Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/2/2022

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. André Berghegger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004252, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin Faeser! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wie kann ein Donnerstagmorgen in einer Haushaltswoche schöner beginnen als mit der Debatte des Einzelplans 06? ({0}) Ich kann mir kaum was Schöneres vorstellen. ({1}) – So weit stimmt das schon mal. ({2}) Intensive Haushaltsberatungen liegen hinter uns. Wir werden Ende der Woche einen Haushalt für das Jahr 2022 beschließen, der ehrlicherweise nur ein halbes Jahr Gültigkeit hat. Das müssen wir uns immer wieder bewusst machen. Bis jetzt galt die vorläufige Haushaltsführung. In diesem Zusammenhang danke ich dem Innenministerium, Ihnen, sehr geehrte Frau Ministerin, und Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie haben jederzeit umfassend und zügig alle Fragen beantwortet. Das hat die Arbeit sehr erleichtert. Vielen Dank an dieser Stelle. Erlauben Sie mir einige grundlegende Anmerkungen zum Haushalt im Allgemeinen, bevor ich dann auf den Einzelplan 06 eingehen werde. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin: Wir antworten auf die ökonomische Zeitenwende aufgrund der Inflation durch die Rückkehr zu soliden Haushalten und das Ende immer neuer Schulden. So hat es Finanzminister Lindner am Dienstag in der allgemeinen Finanzdebatte gesagt. Ehrlicherweise spekuliert er hier leider nur über den Haushalt 2023, denn der Haushalt 2022 ist natürlich das komplette Gegenteil davon. Das kann man angesichts der Zahlen nicht schönreden. Das weiß er auch. Nur er redet nicht so gerne darüber. Das Volumen dieses Haushaltes beträgt 500 Milliarden Euro. Das ist eine unvorstellbare Summe für die Zuschauerinnen und Zuschauer an den Bildschirmen und natürlich auch hier im Saal. Davon werden alleine rund 140 Milliarden Euro an Krediten aufgenommen. 140 Milliarden Euro, das sind 140 Tausend Millionen, um das nur noch mal deutlicher zu machen. Auch das ist eine gigantische Summe. Dazu werden wir noch das Sondervermögen der Bundeswehr zu zählen haben. Das alleine bedeutet in diesem Jahr weitere 200 Milliarden Euro an Krediten, die irgendwann mit Zins und Tilgung zurückzuzahlen und zu bedienen sind. Warum sage ich das? Der finanzielle Spielraum für die allgemeine Schuldenbremse in Normalform beträgt derzeit rund 23 Milliarden Euro. Er ist alleine durch die Zurückzahlung der Coronasonderkredite aus den letzten Jahren und durch die finanzielle Verpflichtung bei dem Programm „Next Generation EU“ schon mit 15 bis 16 Milliarden Euro belegt. Das zeigt, glaube ich – eine Anmerkung zum Nachdenken –, wie eng der finanzielle Spielraum ist und welche finanzpolitische Verantwortung es in den nächsten Jahren gibt, insbesondere wenn wir die Schuldenbremse einhalten wollen. Liebe Vertreterinnen und Vertreter der Ampelkoalition, ich bin der festen Überzeugung: Sie können nicht einfach den Koalitionsvertrag abarbeiten und die riesigen finanzpolitischen Herausforderungen aus der Coronapandemie und aus den Auswirkungen des Ukrainekrieges on top setzen. Diese Rechnung wird schwer aufgehen. Sie werden Prioritäten setzen müssen. Die Devise wird sein: Pflicht vor Kür. Wenn Sie sich auf das Wesentliche konzentrieren und wenn Sie die Schuldenbremse einhalten werden oder es versuchen, dann begrüßen wir das natürlich. Selbstverständlich werden wir dabei aber auch andere thematische Schwerpunkte setzen. Wenn Sie jedoch zulasten der nachfolgenden Generationen weiter in den Verschuldungsstaat gehen, werden wir wachsam sein und versuchen, Sie auf den Pfad der Tugend zurückzubringen. Die Vergangenheit hat doch gezeigt, und zwar, als besonderes Beispiel, beginnend unter der Federführung von Finanzminister Schäuble, wie wichtig finanzielle Polster sind, um resilient und in schwierigen Zeiten handlungsfähig zu sein. Darauf müssen wir wieder achten. ({3}) Zum Einzelplan 06 im Besonderen. Dazu gibt es natürlich viel zu sagen, Frau Ministerin, auch aufgrund Ihrer vielen nachgeordneten Behörden. Für die Unionsfraktion kann ich, glaube ich, sagen, dass wir die Stärkung der inneren Sicherheit im engeren Sinne selbstverständlich unterstützen – das steht außer Frage –, sowohl den Mittelaufwuchs als auch den Stellenaufwuchs. Hier sind die 1 000 zusätzlichen Stellen bei der Bundespolizei besonders zu erwähnen. Aber man muss auch deutlich sagen: Bei der inneren Sicherheit wäre mehr machbar gewesen, und das ohne finanziellen Mehraufwand im Vergleich zu jetzt. Sie verhalten sich aus meiner Sicht an zwei Punkten widersprüchlich, und das möchte ich gerne verdeutlichen. Auf der einen Seite haben Sie eine Art finanzpolitische Torschlusspanik und nehmen an Geld, was Sie bekommen können. Das erkennt man an der neuen Rücklage für unvorhergesehene Bedarfe unter anderem beim THW und beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Diese Rücklage ist im Ergänzungshaushalt geschaffen worden und hat die konkrete Summe 34 079 000 Euro. Zum Gesamtbild, zur Vollständigkeit, gehört dazu: Sie parken hier schlicht die Restsumme der Viertelmilliarde Euro, die der Finanzminister für das BMI vorgesehen hat, ohne dass Sie hierzu aktuell einen Bedarf haben. ({4}) Das finde ich ehrlicherweise nicht seriös. Konsequent wäre aus Ihrer Sicht gewesen, dass Sie, wenn Sie diese Mittel derzeit nicht benötigen – Sie sehen keinen Zweck dafür vor –, sie gar nicht in Anspruch nehmen. Da würde ein Haushälter sagen: Das ist sparsame und wirtschaftliche Haushaltsführung. – Das haben Sie leider nicht getan. ({5}) Die noch viel bessere Lösung wäre gewesen, Sie hätten einfach unseren Anträgen zur Stärkung des BBK auch in diesen Bereichen zugestimmt. ({6}) Dazu haben wir diverse Vorschläge gemacht. Das ist doch logisch: Wir wollten die Bereiche „Zivile Verteidigung“, „Bevölkerungsschutz“ und „Katastrophenhilfe“ aufstocken und stärken; ({7}) das steht außer Frage. Das haben wir frühzeitig in vielen Gesprächen deutlich gemacht. Erfreulich ist, dass die Ampel im Laufe der Haushaltsberatungen die eine oder andere Idee aufgenommen hat und entsprechende Deckblätter formuliert hat. Diese konnten wir dann logischerweise mittragen, und wir konnten es ertragen – leider unter Schmerzen –, dass Sie unsere Deckblätter abgelehnt haben. Aber das ging in die richtige Richtung. So wirkt konstruktive Opposition. ({8}) Auf der anderen Seite bedenken Sie bitte, Frau Ministerin: Wir hatten den missglückten Warntag 2020, die Flutkatastrophe im Ahrtal, und schließlich spüren wir alle die schrecklichen Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Es wird doch immer deutlicher, wie wichtig entsprechende Information der Bevölkerung, rechtzeitige Warnungen und Hinweise sind. ({9}) Wenn aber von dem erforderlichen Bedarf des BBK für die NINA-Warn-App, für Cell-Broadcast-Systeme, für das modulare Warnsystem MoWaS und für die Unterstützung der Errichtung moderner Sirenen nur rund die Hälfte bewilligt wird, dann habe ich – ohne dabei die Länder aus der Verantwortung zu lassen; das wird der Kollege Gerster sicherlich gleich wieder zu Recht ansprechen –, Fragen. Der Bedarf ist doch von den Fachleuten angemeldet worden. Hier hätten Sie die Mittel aus der Rücklage einsetzen können – ohne finanziellen Aufwuchs –; hier wären sie sinnvoll angelegt worden. So ist das aus meiner Sicht das falsche Signal. ({10}) Da uns dieser Punkt so wichtig ist, werden wir bis zum Schluss unseren entsprechenden Änderungsantrag – Frau Präsidentin hat ihn vorhin angesprochen – aufrechterhalten. Ich lege es den Abgeordneten, den Kolleginnen und Kollegen der Koalition nahe, noch einmal darüber nachzudenken. Sie haben noch anderthalb Stunden Zeit. ({11}) Wir wollen weiterhin eine Stärkung in diesem Bereich. Deswegen stellen wir diesen Änderungsantrag zur Abstimmung. Insbesondere an die FDP appelliere ich: Setzen Sie sich weiter – oder vielleicht kann man auch sagen: wieder – für eine seröse Haushalts- und Fiskalpolitik ein, ({12}) und achten Sie darauf, nächstes Jahr die Schuldenbremse wieder einzuhalten! Vergessen Sie nicht, was Sie vor der Wahl immer vehement kritisiert haben: unseriöse Finanzen, Schattenhaushalte, hohe Reste und der Gang in den Schuldenstaat. Dieser Einzelplan hat noch Luft. Hier weise ich nur auf die im Vergleich zu anderen Einzelplänen zweithöchsten Haushaltsreste hin. Das ist nur einer von mehreren Konsolidierungsbeiträgen. So senden Sie unglückliche Signale. Sie setzen aus meiner Sicht falsche Prioritäten. Deswegen werden wir den Einzelplan ablehnen. Zum Schluss: Denken Sie nicht nur hier, sondern im gesamten Haushalt daran: Jede Zeitenwende muss auch nachhaltig finanziert werden. Ziehen Sie nächstes Jahr wieder die Schuldenbremse! Das sind wir unseren Kindern schuldig. Vielen Dank fürs freundliche Zuhören. ({13})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Als Nächstes hat das Wort für die Bundesregierung die Bundesinnenministerin Nancy Faeser. ({0})

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir haben seit mehreren Monaten einen schrecklichen Krieg, den Angriffskrieg Putins in der Ukraine. Deswegen möchte ich zu Beginn meiner Haushaltsrede denjenigen danken, die im Moment Großartiges leisten, seien es die Helferinnen und Helfer des THW, die Hilfsleistungen in die Ukraine selbst fahren und vor Ort unterwegs sind, um zu unterstützen, seien es die vielen Tausend Helferinnen und Helfer, die Großartiges leisten bei der Aufnahme der ukrainischen Geflüchteten. Herzlichen Dank dafür! ({0}) Neben dem furchtbaren Krieg mitten in Europa kämpfen wir noch immer mit den Auswirkungen der Coronapandemie. Immer häufiger kommt es zu Extremwetterereignissen. Die Lebenshaltungskosten und vor allen Dingen die Energiekosten steigen. Das alles beschäftigt die Menschen in Deutschland sehr, und viele machen sich Sorgen. Sie machen sich Sorgen, weil sie es hier nicht mit abstrakten Bedrohungen zu tun haben, sondern weil sich diese Bedrohungen sehr konkret auf ihren Alltag auswirken. Sie sind sehr viel spürbarer als in der Vergangenheit. Es ist die zentrale Aufgabe des Staates, die Menschen vor diesen Bedrohungen zu schützen, meine Damen und Herren. ({1}) Für mich als Bundesinnenministerin hat auch deshalb die Sicherheit aller Menschen in unserem Land oberste Priorität, ganz gleich, wie viel Geld sie haben oder wo ihre Familien einmal herkamen. Sicherheit ist aus meiner Sicht eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Angesichts der aktuellen Krisen müssen wir deutlich mehr für diese Sicherheit tun. ({2}) Wir haben in den letzten Jahren viel Zeit mit innenpolitischen Debatten verschwendet, die nicht besonders zielführend waren. Dabei wurde oft mit gefühlter Sicherheit argumentiert. Mir geht es um tatsächliche Sicherheit. ({3}) Mit dem Haushalt 2022 gehen wir große Schritte hin zu diesem Ziel. Er sieht für den Einzelplan des Bundesinnenministeriums ein Gesamtvolumen von rund 15 Milliarden Euro vor – das ist ein Plus von rund 889 Millionen Euro im Vergleich zum Entwurf der Vorgängerregierung –, und mit dem Ergänzungshaushalt kommen noch einmal 250 Millionen Euro für die Bewältigung der Folgen des Krieges in der Ukraine hinzu. Dass es gelungen ist, so viele Geflüchtete in so kurzer Zeit aufzunehmen, zu schützen und zu versorgen, ist eine großartige Leistung unseres gesamten Landes, meine Damen und Herren. ({4}) Mit den zusätzlichen Mitteln und neuen Stellen stärken wir alle Politikbereiche des Bundesinnenministeriums, besonders die Bereiche Kriminalitätsbekämpfung, Bevölkerungsschutz und Cybersicherheit. Das bedeutet mehr Sicherheit für die Menschen in der Bundesrepublik. Konsequente Kriminalitätsbekämpfung heißt, im Umgang mit dem organisierten Verbrechen eine deutlich härtere Gangart einzulegen. Organisierte Kriminalität ist zwar oft weniger sichtbar als Terrorismus oder Extremismus, aber sie ist genauso gefährlich. Das BKA verstärkt deshalb die Bekämpfung von Organisierter Kriminalität, Clan- und Rockerkriminalität unter anderem mit konsequenten Finanzermittlungen, um illegales Vermögen schnell einzuziehen. So können wir kriminelle Strukturen frühzeitig erkennen und zerschlagen. Das ist auch zwingend notwendig. ({5}) Meine Damen und Herren, mir ist besonders wichtig, dass wir die Verwundbarsten in unserer Gesellschaft besser schützen. Das entsetzliche Ausmaß sexualisierter Gewalt gegen Kinder macht mir sehr große Sorgen und fordert ein konsequentes Handeln. Wir brauchen den höchstmöglichen Ermittlungsdruck, um die Täter und ihre Netzwerke aufzudecken ({6}) und vor allen Dingen die Kinder zu schützen. Dafür werden wir auch europäische Instrumente schaffen. Wir werden dabei die private Kommunikation der Menschen, die mit diesen Verbrechen überhaupt nichts zu tun haben, aber auch weiter schützen. ({7}) Mir geht es um ein sehr gezieltes und sehr konsequentes Vorgehen ({8}) gegen die Täter und ihre Netzwerke. Kein Täter darf sich sicher fühlen vor Strafverfolgung, meine Damen und Herren. ({9}) Ich bin deshalb froh, dass wir für die beiden Behörden, die vorrangig für Kriminalitätsbekämpfung zuständig sind, große Stellenaufwüchse erreichen konnten. Das Bundeskriminalamt erhält 135 neue Stellen, die Bundespolizei – Herr Dr. Berghegger hat es schon gesagt – über 1 000 neue Stellen. Das ist auch gut und richtig. Ich möchte mich auch bei der CDU/CSU für die Unterstützung an dieser Stelle bedanken. Meine Damen und Herren, wir erleben im Moment eine Vielzahl von Krisen und Bedrohungen gleichzeitig. Das bedeutet aber, dass der Bevölkerungsschutz in Deutschland auch einen höheren Stellenwert bekommen muss. Hier ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten viel zu wenig oder sogar Gegenteiliges passiert, wenn ich etwa an den Abbau der Sirenen im ganzen Land denke. Mit dem Haushalt 2022 investieren wir deshalb erheblich in Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Wir sorgen für moderne Warnsysteme – NINA ist angesprochen worden –, mit denen jeder präzise Warnungen direkt auf das Handy bekommt. Wir bauen neue Logistikzentren für das THW auf, und wir verstärken die Zivilschutzreserve des Bundes, insbesondere mit einem massiven Aufwuchs – verankert auch im Ergänzungshaushalt – im Bereich des Projektes „Labor 5 000“. Für diejenigen, die nicht wissen, was das ist: Es ist ein großes Infrastrukturprojekt, was in jeder Krisenlage angewandt werden kann: mit Zelten, mit Wasser-/Abwasser-Systemen, mit eigener Hausarztpraxis, mit Containersystemen; sehr wichtig für alle Formen der Krise. Ich darf mich bei den Haushälterinnen und Haushältern der Ampelkoalition sehr herzlich für die Unterstützung an dieser Stelle bedanken. ({10}) Meine Damen und Herren, im Ernstfall muss der Staat handlungsfähig sein: bei kriegsbedingten Gefahren, bei Extremwetterereignissen oder bei Stromausfällen. Auch unsere kritische Infrastruktur muss im Ernstfall funktionieren: unsere Stadtwerke, unsere Krankenhäuser, unsere Transportwege. Wir sehen im Moment eine große Gefahr von Cyberangriffen auf genau diese kritische Infrastruktur. Deshalb haben wir die Schutzmaßnahmen massiv hochgefahren. Noch vor der Sommerpause werde ich meine Cybersicherheitsstrategie vorstellen. Dazu gehört unter anderem, dass wir dem Bund die führende Rolle in der Cybersicherheit geben und das auch im Grundgesetz verankern. Dafür werbe ich bereits jetzt; denn komplexen Cyberattacken kann nur der Bund effektiv etwas entgegensetzen. Wir haben mit dem Nationalen Cyber-Abwehrzentrum sehr viel Expertise, die wir mit diesem vorliegenden Haushalt noch weiter ausbauen. ({11}) In der Bereinigungssitzung hat der Haushaltsausschuss aus meiner Sicht noch weitere wichtige Akzente gesetzt. Der Ausschuss hat 25 Millionen Euro für ein humanitäres Aufnahmeprogramm für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan bereitgestellt. Auch für die Bekämpfung von Antisemitismus wurden die Mittel noch einmal erhöht. Ich komme gerade aus Israel, und, meine Damen und Herren, wir müssen unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger besser schützen in unserem Land. Dazu haben wir eine große Verpflichtung. ({12}) Besonders aber freue ich mich, dass der Ausschuss im Sportbereich für das Programm „Neustart nach Corona“ 25 Millionen Euro bereitgestellt hat. Die Pandemie hat die Sportvereine in der Bundesrepublik sehr hart getroffen. Dass sie nun dabei unterstützt werden, endlich wieder durchzustarten, ist ein klares Bekenntnis zum Breitensport in der Bundesrepublik Deutschland. Und dafür darf ich den Haushälterinnen und Haushältern der Ampelkoalition sehr herzlich danken. ({13}) Meine Damen und Herren, dieser Haushalt ist gut für die Menschen und für die Sicherheit derer, die in Deutschland leben. Er schafft die Basis dafür, dass das Bundesinnenministerium für seine Vorhaben Rückenwind bekommt. Ich möchte mich deshalb noch einmal ganz herzlich bedanken bei den haushaltspolitischen Sprecherinnen und Sprechern der Koalition Dennis Rohde, Sven-Christian Kindler und Otto Fricke sowie bei den für den Einzelplan des BMI zuständigen Berichterstatterinnen und Berichterstattern der Koalition Jamila Schäfer, Thorsten Lieb und Martin Gerster. Ich habe es gesagt: Ich möchte mich auch bei Herrn Dr. Berghegger und Herrn Perli von der Opposition für die konstruktive Beratung sehr herzlich bedanken. ({14}) Meine Damen und Herren, mein Dank gilt aber vor allen Dingen den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses, die hervorragende Arbeit in sehr schweren Zeiten leisten. Mein Dank gilt zum Abschluss natürlich auch Finanzminister Christian Lindner für die Unterstützung all dieser Vorhaben. Danke für die Unterstützung der Sicherheit der Menschen in unserem Land. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({15})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Marcus Bühl. ({0})

Marcus Bühl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004687, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Gewährleistung der inneren Sicherheit ist eine der wichtigsten Aufgaben eines Staates. Was wir allerdings in 16 Jahren Merkel erlebt haben und jetzt mit der links-gelben Regierung erleben, ist ein zunehmend funktionsunfähiger Staat, der immer weniger in der Lage ist, seine Kernaufgaben wahrzunehmen. Der vorliegende Bundeshaushalt für Innenpolitik und Heimat ist mit seiner Mittelverteilung ein erschreckendes Beispiel dafür: links-gelbe Prioritätensetzungen wie bei den betrugsanfälligen Sprach- und Integrationskursen, üppig mit deutschem Steuergeld ausgestattet, während der Grenzschutz weiterhin völlig unzureichend ist und es viel zu wenige neue Bundespolizisten gibt. Bleiben wir bei der Bundespolizei. 1 000 zusätzliche Stellen sind ein Anfang. Aber bevor diese Verstärkung kommt, müssen drei Jahre Ausbildung durchlaufen werden. Und vor allem in den kommenden Jahren geht jährlich ein beträchtlicher Teil der Beamten in den Ruhestand. Daher gleicht die Nettoverstärkung hauptsächlich die altersbedingten Abgänge aus. Von den neuen Polizisten, die dieses Jahr bei der Bundespolizei fertig ausgebildet sind, werden viele in den Ballungszentren mit hohen Mieten versetzt werden. Mieten, die sich die jungen Polizeiabsolventen oft nicht leisten können und so Wohngemeinschaften bilden oder lange Strecken pendeln müssen. Wir haben daher einen Antrag zur Einführung von Ortszuschlägen in Großstädten für die jungen Absolventen gestellt. Kommen wir zum Thema Einwanderung. 2022 sollen die Mittel für Integrations- und Sprachkurse 675 Millionen Euro umfassen, durchgeführt von circa 1 500 Trägern. Die Kurse sind zu einem enormen Geschäfts- und Beschäftigungsmodell geworden, vehement verteidigt von den Verfechtern der Politik der offenen Grenzen. Schauen wir auf die Abrechnungen. Bei diesen Kursen fließt eigentlich nur dann Geld an die Bildungsträger, wenn die Teilnehmer anwesend sind und dies mit ihrer Unterschrift dokumentiert haben. Es bedarf allerdings keiner Hellseher, um zu erkennen, dass dieses Konstrukt zum Betrug geradezu einlädt, zum Beispiel Unterschriften nachträglich zu leisten oder zu beginnen und dann nicht am Unterricht teilzunehmen. Im Jahr 2020 erreichten laut Innenministerium 48 Prozent der Kursteilnehmer das Sprachniveau B1 nicht. Das wäre allerdings notwendig für den Arbeitsmarkt. Die steigende Zahl von Transferempfängern, die die deutsche Sprache nicht beherrschen, bedeutet enorme Lasten für den Sozialstaat, also für den deutschen Steuerzahler. ({0}) Frau Ministerin, ich fordere Sie dringend auf, aufgrund dieser erschreckenden Ergebnisse wirksam zu handeln. Ihre zuständige Behörde, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, hat hier umfassende Kontroll- und Sanktionsinstrumente einzusetzen, damit die Teilnehmerzahlen richtig abgerechnet werden. Und wer nachweislich keine Bleibeperspektive in Deutschland hat, braucht auch keinen teuren Integrationskurs. ({1}) Der Bundesrechnungshof führt in seinem Bericht über die Integrationsmaßnahmen des Bundes Doppelförderung und die Nichterreichung der gesteckten Ziele an. Frau Ministerin, nehmen Sie diesen Bericht ernst. Eine weitere Absurdität ist die Förderung der freiwilligen Ausreise. Im Ergänzungshaushalt wird dieser Zuschuss um 20 Millionen Euro auf dann 59 Millionen Euro erhöht. Es werden also Personen, die zur Ausreise rechtlich verpflichtet sind, mit Prämien ausgestattet, wenn sie sich rechtskonform verhalten. Wie wenig willens diese links-gelbe Bundesregierung ist, geltendes Recht mit den völlig normalen Mitteln eines Rechtsstaates durchzusetzen, zeigt dieses Beispiel sehr, sehr eindrücklich. ({2}) Auch hier wird stattdessen Steuergeld in Größenordnungen verschwendet. Wir werden dem Haushaltsplan daher nicht zustimmen. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. ({3})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Jamila Schäfer. ({0})

Jamila Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005200, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Ministerin Faeser! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schülerinnen und Schüler auf den Tribünen! Zurück zur Sache. Bei diesen Beratungen zum Bundeshaushalt mussten wir den gestiegenen sicherheitspolitischen Anforderungen im laufenden Verfahren schnell gerecht werden. Deshalb haben wir mit dem Ergänzungshaushalt von insgesamt über 26 Milliarden Euro und im parlamentarischen Verfahren nachgesteuert und übernehmen Verantwortung für die Sicherheit unserer Bevölkerung. ({0}) Der Krieg in der Ukraine hat natürlich gestiegene Verteidigungsausgaben notwendig gemacht. Im Ernstfall brauchen wir aber auch einen funktionierenden Zivilschutz innerhalb Deutschlands, ganz egal, ob es um Krieg geht oder um Naturkatastrophen. ({1}) Fehlende Warnsysteme kosten Menschenleben. Das hat uns nicht zuletzt die Flutkatastrophe im Ahrtal im letzten Jahr schmerzlich vor Augen geführt. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns bundesweit für eine funktionierende Warninfrastruktur einsetzen und dass wir das THW und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe jetzt noch einmal mit jeweils 50 Millionen Euro im Ergänzungshaushalt gestärkt haben. ({2}) Im parlamentarischen Verfahren haben wir diese Stärkung jetzt auch noch einmal auf 33,5 Millionen Euro ausgebaut. Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe kann jetzt zum Beispiel endlich den Ausbildungsstandort in Stralsund in Betrieb nehmen. Entscheidungen in Katastrophenfällen zu treffen, braucht nämlich eine angemessene Schulung und Übung. Der Staat darf die Einsatzkräfte und Entscheidungsträger/-innen nicht alleinlassen, und dafür werden wir gemeinsam sorgen. ({3}) Wir müssen aber natürlich auch die erheblichen Sicherheitslücken bei der Cybersecurity schließen. Menschenleben stehen auf dem Spiel, wenn Krankenhäuser oder unsere Wasserversorgung ohne Schutz bleiben. Bei der Finanzierung haben wir hier noch eine große Aufgabe vor uns; aber ich bin mir sicher, dass wir sie gemeinsam meistern werden. Für die Sicherheit und Weiterentwicklung unserer IT stellen wir in diesem Haushalt insgesamt 50 Millionen Euro zur Verfügung; denn die Zukunft heißt Datensouveränität und Open Source. ({4}) Zu einer verantwortungsvollen Politik gehört es aber auch, diejenigen zu schützen, die mit ihrer Arbeit für unsere Sicherheit ihre eigene in Gefahr gebracht haben. Ja, damit meine ich die Ortskräfte und die Menschenrechtsverteidiger/-innen in Afghanistan. Nach 20 Jahren Bundeswehreinsatz tragen wir weiterhin eine große Verantwortung für diejenigen, die Hoffnung in uns gesetzt haben und deren Leben dort nun bedroht ist. Deshalb freue ich mich, dass wir für die Aufnahme von besonders gefährdeten Menschen aus Afghanistan zusätzliche Gelder bereitstellen. Das ermöglicht, besonders gefährdete Personen zu evakuieren, bis das Bundesaufnahmeprogramm aus dem Koalitionsvertrag endlich fertig aufgestellt ist. Am Geld wird die Evakuierung jedenfalls nicht scheitern; dafür haben wir in diesem Bundeshaushalt gesorgt. ({5}) Zu einer vorausschauenden Migrationspolitik gehört es natürlich auch, die Migrationsberatung zu stärken und zu entbürokratisieren. Hier hat die letzte Bundesregierung leider oft erst nachgesteuert, wenn es schon zu spät war. Die Ampel macht es umgekehrt. Wir lassen diejenigen, die tagtäglich dafür sorgen, dass Geflüchtete hier gut ankommen können, nicht im Stich. Die Ampel macht eine zeitgemäße Innenpolitik. Das haben wir im Haushaltsausschuss mit unseren Anträgen in Höhe von insgesamt 155 Millionen Euro noch einmal unterstrichen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei meinen Mitberichterstattern, insbesondere bei Martin Gerster und Thorsten Lieb, aber natürlich auch bei Innenministerin Faeser und ihrem Haus für die konstruktiven Beratungen. Wir werden diesem Einzelplan selbstverständlich zustimmen. Vielen Dank. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Martina Renner. ({0})

Martina Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004385, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Nach dem Desaster der viel zu späten und immer noch nicht glücklich beendeten Evakuierung von Ortskräften und gefährdeten Personen aus Afghanistan hat die Koalition nun ein Aufnahmeprogramm für Menschen aus diesem Land vereinbart. Das begrüßen wir ganz deutlich. ({0}) Hierfür sind aber lediglich 25 Millionen Euro eingestellt. Das reicht nach den eigenen Berechnungen des Innenministeriums gerade einmal für die Aufnahme von 5 000 Menschen. ({1}) Wir sprechen also von 1 000 gefährdeten Personen und ihren engsten Familienangehörigen. Nach Meinung von Menschenrechtsorganisationen müssen aber mehrere Zehntausende Schutzsuchende so schnell wie möglich vor den Taliban in Sicherheit gebracht werden. Wir sagen: Es darf kein Aufnahmeprogramm nach Kassenlage geben. ({2}) Meine Damen und Herren, im Haushalt sind erneut mehr Stellen für die Sicherheitsbehörden vorgesehen. Das Bundeskriminalamt kann, so finde auch ich, gerne fachlich geeignete Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich zum Beispiel um Hasskriminalität im Internet kümmern, oder Personal für die notwendige Strafverfolgung von in der Ukraine begangenen Kriegsverbrechen einstellen. Das ist richtig. Aber zuerst muss auf die Frage geantwortet werden, warum es so lange dauert, die noch offenen Stellen zu besetzen. Hier muss gehandelt werden. Ich finde, erst dann sollte man über das Geld reden. ({3}) Zur Bundespolizei. Die Bundespolizei verdoppelte die Zahl der anlasslosen Kontrollen im letzten Jahr – verdoppelte; das muss man sich vorstellen. Aber zeitgleich fehlt das Personal zum Beispiel für die Verhinderung und Verfolgung von Angriffen von Neonazis auf Züge in Sachsen am 1. Mai. Das ist, so glaube ich, keine Frage des Budgets, sondern der Prioritätensetzung. ({4}) Halten wir fest: Mehr Beamtinnen und Beamte schaffen nicht automatisch mehr Sicherheit. ({5}) Mit Blick auf den Haushalt stellen sich mir noch weitere Fragen: Was ist eigentlich mit dem fehlenden Polizeibeauftragten für die Polizeibehörden des Bundes? Was geschieht mit der Überwachungsgesamtrechnung? Dieses Prestigeobjekt scheint ja zwischen den Ministerien zerredet zu werden. Und zuletzt: Mich hat dieser Tage die Aussage meiner Kollegin Linda Teuteberg in einem Interview zum Demokratiefördergesetz wirklich irritiert. Es sieht danach aus, als müssten die Träger zivilgesellschaftlicher Projekte nach der letzten Legislatur erneut Sorge haben, dass dieses Gesetzesvorhaben nicht umgesetzt wird. Der Kampf gegen Neonazis, Rassismus und Antisemitismus ist aber Staatsaufgabe, und die Zivilgesellschaft muss dauerhaft gefördert werden. Vielen Dank. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Dr. Thorsten Lieb. ({0})

Dr. Thorsten Lieb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005129, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin Faeser! Herr Kollege Berghegger, ich kann Sie beruhigen: Um den haushaltspolitischen Kompass der FDP-Fraktion müssen Sie sich gar keine Sorgen machen; das werden Sie in drei Wochen bei der Vorlage des Haushalts für 2023 sehen. Keine Angst! ({0}) Und weil Sie das Thema des Bevölkerungsschutzes und der Katastrophenhilfe angesprochen haben, nur ein Hinweis von meiner Seite: Wir setzen in der Koalition jetzt das um, was Sie im vergangenen Jahr nur angekündigt haben. Deswegen brauchen wir hier keine Belehrungen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Die hier heute vorliegende Fassung des Einzelplans 06 zeigt, wie die Koalition in Zeiten von Krisen Handlungsfähigkeit beweist und Schwerpunkte setzt. Es ist in den Haushaltsberatungen gelungen, gerade in den Bereichen Digitalisierung, Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe noch einmal deutlich nachzuschärfen. Besonders hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang die umfassenden Maßnahmen zur Stärkung von Cybersicherheit und Resilienz und zur Beschleunigung der Verwaltungsdigitalisierung. Es war dringend nötig, dort weiterzumachen. Beispielsweise mit dem Aufbau des Zentrums für Digitale Souveränität der Öffentlichen Verwaltung gelingt endlich ein erheblicher Sprung zu mehr digitaler Souveränität in diesem Land. Mit zusätzlichen 37,5 Millionen Euro und insgesamt über 50 Millionen Euro investieren wir da massiv in die Zukunft dieses Landes. Der Souveräne Arbeitsplatz, das wesentliche Kernprojekt in diesem Bereich, setzt auf Open Source und leistet damit einen Beitrag zu echter nationaler Souveränität. Das offene Modell und der offene Ansatz sorgen für Transparenz und gleichzeitig auch für eine erhöhte Sicherheit der Systeme. Damit wird ein ganz wichtiges Vorhaben des Koalitionsvertrages gleich im ersten Haushalt umgesetzt. ({2}) Die Potenziale von Daten endlich umfassend zu heben und dazu ein echtes Datengesetz für Rechtssicherheit bei der Datennutzung zu schaffen, ist uns als Koalition ein zentrales Anliegen. Dafür braucht es, klar, viel mehr als einen bloßen Quantensprung, damit Deutschland endlich in die Weltspitze der Datenökonomie vorstößt. Das ist nicht Neuland, liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist Zukunftsland. Sehen wir zu, dass wir endlich in der Zukunft ankommen! Es wird allerhöchste Zeit. ({3}) Wir leiten den strukturellen Umbau der IT-Sicherheitsarchitektur ein und machen das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik endlich unabhängig. Damit kommen wir einen weiteren Schritt vorwärts beim Aufbau des BSI als zentrale Stelle im Bereich der IT-Sicherheit. Der Schutz digitaler Infrastrukturen ist eine der zentralen sicherheitspolitischen Herausforderungen unserer Zeit. Deswegen haben wir im Rahmen der Haushaltsberatungen einen erheblichen Schritt nach vorne gemacht. Wir stärken Cybersicherheit bei kritischen Infrastrukturen – beim THW und bei den Maltesern ist das gelungen –; denn die Notwendigkeit der Cybersicherheit geht natürlich weit über den Kernbereich der inneren Sicherheit hinaus. Da haben wir geliefert, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Ein paar abschließende Worte zum Sport. Die Ministerin hat es angesprochen: Während der Coronazeit ist Schulunterricht ausgefallen, Angebote von Sportvereinen wurden eingestellt. Deswegen ist es wichtig, dass wir hier ein Programm auflegen. Ich sage das bewusst, wenn ich die vielen Schülerinnen und Schüler hier auf den Tribünen sehe, und aus aktuellem Anlass: Vor zwei Tagen kam eine Studie heraus, die deutlich gemacht hat, dass es in Pandemiezeiten viel weniger Bewegung gab. Deswegen ist es ein ganz zentrales Signal für den Sport, für den Breitensport und auch für die Gesundheit, dass wir dort nach vorne kommen. ({5}) Sport braucht aber auch Vorbilder. Deswegen ist uns auch die Förderung des Spitzensportes ein zentrales Anliegen. Wir haben erreicht, dass mehr Athleten an internationalen Wettbewerben teilnehmen können. Wir unterstützen zusätzlich die Special Olympics World Games hier in Berlin. Und das bekannte Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten, das FES hier in Berlin, eine unserer Medaillenschmieden, können wir mit zusätzlichen Mitteln versorgen. Eine echte deutsche Erfolgsgeschichte! Sorgen wir dafür, dass es so bleibt. Wir als Koalition haben jedenfalls vor, auch die Innenpolitik zu einer echten Erfolgsgeschichte zu machen. Dafür stehen wir. Vielen Dank. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Alexander Throm. ({0})

Alexander Throm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004917, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in einer krisengeschüttelten Zeit mit großen Herausforderungen, in einer Zeit, in der sich unsere Bürgerinnen und Bürger vor allen Dingen nach einem klaren und verlässlichen Kurs ihrer Regierung sehnen. Aber Fehlanzeige! Das, was wir bislang von Ihnen, Frau Ministerin, erlebt haben, waren viele, teils widersprüchliche Ankündigungen, aber keinerlei Umsetzung. Und das schafft weder eine gefühlte Sicherheit und noch weniger eine tatsächliche Sicherheit. ({0}) Denn dazu wäre es notwendig, dass Sie erst mal Ihr Haus bestellen. Viele Positionen haben Sie geräumt – das ist in Ordnung nach einem Regierungswechsel –, auch die des beamteten Staatssekretärs für Migration. Diese Position ist seit sechs Monaten unbesetzt. Dagegen haben Sie sich gleich drei Parlamentarische Staatssekretäre gegönnt. In einer Antwort von dieser Woche auf eine Abgeordnetenanfrage von mir, weshalb es denn mehr Staatssekretäre brauche, haben Sie gesagt, die Zahl der Staatssekretäre spiegele das sehr große Aufgabenportfolio aufgrund der zentralen Vorhaben der neuen Bundesregierung wider. Frau Ministerin, das passt nicht. Der Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums ist geschrumpft und nicht gewachsen. Das Einzige, was ich mir erklären kann, ist, dass diese drei Staatssekretäre Ihnen den Rücken freihalten sollen, damit Sie den Wahlkampf in Hessen bestreiten können. ({1}) Aber, Frau Ministerin, das Innenministerium ist keine Wahlkampfzentrale, und es ist in der Tat zu wichtig, als dass es eine Teilzeitministerin auf Abruf vertragen kann. ({2}) Denn wir müssen beispielsweise den Kampf gegen den Kindesmissbrauch noch energischer führen, und das nicht erst seit dem Bekanntwerden der widerwärtigen Taten in NRW diese Woche. Da haben Sie, Frau Ministerin, die Vorschläge der EU-Kommission zur Chatkontrolle zunächst begrüßt. Nach Kritik von FDP und Grünen sind Sie zurückgerudert. Was es aber tatsächlich braucht, das sind gesetzliche Mindestspeicherfristen von mindestens sechs Monaten. Und ja, es braucht den Zugriff auf die IP‑Adressen. Justizminister Buschmann ({3}) will uns weismachen, dass das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren ausreicht. ({4}) Es ist keine Alternative; denn die Verbindungsdaten sind bereits gelöscht, wenn Sie den Zugriff machen wollen. ({5}) Das heißt: Die Täter entkommen. Und noch schlimmer: Wir können die Opfer nicht schützen. Deswegen begrüße ich es außerordentlich, dass Sie gestern erstmals zu erkennen gegeben haben, dass Sie auch auf die IP-Adressen zugreifen wollen. ({6}) Warum haben Sie das heute Morgen in Ihrer Rede nicht wiederholt? Ich will es Ihnen sagen: weil Sie bei diesem Punkt keine Zustimmung, keinen Applaus von FDP und Grünen bekommen hätten. Ich hoffe sehr, dass Sie auch in diesem Punkt nicht wieder zurückrudern müssen. Denn wir müssen hier einen besseren Schutz und bessere Ermittlungsmöglichkeiten bei diesen widerwärtigen Taten von Kindesmissbrauch schaffen. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schon gesagt worden: Ja, wir müssen natürlich auch bei der Cybersicherheit besser werden, und das nicht erst seit dem 24. Februar; danach ist es umso dringender. Aber auch hier Widersprüchliches von Ihnen: Erst haben Sie im Kampf gegen Cyberattacken die Möglichkeit sogenannter Hackbacks ins Spiel gebracht. Nach Kritik von FDP und Grünen haben Sie dies wieder relativiert und gemerkt, dass im Koalitionsvertrag entsprechende Hackbacks ausgeschlossen sind. Was gilt denn nun? Diese Woche haben Sie wiederum vorgeschlagen, dass man hier mehr für die Cybersicherheit machen müsste. ({8}) Der Krieg dauert seit über 100 Tagen an. Was haben Sie hier konkret getan? Jedenfalls in diesem Haushaltsansatz und auch im Ergänzungshaushalt findet sich hierzu nichts Neues. ({9}) Auch beim Bevölkerungsschutz haben Sie für Unruhe gesorgt. Erst haben Sie die Bevölkerung aufgefordert, Notvorräte anzulegen. Keine zwei Wochen später haben Sie die Vorschläge und Empfehlungen Ihres eigenen Amtes für Katastrophenschutz infrage gestellt. Das sorgt für Verunsicherung und nicht für tatsächliche Sicherheit, Frau Ministerin. ({10}) Ja, wir brauchen mehr Geld für den Katastrophen- und Zivilschutz. Aber wo bleibt da ein kräftiger Vorschlag aus Ihrem Haus für diesen Haushalt? Auch im Ergänzungshaushalt ist er nicht zu finden. 77 Millionen Euro! Wir haben nicht erwartet, dass Sie gleich die 10 Milliarden Euro auf einmal in den Haushalt einstellen. Aber 0,77 Prozent dessen, was erforderlich ist, ist eindeutig zu wenig. ({11}) – Und Sie, Herr Kollege Grötsch, waren die längste Zeit mit dabei. ({12}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch in der Migrationspolitik können wir leider nur ein Irrlichtern feststellen: erst die Ankündigung einer Koalition der Willigen unter deutscher Führung, dann Kritik, diesmal nicht von FDP und Grünen, sondern aus der Gesellschaft ({13}) und den Medien, dann ein Zurückrudern, das sei ja gar kein eigener Vorschlag, sondern man würde sich nur der Initiative des französischen Präsidenten anschließen. ({14}) Dann bei dem Thema Sekundärmigration völlige Untätigkeit: Etwa 43 000 Menschen, die in Griechenland bereits als Schutzberechtigte anerkannt sind, kommen nach Deutschland, beantragen hier erneut Asyl. Ich habe in sechs Monaten keine einzige Äußerung und noch weniger Taten bei diesem Thema festgestellt. Laut Koalitionsvertrag soll es eine Rückführungsoffensive geben. Sechs Monate ist nichts passiert; das ist Arbeitsverweigerung. Noch nicht einmal die Einsetzung eines Bevollmächtigten für Migrationsabkommen bekommen Sie hin, weil Sie sich mit Frau Baerbock streiten. Wenn dieses Amt allerdings nicht bei Ihnen im Ministerium angesiedelt ist, dann offenbart sich die Rückführungsoffensive als das, was sie ist, nämlich als eine Luftnummer. Herzlichen Dank. ({15})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Martin Gerster. ({0})

Martin Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003758, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin Nancy Faeser! Im Gegensatz zur Darstellung des Kollegen Throm will ich sagen: Die Wehrhaftigkeit der Demokratie, die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaft im Inneren wird mit diesem Haushalt gestärkt, und zwar spürbar, nachhaltig und ganz im Sinne der Zeitenwende, indem wir Prävention, politische Bildung, den Schutz unserer Bevölkerung und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft in den Mittelpunkt der Politik rücken. Das ist die Wahrheit. ({0}) Das Sondervermögen, über das wir in diesen Wochen diskutieren, war notwendig und ist notwendig für die äußere Sicherheit, für die Landes- und Bündnisverteidigung. Im Einzelplan 06 wird die Zeitenwende im Inneren unseres Landes deutlich sichtbar. Einige Beispiele: 1 000 Stellen für die Bundespolizei waren bereits im Regierungsentwurf von Nancy Faeser enthalten. Jetzt ermöglichen wir der Bundespolizei, in den kommenden Jahren weitere 2 000 Planstellen auszubringen, sodass wir schon in diesem Jahr die Anwärterinnen und Anwärter dafür einstellen können. Das Bundeskriminalamt erhält 107 Stellen mehr, außerdem 10 Millionen Euro aus dem Ergänzungshaushalt für polizeiliche Ausbildungs- und Ausstattungshilfe in der Ukraine. Auch das ist Zeitenwende. Das BKA genießt international eine hohe Reputation in der Forensik zur Untersuchung und Beweisaufnahme von Kriegsverbrechen. Hier unterstützen wir die Ukraine, damit Gräueltaten an Zivilistinnen und Zivilisten aufgeklärt und Täter zur Verantwortung gezogen werden können. Ich glaube, das ist auch richtig und notwendig. ({1}) Es zeigt: Bei Nancy Faeser und bei uns in der Ampel ist Sicherheit in guten Händen, und das gilt auch für den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz sowie den Zivilschutz. Der Ergänzungshaushalt allein sieht Investitionen von über 50 Millionen Euro vor. Und da kann man sich über den Änderungsantrag der Union, ehrlich gesagt, nur wundern; denn hier wird heute ja beantragt, dass wir für die Nachrichten-App NINA und Warnsysteme über Cell Broadcast 19 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stellen sollen. Ja, Entschuldigung, das ist schon im Ergänzungshaushalt enthalten, das ist schon beschlossen. Wir haben nämlich 20 Millionen Euro für eine moderne Warninfrastruktur, einen weiterentwickelten Katastrophenschutz, das Warn-App-System NINA mit SMS-Warnung und einer digitalen Sirenenschnittstelle mit Verweis auf die entsprechenden Haushaltstitel vorgesehen. Der Antrag, lieber André Berghegger, ist also obsolet. Also rollen Sie das Papier bitte schön schnell wieder ein, sonst wird es an dieser Stelle nämlich ganz schön peinlich. ({2}) Beim Technischen Hilfswerk gibt es unglaublich gute Resonanz auf unsere Beschlüsse in der Bereinigungssitzung aufgrund der Anträge, die wir als Ampel vorgelegt haben. Es gibt zwei zusätzliche Logistikzentren zur Krisenvorsorge, 10 Millionen Euro zur Anschaffung von sogenannten Unimogs, hochgeländegängigen Fahrzeugen, eine halbe Million Euro für die Cyberhilfe, die durch das THW in Zukunft geleistet werden soll, und im Übrigen ganz besonders viel positive Resonanz auf unser Liegenschaftsprogramm. Wir haben 99 Millionen Euro zusätzlich an Miettiteln bei der BImA organisiert, damit 30 bis 50 zusätzliche THW-Unterkünfte modernisiert werden können. Gute Rahmenbedingungen für unsere Ehrenamtlichen im THW und darüber hinaus: Das ist das, was die Ehrenamtlichen brauchen. Das drückt auch unsere Dankbarkeit für das aus, was sie rund um die Uhr in den Einsätzen in Deutschland und international leisten. ({3}) Auch im Bereich der Migration und Integration steht viel mehr Geld zur Verfügung; das muss man ganz klar sagen. Ich verweise auf zusätzliche Gelder: 8 Millionen Euro für die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer. Ich freue mich auch, dass mit 5 Millionen Euro jetzt erste Vorbereitungen für die unabhängige Asylverfahrensberatung getroffen werden können, ein zentrales Anliegen von uns in der Ampel, aber auch schon von uns in der SPD unter dem letzten Innenminister. Mit CDU/CSU wäre dies wahrscheinlich niemals möglich gewesen. Das zeigt eine Zeitenwende auch in anderen Politikbereichen. Ich glaube, wir als Ampel können ganz schön stolz darauf sein, dass wir das jetzt auf den Weg bringen. ({4}) Wir haben bei der Bundeszentrale für politische Bildung jetzt die Marke von 100 Millionen Euro im Etat erreicht. Das ist absoluter Rekord und zeigt, dass wir auf politische Bildung setzen, dass wir auf Prävention setzen. Das gilt im Übrigen auch, was das Thema Antisemitismus anbelangt. Es ist ja erschreckend, welche Entwicklung das Ganze nimmt. Es ist gut, dass wir hier Zeichen setzen durch Mittelaufwuchs und mehr Stellen. So können wir Antisemitismus besser bekämpfen. Im Übrigen ist es auch sehr gut, dass wir den Sport stärken. Dazu wird Sabine Poschmann für die SPD-Fraktion noch etwas sagen. Jedenfalls bin ich der Meinung: Wir sind beim Etat des Bundesinnenministeriums gut aufgestellt. Ich möchte mich insbesondere bei Jamila Schäfer und Thorsten Lieb, aber natürlich auch bei der Ministerin Nancy Faeser und ihrem ganzen Haus für die hervorragende Zusammenarbeit bedanken. Das war wirklich klasse und ist eine gute Grundlage für die nächsten Jahre in dieser Legislaturperiode, was den Innenetat anbelangt. Herzlichen Dank. ({5})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Dr. Gottfried Curio. ({0})

Dr. Gottfried Curio (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004698, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Zeitenwende im Innenressort bleibt aus. Es bleibt alles beim Alten: Grenzen offen, Portemonnaie offen, Germany last und least. Migration. Hunderttausende durch zig sichere Länder Gezogene werden uns an der Grenze als Fliehende aufgenötigt, und die FDP will von ihrem Abschiebebeauftragten im Koalitionsvertrag schon nichts mehr wissen. Man hat ja einen Queerbeauftragten. ({0}) Zuwandererkriminalität. 2021 war ein Drittel der Tatverdächtigen Ausländer. In München, Stuttgart, Düsseldorf geht die Hälfte aller Straftaten auf ihr Konto, in Frankfurt sind es zwei Drittel. Die Lösung der Ampel: Man bürgert noch schneller ein, und schon gibt es weniger kriminelle Ausländer. Die Bürger lassen sich aber nicht für dumm verkaufen, Frau Faeser. ({1}) Auch sonst wird die Sicherheit vorsätzlich vernachlässigt. Von links gab es letztes Jahr mehr politische Gewalttaten als von rechts. Es gab dramatisch viel mehr Gewalt von links gegen Polizeibeamte, achtmal mehr islamistische Gefährder als Rechtsextreme, islamistische Terrorverfahren: 40‑mal mehr. Faesers Antwort: Man erfindet eine Schlagzeile „Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden“, bei Anhaltspunkten bei 300 Personen von 600 000 – ein halbes Promille. 99,95 Prozent waren clean. Die Schlagzeile: bewusste Desinformation. Und wo sind Ihre Ansätze gegen Clankriminalität? Nancy Faeser hat die Prioritäten erkannt. Sie zeigt Flagge: vor dem Ministerium die Regenbogenflagge. Und es gibt 1 Milliarde für linke Lobbygruppen und Migrantenvereine zur angeblichen Demokratieförderung, natürlich mit Projektautonomie, aber ohne Bekenntnis zur FdGO. – Das braucht niemand, meine Damen und Herren. ({2}) Aber Faeser will nicht nur rechtsextreme Netzwerke zerschlagen, die in jeder Innenausschusssitzung verzweifelt gesucht werden, aber nie auftauchen wollen. ({3}) Schon im Kindergarten brauche es Demokratieerziehung, damit es egal ist, wo eine Familie mal hergekommen ist. Es geht überhaupt nicht um Extremismusbekämpfung, es geht um Indoktrination. Kritik an der aggressiven Zuwanderungspolitik soll aberzogen werden. Das Ziel: keine mündigen Bürger, sondern links programmierte Schlafschafe. Das ist nicht Demokratieförderung, sondern ‑behinderung. Aber damit kennen Sie sich ja aus: Meinungsunterdrückung durch Ihr Netzzensurgesetz, Oppositionsunterdrückung hier im Haus durch Verwehrung der Minderheitenrechte. Wer hier das Demokratieproblem ist, das sind Sie. ({4}) Und die Ministerin will für ihren politischen Kampf Begriffe verfälschen, etwa das Wort „Heimat“ positiv umdeuten. Heimat ist für sie ein negativer Begriff. O-Ton: „Es ist ein offener Begriff“, sodass „alle Menschen so leben können, wie sie möchten“. Man will also nicht Integration einfordern, sondern Entheimatung der Einheimischen. Faeser: „Der Begriff soll signalisieren, dass wir die Gesellschaft zusammenhalten wollen.“ Nein, das soll er nicht! Er bedeutet vielmehr den Anspruch der einheimischen Bevölkerung auf ein Leben in ihrem Land nach gewachsenen Traditionen. Die Menschen um ihre Heimat zu betrügen, das wird Ihnen nicht gelingen. ({5}) Und der Rechtsbruch geht weiter. Man belässt Migranten nicht in Erstankunftsländern, schiebt Hunderttausende Abgelehnte nicht ab, koppelt Entwicklungshilfe nicht an Rücknahme illegaler Migranten. Dafür darf der Steuerzahler seit 2015 900 000 Migranten in Hartz IV beköstigen. Es bräuchte Sach- statt Geldleistungen für Asylbewerber, effektive Abschiebungen, mehr sichere Herkunftsländer. Stattdessen fordern SPD-Frau Fahimi und die Grünen noch mehr Anreize für Einwanderung in die Sozialsysteme, Hartz IV sofort für jeden, der über die Grenzen kommt. Das wird unsere ärmeren Mitbürger jetzt sicher freuen, so viele Wohltaten. Dazu gibt es 9 Milliarden Euro zur angeblichen Fluchtursachenbekämpfung, eine absurde Riesengießkanne ins Ausland: Das wird unsere inflationsgeplagten Bürger freuen. Und jetzt noch regelmäßig Milliarden für die Ukraine. Wer wollte da noch niedrigere Heizpreise, wenn ihm so das Herz gewärmt wird? Immer getreu dem Regierungsmotto: Wir kümmern uns um jeden, solange er nicht aus Deutschland stammt. Ich danke Ihnen. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Marcel Emmerich. ({0})

Marcel Emmerich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004969, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zu meinem Vorredner: Ich bin neu im Deutschen Bundestag. Es ist eine sehr große Ehre, hier an diesem Redepult zu stehen und in diesem Hohen Haus zu reden. Und es ist wirklich fürchterlich, wie Sie mit diesem Redepult umgehen, welche ständigen Tiraden Sie hier rauslassen und wie Sie die Ehre dieses Hohen Hauses immer wieder bloßstellen. ({0}) Hinter uns liegen ganz besondere Haushaltsverhandlungen mit wirklich hochmotivierten Koalitionsfraktionen, einer neuen engagierten Ministerin und gleichzeitig schwierigen und dynamischen Umständen – eine Pandemie, ein Angriffskrieg in Europa und eine Fluchtbewegung –, die uns vor Herausforderungen stellen. Das sind immense Aufgaben für den Bund, für die Länder, die Kommunen, für die vielen Ehrenamtlichen und auch die Sicherheitskräfte. Insbesondere den beiden Letzteren gelten unsere Unterstützung und unser Dank für ihre tolle Arbeit. Herzlichen Dank. ({1}) Ja, wir sind in der Haushaltsdebatte. Da geht es um Geld, aber Geld allein macht nicht glücklich. Dennoch ist es immer eine gute Grundlage, um seine politischen Anliegen voranzubringen und in diesem Fall für eine Politik einzutreten, die Wert darauf legt, Freiheit, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit für alle Menschen zu gewährleisten, ein klares Bekenntnis zur humanitären Aufnahme von Geflüchteten abzulegen, sich für die Stärkung der Demokratie und für einen funktionsfähigen Zivil- und Katastrophenschutz einzusetzen und, Herr Throm, mit einem evidenzbasierten und grundrechtsorientierten Ansatz aufzutreten, der auch rechtsstaatlich sicher ist. ({2}) So machen wir das bei Fragen von Überwachungsmaßnahmen, sodass es den Kernbereich unserer Akteure nicht erschüttert und keinen Generalverdacht gibt. Das ist unser Anliegen. Sie sind da ganz falsch unterwegs. ({3}) Deswegen stoßen wir zum Beispiel die Überwachungsgesamtrechnung an und unterlegen diese im Haushalt mit Geld. Wir stärken das BBK und das THW unter anderem mit geländegängigen Fahrzeugen, auch „Unimogs“ genannt. Wir sorgen auch für mehr Geld für die Unterbringung von Geflüchteten und richten einen starken Fokus auf die IT-Sicherheit. In den letzten Wochen und Monaten haben wir aber auch noch was anderes wieder sehr deutlich zu spüren bekommen; darauf möchte ich eingehen: Razzien, um die Zellen der sogenannten „Atomwaffen Division“, Combat 18 und Knockout 51 auseinanderzunehmen, Razzien in 20 Objekten in neun Bundesländern, um die sogenannten „Vereinten Patrioten“ auszuhebeln – sie zielten unter anderem mit Anschlägen auf den Gesundheitsminister ab, hatten Pistolen, Kalaschnikow, Nachtsichtgeräte und vieles mehr und standen bereit –, und Jeremy R. plante einen rechtsextremistisch motivierten Anschlag auf Schüler/-innen und Lehrkräfte in dem von ihm besuchten Gymnasium in Essen. Wir sehen: Die Bedrohung durch rechtsextreme Gewalt bleibt hoch aktuell. An diese Nachrichten aus den letzten Wochen und Monaten dürfen wir uns nicht gewöhnen. ({4}) Wir dürfen das nicht hinnehmen. Wir stellen uns diesem Gedankengut, wir stellen uns rechten Netzwerken entschieden entgegen. An dieser Stelle möchte ich auch den Ermittlungsteams danken, die das ausermittelt und aufgedeckt haben. Das verdeutlicht: Ein entschlossenes Vorgehen der Sicherheitsbehörden ist von besonderer Bedeutung. Deswegen statten wir diese jetzt auch weiterhin personell gut aus. Außerdem stärken wir die Zivilgesellschaft, die im Kampf gegen rechts auch so wichtig ist. ({5}) Rechter Terror ist die Bedrohung für unsere Demokratie, der Einsatz dagegen hat oberste Priorität für uns. Das will ich mit Blick auch auf den heutigen Todestag von Walter Lübcke noch mal dick und fett unterstreichen. ({6}) Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben einen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus vorgelegt. Wir sind bereit, ihn abzuarbeiten, hoffentlich gemeinsam mit allen demokratischen Fraktionen hier im Haus. Wir sind dazu bereit. Wir wollen loslegen. Fangen wir an! Dieser Einzelplan ist eine gute Basis dafür. Vielen Dank. ({7})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Redner: für die Fraktion Die Linke Dr. André Hahn. ({0})

Dr. André Hahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004288, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Sprecher für Zivil- und Katastrophenschutz der Fraktion Die Linke möchte ich dazu einige Anmerkungen machen. Die Aufstockungen für das Technische Hilfswerk begrüßen wir ausdrücklich. ({0}) Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen – das füge ich hinzu –, dass unser Land im Fall von Naturkatastrophen, Pandemien und größeren Fluchtbewegungen nach wie vor schlecht aufgestellt ist. Statt zusätzliche 100 Milliarden für die Bundeswehr zu verpulvern, wäre es gut, wenn wenigstens ein Bruchteil dieser Mittel für den zivilen Katastrophenschutz zur Verfügung gestellt würde. ({1}) Übrigens fordert selbst Bayerns Innenminister Herrmann dafür 10 Milliarden Euro. Chaos im Innenministerium auch beim Katastrophenschutzmodul „Labor Betreuung 5 000“. Wie viele Module sollen denn nun wirklich neu angeschafft und dauerhaft finanziert werden? Dazu gibt es keine klaren Aussagen. Nun zum Sport. Am 27. April war Ministerin Faeser im Sportausschuss. Auf meine Frage, ob es nach Ihrem Amtsantritt personelle Veränderungen in der Abteilung Sport gegeben hat oder ob solche vorgesehen sind, haben Sie, Frau Ministerin, geantwortet – Zitat –: „Mit der Abteilung bin ich sehr zufrieden; ich habe nicht vor, sie zu verändern.“ – Letzte Woche wird dann plötzlich die Abteilungsleiterin in den vorzeitigen Ruhestand versetzt, laut Medienberichten angeblich wegen unüberbrückbarer Differenzen. Dazu heute kein Wort von Ihnen. Bei Sportstätten und Schwimmbädern gibt es nach wie vor einen bundesweiten Sanierungsstau von mehr als 30 Milliarden Euro. Die Koalition hat jetzt dafür lediglich 449 Millionen Euro bereitgestellt, verteilt auf sechs Jahre. Das ist nicht mehr als der Tropfen auf den heißen Stein. ({2}) Wir als Linke fordern einen echten Goldenen Plan „Sportstätten“, an dem sich der Bund in den kommenden zehn Jahren mit jeweils 1 Milliarde Euro beteiligt. Diese Position teilen inzwischen auch der DOSB und der Deutsche Städtetag. ({3}) Letzter Gedanke. Ich hoffe, dass wir uns alle einig sind, dass der Sport eine herausragende Bedeutung in unserer Gesellschaft hat. Deshalb frage ich: Wo bleibt der überfällige Sport- und Bewegungsgipfel im Kanzleramt, den nicht nur der DOSB fordert? Herr Bundeskanzler, laden Sie endlich dazu ein. ({4}) Der FC Bundestag hat in Lahti mit seinem Sieg im europäischen Parlamentarierturnier geliefert. Das Innenministerium muss beim Haushalt noch deutlich nachlegen. ({5})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Konstantin Kuhle. ({0})

Konstantin Kuhle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004796, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Heute vor drei Jahren wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke von einem Rechtsextremisten erschossen. Der Kollege Emmerich hat gerade daran erinnert und zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass man in einer haushaltspolitischen Debatte über die Prioritäten der Bundesregierung und der Ampelmehrheit sprechen muss. Eine der Prioritäten ist die Bekämpfung des Rechtsextremismus, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Das ist der richtige Ansatz dieser neuen Ampelmehrheit und dieser Bundesregierung. Es ist aber vor allen Dingen mehr als ein Lippenbekenntnis. Es muss mit konkreten Maßnahmen verbunden sein; viele sind hier schon angesprochen worden. Ich will mich hier auf eine beschränken, die mir besonders am Herzen liegt: Das ist die Verteidigung und der Schutz der ehrenamtlich Tätigen und der Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker, die bespuckt werden, die angepöbelt werden, deren Privatanschriften belagert werden. Das muss aufhören. ({1}) Sonst werden wir keine Leute mehr finden, die sich ehrenamtlich für unsere Gesellschaft engagieren. Es ist gut und richtig, dass wir gerade auch in diesem Bereich die Sensibilität unserer Sicherheitsbehörden erhöhen. Wenn wir über die Prioritäten der Bundesregierung und der Bundestagsmehrheit sprechen, dann geht es auch um die Verteidigung der Bürgerrechte, gerade im digitalen Raum. Deswegen bin ich Ihnen, liebe Frau Bundesinnenministerin, besonders dankbar, dass Sie sich beim Thema Chatkontrolle so klar an die Seite des Bundesjustizministers und des Digitalministers gestellt haben. Denn wir müssen uns einmal klarmachen, was das bedeuten würde, wenn anlasslos und flächendeckend jede private Kommunikation gescannt würde. ({2}) Diese Pläne auf der Ebene der Europäischen Union wären das Ende jeder vertraulichen Kommunikation, ({3}) wären das Ende der Privatsphäre, wären das Ende der informationellen Selbstbestimmung. Deswegen ist es gut, dass die Bundesrepublik Deutschland das nicht mitmachen wird, liebe Frau Bundesinnenministerin. ({4}) Es ist doch weltfremd und naiv, zu glauben, dass dieses Instrument nur für die Bekämpfung von Kindesmissbrauch eingesetzt würde. Sie von der Union sind doch die Ersten, die beginnen werden, den Einsatz dieses Instruments für weitere Kriminalitätsformen zu fordern. ({5}) Das geht doch schon los. Genau deswegen darf man diese Tür nicht aufmachen. ({6}) Ich sage Ihnen noch was: Das Gleiche gilt für die Vorratsdatenspeicherung. Wir haben eine Situation in Deutschland, in der nach vielen, vielen Jahren der Verantwortung der Union im Bereich der Innenpolitik keine Vorratsdatenspeicherung stattfindet und damit die Daten auch nicht genutzt werden können. Wissen Sie, woran das liegt? Das liegt daran, dass schwarze Sheriffs von der Union immer und immer wieder mit dem Kopf vor dieselbe Wand laufen, nämlich europäischer und deutscher Gerichte. ({7}) Wir haben also keine Möglichkeit, diese Daten zu nutzen. Diese Bundesregierung, diese Ampelmehrheit wird eine verantwortungsbewusste Möglichkeit einführen ({8}) – darauf können Sie sich verlassen –, Daten zu nutzen, die Bürgerrechte zu schützen und damit dazu beizutragen, dass ein ganz widerliches Verbrechen, dass widerlichste Straftaten bekämpft werden, und das ist der Kindesmissbrauch. ({9}) Es gibt, glaube ich, eine Nachfrage vom Kollegen Throm, über die ich mich sehr freue.

