Handeln Sie jetzt und nicht erst dann, wenn es endgültig zu spät ist! Dann haben Sie die Union an Ihrer Seite. Vielen Dank. ({11})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der letzte Redner in der Debatte ist für Bündnis 90/Die Grünen Dieter Janecek. ({0})

Dieter Janecek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004312, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Russland ist dabei, diesen Angriffskrieg in der Ukraine zu verlieren: durch den heldenhaften Einsatz der ukrainischen Armee, ({0}) aber auch der Zivilgesellschaft, aber auch durch die Unterstützung der Europäischen Union und durch die Wirtschaftssanktionen, die dazu führen werden, dass Russland in der Zukunft überhaupt nicht mehr in der Lage sein wird, für solche Kriege ökonomisch aufzukommen. Das war richtig. Das haben wir unterstützt. Deswegen frage ich Sie als AfD in dieser Situation: Fordern Sie uns in Ihrem Antrag, den Sie heute im Bundestag stellen, ernsthaft auf, wie ein kleines Schoßhündchen ({1}) beim russischen imaginären Bären um Gas zu betteln? Das ist es, zu was Sie uns auffordern: dass wir bei Putin um Gas betteln sollen. Vielleicht haben Sie mitbekommen, dass seit zwei Wochen kein einziges Jota Gas mehr fließt und trotzdem die Gasspeicher in Deutschland voll sind, voller übrigens als im letzten Jahr, ({2}) dass das eine Leistung ist, auf die wir als Ampel – auch mit Unterstützung der Union – stolz sein können, dass wir diesen Weg gegangen sind. Was ist das für eine Partei, die ihr Interesse gegen den deutschen Staat stellt? Sie sind doch rechtsnational; so definieren Sie sich doch. Aber in Wirklichkeit sind Sie nichts anderes als Putins Vasallen. Wo ist eigentlich Ihre Würde in dieser Diskussion? ({3}) In dem ökonomischen Potpourri, das Sie aufwerfen, erzählen Sie Dinge, über die die Unternehmer in diesem Land nur noch den Kopf schütteln. Heute Morgen hatte ich zum Beispiel Vertreter der Truckindustrie bei mir. Die wollen wissen, wie sich die Ladeinfrastruktur entwickelt. Die wollen nicht wissen, ob der Dieselpreis im Jahr 2030 bei 2,10 Euro liegt. Das interessiert die gar nicht mehr; denn die planen nicht mehr mit solchen Technologien. Günstige Energiepreise werden wir nur kriegen, wenn wir auf Energieeinsparung, Speichertechnologien, erneuerbare Energien setzen und das massiv ausbauen, und das haben wir diesen Sommer mit sieben Gesetzespaketen auf den Weg gebracht. ({4}) Auch LNG ist notwendig, um die Gasimportstruktur zu diversifizieren. Das ist kein leichter Schritt gewesen; aber es war ein notwendiger. ({5}) Ich bin stolz darauf, dass wir es als Ampel gemeinsam in der Geschwindigkeit – Michael Kruse hat es gesagt – auf den Weg gebracht haben. Wir handeln, handeln, handeln und handeln jeden Tag. ({6}) Was Ihnen in dieser Situation einfällt, ist nichts anderes als diese Schoßhundnummer bei Putin. ({7}) Ich schäme mich für die AfD, dass sie solche Anträge hier im Bundestag stellt. ({8}) Das ist wirklich zum Schämen. Sie handeln gegen unser Land, und was Sie hier vorschlagen, ist irre, um das mal auf den Punkt zu bringen. Sie wollen, dass wir in die 70er-Jahre zurückgehen und uns von Russland abhängig machen, ({9}) während wir jetzt dabei sind, erfolgreich – auch wenn es wehtut, auch wenn es Härten bringt und wir entlasten müssen; wir werden weiter entlasten – den Weg in die Unabhängigkeit zu gehen. Ich will kein Blutgeld zahlen. Ich will nicht von Autokraten abhängig sein, die unsere Friedensordnung bedrohen. Damit muss Schluss sein. Deswegen gehen wir entschieden diesen Weg voran. Vielen Dank. ({10})