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Herr Kollege, lassen Sie eine Nachfrage zu?

Konstantin Kuhle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004796, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, ausdrücklich, sehr gerne.

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Herr Throm, Sie haben das Wort.

Alexander Throm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004917, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke sehr, Herr Kuhle, dass Sie die Nachfrage zulassen. – Wir sind uns einig im Kampf gegen Kindesmissbrauch und wollen das auch so effektiv wie möglich machen; Sie haben das gerade auch ausgeführt. Ihnen ist sicherlich das Urteil des EuGH zum Thema Vorratsdatenspeicherung von Ende April zu einem irischen Fall bekannt, wo der EuGH nochmals, aber nunmehr expliziter, Ausnahmen von dem grundsätzlichen Verbot oder der Begrenzung zugelassen hat, insbesondere auch, was das Thema „Nutzung, Registrierung und Auslesen von IP-Adressen“ anbelangt. Und Ihnen ist sicherlich auch bekannt, dass alle Experten, die damit zu tun haben, insbesondere der BKA-Präsident Münch, genau diese Möglichkeit fordern, und zwar rückwirkend auf mindestens sechs Monate. Die Frau Innenministerin hat gestern ebenfalls die Nutzung dieser IP-Adressen richtigerweise und dankenswerterweise gefordert. Meine Frage an Sie und die FDP: Sind Sie mit dem Vorschlag der Nutzung der IP-Adressen, auch bis zu sechs Monate rückwirkend, einverstanden?

Konstantin Kuhle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004796, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, damit sind wir nicht einverstanden, lieber Kollege Throm, ({0}) und ich will Ihnen ganz deutlich sagen, was der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist. Der Unterschied ist, dass Sie verfassungswidrige Gesetze machen ({1}) und dann darauf warten, dass das Bundesverfassungsgericht oder der EuGH Ihnen genau aufschreibt und ausbuchstabiert, was Sie dürfen und was Sie nicht mehr dürfen, ({2}) um dann anschließend genau das aus dem Gerichtsurteil abzuschreiben und ins Gesetz zu schreiben. ({3}) So arbeiten Sie. Der Unterschied ist, dass die neue Ampelmehrheit und insbesondere die FDP so arbeitet, dass sie sich vorher überlegt, was sie gerne hätte und was eigentlich was bringen würde, ({4}) und dass sie auch das parlamentarische Selbstbewusstsein und parlamentarische Selbstverständnis hat, dass der Gesetzgeber hier, im Deutschen Bundestag, sitzt und, bei allem Respekt, nicht in Karlsruhe. ({5}) Denn dort findet anschließend eine Kontrolle der Gesetze statt und nicht vorher. Deswegen werden diese Bundesregierung und diese Bundestagsmehrheit mehr Möglichkeiten schaffen, als Sie über Jahre ausgelassen haben, weil Sie immer und immer wieder den gleichen Fehler gemacht haben. ({6}) Ich bin sehr optimistisch, dass damit die Zahl der Täter, die wir dingfest machen, die wir vor Gericht bringen werden, steigen wird. Darauf können Sie sich verlassen, lieber Herr Kollege Throm. ({7}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will diese Gelegenheit gerne auch nutzen, um neben dem Thema „Bürgerrechte“ und neben dem Thema „Krisenbewältigung, Extremismusbewältigung“ etwas anzusprechen, was im Bereich der Innenpolitik nicht unter den Tisch fallen darf, und das sind strukturelle Reformen. Ich habe das Gefühl, dass unser Bundesinnenministerium einen wirklich guten Job macht, wenn es darum geht, operative Fragen zu klären und mit dem operativen Tagesgeschäft klarzukommen. Das ist ja auch völlig klar: Wenn man sich den Bundeshaushalt im Bereich des Innenministeriums anschaut, dann sieht man, dass dieses Haus besonders durch operative Tätigkeiten geprägt ist, gerade im Bereich der Bundespolizei. Aber die Innenpolitik braucht auch strukturelle Reformen. Wir werden noch über das Thema „digitale Verwaltung“ sprechen, und wir müssen über die Themen „Cyberabwehr“ und „Zivilschutz“ sprechen. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen vor allen Dingen sprechen über das Thema „Zuwanderung in den Arbeitsmarkt“. Dieses Thema darf nicht immer wieder der Krisenrhetorik und der Krisenbewältigung in unserem Land zum Opfer fallen. Wir haben es wegen Corona nicht hingekriegt, und wir haben es nicht hingekriegt, weil die Union mit ihren Lebenslügen in puncto Einwanderungsgesetz nicht klargekommen ist. ({8}) Und jetzt haben wir das Thema Ukraine, das wir bewältigen müssen. Wir müssen es auf die Kette kriegen, zu Beginn dieser Legislaturperiode einen Paradigmenwechsel in der Einwanderungspolitik hinzubekommen, mit einem wettbewerbsfähigen Einwanderungsgesetz, mit einem Punktesystem, sodass wir nach den Hunderten und Tausenden Gesprächen, die wir jeden Tag mit Arbeitgebern führen, die sagen: „Mir fehlen hier Fachkräfte; bringt sie uns endlich!“, sagen können: Wir haben es geschafft. Wir haben ein Einwanderungsgesetz für Deutschland auf den Weg gebracht. ({9}) Diese Strukturreformen müssen auch sein, und die FDP macht gerne mit. Vielen Dank. ({10})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Fritz Güntzler. ({0})

Fritz Güntzler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004285, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich möchte das Augenmerk auf einen besonderen Punkt im Einzelplan 06 legen, nämlich den Sport. Es geht um die Förderung des Sports. Der Sport – da sind wir uns, glaube ich, hier im Hause alle einig – hat eine besondere gesellschaftliche Bedeutung. Das betrifft sowohl den nichtorganisierten Sport als auch den organisierten Sport in Deutschland. Über 27 Millionen Menschen treiben in fast 90 000 Vereinen Sport. Dies alles ist nur möglich, weil es ein großartiges ehrenamtliches Engagement von fast 9 Millionen Menschen gibt, die weit über 500 Millionen Stunden Arbeitsleistung einbringen. Ich finde, diesen Menschen können wir heute Morgen mal danken. ({0}) Sport ist mehr als Gesundheitsförderung. Er leistet einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, zur Integration, zur Inklusion, zur Demokratieförderung und zur politischen Bildungsarbeit, aber insbesondere auch zur Kinder- und Jugendarbeit. Er schafft Verbindungen und vermittelt wichtige Werte wie Respekt, Teamgeist und Fair Play, die wir alle auch hier walten lassen sollten. Deshalb braucht der Sport unsere gemeinsame Unterstützung. ({1}) Ich weise gerne darauf hin, dass wir in der Großen Koalition in der letzten Legislaturperiode da einiges geleistet haben. Der Sportetat ist von 162 Millionen Euro auf fast 500 Millionen Euro angewachsen – darunter auch 200 Millionen Coronahilfen. Der reine Sportförderungsaufwuchs beträgt über 70 Prozent, und ich finde, da können wir Horst Seehofer noch mal ganz herzlich danken, dass er das nach vorne gebracht hat. ({2}) Wir sind uns auch einig, dass die Sportvereine in der Coronazeit besonders gelitten haben. Sportveranstaltungen waren nicht mehr möglich; der Trainingsbetrieb musste teilweise eingestellt werden. Die Sportvereine haben Mitglieder auf unterschiedliche Art verloren; bei den kleinen Vereinen sind es weniger als bei den großen Vereinen. Darum ist es richtig – die Bundesinnenministerin hat ja darauf hingewiesen –, dass es jetzt ein Projekt „Neustart nach Corona“ geben soll. Ich finde es aber schon bewundernswert – in Anführungsstrichen –, dass in dem Entwurf der Bundesregierung dafür nichts enthalten war, sondern dass es der Haushaltsausschuss war, der dafür 25 Millionen Euro eingestellt hat. Das sind ungefähr 270 Euro pro Verein; da ist also noch ein bisschen Luft nach oben. Wir finden es grundsätzlich richtig. Peinlich finde ich aber schon, dass der Haushaltsausschuss das mit einem Sperrvermerk versehen muss, weil derzeit, nach sieben Monaten, immer noch kein Konzept dieser Bundesregierung vorliegt. Frau Ministerin, hier müssen Sie auch mal handeln! ({3}) Leider zieht sich das, was ich vorhin schon zur Sicherheitspolitik hier hören durfte, wie ein roter Faden auch durch die Sportpolitik: dass Sie vieles ankündigen, aber nicht handeln. Sie sprechen im Koalitionsvertrag, der immerhin auch eine halbe Seite für den Sport übrig hat, von einem „Entwicklungsplan Sport“, der erarbeitet werden muss. Fehlanzeige! Auf unsere Nachfragen im Sportausschuss kommt als Antwort: Es gibt derzeit gar nichts zu diesem Punkt. – Der DOSB, der Deutsche Olympische Sportbund, hat jetzt Vorschläge vorbereitet und vorgelegt, damit man überhaupt in die Diskussion kommt. Liebe Frau Faeser, bevor Sie Personal entlassen, sollten Sie lieber mal an Inhalte gehen und über Inhalte nachdenken, damit Sie die Dinge, die Sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben, auch tatsächlich umsetzen. ({4}) Wir können auch zur Mittelvergabe beim Spitzensport weitergehen. Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag geschrieben, Sie wollen eine unabhängige Instanz zur Mittelvergabe schaffen. Kein Mensch weiß derzeit, was diese Instanz sein soll. Der DOSB weiß es nicht; die Beteiligten wissen es nicht. Wir haben derzeit eine gemeinsame Förderkommission des Innenministeriums und des DOSB, die das gut macht. Sie wollen eine neue Instanz schaffen, sagen aber gar nicht, wie. Und wieder zeigt sich: Sie handeln nicht; Sie kündigen nur an. ({5}) Kollege Hahn hat den Sanierungsstau und eine Offensive zum Ausbau von Sportstätten angesprochen. Sie schreiben im Koalitionsvertrag: nicht nur für kommunale, sondern auch für vereinseigene Sportstätten. Bis zum Jahr 2027 kommen da gerade mal 476 Millionen raus. Da haben wir übrigens in der Großen Koalition schon mehr gemacht; ich meine, wir hatten 600 Millionen drinstehen – in einem Jahr! Da geht mehr. Und für die vereinseigenen Sportanlagen haben Sie wieder keine Lösung vorgelegt. Auch da liefern Sie nicht. Zusammengefasst: Es wären noch mehrere Punkte zu nennen, wo Sie nicht handeln. Nehmen Sie die Aufgabe ernst; nehmen Sie den Sport ernst! Die Menschen, die im Sport tätig sind, haben es verdient, dass sie ernst genommen werden. Sie brauchen Wertschätzung und nicht nur Ankündigungen. Herzlichen Dank. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Dirk Wiese. ({0})

Dirk Wiese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es gibt ja das Phänomen in Debatten und Reden, dass man Sonntagsreden hält: dass man lobt, zum Beispiel das Ehrenamt, dass man Applaus bekommen möchte. Lieber Fritz Güntzler, das fand ich gut, und ich habe gerade auch geklatscht. Was ich mir nur nicht ganz erklären kann – wir haben ja die klare Fokussierung auf den Sport –, ist, wieso der Kollege Berghegger im Haushaltsausschuss sieben Kürzungsanträge für den Sportbereich eingereicht hat. ({0}) Das passt aus meiner Sicht nicht ganz zusammen. Da hätte man schon ehrlich sein müssen. Die Prioritätensetzung für den Sport war wohl bei der Union nicht ganz so ausgeprägt. Da ist wohl die Kommunikation zwischen Haushalts- und Sportpolitikern bei Ihnen in dem Punkt nicht ganz vorhanden. ({1}) In der Ampelkoalition setzen wir gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser einen klaren Schwerpunkt auf die innere Sicherheit, weil wir einen umfassenderen Begriff von innerer Sicherheit haben. „Innere Sicherheit“ heißt für uns nicht „Strafverschärfungen allein im Strafgesetzbuch“, sondern da genau hinzuschauen und zu fragen: Wie können wir Kriminalität verhindern? Wie können wir Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land vorbeugend erhöhen? Das ist der Schwerpunkt, den wir in diesem Haushalt setzen und der sich im Haushalt wiederfindet. Es ist der größte Haushaltsetat im Innenbereich, den wir jemals gehabt haben. Dafür bin ich den Haushälterinnen und Haushältern der Koalitionsfraktionen sehr dankbar. In Westfalen würden wir sagen: Das habt ihr ganz ordentlich gemacht. – Vielen Dank dafür. ({2}) Es ist angesprochen worden: Die Stärkungen des Technischen Hilfswerks werden fortgesetzt. Und die sind richtig. Die Herausforderungen sind da. Die Flutkatastrophe im Ahrtal, aber auch die gerade erst aufgetretenen Tornados in Paderborn und Lippstadt haben gezeigt, wie wichtig es ist, auch aufgrund der klimatischen Veränderungen, hier voranzugehen. Ich bin der THW-Helfervereinigung, dem Präsidium und Martin Gerster sowie Andrea Lindholz sehr dankbar, dass sie in einer Pressemitteilung das, was die Ampelkoalition hier gemacht hat, ausdrücklich loben. Das ist gut fürs THW und die Katastrophenhilfe bei uns im Land. ({3}) Ausdrücklich will ich auch die Stärkung der Bundespolizei hervorheben; das ist schon angesprochen worden. Wir wollen durch eine klare Prioritätensetzung Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen für die Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei voranbringen. Durch die Reform des Bundespolizeigesetzes werden wir, gerade was die Unterkünfte und die Liegenschaften der Polizeibeamtinnen und ‑beamten angeht, die Weichen richtig stellen. Aber: Seien wir ehrlich! Es gehört genauso dazu, die Ruhegehaltfähigkeit der Polizeizulage auf den Weg zu bringen. Hierzu haben wir uns als Ampelkoalition entschlossen. Das werden wir auf den Weg bringen. Hier hat das Innenministerium früher blockiert. ({4}) Ich bin dankbar, dass das jetzt nicht mehr passiert und dass wir das voranbringen. Die GdP, die Gewerkschaft der Polizei, hat das ausdrücklich begrüßt. Hier werden wir die entsprechenden Vorlagen sehr zeitnah auf den Weg bringen. ({5}) Ebenso setzt das Bundesinnenministerium mit Nancy Faeser auch die klare und richtige Priorität auf die Bekämpfung des Extremismus und gerade der größten Bedrohung, die wir im Land haben: des Rechtsextremismus. Ich sage es noch mal sozusagen als Ausgangspunkt: Wir setzen genauso auf Prävention. Darum werden wir als Ampelkoalition gemeinsam mit dem Bundesinnenministerium und dem Bundesfamilienministerium ein Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen, weil wir die Demokratie in unserem Land stärken müssen, weil wir die demokratischen Initiativen, die sich täglich überall dafür einsetzen, unterstützen und auskömmlich finanzieren wollen. Die Demokratie muss wehrhaft sein. Dazu braucht sie Unterstützung. Das werden wir als Ampelkoalition zeitnah auf den Weg bringen. ({6}) Ebenso werden wir – da bin ich dankbar, dass der Kollege Kuhle das prioritär angesprochen hat – mit einigen Lebenslügen im Bereich „Migration und Einwanderung“ aufräumen müssen. ({7}) Wir sind ein Einwanderungsland. Wir brauchen ein modernes Einwanderungsrecht. Wir brauchen ein Chancen-Aufenthaltsrecht, um den Menschen, die lange hier sind, die in Kettenduldungen sind, Perspektiven zu geben. ({8}) Auch hier werden wir vorankommen. ({9}) Zum Schluss vielleicht noch eine Anmerkung an den Kollegen Throm. Das neue Stilmittel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zeichnet sich in den Debatten dadurch aus, dass man Fragen stellt. Das haben wir ja auch gestern erlebt. ({10}) Allerdings sind Sie da ein bisschen bei den Staatssekretären durcheinandergekommen, wie die zukünftig angesiedelt sind. Von daher ist das Instrument der Kleinen Anfrage vielleicht ganz gut, damit wir Ihnen sehr schnell Aufklärung über die Zusammensetzung der Staatssekretäre geben können. Da haben Sie etwas durcheinandergebracht. In diesem Sinne: Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({11})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Jörn König. ({0})

Jörn König (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004788, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Und vor allem: Liebe Sportler! Die Regierung hat den Sporthaushalt in knapp fünf Jahren fast verdoppelt, auf jetzt 338 Millionen Euro. Die AfD hatte schon 2018 gefordert, bis zum Jahr 2022 den Sport mit jährlich 340 Millionen Euro zu fördern. Herzlichen Glückwunsch, Frau Ministerin, herzlichen Glückwunsch, liebe Ampelkoalition: Sie haben unseren Vorschlag zu 99,4 Prozent umgesetzt! So was nennt man eine Punktlandung. ({0}) Frau Ministerin, Sie waren am 27. April bei uns im Sportausschuss. Viele Ihrer damals dargelegten Vorhaben im Sport hätten auch von der AfD kommen können ({1}) bzw. sind schon seit 2018 in unseren sportpolitischen Thesen formuliert. Ein paar Beispiele: Sie nennen es „Integration des Vereinssports mit den Schulen und Ganztagsschulen“, wir nennen es „bessere Kooperation von Schule und Sportverein“ – und meinen beide dasselbe: die Talentsichtung und Talentförderung durch Patenschaften zwischen Schulen und Sportvereinen auszubauen. Nächstes Beispiel. Wir wollen gemeinsam die Ausrichtung von Sportgroßveranstaltungen mit dem Ziel, dass in Deutschland wieder Olympische Spiele stattfinden. Special Olympics 2023, Fußball-EM 2024 und Universiade 2025 in Deutschland sind dafür Meilensteine. ({2}) Winter-Olympia 2030 in München sollte das Ziel sein; denn eigentlich war München schon 2022 dran. Das wäre auch dreimal besser gewesen als diese Politpropagandashow in Peking. Die Sportpolitik geht zurzeit in die richtige Richtung. Erhöhen Sie weiter den gesellschaftlichen Stellenwert des Breiten- wie auch des Spitzensports. Aber wir werden – Kollege Güntzler hat das angesprochen – ganz genau schauen, ob und wie Sie Ihre Vorhaben auch wirklich umsetzen. Hätten Sie den einen oder anderen von unseren sieben Änderungsanträgen zum Haushalt irgendwie aufgenommen, ja, dann wäre der Sporthaushalt in einer Einzelabstimmung eventuell sogar zustimmungsfähig gewesen. Sport frei! Und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Tina Winklmann. ({0})

Tina Winklmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005259, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Kolleginnen und Kollegen! Sportlerinnen und Sportler! Liebe Ehrenamtliche! Haushalt heißt, nach Verhandlungen und langen Nächten Zahlen zu präsentieren und damit unserer Gesellschaft Antworten zu geben. Ich möchte jetzt nicht diese imposanten Zahlen einzeln präsentieren, sondern eben aufzeigen, was wir damit tun. Da kommt jetzt der Sport ins Spiel. Sport ist Emotion, ist Leidenschaft, Freude und Trauer und ist Hingabe und Vielfalt. Es ist der Spitzensport, der Idole hervorbringt, und diese Idole bringen die Breite in Bewegung. Dadurch kommen Menschen nicht nur zum Sport, sondern der Sport bekommt eine tragende Rolle für das gesellschaftliche Zusammenleben. Sport vermittelt demokratische Werte. ({0}) Für uns heißt Sportpolitik, sich aktiv für Gleichstellung einzusetzen, Inklusion zu leben, den Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus aufzunehmen. Sport integriert – auf allen Ebenen. Sport bringt uns zusammen, er eint uns. ({1}) Unsere Athletinnen und Athleten sind hier Vorbilder und brauchen unsere klare Unterstützung. Sie sind nicht nur in ihren Disziplinen Weltklasse, sie sind auch starke Persönlichkeiten mit starken Stimmen. Die Rechte der Athletinnen und Athleten müssen deshalb aktiv und unabhängig gestärkt werden. Dafür müssen wir ihnen als Politik bestmögliche Voraussetzungen schaffen. Mit diesem Haushalt gehen wir einen großen Schritt in die richtige Richtung. ({2}) Neben dem Tischtennisverein vor Ort und dem Spitzensport im Land haben wir aber auch den Blick auf diejenigen, die in der Pandemie mit am meisten zurückstecken mussten: Wir bringen Kinder und Jugendliche nach Corona wieder in die Sporthallen und auf die Sportplätze. Dafür müssen diese aber auch den Standard erfüllen. Dafür braucht es Mittel, und diese stellen wir. ({3}) Alle diese Aufgaben tragen im Sport vor allem Menschen im Ehrenamt. Dafür gebührt ihnen Anerkennung; denn die breite Basis im Sport wäre überhaupt nicht möglich ohne all die Freiwilligen, die ihre Freizeit opfern, um Menschen für Bewegung und das Miteinander zu begeistern. ({4}) Sport muss aber auch angstfrei, offen und ein Vorbild sein gegen jegliche Art der Gewalt und Diskriminierung. Hier ist in den letzten Jahrzehnten zu wenig passiert. Sexualisierte Gewalt im Sport ist ein immenses Problem, von der Breite bis in die Spitze. Das muss deutlich angegangen werden, und mit uns wird es das auch. ({5}) Mit einem unabhängigen Zentrum für Safe Sport schaffen wir eine Instanz, die den Kampf gegen Gewalt im Sport aufnimmt. Genauso sieht es beim Thema Doping aus. Auch hier bedarf es noch sehr viel mehr Aufklärung und Prävention. Hand in Hand für sauberen und ehrlichen Sport! Das gehen wir an. Das ist, was Sport ausmacht, was Sport, was Spitzensport voranbringt. Hier gibt es noch einiges zu tun, und dieser Aufgabe haben wir uns leidenschaftlich angenommen. Mit einem klaren Aufwuchs der Haushaltsmittel im Sportbereich fördern und fordern wir das als Regierung sehr gezielt, damit unsere Athletinnen und Athleten sich auf ihre Leistung konzentrieren können und wir mitfiebern können, damit sich die nächste Generation die Topathletinnen und ‑athleten nicht nur als Poster ins Kinderzimmer hängt, sondern sich den Traum auch selber verwirklichen kann. Deswegen will ich jetzt sagen: So! Schweißband an, und packen wir es an! Wir haben was zu tun, und wir ziehen das durch. Danke schön. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Dr. Volker Redder. ({0})

Dr. - Ing. Volker Redder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005183, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir können mit dem jetzigen Stand der Verwaltungsdigitalisierung nicht zufrieden sein. Wir alle wissen von den Umsetzungsproblemen beim Onlinezugangsgesetz. Wir wissen, dass in den Verwaltungen immer noch zu viel gefaxt, gedruckt und reihenweise in Papierordnern abgeheftet wird. Wir wissen, dass da in den vergangenen Jahren viel zu wenig passiert ist. Wir steuern jetzt um. Wir als Ampel fangen nämlich mit diesem Haushalt damit an. ({0}) Wir haben es zusammen mit dem Bundesfinanzminister geschafft, die Haushaltsmittel für die Verwaltungsdigitalisierung im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel, also um eine halbe Milliarde Euro – 500 Millionen Euro –, zu erhöhen. Geld ist das eine. Aber insgesamt muss die öffentliche Hand künftig natürlich proaktiver sein. ({1}) Sie muss als Innovations- und Gestaltungstreiber wirken, bis in die Wirtschaft hinein; nur in diesem Zusammenspiel funktioniert das Ganze. ({2}) Die öffentliche Hand ist als größter Auftraggeber im IT-Bereich verpflichtet, die Aufträge so zu vergeben, dass staatliche Förderungen nicht mehr notwendig sind. Man kann ja steuern über diese Aufträge. Dabei ist durchaus zu beachten, dass die Vergabelose den Mittelstand berücksichtigen. Wir haben aktuell die Situation, dass die Lose so groß sind, dass sie nur noch von Großkonzernen abgearbeitet werden können. Damit machen wir uns natürlich deutlich abhängig von diesen. Wir haben Lose von 100 000 Personentagen, die ausgeschrieben werden. Welcher Mittelständler soll das liefern? Aber der Mittelstand ist das Rückgrat dieses Landes und der Garant für den Wohlstand. ({3}) Also, da müssen wir ran. Wir müssen die Lose kleiner machen und damit auch nachhaltig Deutschland als Wirtschaftsstandort stärken. 500 Millionen Euro für die Digitalisierung sind ein toller Erfolg. Dazu gehört aber auch die schnelle Umsetzung innovativer Projekte, an denen jede Bürgerin, jeder Bürger merkt, warum wir als Ampel die Fortschrittskoalition sind. Wir setzen auf die besten Lösungen zur Umsetzung. In meiner letzten Rede hatte ich schon einiges zu den FAIR Digital Objects erläutert, einem neuen Konzept. ({4}) – Das ist aber nett von Ihnen, danke. – Mit diesen FAIR Digital Objects schaffen wir, konservativ gerechnet, eine Prozesssteigerung um mindestens 30 Prozent; es gibt Experten, die sogar von 80 Prozent sprechen. Das heißt, wir werden in dieser Legislaturperiode erleben, dass den meisten Bürgerinnen und Bürgern analoge Amtswege erspart bleiben. Das ist ein Versprechen. Das kriegen wir hin. ({5}) Wir investieren als Ampel in einen moderneren, digitaleren, bürgerfreundlicheren Staat und schaffen zugleich ein größeres Maß an staatlicher Souveränität und wirtschaftlichem Wettbewerb bei gleichzeitiger Kostensenkung durch den Einsatz von neuen Technologien. Dieser Haushalt ist der erste seit Langem, der in diese moderne Richtung geht. Danke an alle, die an diesem Haushalt mitgearbeitet haben. Heute ist ein guter Tag für die Digitalisierung und für Deutschland. Vielen Dank. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Mechthilde Wittmann. ({0})

Mechthilde Wittmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005261, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin Faeser! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner hat geschlossen mit dem Hinweis, heute sei ein guter Tag durch diesen Haushalt. ({0}) Da kann ich Ihnen ausdrücklich zustimmen, und ich sage Ihnen auch, warum. Frau Bundesministerin Faeser hat mir bei der letzten Debatte zu diesem Thema ausdrücklich beigepflichtet, dass es sich um einen kontinuierlichen Haushalt handelt, einen Haushalt, der kontinuierlich die Haushalte der vergangenen Legislaturperioden fortsetzt. Damit bestätigt die Bundesministerin ebenso wie dieser Haushalt in den wesentlichen Punkten die erfolgreiche Innenpolitik, die in den letzten Jahren hier geschrieben worden ist, insbesondere von der Union, ({1}) aber auch – auch wenn Sie ab und zu eine Septemberamnesie haben – von der SPD, die sich so gar nicht mehr erinnern will, dass sie mit uns regiert hat. ({2}) Meine Damen und Herren, das bestätigt sich auch in der Kriminalitätsstatistik, die belegt, dass wir erfreulicherweise seit Jahren unsere großen Erfolge fortsetzen können. Ich bin zuversichtlich, dass sich das aufgrund der hervorragenden Arbeit unserer Sicherheitsbehörden – diese habe ich heute noch nicht gehört bei den vielen Dankesreden – ({3}) auch so weiterentwickeln wird. Wir verzeichnen einen kontinuierlichen Rückgang der Straftaten in fast allen Bereichen. Die Aufklärungsquote steigt. Die Häufigkeitszahl der Straftaten sinkt, und auch die Zahl der Tatverdächtigen sinkt kontinuierlich, ({4}) und das, obwohl wir bei den Nachverfolgungen viel inzidenter sein können. Allerdings – auch hier haben wir Gemeinsamkeit bewiesen – möchten wir den Anstieg der Zahl der Straftaten insbesondere im rechtsextremistischen Bereich stoppen. Ich glaube, hier sind wir uns in diesem Haus bis auf einige sehr, sehr wenige Ausnahmen vollkommen einig. Diesen Weg werden wir gemeinsam gehen. Jeder Euro ist hier gut investiert. ({5}) Wir haben auch einen Anstieg bei der Zahl der Bedrohungsdelikte und der tätlichen Angriffe auf die Vollstreckungsbeamten; das sind die, die vor Ort die Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger garantieren. Das dürfen wir ebenfalls nicht zulassen und auch nicht ignorieren. ({6}) Schließlich und endlich – das wurde schon ausführlich von meinem Kollegen ausgeführt – ist da noch der exponentielle Anstieg beim sexuellen Missbrauch von Kindern, aber auch bei Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung pornografischer Schriften, insbesondere kinderpornografischer Schriften, und zwar um mehr als 100 Prozent. Das dürfen wir so nicht stehen lassen. Deswegen ist mir vollkommen unbegreiflich, dass Sie sich in der Ampel hier allen Ernstes Dissens leisten; das war auch die Rückfrage des Kollegen Throm. Es geht darum, was wir einsetzen müssen, damit wir hier eingreifen können. Dazu gehört der Zugriff auf die IP‑Adresse, Frau Bundesministerin. Da haben Sie unsere Unterstützung, aber leider nicht die Ihrer Kollegen, mit denen Sie hier arbeiten müssen. ({7}) Dazu gehört auch die Vorratsdatenspeicherung. Und hier gilt es, zu differenzieren: Es geht um den anlassbezogenen Zugriff, auch wenn anlasslos gespeichert werden konnte, damit wir aufklären können und nicht stoppen müssen, wenn uns die Daten fehlen, um diese Täter endlich zu fassen. Wir wollen den Schutz der Bürger und nicht den der Kriminellen. ({8}) Lassen Sie mich, nachdem das von meinen Kollegen schon ausführlich geschildert worden ist, zur Frage des Bevölkerungs-, Katastrophen- und Zivilschutzes hier noch mal kurz erläutern, warum wir den Ergänzungsantrag aufrechterhalten. Richtig, Sie haben hier zugelegt, und das ist gut so. Aber wir wissen auch, dass die Mittel, insbesondere für die NINA-Warn-App, die so wichtig ist wie nie zuvor, wie wir erfahren haben, nicht ausreichen werden, um sie ausreichend auszustatten. Nehmen Sie doch die Gelder, die Sie geparkt haben! Stimmen Sie dem Antrag zu! Es tut nicht weh. Dann können wir hier endlich volle Arbeit leisten, und das ist wichtig. ({9}) Der Kollege Throm hat auch das Thema Personal schon angesprochen; ich darf noch mal kurz darauf eingehen. Jawohl, wir sind sehr glücklich, dass wir ebenso kontinuierlich weitermachen bei der Bundespolizei, aber auch in den entsprechenden Ämtern. Das ist eine gute Fortsetzung der bisherigen Politik. Und jetzt tue ich es an dieser Stelle: Ich danke unseren Polizei- und Ordnungskräften ebenso, wie wir bereits allen anderen gedankt haben. Dem Dank schließen wir uns an. Ich danke den Polizei- und Ordnungskräften, die jeden Tag ihren Kopf dafür hinhalten, damit bei uns alles funktioniert. Ich darf noch einen Schritt weitergehen und Ihnen eines sagen: Wir haben über Rechtsextremismus gesprochen. Dass wir uns da richtig verstehen: Jawohl, da sind wir ganz an Ihrer Seite. Ich habe aber kein Wort zum Thema Linksextremismus gehört. ({10}) Es sind die linksextremistischen Gruppen, die in erster Linie ihre Gewaltbereitschaft gegen unsere Polizeien richten, gegen die Beamten vor Ort, die den Dienst dort verrichten. Es ist mir nicht begreiflich, dass Sie offenkundig versuchen, davor die Augen zu verschließen. Das wollen wir nicht. Erinnern Sie sich nur an den G‑20-Gipfel in Hamburg, vom heutigen Bundeskanzler als „Hafengeburtstag“ tituliert, tatsächlich aber unter anderem ein Tag des Ungehorsams mit unfassbaren fast 1 000 verletzten Polizisten! Das kann es ja wohl nicht sein. Im Übrigen haben Sie mehr als 10 Prozent der Polizisten aus Bayern gebraucht, um diesen Gipfel überhaupt bewältigen und Ihre Gäste in Sicherheit bringen zu können. ({11}) An diesem Tag wurde der Tag des Ungehorsams ausgerufen. Ich zitiere Ihre Kabinettskollegin Steffi Lemke: Es ist absolut legitim, für seine Anliegen zu demonstrieren und dabei auch Formen des zivilen Ungehorsams zu nutzen. Nein, das ist es nicht, meine Damen und Herren. ({12}) Und wenn Sie, Herr Kuhle, von den „Schwarzen Sheriffs der Union“ sprechen, dann sage ich Ihnen mal eines: Es hat schon einen Grund, warum der Bundeskanzler diesen G‑7-Gipfel nach Elmau verlegt hat. Er weiß nämlich: Nur dort sind seine Gäste so sicher, wie es gebraucht wird, ({13}) und – wie bereits bewiesen wurde – nur dort haben sie Best Practice. Deswegen sind wir stolz darauf, dass wir diese Sicherheit für die Gäste in unserem Land liefern können. Ich danke Ihnen. ({14})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Dunja Kreiser. ({0})

Dunja Kreiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005115, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, heute zu diesem Haushalt, dem Einzelplan 06 – Inneres und Heimat sowie Sport –, sprechen zu dürfen, einem Haushalt, der eine klare Stärkung des Ehrenamtes bewirken wird, Frau Ministerin Nancy Faeser. Als ehemalige sportpolitische Sprecherin der SPD im Niedersächsischen Landtag bin ich stolz, jetzt in dieser Ampelkoalition im Bundestag mitwirken zu können. Sie zeigt, dass die Ehrenamtlichen in unserer Gesellschaft hier eine besondere Beachtung erfahren; denn sie sind das Rückgrat unserer Gesellschaft. ({0}) Wir können deshalb gespannt auf den Beitrag meiner Kollegin Sabine Poschmann sein, die zur Sportstättenförderung, zur Unterstützung der Vereine nach Corona, zu Großveranstaltungen wie Special Olympics und zum Programm „Integration durch Sport“ berichten wird, verehrte Damen und Herren. Wir machen einen großen Aufschlag zur Unterstützung der Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen im Zivil- und Katastrophenschutz, zum Beispiel mit 50 Millionen Euro aus dem Ergänzungshaushalt für eine moderne Ausstattung und zur Refinanzierung der Ausgaben für die Beschaffung im Zusammenhang mit den Ausgaben durch den Krieg in der Ukraine. Wir stellen das Warnmeldesystem digital auf, Frau Wittmann; die Mittel dafür stehen schon im Haushalt. So sorgen wir – das ist natürlich redundant – mit der NINA-Warn-App als Teil des Modularen Warnsystems, MoWaS, und mit der Einführung der SMS-Warnung per Cell Broadcast dafür, dass die Bevölkerung via Endgerät schnell erreicht wird. 99 Millionen Euro stehen in der ersten Tranche für ein THW-Neubauprogramm und für die Gebäudetechnik zur Verfügung. Damit sind wir auf dem Weg zu einem resilienten Zivil- und Katastrophenschutz, der gewappnet ist für Umweltkatastrophen und internationale Krisen, der vor allem aber den Blick auf die Menschen hat, verehrte Damen und Herren. ({1}) 8 Millionen Euro sind für ein neues Zentrum für die Einsatznachsorge vorgesehen, um eine bessere psychosoziale Betreuung zu gewährleisteten. Das ist dringend geboten für die Einsatzkräfte in Krisensituationen, für unsere Ehrenamtler. Dazu kommt ein großes Paket für Digitalisierung und Cybersicherheit der kritischen Infrastruktur, für die Kompetenzerweiterung des THWs, für die Härtung der Struktur innerhalb des Malteser Hilfsdienstes und für die Entwicklung digitaler Lagebilder zur besseren Koordinierung zwischen Ländern, Bund und Kommunen. Digitalisierung, verehrte Damen und Herren, zeigt sich im Übrigen im gesamten Haushalt. Neben vielen verpassten Aufgaben in den letzten 16 Jahren ist wohl die Digitalisierung in unserer Verwaltung, im Zivilschutz und im Bildungssektor das, was am meisten verschlafen wurde. Wir wagen Fortschritt. Wir bringen die Digitalisierung der Verwaltung voran. Davon profitieren die Ehrenamtlichen, davon profitieren alle Bürgerinnen und Bürger, davon profitieren Unternehmen. So haben wir den OZG-Booster auf den Weg gebracht. Bis zum Ende des Jahres werden wir deutliche Erleichterungen im Alltag spüren. 35 wichtige Verwaltungsdienstleistungen werden dann digitalisiert sein. Es ist Zeit, dass Deutschland endlich sein Potenzial nutzt und eine modernere Verwaltung anbietet, die die Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt stellt. Das Ehrenamt, verehrte Damen und Herren, wird mit dem Haushalt vor allem in den Bereichen gestärkt, wo wir durch politische Bildung, Medienkompetenz und Prävention eine wirksame Bereicherung in unserem gesellschaftlichen Zusammenleben erfahren werden – für mehr Toleranz, Respekt, Demokratie und gegen Rassismus. Unsere Gedanken sind heute bei den Angehörigen von Walter Lübcke. ({2})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Der nächste Redner ist der Abgeordnete Matthias Helferich.

Matthias Helferich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005079

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bereits der Philosoph Alexis de Tocqueville warnte, dass der Demokratie stets die Gefahr innewohne, sich in eine Tyrannis der Mehrheit zu entwickeln. Er schreibt: Die Mehrheit zieht einen drohenden Kreis um das Denken. Innerhalb dieser Grenzen ist man frei; aber wehe, wenn man sie zu überschreiten wagt! Auch heute droht unsere Demokratie Schaden zu nehmen. Sie alle beschädigen unsere Freiheitsordnung, wenn Sie die Opposition im Parlament ausgrenzen, gar kriminalisieren. Eines Ihrer Instrumente ist der Verfassungsschutz, welcher mit rund 488 Millionen Euro ausgestattet wird. 12 Millionen Euro erhalten die Schlapphüte im Vergleich zum Vorjahr mehr. 12 Millionen Euro! Doch wofür eigentlich? Vor dem tunesischen Terrorfahrer Anis Amri konnte der VS unser Volk nicht schützen, wohl aber scheint der VS die Regierung eifrig vor der demokratischen Opposition zu schützen. Die Opposition wird dabei als lästiger Kontrolleur machtbewusst durch Sie alle, durch das Establishment, ausgegrenzt. Im Parlamentarischen Kontrollgremium, welches die Tätigkeiten des Verfassungsschutzes überwacht, darf kein AfD-Abgeordneter sitzen. ({0}) Dem Vertrauensgremium des Haushaltsausschusses, das die Mittelzuwendung an den Verfassungsschutz überwacht, darf ebenfalls kein AfD-Abgeordneter angehören. ({1}) Und da wundern Sie sich ernsthaft noch, dass die Bürger unseres Landes das Vertrauen in die Demokratie verlieren? Sie schalten den Willen des Demos aus und bauen unsere Demokratie schamlos zu einer Parteienherrschaft aus. ({2}) Ein weiteres Indiz dafür ist: Während die Stiftungen des Establishments sich immer hemmungsloser am Steuergeld laben, wird die AfD-nahe Stiftung keine Mittel erhalten. Der Grund: Man wirft ihr fehlende Verfassungstreue vor. Und wer ist der Ankläger? Ihr instrumentalisierter Verfassungsschutz, der nicht von der Opposition kontrolliert werden darf. ({3}) Transparenz und oppositionelle Mitspracherechte sind für Sie lediglich Makulatur. Die Realität in diesem Hause ist brutale Machtpolitik. Ein Hinweis sei mir erlaubt: Die 800 000 Euro für Ihre Extremismusstudie wären sehr gut angelegt, wenn Sie als erstes Forschungsobjekt den Oberschlapphut und Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang wählen würden. Keiner betreibt so leidenschaftlich wie er als installierter Behördenextremist die Jagd auf die demokratische Opposition in unserem Land. Vielen Dank. ({4})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Herr Helferich, für die Bezeichnung „Behördenextremist“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. ({0}) Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Marlene Schönberger. ({1})

Marlene Schönberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005212, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sprechen wir wieder über die Realität. Wann haben wir das letzte Mal jüdische Eltern gefragt: Wie fühlt es sich eigentlich an, eure Kinder an der Polizei vorbei zur jüdischen Kita zu bringen und ihnen die Sicherheitsmaßnahmen zu erklären? – Wann haben wir uns daran gewöhnt, dass Jüdinnen und Juden hinter Stahlbetonmauern und kugelsicherem Glas beten müssen? Wann haben wir die Blutspur antisemitischer Gewalt akzeptiert, wie sie Ronen Steinke in seinem Buch „Terror gegen Juden“ beschreibt? Wie können wir es zulassen, dass Antisemitismus Alltag ist? ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es reicht nicht, sich auf dem ritualisierten „Nie wieder!“ auszuruhen. Es ist unsere gemeinsame Pflicht, die Erfahrungen jüdischer Menschen in Deutschland zu hören und unser Handeln weiter daran auszurichten, so wie wir es im Koalitionsvertrag beschlossen haben und jetzt mit dem ersten Haushalt umzusetzen beginnen. ({1}) Wir stärken den Antisemitismusbeauftragten. Wir stärken jüdischen Initiativen den Rücken bei ihrem Einsatz für eine demokratische Gesellschaft, für Vielfalt und gegen Verschwörungsideologien. Die Förderung jüdischen Lebens bedeutet für uns auch, dass wir das drängende Problem der Altersarmut von Jüdinnen und Juden endlich angehen. Wir legen mit dem Härtefallfonds den Grundstein dafür. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die nächsten Haushaltsjahre liegen wichtige Aufgaben vor uns. Antisemitische Gewalt kommt nicht nur von rechts, von Islamist/-innen sowie von Teilen der politischen Linken. Antisemitismus ist bis in die vermeintliche Mitte der Gesellschaft hinein Alltag, der Schutz jüdischer Einrichtungen eine beschämende Notwendigkeit. Dabei kann es nicht sein, dass jüdische Gemeinden selbst für den Schutz vor antisemitischen Angriffen aufkommen müssen. Die Sicherheit jüdischen Lebens ist eine Gemeinschaftsaufgabe. ({3}) Hier bestehen Defizite, die Leben kosten können. Das werden wir in Absprache mit den jüdischen Gemeinden angehen. Genauso werden wir die Ursache, den Antisemitismus, bekämpfen – mit Prävention, Intervention und Repression, das heißt mit politischer Bildung und Monitoring, mit Polizei und Sicherheitsbehörden, die Antisemitismus auch erkennen, und mit Gerichten, die ihn auch konsequent ahnden. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will, dass vor jüdischen Kindergärten und Schulen keine Polizei mehr stehen muss. Ich will, dass Jüdinnen und Juden keine neuen Anschläge fürchten müssen. Ich will, dass wir etwas gegen Antisemitismus tun – bei Demonstrationen, auf unseren Schulhöfen, am Arbeitsplatz und im Internet. Ich will, dass wir jeden Antisemitismus immer und überall bekämpfen. Und ich weiß, dass das alle demokratischen Fraktionen wollen. ({5}) Dieser Haushalt leistet einen wichtigen Beitrag dazu. Vielen Dank. ({6})

Bärbel Bas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004006

Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Sabine Poschmann. ({0})

Sabine Poschmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004377, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer! Mein Fokus liegt, natürlich, auf dem Sport, und zwar auf dem Spitzen- und Breitensport; denn ohne Breitensport gibt es keinen Spitzensport. Als Topathlet/-in wird man nicht geboren; man wächst hinein und entwickelt sich. In meiner Heimatstadt Dortmund erlebe ich durch die Olympiastützpunkte und natürlich durch die vielen engagierten Vereine, wie hervorragende Arbeit geleistet wird, gerade in der Pandemie sehr kreativ. Daher ist es gut, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass wir als Zuständige für den Spitzensport auch dem Breitensport unter die Arme greifen. ({0}) Rund 23 Millionen Menschen in Deutschland sind Mitglied in einem Sportverein. Welche positiven Auswirkungen Sport auf die Gesundheit, den Geist, das Miteinander hat, brauche ich hier nicht zu erläutern. Deshalb ist es wichtig und richtig, dass wir, erstens, gerade jetzt einen Restart des Sportes hinbekommen und finanziell ausstatten. Dabei steht für mich die Qualifizierung und Weiterbildung von Übungsleitern im Fokus, aber auch, den Menschen den Zugang zum Sport zu erleichtern. Zweitens ist es wichtig, dass wir bei der Sanierung von Sportstätten eine ordentliche Schippe drauflegen ({1}) und dabei – hier jetzt der Wechsel – Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle spielt. Vor allem sollten die Athletinnen und Athleten immer im Vordergrund stehen. Deshalb freut es mich, dass wir Athleten Deutschland e. V. zusätzlich finanziell ausstatten und den Grundstein für ein Zentrum für Safe Sport legen. Für diese Ergebnisse danke ich den Haushälterinnen und Haushältern der Koalition, insbesondere Martin Gerster und Uwe Schmidt. ({2}) Damit wir vorankommen, zum Beispiel bei der Reform des Spitzensports, die unter einem CSU-geführten Ministerium sechs Jahre lang nicht erfolgt ist, muss endlich eine passende Umsetzung erfolgen. Lassen Sie uns in Bewegung bleiben und gemeinsam mit den Verbänden, aber auch mit den Athletinnen und Athleten – das ist das Schlüsselwort – gestalten. Herzlichen Dank. ({3})

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich in die Feinheiten des Haushaltes einsteige, möchte ich mich bei Ihnen, Herr Minister Habeck, bei Ihrem Haus, stellvertretend bei Ihrer Staatssekretärin Anja Hajduk, und natürlich beim gesamten Haushaltsreferat mit Stephanie Wilpert an der Spitze für eine außergewöhnlich gute Zusammenarbeit bedanken. ({0}) Mein Dank gilt aber auch allen Mitberichterstattern für den fairen und menschlichen Umgang über alle Fraktionsgrenzen hinweg. Allerdings – hier komme ich nun zur Debatte über den Haushalt 2022 – hätte ich mir seitens der Ampelkoalition schon gewünscht, dass ihr euch die Anträge von uns als Union einfach einmal angeschaut hättet, anstatt diese mit der Bemerkung „falscher Absender“ immer nur abzubügeln. Ich glaube, es wäre klug – und das war sonst in der einen oder anderen Sache auch üblich –, hier gemeinsam zu agieren. Das haben Sie nicht getan. ({1}) Mit 13,12 Milliarden Euro im Einzelplan 09 und, Herr Habeck, noch mehr Mitteln im Energie- und Klimafonds hätte man, glaube ich, mehr als genug Möglichkeiten gehabt, kluge und sinnvolle Ansätze aus den Reihen der Opposition zumindest anzudenken, gegebenenfalls sogar umzusetzen. Überhaupt nicht nachvollziehen konnte ich, Herr Habeck, warum Sie unseren Antrag zur erneuten Teilnahme des Wirtschaftsministeriums an der Jugendmesse IdeenExpo in Hannover schlichtweg abgelehnt haben. Mehrfach habe ich Sie persönlich hierauf angesprochen, und meine Empörung in der Ausschusssitzung ist Ihnen, glaube ich, nicht verborgen geblieben. Auf der IdeenExpo, meine Damen und Herren, haben junge Leute die Chance, sich über technische Berufe zu informieren. Was das Wichtigste ist: Sie können dort mit zahlreichen Unternehmen persönlich in Kontakt treten. Ich glaube, nur so begegnen wir dem Fachkräftemangel gerade in den so wichtigen Berufen, die davon betroffen sind. Es müssen doch nicht noch mehr Menschen Politikwissenschaften studieren; davon haben wir schon hier im Saal, weiß Gott, mehr als genügend. ({2}) Wenn ich das noch sagen darf: Ihre Vorgänger Peter Altmaier und Brigitte Zypries haben es sich nie nehmen lassen – genau wie 400 000 junge Menschen –, der IdeenExpo einen Besuch abzustatten; sie waren sogar richtig stolz auf den Stand ihres Ministeriums. Unter Ihrer Führung, Herr Habeck, hat sich dieser Stand jetzt erledigt. Aber vielleicht gehen Sie in sich und denken hierüber noch einmal nach. Meine Damen und Herren, mehr zielorientiertes Handeln der Ampel hätten wir uns auch im Bereich der beruflichen Bildung erhofft: bei der Ausstattung der Fortbildungseinrichtungen und der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung. Hier fehlt mir Ihr ganz klares Bekenntnis – wie in unserem abgelehnten Maßgabebeschluss formuliert –, dass wir diese Titel dauerhaft – ich betone: dauerhaft und nicht nur einmalig – gut ausstatten müssen. Nur so signalisieren wir doch eine Wertschöpfung für Ausbildungsberufe, gerade im Handwerk. ({3}) Mehr erhofft, Herr Habeck, hätte ich mir auch beim Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand und der Industrieforschung IGF. Die Mittel für diese für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes so erfolgreichen und wichtigen Programme hätten wir beim ZIM zum Beispiel um 100 Millionen Euro anheben müssen, um einen peinlichen neuen Antragstopp zu vermeiden. Ähnliches gilt für die Industrielle Gemeinschaftsforschung. Herr Habeck, lassen Sie mich noch ein paar Worte zu dem Energie- und Klimafonds sagen, den sie ja zu 85 Prozent bewirtschaften. Hier stehen in den kommenden Jahren Beträge in dreistelliger Milliardenhöhe zur Verfügung. Leider habe ich bei den neuen Titeln, die Sie eingebracht haben, bislang sehr wenig Konkretes gesehen. Nun erwarte ich nicht, dass Sie bis ins letzte Detail jedes Projekt spezifizieren. Aber ein wenig mehr, als Haushaltstitel mit Summen oder gar – das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – zahlreiche Leertitel einzubringen, hätte man, mit Verlaub, erwarten dürfen. Nicht einmal konkrete Fragen, was man in etwa vorhat und wie die Kosten aufgeteilt werden, konnten beantwortet werden. ({4}) Herr Minister, das geht so nicht! Hier sind Sie noch Antworten schuldig. Ich hoffe, diese werden in den kommenden Wochen und Monaten noch kommen. ({5}) Unverständlich war es deshalb, warum Sie unseren konkreten Antrag, die Mittel für klimaneutrales Fliegen um 350 Millionen Euro anzuheben, genauso abgelehnt haben wie unsere Anträge auf Mittel für die Förderung zur Produktion von Biokraftstoffen oder neuen Antriebstechnologien in der Luftfahrt. Hier haben Sie den Titel schon um 700 Millionen Euro gesenkt. Auch das ist nicht nachvollziehbar. Ich frage mich ernsthaft, wie dies zu Ihren öffentlichen Ankündigungen zur Klimaneutralität passt. Die größte Herausforderung, Herr Habeck, ist die Rohstoffsicherung für unsere Nation. Mehrfach, glaube ich, haben wir beide hierüber gesprochen. Ich habe Ihnen geraten, unsere Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe von der Leine zu lassen, damit wir uns Konzessionen für Rohstoffe weltweit und vor allen Dingen langfristig sichern. Ich hatte zwischenzeitlich wirklich den Eindruck, dass Sie das auch so sehen. Deshalb habe ich überhaupt nicht verstanden, warum Sie unseren Antrag, 100 Millionen Euro für dauerhafte Energie- und Rohstoffsicherung einzustellen, schlichtweg abgelehnt haben. Nicht einmal – und das hätte man erwarten müssen – einen eigenen Antrag haben Sie hierzu eingebracht. Herr Minister, ich stelle zwar fest, dass Sie das mediale Geschäft grandios beherrschen, Sie aber in der Umsetzung noch mehr als gehörig Luft nach oben haben. ({6}) Deshalb: Dieser Haushalt, meine Damen und Herren, ist alles andere als ein Zukunftssignal. Im Gegenteil: Mit den durch die Koalition und Ihr Haus eingebrachten Anträgen haben Sie ihn leider in keiner Weise verbessert. Man kann ihn daher nur ablehnen. Herzlichen Dank. ({7})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Als nächster Redner erhält Felix Banaszak für Bündnis 90/Die Grünen das Wort. ({0})

Felix Banaszak (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005016, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Mattfeldt, Machen ist wie Reden, nur geiler. ({0}) Das ist, glaube ich, der Geist, mit dem diese Koalition und Robert Habeck jetzt zusammen Wirtschafts- und Klimaschutzpolitik machen. Jeder setzt die Prioritäten für sich selbst. Aber Sie, Herr Mattfeldt, sind in Ihrer Rede ausgerechnet auf die Punkte eingegangen, in denen diese Koalition liefert. ({1}) Sie ist beispielsweise die erste Koalition, die dafür sorgt, dass wir den Drittelanteil bei der Unterstützung des Bundes für die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung schaffen. ({2}) Das ist etwas, was Sie immer wollten, aber nie gemacht haben. Wir haben es zum ersten Mal gemacht. Sie haben es nie gemacht. Sie haben es immer angekündigt, es nie getan. Wir machen es. 70 Millionen Euro stehen dafür jetzt zur Verfügung. ({3}) Sie haben das Thema ZIM angesprochen. Auch hier muss man sich überlegen, ob man wirklich in der richtigen Position ist, das anzukreiden. Denn wir haben die Situation vorgefunden, dass die Vorgängerregierung mit Peter Altmaier als Bundesminister die Mittel so gekürzt hat, dass es zu dem Antragstopp kam, den diese Koalition in der Bereinigungssitzung mit 80 Millionen Euro Verpflichtungsermächtigung für das kommende Jahr aufgelöst hat. ({4}) Diese Koalition hat den Stau aufgelöst, den Sie verursacht haben. So ist doch die Lage! Ich muss Ihnen gestehen: Für mich ist das gerade eine performative Herausforderung. ({5}) Denn ich spreche seit dem 15. Mai mit sehr gut gelaunten Christdemokratinnen und Christdemokraten über die Zukunft Nordrhein-Westfalens. Wir konnten so schöne Sätze im Sondierungspapier vereinbaren; ich glaube, dass es ein gemeinsames Verständnis gibt. Die Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen sagen: Wir werden die notwendigen Zukunftsinvestitionen tätigen und dafür Instrumente entwickeln. – Von Ihnen hier im Bundestag erleben wir nur Destruktion und die Verhinderung von Investitionen, beispielsweise durch die Klage gegen die Umschichtung von 60 Milliarden Euro für den Energie- und Klimafonds. Der Gipfel des Ganzen, Herr Kollege Mattfeldt, ist, dass Ihre ganzen Ideen, was alles im Einzelplan 09 und im Energie- und Klimafonds, der jetzt der Klima- und Transformationsfonds ist, ausgestattet werden sollte, folgende Streichungsvorschläge umfassen: Erstens: Streichungen bei der Internationalen Klimaschutzinitiative; dazu komme ich gleich noch. Zweitens lautet Ihr Vorschlag zur Gegenfinanzierung – das ist gestern ausgeführt worden – für all die Ideen, die 60 Milliarden Euro, von denen Sie sagen: „Die dürfte es gar nicht geben“, wieder in den Haushalt reinzuziehen. ({6}) Was hat das mit solider, mit ehrlicher, mit redlicher Haushaltspolitik zu tun, für die Sie sich doch rühmen? Vielleicht nehmen Sie sich an den Kolleginnen und Kollegen in Nordrhein-Westfalen ein Beispiel. Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, was machen wir mit diesem Haushalt, den wir jetzt verändert haben? Wir machen wahr, was andere nur angekündigt haben. Angela Merkel, die Bundeskanzlerin, hat in der Vergangenheit angekündigt: Wir wollen 6 Milliarden Euro für den internationalen Klima- und Diversitätsschutz schaffen. – Ja, wir sind diesem Ziel immer noch nicht ganz nahe gekommen. Aber diese Regierung, meine Damen und Herren, ist die erste, die überhaupt den Weg dahin beschreiten will, die aus den Ankündigungen, für die man in den internationalen Konferenzen Applaus bekommt, auch Taten wachsen lässt, die priorisiert, die ernst nimmt, dass die Klima- und die Biodiversitätskrise – die beiden großen ökologischen Krisen unserer Zeit – auch den Wohlstand der Zukunft bedrohen. Deswegen ist der Organisationserlass, der dafür gesorgt hat, dass Klimaschutz und Wirtschaft endlich kein Widerspruch mehr sind – dass das eine Ministerium verhindert, was das andere gerne machen würde; dass sie stattdessen zusammendenken –, ein Quantensprung in der bundesrepublikanischen Politik. Ich kann mir nur wünschen, dass wir den Weg weitergehen, den wir jetzt beschritten haben. ({7}) Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, das multiple Krisenszenario, vor dem wir stehen, erfordert es, endlich aufzuhören, Dinge nur anzukündigen, und stattdessen ins Handeln zu kommen. Die Klimakrise, die Biodiversitätskrise, der völkerrechtswidrige Angriffskrieg gegen die Ukraine, die vielfältigen und schwerwiegenden Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und den Mittelstand brauchen die entsprechende Unterstützung. Ich finde, man muss einfach einmal anerkennen, dass es diese Regierung ist und dass es ein grüner Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz ist, der die Ziele nicht aus dem Blick verliert, aber im Umgang mit diesen Krisen, im Umgang mit der Situation, die wir haben, pragmatische Wege geht. Das bedeutet: die Versorgungssicherheit jetzt zu gewährleisteten und gleichzeitig den ambitionierten Umstiegs- und Transformationspfad in die Wege zu leiten. Das tun wir mit dem Einzelplan 09. Das tun wir mit dem Einzelplan 60 und dem Energie- und Klimafonds. Und das tun wir mit ganz konkretem Regierungshandeln wie jetzt im Osterpaket und in einigen Wochen dann im Sommerpaket. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit in der Koalition, in der wir uns auf gute Dinge verständigen konnten und sicherlich noch viele gute Dinge entwickeln werden. Vielen Dank. ({8})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Nächster Redner ist für die AfD-Fraktion Wolfgang Wiehle. ({0})

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Frühere Debatten über den Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums handelten vom richtigen Weg zu mehr Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Seit das Haus unter grüner Führung steht, geht es hauptsächlich um eine ideologische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft, die Deutschland und Europa im Weltmaßstab weit zurückwerfen wird. ({0}) Es ist kein Zufall, dass jetzt die Inflation steigt und die Aussichten düster sind. Der Krieg in der Ukraine hat die vorgezeichnete Entwicklung bloß noch beschleunigt. Immer mehr Bürger, aber auch Wirtschaftslenker senken ihre Zukunftserwartungen, weil die grüne Politik keine besseren Hoffnungen erlaubt. ({1}) Wenn CO2-Planziele das Maß aller Dinge sind und regelmäßig verschärft werden, dann sind wir mit Siebenmeilenstiefeln auf dem Weg in die unproduktive Planwirtschaft. ({2}) Nicht nur der Haushalt des Ministeriums finanziert das Ganze, sondern auch der sogenannte Energie- und Klimafonds. Rund 10 Milliarden Euro kommen für staatliche Wirtschaftslenkung zusammen, allein 7 Milliarden Euro für die einseitige Förderung der E‑Mobilität, über 1 Milliarde Euro für die Dekarbonisierung der Industrie und auch je rund 30 Millionen für Dinge wie grünen Stahl und das klimaneutrale Schiff. Dass das unsere Zukunft sein soll, glaubt das Volk nicht von selbst. Dafür ist viel Propaganda nötig. Auch die politischen Hilfstruppen der Grünen werden aus dem Haushalt bedient. Da werden eine Klimaschutzkampagne genauso wie eine Klimaallianz gefördert. Selbst den vom Ministerium bezahlten Bürgerdialog Stromnetz betreibt ein grün-radikaler Abmahnverein, die sogenannte Deutsche Umwelthilfe. Diese Nichtregierungsorganisationen oder – besser – Regierungshilfsorganisationen haben große Macht. Nehmen wir zum Beispiel Agora Energiewende. Dieser Verein schlägt vor, künftig unser Gasnetz zurückzubauen, also aus dem Boden zu reißen. Sein früherer Direktor Patrick Graichen ist heute Staatssekretär im Ministerium Habeck und wiederholt diese Forderung im Namen der Regierung. ({3}) Was heißt das für unser Land? Ich nenne das „Energiewende brutal“. Wenn man später nämlich merkt, dass diese Energiewende in Richtung Steinzeit führt, ist die Brücke auf dem Rückweg schon abgerissen. ({4}) Genau dieselbe Strategie verfolgt die Regierung mit der Zerstörung der CO2-freien Kernenergie. Die AfD verfolgt einen völlig anderen Weg. Wir fordern eine Energiesicherheitswende. In Zukunft muss die Energieversorgung wieder sicher sein. Dazu gehören Kernenergie, Gas, Öl und Kohle und genauso Wind und Sonne. Es darf keine Sanktionen geben, die Deutschland am meisten schaden. Wenn Ungarns Ministerpräsident Orban für seine Bürger durchsetzt, ({5}) dass die EU Pipeline-Öl weiterfließen lässt, dann muss Deutschland das nutzen statt ablehnen. Ihre Haltung, Herr Minister Habeck, ist arrogant und verkauft deutsche Interessen. ({6}) Damit Deutschland eine gute Zukunft hat, brauchen wir keine Energie- oder Verkehrswende, sondern eine Politikwende. Der Ideologengeldspeicher namens Energie- und Klimafonds muss aufgelöst werden. Die Bürger müssen sich künftig das Autofahren und das Heizen leisten können. Dann würde man wieder von Politik für den Wohlstand reden, und das fordern wir von der AfD. ({7})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Es folgt für die SPD-Fraktion der Kollege Frank Junge. ({0})

Frank Junge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004317, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Wiehle, angesichts Ihrer immer wieder und permanent vorgetragenen kruden Ansichten bin ich ganz froh darüber, dass die Leute in Wahlergebnissen ausdrücken, was sie politisch von Ihnen halten, und das dokumentieren gerade die jüngsten Wahlen. ({0}) In diesen Zeiten des verbrecherischen Angriffskriegs Putins auf die Ukraine, in den Zeiten, in denen wir die Coronakrise noch lange nicht überwunden haben, und in den Zeiten, in denen wir vor existenziellen und generationenübergreifenden Zukunftsaufgaben stehen, ist es aus meiner Sicht wichtig, dass der Staat Stabilität schafft und Handlungsfähigkeit bewahrt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, genau das dokumentiert der Einzelplan des Wirtschaftsministeriums. Genau das ist es, was wir vorlegen. ({1}) Damit stellen wir nicht nur die notwendigen Mittel bereit, um die äußere, die innere und auch die soziale Sicherheit zu gewährleisten. Wir eröffnen damit auch ein Jahrzehnt der Investitionen in bislang unbekannten Größenordnungen, um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu gewährleisten; darauf kommt es an. Damit sichern wir im globalen Maßstab die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft. Zusammen mit den Verstärkungsmitteln aus dem KTF stehen nun insgesamt 11 Milliarden Euro zur Verfügung. Wir setzen diese Mittel ein, um den Klimaschutz voranzutreiben, die Transformation von Industrie, Wirtschaft und Mobilität fortzuführen, die Weiterentwicklung der Wasserstoffwirtschaft voranzubringen, Innovationsförderung vorzunehmen und auch Strukturschwäche im Land weiter zu bekämpfen. All das war uns in der Ampelkoalition wichtig. All das findet sich auch im Rahmen dieses Haushalts wieder. Zudem sichern wir eine Gasversorgung, die viel breiter aufgestellt ist als bisher. Wir bauen eine LNG-Infrastruktur aus, wir bauen die erneuerbaren Energien aus und schaffen damit endlich einen Übergang in eine Energieversorgung, die uns unabhängig von Preisentwicklungen macht, wie wir sie jetzt haben. Auch das ist etwas, was der Wirtschaft in unglaublichem Maße zugutekommt. ({2}) Natürlich war es uns als Ampelhaushälter wichtig, die großen Linien aus dem Koalitionsvertrag zu verfolgen; das ist von Felix Banaszak schon unterstrichen worden. Mit über 13 Milliarden Euro werden wahnsinnig wichtige Komplexe gefördert. Zu nennen sind hier die energetische Gebäudesanierung, die Dekarbonisierung der Industrie, der Aufbau der Tank- und Ladeinfrastruktur sowie die Digitalisierung der Wirtschaft. Für all das werden Milliardenbeträge eingesetzt, um nicht nur die Umstellung unserer Wirtschaft im Rahmen des Transformationsprozesses zu befördern, sondern auch Impulse und wirtschaftliche Anreize zu setzen und damit am Ende auch Wirtschaftswachstum zu generieren. Wir haben im Einzelplan 09 die Automobilindustrie weiter gestärkt sowie die Mittel für die Luft- und Raumfahrt und auch für den Schiffbau auf hohem Niveau verstetigt. Wir haben an dieser Stelle eigene Akzente gesetzt. Lieber Kollege Mattfeldt, du hast beklagt, dass wir eure Anträge nicht zur Kenntnis genommen und erst recht nicht umgesetzt haben. Das liegt einfach daran, dass ihr uns in der Einzelplanberatung für 200 Millionen Euro ungedeckte Schecks vorgelegt habt, ohne jeglichen Ansatz einer Deckung. In der Bereinigungssitzung habt ihr Größenordnungen im Rahmen der Deckung aufgezeigt – Felix hat darauf hingewiesen –, die bedeutet hätten, die Deckung aus dem EKF, den ihr ja beklagt, vorzunehmen. Das ist so absurd und unlogisch und nach meiner Ansicht auch verantwortungslos. ({3}) Wir haben bei den Akzenten, die wir gesetzt haben, ganz besonders Wert darauf gelegt, die kleinen und mittelständischen Unternehmen zu unterstützen. ZIM ist ein Beispiel dafür. Die 20 Millionen Euro Erhöhung ist dort ein ganz wichtiger Baustein. Wir haben auch dafür gesorgt, dass wir mit der Verpflichtungsermächtigung von 80 Millionen Euro für das nächste Jahr nicht wieder in ein Loch fallen, wie es die Haushaltsplanung von Peter Altmaier zur Folge gehabt hätte. Die Industrieforschung ist ein weiterer Bestandteil, um die Kleinunternehmen zu stärken. Wenn ich noch zwei Punkte nennen darf: Die GRW, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, hilft insbesondere strukturschwachen Regionen. Unsere Aufbesserung um weitere 25 Millionen Euro hilft genau dort, wo es dringend benötigt wird. 80 Prozent dieser Mittel fließen dazu noch in den Osten, wo im Rahmen der Angleichung der Lebensverhältnisse noch viel geleistet werden muss. Das ist ein Punkt, der uns ganz wichtig war und der herauszustellen ist. ({4}) Letzter Punkt, den ich hier noch nennen will, ist der Aufwuchs der Mittel für die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung – ich begreife gar nicht, Andreas Mattfeldt, wie du das kritisieren kannst – um 11 Millionen Euro. Damit ist das Handwerk genauso glücklich wie damit, dass wir 5 Millionen Euro mehr für Investitionen in die Bildungsinfrastruktur des Handwerks geben. Das sind alles Maßnahmen, die dokumentieren ganz klar – vor allen Dingen auch mit Deckungsvermerken untersetzt –, was wir vorhaben, wo unsere Schwerpunkte liegen und wie wichtig uns diese Entwicklungen sind. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Der Einzelplan 09 stellt nicht nur, wie ich finde, ein verantwortungsvolles Herangehen an die globalen Krisen dar, denen wir uns stellen müssen. Wir bringen mit diesem Etat auch die Energie-, Wärme- und Mobilitätswende weiter voran. Wir nehmen damit unsere Unternehmen mit, wir setzen Anreize und Impulse. Wir schaffen es so, sie zu stärken. Wir sorgen auf diese Art und Weise für Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Wir schaffen somit auch Beschäftigung und weiteren Wohlstand. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Haushalt. ({6})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Es folgt für Die Linke Victor Perli. ({0})

Victor Perli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Menschen in unserem Land müssen die steigenden Preise bei Energie und Lebensmitteln, die hohe Inflation teuer bezahlen. Auch Mittelschichtsfamilien müssen sich einschränken. Die Angst vor der Heizkostenabrechnung ist groß. Wir steuern auf eine Armutswelle zu, wie sie dieses Land noch nicht gesehen hat. Wer es schon vor dem Ukrainekrieg schwer hatte, über die Runden zu kommen, weiß heute nicht, wovon er am Ende des Monats leben soll. Wir sehen das daran, dass die Schlangen vor den Tafeln immer länger werden. Die Ampelkoalition beschließt hier einen Haushalt, der die Lebenswirklichkeit dieser Millionen Menschen ignoriert und keine Gerechtigkeit schafft. Das ist wirklich beschämend, meine Damen und Herren. ({0}) Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat schwarz auf weiß bestätigt, was Die Linke von Anfang an gesagt hat: Die Ampelkoalition lässt vor allem Rentner, Menschen mit geringen Einkommen und die Ärmsten im Stich. Die Forscher haben nachgewiesen, dass der größte Teil Ihrer Entlastungspakete ausgerechnet bei den Menschen landet, die die höchsten Einkommen haben. Die Reichen, die am wenigsten Hilfe brauchen, bekommen die meiste Unterstützung, und diejenigen, die am wenigsten haben und am meisten Unterstützung brauchen, bekommen am wenigsten Unterstützung. Das ist das Gegenteil von sozialer Gerechtigkeit. ({1}) SPD, Grüne und FDP müssen hier beantworten, wie es zu dieser Ungerechtigkeit kommen konnte. War das Ihre Absicht? War das ein Versehen? So oder so zeigt es, dass in dieser Koalition das soziale Gewissen nicht vorhanden ist, meine Damen und Herren. ({2}) Auf den Wahlplakaten standen die Worte „Respekt“ und „Gerechtigkeit“. Im Haushalt findet sich nichts davon. Es ist respektlos, dass Rentner und Studierende keine 300 Euro Energiepauschale bekommen. ({3}) Herr Habeck, vor den Tafeln werden die Schlangen länger. Da stehen Rentner, die jetzt dorthin gehen, weil die Rente nicht ausreicht. Finden Sie es nicht beschämend, dass die Minister 300 Euro Pauschale bekommen und die Rentner leer ausgehen? ({4}) Ist Ihnen das nicht peinlich, meine Damen und Herren? Sorgen Sie dafür, dass auch die Studierenden, dass auch die Rentner diese Pauschale endlich bekommen. Aktuell sehen wir an den Tankstellen, dass sich die Mineralölkonzerne bereichern. Die haben kurz vor der Steuersenkung erst mal kräftig die Preise angehoben, und die Ampelkoalition schaut tatenlos zu, wie sich da auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger die Taschen vollgemacht werden. Es gibt ein Bundeskartellamt; dafür ist Herr Habeck zuständig. Das gibt Tipps, wie man sich verhalten soll, anstatt einzugreifen und dafür zu sorgen, dass diese Steuersenkung eins zu eins bei den Menschen ankommt. ({5})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

Victor Perli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wir fordern eine wirksame Preisaufsicht und eine Übergewinnsteuer für die Krisenprofiteure, damit diejenigen, die hier abzocken, auch dann damit belegt werden, damit sich Abzocke nicht lohnt. Das Geld muss bei den Bürgern ankommen. Ich finde auch – letzter Satz –, wir sollten uns doch hier einig sein: Kein Mensch sollte Angst vor der Heizkostenabrechnung haben. Vielen Dank. ({0})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Für die FDP-Fraktion folgt der Kollege Karsten Klein. ({0})

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anfang der Woche hat die EU ein weiteres Sanktionspaket gegen Russland auf den Weg gebracht. Ich denke, das begrüßen wir alle ausdrücklich. Aber klar muss auch sein, dass unser Sanktionsregime dazu führen muss, vor allem die russische Seite, die russische Wirtschaft mehr zu schädigen als die europäische oder die deutsche. Dass unsere Sanktionen wirken, sieht man auch daran, dass hochwertige Güter aus Europa und Deutschland der russischen Wirtschaft nicht mehr zur Verfügung stehen, hochwertige Güter, die durch andere Staaten, die sich an den Sanktionen nicht beteiligen, nur schwer zu substituieren sind. Das zeigt auch noch einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen, welche Stärke wir in diesem Konflikt in die Waagschale mit einbringen können, nämlich unsere wirtschaftliche Stärke, die Möglichkeit, dass die Menschen in diesem Land ihr Know-how in Güter, in hochwertige Dienstleistungen transferieren können, auch für die Freunde in der Ukraine. ({0}) Deshalb hat die Ampelkoalition – meine zwei Kollegen sind schon darauf eingegangen – massiv die Mittel aufgestockt, um Innovationskraft, um die Zukunftsfähigkeit, um das Know-how dieser Menschen hier in diesem Land zu stärken, zum Beispiel über die berufliche Bildung, über das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand und andere Töpfe, um zu erreichen, dass wir international wettbewerbsfähig bleiben und dass wir diese Stärke auch in diesen Konflikt einbringen können. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gegenteil davon, die Wirtschaftskraft zu stärken, wäre es gewesen, der Forderung nach einem sofortigen Gasembargo nachzukommen. Die Preise sind für die Bürgerinnen und Bürger in den letzten Wochen extrem gestiegen: an der Tankstelle bis zu 40 Prozent in der Spitze, beim Gas sogar fast verdoppelt. Aber das ist nur ein müder Vorgeschmack von dem, was passieren würde, wenn wir ein sofortiges Gasembargo verhängen würden. Ja, es war eine Fehlentscheidung, sich so massiv von russischer Energie abhängig zu machen. Aber deshalb muss für uns gelten, Gegenstrategien zu entwickeln, und das hat diese Bundesregierung getan. ({2}) Das hat diese Bundesregierung getan, indem wir zum einen kurzfristig den Bürgern bei den stark gestiegenen Energiepreisen eine Erleichterung über dieses Entlastungspaket ermöglichen: 37 Milliarden Euro in der Summe, zum Beispiel über die Abschaffung der EEG-Umlage oder über den Tankrabatt. Herr Minister, ich bin davon überzeugt, dass Sie gemeinsam mit dem Kartellamt dafür Sorge tragen werden, dass diese Preisabsenkung auch bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommen wird. ({3}) Wir haben es zum anderen auch getan, indem wir einen Zuschuss in Höhe von 4 Milliarden Euro für die energieintensive Wirtschaft bei Ihnen im Einzelplan eingestellt haben. Das zeigt: Kurzfristig haben wir schon reagiert. Aber natürlich bedarf es auch einer mittelfristigen und langfristigen Strategie, um die Abhängigkeit von fossiler russischer Energie zu reduzieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, der Vorschlag, 750 Millionen Euro bei der Dekarbonisierung der Industrie zu streichen, ist natürlich genau das Gegenteil davon, eine Strategie zu entwickeln, um die Abhängigkeit zu reduzieren. ({4}) Wir als Koalition haben, um die Abhängigkeit zu reduzieren, Investitionen in die Infrastruktur hinsichtlich LNG in den Haushalt aufgenommen. Ich begrüße ausdrücklich, dass es hier eine Kehrtwende gegeben hat. Wir investieren fast 4 Milliarden Euro in die Anmietung schwimmender Plattformen, um das Flüssiggas auch in unsere Systeme zu bringen. Das dient natürlich der Reduzierung der Abhängigkeit, und das dient der Versorgungssicherheit. Wir dürfen aber in diesem Zusammenhang nicht die Versorgungspreise außer Acht lassen. Deshalb müssen wir den Menschen auch klar sagen: In den letzten zehn Jahren war LNG-Gas immer 30 Prozent teurer als das Gas aus den Pipelines. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister, muss es uns gelingen, den Spirit, die Idee unseres Koalitionsvertrags noch stärker zu leben. Wir wollen über Innovationen und über Fortschritt zu weniger Verbrauch kommen und dazu, dass wir uns neue Energiequellen erschließen. Das sind die Aufgaben für die nächsten Monate und Jahre. ({5}) Natürlich müssen wir auch dafür sorgen, dass die Wirksamkeit der Mittel im Haushalt verbessert wird. Wir haben eine ganze Reihe von Rechnungshofberichten – da haben Ihnen Ihr Vorgänger, Peter Altmaier, und die Union, Herr Minister, leider eine riesige Baustelle überlassen –, in denen dargestellt wird, dass wir eine sehr schlechte Koordination haben, wenn es um die Verwendung der Mittel bei der Energiewende geht, dass wir eine schlechte Wirksamkeit bei der Verausgabung dieser Mittel haben. Wir haben hohe Ausgabereste im Bereich des Wirtschaftsministeriums und des Energie- und Klimafonds. Deshalb gilt es – das hat die Koalition auch beschlossen –, die Wirksamkeit der Mittel zu erhöhen. Denn wir wollen alle gemeinsam erreichen, dass wir nicht Mittel in den Haushalt einstellen, sondern dass wir CO2 einsparen und dass wir uns alternative Energiequellen eröffnen. Das muss das Ziel der nächsten Monate sein. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Ganz herzlichen Dank auch für die Einhaltung der Redezeit. – Es folgt für die CDU/CSU der Kollege Jens Spahn. ({0})

Jens Spahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003638, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Inflation ist auf Rekordniveau. Der wirtschaftliche Ausblick trübt sich ein. Eine Stagflation droht. Die Energieversorgung ist gefährdet. In Zeiten wie diesen wäre es gut, wenn der Wirtschafts- und Energieminister einen Plan mit klaren Prioritäten vorlegen würde, ({0}) aber in allzu vielen Bereichen – und ich will drei nennen – fehlt ein solcher Plan. Erstens zur Innovations- und Strukturpolitik. Gerade in Zeiten der Inflation braucht es eine wachstumsfördernde Politik; denn Wachstum weitet das Angebot aus und dämmt damit die Inflation ein. Der Bundesminister der Finanzen hat ein Papier für eine wachstumsfördernde Angebotspolitik vorgelegt und spricht zum Beispiel folgende Punkte an: Bürokratie abbauen ({1}) – zumindest die FDP freut sich in der Koalition darüber –, Arbeitsrecht flexibilisieren und Anreize für Investitionen setzen. So ein Papier hätten wir uns auch von Ihnen, Herr Wirtschaftsminister, gewünscht. ({2}) Denn nur wenn sich beide, Finanzminister und Wirtschaftsminister, einig sind, dann kommt eine Wachstumspolitik auch zustande. Schiller und Strauß waren wie Plisch und Plum. ({3}) Habeck und Lindner sind eher wie Tom und Jerry, wie Katz und Maus. Das ist unterhaltsam. Was wir brauchen, ist aber kein Katz-und-Maus-Spiel; was wir brauchen, ist ein kohärentes Konzept von Finanz- und Wirtschaftspolitik in diesen Zeiten. ({4}) Gestern sagten Sie, Rezession vermeiden, ({5}) Kaufkraft erhalten, Gerechtigkeit walten lassen, das sei das Ziel. Das sind alles nette Überschriften; das ist alles so weit richtig. Aber was will diese Regierung konkret in Zeiten von Rekordinflation und Unsicherheit in der Wirtschaft tun? Die Bürgerinnen und Bürger und, ja, auch dieses Parlament haben einen Anspruch darauf, endlich einen kohärenten Plan vorgelegt zu bekommen. Gleich haben Sie, Herr Minister, die Gelegenheit dazu. ({6}) Ein zweites Beispiel ist die Energiepolitik. ({7}) Wir seien sehr gut vorbereitet, falls wir kein russisches Gas im Winter bekämen, sagen Wirtschaftsminister und Kanzler. Den Eindruck habe ich, ehrlich gesagt, noch nicht. Der Deutsche Bundestag hat vor zwei Monaten – vor zwei Monaten! – mit Stimmen von SPD, Union, Grünen und FDP die Bundesregierung aufgefordert, einen Ausstiegsfahrplan vorzulegen, mal genau darzulegen jenseits von Interviews und einzelnen Äußerungen, wie viel Terawattstunden Energie, etwa aus Gas, wir bis wann bei den russischen Lieferungen ersetzen wollen und durch was. Bis jetzt haben wir dazu keinen konkreten Plan gesehen. Es hieß vor zwei Monaten, kurzfristig kämen Gaslieferungen aus Katar. Jetzt heißt es: Es kann 2024 werden. – Nichts Genaues weiß man nicht. ({8}) Stichwort „Gasspeicher“. ({9}) Sie haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, um auf einen Gaslieferstopp vorbereitet zu sein, und sagen: Kohlekraftwerke sollen möglicherweise am Netz bleiben, ({10}) auch Braunkohlekraftwerke bemerkenswerterweise, um dann im Fall der Fälle einzuspringen. Warum nicht jetzt schon? Eigentlich müssten wir doch – das sagen wir seit zwei Monaten – schon seit Wochen Kohlekraftwerke stärker nutzen, um Gas bei den Gaskraftwerken zu sparen und die Speicher zu füllen. ({11}) Wären Sie uns vor zwei Monaten gefolgt, hätten wir jetzt schon um 2, 3 Prozent vollere Gasspeicher, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({12}) Im Übrigen verstehe ich bis heute nicht, auch in der aktuellen Debatte nicht, warum ein grüner Klimaminister lieber Kohlekraftwerke, auch Braunkohlekraftwerke, im Fall der Fälle am Netz lässt, als CO2-neutrale Kernkraftwerke, die noch in Betrieb sind, noch weiter laufen zu lassen. ({13}) Das will mir nicht in den Sinn. Herr Banaszak hat zu Recht darauf hingewiesen – wir unterstützen Sie dabei und haben mehrfach zugestimmt –, Sie seien an vielen Stellen pragmatisch und täten Dinge, die Sie sonst nicht getan hätten. Das ist anzuerkennen, und das befürworten wir ausdrücklich. Aber es wäre eben gut, wenn Sie auch in dieser Frage Pragmatismus und nicht Ideologie walten ließen. ({14}) Die aktuelle Situation erfordert das jedenfalls, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({15}) Ein drittes Beispiel: die Handelspolitik. Sie haben gesagt: Energiepolitik ist Sicherheitspolitik. – Und das stimmt. Auch Handelspolitik ist Sicherheitspolitik. Das hat drei Dimensionen. Erstens: die globale Dimension. Freihandel wirkt gegen Armut, verbindet uns mit der Welt und mit den Partnern, die unsere Werte teilen. Zweitens: die Dimension der Versorgungssicherheit. Freihandel mit verschiedenen verlässlichen Partnern steigert die Resilienz unserer Lieferketten. ({16}) Und drittens: die Dimension unserer Unternehmen und Beschäftigten. Freihandel sichert in Deutschland etwa 4,5 Millionen Arbeitsplätze und damit auch das Einkommen von Millionen Familien. Auch da könnten Sie ein wichtiges Zeichen setzen. Wir setzen ein solches Zeichen hier jede Woche, etwa über Abstimmungen. Während Sie richtigerweise Gas in Katar und Ägypten kaufen, verweigern Sie bis heute dem Freihandel mit Kanada ({17}) die Zustimmung hier im Deutschen Bundestag. Die FDP, selbst die Minister der FDP fordern mittlerweile öffentlich die Zustimmung. Wir fordern Sie auf: Lassen Sie uns in Zeiten wie diesen endlich das Handelsabkommen mit Kanada ratifizieren und eine Zustimmung hier im Deutschen Bundestag erreichen! ({18}) Man muss nur Herrn Ministerpräsidenten Kretschmann in dieser Frage folgen. Das ist überhaupt kein Problem. Ich verstehe gar nicht, warum an bestimmten Stellen richtigerweise so viel Pragmatismus möglich ist und an anderen Stellen dann wieder die Ideologie überwiegt. Wir alle müssen in Zeiten wie diesen – – ({19}) – Nein. Wir sind doch auch bereit und reichen Ihnen an vielen Stellen die Hand, ({20}) um mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Aber Sie müssen es schon ertragen. Wir sind staatstragend in Zeiten wie diesen; aber wir sind nicht regierungstragend. Sie müssen in diesen Zeiten schon damit rechnen, dass es Kritik gibt für das, was Sie tun oder eben nicht tun. ({21}) Frau Präsidentin, abschließend: Steuereinnahmen halten das Land am Laufen. Das haben Sie kürzlich gesagt, Herr Wirtschaftsminister. Das ist so ähnlich wie „Der Strom kommt aus der Steckdose“ oder „Die Milch kommt aus dem Supermarkt“. ({22}) Strom muss produziert werden, Bauern müssen die Kühe melken, und das Geld des Staates, das kommt nicht vom Finanzamt. Steuereinnahmen müssen erst einmal erwirtschaftet werden. Es sind die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, die das Land am Laufen halten. Es ist wichtig, das immer wieder auch zu zeigen und deutlich zu machen; denn es drückt eine Geisteshaltung aus, wie wir in der Steuerpolitik reden, wie wir über die Frage reden, woher das Geld kommt ({23}) und wie wir mit dem Geld umgehen. In Zeiten wie diesen halten wir es für wichtig, genau das anzuerkennen und zurückzukehren zur Haushaltskonsolidierung, die richtigen Schwerpunkte zu setzen und in Zeiten hoher Inflation eine Politik für Wachstum zu haben. Dazu reichen wir Ihnen gerne die Hand. ({24})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Für die Bundesregierung spricht jetzt der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck. ({0})

Dr. Robert Habeck (Minister:in)

Politiker ID: 11005074

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Kollege Spahn, Sie sprachen von „Geisteshaltung“ und „Ideologie“. Ich würde es „Ideologievorwurf“ nennen. Diesen muss sich derjenige gefallen lassen, der dem billigen Applaus zuliebe hier Phrasen verkündet, ohne die konkrete Wirklichkeit, die Handlungen und die Entwicklung in der Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen. ({0}) Um auf die Wirklichkeit zu kommen: Dieser Haushalt, den wir hier debattieren, ist ein besonderer Haushalt vor dem Hintergrund einer besonderen Wirklichkeit. ({1}) Viele Aspekte – ich kann in den fünf Minuten, die ich habe, nicht auf alle eingehen – sind genannt worden, die das Land besonders bedrücken. Aber es hat natürlich einen Grund, warum diese Bedrückung da ist. Und dieser Grund ist der Angriffskrieg, der durch nichts zu rechtfertigende Angriffskrieg von Putin gegen die Ukraine, der Tod von Menschen, der dadurch dort verursacht wird, und die hohen Kosten, die Druck auf die Bevölkerung und auf die Wirtschaft ausüben und die wir hier zu tragen haben. Sehr geehrte Damen und Herren, aber wir tragen sie erfolgreich. ({2}) Der Bundeskanzler hat gestern aufgelistet, welche Waffen und welche Waffengattungen die Bundesrepublik Deutschland der Ukraine zur Verfügung stellt. Ich möchte kurz darauf eingehen, dass wir uns noch in einem anderen Konflikt befinden, nämlich in einem Wirtschaftskonflikt. Wenn wir auf die Sanktionslisten schauen, diskutieren wir immer über die Öl- und Gasverkäufe, die Russland noch immer tätigt. Ja, die Einnahmen, die Putin in den letzten Monaten durch die hohen Preise erzielt hat, tun weh. Man kann sich eigentlich nur dafür schämen, dass wir es immer noch nicht geschafft haben, diese Abhängigkeit deutlicher zu reduzieren. Aber: Nur auf die Öl- und Gaseinnahmen von Putin zu schauen, verkennt, was gerade die Wirklichkeit ist – eine Wirklichkeit, die wir mit den Alliierten zusammen herstellen. Putin kann sich nämlich von dem Geld, das er verdient, immer weniger, ja, faktisch nichts mehr kaufen. Die russische Wirtschaft bricht ein. Die Exporte nach Russland, die russischen Importe gehen dramatisch zurück. Insgesamt sind die Exporte der Alliierten, also derjenigen, die sich den Sanktionen angeschlossen haben, in den letzten Monaten um 53 Prozent zurückgegangen. Wichtiger vielleicht noch ist, dass auch die Exporte aus Ländern, die neutral oder sogar prorussisch aufgestellt sind, um 45 Prozent zurückgegangen sind. Deutschland hat einen wesentlichen Anteil am Rückgang des Exports nach Russland. Allein im März waren es minus 60 Prozent; wir erwarten eine deutlich höhere Zahl für April. Dieser Exportrückgang ist – das haben wir ja bei Corona gemerkt – nicht nur in der Allgemeinheit zu erfassen; denn was dadurch fehlt, sind Teile in spezifischen Lieferketten, die die russische Wirtschaft bis ins Mark treffen werden. Es fehlen Sicherheits-Updates für die Flugzeuge, mit der Konsequenz, dass die Flugzeuge bald am Boden bleiben. Es fehlen technische Güter, High-Value-Goods in der technischen Kette, was die Produktionsprozesse zerstören wird. Sehr geehrte Damen und Herren, Putin kriegt noch Geld, aber er kann es kaum noch ausgeben, und die Zeit, sie arbeitet nicht für Russland; sie arbeitet gegen Russland, sie arbeitet gegen die russische Wirtschaft. Die russische Wirtschaft ist eingebrochen. Das BIP wird im Jahr 2022 um 9 Prozent zurückgehen. Die Kreditwürdigkeit Russlands befindet sich im Ramschstatus. Die Investitionstätigkeit ist um 34 Prozent zurückgegangen. Niemand will mehr in Russland investieren. Putin kann das nicht mehr lange durchhalten. Er kann vielleicht seine Armee noch versorgen mit den Möglichkeiten, die er im eigenen Land hat – Öl und Weizen –, aber die russische Wirtschaft ist hart getroffen durch die Sanktionen. Einen wesentlichen Teil davon trägt die deutsche Wirtschaft. Dass sie das tut, das kann man nur mit Danksagen beantworten. ({3}) Einen wesentlichen Teil davon trägt auch die deutsche Bevölkerung. Wir haben über die hohen Belastungen gesprochen. Auch da muss man sagen: Danke dafür; denn wir tun es ja nicht aus Spaß. Wir tun es, um die russische, um Putins Wirtschaft zu schädigen und so unseren wirtschaftspolitischen Beitrag zu leisten, dass dieser Krieg irgendwann ein Ende findet, indem wir die russische Wirtschaft bis ins Mark treffen werden. Wir sind dabei, es zu tun. ({4})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

Dr. Robert Habeck (Minister:in)

Politiker ID: 11005074

Nein. ({0}) Sehr geehrte Damen und Herren, das hat Konsequenzen für mein Ministerium und für den Haushalt. Wir haben in einer großen Geschwindigkeit neue Gesetze schreiben müssen, etwa das Sanktionsdurchsetzungsgesetz, um die Sanktionen zu kontrollieren, das Energiesicherungsgesetz, das LNG-Beschleunigungsgesetz, das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz, das Gasspeichergesetz und die Verordnung, die ab heute dazu führt, dass auch Rehden jetzt pflichtgemäß gefüllt wird. Die Waffenexporte müssen kontrolliert werden, die Hilfsprogramme müssen strukturiert und verausgabt werden. Dazu kommt natürlich die Arbeit an der Energiewende und an den strukturellen Aufgaben, die wir insgesamt haben. Dass das im Haushalt nachgezeichnet wird, dafür möchte ich mich ausdrücklich bedanken, ({1}) aber auch für die guten, konstruktiven Gespräche. Es ist nicht selbstverständlich, dass das Parlament das sieht. Ich möchte mich aber auch bei der Verwaltung, stellvertretend bei meinem Haus, bedanken. Letzter Satz. Man sagt immer: die Verwaltung, die Planungsprozesse, alles zu langsam, alles zu träge. – Wir zeigen in diesem Jahr in einer gemeinschaftlichen Anstrengung von Unternehmen und Wirtschaft, von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch von der Verwaltung, wie leistungsfähig unser Land und unsere Demokratie sind. Der Haushalt spiegelt das wider. Vielen Dank. ({2})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Habeck. – Jetzt folgt für die AfD-Fraktion Enrico Komning. ({0})

Enrico Komning (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004787, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Liebe Besucher auf der Tribüne! ({0}) Wir erleben in Deutschland gegenwärtig einen von der alten Großen Koalition angelegten und von der Ampelkoalition fortgeführten beispiellosen wirtschaftlichen Niedergang in Deutschland. Erst gestern musste ich am Hauptbahnhof sehen, wie ein Rentner im Müll wühlte und sich die Pfandflaschen heraussuchte, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, können von ihrer Rente, können von ihren Ersparnissen nicht mehr leben. Das ist eine Schande. ({1}) Wie konnte es so weit kommen, dass die Bürger dieses Landes ihren Strom nicht mehr bezahlen können und dass eine warme Wohnung zum Luxusgut wird? Ursachen sind Ihre bewusst herbeigeführte, zumindest bewusst in Kauf genommene Inflation, Ihre rein ideologiegetriebene, vollkommen wirkungslose und darüber hinaus umweltzerstörende Energiewende, Ihre mittelstandsfeindliche Wirtschaftspolitik und nicht zuletzt Ihr hysterisches Taumeln durch die Coronazeit. ({2}) Nicht schuld, Herr Habeck, ist hingegen der Ukrainekrieg an sich, den Sie doch nur dazu nutzen, um Ihre fatale Wirtschaftspolitik zu rechtfertigen. ({3}) Sie legen hier einen weiteren Schuldenhaushalt vor. Diesmal sind es 100 Milliarden Euro Nettoneuverschuldung. Leidtragende sind die mittelständische Wirtschaft und die Leistungsträger der Gesellschaft, nämlich die Arbeitnehmer. Ganze 10 Milliarden Euro, das sind nicht einmal 2 Prozent des Gesamthaushaltes, fallen in den Bereich Wirtschaft. Als vormals stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender des Bundes der Steuerzahler in Mecklenburg-Vorpommern weiß ich, wie der Staat Steuern zum Fenster hinauswirft. Was Sie hier aber machen, lässt einen nur noch ungläubig stauen. Da finanzieren Sie aus dem Wirtschaftshaushalt Sozialunternehmen, Unternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht, Unternehmen, die nichts, aber auch gar nichts zum Wachstum von Beschäftigung und gesellschaftlichem Wohlstand beitragen. Das können Sie von mir aus ja machen; aber nehmen Sie doch dann bitte die Mittel aus dem Sozial- oder aus dem Kulturbudget. Und dann wiederum streichen Sie ein Investitionsprogramm für die Automobilzulieferindustrie zusammen, um fast 200 Millionen Euro. Es geht um ein Programm, das eigentlich zur Zukunftsfähigkeit der von Ihnen geschliffenen deutschen Vorzeigebranche gedacht war – blanker Hohn für Zigtausende Arbeitnehmer und ihre Familien. ({4}) Meine Damen und Herren, Deutschland verarmt vor Ihren Augen, und Sie führen Deutschland zielsicher in eine erbarmungslose Planwirtschaft, anstatt Gestaltungskräfte zu entfesseln. Als ehemaliges FDP-Mitglied will ich zumindest an diesen Teil der Regierung appellieren: Beenden Sie diesen ganzen Unsinn! Kehren Sie zurück zu Freiheit, Chancengleichheit und Anstand! Vielen Dank. ({5})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Jetzt folgt für die SPD-Fraktion der Kollege Bernd Westphal. ({0})

Bernd Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zeitgleich zu unserer Debatte, die wir hier führen, tobt ein erbarmungsloser, schrecklicher Krieg in Europa. Der feige Angriff Russlands, der Krieg von Putin gegen die Menschen in der Ukraine ist erbärmlich. Dass wir so etwas im 21. Jahrhundert erleben müssen, ist etwas, was wir uns alle kaum hätten vorstellen können. Deshalb werden wir alles dafür tun, die Ukrainerinnen und Ukrainer in ihrem mutigen Kampf dagegen zu unterstützen. Wir werden alles dafür tun, dieses Land in dieser Zeit nicht alleine zu lassen. Deshalb ist das, was Olaf Scholz am Mittwoch in seiner Regierungserklärung gesagt hat, richtig: Alles, was jetzt notwendig ist, werden wir für die Ukraine tun, meine Damen und Herren. ({0}) Natürlich heißt das auch, Verantwortung für die Folgen zu übernehmen. Das Sanktionspaket, das mit unseren europäischen Partnern und innerhalb der NATO vereinbart worden ist, hat massive Auswirkungen auf Russland – der Wirtschaftsminister hat eben darauf hingewiesen –, aber natürlich auch auf die deutsche Wirtschaft. Deshalb kann man sagen, dass wir nicht gegen die Wirtschaft sind. Wer am Sonntag bei der Eröffnung der Hannover Messe war, konnte das vom Präsidenten des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, Herrn Haeusgen, hören: Die Wirtschaft steht hinter dieser Bundesregierung. Ich würde mir wünschen, dass die Opposition in so schwierigen Zeiten das auch tun würde. Herzlichen Dank für dieses Votum! ({1}) Wir befinden uns in einer schwierigen Situation; das weiß jeder. Aber dennoch: Beim Messerundgang am Montag in Hannover – diese Messe findet schon zum 75. Mal statt –, bei dieser Industrieschau, bei der internationale Firmen in Deutschland ihre Produkte zeigen, wird die Innovationskraft der deutschen Wirtschaft sichtbar. Dort war zu spüren, dass die Unternehmen sich auf den Weg machen, mit ihren Technologien eine klimaneutrale Wirtschaft zu organisieren, zu gucken, dass wir Mobilität, dass wir Heizenergie, dass wir Prozesswärme, dass wir Strom, dass wir Wasserstoff produzieren. Das sind Innovationen, die dort sichtbar sind. Herr Spahn, die Unternehmen haben nicht geklagt über zu hohe Löhne oder dass wir zu viel Arbeitsschutz oder zu viel Mitbestimmung hätten – nein, ganz im Gegenteil. Das erste Argument, das genannt worden ist: Wir brauchen Fachkräfte in diesem Land. Und dieser Bundeshaushalt wird dafür sorgen, dass wir gerade die Mittel zur Ausbildung der Facharbeiter verstärken, dass wir gerade eine Willkommenskultur entwickeln, sodass Fachkräfte hier nach Deutschland kommen. Sie hätten sich davon überzeugen können, wenn Sie den Rundgang gemacht hätten. Die Ideologie der Union ist, wenn sie über Bürokratieabbau spricht, das Schleifen von Arbeitnehmerrechten und Lohndrückerei. Das werden wir nicht mitmachen. ({2}) Deshalb ist es zum Beispiel richtig, dass wir, wenn wir eine Inflation von über 7 Prozent haben, mit einem großen Maßnahmenpaket die Energiepreise entsprechend entlasten. Aber wir sorgen mit dem Mindestlohngesetz auch dafür, dass wir im Niedriglohnsektor Lohnerhöhungen von teilweise 30 Prozent haben. 6 Millionen Menschen werden in diesem Land davon profitieren. Deshalb ist es richtig, dass wir dieses Gesetz auf den Weg bringen, um die Kaufkraft zu erhöhen. Das steuert dagegen. Das schafft Stabilität in unserer Wirtschaft. ({3}) Der Haushalt, die Gesetze für das Osterpaket und das, was aus dem Bundeswirtschaftsministerium noch zu erwarten ist, zeigen ja, dass es Spaß macht, in einer Bundesregierung mitzuarbeiten, und dass es Spaß macht – ich habe ja acht Jahre lang Energiepolitik für meine Fraktion mit verantwortet –, jetzt diese Transformation zu gestalten, erneuerbare Energien auszubauen, Kommunen und Länder zu stärken, bei Genehmigungsverfahren schneller zu werden, eine Aufbruchssituation zu erzeugen. Genau das ist der investive Teil, den diese Bundesregierung jetzt als Signal sendet. Und genau das ist es, was unser Land und unsere Wirtschaft zukunftsfähig macht – nicht Zaudern und Bremsen; das ist, Gott sei Dank, jetzt vorbei. Die Ampel ist innovativer. ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Wirtschaft ist im Hinblick auf ihre Herausforderungen gestärkt. Die Rahmenbedingungen, die wir als Bundesregierung setzen, sind Innovationstreiber. Wir sind Investitions- und Innovationsunterstützer und ‑förderer. Das zeigt der Bundeshaushalt zum Beispiel mit einem sehr erfolgreichen Instrument: Die Mittel für Zukunftsinvestitionen im Mittelstand im Rahmen des ZIM-Pakets werden noch einmal erhöht. Das ist ein Programm, das nachgefragt wird, das in den Unternehmen auch anerkannt ist. Die Mittel werden abgerufen und fördern genau die Innovationskraft, die wir brauchen – übrigens auch im internationalen Wettbewerb. Wir merken, dass wir auch auf den internationalen Märkten mit unseren Produkten erfolgreich sind. Gleichzeitig fördern wir die Industrielle Gemeinschaftsforschung. Auch das ist ein Zeichen dafür, wie Innovationen durch Haushaltsmittel des Bundes unterstützt werden. Deshalb ist das ein guter Haushalt, dem man zustimmen kann. Er fördert die Wende zur sozial-ökologischen Wirtschaft. Daher gilt seit 1863: Die SPD schafft soziale Verantwortung. ({5}) Vielen Dank. ({6})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Es folgt die Fraktion Die Linke mit Alexander Ulrich.

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Vizekanzler, Sie haben in einem „heute journal“-Interview vor wenigen Wochen gesagt: Wir werden alle ärmer. – Die Frage, die Sie auch heute nicht beantwortet haben, ist: Wen meinen Sie denn alles mit „wir“? Denn auf viele Menschen in diesem Land trifft das zwar zu – bis zu 40 Prozent der Haushalte kommen nicht mehr durch den Monat; viele betraf das schon vor dem Krieg und vor Corona –, aber bei vielen anderen stellen wir fest, dass Reichtum sich anhäuft: Die Zahl der Millionäre und Milliardäre steigt an. Die Ölkonzerne machen Geschäfte ohne Ende, werden auch von Ihnen dabei unterstützt. Das zeigt: In dieser Krise wird die soziale Ungleichheit größer. Es stimmt nicht, dass wir alle ärmer werden. Ein Teil der Gesellschaft wird ärmer, und das ist auch politisch von Ihnen gewollt. ({0}) Und wenn Sie von „wir“ reden, dann können Sie nicht sich meinen. Sie haben auch heute die Chance verpasst, einmal zu erklären, warum zum Beispiel die Rentnerin, der Rentner oder der Studierende die 300 Euro Energiegeld nicht bekommt, aber Sie als Vizekanzler die 300 Euro bekommen. ({1}) Finden Sie das „respektvoll“, wie es im Wahlkampf und bei der Regierungsbildung geheißen hat? Nein, das ist respektlos, dass sich das Kabinett bedient und der Rentner sich an die Tafel wenden muss. ({2}) Wenn wir hier auch darüber reden, dass, wie der Vorredner ja sagte, die SPD seit 1863 für sozialen Ausgleich steht: Der Ministerpräsident von Niedersachsen hat jetzt in einem „Bild am Sonntag“-Interview gesagt, er sei auch dafür, dass bei den Rentnerinnen und Rentnern nachgelegt wird. Leider hört man von der SPD-Bundestagsfraktion nicht, ob sie das unterstützt. Also sage ich den Bürgerinnen und Bürgern, auch in Niedersachsen: Der Ministerpräsident macht Wahlkampf, und spätestens nach dem Wahltermin ist auch diese Aussage wieder fehl am Platze. – Sie wollen die Rentnerinnen und Rentner im Stich lassen. Das ist die Wahrheit, und diese Woche hat das auch nochmals gezeigt. ({3}) Herr Bundesminister Habeck, gestern hat der Kanzler angesprochen, er will eine konzertierte Aktion von Arbeitgebern und Gewerkschaften, um zu klären, wie man mit dieser Inflation umgeht. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie als Wirtschaftsminister hier einmal ein paar Hinweise geben, wohin die konzertierte Aktion gehen soll: Sollen die Leute nochmals auf Lohnerhöhungen verzichten, weil es der Wirtschaft so schlecht geht? Soll es einen Ausgleich durch den Staat geben? Wir sagen klipp und klar, mit den Gewerkschaften: Das, was Sie jetzt gemacht haben, ist halbgar. Wir brauchen viel mehr Entlastung durch die Politik, damit die Menschen in diesen Krisen – Corona und Ukraine – wirklich nicht im Stich gelassen werden. Vielen Dank. ({4})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Es folgt die FDP-Fraktion mit ihrem Redner Reinhard Houben. ({0})

Reinhard Houben (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Olaf Scholz hat gestern zu Friedrich Merz, der leider gegangen ist, gesagt, ({0}) dieser sei durch die Rede „getänzelt“. Herr Spahn, Sie haben auch ziemlich viel getänzelt. Erstens. Wenn die große Kompetenz der Union darin besteht, uns jetzt zu empfehlen, wieder in die Atomwirtschaft einzusteigen, muss ich fragen: Wo haben Sie eigentlich Ihren marktwirtschaftlichen Kompass? ({1}) Sie wissen doch ganz genau, dass keine Bank ein Atomkraftwerk in Deutschland finanzieren würde. Und Sie wissen ganz genau, dass keine Versicherung ein Atomkraftwerk versichern würde. ({2}) In diesem Zusammenhang kann ich nur sagen: Ich empfehle dann die Endlagersuche im Münsterland, Herr Spahn. ({3}) Zweitens die Aussage zum Gasspeicher. Gucken Sie sich doch bitte die täglichen Informationen der Bundesnetzagentur an, wie das Einspeichern in unsere Gasspeicher funktioniert und in welchem Tempo es stattfindet. Dann könnten Sie solche Aussagen, wie Sie sie hier getroffen haben, eigentlich nicht vorbringen. ({4}) Das kann meiner Meinung nach nicht sein. Natürlich müssen wir der deutschen Wirtschaft danken. Sie akzeptiert das Primat der Politik. ({5}) Aber, meine Damen und Herren, auch die Wirtschaft ist natürlich in großer Sorge. Deswegen begrüßen wir als FDP die verstärkten Anstrengungen gerade bei LNG. Herr Minister, es ist natürlich traurig. Sie haben verkündet: „Lieber BUND, lieber NABU usw. usf.“ – ich will jetzt nicht unbedingt sagen: Vorfeldorganisation der Grünen – ({6}) „bitte klagt nicht gegen den Bau dieser LNG-Anlagen, der Infrastruktur in den Häfen, die nötig ist, damit LNG eingespeichert werden kann.“ ({7}) Nun findet das leider trotzdem statt. Vielleicht haben Sie an dieser Stelle ja noch ein bisschen Einfluss. Meine Damen und Herren, ich finde, es ist schon starker Tobak, Herr Ulrich, dass Sie dieser Bundesregierung vorwerfen, sie habe Armut sozusagen zu ihrem politischen Konzept erhoben. Das ist blanker Populismus. ({8}) Das ist ein Niveau, das manchmal noch nicht einmal von der Fraktion auf der rechten Seite des Hauses geboten wird. ({9}) Ich muss Sie wirklich fragen, ob Sie meinen, Ihre Partei wieder erfolgreich ins politische Geschäft bringen zu können, wenn Sie hier mit solch populistischen Argumenten rumhantieren. Vielen Dank. ({10})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt Hansjörg Durz. ({0})

Hansjörg Durz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade in dieser Haushaltswoche, in der sich diese Bundesregierung brutto fast 10 000 neue Stellen genehmigt, ({0}) ist schon noch einmal darauf hinzuweisen, dass alles, was ausgegeben wird, vorher erwirtschaftet werden muss. ({1}) Ein großer Beitrag zu unserer Wirtschaft, gerade in den vergangenen Jahren, war der Export. Unsere exportorientierte Wirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten stark von der Globalisierung profitiert. Doch oft schätzt man etwas ja erst dann, wenn man es nicht mehr oder nicht mehr in der Form hat, wie man es gewohnt ist. Wie eine Welt ohne funktionierende Lieferketten, ohne freien Zugang zu Märkten, mit weniger oder ohne Globalisierung aussieht oder aussehen könnte, das erfahren wir gerade in dieser Zeit: Der Hunger auf der Welt wächst, Energie wird knapp, und die Preise steigen rapide. Die Inflation betrug bei uns in Deutschland im vergangenen Monat knapp 8 Prozent, in Europa sogar über 8 Prozent. Spätestens jetzt dürfte jedem klar geworden sein: Freier Handel schafft Wohlstand. ({2}) Die in dieser Zeit vielzitierte Zeitenwende erfordert von uns allen neues Denken und neues Handeln. Ich freue mich deshalb, dass sich ausgerechnet ein grüner Minister in Davos zum freien Welthandel bekannte. Klare Worte in Davos, aber noch wichtiger wäre entschiedenes Handeln in Berlin. ({3}) Die Grünen blockieren allerdings nach wie vor in jeder Sitzungswoche, in der wir einen entsprechenden Antrag stellen, das Freihandelsabkommen mit Kanada – ja, mit Kanada! Es gibt außerhalb Europas wohl kein Land, das europäischer ist als Kanada. Herr Habeck verhandelt zwar mit Katar, ({4}) was ja richtig ist, um unsere Energieversorgung zu sichern. Doch was ist das für ein Widerspruch? Ein deutscher Wirtschaftsminister verbeugt sich vor katarischen Scheichs, doch mit kanadischen Demokraten schafft er bis heute keinen Handschlag. Herr Habeck, ich bitte Sie: Überzeugen Sie Ihre Partei, und stimmen Sie dem Freihandelsabkommen mit Kanada schnellstmöglich zu! ({5}) In dieser Woche findet – wir haben es bereits gehört – in Hannover die größte Industriemesse der Welt statt. Die Hannover-Messe geht heute zu Ende. Auch dort sind die Auswirkungen der aktuellen globalen Entwicklungen sichtbar und spürbar. Die Messe findet nur mit etwa der Hälfte der Aussteller im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit statt, vor allem, weil Chinesen und Inder nicht oder kaum präsent sind. Doch diese Messe zeigt auch auf, wie erfolgreiche Wirtschaftspolitik gelingen kann und auch gelingt. Denn wer sie besucht, der erlebt dort trotz all der Krisen in dieser Branche – das sieht in anderen Branchen in unserem Land anders aus – Innovationskraft und Zuversicht. Derjenige, der dort ist, kann erfahren, wo Deutschland vorne bzw. an der Spitze liegt, zum Beispiel bei der digitalen Vernetzung von Fabriken und Anlagen, bei Industrie 4.0. Ein Grund dafür ist die Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft im Rahmen der Plattform Industrie 4.0, eingesetzt von einer unionsgeführten Bundesregierung. Sie hat bewiesen: Kluge und zielgerichtete Unterstützung, Innovationsförderung und Zusammenarbeit stärken die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Und genau das brauchen wir jetzt auch. ({6})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

Hansjörg Durz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jawohl, Frau Präsidentin. – Unsere Anträge, die das untermauert haben, wurden abgelehnt, was fast zu erwarten war. Aber, liebe Ampel, den Wohlstand von Morgen erwirtschaftet man nicht mit fast 10 000 neuen Stellen, sondern mit einer Politik, die nicht nur Geld umverteilt, sondern Wachstum und Wohlstand möglich macht. Vielen Dank. ({0})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Für ihre erste Rede im Deutschen Bundestag erhält jetzt das Wort Melis Sekmen für Bündnis 90/Die Grünen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Und dann gleich zu einem so wichtigen Thema!

Melis Sekmen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005222, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die Transformation brauchen wir einen wachen Gründergeist, kreative Ideen und kluge Köpfe. Das war das Rezept für große Erfindungen, angefangen beim Fahrrad und dem Automobil bis hin zum Lanz-Traktor, der den Menschen in der Landwirtschaft die Arbeit erleichtert hat. Als gebürtige Mannheimerin bin ich natürlich stolz darauf, dass diese Erfindungen aus meiner Heimatstadt kommen. ({0}) Und genau so muss es in unserem Land weitergehen; denn was wir jetzt brauchen, sind zündende Ideen und Innovationskraft. Die Start-ups, die Gründerinnen und Gründer von heute sind der Mittelstand von morgen. Deswegen müssen wir junge Menschen für das Unternehmertum begeistern. Ob jemand in unserem Land gründen kann, darf eben nicht davon abhängig sein, wie dick der eigene Geldbeutel ist. ({1}) Wir können und dürfen es uns nicht mehr leisten, auf Talente zu verzichten, weil sie das nötige Startkapital nicht mitbringen oder kein Studium absolvieren konnten. An Universitäten und Hochschulen gelingt uns das bereits sehr gut, zum Beispiel mit dem Ausgründungsprogramm EXIST, dessen Mittel wir aufgestockt haben. Das muss aber auch an Berufsschulen möglich sein, damit wir die Gründungslandschaft in unserem Land, zum Beispiel mit Handwerksberufen, diverser und breiter aufstellen können. ({2}) Investitionen in Innovationen sind teuer. Sie sind aber unbedingt notwendig, wenn wir als Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähig bleiben wollen – für kleine und mittelständische Unternehmen immer wieder eine große Herausforderung; denn sie haben eben nicht die Budgets und auch nicht die Kapazitäten der großen Konzerne. Deswegen haben wir uns in der Ampel gemeinsam dafür starkgemacht, das Zentrale Innovationsprogramm für den Mittelstand um 80 Millionen Euro aufzustocken. ({3}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich als kleines Mädchen meinen Vater nach seiner Frühschicht am Benz-Werk abgeholt habe. Ich weiß, was die Transformation für ihn und seine Kollegen bedeutet. Ich weiß auch, dass wir ohne deren Know-how und ohne gut ausgebildete Fachkräfte die bevorstehenden Aufgaben nicht meistern können. Deswegen müssen wir gemeinsam mit Hochschulen und anderen Bildungsträgern Menschen in den Betrieben weiterqualifizieren, ({4}) mit regionalen und fachübergreifenden Weiterbildungszentren, mit Ausbildungsoffensiven und mit dem längst überfälligen Bürokratieabbau bei der Anerkennung von ausländischen Qualifikationen. So können wir Fachkräfte für unsere Unternehmen gewinnen. ({5}) All diese Punkte werden im Haushalt abgebildet. Denn wir stehen für einen Umbruch, bei dem wir die Menschen mitnehmen, damit dieser Umbruch zum echten Aufbruch wird. Vielen Dank. ({6})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Vielen Dank. – Für die AfD-Fraktion folgt Steffen Kotré. ({0})

Steffen Kotré (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004791, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Also, wir stehen nicht vor einem Umbruch, wir stehen vor einem Zusammenbruch in der Wirtschafts- und Energiepolitik. ({0}) Dieser Haushalt bedeutet leider ein Weiter-so in die Energie-, Wirtschafts- und Gesellschaftskrise hinein. Dieser Haushalt strotzt wieder nur so vor propagandistischen ideologischen Dummheiten, als könnte Deutschland als einziges Land den Klimawandel irgendwie aufhalten, meine Damen und Herren. ({1}) Und was bedeutet die Propagandaformel des sogenannten Klimaschutzes? Der Klimaschutz in links-grüner Lesart wird auch bald offiziell für eine zweistellige links-grün getriebene Inflation stehen. Der sogenannte Klimaschutz steht für die höchsten Strompreise. Er steht für eine beschleunigte Deindustrialisierung und das Brechen von Versorgungsketten. Der sogenannte Klimaschutz steht für Umweltverschmutzung, Zerstörung von Grundwassersystemen, Wäldern und der Lebensgrundlage von Meerestieren. ({2}) Der sogenannte Klimaschutz steht für die größte Umverteilung der Steuergelder hin zu den hochsubventionierten Konzernen der grünen Energiewende ins Nichts, meine Damen und Herren. Letztlich bedeutet diese Politik die Abwesenheit von Vernunft, Fachwissen, Wissenschaft, Ehrlichkeit und Wahrheit. Wer es denn ehrlich meinen würde, der würde unsere Gesellschaft widerstandsfähig machen gegen den Klimawandel, ({3}) also Hochwasserschutz, Wassermanagement, widerstandsfähige Pflanzen. Wo bleiben denn die Investitionen in Kernfusion, in den Weiterbetrieb der Kernenergie? ({4}) Hier: Fehlanzeige! Weil in diesem Haushalt der gesunde Menschenverstand fehlt. ({5}) An dieser Stelle: Herr Spahn, das klingt ja wie Hohn. Sie, Ihre Partei und Frau Merkel waren doch gerade diejenigen, die den Ausstieg aus der Kernenergie forciert haben. Und wenn Sie das jetzt hier fordern, dann ist das eigentlich nichts anderes als Hohn, meine Damen und Herren. ({6}) Aber wohin uns die links-grüne Politik führen wird, das können wir hier und da und dort mal aufblitzen sehen: Das Gasnetz Deutschlands soll zerstört werden. Das hat nicht nur ein fachwissenbefreiter Staatssekretär Patrick Graichen verlauten lassen. Nein, das ist leider auch die Position des Wirtschaftsministeriums. Zitat aus dem Ministerium: Für das Ende ihrer Nutzung – gemeint sind die Gasnetze – sollten die betroffenen Netzbetreiber rechtzeitig Vorsorge treffen. Wir haben 500 000 Kilometer an Gasverteilnetzen für 1,6 Millionen Industrie- und Gewerbekunden. 19 Millionen Haushalte hängen daran. Die Gasnetze versorgen uns mit sicherer Wärme und Energie. Das Gasnetz würden wir nicht brauchen, sagen nun die grünen Maoisten. ({7}) Maos Jünger scheinen sich hier bei den Grünen durchgesetzt zu haben. ({8}) Das Gasnetz abreißen zu wollen, ist nichts anderes als Maos Großer Sprung nach vorn, die Ignoranz der physikalischen Gesetzmäßigkeiten und als Folge dann die energetische Verarmung der Bürger.

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

Steffen Kotré (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004791, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

In gänzlich unvernünftiger Weise könnte man die Nutzung der Netze einstellen. Nein, sie sollen aber abmontiert und Tatsachen geschaffen werden. ({0}) Das ist eine Taktik der verbrannten Erde, die mit uns nicht geht.

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Steffen Kotré (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004791, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Letzter Satz. – Ich als ehemaliges Mitglied der FDP appelliere auch an Sie, an dieses Mitglied der Bundesregierung: ({0}) Beenden Sie diesen Irrsinn!

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Das waren jetzt ziemlich viele Sätze.

Steffen Kotré (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004791, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Kehren wir wieder zurück zu einer gesicherten Energieversorgung! Vielen Dank. ({0})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Für die SPD-Fraktion erhält das Wort Andreas Mehltretter. ({0})

Andreas Mehltretter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005147, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass wir wegen des „Sondervermögens Bundeswehr“ beim Klimaschutz sparen müssen: Nein, diese Sorge, der wir in diesen Tagen immer wieder begegnen, ist unbegründet. Mit dem Haushalt 2022 und insbesondere mit dem Klima- und Transformationsfonds stellen wir die Mittel zur Verfügung, die wir brauchen, um unsere Klimaziele zu erreichen. Über den Klima- und Transformationsfonds investieren wir in diesem Jahr rund 28 Milliarden Euro in unsere Energie- und Klimapolitik. Bis 2026 werden es gut 200 Milliarden Euro sein. Das sind 200 Milliarden Euro für den Klimaschutz, für mehr erneuerbare Energien, für gedämmte Gebäude, für den Aufbau von Wasserstofftechnologien und für die Förderung der Elektromobilität. Das sind gut angelegte 200 Milliarden Euro, mit denen wir für eine gute Zukunft vorbauen, meine Damen und Herren. ({0}) Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, passt das ja anscheinend nicht. Sie klagen gerade gegen 60 dieser 200 Milliarden. ({1}) Sie klagen damit gegen mehr Klimaschutz, gegen grünen Strom und gegen die Zukunftsfähigkeit unserer Wirtschaft. Und nicht nur das: Sie klagen auch gegen die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und gegen die Unabhängigkeit von Russland. Ja, auch darum geht es. Erneuerbare Energien sind der einzige Weg für eine sichere, saubere und bezahlbare Stromversorgung. Dagegen zu klagen, ist schon eine besonders irrwitzige Idee. ({2}) Meine Damen und Herren, wir müssen die Treibhausgasemissionen rasch und tiefgreifend reduzieren; das steht außer Frage. Wir müssen unsere Klimaziele in allen Sektoren erreichen; auch das steht außer Frage. Und wir wollen es so umsetzen, dass wir niemanden damit überfordern. Mit dem Bundeshaushalt und dem Klima- und Transformationsfonds tragen wir dem Rechnung. Wir finanzieren den Ausbau der erneuerbaren Energien jetzt aus dem Bundeshaushalt statt über die Stromrechnung. Für die Energieeffizienz von Gebäuden stellen wir rund 8 Milliarden Euro zur Verfügung. Wir fördern den Umstieg auf E‑Mobilität mit 5 Milliarden Euro. Mit H2Global sorgen wir für den Markthochlauf von Grünem Wasserstoff. Für die Nationale Klimaschutzinitiative konnten wir die Mittel noch einmal um 220 Millionen Euro aufstocken. Mit 1,2 Milliarden Euro für 2022 und insgesamt rund 24 Milliarden für die nächsten Jahre ermöglichen wir Klimaschutzverträge, mit denen die Industrie ihre Produktion auf erneuerbare Energien umstellen kann. Mit diesem Bundeshaushalt können wir unser Energiesystem schnellstmöglich klimafreundlich umbauen. Wir können endlich bei der Sanierung unserer Gebäude vorankommen. Und wir machen die Energiewende zu einer sozialen Energiewende. All das packen wir jetzt mit dem Haushalt an. ({3}) Wichtige Gesetze zur Umsetzung sind bereits auf dem Weg. Mit dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz werden wir den Ausbau der Erneuerbaren massiv beschleunigen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, in einer Pressemitteilung vom Sonntag zur Hannover-Messe schreiben Sie viel vom Bürokratieabbau, den es jetzt bräuchte. Wir kämen auf jeden Fall beim Ausbau der Erneuerbaren noch schneller weiter, wenn CDU und CSU hier beim Bürokratieabbau vorangehen würden. Sorgen Sie doch dafür, dass blockierende Regelungen wie die 10-H-Regel in Bayern aufgehoben werden! Das wäre mal ein sinnvoller Beitrag von Ihnen. ({4}) Wir stellen die Förderung im Gebäudebereich auf neue Füße, damit wir auch dort in Zukunft endlich unsere Klimaziele erreichen. Zu viel CO2 im Gebäudesektor heißt auch: Viele Mieterinnen und Mieter zahlen zu viel fürs Heizen. Es ist deswegen notwendig, dass wir die CO2-Steuer auf Öl und Gas fair zwischen Vermietern und Mietern verteilen. ({5}) Wir brauchen Anreize für Vermieterinnen und Vermieter, Gebäude energetisch zu sanieren. Es liegt ja nicht nur am individuellen Eigenverbrauch der Mieterinnen und Mieter, wie teuer das Heizen ist; es liegt eben auch daran, wie gut die Wohnung gedämmt und wie alt die Heizung ist. Mit den beiden Entlastungspaketen haben wir bereits wichtige Grundlagen für eine soziale Energiewende gelegt. Über 30 Milliarden Euro haben wir dieses Jahr freigemacht, um Bürgerinnen und Bürger von steigenden Lebenshaltungs- und Energiekosten zu entlasten. Die Absenkung der EEG-Umlage auf null ist eine der wichtigsten Maßnahmen dabei, mit der wir sozial gerecht entlasten und gleichzeitig auch den Umstieg auf einfach erneuerbar herstellbaren Strom fördern. Diesen Weg müssen wir konsequent weitergehen. Wir haben im Koalitionsvertrag ein Klimageld angekündigt. Vereinbart ist ein sozialer Ausgleich für die CO2-Bepreisung über eine Absenkung der EEG-Umlage hinaus. Ein Vorschlag liegt jetzt auf dem Tisch. Beim Klimageld geht es aber nicht nur um kurzfristige Entlastungen. Das geplante weitere Ansteigen der CO2-Preise muss sich auch in einem steigenden Klimageld widerspiegeln, das sozial gerecht diejenigen belohnt, die wenig CO2 verbrauchen. ({6}) Meine Damen und Herren, Klimaschutz steht bei uns auch in Krisenzeiten oben auf der Tagesordnung. Der Haushalt und insbesondere die Mittel für den Klima- und Transformationsfonds zeigen das deutlich. Wir finanzieren eine soziale Energiewende. Wir finanzieren eine sichere, saubere und bezahlbare Energieversorgung. Das ist das Signal dieses Haushalts, und das ist das richtige Signal. ({7})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Es folgt die FDP-Fraktion mit dem Redner Olaf in der Beek. ({0})

Olaf In der Beek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kotré, lieber Kollege Komning, glauben Sie mir wirklich: Die Freien Demokraten können sich sehr glücklich schätzen, dass Mitglieder wie Sie nicht mehr in unseren Reihen sind. ({0}) Und glauben Sie mir eins: Wir würden Sie auch nicht mehr aufnehmen. Im Einzelplan 09 – um zum Thema zu kommen – ist unser gemeinsamer Anspruch, die Bereiche Wirtschaft, Klimaschutz und Energie auch haushaltspolitisch miteinander in Einklang zu bringen. Das ist für uns als starke Industrienation Herausforderung und Anspruch zugleich. Unser Anspruch ist es, für die Menschen und die Unternehmen in unserem Land die besten Rahmenbedingungen zu schaffen. Wir müssen ambitionierte Ziele verfolgen und unnötige Belastungen verhindern. Wir wollen, dass Deutschland wirtschaftlich stark bleibt und klimapolitisch erfolgreich ist. Wir investieren unter anderem in Industrieforschung, in Energieforschung und konkrete Maßnahmen zum Schutz von Klima und Biodiversität. Dabei handelt es sich nicht nur um Maßnahmen zur Förderung und Stärkung der Entwicklung unserer Wirtschaft. Wir schützen damit auch unser Klima. ({1}) Wir wollen diesen Weg gemeinsam mit unserer Wirtschaft und dabei besonders mit dem Mittelstand und dem Handwerk gehen. Die Unternehmen in Deutschland sind Partner beim Erreichen unserer Ziele. Sie sind nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. ({2}) Nur gemeinsam, liebe Kolleginnen und Kollegen, können Wirtschaft und Gesellschaft das Klima schützen. Politik kann hier nur für gute Rahmenbedingungen sorgen. Wir müssen auch in finanzieller Hinsicht zügig unsere Hausaufgaben machen. Mit dem aktuellen Haushalt haben wir damit begonnen. Die Wirtschaft braucht zum Erreichen der Klimaziele langfristige Planungssicherheit. Aber Geld allein ist nicht alles. „Viel hilft viel“ darf nicht der Grundsatz unserer haushaltspolitischen Agenda sein. Auch beim Klimaschutz muss sichergestellt werden, dass steuerfinanzierte Maßnahmen einen entsprechenden Nutzen haben. Eine ständige Überprüfung der Investitionen ist deshalb unerlässlich. Der Aufwuchs der Mittel im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ist richtig, bringt aber ebenso die Pflicht zur Sorgfalt und Achtsamkeit mit sich. ({3}) Wichtig – das möchte ich auch noch mal betonen – ist auch die Nachhaltigkeit unserer Haushaltspolitik mit der schnellen Rückkehr zur Schuldenbremse im nächsten Jahr. Denn kommenden Generationen schulden wir nicht nur effizienten Klimaschutz, sondern auch solide Staatsfinanzen. Selbstverständlich beschleunigen wir auch weiter die Energiewende. Denn die Umstellung von fossilen zu erneuerbaren Energien wird nämlich mittelfristig die Energiepreise senken. Dafür brauchen wir auch eine Offensive für Bürokratieabbau und Planungsbeschleunigung. So werden auch private Investitionen in Klimaschutz deutlich attraktiver. Mit diesem Haushalt legen wir den Grundstein für die Entwicklung unseres Landes hin zu einem starken und klimafreundlichen Industriestandort. Vielen Dank. ({4})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt Dr. Andreas Lenz. ({0})

Dr. Andreas Lenz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004339, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Herausforderungen sind groß – keine Frage –: der Krieg in der Ukraine, seine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit, aber natürlich auch die Inflation im Land, die die Ärmsten am stärksten trifft. Wir sind konstruktiv, wenn es darum geht, Lösungen für diese Herausforderungen zu finden; das haben wir beim LNG-Gesetz, beim EnSiG und bei vielem mehr gezeigt. Wir sind aber auch kritisch, wenn es um Ihre Maßnahmen und um den vorgelegten Haushalt geht. Es widerspricht dem Grundsatz der Wahrheit und Klarheit, wenn Sie einen rechtlich fragwürdigen Transformationsfonds in Höhe von 60 Milliarden Euro vor sich herschieben. Das sagt übrigens zu Recht auch der Bundesrechnungshof. Das ist so wie bei einem Eichhörnchen, das sich einen gehamsterten Vorrat angelegt und diesen dann nicht mehr findet. Wir könnten schon jetzt die Nettoneuverschuldung signifikant senken, wenn die Rücklagen entsprechend aufgelöst würden. Ihr Transformationsfonds trägt nicht zur Umgestaltung der Wirtschaft bei; das Geld liegt einfach nur herum. Darum geht es, Herr Mehltretter. Und, Herr Mehltretter, es ist wirklich infam, uns vorzuwerfen, dass wir beim Ausbau der Erneuerbaren bremsen. Sie schaffen doch gerade die Wasserkraft in Bayern und in Süddeutschland ab. Das ist doch der Punkt. ({0}) Überhaupt weiß man nicht so recht, auf welche Farbe die Ampel gerade schaltet. Der CO2-Zertifikatehandel, den die FDP in der letzten Legislatur immer vor sich hergetragen hat, findet überhaupt nicht statt. Im Gegensatz dazu schlägt die SPD ein Klimageld vor, das anscheinend wiederum mit der FDP nicht abgestimmt ist. Also, was wollen Sie denn jetzt? Die Ampel hampelt herum. Das ist kein klarer Kurs, sehr geehrte Damen und Herren. ({1}) Wichtig bleibt die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft; da gibt es nach wie vor viel zu tun. ({2}) Sprechen Sie doch mal mit den Unternehmen: Die Rückmeldungen sind mehr als alarmierend. Die Abschaffung der EEG-Umlage – das muss man auch ganz klar sagen – kostet keinen Euro Haushaltsmittel. Wir brauchen weitere Entlastungen, gerade bei der Stromsteuer, aber auch Maßnahmen darüber hinaus. Herr Houben, ich schätze Sie ja sehr, aber Sie setzen die begrenzte Laufzeitverlängerung mit dem Bau neuer Atomkraftwerke gleich – das will natürlich niemand –, und das ist ein signifikanter Unterschied. ({3}) Sie können auch gerne mal mit Ihren Kollegen sprechen, die sich unseren Forderungen bereits angeschlossen haben. ({4}) Es ist ungerecht, dass Rentnerinnen und Rentner und die Studierenden die Energiepreispauschale von 300 Euro nicht bekommen. Wir fordern außerdem höhere Heizkostenzuschüsse und eine Erhöhung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer. Es ist doch klar: Bei einer signifikanten Inflation muss man entsprechend entlasten. Es kann doch nicht sein, dass der Staat zum Inflationsgewinner, zum Krisengewinner wird. Mein letzter Punkt betrifft die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze. Da würde ich mich gerne an Sie wenden, Herr Bundesminister Habeck: Wir brauchen hier Investitionssicherheit für die Kommunen. Die Kommunen sind startklar, um für mehr Klimaschutz in die Fern- und Nahwärmenetze zu investieren. Fahren Sie nach Brüssel, und sorgen Sie dafür, dass das Programm auch entsprechend abgerufen werden kann! Wir brauchen auch einen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft. Wir dürfen hier keine Zeit verlieren. Wir brauchen einen Ausbau, keinen Abbau der Infrastruktur. Wir brauchen auch wettbewerbsfähigen Stahl – zukünftig CO2-neutral – made in Germany. Noch ein letzter Satz. Das von Ihnen angerichtete KfW-Förderdesaster schreit wirklich zum Himmel; in den Anhörungen im Ausschuss – gerade auch in der Anhörung in dieser Woche – wurde Ihnen ein verheerendes Urteil ausgestellt. Die Zahl von 400 000 neuen Wohnungen wird nicht erreicht werden. Sie werden Ihr Ziel krachend verfehlen. Geben Sie auch hier Planungssicherheit! Seien Sie kreativ, wenn es darum geht, die Wohnungsnot zu lindern und Eigenheime zu fördern! Herzlichen Dank. ({5})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Für Bündnis 90/Die Grünen folgt nun Stefan Schmidt. ({0})

Stefan Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004877, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gegen Ende dieser Debatte möchte ich den Fokus auf eine ganz besondere Branche richten. Eine Branche, die von der Pandemie so stark gebeutelt war und ist wie kaum eine andere, nämlich die Tourismusbranche. Über die schmerzhaften Coronalangzeitfolgen haben wir ja erst am Montag auf dem Tourismusgipfel gesprochen. Deshalb ist es gut und wichtig, dass wir gemeinsam mit den Ampelfraktionen hier die Haushaltsmittel für den Tourismus noch mal deutlich aufstocken konnten. ({0}) Wir nehmen 6 Millionen Euro zusätzlich in die Hand und kurbeln den Tourismus an. ({1}) Zum einen statten wir die DZT, die Deutsche Zentrale für Tourismus, mit mehr als 39 Millionen Euro aus. Die DZT ist unser Aushängeschild im Ausland. Nach den harten Coronajahren und während eines brutalen Angriffskriegs in Europa ist es wichtig, dass wir der DZT ordentlich Geld in die Hand geben, damit sie im Ausland für Deutschland als zukunftsorientiertes, friedvolles und sicheres Reiseland werben kann. Zum anderen investieren wir mit knapp 3 Millionen Euro so viel Geld wie nie zuvor in die sogenannte Leistungssteigerung, also in Innovationen im Tourismusgewerbe. Vor allem bei der Digitalisierung und beim Umwelt- und Klimaschutz hat die Branche noch Luft nach oben. Mit den Haushaltsmitteln unterstützen wir sie und machen so – gemeinsam mit den Ländern – den Tourismusstandort Deutschland zukunftsfähig. ({2}) Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich sehr über den Tourismusetat. Damit investieren wir nicht nur in den Tourismus, wir würdigen ihn auch. Denn diese Branche, die mehr zur Bruttowertschöpfung beiträgt als der Maschinenbau und die mehr Menschen Arbeit gibt als die Automobilindustrie, müssen wir finanziell und politisch entsprechend wertschätzen. Das tun wir mit diesem Haushalt. Das tun wir mit vielen anderen Projekten, die wir als Koalition vorgesehen haben und die wir im stetigen Austausch mit der Branche und mit der Gesellschaft entwickeln. Vielen Dank. ({3})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Für die SPD-Fraktion spricht Lena Werner. ({0})

Lena Werner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005256, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Bürger/-innen! Liebe Kolleg/-innen! Zuerst einmal möchte ich mich ganz herzlich bei all denjenigen bedanken, die ungeachtet aller Herausforderungen der letzten beiden Jahre weiter im Tourismus arbeiten und die Menschen willkommen heißen, die es möglich machen, zu reisen, und die nach außen tragen, was diese Branche ausmacht: Herzlichkeit, Gastfreundlichkeit und Fröhlichkeit. ({0}) Mein Dank gilt dabei aber nicht nur denjenigen, an die man vielleicht sofort denkt, wie die Servicekräfte in der Gastro, die Rezeptionistinnen im Hotel oder die Mitarbeiter/-innen in den Reisebüros. Ich danke auch den Busfahrer/-innen und Bahnfahrer/-innen, den Reiseveranstalter/-innen, den Konzertveranstalter/-innen, ({1}) den Techniker/-innen, den Campingplatzbetreiber/-innen, ({2}) den Jugendreiseanbieter/-innen, den Freizeitparks, den Messebetreiber/-innen, den Lebensmittelerzeuger/-innen und noch vielen mehr. ({3}) Sie merken schon: Zum Tourismus gehört eine Vielzahl verschiedener Bereiche mit vielen Millionen Mitarbeitenden. Aber was leistet der Tourismus eigentlich? Tourismus trägt positiv zur infrastrukturellen Entwicklung von Regionen bei; Tourismus schafft Arbeitsplätze und unterstützt somit wirtschaftliche Unabhängigkeit, vor allem auch in strukturschwachen Regionen und in Ländern des Globalen Südens. Tourismus leistet Bildungsarbeit. Tourismus bringt Menschen zusammen und macht Kulturen für alle zugänglich. Tourismus ist ein Brückenbauer und eine Wirtschaftskraft. ({4}) Gerade in der aktuellen Weltlage ist es wichtig, dass ein internationaler Austausch und eine Völkerverständigung stattfinden. Dazu trägt der Tourismus bei. Im Jahr 2019, vor Pandemie und Krieg, lag die Wertschöpfung des innerdeutschen Tourismus bei 123,8 Milliarden Euro. Das entsprach 3,99 Prozent der Bruttowertschöpfung in Deutschland. Mein Kollege Stefan Schmidt hat es gerade schon angesprochen: Damit liegt der Tourismus in der Wertschöpfung sogar über dem Maschinenbau, der bei 3,5 Prozent lag. ({5}) Die wirtschaftlichen Einbrüche infolge der Coronapandemie in der Branche waren enorm. Wir brauchen deshalb jetzt einen nachhaltigen Neustart, und diesen werden wir mit der nationalen Tourismusstrategie gewährleisten. ({6}) Der Fokus der Strategie liegt unter anderem auf der Bekämpfung des Fachkräftemangels sowie der Schaffung von sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit. Um dies zu erreichen und umsetzen zu können, binden wir alle Akteur/-innen in die Prozesse ein. Die Zahlen sprechen für sich. Ich bin sehr froh, dass die Bundesregierung die Bedeutung des Tourismus als Wirtschaftskraft für Deutschland erkannt hat. Genau das zeigt der Haushaltsplan, zu dem ich hier heute sprechen darf. Insgesamt sieht der Haushaltsplan 42 Millionen Euro für den Tourismus vor. An dieser Stelle möchte ich mich einmal bei unserem zuständigen Haushälter Frank Junge bedanken, der sich stark für diese Gelder eingesetzt hat. ({7}) Die Deutsche Zentrale für Tourismus erhält für ihre sehr wichtige Arbeit, die Werbung für das Reiseland Deutschland, 39 Millionen Euro. ({8}) Das sind 4,5 Millionen Euro mehr, als im ersten Entwurf vorgesehen. Dazu kommen weitere 3 Millionen Euro zur Förderung der Leistungssteigerung im Tourismusgewerbe. Mit diesen Mitteln werden nicht nur die in Deutschland einzigartigen, reichhaltigen Natur- und Kulturlandschaften, sondern vor allem auch naturnahe Urlaubsformen oder auch der Städtetourismus gefördert. So wird zum Beispiel auch meine Heimatregion um Eifel und Mosel gezielt gefördert; denn gerade der ländliche Raum hat einen großen Anteil am Tourismus in Deutschland. ({9}) Der Tourismussektor ist insbesondere im Globalen Süden, aber auch bei uns anfällig für die Folgen des Klimawandels. Das haben wir im letzten Jahr durch das Hochwasser im Ahrtal und in der Eifel deutlich zu spüren bekommen. ({10}) Daher ist es von großer Bedeutung, dass Förderprogramme wie das „LIFT“-Projekt und das Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes weitere Fördermittel erhalten. ({11}) Mit dem neuen Programm „LIFT-Wissen“ stehen Projekte zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung im Tourismus im Fokus. Nachhaltigkeit ist insbesondere in der Tourismuspolitik ein enorm wichtiger Faktor, sei es beim Umweltschutz, beim Erhalt der Biodiversität oder dem CO2-Einsparpotenzial bei Luft- und Schiffsverkehr. Wir dürfen hier nicht nachlässig sein. ({12}) Um Kurt Tucholsky zu zitieren: „Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt ...“ Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, mein Appell an Sie: Gehen Sie wieder auf Konzerte, auf Reisen! Gehen Sie essen! Entdecken Sie neue Städte, Landschaften und Kulturen, sei es in Deutschland, Europa oder der Welt! ({13})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Ganz herzlichen Dank. – Jetzt kommt Anja Karliczek für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Anja Karliczek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Frau Präsidentin! Lieber Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hier ist ja schon ziemlich viel gesagt worden; aber ich werde nach wie vor den Eindruck nicht los, dass die Sorgen und Nöte der Tourismusindustrie, die echten Sorgen, in der Ampel nicht richtig angekommen sind und dass Sie auch nicht in der Lage sind, das wirklich im Blick zu behalten. Es kann doch nicht so schwer sein, in diesen Zeiten geeignete und notwendige Maßnahmen zur Unterstützung der Menschen und der Unternehmen im Tourismus zu identifizieren. ({0}) Ich will Ihnen drei Beispiele nennen: Erstes Beispiel. Wir haben gerade schon über die Deutsche Zentrale für Tourismus gehört, dass es einen Aufwuchs um 6 Millionen Euro gegeben hat. Im Verhältnis zu 2021 sind das aber 4 Millionen weniger; denn letztes Jahr haben die 10 Millionen dazugekriegt. In diesem Jahr sind diese gekürzt worden, um dann 6 Millionen Euro wieder draufzulegen. Für mich macht das nach Adam Riese und Schürmanns Rechenbuch 4 Millionen Euro weniger. ({1}) Sie stellen das immer so als Großtat dar. Ich will das mal ins Verhältnis zu dem setzen, was unsere Nachbarländer machen. Deutschland investiert 47 Cent pro Kopf in die Außenwerbung, in die DZT, Österreich 3,10 Euro und unsere schweizerischen Nachbarn sogar 5,96 Franken. Diese Zahlen zeigen, wie wichtig Ihnen die Tourismusindustrie in diesem Land ist und wie wenig Sie hier im Blick haben, was da passieren muss. ({2}) Wir müssen uns doch über eines klar sein: Für Amerikaner und Chinesen ist Krieg in Europa. Wir müssen deswegen jetzt doch eines tun: überall auf der Welt klarmachen, dass in Mitteleuropa attraktives Reisen noch möglich ist. Liebe Ampel, ich glaube, da ist noch Luft nach oben. ({3}) Ein zweites Beispiel will ich Ihnen nennen; darüber ist bis jetzt gar nicht gesprochen worden. Sie lehnen die dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer auf gastronomische Speisen ab. 7 Prozent auf Speisen in Restaurants, Kneipen und Cafés: Dazu können Sie sich nicht durchringen. Ihre Antwort auf unseren Antrag in der letzten Sitzungswoche: Verschieben unseres Antrags in den Ausschuss. Was bedeutet das? Mal sehen, vielleicht, irgendwann! Liebe Ampel, was sind denn Versprechen Ihres Bundeskanzlers und Ihres Finanzministers in diesen Tagen eigentlich noch wert? ({4}) Die Konsequenz Ihrer zögerlichen Haltung, Ihrer Untätigkeit ist doch eine hohe Verunsicherung auf allen Seiten – bei Gästen und bei Gastronomen. Wenn Sie den Omas und Opas in diesem Land schon keinen Inflationsausgleich zukommen lassen, dann sollten Sie ihnen wenigstens die Möglichkeit geben, frühzeitig zu wissen, ob sie sich das Schnitzel mit der Familie am Sonntag im Restaurant noch leisten können. ({5}) Ich will mich an der Stelle noch für etwas anderes starkmachen: Wenn die Gäste ausbleiben, dann stirbt auch ein Stück Lebenskultur für die Menschen vor Ort. Es gibt den schönen Satz: Wenn die letzte Kneipe im Dorf stirbt, stirbt das Dorf. – So sagt man es bei uns, und das ist nicht nur ein Spruch, sondern in ländlichen Regionen auch bittere Wahrheit. Kurz und knapp noch ein letztes Beispiel. Ich hatte letzte Woche erstmals seit zwei Jahren wieder Besuch aus meinem Wahlkreis. Strahlende Gesichter wegen des spannenden politischen Programms, aber natürlich auch, weil endlich wieder Gemeinsam-mit-dem-Bus-Reisen möglich war! Dazu braucht es Busunternehmen, die trotz der hohen Kraftstoffpreise wettbewerbsfähig sind. Das 9‑Euro-Ticket, sosehr ich jedem sein 9‑Euro-Ticket gönne, leistet den Busunternehmen gerade einen Bärendienst. Wenn es am Ende keine Busunternehmen mehr gibt, dann gibt es eben auch keine Busreisen mehr. Gucken Sie noch mal drüber, und helfen Sie denen, die im Moment wirklich in Not sind! Danke schön. ({6})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Zum Abschluss der Debatte erhält Dr. Joe Weingarten für die SPD-Fraktion das Wort. ({0})

Dr. Joe Weingarten (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004950, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Eines der innovativsten Felder unserer Volkswirtschaft ist die Kultur- und Kreativwirtschaft. Auch sie hat es verdient, in dieser wirtschaftspolitischen Debatte erwähnt und betrachtet zu werden. 1,2 Millionen Menschen erwirtschaften dort in rund 260 000 Unternehmen einen Gesamtumsatz von mehr als 160 Milliarden Euro. Es ist das klare Ziel unserer Koalition, sie weiter nachhaltig zu unterstützen. ({0}) Denn die Kultur- und Kreativwirtschaft ist nicht nur wirtschaftlich von Bedeutung; sie ist in ihrem kulturellen Bezug auch sinnstiftend, hält die Gesellschaft zusammen und beantwortet mit die Frage, wer wir sind und wer wir sein wollen. Musik, Literatur, Film, Rundfunk oder Presse und auch die Architektur stehen stellvertretend dafür. Zugleich mussten wir in der Pandemie schmerzlich lernen, dass diese Unternehmen anfällig für Rückschläge sind. Zwar waren die Förderhilfen sehr umfangreich – auf 325 000 Anträge wurden mehr als 4 Milliarden Euro ausgezahlt –; aber nicht überall konnten wir passgenau helfen. Hart getroffen wurden vor allen Dingen Kunst, Musik und Filmwirtschaft. Hier wird die Koalition Wege finden, um Beschäftigte und Unternehmen für künftige Krisen besser abzusichern. Wir sind Bundeswirtschaftsminister Habeck daher dankbar, dass er im Haushalt 2022 neue Impulse setzt und zugleich Bewährtes, wie beispielsweise die „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft“ der Bundesregierung, fortführt. Mit dem Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes können wir Potenziale für Wirtschaft und Gesellschaft sichtbar machen, Anlaufpunkte für Zielgruppen schaffen und insbesondere den Klein- und Kleinstunternehmen Ansprechpartner geben. Das gilt beispielsweise für Unternehmen der digitalen Wirtschaft, etwa im Bereich der Computerspiele oder der industrienahen Simulationen. Sie können nachhaltige Lösungen entwickeln, etwa im Umweltbereich, zum regionalen Strukturwandel oder zu Teilhabe und Integration. Insgesamt haben wir für solche Initiativen im Einzelplan 09 rund 646 Millionen Euro vorgesehen. Das ist ein klares Bekenntnis zur Förderung dieser Branchen. ({1}) Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass diese Förderung eben nicht nur aus Mitteln des Bundeswirtschaftsministeriums kommt. Auch der Bundeskulturetat steigt auf rund 2,3 Milliarden Euro, etwa mit dem Programm „Neustart Kultur“ oder der Förderung von Musik, Literatur, Tanz und Theater. Der Dank dieser Koalition gilt deshalb auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth für diese ressortübergreifende Strategie. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung und die Koalition stehen zu den Unternehmen und den Beschäftigten der Kultur- und Kreativwirtschaft. Wir unterstützen sie materiell und konzeptionell; denn sie sind ein wichtiger Teil unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft. Herzlichen Dank. ({3})

Franziska Hoppermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Buschmann! Schön, dass auch das Finanzministerium mit dem Bundesfinanzminister – wenn auch nicht auf der Regierungsbank, aber doch zumindest im Haus – vertreten ist. Justiz und Recht sind die fundamentalen Säulen unserer Gesellschaft. Der Einzelplan 07 – Justiz – im Bundeshaushalt ist die wichtigste Grundlage der Umsetzung dessen. Nun, Herr Minister, anstatt diesen Einzelplan des Bundesministeriums der Justiz im Haushalt 2022 zu stärken, schwächen Sie ihn. Dem ohnehin schon traditionell kleinsten Ressorteinzelplan mit den im Verhältnis höchsten Einnahmen danken Sie mit einem sinnlosen Wirrwarr an Änderungen und Maßnahmen und vergessen das Wesentliche. Fangen wir mit dem Verbraucherschutz an. Der Verbraucherschutz wurde abgestoßen an das Umweltministerium. Der für mich einzig dafür erkennbare Grund ist, dass Ihre Kollegen von den Grünen unbedingt die Zuständigkeit für Verbraucherschutz haben wollten und deshalb das sowieso schon überforderte Umweltministerium nun auch noch um den Verbraucherschutz erweitert wurde. Immerhin könnte man ja denken, dass Sie jetzt ohne den Verbraucherschutz im Justizministerium mehr Zeit für Justizthemen hätten. Leider Fehlanzeige! Der Etat des Generalbundesanwalts wird weiterhin bei den Personalausgaben um 3 Millionen Euro gekürzt. Trotz Stellenschaffungen haben Sie diese Kürzung nicht zurückgenommen. Dafür setzen Sie sich den eigenen Personaletat des Ministeriums weiter hoch. Das ist bei den aktuellen Herausforderungen grob fahrlässig, meine Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Die Zuständigkeit für den Normenkontrollrat wird ins Justizministerium verlagert, weg vom Kanzleramt. Er ist also nicht mehr Chefsache. Für den Normenkontrollrat ist dies eine Degradierung, und es schadet der Wirksamkeit dieses wichtigen Rates. ({1}) Das Deutsche Patent- und Markenamt wurde von Ihnen noch im Mai bei Ihrem Besuch umschmeichelt, wie wichtig doch der Beitrag sei, den das Patent- und Markenamt zum Beispiel bei der Bekämpfung der Produktpiraterie leisten könnte. Wie aber auch der BDI, der Markenverband und der Aktionskreis gegen Produkt- und Markenpiraterie kritisieren, sind die dafür erforderlichen Stellen in Ihrem Haushaltsplan nicht vorgesehen. Dabei haben wir in der letzten Regierung eine umfangreiche Reform und Stärkung mit dem Gesetz über weitere Aufgaben des Deutschen Patent- und Markenamtes vorgenommen. Nun müssen aber auch die dafür erforderlichen Ressourcen folgen, um das Gesetz umzusetzen. Es fehlen Stellen für die Unterstützung und Information von kleinen und mittleren Unternehmen und Start-ups. Allein im Bereich IT fehlen über 160 Stellen. Hier erwarten wir eine ganz klare Nachbesserung im Haushalt 2023. ({2}) Sie haben im Koalitionsvertrag vereinbart, den Pakt für den Rechtsstaat zu verstetigen und zusätzlich einen Digitalpakt Recht zu schließen. Die Verhandlungen zur Weiterführung haben aber immer noch nicht angefangen. Der alte Pakt für den Rechtsstaat ist im Januar ausgelaufen. Ihre Staatssekretärin, Herr Minister, schiebt gegenüber den Ländern verfassungsrechtliche Bedenken vor. Dabei müssen Sie schlicht das weiterführen, was von der Großen Koalition schon umgesetzt war. Die Länder warten dringend auf die Einhaltung Ihrer vollmundigen Versprechen und Ankündigungen. Vielleicht wäre es eine Option, mal mit Umsetzen anzufangen und weniger Zeit auf Twitter zu verbringen. ({3}) Bisher sind Sie mehr Ankündigungs- als Justizminister. Die Länder sind derart verärgert, dass sie in dieser Stunde parallel zu dieser Debatte einen Beschluss veröffentlichen mit dem Abstimmungsergebnis 16 : 0, der Sie auffordert, beim Pakt für den Rechtsstaat und beim Digitalpakt Recht endlich tätig zu werden. Ja, der Digitalpakt Recht muss neu ausgehandelt werden. Zwar haben Sie verstanden, dass man dafür mal mit den Ländern reden müsste. Aber Sie haben hier im Bundestag noch im April gesagt, Sie hätten bereits mit A- und B-Ländern Verhandlungen begonnen. Tatsächlich aber haben Sie erst nach der Sitzung, und zwar im Mai, Einladungen für das erste Gespräch verschickt. Ehrlich gesagt, erwarte ich gerade von einem Justizminister, dass er hier keine Unwahrheiten erzählt. ({4}) Und ich frage mich, ob Sie die Gremien überhaupt richtig kennen und ob Sie zum Beispiel wissen, was der E‑Justice-Rat wirklich macht. Die Länder wissen sehr genau, welche Schritte es in der Digitalisierung der Justiz braucht. Ich habe das Gefühl, dass Ihnen da ernsthaft die Orientierung fehlt, den Digitalpakt Recht richtig anzugehen. Dabei hat die FDP, als sie noch in der Opposition war, gebetsmühlenartig die damalige SPD-Justizministerin Lambrecht gedrängt, endlich mehr am Digitalpakt Recht zu tun. ({5}) Ulla Ihnen, Stephan Thomae und viele andere haben das hier mehrfach angemahnt. ({6}) Im Haushaltsausschuss sagten Sie mir, Herr Minister, dass Sie das direkt mit den Justizministerinnen und Justizministern besprechen wollen, und zwar auf der Justizministerkonferenz. Diese findet allerdings gestern und heute in Bayern statt. Sie nehmen daran aber gar nicht teil. ({7}) Zum Amtsantritt wäre das aber angemessen und möglich gewesen. Eine spontane digitale Schalte außerhalb der Tagesordnung ersetzt das nicht. ({8}) Das ist schon ein ziemliches Armutszeugnis und eine deutliche Missachtung der Länder. Die heutige Debatte entschuldigt Ihr Fehlen gestern und heute dort nicht. Für dienstliche Zwecke gibt es bekanntermaßen vielfältige Beförderungsmöglichkeiten. Die Verteidigungsministerin hätte Sie da sicherlich gut beraten können. ({9}) Die Flugbereitschaft kann man als Kabinettsmitglied nicht nur für Familienausflüge nutzen, sondern sogar für Dienstliches. Insgesamt ist der Haushaltsentwurf für das Justizministerium unambitioniert und setzt die falschen Signale. Sie kürzen an den falschen Stellen, und vor allem setzen Sie durch die Verzögerungen beim Pakt für den Rechtsstaat und dem Digitalpakt Recht den Schulterschluss mit den Ländern aufs Spiel. Wir werden daher diesen Haushalt ablehnen. ({10})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Als Nächster erhält das Wort für die Bundesregierung der Bundesminister der Justiz, Dr. Marco Buschmann. ({0})

Dr. Marco Buschmann (Minister:in)

Politiker ID: 11004023

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Nach über drei Monaten hat der schreckliche Angriffskrieg Wladimir Putins gegen die Ukraine nichts von seinem Schrecken verloren. Wir hören jeden Tag von Toten. Wir lesen jeden Tag über Verwundete. Wir bekommen jeden Tag Berichte über die Bombardierung von Städten und die Vernichtung lebensnotwendiger Infrastruktur. Wir hören das jeden Tag, und obwohl wir es jeden Tag hören, dürfen wir uns daran nicht als etwas Alltägliches gewöhnen, meine Damen und Herren. ({0}) Mit diesen schrecklichen Nachrichten sind auch Nachrichten über Kriegsverbrechen verbunden. Und – man muss es immer wieder sagen – auch Krieg findet nicht im rechtsfreien Raum statt. Es ist die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, das Völkerstrafrecht zu verteidigen. ({1}) Ich engagiere mich mit meinem Haus und sicherlich auch mit der Rückendeckung dieses ganzen Hauses sehr intensiv dafür. Der Internationale Gerichtshof und der Internationale Strafgerichtshof ermitteln bereits. Wir koordinieren uns international. Wir arbeiten an Änderungen für die Rechtsgrundlagen von Eurojust, um uns in Europa noch besser zu koordinieren. Wir haben mit dem Generalbundesanwalt eine der Anklagebehörden, die mit zu den ersten gehören, die ein Strukturermittlungsverfahren eingeleitet haben. Und im Gegensatz zu dem Eindruck, der hier versucht wird zu vermitteln, stärken wir mit dem Haushalt 2022 den Generalbundesanwalt. ({2}) Wir richten zwei neue Referate ein, die den Schwerpunkt haben, in diesem Strukturermittlungsverfahren zu unterstützen. Denn das ist eine Aufgabe, die uns auf Dauer beschäftigen wird, weil es viele Jahre in Anspruch nehmen wird, Hunderttausende von Hinweisen auszuwerten. Ich bin stolz darauf, dass wir es möglich gemacht haben, den Generalbundesanwalt in dieser Weise zu stärken, meine Damen und Herren. ({3}) Wir hören damit nicht auf, sondern werden uns auch international weiter koordinieren. Ich werde in Kürze in die USA reisen und dort mit meinem amerikanischen Amtskollegen Merrick Garland darüber sprechen, wie wir noch besser, noch koordinierter gemeinsam als internationale Gemeinschaft gegen Kriegsverbrechen vorgehen können. Denn eines sind wir unserer Verantwortung aus der Geschichte schuldig: Nirgendwo dürfen sich Kriegsverbrecher sicher fühlen, erst recht nicht hier in Deutschland, meine Damen und Herren. ({4}) Wir stärken nicht nur den Generalbundesanwalt, wir stärken auch andere Institutionen, beispielsweise das Bundesamt für Justiz, weil es viele zusätzliche Aufgaben in den letzten Jahren bekommen hat. Wir sorgen dafür, dass sich der Standort konsolidieren kann und die Behörde nicht mehr über das gesamte Stadtgebiet von Bonn verstreut ist. Wir stärken natürlich auch das Deutsche Patent- und Markenamt. Wir tun das in struktureller Weise, wir tun das mit zusätzlichen Stellen. Wir stärken im Übrigen auch den Standort Jena – das ist übrigens, weil immer wieder so getan wird, kein Liebesdienst –, weil wir es dort schaffen, das hochqualifizierte Personal, das wir brauchen, leichter zu finden. München ist zwar ein fantastischer Standort, aber er ist hochgradig umkämpft, gerade bei technischen Berufen. Deshalb bin ich sehr dankbar, dass wir diesen Standort stärken können. Ich bin auch der Stadt Jena und ihrem Oberbürgermeister Thomas Nitzsche dankbar, dass wir dort eine gute Heimat für den zweiten Standort gefunden haben. ({5}) Wir bekommen mit diesem Haushalt nicht nur die Zuständigkeit für den Normenkontrollrat. Ich möchte das hier einmal sagen: Ich bedanke mich bei allen ernannten Mitgliedern für ihre wichtige Arbeit. Wenn hier so getan wird, als sei diese Arbeit dadurch weniger wichtig, dass jetzt wir uns anstelle des Bundeskanzleramtes um sie kümmern, möchte ich mich ein Stück weit dafür entschuldigen und den Mitgliedern des Normenkontrollrates sagen: Ihre Arbeit ist wichtig, sie bleibt wichtig, sie ist unverzichtbar. Wir wertschätzen sie. ({6}) Wir werden darüber hinaus auch die Stiftung Datenschutz im Geschäftsbereich des BMJ willkommen heißen. Datenschutz ist ein wichtiges Element in der modernen digitalen Gesellschaft. Ich betrachte es als ein Stück Stärkung, dass wir auch die finanzielle Grundlage dieser Stiftung gestärkt haben. Das ist ein gutes Signal für den Datenschutz. ({7}) Ich bedanke mich auch für die Bewilligung der Mittel für eine Überwachungsgesamtrechnung; denn dahinter steckt ja eine Philosophie. Dahinter steckt die Philosophie, dass der Staat, wenn er in die Rechte der Bürger eingreift, begründungspflichtig ist und dafür keine Mutmaßungen reichen. Vielmehr muss das wissenschaftlich fundiert und evidenzbasiert erfolgen, meine Damen und Herren. Auch das ist ein gutes Signal für den Geschäftsbereich des BMJ. ({8}) In diesem Zusammenhang möchte ich zwei Dinge sagen; es wundert mich, dass das hier noch nicht gesagt wurde. Heute Morgen wurde in der Debatte über den Innenhaushalt ja so getan, als gäbe es große Probleme und große Zwistigkeiten innerhalb der Koalition, beispielsweise bei der Bekämpfung von Kinderpornografie. Davon habe ich jetzt gar nichts gehört. Also, irgendwie sagt die Union es mal so und mal so. ({9}) Aber dazu möchte ich Ihnen zwei Dinge sagen. Wer tatsächlich Advokatur für eine Chatkontrolle übernimmt, vergreift sich an der Privatsphäre von Millionen von Menschen. ({10}) Der Deutsche Kinderschutzbund sagt: Das ist ein unvernünftiges Instrument. – Der Deutsche Kinderverein sagt sogar, das Kindeswohl werde vorgeschoben, um dieses Instrument durchzusetzen. Reihen Sie sich ein in die geschlossene Phalanx der Ampelkoalition! Chatkontrollen haben im Rechtsstaat nichts verloren. ({11}) Alle reden über Cybersicherheit, und dann sollen wir hier Sicherheitslücken aufmachen. ({12}) Einen letzten Gedanken – dann komme ich auch zum Schluss, Frau Präsidentin –: Das eben Gesagte gilt auch für die Vorratsdatenspeicherung, die Sie heute Morgen wieder erwähnt haben. Seit über zehn Jahren ist die Antwort auf alle Fragen der Union nicht 42, sondern die Vorratsdatenspeicherung. ({13}) Organisierte Kriminalität: Vorratsdatenspeicherung. Terrorismus: Vorratsdatenspeicherung. Jetzt wieder: Vorratsdatenspeicherung. Sie tun immer so, als würden wir den Ermittlern etwas wegnehmen. Aber spätestens seit 2017 gibt es keine Vorratsdatenspeicherung mehr. ({14}) Sie wird nicht angewendet. ({15}) Wir führen Instrumente ein, die dieses Nichts durch ein Etwas ersetzen: Wir stärken Freiheit und damit auch Sicherheit. Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. ({16})

Aydan Özoğuz (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004124

Als Nächstes erhält das Wort für die AfD-Fraktion Stephan Brandner. ({0})

Stephan Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004678, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist lange her, da war das Justizministerium ein Tempel des Rechts, personell bestückt und geleitet von – zugegeben – gelegentlich langweiligen, aber selbstbewussten Juristen und Politikern. Wann diese Phase endete, kann ich Ihnen nicht genau sagen. Jedenfalls war der erste richtige Tiefpunkt in der Geschichte des Justizministeriums Heiko Maas, der als Zensurminister in die Geschichte eingehen wird, gefolgt von Katarina Barley, die keine Zeit hatte, sich als weiterer Tiefpunkt zu etablieren; das Amt war nur ein Durchlauferhitzer auf dem Weg ins Europäische Parlament. Aber der richtige Tiefpunkt kam dann mit Christine Lambrecht, die mit dem Gesetz gegen Hass und Hetze und als Verfechterin im Krampf gegen rechts in die Geschichte eingehen wird. ({0}) Ein absoluter Tiefpunkt, der nur dadurch endete, dass sie gemerkt hatte, dass die Flugbereitschaft für das Justizministerium nicht zuständig ist. Deshalb ging sie ins Verteidigungsministerium und macht da ihren Murks weiter. – So weit bisher. ({1}) Nun kommt Marco Buschmann, der – zugegeben – noch nicht genug Zeit hatte, sich als weiterer Tiefpunkt in der Leitung des Ministeriums zu etablieren. Aber mir schwant nichts Gutes. Dekonstruktion der Familie, Ehe für alle und für viele, Elternteil eins und zwei oder auch Mutter eins und zwei, Elternmilchspender, Verantwortungsgemeinschaften, Krampf gegen rechts und Vorbereitung von Freiheitsbeschränkungen im Herbst: Man könnte meinen, das wären Horrormeldungen aus der „Bild“-Zeitung – sind es aber nicht. Es ist das Arbeitsprogramm dieses Justizministers, das nichts Gutes erwarten lässt. ({2}) Es sieht so aus, als wenn es um vieles und alles geht, aber nicht um Justiz und Recht. Und es sieht auch so aus, als hätte sich die hellbraune Koalition vorgenommen, in Sachen Familienrecht keinen Stein auf dem anderen zu lassen. Wir reden zurzeit über reproduktive Selbstbestimmung im Zusammenhang mit der Abschaffung des § 219a StGB, also dem Werbeverbot für Schwangerschaften. ({3}) Es ist also nur noch eine Frage der Zeit: Sobald diese Verteidigungslinie gefallen ist, wird die Abtreibung wahrscheinlich bis unmittelbar vor der Geburt legalisiert. ({4}) Über allem steht die „Mein Körper gehört mir“-Bewegung, die allerdings zu Zeiten des Impfzwangs ganz, ganz leise war. „Mein Körper gehört mir“ hätte ich mir bei der Impfdebatte sehr gewünscht. ({5}) Wir diskutierten vor einiger Zeit noch über die Ehe für alle. Die Ehe steht nun inzwischen völlig vor dem Aus. Wir reden über Verantwortungsgemeinschaften aus einer beliebigen Anzahl von Menschen, die sich – Herr Buschmann hat es mal so formuliert – analog zu einer GmbH, zu einer Aktiengesellschaft, zu einer Kommanditgesellschaft zusammenfinden können und Verantwortung füreinander übernehmen sollen. Der Beliebigkeit ist Tür und Tor geöffnet. Die Gleichmacherei kommt auf alle Eltern zu. Jedes Kind soll künftig quasi beliebig viele sogenannte Eltern haben, ganz gleich, ob die Biologie etwas anderes vorgibt. Meine Damen und Herren, statt Politisierung der Justiz müssen wir eine Entpolitisierung der Justiz betreiben, zurück zu den Wurzeln der Justiz. Finger weg von Eltern, von Kindern und von der Familie! ({6}) Letztendlich haben wir noch das Bundesverfassungsgericht – auch das nur noch ein Schatten seiner selbst –, über dessen Etat wir ja auch debattieren. Es ist in Zeiten von Corona leider zum willfährigen Abnicker der Altparteienpolitik verkommen. Wir hoffen für das Bundesverfassungsgericht – und das sage ich bewusst als ehemaliges, langjähriges CDU-Mitglied –, ({7}) dass es unter einem CDU-Präsidenten auf den rechten Weg zurückfindet und zu dem wird, was es einmal war, nämlich ein Bollwerk für Demokratie, für Freiheit und für Grundrechte.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Brandner.

Stephan Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004678, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Esther Dilcher hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Esther Dilcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004701, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, wir haben eben gerade verabredet, dass Sie jetzt die Zeit meiner Rede nutzen können, um Ihre Stimme abzugeben. „Demokratische Werte sind unsterblich!“, mit diesen Worten wird heute, am 2. Juni 2022, an die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke erinnert. Über vier Jahre war der CDU-Politiker, der in meinem Wahlkreis, in Istha, wohnte, im Netz angefeindet worden, weil er staatsverachtenden Zwischenrufen von rechtsradikalen Störern bei einer Infoveranstaltung zu Flüchtlingsunterkünften die Stirn geboten, weil er Haltung gezeigt und ihnen zugerufen hatte: Es lohnt sich, in unserem Land zu leben. Da muss man für Werte eintreten. Und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Für diese unerschrockene Haltung und insbesondere wegen dieser Einstellung gegen Rechtsextremismus musste er mit seinem Leben bezahlen. Walter Lübcke war stets offen für sachliche Kritik – auch wenn wir nicht immer einer Meinung waren –, aber er forderte auch ein klares Bekenntnis zu unserer Demokratie, zu unserer Verfassung und zu unserem Rechtsstaat. ({0}) Er wird mir und sicherlich auch Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, als Vorbild für die Verteidigung und Bewahrung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Erinnerung bleiben. ({1}) „Demokratische Werte sind unsterblich!“ – Und dass diese Werte unsterblich bleiben, dafür braucht es einen starken Rechtsstaat, in den alle Bürgerinnen und Bürger Vertrauen haben. Dieses Vertrauen ist keine Selbstverständlichkeit, sondern braucht vor allem eine gut ausgestattete Justiz. Dazu hat die Große Koalition den Pakt für den Rechtsstaat gemeinsam mit den Ländern auf den Weg gebracht und 220 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um 2 000 neue Stellen zu schaffen. Nach Artikel 30 unseres Grundgesetzes ist die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben originär Sache der Länder. Der Deutsche Richterbund stellt aktuell fest, dass 41 Prozent der Richterinnen und Richter bzw. Staatsanwälte und Staatsanwältinnen bis 2030, das heißt also innerhalb der nächsten acht Jahre, in Pension gehen. Die Ampelkoalition hat daher auch in ihrem Koalitionsvertrag formuliert: Wir verstetigen mit den Ländern den Pakt für den Rechtsstaat und erweitern ihn um einen Digitalpakt für die Justiz. Das ist auch gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber: Als Haushälterin will ich diese wichtige Aufgabe, die ich keineswegs infrage stelle, unter dem Gesichtspunkt der Finanzierung in den Länderhaushalten und im Bundeshaushalt beleuchten. Nach der Statistik des Bundesamtes für Justiz waren Ende Dezember 2018 beim Bund und bei den Ländern 21 338 Richterinnen und Richter beschäftigt. Ende 2020 waren es 21 942, also 604 mehr. Bei den Staatsanwaltschaften waren 2018 noch 5 882 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte beschäftigt. Ende 2020 war ein Zuwachs auf 6 197 Stellen zu verzeichnen, also ein Plus von 315 Stellen. Wer mitgezählt hat, merkt, dass wir in diesen zwei Jahren einen Aufwuchs von 919 Stellen hatten, die in der Statistik erfasst sind. Auf mehrfache Nachfragen wurde uns aber immer mitgeteilt, dass bis heute sogar mehr als 2 000 Stellen geschaffen worden seien; dann müssten innerhalb der letzten anderthalb Jahre noch einmal um die 1 100 Stellen dazugekommen sein. Die Zahlen liegen uns aber nicht vor, sind offenbar nicht feststellbar. Das kann aus Haushältersicht so nicht hingenommen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei einer Neuauflage und Verstetigung dieses Paktes habe ich daher die Erwartung, dass bei finanzieller Unterstützung des Bundes erstens auch eine transparente Umsetzung in den Ländern erfolgt, zweitens die Länder nicht auf Kosten des Bundes ihre Länderhaushalte sanieren und drittens Neueinstellungen nicht nur die Pensionierungswelle auffangen, sondern den Rechtsstaat weiterhin verlässlich für die Zukunftsaufgaben machen. ({2}) Mit großem Interesse werden wir auch verfolgen, wie die Ankündigung des Ministers umgesetzt wird, der bereits umfangreiche Vorschläge zur Digitalisierung der Justiz unterbreitet: für digitale Gerichtssäle, zivilgerichtliche Onlineverfahren, digitale Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung. Dadurch schaffen wir einen zeitgemäßen, modernen und bürgerfreundlichen Zugang zur Justiz. Neue Stellen – der Minister hat es schon erwähnt – beim Generalbundesanwalt gewährleisten unsere innere und äußere Sicherheit durch Ermittlungstätigkeiten bei terroristischen Gewalttaten, bei Landesverrat und bei Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch. Derzeit ganz aktuell – auch das hat Herr Buschmann schon erwähnt – sind die Strukturermittlungsverfahren wegen des Angriffskriegs Putins gegen die Ukraine. Wir haben in der Bundesrepublik in vielen Fällen gutes Handwerkszeug, das heißt in diesem Fall: gute Gesetze, um Straftaten zu verfolgen. Wichtig und daher richtig ist es, dass wir auch das Personal zur Verfügung stellen, das dieses Recht anwendet und auch durchsetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) An dieser Stelle kann ich Ihnen nicht ganz recht geben, Frau Hoppermann. Wenn Sie den Einzelplan länger begleiten, dann werden Sie merken, dass es bereits in den letzten Jahren stark kritisiert wurde, dass gerade in diesem personalintensiven Haushalt viele, viele Stellen erst einmal unbesetzt bleiben. ({4}) – Das ist kein Quatsch, das können Sie im Haushalt nachgucken; das können Sie nachfragen. ({5}) Das ist Blödsinn. ({6}) – Nein. – Ich begleite den Haushalt jetzt schon fünf Jahre, und selbst Ihre Kollegen und Kolleginnen haben das in der letzten Legislatur festgestellt, die FDP, alle. Wir haben nachgefragt. Das liegt einfach auch an dem schwierigen Stellenbesetzungsverfahren: ({7}) dass ausgeschrieben werden muss und dass man für gewisse Positionen erst einen gewissen Durchlauf haben muss, zum Beispiel beim Generalbundesanwalt. ({8}) Man kann nicht einfach von der Hochschule kommen und beim Generalbundesanwalt anfangen. Der kann nicht Leute ausbilden, sondern er braucht bereits erfahrene Ermittlerinnen und Ermittler ({9}) und die müssen von den Ländern abgeordnet werden, und derzeit ist es so, dass die Länder den Leuten verwehren, sich beim Generalbundesanwalt zu bewerben, weil sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht hergeben wollen. ({10}) – Danke. Aber Sie haben die Ahnung. Abschließend geht mein Dank an alle Mitberichterstatter und die Mitarbeitenden im Ministerium, die in den letzten zehn Wochen unter Hochdruck gearbeitet haben. Insgesamt gehen wir davon aus – und wir werden Sie auch davon überzeugen –, dass wir als Ampelkoalition einen soliden Bundeshaushalt vorlegen, mit einem Justizhaushalt, der auf aktuelle Herausforderungen reagiert und die Justiz fortschrittlich aufstellt. Daher bitte ich um Ihre Zustimmung. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke Clara Bünger. ({0})

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Liebe Gäste auf den Tribünen! „Dieses verdammte Drecksgesindel“, „Baseballkeule raus und so lange draufhauen, bis sich nichts, aber gar nichts mehr rührt“, „Man sollte dich vergewaltigen“, „Ich werde mir eine Knarre anschaffen“, „Einfach abknallen“ – das sind alles Zitate aus dem Internet, wie wir sie tagtäglich finden können. Wissen Sie, was genau vor drei Jahren passiert ist? Walter Lübcke wurde von einem Neonazi mit einem Kopfschuss ermordet. Ein Video, in dem er sich für einen solidarischen Umgang mit Geflüchteten ausgesprochen hatte, ging viral und führte über Jahre zu zahlreichen Todesdrohungen im Internet. Am 2. Juni 2019, also heute vor genau drei Jahren, wurde er dann ermordet. Hass im Internet ist gefährlich ({0}) und kann zu tödlicher Gewalt in der realen Welt führen. Tagtäglich werden Menschen in den sozialen Medien mit menschenverachtenden Aussagen konfrontiert. Einer Umfrage zufolge erlebten mehr als drei Viertel der in Deutschland lebenden Menschen schon einmal Hass im Netz. Sie werden beschimpft, beleidigt, verächtlich gemacht und sogar mit dem Tode bedroht. Sehr häufig richtet sich Hassrede gegen marginalisierte Gruppen mit dem Ziel, diese herabzuwürdigen und einzuschüchtern. ({1}) Besonders betroffen sind – wenig überraschend – Frauen, die zusätzlich noch vermehrt sexistischen Beleidigungen ausgesetzt sind. Wie häufig musste ich unter Tweets Kommentare mit Aufrufen zur Vergewaltigung lesen! Natascha Strobl und Jasmina Kuhnke sind Beispiele für einflussreiche Frauen, die sich aus dem Internet zeitweilig zurückziehen mussten oder sogar ihren Wohnort ändern mussten, weil sie und ihre Familien bedroht wurden. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen, die so wichtige Arbeit leisten, angegriffen werden und so versucht wird, sie aus dem öffentlichen Diskurs zu verdrängen. ({2}) Was sollte sich also ändern? Es ist nicht zeitgemäß, dass auf Hassreden immer noch keine ausreichenden Konsequenzen folgen. Das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität bzw. die Verschärfung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ist nahezu wirkungslos, wenn die Umsetzung nicht funktioniert. Es beginnt damit, dass Gewalt im digitalen Raum vielfach nicht ernst genommen wird und Ermittlungen gegen Straftaten im Netz gar nicht erst aufgenommen werden – oder unendlich verschleppt werden. Die Täter können oft unerkannt und ohne jegliche Konsequenzen ihren Hass verbreiten. Sie sehen das Internet als rechtsfreien Raum an, in dem sie sich – vermeintlich – ungestraft austoben. Zwar ist das Internet kein rechtsfreier Raum, aber leider viel zu oft ein rechtsdurchsetzungsfreier Raum. Das bedeutet, dass solche Straftaten nicht ausreichend verfolgt werden. Straftaten, die sich im Internet abspielen, sind nicht an ein Bundesland gebunden. Der Tatort ist das Internet selbst, was in jedem Bundesland das gleiche Internet ist. Es kann nicht sein, dass Täter in einem Bundesland mit einer Straftat davonkommen und in einem anderen für dieselbe Straftat verurteilt werden. ({3}) Es bedarf hier einer bundesweiten Antwort. Das wurde durch die Sendung des „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann vergangene Woche auch in der breiten Öffentlichkeit bekannt. Dass jetzt auch noch gegen Polizisten wegen Strafvereitelung ermittelt wird, macht die ganze Misere noch mal deutlich und zeigt: Hier muss viel mehr passieren. ({4}) Das Internet ist eben kein Neuland mehr, und das sollte auch für die Justiz und für die Polizeibehörden langsam klar sein. Hasskommentare dürfen weder verharmlost noch länger hingenommen werden, geschweige denn als Kavaliersdelikt abgetan werden. Es müssen dringend mehr Mittel für Schulungen zur Verfügung gestellt werden, um den Hass und die Straftaten im Internet effektiv zu bekämpfen, ({5}) so wie es auch die Kollegin von der SPD gerade angedeutet hat. Die Möglichkeiten für Onlineanzeigen müssen ausgebaut und besser zugänglich gemacht werden. Es muss möglich sein, auch anonym Anzeige zu erstatten. Opferberatungsstellen fordern das alles übrigens schon sehr lange. Hasskommentare im Internet müssen von der Polizei und der Justiz genauso als reale Bedrohungen wahrgenommen werden wie Beleidigungen und Bedrohungen in der realen Welt. ({6}) Darüber hinaus müssen die Opfer von Hassrede viel besser geschützt werden. Es braucht eine bessere finanzielle Ausstattung der Beratungsstellen für Opfer rechter und rassistischer Gewalt. Außerdem kann es nicht sein, dass die Betroffenen auf der Polizeiwache ein zweites Mal – – ({7}) – Ja, Sie fühlen sich angesprochen, und das ist richtig so. ({8}) Sie sind der Grund, dass wir häufig Taten auch in der realen Welt erleben. ({9}) Viele Täter rechter, rassistischer, antisemitischer und sexistischer Beleidigungen im Internet sind viel zu lange verschont geblieben. Daran muss sich dringend etwas ändern. ({10}) – Gut, dass Sie sich angesprochen fühlen! – Ihr Verhalten darf nicht länger straflos sein, und dafür braucht es effektiveren Schutz und mehr Mittel auch im Bundeshaushalt. Vielen Dank. ({11})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, wenn ich das richtig gehört habe aus Richtung der AfD, dann unterstellen Sie der Kollegin Clara Bünger gewalttätige Handlungen, die ich nicht wiederholen will. ({0}) – Nein, Sie nicht; jemand anders. – Dafür erteile ich Ihnen hiermit einen Ordnungsruf. ({1}) Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Till Steffen. ({2})

Dr. Till Steffen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005228, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, Frau Bünger, Sie haben es angesprochen, Jan Böhmermanns #polizeikontrolle war in der Tat ein interessanter Befund hinsichtlich der Frage, wie effektiv die Strafverfolgung bei Straftaten im Internet funktioniert. Das ist natürlich nicht nur ein Thema der Polizei; denn Strafverfolgung ist ja Aufgabe der Justiz. Die Polizei hilft dabei. Der Befund war sehr ernüchternd. In 16 Bundesländern wurden die gleichen Straftaten angezeigt. In einigen wurden die Anzeigen gar nicht erst angenommen, andere haben die Ermittlungen ganz schnell eingestellt. Nach neun Monaten kannte man die Täter immer noch nicht; das war sehr interessant. Oder, was unbekannt blieb, in einem Fall wurde jemand verurteilt – in Baden-Württemberg hat es also mal geklappt –, in anderen Bundesländern wurde der gleiche Täter noch gesucht. Also, es gab keinen Austausch über die Ermittlungen. Das ist natürlich ein sehr deutlicher und auch sehr besorgniserregender Befund über die Realität unserer digitalen Strafverfolgung. Deswegen ist die Frage der Digitalisierung so entscheidend. Wenn wir die Realität unserer Strafverfolgung ändern wollen, dann müssen wir diesen Umschwung zur Digitalisierung hinkriegen. Ich begrüße, dass sich der Bundesjustizminister dieses Thema sehr stark auf die Fahnen geschrieben hat. Es ist ein Umdenken in vielen Arbeitsabläufen erforderlich. Ich bin überzeugt: Das Recht selbst wird sich verändern. – Aber das Gute ist: Alle sind bereit. Die Bürgerinnen und Bürger haben sich längt daran gewöhnt, dass man ganz viele Dinge online erledigen kann. Sogar die Justiz hat sich mal bewegt. Wir haben seit Jahren den § 128a in der Zivilprozessordnung, der eine digitale Verhandlung regelt. In der Coronapandemie haben wir alle entdeckt: Das ist eigentlich eine ganz feine Sache. – Die Leute wissen jetzt also, wie es geht. Die Anwältinnen und Anwälte haben sich sogar an das elektronische Anwaltspostfach gewöhnt und benutzen das jetzt. Die Landesjustizverwaltungen haben viele Prozesse in Gang gesetzt, die elektronische Akte auf den Weg gebracht und vieles mehr. Alle sind bereit. Jetzt gilt es, den Knoten durchzuschlagen und entsprechend durchzustarten. Das braucht dann natürlich auch die Aktivität des Bundes. ({0}) Deswegen ist es so zentral, dass wir den Pakt für den Rechtsstaat in den Mittelpunkt stellen, gerade in der Debatte hier, wo wir über den Haushalt sprechen. Denn wir müssen dafür sorgen, dass die Verfahren ineinandergreifen, dass wir einheitliche Standards, einheitliche Schnittstellen haben. ({1}) Wir müssen natürlich auch über Geld reden, damit das am Ende funktioniert. Das Beispiel von Böhmermann hat ja gezeigt: Ohne sinnvolle Koordination dort, wo die Grenzen von Bundesländern überschritten werden, funktioniert es am Ende nicht. ({2}) Wir brauchen diese Koordination durch den Bund. Der Bund muss eine aktive Rolle einnehmen und dafür sorgen, dass das ohne Reibungsverluste funktioniert. Dazu haben wir verschiedene Hebel. Der Bund kann bestimmte Gesetze ändern. Er kann bestimmte Standards in diesen Gesetzen vordefinieren. Und er kann natürlich fördern, dass die Länder sinnvoll zusammenarbeiten. Da ist die Frage des Geldes ein ganz entscheidender Faktor; denn die Voraussetzungen in den Ländern sind nun mal unterschiedlich. Wenn es so ist, dass das eine Bundesland weiter ist als das andere, was folgt daraus als Ergebnis? Das Ergebnis ist, dass entweder gar nicht kommuniziert wird, dass das Fax benutzt wird oder dass es die menschliche Schnittstelle braucht. In komplexen Strafverfahren fahren dann Polizeibeamte mit ihrem Laptop unter dem Arm von Hamburg nach München und klappen dort ihren Laptop auf, um die Daten abzugleichen. Das ist der Stand, und das kann uns so nicht zufriedenstellen. ({3}) Wir brauchen diesen Durchbruch. Dazu braucht es qualifiziertes Personal bei den Ländern, das dafür sorgt, dass alle mitmachen, dass wir zeitnah auf diesen Stand kommen. Deswegen ist es auch richtig, dass wir im Rahmen der Koalitionsverhandlungen diesen Pakt für den Rechtsstaat klar benannt haben. Wir haben ja auch eine Zahl besprochen: 500 Millionen Euro pro Jahr war eine Hausnummer. Der Auftrag aus dem Koalitionsvertrag ist aus meiner Sicht ganz klar. Jetzt, um kurz vor 13.30 Uhr, können wir tatsächlich über die Ergebnisse der Justizministerkonferenz reden. Die Justizminister haben in Hohenschwangau in schöner Weise einmütig gesagt: Wir sind auch bereit; wir würden gerne in die Verhandlungen einsteigen. – Deswegen ist es ganz richtig, dass wir das jetzt machen. Ich selber habe ja bei dem letzten Pakt für den Rechtsstaat auf Länderseite mitverhandelt. Es war wichtig und erforderlich, dass die damalige Bundesjustizministerin Katarina Barley die verschiedenen Enden zusammengebracht hat, auch wenn sie nicht alleine für alles zuständig war. Deswegen bin ich mir sicher, dass Herr Buschmann das auch für diese Neuauflage des Pakts für den Rechtsstaat tun wird. ({4}) Eins ist klar: Was nichts bringen wird, ist, dass man mit dem Finger jeweils aufeinander zeigt. Ich jedenfalls habe darauf keinen Bock. Ich glaube, eine gute, effiziente, bürgerfreundliche Justiz zu gewährleisten, ist die Aufgabe aller staatlichen Kräfte. Legen wir los! ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die nächste Rednerin ist für die CDU/CSU-Fraktion die Kollegin Andrea Lindholz. ({0})

Andrea Lindholz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004342, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Bundesjustizministeriums, um den es heute geht, ist einer der kleinsten Einzelpläne, aber er ist ein sehr bedeutender Einzelplan. Denn ein funktionierender und gut ausgestatteter Rechtsstaat ist eine zentrale Säule unserer Demokratie. Die Bundesregierung hat im Justizbereich viele große Maßnahmen und Reformen angekündigt. Aber Konkretes geliefert und vor allen Dingen zügig auf die Herausforderungen dieser Zeit reagiert hat sie noch nicht. ({0}) Das zeigt sich unter anderem bei der Umsetzung der EU-Sanktionen gegenüber Russland, beim Schutz vor Kindesmissbrauch und beim Umgang mit dem Pakt für den Rechtsstaat. Der Pakt für den Rechtsstaat zwischen Bund und Ländern stammt aus der letzten Wahlperiode. Damals hat der Bund 220 Millionen Euro an die Länder gezahlt. Diese haben im Gegenzug rund 2 000 Stellen für Staatsanwälte und Richter geschaffen. Unser Anreiz hat damals Wirkung gezeigt. Sie selbst, lieber Herr Buschmann, haben den Pakt hier im Bundestag im Mai noch als leuchtendes Beispiel für eine parteiübergreifende Zusammenarbeit gelobt, und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel, haben korrekter- und richtigerweise im Koalitionsvertrag auch eine Verstetigung der Mittel vorgesehen. Diese Mittel sind nötig. Daneben ist es auch nötig, dass wir den Digitalpakt bekommen; Herr Kollege Dr. Grün hat das in seiner vorangegangenen Rede angesprochen. Ich möchte das hier noch einmal nachdrücklich unterstützen. Im „Spiegel“ werden Sie, lieber Herr Minister, am 20. Mai von Ihren eigenen Ampelkollegen kritisiert. Man unterstellt Ihnen mangelndes Interesse. Ich darf Ihnen zurufen: Sehen Sie zu, dass der Pakt für den Rechtsstaat – auch für die Länder – fortgesetzt wird. Sie haben im Einzelplan hierfür keine Mittel vorgesehen, auch nicht für den Digitalpakt. Das ist sehr enttäuschend. ({1}) Sie hatten ein Einsehen beim Generalbundesanwalt. Die Personalaufstockungen und den Aufbau der beiden Referate zur Strukturermittlung wegen Kriegsverbrechen begrüßen wir ausdrücklich. Auch Ihr Lob an den GBA und sein Team ist mehr als gerechtfertigt. Wir sind damit Vorbild in ganz Europa. Aber, lieber Herr Bundesminister, es reicht nicht, das Personal aufzustocken. Es muss auch mit Mitteln unterlegt werden. Das fehlt, und deshalb bleibt der Etat des Generalbundesanwaltes unterfinanziert. Das halten wir für einen erheblichen Fehler. ({2}) Das Zögern der Bundesregierung bei der Umsetzung der EU-Sanktionen gegenüber Russland verwundert uns nach wie vor. Um ihre Wirkung zu entfalten, müssen diese Sanktionen in Deutschland schnell und wirksam umgesetzt werden. Und Sie, lieber Herr Buschmann, haben hier in der Regierungsbefragung am 11. Mai mitgeteilt: Wir, die Bundesregierung, tun alles, was wir können. Mit dem Mitte Mai beschlossenen Sanktionsdurchsetzungsgesetz der Ampel haben Sie aber gerade nicht alles getan, was Sie können. Oligarchen dürfen weiterhin ihre Immobilien, Schiffe und Autos, die sozusagen eingefroren sind, bei uns nutzen. Die Verantwortung für die Durchsetzung haben Sie den Ländern und Kommunen aufs Auge aufgedrückt, wobei wir alle genau wissen, dass sie dazu effektiv nicht in der Lage sind. Das muss der Bund erledigen. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der selbsternannten Fortschrittskoalition: Fortschritt sieht anders aus. ({3}) Wir können uns hier ein Beispiel an Italien nehmen. Wir hatten in dieser Woche die italienische Justizministerin zu Gast im Rechtsausschuss. Italien hat 1,8 Milliarden Euro bereits eingefroren. Italien hat bereits Ende März notwendige gesetzliche Änderungen vorgenommen. Italien ist beispielgebend auch bei der Sanktionsdurchsetzung in ganz Europa und für Europa. Die Europäische Kommission erarbeitet aktuell einen Vorschlag zu einem einheitlichen und härteren Vorgehen bei der Durchsetzung der Sanktionen und der Ahndung von Sanktionsverletzungen. Und ich hätte mir gewünscht, dass solcher Fortschritt und solche Initiativen aus Deutschland und vom deutschen Justizminister kommen. ({4}) Lieber Herr Kollege Buschmann, noch ein ganz zentrales Thema, das mir ganz besonders am Herzen liegt und das ich mit weniger Schaum vorm Mund vortragen möchte, als Sie das vorhin getan haben. Es geht um nichts anderes als um den Kampf gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Ich bin als Mutter noch etwas erschüttert über Ihren Auftritt gerade eben. Wir wissen, dass sich die Zahlen in diesem Bereich – die aktuellen Zahlen des BKA liegen vor – verdoppelt haben. Wir hatten erst Anfang der Woche erneut einen schockierenden Fall aus Wermelskirchen in Nordrhein-Westfalen. Wir wissen, dass wir in den letzten fünf Jahren 19 150 Hinweise in diesem Bereich, die wir aus den USA bekommen haben, in Deutschland nicht aufklären konnten. Wir wissen – genauso wie die Ermittler –, dass die IP-Adressen oft der einzige Hinweis auf den Täter sind. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der Ampel: Ja, die gesetzliche Grundlage zur Vorratsdatenspeicherung muss geändert werden. Ich bin der Bundesinnenministerin sehr dankbar, dass sie erst gestern gesagt hat, sie wolle die Speicherung von IP‑Adressen verlangen. Ich darf Sie ganz herzlich darum bitten – Sie müssen jetzt ja eine Veränderung vornehmen –: Sorgen Sie dafür, dass die IP‑Adressen gespeichert werden dürfen, und zwar nicht im Rahmen Ihrer Placebolösung mit dem Quick-Freeze-Verfahren, sondern generell für einen bestimmten Zeitraum, anlasslos, wie es uns der EuGH zugebilligt hat. Sie müssen nicht länger abwarten. Die Stellungnahme des EuGH ist klar. Wir können jetzt handeln, und wir müssen nicht noch Wochen weiter warten. Datenschutz, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf nicht zum Täterschutz werden. ({5}) Kindesmissbrauch ist eines der schlimmsten Verbrechen, die es in unserem Land gibt. ({6}) Zu guter Letzt will ich noch sagen: Schauen Sie sich den EU-Kommissionsvorschlag genauer an. Es ist zu einfach, zu behaupten, man wolle dort eine anlasslose Speicherung. Das ist schlicht falsch. Es geht um Risikoanalyse. Es geht um die Einrichtung eines EU-Zentrums gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie und vieles andere. Ich finde es unerträglich, dass das hier in ein dermaßen falsches Licht gerückt wird, auch vom Kollegen Kuhle heute Morgen. Ich hoffe, dass Sie hier in Richtung unserer Innenministerin und nicht in Richtung des FDP-Kollegen Kuhle gehen. Vielen Dank. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Liebe Frau Lindholz, der Kollege Steffen ist wahrscheinlich sehr stolz, wenn Sie ihn zu Dr. Grün machen. ({0}) Nichtsdestotrotz wird das wahrscheinlich im Protokoll geändert. Der Kollege Dr. Thorsten Lieb hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion. ({1})

Dr. Thorsten Lieb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005129, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, ich glaube, ich muss von meinem geplanten Redeentwurf etwas abweichen. Ich fang mal bei Ihnen an, Frau Kollegin Hoppermann. Als ich mir vorhin Ihren Beitrag und Ihr Klein-Klein zum Haushalt angehört habe, ist bei mir ganz klar der Eindruck entstanden: Eigentlich hat die Koalition rechtspolitisch alles richtig gemacht, wenn Sie sich nur am Klein-Klein abarbeiten müssen und keinen einzigen rechtspolitischen Impuls geben können, Frau Kollegin. ({0}) Eines will ich als Haushälter doch loswerden zu den Punkten, die Sie vorhin angesprochen haben – ich habe gerade versucht, mein Gedächtnis mithilfe des iPad aufzufrischen-: Wo sind eigentlich Ihre ganzen Änderungsanträge zum Einzelplan 07, in denen all die Dinge, die Sie kritisieren, angesprochen werden? ({1}) Liebe Frau Lindholz, ich will nicht alles wiederholen, was Marco Buschmann und Konstantin Kuhle heute Morgen richtigerweise gesagt haben. Aber die Verliebtheit und die Erwartungshaltung der CDU/CSU-Fraktion betreffend IP‑Adressen machen mich, ehrlich gesagt, nach zehn Jahren IT‑Recht in der Anwaltspraxis echt fassungslos. Sie müssten sich wirklich noch einmal sehr ernsthaft informieren, was geht und was nicht geht. ({2}) Vor allem gehen Sie in der Praxis davon aus, dass die Täterinnen und Täter, wenn großflächig IP-Adressen erfasst werden, ermittelt werden. Genau das werden Sie nicht erreichen; denn all diese Täter verschwinden im Darknet. Was Sie vorhaben, wird nicht funktionieren. Sie sind auf dem Holzweg. ({3}) Klar ist aber: Die Digitalisierung stellt unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen; da sind wir uns alle im Haus einig. Wir müssen uns dabei fundamental fragen, ob die Strukturen, in denen wir heute unterwegs sind, diesen Herausforderungen gerecht werden. Da gibt es, glaube ich, eine ganze Menge zu tun. Daher ist es richtig, dass wir als Koalition gerade im Rechtsbereich auf Digitalisierungsmaßnahmen einen großen Schwerpunkt setzen. Gesetze werden bald digital verkündet und entfalten ihre Wirkung. Alleine das Papier, das dadurch eingespart wird, stellt einen Nachhaltigkeitsbeitrag dar. Weitere Punkte sind notarielle Onlineverfahren, die Erweiterung des digitalen Gesellschaftsrechts und – mein Lieblingskind – die Verstetigung der digitalen Hauptversammlung. Damit kommen wir in diesem Bereich rechtsstaatlich endlich an die Spitze, und das ist dringend nötig, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Zentral für die Digitalisierung des Rechtsstaates ist – auch das Thema wurde schon kurz angesprochen – die Frage nach dem Schutz von Daten und ihrer Nutzung. Mit der Stiftung Datenschutz haben wir in Deutschland bereits eine kompetente Informations- und Diskussionsplattform. Nachdem gerade Sie in der letzten Wahlperiode versucht haben – ich gucke die Kolleginnen und Kollegen von der Union an –, diese Stiftung auszuhungern, ({5}) ist es jetzt gelungen, sie nicht nur beim BMJ neu anzusiedeln, sondern auch finanziell so zu stärken, dass sie endlich ihre Arbeit machen kann. ({6}) Dabei bleibt es aber natürlich nicht stehen. Da der Pakt für den Rechtsstaat und der Digitalpakt für Justiz angesprochen wurden, möchte ich das Thema gerne aufgreifen. Ja, er ist wichtig und notwendig. Eine Digitalisierung des Rechtsstaates hat ja auch etwas mit der Attraktivität von Justizberufen zu tun. Auch da haben wir dringenden Nachholbedarf. Aber eines muss klar sein: Der Pakt für den Rechtsstaat und der Digitalpakt für Justiz bedeuten doch nicht, dass der Bund den Ländern das Justizpersonal bezahlt. ({7}) Das ist ein völliges Missverständnis. Es geht um eine fundamentale Modernisierung und Verbesserung des Rechtsstaates. ({8}) Es ist daher wichtig, dass die Länder an dieser Stelle Eigenverantwortung übernehmen. Angesichts der Steuereinnahmen der Länder, die höher sind als die des Bundes, bitte ich darum, dass wir uns ehrlich machen und dafür sorgen, dass die Bundesländer viel mehr Verantwortung für ihre Justiz übernehmen als bisher. ({9}) Es braucht eine gemeinsame Anstrengung. Ich schaue nach Hessen, auf mein Bundesland, wo die Einführung der E-Akte leider etliche Jahre nach hinten gerutscht ist. Es braucht diese Anstrengung, und wir stehen zu unserer Verantwortung als Bund. Aber es geht nicht darum, dass wir den Ländern das Personal bezahlen. ({10}) Ich möchte ein zweites, sehr viel ernsteres Thema ansprechen. Ich habe, wie sicherlich viele hier in diesem Hause, in den vergangenen Wochen und Monaten viel mit unmittelbar vom Krieg Betroffenen, mit Geflüchteten aus der Ukraine und auch häufiger mit dem ukrainischen Generalkonsul in Hessen über die Situation in der Ukraine gesprochen. Die Erzählungen aus den Kriegsgebieten machen unfassbar betroffen. Bilder und Erzählungen, von denen meine Generation glaubte, die finden wir in Geschichtsbüchern, die sehen wir in Schwarz-Weiß-Filmen, sind Realität, sind an der Tagesordnung auf diesem Kontinent. Das ist erschütternd. Wenn ich an die Zeit von vor 30 Jahren zurückdenke: Wie wahnsinnig unterscheidet sich das von der Aufbruchsstimmung in Europa 1989/1990? Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, diesen Krieg, der seit 99 Tagen in Europa tobt und der uns alle erschüttert, dürfen wir nicht zur Tagesordnung werden lassen. ({11}) Deswegen sind und bleiben wir an der Seite der Ukraine. Vielen Dank. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Dr. Michael Espendiller spricht für die AfD. ({0})

Dr. Michael Espendiller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004711, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und bei Youtube! Obwohl wir in der AfD nicht die größten Fans dieser rot-magenta-grünen Regierung sind, haben wir dem Etat des Bundesministeriums für Justiz dennoch unsere Zustimmung erteilt. ({0}) Warum? Ganz einfach: Dieser Etat ist einer der wenigen Haushalte, der tatsächlich Einnahmen in nennenswertem Umfang generiert ({1}) und der mit den ihm zur Verfügung gestellten Mitteln auch sehr ordentlich haushaltet. ({2}) Allerdings: In den Beratungen wurde angedeutet, dass sich der Personalbedarf in Zukunft erhöhen könnte. Ich kann Ihnen jetzt schon einmal versprechen, dass wir da natürlich sehr genau hinschauen werden. Wir sind für einen schlanken Staat, eine optimale Nutzung der Ressourcen und natürlich für den größtmöglichen Abbau von Bürokratie. ({3}) Insofern freue ich mich, dass wir uns gemeinsam mit dem Bundesrechnungshof und dem BMJ darauf verständigen konnten, dass vor der Schaffung neuer Stellen im Bundesamt für Justiz erst mal eine ordentliche Personalbedarfsanalyse stehen soll. Ich denke, das ist die Mindestanforderung, bevor man überhaupt daran denken sollte, den Steuerzahler noch mehr zu belasten. Einige neue Stellen wurden allerdings auch im Zuge dieses Haushalts schon geschaffen, und zwar beim Generalbundesanwalt. Bei der FDP wollte man schon zu Beginn des Ukrainekriegs gegen Russland ermitteln, sodass die Forderung nach mehr Stellen dort recht früh auftauchte. ({4}) Anfangs fand ich das einfach nur populistisch, und mir war auch ein bisschen zu billig, dass man hier aus dem Schrecken des Krieges Kapital in Form von politischen Haltungsnoten schlagen wollte. Doch dann ging der Krieg weiter, und wir wurden mit den schrecklichen Bildern aus Butscha konfrontiert. Man hatte das noch gar nicht verdaut, da ging auch schon der Informationskrieg beider Seiten los um die Frage, wer für dieses Massaker verantwortlich sei. Medial war die Sache sehr schnell klar, aber im Internet fanden und finden sich immer noch die verschiedensten Theorien und wildesten Spekulationen über dieses Verbrechen. ({5}) Vor diesem Hintergrund wird einmal mehr die Bedeutung transparenter, rechtsstaatlicher Verfahren klar. In der jüngeren Geschichte haben wir bei dem sogenannten Massaker von Racak 1999 erlebt, wie dieser Vorfall mittels einer polarisierten Berichterstattung politisch instrumentalisiert und im Zuge der internationalen Empörung dann zur Legitimation für den Eintritt der NATO in den Kosovokrieg wurde. ({6}) Bis dato ist unklar, was dort eigentlich genau passiert ist. Zahlreiche Ermittlungen kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Wir wissen heute, dass es dieses Massaker höchstwahrscheinlich nie gegeben hat, dafür aber eine Vielzahl an Falschinformationen und Fake News darüber. ({7}) Durch rechtsstaatliche Ermittlungen wissen wir heute aber auch, dass es vier Jahre zuvor das Massaker von Srebrenica im Juli 1995 tatsächlich gegeben hat. Nach dem Fall der UN‑Schutzzone in Srebrenica galten dort 7 000 Menschen lediglich erst einmal als verschwunden. Die internationale Gemeinschaft war anfangs eher träge, als es darum ging, herauszufinden, was da passiert ist. Erste Berichte über die Geschehnisse wurden zunächst als Gerüchte abgetan. Das mag auch damit zusammenhängen, dass sich die Vereinten Nationen bis heute dem Vorwurf ausgesetzt sehen, dass ihre Schutztruppen in Srebrenica eine Mitschuld an dem Massaker tragen. Nach weiteren Ermittlungen wurde das ganze Grauen, das sich dort ereignet hatte, schließlich offenbar. Bosnisch-serbische Armeeangehörige und paramilitärische Truppen hatten systematisch 8 000 männliche Bosniaken von ihren Frauen, Kindern, Müttern und Schwestern getrennt und anschließend bei Massenexekutionen ohne viel Federlesen erschossen; danach wurden die Toten einfach in Massengräbern verscharrt. Heute wissen wir, was wahr ist und was nicht. Wir verfügen über das Wissen über ein Massaker, das wohl nie stattgefunden hat, ebenso wie über ein Massaker, das durch die UN-Kriegsverbrechertribunale zu Recht als Völkermord eingestuft wurde. Nur unabhängige, objektive Ermittlungen versetzen uns in die Lage, Wahrheit von Fiktion zu trennen, ({8}) und nur rechtsstaatliche Verfahren versetzen uns in die Lage, auf Basis von Fakten Verantwortliche zu identifizieren und sie dann zur Rechenschaft zu ziehen. ({9}) Diesen Aufwand und diese Sorgfalt schulden wir auch den Todesopfern von Butscha. Deswegen ist es richtig, den Generalbundesanwalt bei seinen Strukturermittlungsverfahren mit zusätzlichen Stellen zu unterstützen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({10})

Dirk Wiese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Wer diese Debatte, in der wir über den Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland und den Haushalt des Bundesjustizministeriums diskutieren, dafür verwendet, Gräueltaten und Kriegsverbrechen zu relativieren, wer hier Putins Angriffskrieg verteidigt, wer sich zum verlängerten Arm von Desinformation macht, dessen Verhalten ist einfach nur schäbig und zeigt, wes Geistes Kind er ist. ({0}) Kolleginnen und Kollegen, der 24. Februar, der Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs von Wladimir Putin auf die Ukraine, hat noch mal eins deutlich gemacht: Es gilt die Stärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren. Es ist wichtig, dass wir einen funktionierenden Rechtsstaat haben, der aufklärt, der auch wehrhaft ist und der aufgrund der Vorschriften in unserem Strafgesetzbuch dafür sorgt, dass Kriegsverbrecher zur Rechenschaft gezogen werden. Ich bin dankbar, dass diese Strukturermittlungen bei uns stattfinden, um aufzuklären, um schwarz auf weiß festzustellen, was da stattgefunden hat, um solchen Verschwörungstheorien Einhalt zu gebieten. ({1}) Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass wir gerade im Personalhaushalt des Bundesjustizministeriums beim Generalbundesanwalt zusätzliche Stellen haben. ({2}) Ich bin auch dankbar, dass wir über diesen Haushalt Institutionen der UNO und die internationalen Gerichtshöfe, die übrigens immer wieder auch von Russland blockiert worden sind, ({3}) letztendlich stärken, als Bundesrepublik Deutschland hier unserer Verantwortung gerecht werden und uns daran beteiligen, dass das, was da passiert, aufgeklärt wird. Das ist der Ansatz, den wir weiterverfolgen und den wir im Bundesjustizhaushalt unterstützen; das ist der richtige Weg. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich auch ganz deutlich sagen: Eine der größten Herausforderungen, vor denen unsere Demokratie steht, ist der Kampf gegen den wachsenden Rechtsextremismus, gegen den Rechtsterrorismus in unserem Land. Herr Brandner hat mittlerweile die Debatte verlassen; er scheint Mittagspause zu machen, anstatt sein Parlamentsrecht wahrzunehmen. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Nein, Herr Brandner ist im Ältestenrat, Herr Kollege Wiese, und hat sich entschuldigt. ({0})

Dirk Wiese (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Dann nehme ich die Aussage zurück, dass er nicht da ist. – Aber ich sage ganz deutlich: Das, was er an Kritik gegenüber Heiko Maas, Katarina Barley, Christine Lambrecht geäußert hat, ist völlig falsch. ({0}) Diese drei Bundesminister der Justiz haben einen klaren Kompass: Es ist der Kampf gegen Rechtsextremismus, ({1}) gegen Verfassungsfeinde in diesem Land. Wenn jemand schon in der eigenen Partei Probleme mit dem Verfassungsschutz hat, dann wundert mich nicht, dass er das kritisch anmerkt. ({2}) Für uns ist relativ klar, dass wir gegen Hass und Hetze vorgehen wollen. Hass und Hetze können letztendlich dazu führen – wir haben es in den vergangenen Jahren leider wieder gesehen –, dass daraus auch Taten folgen. Darum ist es richtig, dagegen vorzugehen und die entsprechenden Punkte auf den Weg zu bringen. Das ist auch das, was wir als Ampelkoalition vereinbart haben. Wir als Ampelkoalition haben in unserem Koalitionsvertrag wichtige Punkte in der Rechtspolitik und in der Innenpolitik aufgeschrieben. Es ist Gott sei Dank nicht mehr so wie in den vergangenen Jahren – ich merke bei der Union, dass dieses Schubladendenken immer noch vorherrscht –: Nein, wir arbeiten zusammen in der Rechts- und Innenpolitik für einen modernen Staat, für einen modernen Rechtsstaat, für Modernität in der Innenpolitik, in der Einwanderungspolitik. Bundesinnenministerium und Bundesjustizministerium arbeiten eng zusammen, und ich bin Bundesjustizminister Marco Buschmann und auch der Bundesinnenministerin Nancy Faeser wirklich dankbar dafür. Hier passt kein Blatt dazwischen, und wir bringen die Reformvorhaben, die wir verabredet haben, auch auf den Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Wir als Ampelkoalition werden die Vorhaben, auf die wir uns verständigt haben, auch sehr zügig auf den Weg bringen. Ich begrüße es ausdrücklich, dass wir noch vor der Sommerpause gerade im Bereich des § 219a Strafgesetzbuch das auf den Weg bringen, worauf wir uns als Ampelkoalition verständigt haben. Das ist ein wichtiges erstes Signal, dass es hier vorangeht. ({4}) Es gibt viele Themen, die gesellschaftspolitisch in den vergangenen Jahren nicht angegangen worden sind, ({5}) die nicht vorangebracht worden sind, ({6}) die übrigens von der Union diskreditiert werden wie die Verantwortungsgemeinschaft, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen wollen und Rechtssicherheit bekommen sollen ({7}) für Regelungen, die getroffen werden müssen. Dass das auch noch diskreditiert wird, ({8}) kann nicht sein. Und da ist es richtig, dass wir uns als Ampelkoalition hier modern auf den Weg gemacht haben und dieses Land voranbringen, einiges Verstaubte angehen und das, was in 16 Jahren Union nicht möglich war, endlich auf den Weg bringen. ({9}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich auch einen Satz dazu sagen, wie wichtig es uns ist – das zeigt auch der Ampelkoalitionsvertrag –, die Demokratie in unserem Land wieder zu stärken und dafür zu sorgen, dass wir gegen die Feinde der Demokratie auch vorgehen. Darum ist es gut, dass wir uns als Ampelkoalition darauf verständigt haben, die demokratischen Initiativen in unserem Land zu stärken, sie zu fördern, sie zu unterstützen; denn sie sind es, die sich täglich vor Ort für die Demokratie einsetzen, die dafür sorgen, dass diese Demokratie wehrhaft ist. Darum ist es gut, dass wir gemeinsam in dieser Bundesregierung auch ein Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen werden – und das auch relativ zügig, wie wir es im Ampelkoalitionsvertrag auch verabredet haben. ({10}) Lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, am Schluss noch auf einen Punkt eingehen. Frau Lindholz, uns eint der Kampf gegen diese schrecklichen Taten, von denen wir diese Woche erfahren haben. Wir haben noch in der Großen Koalition immer wieder geschaut, was wir tun können, wie wir der Täter habhaft werden können. Wir werden die Vorschläge nun gemeinsam mit dem Justizministerium und dem Innenministerium vorlegen. Aber: Wer Kinderschutz wirklich will, sich jedoch weigert, Kinderrechte ins Grundgesetz zu schreiben, ({11}) der ist nicht glaubwürdig. ({12}) Springen Sie da über Ihren Schatten! Machen Sie bei der Grundgesetzänderung mit, damit Kinderrechte auch ins Grundgesetz geschrieben werden. Vielen Dank. ({13})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage jetzt noch einmal der Form halber, ob noch ein Mitglied des Hauses anwesend ist, das seine Stimme nicht abgeben konnte. – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Wahlen und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich gebe das Wort dem Kollegen Helge Limburg für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Helge Limburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005132, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Waffen sprechen, schweigt das Recht nicht. Auch im Krieg gelten Regeln und Gesetze. Die russische Armee verübt bei ihrem verbrecherischen Angriffskrieg nahezu jeden Straftatbestand, der im Völkerstrafgesetzbuch aufgelistet ist: Plünderungen, Verschleppungen, Vergewaltigungen, Folter, Morde. Die Ukraine hat mit der strafrechtlichen Aufarbeitung begonnen. Aber – das ist hier schon mehrfach zu Recht gesagt worden – auch in Deutschland können diese Verbrechen nach dem Weltrechtsprinzip geahndet werden. Um das sicherzustellen, stärken wir mit diesem Haushalt den Bereich des Völkerstrafrechts beim Generalbundesanwalt. Das ist ein wichtiger Schritt. ({0}) Wir dürfen hier nicht stehen bleiben. Es steht ja zu befürchten, dass dieser Krieg noch eine Weile andauern wird. Darum müssen wir sicherstellen, dass Menschen, die aus der Ukraine zu uns fliehen und vielleicht Beweismittel haben – Augenzeugenberichte, Handyvideos und Ähnliches –, wissen, wo sie diese hinterlegen können. Dafür ist es notwendig, Informationskampagnen und Informationsangebote auch in der Fläche unseres Landes zu haben. Wir müssen die internationale Zusammenarbeit der Justiz weiter stärken, so wie es der Justizminister angekündigt hat. Dazu gehört zum Beispiel, Strukturen zu schaffen, dass Verfahrensunterlagen, Urteile und Ähnliches aus dem Völkerstrafrecht – das gilt nicht nur in Ukrainestrafverfahren, sondern auch in anderen Völkerstrafverfahren, die derzeit in Deutschland laufen – zeitnah übersetzt werden. Es würde der internationalen Justiz helfen, wenn diese auch in anderen Verfahren zur Verfügung stehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe die Erwartung, dass in diesem Sommer – davon gehe ich aus – der Ukraine der Status als Beitrittskandidat zur Europäischen Union zuerkannt werden wird. Die Zeit ist reif dafür. ({1}) Das wird dann auch Konsequenzen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit haben. Wir sollten schon jetzt mit Planungen beginnen, wie wir den geordneten Aufbau der Justiz in der Ukraine ({2}) während des Krieges oder – hoffentlich bald – nach dem Krieg unterstützen können, wie wir die polizeiliche und die justizielle Zusammenarbeit mit der Ukraine ausbauen können, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Frau Präsidentin, es ist heute zu Recht mehrfach gesagt worden – bemerkenswerterweise von Rednerinnen und Rednern aller demokratischen Fraktionen; nur die Fraktion ganz rechts hat diesen Umstand völlig außer Acht gelassen; sie wird wissen, warum –: Heute jährt sich der rechtsextreme Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Dieser Mord hat uns alle erschüttert. Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen. Aber bei Erschütterung darf es eben nicht bleiben. Deshalb ist es gut, dass wir den Bereich der Ermittlungen gegen Rechtsterrorismus beim Generalbundesanwalt haushalterisch stärken. Herzlichen Dank insbesondere auch an die Haushälterinnen und Haushälter dafür! ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Justiz in diesem Land gehören nicht nur Richter/-innen, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, sondern natürlich auch viele weitere Berufsgruppen und auch Ehrenamtliche. Im kommenden Jahr finden die Schöffenwahlen statt. Leider gab es in der Vergangenheit immer wieder Schwierigkeiten, dieses wichtige Amt zu besetzen. Deswegen sind wir dem Schöffenverband sehr dankbar, dass er angeboten hat, eine Informationskampagne zu organisieren. Es ist gut, dass wir im Haushalt die nötigen Mittel bereitstellen. Auch dafür herzlichen Dank an die Haushälterinnen und Haushälter! ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn es teilweise aus den Reihen der Union in der Tat anders klingt: Aber „Rechtsstaat“ bedeutet doch nicht, immer neue Überwachungsinstrumente zu erfinden, ins Bundesgesetzblatt zu schreiben und dann zu hoffen, dass vielleicht ein Teil dessen nach der Überprüfung durch Karlsruhe oder europäische Gerichte noch übrig bleibt. ({6}) Das ist doch nicht der Rechtsstaat. So haben Sie es in den letzten 16 Jahren gemacht. Ich hätte verstanden, wenn die Fortschrittskoalition dafür kritisiert worden wäre, dass wir in der Tat mehr Ermittlungs- und Eingriffsbefugnisse schaffen wollen ({7}) mit Quick-Freeze, mehr als gegenwärtig real vorhanden sind, ({8}) weil, wie Sie wissen, die Vorratsdatenspeicherung zwar im Gesetzblatt steht, aber real nicht angewandt wird. Das ist doch die Realität. ({9}) Sie reiten hier ein lange verstorbenes Pferd immer noch verzweifelt durch die Manege. ({10}) Beteiligen Sie sich doch an den Debatten darüber, wie wir Überwachungsmaßnahmen rechtsstaatlich durchsetzen können, statt Debatten der Vergangenheit zu führen! ({11}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir beraten in der Tat auch den Etat des Bundesverfassungsgerichts mit. Dieser ist haushalterisch unspektakulär, aber das ändert nichts an der großen Bedeutung dieses Gerichts. Ein Bereich, in dem es in den vergangenen Jahren leider besonders häufig tätig werden musste, ist die Frage der Gleichstellung homosexueller Paare. Sehenden Auges hat es die Union – der Kollege Wiese hat zu Recht darauf hingewiesen – hingenommen und immer nur dann reagiert, wenn Karlsruhe sie dazu gezwungen hat. Allein sechs Urteile zeugen davon. Mit dieser Haltung muss Schluss sein. Wir wollen nicht warten, bis Karlsruhe zum Beispiel die Gleichstellung von Kindern erzwingt, die in queere Partnerschaften hineingeboren werden. Wir werden als Gesetzgeber aktiv werden. ({12}) Wir wollen in der Tat alle Kinder, die in queere Partnerschaften hineingeboren werden, gleichstellen. Das sind wir den Kindern tatsächlich schuldig, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({13})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die nächste Rednerin ist für die CDU/CSU-Fraktion Elisabeth Winkelmeier-Becker. ({0})

Elisabeth Winkelmeier-Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003865, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Haushalt des Bundesjustizministeriums beraten wird, dann kann sich der Finanzminister eigentlich entspannen – er hätte also auch hierbleiben können –; ({0}) denn es ist der Haushalt mit den geringsten Ausgaben. Aber wir haben schon gehört: Es geht eigentlich um noch mehr Geld. Die größte einzelne Ausgabe dieser Wahlperiode wird wahrscheinlich wieder im Kontext des Pakts für den Rechtsstaat erfolgen, für den es die Erstauflage in der letzten Wahlperiode gegeben hat – 220 Millionen Euro. ({1}) – Genau! Diese Mittel werden nicht im Justizhaushalt eingestellt – jedenfalls war es beim ersten Mal so –, ({2}) sondern diese 220 Millionen Euro werden über den Weg der Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern diesem zufließen. Deshalb ist es auch jetzt noch nicht angelegt; im Justizhaushalt nicht erkennbar. Aber es wäre eben sehr, sehr gut, wenn wir uns jetzt schon darauf verständigen könnten, dass wir das alle unterstützen – wir hatten es auch im Wahlprogramm –; denn die Länder brauchen diese Unterstützung. Wir wissen alle, dass es eigentlich die Aufgabe der Länder ist. Aber hier gibt es einen großen Nachholbedarf. Wir wollen das gerne auch mit Ihnen zusammen verhandeln und unterstützen. Die Länder sollten frühzeitig wissen, womit sie rechnen können. ({3}) Es geht um die Ausrüstung von Sitzungssälen, wie wir sie auch für Verhandlungen oder Anhörungen in Anspruch nehmen, die uns zum Beispiel die Möglichkeit gibt, Sachverständige zuzuschalten. Es geht um die Digitalisierung der Grundbücher; das ist zum Beispiel für die Steigerung der Effizienz bei der Bekämpfung von Geldwäsche ein ganz wichtiger Punkt. Es geht auch um die bessere Ausrüstung der Staatsanwaltschaften, damit diese in ihrer wichtigen Ermittlungstätigkeit unterstützt werden. Wir übernehmen mit unseren Regelungen auch Verantwortung für die Justizhaushalte der Länder, indem wir das materielle Recht und natürlich auch das Verfahrensrecht gestalten. Dabei gibt uns zu denken, dass der Deutsche Richterbund im Moment wirklich Alarm schlägt und sagt, dass es eine zunehmende Anzahl von Massenverfahren gibt, die die Richterschaft wirklich an die Belastungsgrenze, an die Grenze der Arbeitsfähigkeit bringt. Damit riskiert man natürlich auch einen Vertrauensverlust in die Funktionsfähigkeit der Justiz. Der Richterbund schlägt auch konkrete Maßnahmen vor, nämlich Vorabentscheidungsverfahren beim Revisionsgericht einzuführen oder Vorgaben zu machen für die Struktur von Schriftsätzen, die häufig nur noch aus Textbausteinen bestehen, die gar nichts mit dem konkreten Fall zu tun haben. Das sind die Themen, mit denen sich aktuell die Justizministerkonferenz beschäftigt. Damit müssen auch wir uns dringend beschäftigen. Dabei lässt der Vorschlag zur Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie noch auf sich warten, obwohl sie in diesem Jahr noch beschlossen werden muss. Uns war bei der ersten Auflage, der Verabschiedung der Musterfeststellungsklage, wichtig, dass nur qualifizierte Verbände diese Klagen unter bestimmten Voraussetzungen führen dürfen. Es ist gut, dass das offenbar auch Sie überzeugt hat und dass wir daran festhalten wollen. Ich möchte aber anregen: Wir hatten damals eine sehr gute Sachverständigenanhörung mit noch etlichen guten, konstruktiven Vorschlägen, zum Beispiel einen Eröffnungsbeschluss über die vielen Fragen der Zulässigkeit der Klage einzurichten. Das ist ein wirklich guter Hinweis gewesen. Wir konnten ihn damals wegen des Zeitdrucks nicht mehr umsetzen; wir wollten mit dieser Klage ja noch rechtzeitig ins Gesetzbuch kommen, damit die Dieselverfahren dieses Verfahren nutzen konnten und nicht verfristet waren. Ich möchte in diesen Tagen auch einen Blick nach Warschau richten. Wir fahren mit dem Rechtsausschuss in der kommenden Woche dorthin. Es ist spannend, zu sehen, dass die EU‑Kommissionspräsidentin in diesen Tagen dort ist. Sie nutzt zum ersten Mal die Möglichkeit, dass die europäische Ebene auch mit Geld Einfluss nehmen kann. Das rechtfertigt sich damit, dass das Thema der Unabhängigkeit der Justiz wirklich zu den Assets, zu den Kernforderungen der europäischen Rechtsordnung gehört. Es ist gut, dass sie das mit Rückendeckung des Europäischen Gerichtshofs machen kann. ({4}) Es ist zulässig, dass die Europäische Union die Auszahlung von etwa 36 Milliarden Euro davon abhängig macht, dass in unserem Nachbarland die Justiz wieder zu mehr Unabhängigkeit zurückkehren kann. Ich denke, wir haben in der nächsten Woche die Möglichkeit, uns darüber zu informieren und das Land vielleicht mit ein bisschen Rückenwind dabei zu unterstützen, dass die Unabhängigkeit der Justiz wiederhergestellt wird. ({5}) Ganz zum Schluss möchte ich noch einen anderen Punkt ansprechen. Wir machen hier Rechtspolitik, und ich glaube, es ist unsere Aufgabe, uns in die wichtigsten Diskussionen dieser Wahlperiode miteinzubringen. Dazu zählen sicherlich die Themen: Klimaschutz, Energiewende, Transformation der Industrie. Ich denke, da haben auch wir als Rechtspolitiker sehr Konstruktives beizutragen; denn es sind doch große Rechtsfragen, die hier im Raum stehen: Wir haben das Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichts. Wir haben Klagen gegen Unternehmen, die zu mehr Klimaschutz aufgefordert werden. Wir haben die vielen rechtlichen Hürden, die immer wieder angemahnt werden und die im Weg stehen, wenn es darum geht, zur Tat zu schreiten und die Klimapolitikwende umzusetzen. Deshalb, denke ich, wäre es eine gute Idee, wenn wir uns im Rechtsausschuss auch einmal selbst initiativ mit all diesen Facetten beschäftigen würden, –

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin.

Elisabeth Winkelmeier-Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003865, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

– um diese dann in die Fachpolitik einzubringen. Ich habe mich gewundert, dass die Koalition der Ampel da bisher noch nicht gesagt hat: Das machen wir.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin!

Elisabeth Winkelmeier-Becker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003865, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber wir reden noch mal drüber. Ich wäre froh, wenn wir dazu kommen würden. Vielen Dank, Frau Präsidentin. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Fraktion der SPD hat Sonja Eichwede jetzt das Wort. ({0})

Sonja Eichwede (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005049, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister Buschmann! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Technisch gesprochen beraten wir heute über den Haushalt des Einzelplans 07. Tatsächlich aber reden wir über sehr viel mehr. Wir reden über das Rückgrat unserer Demokratie, über Rechtsstaatlichkeit und Justiz, über Ordnung und Regeln, die wir in unserem Land der Willkür in vielen anderen Orten der Welt entgegensetzen, die wir Hass und Hetze entgegensetzen, die wir rechtlich bekämpfen müssen. Wir reden über die Durchsetzung des Rechts jedes Einzelnen und darüber, dass wir in unserem Land dafür sorgen, dass derjenige, der Recht hat, auch Recht bekommt. ({0}) Wir wissen, dass es ohne ein funktionierendes Rückgrat keinen aufrechten Gang gibt, und wir wissen, dass wir ohne einen starken Rechtsstaat keine funktionierende Demokratie haben. Von daher ist es hier und heute sehr wichtig, noch mal zu betonen, dass wir in Anbetracht der weltpolitischen Lage und Putins Angriffskrieges auf die Ukraine – neben all den außen- und sicherheitspolitischen Maßnahmen, die wir durchführen – gerade auch unseren Rechtsstaat stärken und schützen müssen. Stärken wollen wir ihn insbesondere durch solide Finanzen und guten Stellenausbau. ({1}) In den Haushaltsverhandlungen der letzten Wochen sind dazu im Bundeshaushalt neben der guten Vorlage des Ministeriums noch einige wichtige Schwerpunkte gesetzt worden. Es wurde heute häufig angesprochen: Es geht insbesondere um die personelle Verstärkung des Generalbundesanwalts und die gezielte Stärkung im Bereich der Strukturermittlungsverfahren, die bereits laufen. Es ist gerade jetzt unglaublich wichtig, dass wir die Kriegsverbrechen, die zurzeit in der Ukraine verübt werden, aufdecken und ermitteln und nach dem Weltrechtsprinzip auch in Deutschland verfolgen. Das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz zu Kriegsverbrechen in Syrien hat weltweit Aufsehen erregt und den Vorbildcharakter der deutschen Justiz in Europa und weltweit gezeigt. Es ist wichtig, dass gerade wir als Bundesrepublik Deutschland hier weltweit eine Vorreiterrolle einnehmen. In Anbetracht unserer Geschichte ist das umso wichtiger, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Neben der Stärkung des Generalbundesanwalts ist es natürlich auch wichtig, ins Inland zu schauen. Der Bundesjustizminister hat gesagt, dass er in Gesprächen mit den Ländern ist. Das ist wichtig. Die Justizministerkonferenz hat gesagt, dass sie zur Verstetigung des Pakts für den Rechtsstaat, den wir dringend brauchen, bereit ist. Auch das ist wichtig. Natürlich können wir als Bund die Kompetenzen und Aufgaben der Länder nicht alleine wahrnehmen. Wir müssen aber strukturell helfen, wir müssen beim Ausbau des Personals und bei der Digitalisierung unter die Arme greifen. Denn wir haben die Zahlen gehört: Der Justiz steht eine Pensionierungswelle bevor. Dieser müssen wir entgegenwirken; aber nicht nur im Bereich der Richterinnen und Richter, sondern auch im Unterbau. Aus meiner Zeit in der Justiz kann ich berichten, dass die Arbeitsüberlastung insbesondere in den Geschäftsstellen enorm ist. Wir müssen auch hier die Arbeitnehmer/-innenrechte stärken. Wir können unsere Justiz nicht auf deren Rücken aufbauen, sondern wir müssen sie entlasten und hier für weitere Stellen sorgen. ({3}) Zudem werden wir uns hier als – im Übrigen nicht nur selbsternannte, sondern auch als beschriebene – Fortschrittskoalition ({4}) aufgrund eines sehr, sehr guten Koalitionsvertrages gerade im Bereich der Digitalisierung der Justiz sehr viel vornehmen. Wir werden unseren Rechtsstaat moderner machen. Wir werden von den „Gürteltieren“ zur E-Akte kommen. Wir werden gucken, wie die einzelnen Bundesländer Brücken zwischen den unterschiedlichen Systemen, die sich bei der E‑Akte entwickelt haben, herstellen können, damit Informationen, die ausgetauscht werden müssen, auch tatsächlich ausgetauscht werden können und wir in der Justiz in Deutschland effektiv zusammenarbeiten. ({5}) Obwohl der Haushalt des Justizministeriums überwiegend ein Personalhaushalt ist, gibt es auch wichtige Projekte, die hier gefördert werden. Dabei möchte ich insbesondere auf eines aufmerksam machen und dies mit einem Appell verbinden; der Kollege Helge Limburg hat es bereits angesprochen. Im nächsten Jahr stehen in Deutschland die Schöffenwahlen an. Die Schöffen werden für die Jahre 2024 bis 2028 gewählt. Die Informationskampagne des deutschen Schöffenbundes wird dazu beitragen, dass mehr Leute auf dieses wichtige Amt aufmerksam gemacht werden, das in der Öffentlichkeit in Deutschland leider nicht so bekannt ist wie in Amerika zum Beispiel die Jury. Aber in der Justiz brauchen wir Schöffen. Wir brauchen Laienrichter, um überhaupt eine effektive Justiz zu haben und um auch die Perspektive der Bevölkerung in den Urteilen verankern zu können. Deshalb, sehr verehrte Damen und Herren: Erkundigen Sie sich! Bewerben Sie sich bei Ihren Kommunen als Schöffen! Wir brauchen Schöffen, die insbesondere den Rechtsstaat in ihren Herzen tragen, die vielleicht auch Interesse an True-Crime-Podcasts oder Gerichtssendungen haben, die möglicherweise – heute wurde es häufiger angesprochen – gern das „ZDF Magazin Royale“ gucken und für die es eine interessante Nachricht ist, dass Jan Böhmermann einer der bekanntesten deutschen Schöffen ist, aber insbesondere Leute, die so die Justiz stärken, sich einbringen und entsprechend bewerben. Vielen Dank für diesen Einsatz. ({6}) Zum Schluss möchte ich den Haushältern für diesen guten Haushalt, diese tolle Vorlage für die SPD-Fraktion und insbesondere Esther Dilcher danken. Ich freue mich über die weiteren Beratungen. Wir können diesem Entwurf sehr gut und gerne zustimmen. Vielen Dank. ({7})

Tobias Matthias Peterka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004850, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Werte Kollegen und Gäste! Wenn wir schon beim Klarstellen sind, möchte ich betonen, dass der Kollege Espendiller in keiner Weise Kriegsverbrechen geleugnet hat. Er hat auf internationale Ermittlungen hingewiesen. Das ist genau das Gegenteil davon. Zum Haushalt. Die Schuldenbremse und die entsprechenden Turnübungen darum herum stehen derzeit bei uns im Rampenlicht. Der Justizhaushalt ist da nicht prägend, wenn man den sonst üblichen Kategorien der Ampel folgt. Die FDP als zumindest nicht per se links bzw. deren Projekte innerhalb der Koalition liegen mir ja bekanntlich besonders am Herzen. Daher lasse ich mir persönlich dann sogar einige Argumente zur Liberalisierung der Beratung von Schwangeren erzählen. Problematisch wird es aber dann, wenn solche Schaufensterprojekte bei genauerem Hinsehen das ganze Repertoire auszumachen beginnen. Was ist mit weniger glanzvollen Projekten, die aber kostenintensiver sind, wie – es wurde erwähnt – der Pakt für den Rechtsstaat? Der soll laut Koalitionsvertrag verfestigt werden. Im Justizhaushalt waren mal 500 Millionen Euro angedacht; die fehlen im vorliegenden Entwurf fast komplett. Kommen die noch, vielleicht woanders untergebracht in einem Sonderhaushalt? Ist ja derzeit in Mode bei uns! Die Pensionswelle wird die Justiz jedenfalls mit Schwung treffen. Vorgebaut wurde nichts, sagen auch die Landesminister. Da brauche ich nicht einmal die Klagewelle zu den Coronagängelungen und den Asylverfahren anzubringen, um zu zeigen, dass dies zu einem kafkaesken Staatsversagen führen wird. Wahrscheinlich kommen Sie, Herr Minister, dann mit der Ausrede um die Ecke, dass ja nun immerhin nicht mehr gegen Kürzungen des ALG II geklagt werden kann; denn die Kürzungen haben Sie abgeschafft. Bravo! Damit untergraben Sie vielmehr gleich in zweierlei Hinsicht das Vertrauen der Bürger, nämlich in den Rechtsstaat und in den Sozialstaat. ({0}) Der erhebliche Eingriff in privatwirtschaftliche Unternehmen durch die Umsetzung der Whistleblower-Richtlinie wird übrigens auch zu vielen Prozessen führen. Sie, Herr Buschmann, wollen da zwar keine wachsweichen Ethiktatbestände – okay –, jedoch weitgehend nationales Recht gleich einklagbar mit einbeziehen. Das ist mir zu sehr durchgemogelt. Das ist wie den Kuchen haben und essen wollen. Warum auch Teil der Lösung sein, wenn man in der Ampel gemütlich mitschwimmen kann? Bisschen Empörung zu der Vorratsdatenspeicherung, vogelwilde Lebensgemeinschafts-GmbHs erfinden und vielleicht dann auch gleich das ganze Strafrecht zu einem Frankenstein-Konstrukt ummodeln! Schwarzfahren und sonstiger Leistungsbetrug: Passt schon! Meinungsäußerungen ohne Gütestempel Buschmann: Sofortzugriff! Konsequent bleiben Sie immerhin, indem Sie bei der JuMiKo digital teilnehmen und uns hier mit Ihrer Präsenz beehren. Technikdemonstration unter Umständen erfolgreich, Inhalte jeweils mehr als fraglich. Vielen Dank. ({1})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Einen schönen guten Nachmittag von meiner Seite! Ich grüße Sie alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, und erteile das Wort der nächsten Rednerin: von Bündnis 90/Die Grünen Canan Bayram. ({0})

Canan Bayram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004665, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten hier gemeinsam den Haushalt der Justiz, und ich freue mich sehr, dass wir nicht nur von unserer Perspektive aus deutlich feststellen können, sondern auch von außen betrachtet feststellen können: Das, was die Fortschrittskoalition hier auf den Weg gebracht hat, ist in Zahlen gegossene Zukunftspolitik, meine Damen und Herren. ({0}) Ehrlich gesagt: Ich habe allen Reden zugehört und habe keine Kritik feststellen können, die in dem Sinne gerechtfertigt wäre, dass sie substantiiert wäre. Deswegen will ich die Kritikpunkte mal einzeln durchgehen. Ich war bei dem Gespräch mit der italienischen Justizministerin dabei, und ich muss tatsächlich sagen: Es beeindruckt mich sehr, wie Italien bei der Einziehung von Vermögen, bei dem Umgang mit den Sanktionen gegen die Oligarchen vorgeht. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU: Dass gerade Sie sich hierhinstellen und behaupten, Sie hätten in den letzten 16 Jahren Ideen gehabt, ({1}) wie man es besser machen könnte, erstaunt mich dann doch, muss ich ehrlich sagen. ({2}) Aber ich muss auch ganz klar sagen: Ich arbeite mit allen demokratischen Fraktionen zusammen, solange es darum geht, Lösungen zu finden. Und ich freue mich auf Ihre Anträge, ({3}) die uns demnächst im Rechtsausschuss beschäftigen werden. ({4}) Und ich freue mich, wenn die dann so sind, dass man ihnen tatsächlich mehrheitlich zustimmen kann. ({5}) Die anderen Punkte, die hier immer wieder angesprochen wurden und über die ich mich wirklich sehr freue – und wir werden die Beratungen hierzu demnächst abschließen –, sind die der Entkriminalisierung und der Liberalisierung. Bei der Legalisierung müssen wir noch ein bisschen nachlegen. Im Bereich der Entkriminalisierung wird es uns gelingen, den § 219a StGB nun endlich in die Geschichtsbücher zu schreiben und aus unserem Strafgesetzbuch herauszustreichen, meine Damen und Herren. ({6}) Da haben wir eine wirklich gute Grundlage auf den Weg gebracht. Die Liberalisierung, finde ich – und das hat auch die Debatte heute gezeigt –, ist dem Justizminister zu verdanken; er steht dazu. Er hat auch Rückgrat bei allen Angriffen auf die Bürger/-innenrechte. Das muss man immer wieder betonen. ({7}) Es geht nicht nur darum, was wir an neuen Gesetzen hier einbringen. Es geht auch darum, was wir als Ampel gemeinsam an unsinnigen Anträgen aus der Opposition ablehnen, meine Damen und Herren. ({8}) Danke, lieber Herr Buschmann, für Ihr Rückgrat in diesem Bereich! Da macht es doch tatsächlich Spaß, gemeinsam Politik zu machen, weil wir nämlich gezwungen sind, mit all unseren unterschiedlichen Perspektiven immer wieder – das werden die Kolleginnen und Kollegen aus der Ampel bestätigen – um die Antworten zu ringen, um die Lösungen zu ringen und manchmal auch unsere eigenen Vorbehalte über Bord zu werfen. Damit komme ich zu dem für mich in meinem Wahlkreis wichtigsten Thema. Ich hätte mir gewünscht, wir wären heute schon einen Schritt weiter; aber eines ist klar: Es kann nicht sein, dass die CDU immer noch legal Alkohol konsumieren darf , während Teile der Menschen in meinem Wahlkreis dafür kriminalisiert werden, dass sie in Ruhe kiffen wollen, meine Damen und Herren. ({9}) Das muss sich ändern, ({10}) und das kann nur dieses Parlament ändern. Wir brauchen die Legalisierung von Cannabis. Denn eines ist klar: Die Prohibition ist gescheitert – sie ist gescheitert, meine Damen und Herren! ({11}) Und wenn es eine Chance gibt, dass diese Fortschrittskoalition tatsächlich auch bei der Legalisierung von Drogen einen Weg einschlägt, der die gesellschaftliche Realität abbildet, dann muss ich ganz klar sagen, weil es mir aus verschiedenen Zusammenhängen zugetragen wurde: Ja, auch die Konservativen kiffen, und demnächst kiffen sie legal. ({12}) Und das haben sie dann uns zu verdanken. Aber seien Sie ganz beruhigt: Ich werde es Ihnen gönnen, und es wird Ihnen sehr viel Freude bereiten. ({13})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Wir haben eine Kurzintervention von Frau Vogler, Fraktion Die Linke.

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Liebe Kollegin Canan Bayram, ich freue mich über Ihr engagiertes Plädoyer für eine rasche Freigabe von Cannabis. Würden Sie an der Stelle nicht auch unterstützen wollen, dass wir jetzt möglichst schnell, bevor das entsprechende Gesetzesvorhaben der Ampelkoalition fertig ist, zumindest mal eine Entkriminalisierung durchsetzen, ({0}) damit nämlich nicht weiter die Kifferinnen und Kiffer in Ihrem Wahlkreis verfolgt werden, Polizistinnen und Polizisten wertvolle Arbeitszeit, die Justiz wertvolle Arbeitszeit investieren müssen, um diese völlig unsinnige und kontraproduktive Verfolgung von Cannabiskonsumentinnen und ‑konsumenten zu betreiben? ({1})

Canan Bayram (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004665, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Liebe Frau Kollegin, nicht nur als Abgeordnete des Deutschen Bundestages, sondern auch als Rechtsanwältin kann ich das voll und ganz unterstützen. Wir arbeiten daran, dass es so auf den Weg gebracht wird, dass es rechtssicher ist und vor den Gerichten standhält. Da vertraue ich auf die Entwürfe nicht nur des Bundesgesundheitsministers, ({0}) sondern auch auf die Mitzeichnungen des Justizministers. Ich freue mich aber, dass Sie uns bei dem Anliegen sehr unterstützen wollen. So läuft das Ganze. Werden Sie Teil der Fortschrittskoalition! ({1}) Vielen Dank. ({2})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Ich erteile das Wort dem nächsten Redner: Carsten Müller, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Carsten Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003815, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich befürchte, ich kann an die beschwingte Vortragsart der Kollegin nicht ohne Weiteres anknüpfen. Es ist schon merkwürdig – das spricht im Grunde genommen gegen Ihre Beiträge –, dass ausschließlich Sie sich als Fortschrittskoalition bezeichnen. Tatsächlich erweisen Sie sich bei näherem Hinschauen nämlich als eine Agoniekoalition. Was erleben wir da? Woran machen wir das fest? Wir schauen unter den Mantel der manchmal vorgeblichen Liberalität und stellen dort doch eine ganz große Portionen Ideologie fest. Ich will einige Beispiele liefern: Wir hatten es Anfang des Jahres mit einer sich auftürmenden Coronawelle zu tun, und entgegen allen Warnungen der zuständigen Fachminister auf Bundes- und Landesebene entscheidet sich diese Bundesregierung – im Übrigen maßgeblich getrieben durch den FDP-Justizminister – ({0}) dafür, das Infektionsschutzgesetz außer Kraft zu setzen und die Bundesländer und Kommunen im Stich zu lassen. Das Ganze setzt sich fort bei der aus meiner Sicht unverantwortlichen Nichtpositionierung der Bundesregierung zur Impfpflicht. Sie haben damit dieses Thema tatsächlich umfangreich diskreditiert und das Vertrauen in die Politik nachhaltig zerstört. ({1}) Wir als Union lassen Ihnen das nicht durchgehen. ({2}) Ethisch wichtige und ernsthaft zu führende Debatten wie beispielsweise die um § 219a StGB werden von Mitgliedern der FDP-Bundestagsfraktion mit skurrilen, ja geradezu albernen Tanzeinlagen in Social-Media-Kanälen umrahmt. Meine Damen und Herren, das ist der Ernsthaftigkeit des Themas nicht angemessen. ({3}) Wir haben uns heute mehrfach über das Thema „sexuelle Gewalt gegen Kinder“ unterhalten. Wir als Union wollen jeden effektiven, machbaren und wirksamen Ansatz der Strafverfolgung realisiert wissen. Für uns ist das Thema Vorratsdatenspeicherung kein leicht zu lösendes, aber eines, das man angehen kann. Und ich halte es für unverantwortlich, wenn der FDP-Justizminister mal eben so im Vorbeigehen von einem „juristischen Zombie“ spricht. Das zeigt: Er hat das Thema nicht verstanden. ({4}) Meine Damen und Herren, es ist auch nicht schlüssig, hier mit dem Verweis auf vermeintliche Grundrechte anderer den Schwächsten der Gesellschaft den Schutz zu verweigern, wenn beispielsweise die FDP nicht erst in dieser Legislaturperiode, sondern schon in der letzten eine Inhaltskontrolle von Kommunikation über Messengerkanäle wollte. Das kriegen Sie nicht unter ein und denselben Hut. Mit der Union ist das nicht zu machen. Es ist ein sehr willkürliches Grundrechtsverständnis. ({5}) Wo wir gerade bei den Grundrechten sind: Sehr geehrter Herr Kollege Wiese, ich spreche das Thema mal an. Sie haben hier versucht, das Thema „Kinderrechte im Grundgesetz“ zu instrumentalisieren. Wir können ja mal bei anderer Gelegenheit Folgendes besprechen: Wie hätten sich die von Ihnen vorgeschlagenen Kinderrechtsformulierungen im Grundgesetz auf die Verfolgung oder die Ermittlungen in den Fällen Tauss und Edathy ausgewirkt? Eine spannende Frage! ({6}) Meine Damen und Herren, vom Gestaltungswillen der Bundesregierung in wichtigen rechtspolitischen Fragen ist nichts zu sehen. Die wichtigen Fragen, die die Menschen interessieren, sind von der Union angestoßen worden. Ich will Ihnen einige wenige Beispiele nennen – Sie können das für sich mal überprüfen –: Betrug mit gefälschten Impfpässen. Es war eine Initiative der Unionsbundestagsfraktion, die Sie dazu brachte, das Ganze ebenfalls verfolgt zu sehen. ({7}) Wir haben dadurch eine Novelle des Strafgesetzbuches bewirkt. ({8}) Wir haben das Thema „§ 64 des Strafgesetzbuches“ auf die Tagesordnung gerufen und im Gegensatz zu Ihnen mit konkreten Vorschlägen untermauert. Sie haben sich verweigert. Meine Damen und Herren, Sie zeichnen sich in dieser Koalition durch Verschleppen und Blockade aus, und das betrifft eben auch das Thema der Sanktionsschärfe. Wir haben vor wenigen Tagen hier im Haus eine sehr eindrückliche Anhörung durchgeführt. Diese Anhörung hat für die Maßnahmen, die die Koalition vorgeschlagen hat, die nicht weitgehend genug waren, ein desaströses Ergebnis erzielt; Sie wissen das selber. Ihre eigenen Sachverständigen haben Ihnen, dem ganzen Haus, der Öffentlichkeit attestiert: Das, was Sie vorschlagen, reicht nicht. Das haben Sie in der anschließenden Debatte noch mal besonders untermalt. Es war ein Kollege der Grünen, der sagte: Wir haben ein genaues Auge auf die Villen der Oligarchen. – Bemerkenswerterweise gibt sich die Kollegin Bayram Mühe, immer zu gendern; Sie haben auch in Ihrer Rede gegendert. Sie gendern „Oligarchen“ nicht – merkwürdig! Aber das ist nur eine Randnotiz. Vielleicht üben Sie es demnächst noch. ({9}) Ihr Fraktionskollege hat gesagt: Wir haben ein genaues Auge auf die Villen und auf die Gemälde. Prima; aber das reicht nicht. Die Oligarch/-innen haben auch ein genaues Auge auf ihre eigenen Gemälde. ({10}) Wir müssen dazu kommen, dass wir es ihnen entreißen, dass wir das dem geschändeten ukrainischen Volk zuwenden, und dazu sind Sie nicht in der Lage. ({11}) Die vorgelegten Vorschläge haben sie nicht nur ignoriert, die haben sie ({12}) abgelehnt, und genau das ist Ihr Problem. Deswegen hinken wir beispielsweise in Deutschland Italien so sehr in der Effektivität hinterher. (Beifall bei der CDU/CSU] Meine Damen und Herren, ich will diese Haushaltsdebatte mit folgendem Wort zusammenfassen und deswegen auch wieder an den Anfang meiner Rede kommen. Es gibt einen bemerkenswerten Unterschied zwischen der Koalition und der Union: Für Sie reicht das Erzählte, und für uns zählt das Erreichte. ({13}) Denn nur das ist ein sorgfältiges und gutes Fundament für die Rechtspolitik. ({14})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der letzte Redner in der Debatte: Macit Karaahmetoğlu, SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP

Macit Karaahmetoğlu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005096, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute mit den Einzelplänen 07 und 19 nichts weniger als die haushalterischen Grundlagen unseres Rechtsstaates. In diesem kleinen, aber bedeutsamen Teiletat des Bundeshauhalts sind – wir haben es bereits gehört – vor allem die Personalausstattungen aller wichtigen Rechtsinstitutionen geregelt. Diese vielfältige Justizlandschaft sichert die Rechtsstaatlichkeit in unserem Land. Sie ist Voraussetzung für Gerechtigkeit, sozialen Frieden und ein stabiles demokratisches System. Wir brauchen einen funktionierenden Rechtsstaat und verteidigen ihn, wo es notwendig ist. ({0}) Denn was mit dem Rechtsstaat passieren kann, wenn die politische Macht in falsche Hände gerät, sieht man vielerorts, ({1}) zum Beispiel in meinem Geburtsland, der Türkei. Dort befindet sich die Rechtsstaatlichkeit seit vielen Jahren in freiem Fall. Präsident Erdogan hat die Gewaltenteilung quasi abgeschafft und die Justiz der Exekutive unterworfen. Rechtsanwälte werden zu Feinden, Richter zu Spielzeugen des Präsidialsystems. ({2}) In Deutschland gibt es zum Glück einen gefestigten und funktionierenden Rechtsstaat mit unabhängiger Justiz. Aber auch hier ist dieser Zustand keine Selbstverständlichkeit. In den vergangenen Jahren sind die Kräfte stärker geworden, die unserem Rechtsstaat, unserer Demokratie und unserer Verfassung feindselig gegenüberstehen. ({3}) Teilweise haben es diese Kräfte in die Parlamente geschafft – unsere starke Demokratie macht dies möglich und kann es auch aushalten –, und dort, in den Parlamenten, wird dann fleißig an den Stuhlbeinen unseres Rechtsstaates gesägt. Die wortführenden Personen sprechen es nicht immer offen aus, am Stammtisch und in Chaträumen sehr wohl. Da gibt es Umsturzfantasien und den Wunsch nach einem völlig anderen Staatswesen. Die Strategie ist deutlich: Das Vertrauen in unseren Rechtsstaat erschüttern, wo es nur geht. ({4}) Bei der ersten Lesung dieses Einzelplans im März hatte ein Mitparlamentarier der AfD, Herr Jacobi, keine klügere Idee, als die Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaates mithilfe eines fragwürdigen Mafiafilm-Zitats zu diskreditieren. ({5}) Bezug nehmend auf den Film „Der Pate“ schilderte er, wie Mafiosi die Entscheidung eines Gerichts nicht hinnehmen und – Zitat – „auf anderem Wege Genugtuung für geschehenes Unrecht“ – Zitat Ende – erwirken wollen. ({6}) Für ein solches Verhalten machte er im Folgenden das angeblich mangelnde Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat verantwortlich. Die AfD meint also: Wenn Urteile von Gerichten nicht dem Wunsch bestimmter Leute entsprechen, darf man sich über Selbstjustiz nicht wundern. Meine Damen und Herren, man kann ja ein Fan alter Mafiafilme sein; aber eine solche Argumentation ist gefährlich und völlig fehl am Platze. ({7}) Zwei persönliche Anmerkungen. Unterstellungen gegenüber der deutschen Justiz, sie sei nicht unabhängig, sind auch ein Affront gegenüber den Richterinnen und Richtern in unserem Land. Ich erinnere mich an den Fall der getöteten Tuğçe Albayrak, bei dem ich die Familie des Opfers als Anwalt vertreten habe: Es hagelte schon vor Prozessbeginn Vorverurteilungen in den Medien und auch von namhaften Politikern. Der Vorsitzende Richter hat damals bei der Urteilsverkündung sehr selbstbewusst deutlich gemacht, dass eine solche verbale Einmischung problematisch ist. Eine Richterin aus Hessen berichtete mir zudem neulich, dass sie aufgrund von Personalmangel öfter als üblich bei organisatorischen Tätigkeiten einspringen müsse, die sonst nicht zu ihren Aufgaben gehörten. Es sei ihr aber wichtig, mit aller Kraft dem Rechtsstaat zu dienen. Wir müssen dieses Selbstbewusstsein einer unabhängig agierenden Justiz und ihr großes Pflichtbewusstsein unterstützen. Damit bin ich beim konkreten Haushaltsentwurf. Wir müssen unsere rechtsstaatlichen Institutionen stärken und entsprechend ausstatten. Dafür haben wir in den Einzelplänen 07 und 19 die nötigen Gelder und Stellen eingepflegt. Ins Auge fällt natürlich die massive Stärkung des Generalbundesanwalts – das wurde heute mehrfach erwähnt –, womit wir uns auch auf die Notwendigkeit vorbereiten, in der Ukraine geschehene Kriegsverbrechen zu verfolgen. Wir erhöhen die Mittel zur Bekämpfung von Hass und Hetze im Netz, ein Anliegen, das mir persönlich sehr am Herzen liegt. Ich habe es in vergangenen Reden betont: Das Internet darf kein rechtsfreier Raum sein. Dafür ist es richtig, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz weiter zu verbessern und zu konkretisieren. Genau das schreiben wir mit diesem Haushalt fort. ({8}) Zusammengefasst: Dieser Einzelplan Justiz ist Ausdruck davon, dass diese Koalition sich den wichtigen Herausforderungen unserer Zeit widmet und für Recht und Sicherheit in Deutschland und in der Welt eintritt. Werte Kolleginnen und Kollegen, unser Rechtsstaat ist stark und wehrhaft. Wir werden niemandem erlauben, ihn zu schwächen, sondern weiter dafür kämpfen, dass er noch stärker und noch wehrhafter wird. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({9})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Abgeordneten Jacobi.

Fabian Jacobi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004767, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank. – Herr Kollege, Sie haben mich in Ihrem Wortbeitrag jetzt dezidiert ganz persönlich angesprochen, unter ganz konkretem Bezug auf eine Rede, die ich bereits vor einigen Tagen hier gehalten habe. Das, was Sie eben behauptet haben, was Inhalt meiner Rede gewesen sei, war das definitiv nicht. Sie können das in der Bild/Ton-Aufzeichnung auf der Internetseite des Bundestages nachvollziehen. Sie können sogar ins Plenarprotokoll sehen und nachlesen, was ich gesagt habe. Das, was Sie mir eben in den Mund gelegt haben, habe ich nachweislich in keiner möglichen Auslegung meiner Worte gesagt. Ich weiß nicht, wer Ihnen das aufgeschrieben hat, was Sie hier eben vorgetragen haben. Aber das ist etwas – dafür sollte man sich schämen, wenn Sie mir hier Dinge, die ich nachweislich definitiv nicht gesagt habe, vor laufenden Kameras und vor dem Publikum in den Mund legen. Ich bitte Sie sehr höflich und sehr eindringlich, das in Zukunft zu unterlassen. Ihre Entschuldigung nehme ich natürlich gerne an. Vielen Dank. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Sie haben die Möglichkeit, darauf zu antworten.

Macit Karaahmetoğlu (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005096, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Jacobi, ich habe das Protokoll gelesen. Möglicherweise haben Sie ein schlechtes Gedächtnis. Daran kann ich leider nichts ändern. Aber die Tatsache ist doch, dass Sie die Dinge immer wieder auf den Kopf stellen: Verbrecher werden Ihre Helden, und Menschen, die für unseren Rechtsstaat arbeiten – Richterinnen und Richter, unsere Polizistinnen und Polizisten –, werden von Ihnen diskreditiert. ({0}) Wissen Sie, Ihr Verhalten hier im Plenum, aber auch in den Ausschüssen und in der Öffentlichkeit erinnert mich an einen Witz, den viele von Ihnen vielleicht schon kennen: Da fährt jemand auf der Autobahn, hört Verkehrsfunk, und dann wird gesagt: Da kommt Ihnen ein Falschfahrer entgegen. Und der sagt dann: Was, einer? Das sind ja Hunderte. So verhalten Sie sich. Sie sind der Geisterfahrer in dieser Gesellschaft. Akzeptieren Sie das endlich! Sie schaden unserer Gesellschaft. Das ist das, was Sie zur Kenntnis nehmen müssen. ({1})

Prof. Dr. Helge Braun (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003510, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Deutschland hat eines der besten Gesundheitsversorgungssysteme der Welt; darauf können wir sehr stolz und darüber können wir auch sehr froh sein. Dass wir ein so gutes Gesundheitssystem haben, verdanken wir den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Gesundheitsberufen – sie sind das Rückgrat –: Ärzte, Pflegende, Mitarbeitende in medizinischen Heilberufen, im Rettungsdienst und viele andere. Der Bundeshaushalt hat auch die Aufgabe, das Gesundheitssystem zukunftsfest zu machen. Vor uns liegt ein Bundeshaushalt mit historischen Ausgaben für den Bereich Gesundheit. Aber es ist ein Haushalt, der eigentlich alle wesentlichen Zukunftsfragen unseres Gesundheitssystems unbeantwortet lässt. Er enthält nach wie vor hohe Ausgaben für die Bewältigung der Coronapandemie sowie hohe abstrakte Zuschüsse für den Bereich der GKV und der Pflege. Aber die eigentlichen Reformprojekte – gerade das vom Bundesgesundheitsminister angekündigte GKV-Stabilisierungsgesetz – liegen noch nicht vor. Auch die mittelfristige Finanzplanung des Finanzministers gibt den Mitarbeitenden im Gesundheitssystem nicht einen einzigen Hinweis darauf, wohin die Fahrt eigentlich geht. Wenn man in die mittelfristige Finanzplanung schaut, dann muss man sich eher Sorgen machen, weil der Finanzminister offenkundig davon ausgeht, dass wir im nächsten Jahr wieder eine Situation haben wie 2019: keine Kosten für die Pandemie, keine zusätzlichen Kosten für die Stabilisierung der Pflege oder der Krankenversicherung, sondern einen Status quo ante. Jeder weiß: Das wird nicht passieren. Das heißt, dieser Einzelplan birgt ein großes Risiko für die Finanzierung der kommenden Jahre, und er lässt die Zukunftsperspektive für Patienten, Versicherte und auch für die Mitarbeitenden in dem gesamten Gesundheitssystem völlig offen. ({0}) Reden wir zum Beispiel über die gesetzliche Krankenversicherung. Der GKV-Spitzenverband geht davon aus, dass wir im kommenden Jahr eine Finanzierungslücke von 17 Milliarden Euro haben werden. Wenn man es über eine Beitragserhöhung abwickeln würde, entspräche das einer Zunahme von einem ganzen Prozentpunkt. Das Reformgesetz haben wir bis heute nicht. Bereits in diesem Jahr gibt es in der gesetzlichen Pflegeversicherung eine Finanzierungslücke von rund 3,6 Milliarden Euro. Das, was hier im Haushalt abgebildet ist, sind rund zwei Drittel davon: der gesetzliche Zuschuss plus 1,2 Milliarden Euro zusätzlich, mehr aber auch nicht. Das heißt, noch in diesem Jahr besteht im Bereich der Pflegeversicherung Handlungsbedarf. ({1}) Ganz besonders große Sorgen mache ich mir, ehrlich gesagt, um die Krankenhausfinanzierung. Ich habe das mehrfach gesagt: Es ist richtig, dass die Ausgleichszahlungen auslaufen. Aber das Grundproblem ist, dass die Länder seit Jahren nicht genug in die Krankenhäuser investieren und der Kostendruck des DRG-Systems zu einer dauerhaften Unterfinanzierung unseres Krankenhaussystems führt. Die Konsequenz ist die hohe Arbeitsbelastung des Personals und auch, dass moderne Ausstattung fehlt. Die alte Regierungskoalition hatte mit dem „Zukunftsprogramm Krankenhäuser“ mit 3 Milliarden Euro einen Startschuss zur Verbesserung der Situation gegeben. Sie könnten jetzt auch was anderes machen; Sie müssen nicht dieses Programm fortführen. Aber wenn ich in diesen Haushalt schaue: null Euro für dieses Programm und auch kein alternatives Konzept für die Zukunft der Krankenhausfinanzierung, was wir dringend gebraucht hätten. ({2}) Während wir hier sind, diskutieren die Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler über die Frage, wie wir uns mit Blick auf die Pandemie auf den Herbst vorbereiten. Wenn man in diesen Haushalt schaut, stellt man fest, dass viele Finanzierungstatbestände – zum Beispiel für Tests – zur Jahresmitte auslaufen. Die Alternative dazu könnte sein, dass wir in diesem Haushalt eine Vorstellung finden, wie wir uns in Zukunft besser auf Pandemien und anderes vorbereiten. Auch die Weiterentwicklung des Robert-Koch-Institutes, das ein 100-Seiten-Konzept aufgestellt hat, wie es sich die Zukunft des Instituts vorstellt, ist weder finanziell noch personell in diesem Haushalt abgebildet. Das heißt, eine grundsätzliche Reform des öffentlichen Gesundheitsdienstes findet sich im Haushalt genauso wenig wieder wie zum Beispiel auch eine Weiter- und Dauerfinanzierung der Notreserve Schutzausrüstung. Dafür sind im Haushalt genau null Euro vorgesehen. Das, was jetzt vorhanden ist, wird dadurch, dass Verwendungszeiträume ablaufen, entwertet. Eine Nachfinanzierung ist nicht vorgesehen. Das heißt auch: Unsere nationale Reserve wird irgendwann verschwinden. Ein Konzept für die Zukunft, wie wir es in Anträgen zum Haushalt gefordert haben, gibt es nicht. Genauso gibt es keine Antwort auf die Frage, wie wir zukünftig beim Impfen etwas effektiver werden. Es gibt im Deutschen Bundestag eine breite Mehrheit, die bereit wäre, ein Impfregister einzuführen. Wir wissen, dass es nicht nur eine Frage der Pandemievorsorge ist; vielmehr besagt die Stellungnahme des Ethikrats, dass ein Impfregister für die Impfsurveillance in unserem Land, für die effektive Datennutzung, für die Verbesserung des Gesundheitssystems und der gesundheitlichen Versorgungslage der Bevölkerung insgesamt sinnvoll ist. Wir haben angeregt, dass wir hierfür eine Finanzierung bereitstellen. Die Koalition hat das abgelehnt. Der Gesundheitsminister stellt dazu Fragen, statt Konzepte und Antworten zu liefern. Deshalb muss ich sagen: Für die Beschäftigten, für die Versicherten, aber auch für die Patientinnen und Patienten liefert dieser Haushalt keine Zukunftsperspektive. Deshalb können wir ihm in der vorliegenden Form auch nicht zustimmen. ({3})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die Bundesregierung erteile ich das Wort dem Bundesminister für Gesundheit, Dr. Karl Lauterbach. ({0})

Prof. Dr. Karl Lauterbach (Minister:in)

Politiker ID: 11003797

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal: Das ist ein Haushalt der Krise: der Pandemiekrise, der Krisen im Gesundheitssystem. Auf der anderen Seite müssen wir es aber auch einordnen. Eine echte Gesundheitspolitik in der Krise durchlebt derzeit mein Kollege Ljaschko in der Ukraine. Daher von hier aus meine Grüße und meine Zusicherung an ihn: Wir werden ihn unterstützen bei der Beschaffung von Prothesen für die vielen Menschen in der Ukraine, auch Kinder, die Gliedmaßen verloren haben. Wir werden helfen, Traumazentren und Brandversorgungszentren aufzubauen. Wir werden alles tun, was wir können, um die Ukraine zu unterstützen, damit das Morden an Kindern, an unschuldigen Menschen dort endet. Wir werden alles tun, damit dieser Krieg, dieses furchtbare Elend, für die Ukraine siegreich beendet werden kann. ({0}) Mit 64 Milliarden Euro ist das der größte Haushalt, den wir je für das Bundesgesundheitsministerium eingebracht haben, und der zweitgrößte Haushalt aller Ministerien. Es ist ein Haushalt, der auf der einen Seite Pandemiekosten abdeckt, auf der anderen Seite aber auch in die Zukunft blickt. Wir haben derzeit eine schwierige Stimmung, die sich im Prinzip durch drei unterschiedliche Blickwinkel beschreiben lässt: Auf der einen Seite haben wir die derjenigen, die glauben: Die Pandemie ist vorbei. Wir können zur Normalität zurückkehren; die Pandemie hat stattgefunden. Wir können dort weitermachen, wo wir 2019 waren. Dann gibt es diejenigen, die unsicher sind, die sehen: Da können noch andere Varianten kommen. Wir wissen nicht, wie gut die Impfstoffe wirken werden. Wir wissen nicht, ob wir eine Omikron-Variante bekommen werden, was wir bekommen werden. – Sie sehen also Unsicherheiten. Die dritte Gruppe sind diejenigen, die glauben, wir werden Probleme haben, die besorgt sind, die zum Beispiel nach Südafrika schauen und dort die BA.4-/BA.5-Welle sehen, die die BA.5-Welle in Portugal sehen, die sehen, dass bei uns die Inzidenz nicht mehr so zuverlässig zurückgeht wie in der Vergangenheit, und die auch sehen, dass wir weiterhin 50 bis 100 Tote pro Tag haben. Wir müssen diese drei Gruppen zusammenführen. Was alle drei Gruppen betrifft – das zu tun, ist unsere Pflicht; da müssen wir ansetzen –: Wir dürfen nicht erneut, wie im letzten Herbst, unvorbereitet in die Krise gehen. Wir müssen gut vorbereitet sein. ({1}) Etwas anderes können wir uns nicht leisten. Ein weiterer Herbst, in dem wir unvorbereitet sind, wäre nicht vertretbar. ({2}) Wir werden daher sechs Dinge tun: Wir werden zum Ersten ein Impfkonzept haben, und dieses Impfkonzept wird vorsehen, dass wir für alle Varianten, die kommen können, den richtigen Impfstoff haben. ({3}) Wir werden Wuhan-Impfstoff haben, wir werden Omikron-Impfstoff haben, und wir werden kombinierten Impfstoff haben. Wir wissen, dass im Herbst alle den besten Impfstoff haben wollen. Es wird niemanden geben, der dann sagt: Ich nehme den zweitbesten oder den drittbesten Impfstoff. ({4}) Das heißt, wir werden so viel Impfstoff beschaffen, dass wir alle in den drei Gruppen bedienen können. Das wird auch dazu führen, dass wir Impfstoff vernichten müssen. Aber so sind wir abgesichert für alle Möglichkeiten, und das ist das, was die Bevölkerung wünscht. ({5}) Zum Zweiten. Wir werden eine Teststrategie haben, die darauf hinausläuft, dass wir nicht nur testen, um die Pandemie zu beobachten, sondern das Testen wird auch ein Bestandteil zur Reduktion der Anzahl der Fälle sein. Zum Dritten. Wir werden eine Behandlungsstrategie haben, mit der wir die Medikamente, die wirken, zum Beispiel Paxlovid, schneller zu den Patienten bringen. Wir haben die Medikamente derzeit, nutzen sie aber nicht so, wie sie genutzt werden könnten. Das heißt, wir werden zum Vierten ein Behandlungskonzept aufbauen. Wir werden die vulnerablen Gruppen deutlich besser schützen, insbesondere in den Pflegeeinrichtungen, aber auch die Immunsupprimierten. Wir werden zum Fünften ein neues Infektionsschutzgesetz vorlegen. In der Ministerpräsidentenkonferenz werden wir nachher darüber noch einmal zu diskutieren haben. Daran werde ich nach dieser Sitzung teilnehmen. Zum Sechsten. Wir werden darüber hinaus auch bessere Daten haben. Wir werden tagesgenaue Daten zu den freien Betten auf den Intensivstationen, auf den peripheren Stationen und zu den Covid-Patienten auf diesen Stationen haben. Wir werden eine präzisere Anbindung des sogenannten DEMIS an das Robert-Koch-Institut haben, sodass wir eine viel bessere Datenübersicht haben werden, als wir sie vorher hatten. ({6}) Ich komme jetzt zu den Punkten, die wir zu tun haben und die ja zu Recht, Herr Braun, angemahnt worden sind. Zum Ersten. Es ist in der Tat richtig, dass wir ein Defizit von 17 Milliarden Euro haben. Sie haben es eben nicht erwähnt, dass das ein Defizit ist, das ich von meinem Vorgänger geerbt habe. Die Ausgaben sind ja in den vier Jahren meines Vorgängers um 45 Milliarden Euro pro Jahr pandemiebereinigt gestiegen. Somit habe ich ein großes Defizit geerbt. Ich bitte einfach um Verständnis: Ich lasse mich da nicht drängen. Ich will dieses historische Defizit beseitigen, ohne dass ich Leistungen kürzen werde. ({7}) Daher dauert das etwas; aber das haben Olaf Scholz und ich zugesagt: Es wird nicht zu Leistungskürzungen kommen, und trotzdem werden wir dieses Defizit ausgleichen. ({8}) Zum Zweiten. Sie haben die Krankenhausreform angesprochen. Die Krankenhausreform hat begonnen. Die Expertenkommission „Krankenhausreform“ hat die Arbeit aufgenommen. Das Erste, was wir machen, sind die Herausnahme der Kinderheilkunde und der Geburtshilfe aus dem DRG-System und eine bessere Notfallversorgung. Alle drei Bereiche werden abgearbeitet. Ich nehme an den Sitzungen selbst teil. Wir werden in der Expertenkommission in den nächsten Wochen Vorschläge dazu machen. Noch vor der Sommerpause werden wir auch die Beratungen im Gesundheitsministerium einleiten. Die Fraktionen werden daran von Anfang an beteiligt, aber auch die Länder, sodass wir ein Reißverschlusssystem haben: immer neue Ratschläge und dann politische Bearbeitung mit diesen drei Bänken. Wir werden Sie auf dem Laufenden halten; Sie werden da viel erwarten können. Wir lassen die Krankenhausreform nicht liegen. Sie haben recht, dass in der letzten Legislaturperiode über die Notwendigkeit einer Krankenhausreform gesprochen worden ist. Aber was kann ich mir von diesen Gesprächen kaufen? Was helfen mir Gespräche? Ich kann nur so viel sagen – einfach ausgedrückt –: Was die Krankenhausreform angeht – das war ja auch bei der Krankenhausstrukturreform 2015 so –, bin ich, ehrlich gesagt, eher ein Mann der Tat als der großen Worte. ({9}) Somit: Wir werden dort einiges sehen. Verlassen Sie sich auf meine Worte! ({10}) Zum Dritten. Wir werden auch etwas für die unterversorgten Gebiete machen. Wir haben in der Pandemie gesehen, dass in den sozialen Brennpunkten die meisten Sterbefälle, die vermeidbar gewesen wären, aufgetreten sind. Wir haben dort erhebliche Probleme gehabt. Ich möchte einfach ein Konzept aufbauen, mit dem wir in den unterversorgten Gebieten aktiv werden, ({11}) und zwar indem wir mit Gesundheitskiosken, wo Menschen Sprachbarrieren überwinden, wo man sich informieren und Termine besorgen kann, niederschwellige Angebote machen und einen Ort schaffen, wo man auflaufen kann. Wir werden mit der Community Health Nurse auch einen neuen Heilberuf einbringen. Dort werden wir also eine Struktur aufbauen, die eine Andockstelle für diejenigen ist, die Sprachbarrieren haben, die Einkommensbarrieren haben, die aber unserer Hilfe bedürfen. Das wird eine Priorität sein. Dazu werde ich noch vor der Sommerpause einen Vorschlag vorlegen. ({12}) Und schließlich: Wir werden ein Pflegeentlastungsgesetz machen. Der Grundgedanke ist der: Der Pflegenotstand – wir reden ja immer darüber – muss beseitigt werden. Ein Instrument ist das Folgende: Wir werden den Pflegebedarf messen, wahrscheinlich mit dem Instrument PPR 2.0 – das ist ein Bedarfsinstrument –; damit können wir den Pflegebedarf abschätzen. Das können wir dann mit der Pflege vergleichen, die bezahlt wird, und wir wissen ja, dass die Pflege nach dem Selbstkostendeckungsprinzip – in der letzten Legislaturperiode eingeführt – finanziert wird. ({13}) Wir wissen, wer pflegt, und wir kennen die Bedarfe. Aus der Diskrepanz, die sich da ergibt, können wir dann die Überlastung der einzelnen Abteilungen und Krankenhäuser ableiten, und daraus können wir dann auch entsprechende Schlüsse ziehen, wie es weitergeht. Es kann zum Beispiel darauf hinauslaufen, dass wir das für die Krankenhausplanung nutzen. Es kann aber auch darauf hinauslaufen, dass bestimmte Abteilungen bestimmte Leistungen nicht mehr erbringen können, weil das nur zulasten des Pflegepersonals bzw. mit Qualitätseinschränkungen möglich ist. Wir überlegen uns etwas, natürlich gemeinsam mit der Expertenkommission, wie wir Pflegeentlastung – das ist für uns kein Schlagwort – konkret umsetzen. Auch daran wird noch vor der Sommerpause gearbeitet. ({14}) Ich habe es ja eben schon gesagt: Wir haben diesen Riesenhaushalt. Ich habe den immer wieder vorgetragen, und wir haben lange miteinander diskutiert. Lassen Sie mich an dieser Stelle ausdrücklich sagen: Die Art und Weise, wie diese Diskussion gelaufen ist, war sehr kollegial. Daher mein Dank an alle staatstragenden Parteien hier im Haus. Das war eine sehr gute Diskussion. Ich habe es Ihnen nicht immer leicht gemacht – und umgekehrt. Aber das hat uns wirklich weitergebracht. Da haben wir gegenseitig gelernt. Vielen Dank an die Haushälter. Ich freue mich auf die nächsten Runden. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({15})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Ich erteile das Wort dem Kollegen Martin Sichert, AfD-Fraktion. ({0})

Martin Sichert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004892, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lauterbach, mit Ihrer Politik treiben Sie viele Menschen in die Verzweiflung. Tausende sterben, weil sie keinen Termin beim Facharzt bekommen. ({0}) Anstatt sich um die Gesundheitsversorgung zu kümmern, tingeln Sie lieber von Talkshow zu Talkshow oder treten als Stand-up-Comedian bei Amazon auf. Ich freue mich für Sie, wenn Sie darin Ihre Berufung sehen. Aber seien Sie dann doch bitte konsequent, und legen Sie das Amt des Gesundheitsministers endlich nieder! ({1}) Dieser Haushalt ist kein Haushalt für Gesundheit, sondern ein Pharma- und Lobbyistenhaushalt. ({2}) Mit diesem Haushalt werden einige Protagonisten im Gesundheitswesen auf Kosten der Bürger richtig reich. Beispielsweise gibt die Regierung allein wegen § 21 Krankenhausfinanzierungsgesetz 4,6 Milliarden Euro aus. Das ist der Paragraf, dank dem Krankenhäuser umso mehr Geld bekommen, je weniger Intensivbetten sie als verfügbar melden. Bundesrechnungshof und RKI haben letztes Jahr schon davor gewarnt, dass diese Regelung Krankenhäuser zum Betrug verführt. Die Regierung ignoriert das; denn so kann sie weiter Milliarden an jene verteilen, die helfen, Panik zu verbreiten. ({3}) Die Ampel agiert wie ein absolutistischer Herrscher aus dem Mittelalter: Steuergeld wird an willfährige Vasallen verteilt, der Nutzen der Bürger spielt für sie keine Rolle. – Wo die Prioritäten der Regierung liegen, kann man daran erkennen, dass der Gesundheitsminister mehrfach im Haushaltsausschuss, aber nur ein einziges Mal im Gesundheitsausschuss anwesend war, nämlich als es – o Wunder! – um den Haushalt ging. Herr Lauterbach, Ihr Job ist nicht, Geld für Lobbyisten zu beschaffen, sondern sich um elementare Probleme der Gesundheitsversorgung zu kümmern. Sie geben dieses Jahr 50 Milliarden Euro mehr aus als 2019, haben aber nicht einmal ein paar Millionen für eine vernünftige Evaluierung übrig – weil Sie die Evaluierung fürchten. Dass durch die Coronamaßnahmen nachweislich Millionen Menschen psychisch erkrankt sind, ignorieren Sie. ({4}) Psychisch Erkrankte mussten schon vor Corona monatelang auf Behandlungstermine warten. Inzwischen bekommen viele, wenn überhaupt, erst nach einem halben Jahr einen Termin bei einem Therapeuten. Sie, Herr Lauterbach, tun nichts, um die Wartezeit bei Fachärzten zu reduzieren, genauso wie Sie nichts tun, um den Pflegemangel zu beseitigen; und nichts für eine bessere ärztliche Versorgung auf dem Land. Wir von der AfD sind dagegen, Abermilliarden zu verschwenden, damit einige richtig absahnen können, insbesondere da Millionen Bürger aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten überhaupt nicht mehr wissen, wie sie ihr tägliches Leben finanzieren können. Für die 50 Milliarden Euro, die man hier für die Lobbyisten und die Pharmaindustrie ausgibt, könnte man beispielsweise den Bürgern und Unternehmen sechs Jahre lang sämtliche Rundfunkgebühren erlassen. ({5}) Wir werden diesen Haushalt für Pharmaindustrie und Lobbyisten ablehnen. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die Abgeordnete Dr. Paula Piechotta das Wort. ({0})

Dr. Paula Piechotta (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005180, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Patientinnen und Patienten sowie Beschäftigte im Gesundheitswesen in diesem Land! Lieber Helge Braun, ich schätze die Zusammenarbeit mit Ihnen wirklich sehr. Ich habe genau diese Frage, nämlich wie es mit der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung eigentlich weitergehen soll, im Wahlkampf immer wieder gestellt, wenn ich zusammen mit meinem CDU-Kollegen in Sachsen, Marco Wanderwitz, auf der Bühne stand. Da kam als Antwort von ihm immer: Nach Corona wird es ein riesengroßes Wirtschaftswachstum geben. Dann ist alles geklärt. Alle Sozialversicherungen werden dann wieder super solide finanziert sein. Heute Morgen war ich bei der Jahrestagung des Verbands der Privaten Krankenversicherung, genauso wie Mario Czaja. Mario Czaja sagte: Jetzt gleich kommen die Grünen, die Grünen, die immer nur die Krise sehen, die Grünen, die immer Schwarzmalerei für die Zukunft betreiben. – Ganz ehrlich: Dass man uns heutzutage, wo sich diese Voraussage bezüglich der GKV-Finanzen nicht als richtig erwiesen hat, immer noch vorwirft, wir seien nicht realistisch, aber selber nicht erkennt, dass man eine rosarote Brille trägt, was die solide Vorsorge für eine gute GKV-Finanzierung anbetrifft, kann ich nicht verstehen. ({0}) Ich frage mich, wie lange Sie noch in der Opposition sitzen müssen, damit man Ihnen die Sozialversicherungssysteme überhaupt wieder anvertrauen kann. ({1}) Zurück zum Thema. Was sind denn in diesen Tagen die Schlagzeilen im Bereich Gesundheitswesen? 10 000 unbesetzte Pflegestellen, aber auch die Tatsache, dass sich viele jetzt, wo sie viele Kollegen im Gesundheitswesen verloren haben, fragen, wie lange sie es noch mit sich machen lassen, drei von vier Wochenenden jeden Monat Dienst zu schrubben. – Das sind die Schlagzeilen. Aber auch diesen Montag im Amtsgericht Freiburg: Da stand ein 20‑Jähriger vor Gericht, der letzten August, einen Monat vor der Bundestagswahl, bei der Kassenärztlichen Vereinigung vor Ort 5,7 Millionen Euro für Coronatests geltend gemacht hat, die er im ersten Halbjahr 2021 durchgeführt haben wollte. Er hatte das Testzentrum angemeldet und, ohne dass er jemals Tests gemacht hat, Kosten bei der Kassenärztlichen Vereinigung geltend gemacht. Diese hat das durchgewunken, und das Bundesamt für Soziale Sicherung hat das ausgezahlt. Erst die Bank, die den Eingang von 5,7 Millionen Euro gesehen hat, hat Verdacht geschöpft und das gemeldet. Und dieser Mann wurde jetzt verurteilt. Aber was fällt heute der Kassenärztlichen Vereinigung dazu ein? Die sagt, sie sei ja keine Ermittlungsbehörde. Es ginge ja eher darum, viele Tests in die Fläche zu bringen, als ordentlich zu kontrollieren. ({2}) Da müssen wir als Haushälter ran, nicht nur, weil das Geld ist, das an anderer Stelle fehlt, sondern auch, weil das den Menschen in unserem Land, den Patientinnen und Patienten das Gefühlt gibt: Es ist noch und nöcher Geld im Gesundheitswesen da, nur für die falschen Dinge. ({3}) Deswegen bin ich meinen Mithaushälterinnen und Mithaushältern Svenja Stadler und Karsten Klein sehr dankbar, dass wir unter anderem die Maßgabe auf den Weg bringen konnten, dass genau für diese Coronatestzentren die Finanzierung im zweiten Halbjahr deutlich anders aufgestellt wird, nicht nur, aber auch mit einer deutlich relevanteren Beteiligung der Länder. Was haben wir noch gemacht? Wir haben dem Bundesgesundheitsministerium mitgegeben, dass wir ein Prognosetool etablieren wollen, damit wir besser als bislang abschätzen können, was die tatsächlichen Covid-Impfstoffbedarfe sind, damit wir weder noch einmal in die Über- noch in die Unterversorgung kommen, weil auch das Geld ist, das an anderer Stelle fehlt. Wir stärken die Pflegevertretung, damit die Pflege auch politisch stärker wirken kann. Wir stärken Menschen mit psychischen Erkrankungen. Wir werden unserer internationalen Verantwortung gerecht und stocken die Mittel für internationale Gesundheitspolitik auf insgesamt 100 Millionen Euro auf. All das haben wir im parlamentarischen Verfahren in diesem Haushalt zusätzlich erreichen können. ({4}) Aber all das bedeutet natürlich auch: Von diesem Megaetat, den wir für dieses Jahr vorfinden, von den Milliarden, die wir bis zuletzt noch obendrauf geschichtet haben, wird fast nichts nachhaltig für bessere Versorgungsstrukturen zur Verfügung stehen. Der Großteil geht in die Bewältigung der Krise. Das kann natürlich nicht die Aussage der Etats für 2023 und folgende sein. Deswegen haben wir uns im Haushaltsausschuss mit dafür starkgemacht, dass wichtige Projekte aus dem Koalitionsvertrag jetzt in die Umsetzung kommen. Für dieses Jahr haben wir den Druck vor allen Dingen auf das Cannabiskontrollgesetz und den Nationalen Präventionsplan gelegt. ({5}) Das wird aber nicht das Letzte sein; denn wir als Haushaltsausschuss haben in diesen Zeiten, in denen so viel an Mitteln für die Sicherstellung einer guten Gesundheitsversorgung aufgebracht werden muss, ein unglaublich großes Interesse daran, dass der Reformstau im Gesundheitswesen und in der Pflege jetzt angegangen wird. Karl Lauterbach, Sie haben nicht nur im Gesundheitsausschuss viele Verbündete, sondern auch im Haushaltsausschuss, weil wir gemeinsam mit Ihnen dafür sorgen wollen, dass dieses Gesundheitssystem nach dieser Legislatur den großen Reformstau in großen Teilen bewältigt hat und dass wir dann viel Geld für eine bessere Versorgung eingesetzt haben werden, nicht nur für die Patientinnen und Patienten in diesem Land, sondern auch für deutlich bessere Arbeitsbedingungen für die vielen Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen in unserem Land. Vielen herzlichen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In unserem Gesundheitssystem arbeiten viele engagierte Menschen. Doch unter welchen Bedingungen? Pflegekräfte und Ärzte geben auf, weil ihnen das alles zu schwer wird. Geburtsstationen werden geschlossen, Krankenhäuser sind unterfinanziert. So darf es nicht weitergehen. ({0}) Ich finde, es ist auch ein Gebot der Stunde, dass Bund und Länder endlich zusammenarbeiten und nicht immer mit dem Finger auf die Länder gezeigt wird. Wir haben im Haushaltsausschuss entsprechende Anträge dazu gestellt. Wir brauchen endlich ein Investitionsprogramm in die Krankenhäuser, meine Damen und Herren. ({1}) Herr Lauterbach, Sie sind seit 2004 in einer Arbeitsgruppe Ihres Parteivorstandes zum Thema Bürgerversicherung. Das heißt, seit mindestens 18 Jahren reden Sie über dieses Thema. Zum Vergleich: Nach nur 100 Tagen beschließt die größte Koalition aller Zeiten, nämlich aus SPD, Grünen, FDP und der Union, ein 100-Milliarden-Euro-Sonderprogramm für militärische Aufrüstung. Das ist der falsche Schwerpunkt. Das ist der falsche Weg, meine Damen und Herren. ({2}) Wir wissen aus jeder Statistik: Wer arm ist, muss eher sterben. Diese Ungerechtigkeit muss endlich ein Ende haben. ({3}) Wir kommen nur aus der Dauerkrise, wenn wir unser Gesundheitssystem nicht mehr nach kapitalistischen Regeln organisieren. Gesundheit darf nicht länger eine Ware sein. Jeder Mensch hat das Recht auf eine gute medizinische Behandlung. ({4}) Herr Lauterbach, Sie haben es gesagt: Den Krankenkassen fehlen mindestens 17 Milliarden Euro. Auch die Pflegeversicherung ist im Minus. Wenn wir eine Bürgerversicherung hätten, in die auch Kapitaleinkünfte einfließen würden, würden wir heute finanziell deutlich besser dastehen. Sie sagen jetzt, Sie ließen sich da nicht drängen. Wir sagen: Doch, es muss sofort etwas geschehen. Und die Bürgerversicherung wäre die beste Lösung, meine Damen und Herren. ({5}) Für eine gute medizinische Behandlung brauchen Sie gutes Personal, das auch gut bezahlt wird. Doch die Reallöhne sinken, und die Preise für Grundnahrungsmittel, Heizung und Mieten steigen. Wenn jetzt noch die Krankenkassenbeiträge erhöht werden, treibt das die Inflation weiter an. Und das wäre die ungerechteste Lösung, meine Damen und Herren. ({6}) Stellen Sie sich doch mal einen Augenblick vor, wir würden die 100 Milliarden Euro nicht für Waffen, sondern für ein gerechtes Gesundheitssystem ausgeben: Wir könnten verhindern, dass die Krankenkassenbeiträge steigen. Wir könnten unsere Krankenhäuser sanieren. Wir könnten die Schließung der Geburtskliniken verhindern und die Menschen, die im Gesundheitssystem arbeiten, gerecht bezahlen. Wir brauchen eine Zeitenwende in der Gesundheitspolitik. Eine solidarische Bürgerversicherung wäre ein wichtiger Schritt dahin. Vielen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat nun der Abgeordnete Karsten Klein das Wort. ({0})

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Coronakrise hat den Einzelplan 15, den Haushalt des Gesundheitsministeriums, immer noch fest im Griff. Nach eingestellten Mitteln in 2020 in Höhe von 20,8 Milliarden Euro und in 2021 in Höhe von 37,6 Milliarden Euro sind wir jetzt, Stand Juni 2022, bei 64,4 Milliarden Euro. Das ist eine enorme Summe. Hinter diesen Zahlen stecken natürlich viele Maßnahmen, die geeignet sind, um der Coronakrise zu begegnen, um das Virus einzudämmen. Da ist zum Beispiel die Impfstrategie; sie wurde schon mehrmals angesprochen. Natürlich ist Impfen der zentrale Baustein, um gegen diese Krise anzukämpfen, keine Frage. Aber, Herr Minister, wir sind in der Ampel gemeinsam der Auffassung, dass man nach drei Jahren Pandemie beim Prognosetool schon etwas weiter sein sollte als am Anfang, und deshalb haben wir das gemeinsam auf den Weg gebracht. ({0}) Das zweite Thema, das ich ansprechen will, wurde schon genannt: die Testverordnung. Natürlich ist auch Testen wichtig in dieser Pandemie. Aber bisher ist es so, dass zum allergrößten Teil der Bund die Kosten für das Testen trägt, und deshalb wird es nach dem 30. Juni kein Weiter-So geben, zumindest nicht in der Form, dass der Bund zum größten Teil die Kosten für das Testen übernimmt. Hier sind die Länder gefordert. Der Bundesrechnungshof hat erst vor Kurzem nochmals festgestellt: Der allgemeine Bevölkerungsschutz ist Ländersache. Infektionsschutz vor Ort ist Aufgabe der Länder und der Kommunen. Deshalb erwarten wir auch, dass sich die Länder nicht nur zu Gesprächen in Berlin treffen, sondern auch die finanzielle Verantwortung in dieser Pandemie übernehmen. ({1}) Herr Minister, natürlich richten wir gemeinsam den Blick nach vorne. Das gilt nicht nur für den Herbst, wofür es natürlich wichtig ist, schon jetzt Vorbereitungen zu treffen, damit es nicht so kommt wie im letzten Herbst: dass wir unvorbereitet sind, dass Impfzentren geschlossen sind, dass wir gar nicht starten können, wenn es nötig ist. – Das soll uns nicht wieder passieren. Wir beschäftigen uns auch schon mit der Frage, wie wir uns für die nächste Pandemie aufstellen. Deshalb haben wir uns für Bereitschaftsverträge mit den Herstellern für die Impfstoffherstellung entschieden. Deshalb diskutieren wir auch, wie wir mit persönlicher Schutzausrüstung umgehen. Da muss man sich auch mit Lessons learned beschäftigen. Wir haben in diesem Land persönliche Schutzausrüstung in Milliardenhöhe zu viel beschafft. Und warum? Weil sich Länder, Kommunen und Hilfsorganisationen parallel zum Bund selbst eingedeckt haben. Hier sind Milliarden von Euro in persönliche Schutzausrüstung geflossen, die am Ende gar nicht benötigt worden ist. Das darf uns in einer zukünftigen Pandemie nicht wieder passieren; denn das sind Milliarden Euro Schulden, die zukünftige Generationen zurückzahlen müssen, was vermeidbar gewesen wäre. ({2}) Dann komme ich natürlich noch zu einem wichtigen Thema für die nächsten Monate: die gesetzliche Krankenversicherung. Die gesetzliche Krankenversicherung – das wurde schon gesagt – weist nach Berechnungen im nächsten Jahr ein Defizit von 17 Milliarden Euro und in 2024 von 21 Milliarden Euro auf. Deshalb möchte ich zu Beginn – das mag den einen oder anderen verwundern – noch mal das Thema Krankenhausinvestitionen in den Mittelpunkt stellen; denn so einfach, wie es hier in der Debatte dargestellt wurde, ist es eben nicht. Die Länder investieren seit Jahren – das hat der Bundesrechnungshof errechnet – 4 Milliarden Euro bis 5 Milliarden Euro zu wenig in unsere Krankenhausstrukturen. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist schön und richtig und wichtig, dass wir den Pflegerinnen und Pflegern, auch den Ärztinnen und Ärzten Applaus zollen. Aber die Länder sind dafür verantwortlich, dass diese auch ordentliche Arbeitsbedingungen vorfinden, dass sie moderne Strukturen haben. ({4}) Da erwarte ich von den Ländern auch als Lehre aus dieser Pandemie, dass das endlich umgesetzt wird und nicht am Ende einfach dem Bund rübergeschoben wird. Uns erreichen diese Kosten dann mit den Betriebskosten und damit die gesetzlichen Krankenversicherungen und auch der Bundeszuschuss im Haushalt. Deshalb muss dieses Thema angegangen werden. ({5}) Ein weiterer Punkt ist die Digitalisierung der Krankenhäuser. Der Kollege Dr. Helge Braun hat es ja zu Recht angesprochen: 3 Milliarden Euro hat der Bund dafür zur Verfügung gestellt. Deshalb erwarte ich, dass die Länder das jetzt auch umsetzen. Es wäre hervorragend, wenn die Kolleginnen und Kollegen der Union auch mal ein ernstes Gespräch mit ihren Ministerpräsidenten in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Hessen oder Bayern führen würden. ({6}) Vielleicht kommt man dann endlich mal einen Schritt voran und packt dieses Problem endlich an. ({7}) Die Ampel hat Gott sei Dank auch die digitale Gesundheitsagentur in den Haushalt hineingeschrieben. Das war für die FDP ein sehr wichtiges Projekt. McKinsey hat errechnet, dass uns die Digitalisierung im Prozess 42 Milliarden Euro Entlastung bringen könnte. Ob das am Ende generiert werden kann oder nicht, ist eine andere Frage. Aber das zeigt doch, dass hier ein Riesenpotenzial vorhanden ist, das bisher ungehoben in unserem Gesundheitssystem liegt. Deshalb müssen wir das jetzt kraftvoll angehen. ({8}) Reden wir über die Defizite bei der GKV. Herr Minister, Sie haben das zu Recht angesprochen. Ich habe vorhin schon die Defizithöhe von 17 Milliarden Euro im nächsten Jahr angesprochen. Der Aufwuchs zeigt, dass wir über ein strukturelles Defizit reden, das immer größer wird. Und weil die Union sich hier schon ein bisschen eingesungen hat – in der Generaldebatte, aber auch heute wieder –, will ich noch einmal daran erinnern: Die Spahnʼsche Gesetzgebung aus der letzten Legislaturperiode ist nach Berechnungen in diesem Jahr für 12 Milliarden Euro Mehrausgaben bei der gesetzlichen Krankenversicherung verantwortlich. Deshalb ist es nicht angesagt, dass Sie hier die Verantwortung auf das Haus oder die Ampel schieben. Es ist auch Ihre Verantwortung aufgrund der Versäumnisse in der letzten Legislaturperiode. ({9}) Wir müssen jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass bei dieser Reform eines eingehalten wird, was uns der Bundesrechnungshof ins Stammbuch geschrieben hat, nämlich der gerechte Lastenausgleich zwischen den Generationen. Wir müssen an verschiedenen Stellschrauben drehen, auch bei der Struktur der gesetzlichen Krankenversicherung, damit wir nachher zu einem ausgewogenen und tragbaren Kompromiss kommen, wie die gesetzliche Krankenversicherung und auch die Pflegeversicherung in Zukunft finanziert werden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Sepp Müller das Wort. ({0})

Sepp Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir hatten einen Gesetzentwurf für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung vorliegen; der wurde zurückgezogen. Wir hatten einen Gesetzentwurf zum Thema Triage vorliegen; der wurde zurückgezogen. Herr Bundesgesundheitsminister Lauterbach, wir hatten am 9. Mai von Ihrem Hause eine Arbeitsplanung bekommen, die vorsah, dass bis Ende Mai – das ist mittlerweile vorbei – ein Pandemiebekämpfungskonzept aufgelegt wird; ich kann sie Ihnen gerne zur Verfügung stellen. Wir müssen heute feststellen: Es ist nicht da. Wenn das die Taten des Karl Lauterbach sind, die Sie gerade angekündigt haben, dann gute Nacht, Marie, für das Gesundheitswesen in Deutschland. ({0}) Sie sprechen davon, dass Sie zusätzlichen Impfstoff beschaffen wollen, um auf zukünftige Wellen und Varianten vorbereitet zu sein. Das ist natürlich richtig. Aber was machen wir mit den Millionen Impfdosen, die Sie im Dezember letzten Jahres zusätzlich besorgt haben, die nicht verimpft werden können und mittlerweile auf den Halden liegen? Was ist mit diesen Impfdosen? Was ist mit den 840 Millionen Euro, die Sie jetzt in die Hand nehmen, liebe Ampel, um zusätzlichen Impfstoff zu beschaffen für Varianten, die wir noch gar nicht kennen, währenddessen auf der anderen Seite noch Millionen Impfdosen herumliegen? Warum begegnen wir damit nicht dem Problem des Landärztemangels? Das ist ein Riesenproblem. 60 Prozent der Menschen leben im ländlichen Raum; sie wissen, wie schwierig es ist, einen Landarzt zu bekommen. Von den 840 Millionen Euro hätten wir über 200 Medizinische Versorgungszentren im ländlichen Raum bauen können. Von den 840 Millionen Euro hätten wir, lieber Herr Lauterbach, über 3 000 Medizinstudienplätze im Land Sachsen-Anhalt fördern können. ({1}) Das wäre Ihre Aufgabe gewesen. Dem Landarztmangel zu begegnen, ist Aufgabe des Gesundheitsministers, nicht, sich zu verbarrikadieren. ({2}) Wir sehen ein Defizit von 17 Milliarden Euro bei den gesetzlichen Krankenkassen. Sie sagen, Sie ließen sich nicht treiben. Gesetze werden Sie treiben. Wenn bis Oktober dieses Jahres keine Finanzierungszusage für die gesetzliche Krankenversicherung kommen wird, beispielsweise durch einen höheren Bundeszuschuss, indem man für Arbeitslosengeld‑II-Empfänger den Beitrag vollständig übernimmt – das ist in dem Haushalt, den Sie vorgelegt haben, noch nicht abgebildet –, was bedeutet das dann? Sagen Sie es den Menschen! Sagen Sie es den Rentnerinnen und Rentnern, die Sie im Entlastungspaket vergessen haben! ({3}) Das bedeutet eine Beitragssteigerung um 1 Prozent. Das bedeutet, diese Teuerkoalition wird dafür sorgen, dass der Beitrag für Rentnerinnen und Rentner um 180 Euro steigt, weil Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, Herr Lauterbach. ({4}) Sagen Sie den Menschen draußen, dass auch die Lösung zur Schließung der Lücke in der gesetzlichen Pflegeversicherung, die um Himmels willen nicht einfach zu finden ist, auf den Weg gebracht werden muss. Was bedeutet das für diejenigen, die heute nicht durch Ihr Entlastungspaket entlastet werden? Das bedeutet im nächsten Jahr eine zusätzliche Belastung von über 50 Euro für Rentnerinnen und Rentner, weil Sie Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, Herr Lauterbach. Das erwarten wir aber von Ihnen. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Kollege, ich habe die Uhr angehalten. Sind Sie bereit, eine Frage oder Bemerkung aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zuzulassen?

Sepp Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, gerne.

Maria Klein-Schmeink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004072, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Herr Müller, dass Sie die Nachfrage zulassen. – Wir haben ja die mittelfristige Finanzplanung aus der letzten Wahlperiode übernommen. Können Sie mir sagen, wo da die Ansätze zur Finanzierung der Beiträge von ALG-II-Beziehenden waren? Können Sie mir sagen, wo da die Ansätze für Rückstellungen für die großen Zahlungen waren, die wegen der Maskendeals noch auf uns zukommen und die nirgendwo etatisiert sind, die wir aber leisten müssen? Es ist von 2,5 Milliarden Euro aus laufenden Gerichtsverfahren die Rede, die wir wegen schlechter Vertragsgestaltung voraussichtlich zahlen müssen. Wo sind diese Ansätze gewesen? Welche Verantwortung sehen Sie da bei Ihrer Fraktion und bei Ihrem Minister, der diesen Haushalt zu verantworten hatte? ({0})

Sepp Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Das gibt mir die Möglichkeit, noch mal aus dem Koalitionsvertrag der Großen Koalition, den wir gemeinsam vereinbart haben, zu zitieren. Da haben wir uns darauf verständigt, dass wir den Beitrag der Arbeitslosengeld-II-Empfänger vollständig übernehmen und damit auch die gesetzliche Krankenversicherung entlasten. ({0}) Ich hätte natürlich erwartet, dass das umgesetzt wird. Darum bin ich gespannt, ob die Ampel das macht; wir werden daran festhalten. ({1}) – Jetzt bin ich erst mal mit meiner Antwort dran; ich will dazu weiter ausführen. – Wir hatten uns darauf verständigt und hätten das natürlich auch umgesetzt. Wir lassen nicht irgendwas zirkulieren, was dann zurückgezogen werden muss. – Punkt Nummer eins. Punkt Nummer zwei. Knapp 2 Milliarden Euro werden monatlich für Tests ausgegeben. 2 Milliarden Euro jeden Monat! Der Bundesrechnungshof hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das zum größten Teil Länderaufgabe ist. Es fehlte der Fortschrittskoalition der Mut, das Auslaufen der kostenlosen Tests vorzuziehen. Dann hätten Sie eine Finanzierungsalternative gehabt, ({2}) um beispielsweise das Loch in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht weiter aufklaffen zu lassen. ({3}) Das tun Sie nicht, liebe Ampel. Sie sind nicht die Fortschrittskoalition. Sie sind die Teuerkoalition für Rentnerinnen und Rentner in diesem Land. Mit Ihnen wird jedes Jahr der Beitrag steigen, und das ist schade. ({4}) Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist unsere Aufgabe, hier den Finger in die Wunde zu legen. Lieber Herr Lauterbach, das werden wir weiterhin tun. Sie haben gesagt, Sie seien ein Mann der Taten. Daran werden wir Sie messen. Verlassen Sie sich darauf! ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Svenja Stadler das Wort. ({0})

Svenja Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004412, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen und vor den Bildschirmen! Herr Müller, soweit ich weiß – vielleicht bin ich auch falsch informiert, aber das glaube ich nicht –, werden Studienplätze, vor allem in der Medizin, von den Ländern finanziert. ({0}) Ich weiß nicht, was Sie da von Herrn Lauterbach erwarten. Ich weiß auch nicht, wo Sie von Gesetzentwürfen in Bezug auf die GKV oder Triage gelesen haben. ({1}) Mir wurden sie bisher nicht zugeleitet, und von daher kann ich auch nicht darüber diskutieren. ({2}) – Herr Lanz ist nicht das Parlament. ({3}) Sie verwechseln da jetzt was. ({4}) Im dritten Coronajahr haben wir mit 64 Milliarden Euro einen extrem hohen Haushalt. Diese Höhe hat damit zu tun, dass wir Verantwortung übernehmen. Wir sind da, um die Bürgerinnen und Bürger vor einem Virus zu schützen. Deshalb haben wir Geld in die Hand genommen, um Impfstoffe einzukaufen, zu entwickeln und nach wie vor bereitzustellen. Wir haben finanzielle Unterstützung bei der Errichtung von Test- und Impfzentren gewährt. Wir sorgen für Schutz- und Hygienematerialien, aber auch für die Sicherstellung der intensivmedizinischen Versorgung. Ja, jetzt ist es Zeit, Weichen zu stellen für die Zukunft, für eine Zeit nach Corona. Dazu sitzt eine Expertenkommission zusammen und überprüft die Maßnahmen. Auf ihren Bericht warten wir. Er wird mit Sicherheit zeitnah dem Parlament zugeleitet, und das ist auch gut so. Nichtsdestotrotz wissen wir schon jetzt, wer in dieser Zeit besonders gelitten hat. Das waren die Kinder und Jugendlichen und auch die ältere Bevölkerung. Diese Erkenntnis gilt es nun in Maßnahmen umzusetzen, um Langzeitfolgen von psychischen und physischen Erkrankungen und auch in Bezug auf Long Covid entgegenzuwirken. Daher haben wir im Haushalt 2022 Geld für die Erstellung eines Nationalen Präventionsplans in die Hand genommen. ({5}) Zudem investieren wir mit 13,2 Millionen Euro in Aufklärungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs genauso wie in Maßnahmen zur Tabakentwöhnung. Wenn wir eines in dieser Pandemie gelernt haben, dann ist es, dass wir mit validen Daten evidenzbasierte Empfehlungen aussprechen könnten. Das ist uns dieses Mal leider verwehrt geblieben. Deshalb haben wir auch ganz bewusst Geld investiert, um eine dezentrale Forschungsdateninfrastruktur auf die Beine zu stellen. Wir investieren 1 Million Euro für den Aufbau einer digitalen Gesundheitsagentur. Die soll nicht nur Daten sammeln, sondern auch Möglichkeiten bieten, besser vorbereitet zu sein. ({6}) Digitalisierung im Gesundheitssystem ist wichtig, und es ist richtig, dass wir das machen. Aber auch für die Bürgerinnen und Bürger gibt es dadurch Vorteile. Es gibt nämlich sogenannte Gesundheits-Apps oder Fitness-Apps. Jeder von meinen Kolleginnen und Kollegen benutzt mindestens eine; da bin ich mir sicher. Wir sitzen ja viel herum; da hilft es, Sport zu machen. Diese Apps helfen aber auch Jugendlichen an der einen oder anderen Stelle, wenn es um professionelle Hilfe geht. Krankenkassen arbeiten auch mit Apps. Im Notfall können Apps an der einen oder anderen Stelle sogar helfen, indem sie sagen oder zeigen, was zu tun ist. Das sind Vorteile, die wir nutzen. Aber wir müssen diese Entwicklung etwas intensiver konstruktiv-kritisch im Blick haben. Denn wenn wir uns das genauer angucken: Eltern und Jugendliche wissen nicht, welche App gut ist und richtig wirkt, gerade im Bereich der Gesundheit. Und was passiert mit den Daten? Das wissen wir auch nicht. Da gibt es kein TÜV-Siegel oder etwas Ähnliches, das Eltern und Jugendlichen eine Orientierung bietet. Das gilt es zu ändern; sonst wird aus einem digitalen Vorteil ganz schnell ein gesundheitlicher Nachteil. ({7}) Corona hat gezeigt, dass die Vernetzung, die wir haben, gut ist; weil wir weltweit durchgeführte Forschung nutzen können, um auf der Grundlage der Erkenntnisse gemeinsam an Problemen zu arbeiten und den Fortschritt voranzutreiben. Deshalb ist es für uns ganz wichtig, diese internationale Verantwortung auch zu unterstreichen. Wir haben jetzt noch einmal mit knapp 174 Millionen Euro die internationalen Aufgaben des Gesundheitssystems unterstützt. Davon profitiert unter anderem der WHO-Hub hier in Berlin. Dieses Zentrum wird den internationalen Datenaustausch fördern. ({8}) Wir stärken die internationale öffentliche Gesundheit mit 100 Millionen Euro. Das ist ein Plus von 13,4 Millionen Euro. International ist es so wichtig, dass wir Vorreiter bleiben, sind und weiterhin werden. Der Etat für den World Health Summit steigt auf 1,5 Millionen Euro; das finde ich schon cool. Ich freue mich darauf. Das ist aber nicht nur eine Lehre, die wir aus der Pandemie ziehen, sondern ein Bekenntnis zu der Verantwortung, die wir in Deutschland in einer globalisierten Welt übernehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Etat ist gewaltig, er ist riesig, und das ist gut so; denn darin stecken eine Menge gesellschaftlicher Verantwortung und gleichzeitig auch extrem viele Gestaltungsmöglichkeiten, national und international. Dieser Gesundheitsetat gibt Sicherheit im Wandel. An dieser Stelle möchte ich mich bei meinen Haushaltskolleginnen und ‑kollegen bedanken – das war eine tolle Zusammenarbeit –, besonders bei Gesundheitsminister Karl Lauterbach und seinem Haus; er stand immer Rede und Antwort, Tag und Nacht, ebenso die Mitarbeiter seines Hauses. ({9}) Ich möchte mich auch bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den AGs und im Ausschuss bedanken. Ganz besonders bedanken möchte ich mich bei Paula Piechotta und Karsten Klein für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Es hat Spaß gemacht, mit euch diesen Haushalt zu gestalten. Ich freue mich schon auf den nächsten. Aber jetzt will ich jeden motivieren, diesem Haushalt zuzustimmen – er ist gut –; meine Fraktion wird das tun. Vielen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich bitte zu beachten, dass auch alle Danksagungen und sonstige Mitteilungen in die Redezeit einzupreisen sind und nicht hinten angehängt werden. Das Wort hat der Abgeordnete Wolfgang Wiehle für die AfD-Fraktion. ({0})

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Der Haushaltsplan für das Bundesgesundheitsministerium umfasst inzwischen über 64 Milliarden Euro. Er ist damit der zweitgrößte Haushalt aller Bundesministerien, ({0}) nur für Arbeit und Soziales wird mehr ausgegeben. Im Vergleich zu 2021 wächst er noch einmal, um fast 15 Milliarden Euro, obwohl die Coronakrise mehr oder weniger vorbei ist. So groß wie dieser Zuwachs allein war der gesamte Gesundheitshaushalt all die Jahre bis 2019. 14 von den 15 Milliarden Euro von damals machte der Zuschuss an die Krankenkassen aus. Zur aktuellen Steuergeld-Ausgabenorgie gehört ganz wesentlich die Impfstoffbeschaffung: 7 Milliarden Euro, plus Reste aus dem Vorjahr, wandern dafür in die Kassen der Pharmaindustrie. Wir kennen Ihre Begründung, Herr Minister Lauterbach: Im Herbst wollen Sie gleich gegen zwei Virenstämme volle Impfstofflager haben. – Ob die Vakzine wirksam und sicher sind, ist, höflich gesagt, sehr umstritten. Warum tut es nicht auch eine Grundausstattung plus Reservierung von Produktionskapazitäten? ({1}) Ihr Plan führt direkt dazu, dass die halbe Impfstoffmenge erneut weggeworfen oder verschenkt werden muss; Sie haben das vorhin selber eingeräumt. Der Steuerzahler hat’s ja – und die Konzerne freuen sich. ({2}) Dass für die ziemlich fruchtlose Impfkampagne rund 200 Millionen Euro ausgegeben werden sollen – 40‑mal mehr als früher für die Öffentlichkeitsarbeit –, hat auch der Bundesrechnungshof kritisiert. Jetzt sind diese Posten im Haushalt zwar getrennt; aber die Geldverschwendung ist nicht gestoppt. Andere Regierungen gehen mit den Konzernen übrigens weniger zimperlich um. Polen hat erklärt, dass man keine weiteren Impfdosen mehr abnehmen bzw. bezahlen will. Dort sind die Impfstofflager genauso voll wie hier in Deutschland – aber keiner spielt mit der Angst der Menschen vor dem Herbst. Die Interessen der polnischen Steuerzahler werden von der polnischen Regierung besser geschützt als die der deutschen Steuerzahler von der deutschen Regierung. ({3}) Leider passt der Masseneinkauf von Impfstoff auch zu den politischen Gesprächen in diesem Hause. Bei den Haushaltsberatungen war hinter verschlossenen Türen von CDU-Seite zu hören, dass es doch eine Mehrheit für eine Impfpflicht gebe. Diesem Ziel dient auch der CDU/CSU-Antrag, 50 Millionen Euro bereitzustellen, um ein Impfregister einzuführen. Das heißt, diese Diskussion, die Millionen Menschen auf die Straße getrieben hat, droht unserem Land ein zweites Mal. Ich warne ausdrücklich davor! Die AfD-Fraktion wird wieder engagiert und geschlossen dagegenstehen. ({4}) Zu warnen ist auch vor Machtambitionen, mit denen offensichtlich in der Weltgesundheitsorganisation, der WHO, gespielt wird. Versuche, der Organisation über einen Pandemievertrag weitgehende Rechte zu übertragen, sind vergangene Woche am Widerstand afrikanischer Staaten und Brasiliens gescheitert. ({5}) Deutschland zahlt über die Pflichtbeiträge der WHO hinaus in großem Umfang freiwillige Mittel. ({6}) Es ist aber Aufgabe der Bundesregierung, die Interessen Deutschlands selbstbewusst zu vertreten und einer Zentralisierung von Entscheidungen entgegenzuwirken. ({7}) Der Gesundheitshaushalt, meine Damen und Herren, muss umgehend wieder auf das übliche Maß zurückgeführt werden. Für Verbesserungen zugunsten der Gesundheitsversorgung ist die AfD-Fraktion dabei sehr offen. Den jetzigen 64‑Milliarden-Euro-Haushalt lehnen wir ab. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Dr. Janosch Dahmen das Wort. ({0})

Dr. Janosch Dahmen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004962, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer wieder frappierend, welch unglaublicher Unfug von der rechten Seite des Hauses hier verbreitet wird: Verschwörungstheorien über die Weltgesundheitsorganisation, die wir aus gutem Grund von Deutschland aus stützen und fördern, ({0}) als Teil internationaler Verantwortung. Es geht um Vernetzung. Eine Erkenntnis aus dieser Pandemie ist doch, dass nur mit internationaler Solidarität ein global grassierendes Virus bekämpft werden kann. Ich kann im gleichen Maße nur davor warnen, dass wir uns in diesem Sommer erneut zurücklehnen und die Vorsorge unter den Tisch fallen lassen, die Vorbereitung, die es braucht, um im Herbst und im kommenden Winter besser vorbereitet zu sein. Es ist, sehr geehrter Herr Kollege Braun, ausgerechnet die Union gewesen, die uns am Beginn dieser Legislatur einen ramponierten Gesundheitsetat vor die Füße geschmissen hat. Wenn wir uns heute über Löcher von morgen unterhalten, dann liegt die Antwort in Fehlern der Vergangenheit; ({1}) in Geld, was über die Maßen ausgegeben wurde; in finanzpolitischer, haushalterischer Vorsorge, die nicht getroffen wurde. Wir stehen jetzt in der Verantwortung, die zur Verfügung stehenden Mittel im richtigen Maße einzusetzen. Richtiges Maß bedeutet, dass wir jetzt in der Pandemie vorausschauen und dass wir Impfstoffe in einer Konfiguration besorgen, sodass sie nicht nur für eine Eventualität greifen, sondern die Menschen in diesem Land vor unterschiedlichen Virusvarianten, die möglich scheinen, schützen können, dass wir dafür sorgen, dass die Testzentren funktionieren. Die Testzentren waren im letzten Jahr nicht durchfinanziert, die Finanzierung war im Herbst ausgelaufen. So standen die Menschen ohne Bürgertest da. ({2}) Im Dezember standen Impfzentren nicht zur Verfügung. Im Januar stand der Impfstoff, der gebraucht wurde, um die Impfkampagne auszuweiten, nicht zur Verfügung. Für all das wird hier vorgesorgt. Genauso notwendig sind Ausgaben in der Aufklärungsarbeit, um die Impflücke zu schließen. Und es verwundert doch sehr, liebe Union, dass, wenige Wochen nachdem hier im Parlament ein Gesetzentwurf vorlag, in dem als zentrales Element die Informationserfassung zum Genesenenstatus bzw. zum Impfstatus vorgesehen war, jetzt plötzlich, im Rahmen der Haushaltsberatungen, ein aufgewärmter Antrag vorgelegt wird. Da frage ich mich schon: Wo war die Union, als es in diesem Hause vor wenigen Wochen um die Verantwortung für die Datenerfassung ging? ({3}) Wenn wir nach vorne schauen, wird klar, dass Vorsorge selbstverständlich auch gute Gesundheitsversorgung jenseits der Pandemie bedeutet. Mit dem Nationalen Präventionsplan bringen wir Maßnahmenpakete auf den Weg, die im Bereich Sucht, Einsamkeit, Wiederbelebung, Zahngesundheit der alten Menschen wichtige Maßnahmen möglich machen. Mit dieser Gesundheitsversorgung der Menschen sorgen wir für morgen vor, vermeiden Krankheit und schützen die Menschen. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin unserem Bundeskanzler sehr dankbar dafür, dass er gestern noch einmal klargemacht hat, dass wir alle in dieser Zukunftskoalition dafür stehen, dass wir das Gesundheitssystem zukunftssicher aufstellen, dass wir unsere Sozialversicherungssysteme gut finanzieren und stabilisieren werden, dass wir Leistungen, auf die sich die Menschen in diesem Land verlassen können, durchfinanzieren werden, dass wir keine Leistungskürzung vornehmen und dass wir kluge Reformen wissenschaftsbasiert und unter Einbeziehung entsprechender Wissenschaftskommissionen auf den Weg gebracht haben. Das ist gut für das Gesundheitsministerium, das ist geschlossene Auffassung in dieser Koalition, das wird von der Regierung gemeinsam getragen. In diesem Sinne: Ich freue mich über diesen klugen, vorausschauenden, vorsorgenden Haushalt. Vielen Dank auch an die Kollegin des Haushaltsausschusses. Danke schön. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Kathrin Vogler das Wort. ({0})

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Lauterbach, Sie haben gerade in Ihrer Rede gesagt, Sie seien mehr so ein Mann der Tat als ein Mann großer Worte, und das bezog sich auf die Krankenhausfinanzierung. Allen Ernstes – es tut mir leid –, ich musste da lachen. Aber ich fürchte, den Kolleginnen und Kollegen in nordrhein-westfälischen Universitätskliniken, die jetzt seit einem Monat für vernünftige Arbeitsbedingungen und Entlastungen streiken, ist das Lachen im Halse stecken geblieben, als sie das gehört haben. Während in den Gesundheitsberufen Hunderttausende Mitarbeitende fehlen und die gefährlichen Zustände für die Patientinnen und Patienten und die krankmachende Arbeitsüberlastung für die Beschäftigten anhalten, bekommt diese Regierung es nicht einmal hin, die lang versprochene und als „kurzfristig“ im Koalitionsvertrag angekündigte Pflegepersonal-Regelung 2.0, die PPR 2.0, auf den Weg zu bringen. Das ist doch ein Schlag ins Gesicht der Pflegekräfte und aller anderen Beschäftigten im Gesundheitswesen. ({0}) 17 Milliarden Euro fehlen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Das ist ein dramatisches Defizit. Deswegen hatten Sie, Herr Minister, doch ein Finanzierungsgesetz angekündigt. Das ist dann aber klammheimlich wieder in der Versenkung verschwunden. Ich vermute mal, das hat mit Ihrem kleinsten Koalitionspartner zu tun. Denn für eine auskömmliche Finanzierung der Krankenkassen bräuchte es entweder mehr Beitragszahlende – also etwa auch Beamte, Selbstständige und Gutverdienende – oder mehr Steuerzuschüsse. Beides ist mit der FDP, dem Freundeskreis der Privatversicherungsunternehmen, offensichtlich nicht zu machen. ({1}) Deswegen werden die Krankenkassen 2023 erhebliche Beitragserhöhungen vornehmen müssen zulasten all der Menschen, die gerade sowieso nicht wissen, wie sie am Ende des Monats noch ihre Lebensmitteleinkäufe oder die Stromrechnung bezahlen sollen. Da, finde ich, muss diese Bundesregierung endlich etwas tun. ({2}) Herr Lauterbach, für Ausgaben für Pflege und Gesundheit soll die Schuldenbremse ab nächstem Jahr wieder gelten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Frau Kollegin.

Kathrin Vogler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004181, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Aber mit einem Federstrich können 100 Milliarden Euro neue Schulden für Panzer und Kampfflugzeuge ins Grundgesetz geschrieben werden. Das ist nicht hinnehmbar! Das macht Die Linke nicht mit. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Maximilian Funke-Kaiser das Wort. ({0})

Maximilian Funke-Kaiser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005058, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns über eines der wichtigsten Zukunftsprojekte der Ampelkoalition sprechen, nämlich die Digitalisierung. Wie weit unser Land in der Digitalisierung des Gesundheitswesens zurückliegt, ist uns allen spätestens während der Coronapandemie vor Augen geführt worden. Ganz klar ist: Wir müssen zukunftsfähig werden. – Deswegen vorneweg: Wir bringen die Digitalisierung des Gesundheitswesens zum Wohle der Versicherten, zum Wohle der Leistungserbringer und zum Wohle der Patienten voran. ({0}) Dieser Haushaltsentwurf ist dafür die Weichenstellung, und das bereits im ersten Haushaltsjahr. Dafür darf ich auch ganz herzlich den zuständigen Berichterstattern – Karsten Klein, Svenja Stadler, Paula Piechotta – ganz herzlich danken. ({1}) Was heißt das konkret? Das möchte ich an drei Punkten festmachen. Punkt eins. Passend zur Haushaltsdebatte – das hatte der Kollege Klein vorhin schon angesprochen; ich möchte es tiefer erläutern – sind das die Einsparpotenziale durch Digitalisierung. Ja, wir haben einen sehr hohen Haushalt vorgelegt bekommen. Um das zu verbildlichen: Allein die flächendeckende Realisierung der elektronischen Patientenakte würde Einsparpotenziale von bis zu 7 Milliarden Euro bedeuten. Eine flächendeckende telemedizinische Versorgung würde 12 Milliarden Euro Einsparpotenzial bedeuten. Wenn wir alle Digitalprojekte zusammennehmen, wären wir bei 40 Milliarden Euro. Das sind Summen, die wir angesichts der aktuellen globalen Situation dringend nötig hätten. Herr Braun, statt sich hierhinzustellen und sich über die Erhöhung des Haushaltsetats zu echauffieren, hätten Sie lieber in den letzten Jahren genau diese Projekte angehen können; denn dann hätten die das Geld auch zur Verfügung gehabt. ({2}) Wir werden jetzt alle digitalen Möglichkeiten nutzen und aus diesem Konjunktiv einen Indikativ machen. Wir schaffen flächendeckend die elektronische Patientenakte. Wir ermöglichen die Nutzung des E-Rezeptes. Wir geben den Rahmen für eine flächendeckende telemedizinische Versorgung und vieles mehr. Was mir dabei wichtig ist: Es macht nicht nur haushalterisch Sinn. Es ist auch unsere politische Pflicht, das hart erwirtschaftete Geld der Bürgerinnen und Bürger in eine bessere Gesundheitsversorgung zu investieren, statt es weiterhin aus dem Fenster zu werfen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Damit verbunden ist der zweite Punkt. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens führt zu einer maßgeblichen Verbesserung der Effizienz, und zwar für Patientinnen und Patienten sowie für Leistungserbringer/-innen – für jeden einzelnen. Man muss sich vor Augen führen: Wir leben im Jahre 2022. Das mag man nicht glauben, wenn man sich über den Digitalisierungsgrad von Deutschland unterhält. Und noch immer wird mehr Zeit bei der telefonischen Suche nach einem freien Arzt als im Behandlungszimmer selbst verbracht. Noch immer verbringen die Ärzte und die Pflegekräfte mehr Zeit mit Papierkram als bei den Patienten selbst. Überlegen Sie sich einmal, wie viel zeitliches Einsparpotenzial wir durch digitale Möglichkeiten hätten – Stichworte: „flächendeckende Onlinebuchungen“, „digitale Kommunikationswege“. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Die Frage, wie schnell wir mit der Digitalisierung vorankommen, ist auch eine Frage des Respekts gegenüber allen Menschen in diesem Land. Denn es hilft nicht nur den Patienten, es hilft auch denjenigen, die sich während der Pandemie in den letzten Jahren für uns alle – entschuldigen Sie die Wortwahl – den Arsch aufgerissen haben. Wir müssen diese Menschen, diese Pflegekräfte nicht nur finanziell unterstützen, wir müssen ihnen auch endlich die Arbeit erleichtern, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Punkt drei, der aus meiner Sicht mitunter wichtigste Punkt. Wir schaffen eine bessere Gesundheitsversorgung. Beklagen wir uns doch nicht – typisch deutsch – immer nur über das, was nicht klappt, über den Status quo, sondern ändern wir doch endlich einmal etwas daran, was nicht passt. Die Digitalisierung und die digitalen Anwendungen sind kein Teufelszeug. Es geht nämlich nicht darum, dass wir den Besuch bei den Ärztinnen und Ärzten abschaffen wollen. Es geht darum, dass wir digital und analog smart miteinander vernetzen. Es geht darum, dass wir die Gesundheitsforschung verbessern. Es geht darum, dass wir die bestmögliche Behandlungsmethode zur Verfügung stellen mit allen technischen und innovativen Mitteln. Es geht um Verfügbarkeit von Versorgung – egal wann und ganz egal wo, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Dieser Haushalt ermöglicht diese digitalen Vorhaben. Hervorheben möchte ich – das wurde schon angesprochen – natürlich auch den Ausbau der gematik zu einer digitalen Gesundheitsagentur, um auch einen Enabler in Deutschland zu bauen, um diese digitalen Transformationen unseres Gesundheitswesens durchzuführen. Unser Land ist nämlich viel zu lange im digitalen Bereich kleingehalten worden. Um diese verlorene Zeit wieder aufzuholen, müssen wir jetzt Entscheidungen treffen. Wir müssen uns auch ehrlich machen: Das wird nicht jedem gefallen. Letztendlich geht es aber ausschließlich um das Wohl der Menschen in diesem Land und darum, dass wir die Vernetzung, die Versorgung und die Forschung nutzen, um Leben zu retten. Dafür werden wir alle nötigen Maßnahmen ergreifen für eine moderne, für eine digitale, für eine flächendeckende und vor allem auch für eine faire Versorgung innerhalb unseres Gesundheitswesens. Es steht viel an, und in den nächsten Jahren werden wir genauso viel auch bewegen. Herzlichen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Tino Sorge. ({0})

Tino Sorge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004409, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin meinem Vorredner dankbar, dass er wenigstens ein bisschen was inhaltlich zum Haushalt gesagt hat, insbesondere zum Thema Digitalisierung; darüber könnte ich jetzt stundenlang erzählen. Er hat viel Richtiges gesagt. Ich fand es nur schade, dass der Bundesgesundheitsminister hier wieder einmal, ebenso wie in den letzten Monaten, monothematisch unterwegs war, das heißt, nur das Thema Corona adressiert hat. ({0}) Ich hätte mir beispielsweise gewünscht, dass er uns ganz konkret gesagt hätte: Wann kommt das GKV-Finanzierungsgesetz? Wann kommt das Gesetz zur Triage? Wann kommt das neue Gesetz, mit dem wir die Digitalisierung voranbringen? – Ich höre immer nur Ankündigungen. Ich weiß nicht, ob es gut ist, vom Angstminister zum Ankündigungsminister zu werden. Ich weiß nicht, was besser ist. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können uns jetzt natürlich darüber streiten, was man eventuell hätte besser machen können. Im Gesundheitsbereich haben wir aber das Problem, dass wir uns nicht einmal über Dinge streiten können. Mein Kollege Sepp Müller hat es angesprochen: Wir würden uns ja gerne über die Frage der Finanzierung des Systems mit dem BMG, mit dem Gesundheitsminister, mit Ihnen von der Ampel auseinandersetzen, aber es gibt ja nicht einmal einen Entwurf. Und wenn denn mal ein Entwurf kursiert – Stichwort „GKV-Finanzierungsgesetz“ –, dann wird er, zwei Tage nachdem er in die Ressortabstimmung und die Verbändeanhörung gegangen ist, zurückgezogen. Und der Minister tut so, als hätte er damit überhaupt nichts zu tun. Beim Triagegesetz haben wir dasselbe erlebt. Ich finde, das ist langsam etwas unwürdig. Das sagen nicht nur wir als Opposition, sondern das sagen die ganzen Akteure im Gesundheitswesen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Deshalb müssen wir uns, glaube ich, in dieser Debatte ein bisschen ehrlich machen. Wenn wir sagen, dass wir ein strukturelles Defizit von 17 Milliarden Euro haben – tendenziell eher 20 bis 24 Milliarden Euro –, dann können wir doch nicht, wie es der Minister immer macht, mantraartig sagen: Es wird keine Beitragssatzerhöhung geben, es wird keine Leistungseinschränkung geben, es wird sich am System nichts ändern. Sein Vorschlag, maximal ein Defizit von 4 bis 5 Milliarden Euro auszugleichen, reicht doch nicht. Es muss doch mal jemand sagen, woher das Geld kommen soll. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, lieber Kollege Lauterbach, wenn Sie diesen Entwurf endlich vorlegen würden. ({3}) Zu den Haushaltsberatungen: Ja, ich sehe ein, wir müssen Vorsorge betreiben. Vorsorge heißt aber auch, dass wir uns entscheiden müssen, für welche Risiken wir Vorsorge treffen. Ich glaube, es ist der völlig falsche Weg, über Hypothesen zu reden, die im Herbst eintreten könnten. Wir bunkern quasi Impfstoffe für alle Eventualitäten. Wir verpflichten uns jetzt schon vertraglich in einer Größenordnung von – das ist angesprochen worden – 830 Millionen Euro. Allein das Volumen der Impfstoffbestellungen ist von 2,6 Milliarden Euro auf mittlerweile 6 Milliarden Euro angewachsen. Wir wissen jetzt schon, dass wir im Juni und Juli über 100 Millionen Dosen an Impfstoffen verwerfen, also wegwerfen müssen. Angesichts dessen muss man doch darüber nachdenken, wie ein belastbares, nachhaltiges Konzept für den Herbst aussehen kann. Es reicht nicht, zu sagen: „Es könnte eventuell eine Killervariante kommen“, ohne dass das wissenschaftlich fundiert, evidenzbasiert nachgewiesen wird. ({4}) Wir müssen auch über Konzepte diskutieren. Wir haben im Rahmen der Impfpflichtdebatte Vorschläge gemacht. Wir haben leider keine Mehrheit bekommen, der Minister für seine Vorschläge auch nicht. Deshalb hoffe ich, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten von der Angstmacherei wegkommen und zu einer konstruktiven Debatte auch über das Thema Corona zurückkommen und uns verständigen, wie wir uns für den Herbst wappnen können. – Maria Klein-Schmeink hat eine Zwischenfrage, Frau Präsidentin.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das ist zu spät; es sei denn, Sie einigen sich mit Ihrer Fraktion, dass Ihre Fraktion Ihnen weitere Redezeit abgibt. Sie sind über Ihre Redezeit hinaus.

Tino Sorge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004409, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich glaube, ich habe alles gesagt. Mein Kollege Helge Braun hat das gut ausgeführt. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Heike Engelhardt das Wort. ({0})

Heike Engelhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005051, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schüler/-innen! Liebe Bürgerinnen und liebe Bürger, ganz besonders aus meinem Wahlkreis Ravensburg und aus dem Bodenseekreis! „Ein Anfang ist kein Meisterstück, doch guter Anfang halbes Glück.“ Ich glaube, diesem Zitat des österreichischen Philosophen Anastasius Grün können wir alle zustimmen: Ein guter Anfang trotz Start in schwierigen Zeiten. Gerade deshalb bin ich sehr froh, dass wir beim Gesundheitshaushalt eine tolle erste Runde hinbekommen haben. Dabei haben der Minister und sein Haus im Grunde zwei Haushalte zu bewältigen. Zum einen ist die Pandemie leider noch lange nicht vorbei; das zeigt der Haushalt auch. Die Kolleginnen und Kollegen haben es erwähnt: 39 Milliarden Euro werden für die Bekämpfung der Pandemie ausgegeben. Dabei würde ich mir wünschen, dass wir diese Mittel in den kommenden Jahren nicht mehr bereitstellen müssen. Für den Herbst sind wir vorbereitet – der Minister hat das ausgeführt –; aber in der heutigen globalisierten Zeit müssen wir auch dann auf weitere epidemische Krankheiten vorbereitet sein, wenn wir die aktuelle Coronalage überwunden haben werden. Auch dafür bringen wir das nötige Geld auf. Klar ist aber auch, dass Krankheiten eben nicht an Grenzen haltmachen. Weil wir aktuell dazu ganz viele Briefe bekommen: Ja, wir brauchen eine starke WHO, wir brauchen multilaterale Ansätze. Daher erhöhen wir auch hier die Mittel. ({0}) Daneben muss auch der reguläre Etat des Gesundheitsministeriums bespielt werden. Schon vor der Pandemie hatten wir mit steigenden Kosten im Gesundheitssystem zu kämpfen. Besonders in ländlichen Regionen sehen wir, wie die Strukturen abgebaut und reduziert werden. In der Pflege sind wir schon über der Belastungsgrenze. Ohne die tolle und aufopfernde Arbeit der Menschen in den Gesundheitsberufen und übrigens auch der pflegenden Angehörigen hätten wir schon lange eine Krise kaum vorstellbaren Ausmaßes. Den Pflegenden bin ich dankbar, und ich möchte hier auch ausdrücklich Danke sagen. ({1}) Der Minister und seine Mitarbeiter/-innen und die Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss haben trotz dieser Doppelbelastung Hervorragendes geleistet. Kaum ein Land auf der Welt kommt so gut durch die Krise wie Deutschland. Auch wenn es richtig eng wurde, ist unser Gesundheitssystem nicht zusammengebrochen. ({2}) Gleichzeitig entwickeln wir unser Gesundheitssystem fort und machen es fit für das 21. Jahrhundert. Die Basis dafür bildet ein guter Haushalt. Natürlich haben wir uns in der SPD-Fraktion über einige Aspekte besonders gefreut. Weil das meiste schon gesagt wurde, jetzt einfach im Schnelldurchlauf: Wir stärken die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Wir bauen die gematik zu einer digitalen Gesundheitsagentur aus, und wir stellen die notwendigen Mittel bereit. In der Drogenpolitik haben wir uns viel vorgenommen. Wir werden den Cannabiskonsum entkriminalisieren und legalisieren; das ist längst überfällig. ({3}) Es ist klar, dass durch die neue Verfügbarkeit auch Risiken im Gesundheitsbereich entstehen können. Dafür müssen wir uns gut aufstellen. Deswegen stärken wir gleichzeitig die Mittel für die Suchtprävention. Die globale Gesundheit habe ich eingangs schon erwähnt. Nicht nur in der Pandemie müssen wir mehr Verantwortung übernehmen. Deswegen habe ich mich sehr gefreut, dass wir – wir haben es gestern in der Debatte zum Einzelplan 23 gehört – zum Beispiel die Mittel für GAVI, die globale Impfallianz, und den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria erheblich gesteigert haben und wir Verpflichtungen für die nächsten Jahre eingegangen sind. Einen Punkt möchte ich hier noch erwähnen. Der § 219a StGB wird bald Geschichte sein. ({4}) Wenn es nach mir geht, wird es dem § 218 StGB noch in dieser Legislatur ähnlich ergehen. ({5}) Freie Information kann nur ein erster wichtiger Schritt dahin sein, den gebärfähigen Menschen wieder das volle Recht am eigenen Körper zu geben. Ein guter Anfang ist geschafft, das halbe Glück haben wir, und ich freue mich auf die nächste Haushaltsrunde. Ich habe die 30 Sekunden auch noch eingeholt und sage vielen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die AfD-Fraktion hat nun der Abgeordnete Kay-Uwe Ziegler das Wort. ({0})

Kay Uwe Ziegler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005265, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Lauterbach! Nach knapp 50 Milliarden Euro im letzten Jahr nun ein Etat von 64,4 Milliarden Euro. 64,4 Milliarden Euro, das sind fast 50 Milliarden Euro mehr als die 15 Milliarden Euro aus dem Jahr 2019. Im Zweifelsfall lautet die Erklärung für diesen gigantischen Aufwuchs immer: Corona. Deshalb hier noch einmal kurz die InEK-Daten für die letzten beiden Jahre: Hatten wir im Jahr 2019 noch gut 19,2 Millionen Fälle in den Krankenhäusern, waren es 2020 und 2021 nur noch 16,7 Millionen Fälle. Das sind 2,5 Millionen Fälle weniger in den Krankenhäusern pro Jahr. Von diesen nur 16,7 Millionen Fällen waren 2020 111 000 und 2021 276 000 wegen Corona in den Krankenhäusern. Das waren keine 2 Prozent. Wir hatten also keine Überlastung, sondern eine massive Unterauslastung in unseren Krankenhäusern. Ein 64,4-Milliarden-Euro-Etat mit der Begründung „Corona“ ist deshalb abzulehnen. ({0}) Kleines Beispiel aus dem richtigen Leben gefällig? Im kommunalen Gesundheitszentrum Bitterfeld-Wolfen schließt im März 2020 die Geburts- und Frauenklinik, angeblich aus wirtschaftlichen Gründen. Die jetzt nicht mehr benötigten 20 Betten werden für Coronapatienten frei gehalten. Das bringt 560 Euro pro Tag und Bett, also 11 000 Euro täglich. Patienten auf dieser Station über Monate? – Null! Eine Geburtsklinik können wir uns nicht leisten, Leerstand aber wird finanziell honoriert. Der Kreistag von Anhalt-Bitterfeld spricht sich für die Wiedereröffnung dieser Klinik aus und beschließt sogar ein Budget für die Anlauffinanzierung. Ergebnis? – Das Land Sachsen-Anhalt sowie das SPD-geführte Gesundheitsministerium blockieren die Wiedereröffnung dieser Klinik bis zum heutigen Tag. Das ist die aktuelle Gesundheitspolitik: Hier den Etat mehr als vervierfachen, aber für die Daseinsvorsorge in der Fläche ist kein Geld da, und das ist eine Schande, meine Damen und Herren. ({1}) Werte Kolleginnen und Kollegen, wie wäre es denn zum Beispiel, den Mitarbeitern in den Gesundheitsberufen dauerhaft mehr Geld zu geben statt einen einmaligen Pflegebonus? Wir könnten aber auch die Gebührenordnung für Ärzte novellieren. ({2}) Die letzte Anpassung ist noch von 1996, und die Gebühren werden immer noch in D‑Mark ausgewiesen. Das und vieles andere mehr würden wir vorbehaltlos unterstützen. Aber diesen 64-Milliarden-Euro-Kampf unseres Gesundheitsministers Lauterbach, der wie Don Quichotte weiter unermüdlich gegen Coronawindmühlen anreitet, den wird unsere Fraktion ganz sicher nicht mittragen. ({3}) Statt unter dem Deckmantel „Corona“ die Klinikkonzerne, Testcenterbetreiber und die Pharmaindustrie immer reicher zu machen, lassen Sie uns dieses Geld lieber in die Gesundheit unserer Bürger investieren. Vielen Dank. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Dietrich Monstadt für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dietrich Monstadt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004113, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen! Meine Herren! Ja, Herr Minister, Sie haben recht, dass dieser Haushalt ein Haushalt der Krise ist. Ja, er ist vor allem ein Haushalt der Krise Ihres Hauses. Es zieht sich wie ein roter Faden durch diesen Haushalt, dass gravierende Probleme im Gesundheitsbereich hier nicht abgebildet sind, und damit liegt die Befürchtung nahe, dass sie auch nicht angegangen werden. Herr Minister, ich darf noch mal die MDR, die Medical Device Regulation, ansprechen. Hierzu haben meine Fraktion und mich zahlreiche besorgte Anfragen erreicht, nicht nur von vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen; vielmehr sind vor allem Ärzte und Patienten von der neuen Regelung massiv betroffen, bis hin zu lebensbedrohlichen Konsequenzen für manche Patienten. Rund 25 000 Zertifizierungen für Medizinprodukte werden bis zum Ende der Übergangsperiode im Mai 2024 benötigt. Doch es können pro Jahr nur circa 6 000 Bescheinigungen durch die sogenannten Benannten Stellen ausgestellt werden, also in zwei Jahren circa 13 000 Bescheinigungen. Wenn jetzt nichts unternommen wird, verschwinden Mitte des Jahres 2024 bis zu 40 Prozent der derzeit noch genutzten Medizinprodukte vom Markt. Meine Damen und Herren, stellen Sie sich einmal vor, Ihr Kind benötigt zum Beispiel dringend einen Herzkatheter in der Kinderkardiologie; doch der Katheter, den es seit langer Zeit gibt, kann nicht verwendet werden, weil er nicht zertifiziert ist. ({0}) Ihr Kind könnte nicht behandelt werden – mit gegebenenfalls gravierenden gesundheitlichen Folgen. Herr Minister, das können wir der Bevölkerung doch nicht erklären. ({1}) Die Zeit rennt uns davon. Der Zertifizierungsprozess bei den Benannten Stellen dauert im Durchschnitt 18 Monate. Die Unternehmen brauchen jetzt Klarheit darüber, was politisch hier und in der EU entschieden wird. Wenn wir gegenüber der EU nicht politisch aktiv werden, verlieren wir geschätzt 10 Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen und circa 40 Prozent der zugelassenen Medizinprodukte. Herr Minister, Sie müssen jetzt handeln! ({2}) Meine Damen und Herren, die Regierung hat uns erklärt, umfassende Präventionsmaßnahmen in den Vordergrund rücken zu wollen. Der Schlüssel zur Bekämpfung von Krebserkrankungen, von Bluthochdruck und der Volkserkrankung Diabetes mellitus liegt nicht allein in besseren Therapien und Medikamenten, sondern auch in der Prävention und Aufklärung der Bevölkerung. ({3}) Daher frage ich mich, warum die Ampelkoalition hier nicht mehr tut. Im Haushaltsplan sollen für die Bekämpfung des Diabetes mellitus nur 3 Millionen Euro jährlich fortgeschrieben werden. Das ist die Festschreibung des Status quo – ohne Inflationsausgleich. Das ist keine Weiterentwicklung. ({4}) Gemeinsam haben wir als Union mit der SPD in der letzten Legislaturperiode hier im Bundestag mehrheitlich einen umfassenden Antrag zur Einführung einer „Nationalen Diabetes-Strategie“ beschlossen. Was ist aus diesem Antrag geworden? Warum wird diese Strategie in diesem Haushalt nicht unterlegt? Damit droht auch hier ein nicht zu verantwortender Stillstand. Auch ein anderes wichtiges Vorhaben, das in der letzten Legislaturperiode begonnen wurde, wird jetzt nicht in der erforderlichen Intensität umgesetzt. Herr Minister, ich frage Sie: Was passiert mit dem nationalen Endoprothesenregister? Das ist ein Register, das die Operationsdaten der Krankenhäuser sammelt und analysiert. ({5}) Die Transformation dieses privat aufgebauten Registers in den öffentlichen Bereich droht zu scheitern. Die Untätigkeit des Ministeriums und damit Ihre Untätigkeit, Herr Minister, verursacht eine mangelnde Datenerfassung. Die vielfältigen Aussagemöglichkeiten dieses Registers gehen damit verloren. Auch hier finden sich im Haushalt keine Ansätze. Insgesamt lässt sich festhalten, dass diese Haushaltsansätze keine Verbesserung für die Gesundheit der Menschen in Deutschland erkennen lassen. Im Gegenteil: Sie sind ein Rückschritt, vor allem in den von mir angesprochenen Bereichen. Den Haushalt für das Gesundheitsministerium lehnen wir ab. Vielen Dank. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Dr. Armin Grau das Wort. ({0})

Prof. Dr. Armin Grau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Beschäftigte im deutschen Gesundheitswesen! Herr Braun, Sie äußerten in Ihrer Rede Sorge um die deutschen Krankenhäuser. Da müssen Sie sich doch die Frage gefallen lassen, warum Sie von der CDU die vielen Jahre nicht genutzt haben, um eine Krankenhausstruktur- und eine Krankenhausfinanzierungsreform durchzuführen, die die deutschen Krankenhäuser krisenfest gemacht hätte. ({0}) Ich habe die Pandemie, die leider nicht vorbei ist, zwei Jahre lang im Krankenhaus miterlebt und weiß, wie hart der Kampf aller Beschäftigten am Krankenbett war; auch wenn die Herren und Damen auf der rechten Seite das alles nicht verstehen und wahrhaben wollen. Ich bin weiterhin in Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen und höre ihre Sorgen aufgrund des hohen Krankenstands, des Fachkräftemangels und der dadurch nicht besetzbaren Stellen. In vielen Krankenhäusern dürfen derzeit zum Beispiel aber auch keine ärztlichen Stellen besetzt werden, weil die Geschäftsführungen die Sorge haben, die Krankenhäuser könnten sich von den coronabedingten Fallzahleinbrüchen nicht erholen. Die stationären Behandlungszahlen lagen 2021 rund 14 Prozent unter denen von 2019; das betrifft auch schwere Notfälle wie Schlaganfälle und Herzinfarkte, mutmaßlich weil Patientinnen und Patienten die Sorge haben, sich in Kliniken anzustecken. Geschätzt 60 Prozent der deutschen Krankenhäuser haben 2021 rote Zahlen geschrieben. Es geht die Sorge vor einem Krankenhaussterben um, vor einer sogenannten kalten Strukturbereinigung durch die Pandemie. Diese Situation setzt insbesondere diejenigen unter Druck, die an der Bewältigung der Pandemie so grandios mitgewirkt haben. Wir in der Ampelregierung haben mit unserer Politik und unserem Haushalt im Gesundheitsbereich Antworten auf diese Sorgen. Die Ausgleichszahlungen für die Krankenhäuser, die bis zum 18. April verlängert wurden, steigen noch einmal um 1,1 Milliarden Euro, und die Versorgungsaufschläge, die bis zum 30. Juni ausgeweitet wurden, sind im Haushalt gegenfinanziert. Mit dem Pflegebonusgesetz erhöhen wir außerdem die Abschlagszahlungen beim Pflegebudget auf 200 Euro. Damit schaffen wir Liquidität für die Krankenhäuser. Wir haben die angespannte finanzielle Lage der Kliniken und die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Blick und wissen, dass wir je nach Verlauf der Pandemie nachsteuern müssen. ({1}) Im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, dass eine Finanzierungsreform Vorhaltekosten berücksichtigt. Damit wirken wir bisherigen Fehlanreizen nachhaltig entgegen. Wir stoppen den Hamsterradeffekt in den Krankenhäusern, der die Arbeitsbedingungen so verschlechtert hat – im Übrigen etwas, was Herr Spahn nie angegangen ist. Mit einer Strukturreform für die Krankenhäuser und einem Ausbau der sektorübergreifenden Versorgung werden wir in der Ampel unser Gesundheitssystem zukunftssicher machen und Effizienzreserven heben. So bringen wir die Gesundheitspolitik auf Kurs. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Simone Borchardt für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Simone Borchardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005030, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute über den Haushalt und jetzt über den Einzelplan 15. Wir können hier sehen, dass vieles gut gemeint ist, dass aber nicht alles gut gemacht und erst recht nicht gut geplant ist. Die Jahre der Pandemie haben gewirkt wie ein Brennglas und wie ein Brandbeschleuniger. In nahezu allen Sektoren wurde dringender Reformbedarf offenkundig. Das gilt sowohl für den öffentlichen Sektor wie auch für den Gesundheitssektor. Für den Staat sollte aber gelten, dass die Verantwortlichen in der jetzigen Regierung und damit heute und jetzt die Zeichen der Zeit erkennen, ({0}) die nötigen Lehren daraus ziehen und endlich anfangen, überhaupt zu handeln, und wichtige Weichenstellungen unter neuen Vorzeichen mit der Erfahrung durch die Pandemie endlich einleiten. ({1}) Die kommenden Generationen drohen schon jetzt von den explodierenden Kosten völlig erdrückt zu werden. ({2}) Wenn wir uns jetzt den Haushalt anschauen, stellen wir fest, dass es ein strukturelles Defizit gibt, welches auch nach Aussagen des Bundesministers in der Vergangenheit durch eine Erhöhung von Beiträgen refinanziert werden soll. Damit belasten Sie die Menschen, die Beschäftigten und vor allem die Unternehmen zusätzlich. ({3}) Das kann nicht wirklich Ihr Ernst sein. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Simone Borchardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005030, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, danke. ({0}) Wir bewegen hier mittlerweile so viel Geld in diesem System. Wir haben kein Einnahmeproblem, wir haben ein Ausgabeproblem. Sie sind jetzt und hier die Regierung. Gehen Sie endlich die Themen richtig an! Wir müssen effizienter werden im Gesundheitssektor. Deshalb sage ich jetzt und hier: Gehen Sie das Thema Krankenhausfinanzierung und die damit verbundene Ambulantisierung von Leistungen an! ({1}) Gehen Sie das Präventionsgesetz an! Es ist wichtig, Zivilisationskrankheiten zu vermeiden. ({2}) Durch Erkrankungen wie Krebs, Diabetes, Bluthochdruck gibt es viel mehr Kranke und Tote als durch Corona. Es gibt also auch noch andere Themen, die wir hier bespielen müssen. ({3}) Meines Erachtens werden die Schwerpunkte nicht richtig gesetzt. ({4}) Wie gesagt: Hören Sie bitte auf, sich immer nur mit dem Thema Corona zu beschäftigen! Die Menschen bewegen nämlich auch noch andere Dinge im Gesundheitssektor, und das System muss funktionieren. Wir haben wesentlich andere Sorgen in diesem Bereich. ({5}) Was Sie hier planen, ist keine zukunftsfähige Politik für unsere Kinder und Enkelkinder und somit nicht gerecht. Setzen Sie das Geld effektiv ein! Damit können Sie die Beitragszahler entlasten. Das ist auch die richtige Qualität für unser Gesundheitswesen. Fangen Sie an, Ihre Arbeit zu machen! Nehmen Sie die Prozesse in den Blick, und denken Sie bitte vor allem an die Beschäftigten im Gesundheitswesen! Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Heike Baehrens für die SPD-Fraktion. ({0})

Heike Baehrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Frau Borchardt, wir erkennen die Zeichen der Zeit. Schritt um Schritt geht unsere Fortschrittskoalition die großen Strukturaufgaben an, wir stärken die Gesundheitsversorgung bei uns im Land und auch darüber hinaus, und wir wappnen uns für zukünftige Herausforderungen. ({0}) Im Zentrum unserer Anstrengungen steht die Pflege. Der Pflegebonus, für den wir 1 Milliarde Euro in diesem Haushalt bereitstellen, ist ein spürbares Zeichen der Anerkennung, aber es ist nur ein kleiner erster Schritt; denn Pflegekräfte brauchen nachhaltige Verbesserungen. Sie müssen sich auf gute Arbeitsbedingungen, auf ordentliche Personalschlüssel und gute Bezahlung verlassen können. ({1}) Und da bleiben wir konsequent dran. ({2}) Darum sorgen wir dafür, ({3}) dass die Profession Pflege endlich den Stellenwert in unserem Gesundheitssystem bekommt, der ihrer Schlüsselrolle entspricht. ({4}) Wo immer über gute Versorgung geredet und entschieden wird, da gehört die Pflege mit an den Verhandlungstisch, und zwar auf Augenhöhe mit der Ärzteschaft und den Krankenkassen. ({5}) Damit der Deutsche Pflegerat, der die fachliche Expertise der Pflege bündelt, seine Stimme in den Gremien der Selbstverwaltung kraftvoll einbringen kann, erhält er mit dem heutigen Haushaltsbeschluss endlich die nötige finanzielle Ausstattung, immerhin in einer Größenordnung von 900 000 Euro. ({6}) Ja, ich bin richtig stolz, dass unser jahrelanges Bemühen um eine Stärkung der Pflegeprofession in unserem Gesundheitssystem in diesem Haushaltsplan heute endlich auch seinen materiellen Niederschlag findet. ({7}) Mit diesen Mitteln kann der Deutsche Pflegerat seine Geschäftsstelle stärken. Er kann als regelmäßiger Ansprechpartner für Politik und Medien seine Aufgabe verantwortungsvoll wahrnehmen und bekommt dafür eben die notwendigen Ressourcen, um auch durch wissenschaftliche Stellungnahmen kontinuierlich an Gesetzgebungsverfahren mitwirken zu können. ({8}) Ob es um die anstehende Krankenhausreform geht oder um die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung: Wir brauchen die Erfahrung und Expertise der Pflege. Deshalb wünschen wir uns als SPD eine starke politische Vertretung der Pflege. ({9}) Wichtig bleibt aber auch, über den Tellerrand hinauszuschauen – das fällt Ihnen ganz offensichtlich immer noch schwer –; ({10}) denn Gesundheit und Wohlergehen hängen ganz wesentlich davon ab, wie es uns gelingt, auch über Ländergrenzen hinweg zusammenzuarbeiten – nicht nur in der Pandemie, die uns aber sehr deutlich gezeigt hat, wie notwendig das ist, sondern auch bei Fragen der Welternährung und vor allem beim Klimawandel. ({11}) Deutschland hat sich mit seinem Engagement für globale Gesundheit international ein hohes Ansehen erarbeitet. Die Anregung zum Global Action Plan kam von der Kanzlerin. Das große Engagement beim Impfstoffverteilmechanismus der WHO, Covax, ist wirklich ein Markenzeichen von Deutschland geworden, genauso wie die großartige Beteiligung am Globalen Fonds oder der vorhin schon genannte World Health Summit, der für die globale Gesundheit der Treffpunkt weltweit hier in Berlin geworden ist. Ich bin froh, dass wir es mit diesem Haushalt schaffen, unserer Verantwortung in einer globalisierten Welt weiter mit großem Einsatz gerecht zu werden, und zwar ressortübergreifend; denn maßgebliche Haushaltstitel für globale Gesundheit sind im Haushalt des Kanzleramts verwurzelt wie auch in dem des BMZ. Besonders wichtig ist mir die Aufstockung der Mittel für die Weltgesundheitsorganisation. ({12}) Denn wir müssen politisch alles tun, um sie in ihrer leitenden und koordinierenden Funktion zu stärken. Sie ist die Instanz für Pandemievorsorge und Krisenmanagement. Aber wie alle Organisationen der Vereinten Nationen kann die WHO nur so stark sein, wie ihre Mitgliedstaaten dies zulassen und wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb begrüße ich sehr, dass wir unter der G‑7-Präsidentschaft Deutschlands gerade ein klares Bekenntnis für eine bessere Ausfinanzierung durch die Mitgliedsbeiträge aller Staaten abgegeben haben. ({13}) Damit wird die WHO schlagkräftiger und unabhängiger. Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Fortschrittskoalition gestalten wir den Aufbruch in der Gesundheitspolitik und entwickeln Strukturen, die über die vier Jahre einer Legislaturperiode hinausreichen werden – bei uns in Deutschland und auf globaler Ebene. Nur so geht echte Modernisierung –

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin.

Heike Baehrens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004244, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

– und vor allem echte Vorsorge für die Zukunft. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Stephan Pilsinger das Wort. ({0})

Stephan Pilsinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004853, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie sicher schon alle mitbekommen haben, hat der FC Bundestag in Finnland zum ersten Mal seit elf Jahren wieder die Europameisterschaft der Parlamentarier gewonnen. ({0}) Besonderes Lob gebührt meinem Mannschaftskollegen, dem SPD-Staatssekretär Mahmut Özdemir, der nicht nur als Spieler, sondern auch als Trainer erheblich zu diesem Erfolg beigetragen hat. Lieber Mahmut, erhol dich gut von deinen Verletzungen! ({1}) Wenn man Karl Lauterbachs Rolle in der Gesundheitspolitik in die Fußballersprache übersetzen müsste, würde ich sagen, dass er weder Spieler noch Trainer noch Spielertrainer im BMG ist. Er ist ein Kommentator von der Seitenauslinie, der alles besser weiß, aber nichts besser macht. Karl Lauterbach nutzt sein Ministerbüro anscheinend als reine Studierstube für Studien, er geht seinen Beamten aus dem Weg, kommt fast nie in den Gesundheitsausschuss und hat seinen Pressesaal in das TV-Studio von Markus Lanz verlegt. Nun wird deutlich, was die SPD wahrscheinlich schon lange wusste, nämlich dass unser Herr Professor aus Köln leider nicht die Führungskraft zu entwickeln scheint, die ein Bundesminister täglich beweisen muss. ({2}) Herr Lauterbach, ich frage Sie: Können oder wollen Sie den Dauerkrisenmodus als reiner Coronaminister nicht abstellen? Man hat bei Ihnen fast den Eindruck, als ob Sie mit Ihren schwarzmalerischen Presseäußerungen zu Corona Ihre bislang schwache Bilanz an Gesetzentwürfen und Verordnungen zu übertünchen versuchen. Nach nur 16 Monaten Amtszeit konnte Jens Spahn 16 konkrete Gesetzentwürfe vorweisen. Nach sechs Monaten Karl Lauterbach hatten wir nur einen nichtcoronabezogenen Gesetzentwurf aus den Untiefen des BMG, den der Minister gleich wieder kassiert hat, nämlich den Referentenentwurf des Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 4. März. ({3}) Bei aller Notwendigkeit der Pandemiebekämpfung: Null Gesetzentwürfe zur nachhaltigen Gestaltung unseres Gesundheitssystems sind einfach zu wenig, Herr Minister. ({4}) Stattdessen liefern Sie unabgestimmte Alleingänge und Widersprüche in Ihrem eigenen Agieren. Sie kündigen Anfang April an, die Isolationspflicht für Coronainfizierte komplett aufheben zu lassen, nur um diese Ankündigung kurz darauf bei „Markus Lanz“ und in der folgenden Nacht per Twitter wieder einzukassieren. Anfang Mai ziehen Sie Ihren Gesetzentwurf zur Triage zurück, der die Behandlungsreihenfolge in den Kliniken regeln sollte. Ausgerechnet am Ostersonntag warnen Sie in den Medien vor angeblichen Corona-„Killervarianten“, ({5}) um diese groteske, in keiner Weise wissenschaftlich unterlegte Aussage dann wieder kleinlaut relativieren zu müssen. Im Frühjahr bestellen Sie munter neue Impfstoffe für Coronawellen, die noch gar nicht absehbar sind. Jetzt haben wir Überschüsse von 70 Millionen Dosen und zusätzliche Kosten von knapp 3 Milliarden Euro. Apropos Impfstoffe: Den Medien entnehme ich – im Gesundheitsausschuss sind Sie ja nicht –, dass Sie nun 240 000 Dosen Impfstoff gegen den Affenpockenvirus bestellt haben, übrigens Impfstoff eines US-Herstellers, der in Europa noch gar nicht zugelassen ist. Es wäre außerdem gut gewesen, Herr Minister, wenn Sie den besorgten Bürgern heute versichert hätten, dass Sie keine Impfpflicht gegen die Affenpocken auf den Weg bringen wollen. Jetzt und hier haben Sie die Möglichkeit, allen Verschwörungstheoretikern diesbezüglich den Wind aus den Segeln zu nehmen. Hören Sie endlich auf, der AfD durch Kommunikationsfehler immer neuen Stoff für ihre Kampagnen zu liefern! ({6}) Herr Minister Lauterbach, bitte seien Sie in Zukunft mehr Teamspieler, und geben Sie, wenn nötig, Ihren Staatssekretären mal einen Pass, damit wenigstens Sabine Dittmar oder Edgar Franke einen wichtigen Treffer zur Lösung wichtiger gesundheitspolitischer Themen landen können. Vielen Dank. ({7})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Dr. Kirsten Kappert-Gonther für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004773, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gesundheitspolitik ist ja darum so toll, weil sie so elementar für jeden einzelnen Menschen ist – für Frauen, für Männer, für alle Geschlechter, von ganz jung bis ganz alt. Wir alle sind darauf angewiesen, dass wir ein gutes Gesundheitssystem haben. Wir brauchen nicht nur eine gute Versorgung, die im Krankheitsfall verlässlich ist, sondern eine Politik, die gerade in Krisenzeiten Prävention und Gesundheitsförderung in das Zentrum stellt. Darum ist es gut, dass wir den Nationalen Präventionsplan etabliert haben. Aber auch Klimaschutz ist Gesundheitsschutz: Effektiver Klimaschutz senkt das Risiko für weitere Pandemien signifikant. ({0}) Eine Haushaltsdebatte, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit den vielen großen Zahlen, die wir heute gehört haben, ist trotzdem manchmal ganz schön abstrakt. Da ist es sinnvoll, dass wir uns noch mal vor Augen führen: Bei der Finanzierung der Krankenversicherung geht es eben nicht nur um große Milliardensummen, sondern es geht im Kern um unser Solidarsystem, das die Menschen im Ernstfall nicht alleine lässt. ({1}) Besonders für schwer und chronisch Kranke, insbesondere auch für psychisch Kranke, ist das grundlegend. Darum ist es so wichtig, dass wir uns im Koalitionsvertrag die Stärkung der seelischen Gesundheit auf die Fahnen geschrieben haben. Die drei großen Krisen – die Klimakrise, die Coronapandemie und jetzt der schreckliche Krieg gegen die Ukraine –, sie zerren an den Nerven, sie belasten unser aller Seelen, und infolgedessen – das muss uns bewusst sein – wird der Bedarf an psychosozialer Versorgung, an Psychotherapien noch steigen. Das heißt, wir müssen sowohl jetzt den akuten Bedarf abdecken und für die Zukunft vorbeugen. ({2}) Wir erhöhen den Zuschuss für die Aktion Psychisch Kranke um 100 000 Euro. Für die Entstigmatisierung psychiatrischer Erkrankungen ist es unerlässlich, die Expertise von Expertinnen und Experten aus Erfahrung, von Personen mit Psychiatrieerfahrung einzubeziehen. Hierauf werden wir und müssen wir aufbauen und die Fortsetzung des Psychiatriedialogs sowie die Stärkung der Suizidprävention finanziell sichern. Abschließend. Was mich besonders freut und wofür viele Menschen sich über Jahre engagiert haben, ist, dass wir mit diesem Haushalt den Einstieg in die kontrollierte Freigabe von Cannabis einläuten. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollegin, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage des Kollegen Ates Gürpinar?

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004773, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wo sitzt denn der Kollege Ates Gürpinar?

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Hier, bei der Linken.

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004773, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, die gestatte ich. Aber ich darf diesen einen Satz noch zu Ende sagen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich habe die Uhr angehalten, und er stellt jetzt entweder die Frage, oder es geht weiter.

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004773, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Dann stellen Sie bitte die Frage, und dann fahre ich fort. – Gerne.

Ates Gürpinar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005073, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, es ist eine Frage an die letzte Rednerin der Koalition. Sie haben gerade gesagt: Die Zahlen im Haushalt, die für den Gesundheitsplan und natürlich auch für andere Pläne vorliegen, sind sehr abstrakt. – Ich weise noch mal darauf hin – es wundert mich, dass niemand diese Frage, die aus verschiedenen Oppositionsfraktionen eingegangen ist, beantwortet hat –: Es wird sehr, sehr konkret, wenn wir für die Versicherten eine Lücke von 17 Milliarden Euro haben, die von den Menschen auszugleichen ist, die hier jeden Tag arbeiten. Die Folge wird eine Lohnkürzung sein, die spätestens Ende des Jahres bei den Menschen wirklich ankommen wird. In der jetzigen Situation möchte ich Sie fragen: Wie wird die sehr, sehr, sehr konkrete Situation für die Menschen in diesem Land geändert werden? Was wollen Sie tun, damit diese Lücke von 17 Milliarden Euro, die hier von uns bislang nicht ausgeglichen wurde, am Ende des Jahres nicht bei den Menschen ankommt?

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004773, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank für die Frage, Herr Kollege. – Sie haben recht: Es ist ein Riesenproblem, dass wir ein Defizit von 18 Milliarden Euro in der gesetzlichen Krankenversicherung haben. Zentraler Grund ist nicht etwa die Pandemie, sondern Grund sind relevante Fehlstellungen ({0}) durch Gesetze, die die Union auf den Weg gebracht hat –, die dazu geführt haben, dass wir jetzt dieses strukturelle Defizit haben. ({1}) Das ist erst mal das Wichtige. Jetzt ist es an uns, die wir das von Ihnen geerbt haben, dieses Defizit auszugleichen. Dafür wird es Lösungen geben, und zwar Lösungen, die weder die gesetzlich Versicherten belasten noch zu Leistungskürzungen führen – ein sehr relevanter Punkt. ({2}) Bevor Sie die Frage gestellt haben, waren wir bei der sehr erfreulichen Botschaft, dass wir den Einstieg in die kontrollierte Freigabe von Cannabis jetzt einläuten und damit nicht nur jahrzehntelange Ungerechtigkeiten überwinden, sondern endlich auch den Jugend- und Gesundheitsschutz stärken. ({3}) Deswegen haben wir die Präventionsmittel wieder aufgestockt und 1 Million Euro für begleitende Maßnahmen zur Cannabislegalisierung eingeplant. Wir haben mit der Ampelkoalition ganz deutlich gemacht: Es ist wichtig, dass wir viele Akteurinnen und Akteure einbeziehen und dass der Drogenbeauftragte einen Konsultationsprozess durchführt. Aber dann muss auch verbindlich noch in diesem Jahr ein Gesetzentwurf zur kontrollierten Freigabe von Cannabis durch die Bundesregierung vorgelegt werden. ({4}) Damit das gelingt –

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das müssen wir jetzt in die nächste Debatte verschieben.

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004773, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

– ich komme zum Schluss –, haben wir acht neue Stellen für die Projektgruppe Cannabis im BMG vorgesehen. Jetzt kann die Arbeit losgehen. Butter bei die Fische! Ich danke fürs Zuhören. ({0})

Josef Rief (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004136, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Die erste Frage lautet: Was können wir tun, um die Katastrophe, ausgelöst durch Putins Angriffskrieg, wenigstens zu lindern und die dramatische Ernährungssituation in Afrika zu verbessern? Herr Minister, was machen Sie? Bisher wenig bis nichts! ({0}) Nein, Sie stehen vernünftigen Lösungen sogar im Weg. Wenn Sie etwas tun wollen, Herr Minister, gehen Sie noch heute in Ihr Ministerium und lassen den Pflanzenschutz bei Eiweißpflanzen auf Vorrangflächen zu. Die Mehrerträge auf den knapp 100 000 Hektar entsprechen 100 Millionen Kilogramm Getreideäquivalent. Allein damit könnten wir 1 Million Menschen ein Jahr lang mit Brot versorgen. ({1}) Wenn Sie früher dran gewesen wären, wären es sogar mindestens doppelt so viele. Die EU lässt das zu. Österreich zum Beispiel macht das. Andere Länder machen es. Sie machen nichts. Kommen Sie mir nicht mit dem Argument, Sie ließen die ökologischen Vorrangflächen für Futterzwecke zu. Das war schon in den trockenen Jahren 2018 und 2019 möglich und wirkt geradezu lächerlich angesichts dieser Herausforderungen. Wenn wir ackerfähiges Grünland nur für wenige Jahre umbrechen würden, könnten wir zusätzlich mehrere Millionen Menschen mit Brotgetreide versorgen. Auch hier das Gleiche: Die EU ließe es zu. In Deutschland passiert nichts, und es würde nicht mal etwas kosten. ({2}) Was können wir eigentlich von Ihnen erwarten, Herr Minister, wenn es um die geplanten 4 Prozent Flächenstilllegungen ab kommendem Jahr geht? Das muss man der Bevölkerung einmal erklären. Wir beklagen den Mangel an weltweiter Weizenproduktion. Das Welternährungsprogramm warnt vor einer Hungerkatastrophe. Ich darf auf die Reden Ihrer Ministerkolleginnen hinweisen. Gleichzeitig legen wir ab 2023 4 Prozent Ackerfläche still. ({3}) Damit tragen wir dazu bei, dass Millionen Menschen, besonders in Afrika, sich ihr tägliches Brot nicht mehr leisten können und hungern müssen. ({4}) Um nicht falsch verstanden zu werden: Ökologische Ziele sind wichtig. Sie verkommen aber zu westlicher Dekadenz, wenn große Teile der Weltbevölkerung infolge des 24. Februars von Hunger bedroht sind. ({5}) Stattdessen schlagen Sie vor, die Fruchtfolge zu ändern und Stoppelweizen anzubauen. Mit ein wenig Sachverstand weiß man: Wo es möglich ist in Deutschland, wird dies längst gemacht. Ansonsten ist es unsinnig und führt zu Mindererträgen. Es muss auch endlich Schluss sein mit dem Fleisch-Bashing. Die Tiere sind nicht unmittelbar Nahrungskonkurrent, wie Sie es, Herr Minister, bald in jeder Rede behaupten. ({6}) Sie wissen genau, dass nur ein Teil des Brotgetreides Brotqualität hat. Nicht überall ist es möglich, A-Weizen zu ernten. Unsere Nutztiere verwandeln für den Menschen kaum verwertbare Pflanzen in wertvolle Nahrungsmittel. ({7}) Jeder, der sich ernsthaft damit befasst, weiß – und ich bitte, jetzt mal genau zuzuhören –, dass für jedes Kilo pflanzliche Nahrung, das auf dem Teller landet, circa 4 Kilo Biomasse mit produziert werden, die wir als Menschen nicht verwerten können. Deshalb gehört Tierhaltung seit Jahrtausenden zum Menschen. ({8}) Aus diesem Grund können sich auch die 35 Millionen Haustiere – übrigens: genauso viele Rinder und Schweine gibt es in Deutschland – darauf verlassen, dass wir auch für sie künftig Futter bereitstellen, damit sie ihre wichtigen Funktionen erfüllen können. ({9}) Nutztierhaltung nutzt Grünland und für den Menschen nicht geeignete Futtermittel und hilft, mit Wirtschaftsdünger zusätzliche hochwertige Nahrungsmittel zu erzeugen. All diese Probleme bildet Ihr Haushalt nicht ab. Sie haben den Etat um fast 7,4 Prozent gekürzt. Gleichzeitig steigen die Personalkosten um sage und schreibe 65,5 Millionen Euro. ({10}) Es ist Luft im Haushalt. Trotzdem kürzen Sie den Zuschuss zur Unfallversicherung. Das belastet die Landwirte zusätzlich mit mindestens 18 Prozent höheren Beiträgen zur Berufsgenossenschaft; sie müssen also 18 Prozent mehr bezahlen. Ich glaube, in dieser Zeit ist das das völlig falsche Signal. ({11}) Sie alle, meine sehr geehrten Damen und Herren, können jetzt noch der Anhebung zustimmen. Unser Antrag liegt vor. Stimmen Sie einfach für ihn! Ich danke Ihnen, Herr Minister – das möchte ich auch sagen –, dass Sie die 60 Millionen Euro Hilfsgelder der EU mit 120 Millionen Euro aufstocken. Doch Ackerbaubetriebe und die Milchviehhalter sollen leer ausgehen. Wir würden über die Förderung des Agrardiesels alle Bauern bei den gestiegenen Energiekosten entlasten. ({12}) Das Investitionsprogramm Landwirtschaft haben Sie um 63 Millionen Euro und weitere 4 Millionen Euro abgesenkt. Der Ansatz für das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung wurde ebenfalls verringert. Kürzungen mit Ausgaberechten aus dem Coronajahr zu begründen, ist zwar nachvollziehbar. Wir hätten es aber im Gegensatz zu Ihnen den Bauern an anderer Stelle zurückgegeben. ({13}) Ihr Haushalt, Herr Minister, zeigt mit den Reduzierungen aber den Stellenwert der Landwirtschaft für die Ampel. Ihre Ankündigungen zum Tierwohl sucht man vergebens. Sinnvolle Erhöhungen wie bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ stammen noch aus der alten Regierung. Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht, die katastrophalen Auswirkungen des Ukrainekrieges tatsächlich zu bekämpfen und die Bauern und den ländlichen Raum voranzubringen! Darum bitte ich Sie ganz herzlich. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({14})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Dr. Sebastian Schäfer das Wort. ({0})

Dr. Sebastian Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005201, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Diesen Bundeshaushalt stellen wir in einer Zeit multipler Krisen auf: Die Pandemie ist noch nicht vorbei und hat schon jetzt einen gravierenden volkswirtschaftlichen Schaden hinterlassen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine geht unvermindert mit voller Härte weiter und verursacht großes Leid vor Ort. Wir stehen dadurch als Bundesrepublik vor immensen wirtschaftlichen Problemen. Und natürlich haben wir die Menschheitsaufgabe, Lösungswege für die Klimakrise zu finden, deren Auswirkungen sich immer heftiger zeigen. Die Landwirtschaft ist von diesen Herausforderungen ganz besonders betroffen. Unsere Landwirtinnen und Landwirte spüren das jeden Tag: steigende Kosten bei Mineraldüngern und Energie, Dürreperioden, Starkwettereignisse und der zunehmende Schwund der Biodiversität, um nur einige der Probleme zu nennen. Wir sehen es bei der Landwirtschaft ganz besonders stark: Wir sind durch die globalen Krisen verletzlich. Diese Verletzlichkeit führt uns eindrucksvoll vor Augen, welch wichtige Arbeit die Landwirtinnen und Landwirte täglich für unsere Gesellschaft leisten. Sie sichern unsere Ernährung und damit buchstäblich unser Überleben. ({0}) Dass das alles keine Selbstverständlichkeit ist, sehen wir momentan durch die ausbleibenden Getreidelieferungen aus der Ukraine und aus Russland, die die Welternährung ernsthaft bedrohen und vor allem im Globalen Süden zu schweren Hungersnöten führen können. Es wird gerade aber auch deutlich, dass die Landwirtschaft einen wichtigen Beitrag zur Lösung dieser Krisen leisten kann. Dabei ist es zentral, dass wir damit aufhören, Kollege Rief, Krisen gegeneinander auszuspielen und sie damit zu verschärfen. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich muss an dieser Stelle schon sagen: Über einige Ihrer Anträge im parlamentarischen Verfahren habe ich mich doch sehr gewundert. Jetzt ist weder die Zeit, die Mittel für die Welternährungsorganisation FAO abzusenken, wie Sie das gerne gemacht hätten, ({2}) noch ist es Zeit, die Förderung für den Ökolandbau zu kürzen. Ganz im Gegenteil! ({3}) Gestatten Sie mir ein Zitat, Frau Präsidentin: Wir dürfen nicht eine Krise nach der anderen bewältigen, sondern wir müssen simultan vorgehen. Ich weiß, das ist schwierig und überfordert viele. Aber wenn wir das nicht tun, wenn wir warten, zum Beispiel bei der Lösung der ganzen Umweltprobleme, dann zahlen wir später einen viel höheren Preis, um eine Lösung zu erzielen. – Ich zitiere hier nicht den Minister oder meine Parteivorsitzende. Klaus Schwab, der Gründer des Weltwirtschaftsforums in Davos, hat das neulich festgestellt. Und er hat recht. ({4}) Daher ist es richtig, dass wir mit diesem Haushalt die Weichen stellen, um die dringend notwendige Transformation der Landwirtschaft voranzutreiben, um das Klima zu schützen, die Biodiversität zu bewahren, die Qualität unserer Böden zu erhalten und damit den Agrarsektor zukunftsfester zu machen und gleichzeitig die Ernährung und den Erhalt unserer Höfe zu sichern. Nur wenn wir die Herausforderungen von morgen bereits jetzt bei der Lösung der Probleme von heute mitdenken, werden wir all das gleichzeitig schaffen. Herzlichen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Abgeordnete Ulrike Schielke-Ziesing für die AfD-Fraktion. ({0})

Ulrike Schielke-Ziesing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004873, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! In Zeiten von Krisen zeigt sich bekanntermaßen, was tatsächlich wichtig ist und wo die größten Probleme liegen. Erst wenn der Teller nicht mehr voll ist, hört die Debatte darüber auf, ob es doch noch ein bisschen mehr Bio, Klima- und Umweltschutz oder mehr Nachhaltigkeit geben darf. Verstehen Sie mich nicht falsch: Natürlich sind all diese Punkte wichtig, auch uns als AfD und auch den Landwirten; aber man muss ein gesundes Gleichgewicht finden – zwischen den Zielen, dem Weg dorthin, dem Preis, den man zu zahlen bereit ist, und der Frage, ob die richtige Zeit dafür ist. Herr Minister Özdemir, auch nach den Haushaltsberatungen sehe ich in Ihrem Einzelplan viel zu wenig innovative Kraft, Technologieoffenheit und entsprechende Maßnahmen, die dazu führen, dass wir in der Zukunft noch eine starke Landwirtschaft haben werden. Viel zu viel wird am Ideologischen und an der Bürokratie festgehalten. Das ist das Gegenteil von zukunftsgewandt! ({0}) Was meine ich damit? Der Haushalt ist sehr dürftig aufgestellt und beinhaltet fast 600 Millionen Euro an Kürzungen gegenüber dem Vorjahr – trotz der sich anbahnenden Krise. Dazu wird an völlig falschen Stellen gespart und gleichzeitig Geld an vielen Stellen unwirtschaftlich ausgegeben, etwa bei den 40 Millionen Euro Mehrausgaben für die ganzen untergeordneten Behörden Ihres Ministeriums. Das sind die falschen Prioritäten. Wir als AfD-Fraktion stehen für einen starken ländlichen Raum, wettbewerbsfähige Bauernhöfe, eine innovative und hochtechnologische Landwirtschaft und Deutschland als den Standort für Landwirtschaft. Wir können, nein wir müssen uns in Sachen Lebensmittelherstellung unabhängig machen, und wir müssen unsere Landwirtschaft in diesen Zeiten zusätzlich stärken. Jetzt, wo die Krise da ist und sich die ersten Supermarktregale leeren, kämpfen unsere Landwirte gleich an mehreren Fronten: mit den wirtschaftlichen Folgen der extrem hohen Betriebsmittelkosten, mit logistischen Problemen, mit Personalmangel usw. Demgegenüber steht eine Regierung, die nur halbherzige Versprechungen abgibt. Was meine ich damit? Im Ergänzungshaushalt stehen zwar 120 Millionen Euro, aber wie, wo, wann und an wen diese konkret ausgezahlt werden, steht immer noch in den Sternen. Die Fördermittel müssen jetzt auf die Höfe. Zu spät geliefert ist insbesondere in der Landwirtschaft fatal. Diese Hilfen sind übrigens nur ein Trostpreis für die Landwirte, wenn man bedenkt, dass beispielsweise gleichzeitig 77 Millionen Euro bei der Bezuschussung in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung gestrichen werden. Das heißt, mitten in der schwersten Krise seit Jahrzehnten verursachen Sie noch weitere höhere Kosten für viele Landwirte. Das ist verrückt. ({1}) Wenn es so stockend vorangeht, befürchten wir, dass unsere Landwirte völlig leer ausgehen werden, ähnlich wie bei den einzelstaatlichen Beihilfen von bis zu 35 000 Euro je Betrieb, bei denen die Bundesregierung nicht von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat – andere EU-Länder schon. Wieder einmal zeigt sich, dass die Interessen Deutschlands bei der Ampel nicht an erster Stelle liegen. Als AfD-Fraktion haben wir bereits in der ersten Lesung die Kürzung der 77 Millionen Euro angeprangert. Wir haben es in der Einzelberatung und auch in der Bereinigungssitzung wiederholt. Selbst die Unfallkasse der Landwirte warnt inzwischen dringend vor diesem Schritt. Und was machen Sie und Ihre Regierung? Richtig, Sie ignorieren dies, wie auch alle unsere anderen Anträge. Wir haben Ihnen mit unseren Anträgen aufgezeigt, wo man ohne große Mühe einiges Geld sparen kann, beispielsweise indem man die enormen Ausgabereste der Vorjahre erst einmal aufbraucht und weniger für Tagungen und Konferenzen ausgibt. Spätestens seit Corona müssten Sie doch wissen, dass nicht jedes Meeting in Präsenz stattfinden muss. Auch die völlig aufgeblähten Bezuschussungen, beispielsweise der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, kann man reevaluieren. Mehr Geld ist nicht zwangsläufig besser, und bei den Planstellen der vielen untergeordneten Behörden des Landwirtschaftsministeriums sowieso. Da sammeln sich schnell mal zweistellige Millionenbeträge. Auch bei der berühmten „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, kurz GAK, zeigt sich die völlig falsche Mentalität. Die Aufwüchse sind nämlich mehrheitlich dazu da, weil sie die Auswirkungen Ihrer grünen Politik – auch auf der EU-Ebene – irgendwie ausgleichen müssen, Stichwort „Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung“. Das ist die pure Unlogik Ihrer Politik, Gesetze und Regeln so unpraktikabel und kostenintensiv zu machen, um sie danach mit Geld auszubügeln. ({2}) Viel besser wäre es, die Regelungen so einfach zu gestalten, dass sie auch praktisch funktionieren und nicht mit Geld gekauft werden müssen. Das würde uns einiges an Geld sparen – Geld, das wir beispielsweise in Zukunftstechnologien wie dem Einsatz von künstlicher Intelligenz im Bereich der Landwirtschaft einsetzen könnten, wo wir als AfD mehr Mittel beantragt haben. Das wäre zukunftsgewandt. Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Wir haben Ihnen Vorschläge unterbreitet, wo Korrekturen dringend notwendig wären, wo durchaus Einsparpotenziale vorhanden sind und wo wir dringend mehr Ausgaben sehen wollen. Solange dieser Haushalt nur den Status quo verwaltet und unsere Landwirte in der schwersten Krise seit Jahren sich selbst überlässt, können wir diesen Haushalt nicht mittragen und werden ihn deswegen auch ablehnen. Vielen Dank. ({3})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Esther Dilcher für die SPD-Fraktion. ({0})

Esther Dilcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004701, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorab mein Dank an meine geduldigen Mitberichterstatter der Ampel Sebastian Schäfer und Frank Schäffler. Danke selbstverständlich auch an alle anderen Berichterstatter sowie an die Mitarbeitenden bei uns Abgeordneten, bei den Fraktionen, im Ministerium, beim Rechnungshof und im Ausschusssekretariat. Herzlichen Dank! ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Das letzte Schwein ist abgeholt“, so titelte die „HNA“ und berichtete über die Betriebsaufgabe des Schweinemastbetriebes von Helmut Grandjot, der damit eine mehr als 300-jährige Familientradition beendete. Nach Angaben des Regionalbauernverbands Kurhessen gab es im Jahr 2010 noch 391 Schweinemastbetriebe in meiner Region; 2020 waren es nur noch 191. Das bedeutet, mehr als die Hälfte allein der Schweinemastbetriebe in meiner Region hat die Existenzgrundlage verloren. Wenn wir als politische Entscheidungsträger keine Hilfen zur Verfügung stellen und gleichzeitig noch Auflagen für Tierhaltung oder Bewirtschaftung von Ländereien machen, so sinnvoll das alles sein mag, tragen wir aber auch dazu bei, dass Bäuerinnen und Bauern keine Perspektive mehr sehen und sich im Stich gelassen fühlen. Diese Entwicklung war schon lange absehbar, hat sich aber durch den Krieg in der Ukraine wegen Ausfall von Rohstoffen exorbitant zugespitzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Bäuerinnen und Bauern wollen ihre Betriebe aufrechterhalten. Vorrangig wollen sie auch gar nicht durch Finanzhilfen unterstützt werden, sondern sie wollen Planungssicherheit, wenn sie investieren. ({1}) Wer von Ihnen wäre bereit, in ein Heim für sich selbst zu investieren mit der Ungewissheit, dass vor Auslaufen einer Finanzierung wegen neuer Vorschriften weitere Investitionen getätigt und wieder finanziert werden müssten? Ich behaupte: Keiner von uns würde das tun. Aber von unseren Bäuerinnen und Bauern erwarten wir das. Das müssen wir endlich ändern, um wieder Zukunftsperspektiven zu schaffen. Das Ministerium wird in diesem Jahr ein Konzept zur Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung vorstellen. Ich erwarte daher, dass gerade der Faktor Planungssicherheit dann auch einen besonderen Rang eingeräumt bekommt. Im Haushalt 2022 umfasst der Einzelplan 10 rund 570 Millionen Euro weniger als 2021. Das wurde schon vielfach kritisiert. – Josef Rief, wir haben uns dazu beide schon mehrfach ausgetauscht. Aber ich finde, die Kritik ist nicht gerechtfertigt; denn allein über 800 Millionen Euro aus dem Etat des letzten Jahres sind überhaupt nicht abgeflossen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Die Titel mit den Ausgaberesten, die letztes Jahr übrig geblieben sind, haben wir dann als Ampelhaushälter zur Gegenfinanzierung genutzt, und zwar werden wir unter anderem die Seefischer, die durch die hohen Dieselpreise auch extreme Betriebskosten haben, bei den Betriebskosten entlasten, (Albert Stegemann [CDU/CSU]: Viel zu spät! und wir werden Anreize zum Umrüsten auf emissionsärmere Antriebe schaffen. ({2}) Auch die Tierheime werden wir in diesem Jahr noch einmal unterstützen – im Ausschuss hat es der Kollege schon angesprochen; da war es nicht so ganz leicht zu einen, aber wir haben es doch geschafft –, und zwar entlasten wir die Tierheime, die für die Impfung und Quarantänemaßnahmen ukrainischer Tiere aufkommen müssen. Für Tierarzneimittel für die Ukraine stellen wir ebenfalls noch mal 5 Millionen Euro zur Verfügung, da uns da entsprechende Hilferufe erreicht haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Wald ist nicht das Problem, sondern die Lösung für unser Ziel, nämlich mit nachwachsenden Rohstoffen zu bauen und Energie zu erzeugen. Das müssen wir nutzen und auch die Waldbesitzer dabei unterstützen, unsere Wälder zu erhalten, zum einen als Erholungsort für uns selbst. Aber Wälder sind eben nicht nur Erholungsorte für uns, sondern zum anderen sind sie auch Energielieferanten und CO2-Speicher. Es lohnt sich daher, dass in diesem Bundeshaushalt – nicht in diesem Einzelplan, sondern im Einzelplan 60 – 200 Millionen Euro zusätzlich für die Honorierung der Ökosystemleistung des Waldes eingestellt sind. ({3}) Wir haben als Ampel angefangen, Ausgaberesten die rote Karte zu zeigen; denn es ist vom Bundesrechnungshof schon über viele Jahre kritisiert worden, dass gerade dieses Ministerium Vorreiter darin war, Ausgabereste zurückzubehalten. Wir stellen die Ampel auf Grün für bedarfsgerechte Haushaltstitel. In diesem Haushalt stehen auch noch einige Titel auf Gelb, in der Warteschleife mit Sperrvermerk, und warten auf Freischaltung bei Vorlage von Konzepten für die Umsetzung. Das ist klug und umsichtig. Ich bitte daher um Ihre Zustimmung und lade Sie außerdem nach Schöneberg zum Milchtag am 12. Juni ein. Das habe ich versprochen. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Ina Latendorf für die Fraktion Die Linke. ({0})

Ina Latendorf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005123, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon am 24. März bei der Einbringung des Haushaltes habe ich die Kürzungen im Einzelplan 10 zum Vorjahr scharf kritisiert. Nichts, aber auch gar nichts Grundsätzliches hat sich seither bewegt. 7,1 Milliarden Euro sind immer noch 7,1 Milliarden. Minimale 1,43 Prozent des Gesamthaushaltes stehen für die Transformation der Landwirtschaft, die Sicherung der Ernährung, den Verbraucherschutz, die ländlichen Räume, die Fischerei und die Forsten zur Verfügung. Zu wenig, meine Damen und Herren! ({0}) Die Ankündigungen des Ministers zur Agrarwende: Heiße Luft? Zwischen den Herausforderungen in der Agrarpolitik und den dürftigen Mitteln in diesem Haushalt gibt es ein krasses Missverhältnis. Es ist seit Monaten nicht einmal der Versuch unternommen worden, die vollmundigen Erklärungen der Regierung über die bevorstehende Zusammenarbeit zwischen Landwirtschafts- und Umweltministerium mit Planungen oder gar Taten zu versehen. Wo ist Ihr Green Team? Irgendetwas in Richtung sozial-ökologischer Umbau der Gesellschaft? Fehlanzeige. Wirksame Maßnahmen gegen Ernährungsspekulation und Preistreiberei? Fehlanzeige. Begrenzung der Marktmacht von Lebensmittelkonzernen, die dringend notwendig wäre, um die Landwirtinnen und Landwirte genauso wie die Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten? Auch Fehlanzeige. Das alles regeln Sie in diesem Haushalt nicht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, weder die schon sichtbaren Folgen des Klimawandels noch die absehbaren Kriegsfolgen haben bisher – außer Lippenbekenntnissen – ein sichtbares Handlungsbewusstsein erkennen lassen. Sie haben keinen Maßnahmenkatalog vorgelegt, der die Probleme an der Wurzel packt. Da bewilligt die EU-Kommission der Bundesregierung 60 Millionen Euro Anpassungshilfe für Erzeuger auf dem Agrarsektor. Die Regierung legt noch einmal 120 Millionen Euro dazu. Das klingt sehr gut. Nur, wo finden wir diese Summe? Im Einzelplan 60 des Finanzministeriums. – Und Sie, Herr Minister, sind dann Bittsteller? Was soll das? ({1}) Und dann ist noch nicht einmal klar, wer das Geld bekommen soll, wie viel und vor allem, wann endlich. Einmalzahlungen würden die Strukturdefizite in der Landwirtschaft nicht beheben. Ich sage: Es bedarf einer gezielten Unterstützung für die Landwirtschaft beim Umbau und bei den Strukturanpassungen. Ohne diese werden viele Landwirte aufgeben müssen. Das darf nicht sein! ({2}) Das Gleiche gilt im Prinzip für die Fischereihilfen. Beihilfen und Strukturmaßnahmen für die Seefischerei werden neu eingerichtet, ist angekündigt worden; wir haben es gerade gehört. Insgesamt sind es 11,5 Millionen Euro. Und auch hier muss die Frage erlaubt sein, wo das Geld hingeht, wie es eingesetzt wird und wann es kommt. ({3}) Auf Antworten darauf wartet die Fischereiwirtschaft auch in meinem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern schon seit Langem. Mit weiterem Zögern der Regierung wird die Fischerei, insbesondere die Küstenfischerei, bald ein Fall für das Heimatmuseum. Und bei aller berechtigten Kritik am Raubbau und an der Überfischung: Das kann doch nicht das Ziel sein. Meine Damen und Herren, nun sprechen wir im Einzelplan 10 auch über Ernährung, und zwar über gesunde Ernährung. Seit Jahren gibt es in Deutschland eine nachgewiesene Ernährungsarmut. Gerade aktuell befördert die Preistreiberei der Konzerne im Handel diese Armut weiter. Laut ARD-Recherche fällt es 38 Prozent der Menschen in Deutschland zunehmend schwerer, die Dinge des täglichen Lebens bezahlen zu können. Armutsbedingte Fehl- und Mangelernährung und sogar Hunger in einer Gesellschaft, die so wohlhabend ist wie Deutschland – das ist für mich und meine Fraktion inakzeptabel. ({4}) Vor vier Monaten habe ich gesagt: Im Biomarkt bleibt der Korb leer, weil das Geld nicht reicht. – Nun trifft das auch für den Supermarkt zu. 12,5 Millionen Menschen in Deutschland leben unter der Armutsgefährdungsgrenze, und schon vor der derzeitigen Preisexplosion bei Lebensmitteln war für diese Menschen frisches Obst und Gemüse ein Luxus. Das ist eine Schande für dieses reiche Land! ({5}) Dass eine gesunde Ernährung gerade für die Jugend am besten über öffentliche Angebote wie die Schulverpflegung erreicht werden kann, besagte schon 2020 eine Studie des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz im BMEL. Die zentrale Empfehlung des Beirates lautet, eine beitragsfreie, qualitativ hochwertige Kita- und Schulverpflegung schrittweise in ganz Deutschland zu etablieren. Das ist auch aus meiner Sicht eine der wichtigsten, drängendsten und nicht zuletzt auch wirksamsten Maßnahmen, um eine gesunde Ernährung zu erreichen. Leider ist Deutschland davon weit entfernt. ({6}) Dass dies möglich sein kann, zeigt Finnland. Dort gibt es sie: eine kostenfreie, hochwertige und nachhaltige Verpflegung für alle Kinder und Jugendlichen in Schulen und Kindertageseinrichtungen. Man muss es nur wollen. ({7}) Eine gezielte Unterstützung des Bundes für die Kommunen wäre notwendig und möglich. Wir haben dies beantragt; aber eine Finanzierung in diesem Haushalt wurde abgelehnt. Sie können sicher sein, dass Die Linke dafür so lange Mittel im Haushalt fordern wird, bis Sie das endlich aufgreifen. ({8}) Für mich und meine Fraktion ist dieser Haushalt alles in allem ein Armutszeugnis. Agrar- und Ernährungspolitik für die Zukunft sieht anders aus. Vielen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Frank Schäffler für die FDP-Fraktion. ({0})

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute über den Einzelplan 10. Hier geht es um einen ganzen Berufsstand, und zwar um die Landwirte. Für uns Freie Demokraten sind Landwirte Unternehmer. Sie erzeugen Lebensmittel, und mit diesen Erträgen, die sie erzielen, wollen sie Gewinne erwirtschaften. ({0}) Dafür braucht es die notwendigen Weichenstellungen. Zu diesen Weichenstellungen gehört ein Moratorium für Auflagen und immer neue Vorschriften, um Planungs- und Investitionssicherheit – so haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart – zu gewährleisten. ({1}) Genau darum geht es. Da, wo die Folgen für die Unternehmer besonders existenziell sind, wollen wir helfen. Deshalb haben wir in den Haushaltsberatungen 10 Millionen Euro für die Fischerei zur Verfügung gestellt. ({2}) Und wir haben für die Flottenumrüstung der Küsten- und Krabbenfischerei ebenfalls Mittel zur Verfügung gestellt, damit dort moderne Antriebstechniken Einzug erhalten. Auch das war Bestandteil unseres Koalitionsvertrags. ({3}) Aber es braucht künftig mehr; es braucht einen Paradigmenwechsel. Der Kanzler hat nicht ohne Grund von einer Zeitenwende gesprochen. Die Zeitenwende, die wir durch den Angriffskrieg gegen die Ukraine auch in der Landwirtschaft erleben, muss auch Auswirkungen auf unsere Landwirtschaftspolitik in Deutschland haben. Es ist natürlich wohlfeil, wenn die Union hier Mängel darstellt, die sie selbst 16 Jahre verursacht hat. ({4}) Er war schließlich die Union, die die Bauernmilliarde beschlossen, Brosamen verteilt hat, letztendlich Bürokratie erzeugt und keine Planungssicherheit geschaffen hat. Gängelungen an jeder Ecke: Das ist das Ergebnis von 16 Jahren Landwirtschaftspolitik unter Führung der Union. ({5}) Das sieht man auch schwarz auf weiß. Der unabhängige Normenkontrollrat hat im Berichtsjahr 2020/2021 dargestellt, dass durch Gesetze der damaligen Bundesregierung über 300 Millionen Euro an Belastung für die Landwirtschaft hinzugekommen sind. Dazu gehört beispielsweise das Aktionsprogramm Insektenschutz mit 150 Millionen Euro. Seit 2016 ist die Situation noch gravierender: Die Landwirtschaft muss eine jährliche Zusatzbelastung von fast 800 Millionen Euro bewältigen, dabei ist die Verschärfung der Düngeverordnung einer der wesentlichen Punkte. ({6}) Also, Sie können sich nicht als Retter der ländlichen Strukturen und der Landwirtschaft hinstellen, vielmehr haben Sie das Elend im Wesentlichen mitverursacht. ({7}) Aber auch die Ampelkoalition muss sich diesen neuen Realitäten stellen. Ich glaube, wir müssen darüber diskutieren, ob die Subventionen für die Flächenstilllegungen in der Landwirtschaft in Deutschland tatsächlich in diese Zeit passen. ({8}) Alle EU-Staaten haben die Stilllegung von 3 Prozent der Fläche ausgesetzt. Deutschland dagegen hat aus 3 Prozent 4 Prozent gemacht, die Flächenstilllegungen also ausgeweitet. Deshalb, glaube ich, täten wir gut daran, diese Entscheidung zu überdenken. ({9}) 4 Prozent Flächenstilllegung in Deutschland entspricht 4 Millionen Hektar Produktionsfläche in der EU. ({10}) Auf dieser Fläche könnte der gesamte Importbedarf an Weizen von Ägypten, Äthiopien, Marokko, Südafrika und Tunesien angebaut werden. Das betrifft also gerade die Länder, die sehr wahrscheinlich besonders unter der Hungerkatastrophe, die auf uns zukommt, leiden werden. Wir müssen auch dafür sorgen, dass in der Düngemittelpolitik mehr Realismus einkehrt. Wir müssen die Produktionskapazitäten steigern, um die Welternährung in den Griff zu bekommen. ({11}) Eine Reduktion der Produktionskapazitäten in Europa und in Deutschland ist falsch. Und letztendlich müssen wir, glaube ich, für mehr Welthandel und mehr freien Handel sorgen. Nach wie vor erhebt die EU – das muss man sich mal vorstellen – Zölle von über 50 Prozent auf Milcherzeugnisse, Getreide und Zucker, obwohl gleichzeitig eine Welternährungskrise droht. Warum sorgen wir nicht dafür, dass diese Zölle abgebaut werden, damit die Preise auch in Europa sinken können? ({12}) Gleichzeitig ist es notwendig, dass wir den Welthandel auch durch bilaterale Abkommen wieder anschieben. Wir müssen endlich das bilaterale Handelsabkommen CETA im Deutschen Bundestag ratifizieren. Das ist der erste Schritt. ({13}) Der zweite Schritt ist, dass wir die Reform der Welthandelsorganisation endlich voranbringen. Auch da hat die Vorgängerregierung nicht geliefert. ({14}) Auch da können wir als Regierung vorangehen.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

Frank Schäffler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003834, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum Schluss. – Letztendlich geht es um bezahlbare Lebensmittel. Das ist nicht nur eine Frage der Geldpolitik, sondern das ist auch eine Frage der Handelspolitik. Da muss diese Regierung ansetzen. Vielen Dank. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der nächste Redner in der Debatte: Albert Stegemann, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Albert Stegemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004415, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! 2022 – so erleben wir es wohl alle – ist das Jahr der großen Schlagzeilen und das Jahr der großen Veränderungen, vor allem solcher, mit denen wohl keiner gerechnet hatte. Zeitenwende in fast allen Lebensbereichen, auch im Bereich der Lebensmittelerzeugung, der Verarbeitung, aber auch im Vertrieb. So titelt der „Focus“ heute Morgen „Menschen können sich weniger leisten – Stärkster Umsatzeinbruch aller Zeiten im Lebensmittelhandel“. Und tatsächlich: Das war absehbar. Nachdem in den letzten Jahren das Wohnen in den eigenen vier Wänden immer teurer geworden ist, ({0}) erleben wir nun, dass sich die Lebensmittelpreise teilweise exorbitant entwickeln. Über die vielfältigen Ursachen haben wir auch hier im Bundestag viel und lange geredet. Wenn wir heute hier über den Bundeshaushalt sprechen, dann will ich an dieser Stelle aber auch über die Haushaltslage der Menschen in unserem Land reden. Inflation war lange nicht mehr als ein technischer Begriff: Das Geld verliert seinen Wert. Das lernt jedes Kind in der Schule. Aktuell müssen wir aber feststellen: Inflation ist viel mehr als das. Es ist das Unsozialste, was einem Land passieren kann. ({1}) Gerade die Einkommensschwachen sind am schlimmsten und überproportional betroffen; denn es sind die Lebensbereiche Wohnen, Heizen, Mobilität und vor allem Ernährung, in denen wir die höchsten Teuerungsraten zu verzeichnen haben. Wer als Durchschnittsverdiener vor etwa einem Jahr nach Abzug von Miete, Ausgaben für Auto und Lebensmittel von seinem Nettolohn noch circa 200 Euro übrig hatte, schaut jetzt bestenfalls in ein leeres Portemonnaie. Das ist leider die bittere Realität. Zeiten von Inflation sind auch Zeiten von geringem Angebot. Wir sehen jeden Tag, wie knapp zum Beispiel Weizen, Sonnenblumenöl und Düngemittel sind. Da begrenzte Ressourcen ein Teil des Problems sind, müssen wir genau hier ansetzen. In jedem anderen Wirtschaftsbereich ist es selbstverständlich, dass der effiziente Einsatz von vorhandenen Ressourcen ein Mehr an Nachhaltigkeit bedeutet. Nur in der Landwirtschaft gibt es das weitverbreitete Dogma, dass Nachhaltigkeit nur mit Extensivierung zu erreichen ist, und darüber müssen wir unbedingt reden. Hier müssen wir zu einem Umdenken kommen, Herr Minister. ({2}) Wir müssen dem Preisauftrieb und dem damit eng verbundenen Hunger in der Welt etwas entgegensetzen. Deshalb brauchen wir auch eine offene Diskussion darüber, wie wir unsere Nachhaltigkeitsziele effizient erreichen können. Flächenstilllegungen, Behinderungen bei der Zulassung neuer umweltverträglicher Pflanzenschutzmittel oder das Verteufeln neuer Züchtungstechnologien gehören in die Mottenkiste und sind gewiss nicht Teil einer zukunftsorientierten Landwirtschaft. ({3}) Wenn ich mir den Haushalt des BMEL anschaue, habe ich wirklich nicht den Eindruck, dass dort überhaupt ein Problembewusstsein vorhanden ist. Mit 156 Millionen Euro weniger plant die Ampel gegenüber den Vorschlägen der CDU/CSU; 0 Euro zusätzliche Mittel im Ergänzungshaushalt, und man geht auch mit minus 244 000 Euro aus der Bereinigungssitzung. Herr Minister, Ihr Haushalt geht aus jeder Verhandlungsrunde kleiner heraus, als er reingegangen ist. Ich glaube, da haben Sie offenkundig ein Problem. ({4}) Viel schlimmer als diese Tatsache, wie Sie mit dem Haushalt umgehen, ist aber die Tatsache, wie Sie das Geld ausgeben. ({5}) Den landwirtschaftlichen Betrieben streichen Sie die Zuschüsse für die landwirtschaftliche Unfallversicherung zusammen, die Hilfen für die deutschen Fischereibetriebe fließen in dieser ganz dramatischen Zeit einfach viel zu spät – andere Ländern waren viel schneller als die Bundesrepublik Deutschland –, aber auch die Kürzung um 4 Millionen Euro im Investitions- und Zukunftsprogramm Landwirtschaft sendet das völlig falsche Signal an die Landwirte. Dabei hat die Union doch sehr gute Vorschläge gemacht. Wir wollten die Landwirte um rund 200 Millionen Euro entlasten. Zusätzlich zu den Geldern aus dem EU-Krisenpaket wollten wir bei den Agrardieselkosten eine Entlastung – das wurde gerade ja auch noch mal angedeutet – von 120 Millionen Euro ins Spiel bringen. Das hätte die Betriebe bei den Dieselkosten um 10 Cent je Liter entlastet. Das war oder ist mit Ihnen höchstwahrscheinlich nicht zu machen. Aber auch mit der geplanten Absenkung des Bundeszuschusses zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung – das haben Sie jetzt einfach zurückgedreht – können wir überhaupt nicht leben. Wir wollen, im Gegenteil, wieder auf das alte Niveau zurück; wir wollen die 77 Millionen Euro wieder in diesen Bereich investieren, um landwirtschaftliche Familienbetriebe zu entlasten. ({6}) Ganz wichtig: Unsere Landwirte dürfen nicht zur Spardose der Ampelkoalition werden. – Sie sind dabei, genau das zu implementieren. ({7}) Unsere heimischen Landwirte stehen vor Schicksalsjahren. Auch wir als Gesellschaft brauchen jetzt Maßnahmen, die die Ernährungssicherheit mit Artenvielfalt und Klimaschutz zusammenführen. Wir brauchen die Umsetzung des Borchert-Plans jetzt, bevor es zu spät ist. Ohne frisches Geld wird das nicht funktionieren. Gestern hat die FDP hier ja leider den ersten Sargnagel gesetzt. Das hat mich sehr mit Trauer erfüllt. ({8}) Von der Ampel gibt es bis heute nicht einen neuen hilfreichen Impuls im Bereich der Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik, keine Antwort auf die aktuelle Rekordinflation bei den Lebensmitteln, keine erkennbaren Schritte für Investitionen in eine moderne Landwirtschaft. Der zweite Entwurf zum Haushaltsgesetz 2022 ist eine Verschlechterung und wird den aktuellen Herausforderungen nicht gerecht. Deswegen lehnen wir Ihren Haushaltsvorschlag ab. Vielen Dank fürs Zuhören. ({9})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die Bundesregierung erteile ich das Wort dem Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir. ({0})

Cem Özdemir (Minister:in)

Politiker ID: 11002746

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Politikwissenschaftler Peter Graf von Kielmansegg hat Demokratien mal eine „eklatante Zukunftsschwäche“ attestiert. Aber er hat auch festgestellt, dass sie die besten Chancen haben, einen fairen Ausgleich zwischen Gegenwart und Zukunft zu schaffen – wenn sie sich als lernfähig erweisen. Diese Lernfähigkeit brauchen wir gerade auch im Bereich der Agrarpolitik. Die Liste der Herausforderungen ist lang – Sie kennen sie –: Höfesterben, Dürren und Überschwemmungen als Zeichen der Klimakrise, Artensterben, Übernutzung von Böden und Tieren und schließlich der zusätzliche Kostendruck infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. ({0}) – Dass Sie da „Käse“ beim Angriffskrieg auf die Ukraine sagen, das passt. ({1}) Das bestätigt jedes Vorurteil über Sie. ({2}) Ich meine, dass man seine Unfähigkeit durch sein Schweigen vermuten lässt, verstehe ich; aber man muss es durchs Reden nicht auch noch unter Beweis stellen. ({3}) Es ist offenkundig, dass wir Veränderungen brauchen, gerade weil Landwirtschaft von existenzieller Bedeutung für uns alle ist. Dabei braucht es die Bereitschaft zum Kompromiss und natürlich auch pragmatische Lösungen. Dieser Haushalt ist dafür ein gutes Beispiel. Wir verbinden Planungssicherheit in der agrosozialen Sicherung auf der einen Seite mit neuen Ideen im Ökolandbau auf der anderen Seite. ({4}) Wir investieren in Forschung, in die Entwicklung und in die Digitalisierung, die übrigens unglaublich spannende Chancen eröffnet. Ich möchte Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, an der Stelle ausdrücklich dafür danken, dass Sie die 60 Millionen Euro aus der EU-Krisenreserve um 120 Millionen Euro erhöht haben. Wir wollen diese 180 Millionen Euro zielgerichtet, schnell und vor allem unbürokratisch auf unsere Höfe bringen. ({5}) Wir wollen die übermäßig von steigenden Energiepreisen betroffenen Gartenbaubetriebe, den Obst- und Weinanbau sowie die Tierhaltungsbetriebe gezielt entlasten. Das gilt übrigens auch für die Fischerei, für die Sie in der Bereinigungssitzung 10 Millionen Euro ermöglicht haben – eine dringend notwendige Unterstützung. Auch dafür danke ich Ihnen. ({6}) Meine Damen, meine Herren, die sich zurzeit überlagernden Krisen zeigen aber auch, wie dringend und wie notwendig die Transformation unserer Landwirtschaft ist. ({7}) Unsere Politik muss Ernährung sichern, und sie muss gleichzeitig dem Erhalt der Höfe dienen. Sie muss zugleich Klima, Böden, Arten schützen, um sie überhaupt noch nutzen zu können. ({8}) All diese Aspekte bedingen sich gegenseitig. Wir können das eine nicht ohne das andere haben. An der Stelle dachte ich, ehrlich gesagt, beim Zuhören, liebe Kollegen – das richtet sich jetzt vor allem an Sie von der Union –, dass wir im Deutschen Bundestag eigentlich schon mal weiter waren, was den Konsens bezüglich der Analyse der Krisen angeht. Über die Wege aus der Krise können wir uns gerne streiten. Das ist normal in der Demokratie; das ist auch die Aufgabe der Opposition. Aber wenn Sie jetzt aufkündigen, dass wir uns in Deutschland bei der Analyse der Klimakrise und des Artensterbens einig sind, dann fände ich das sehr bedauerlich, ({9}) weil das das Arbeiten in dieser Republik künftig nicht leichter machen wird. ({10}) Sie, ich und wir alle hier stehen gemeinsam in der Verantwortung, dass wir dem auch tatsächlich gerecht werden. ({11}) Denn nur so schaffen wir einen fairen Ausgleich zwischen der Gegenwart und der Zukunft. Auch der nächste Haushalt wird dafür sicherlich ein Gradmesser sein. Vielen Dank. ({12})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der nächste Redner ist Peter Felser, AfD-Fraktion. ({0})

Peter Felser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004714, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kollegen! Liebe Landwirte! Liebe Gäste! Herr Minister, ich hätte schon erwartet, dass Sie länger als vier Minuten reden und dass Sie vor allem inhaltlich zur Sache reden. ({0}) Hier geht es heute um wirklich wichtige Dinge. ({1}) Und liebe Kollegen der FDP, das kann doch nicht wahr sein, wie Sie sich hier als Heuchler hinstellen und sagen: ({2}) Die Zwangsbrache darf nicht sein! – Ihr regiert doch zurzeit. Wenn die Zwangsbrache kommt, dann habt ihr sie mitverschuldet. ({3}) Es gibt tatsächlich Punkte im Einzelplan 10, die wir auch unterstützen. Wenn wir an die Digitalisierung denken, an die Zukunft unserer landwirtschaftlichen Betriebe, müssten wir hier sogar mehr leisten. Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen: Erstens: Datenhoheit. Wem gehören denn in Zukunft all die Daten, die jetzt schon gesammelt werden, auf den Traktoren, beim Herdenmanagement, bei den Ackerschlagkarteien? Lassen Sie uns diese Daten intelligent verknüpfen, bevor es die ganz großen Player machen! Das wären ein Ansatz und eine Hilfe, wenn es um die Digitalisierung geht, liebe Kollegen. Zweites Beispiel. Wenn wir die Lieferketten mithilfe von Blockchain-Technik intelligenter verknüpfen, dann schaffen wir nicht nur größeren Mehrwert für die Produzenten, dann werden wir auch die Lebensmittelverschwendung eindämmen können. Da sollten wir investieren, und wir meinen: Da müssen wir auch mehr investieren. ({4}) Ich möchte aber auch die Gelegenheit nutzen, heute die aktuellen Hilfen für unsere Landwirte anzusprechen. Wenn wir uns die einzelstaatlichen Beihilfen ansehen, dann stellen wir fest: Es kann von Hilfe gar keine Rede mehr sein. Unsere deutschen Betriebe gehen komplett leer aus, und das kann doch in dieser Lage, in dieser schwierigen Situation nicht das Signal an unsere Bauern sein. Manche Bauern können sich den Anbau schon gar nicht mehr leisten, weil die Kosten für die Betriebsmittel explodiert sind; wir haben es heute schon gehört. Die EU-Kommission hat die Beihilfen ausdrücklich genehmigt, um die hohen Kosten für die Betriebsmittel abzufedern, um die existenzgefährdeten Betriebe überhaupt am Leben zu erhalten, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Dafür könnten wir bis zu 35 000 Euro pro Betrieb ausgeben. Fast alle europäischen Nachbarn nutzen diese Möglichkeit der einzelstaatlichen Beihilfe – außer Deutschland. Wertschätzung für die Bauern, Herr Minister, sieht anders aus. ({5}) Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit auch auf die Agrarsubventionen zu sprechen kommen. Hier wollen Sie bei den Waldbesitzern beim Umbau zu klimastabilen Wäldern in eine ähnliche Richtung gehen. Aber schauen wir uns einmal an: Wer sind eigentlich die größten Leistungsempfänger? Man lese und staune: Die größten Nutznießer von Subventionen waren im vergangenen Jahr wieder einmal nicht unsere Landwirte, sondern zum Beispiel das Landesamt für Umwelt in Brandenburg mit 14,3 Millionen Euro oder das Sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft mit 7,7 Millionen Euro. So waren diese Unterstützungshilfen nie gedacht und nie angelegt gewesen. Sie sollten einzig und alleine für unsere Bauern ausgegeben werden. Das ist sonst Etikettenschwindel, liebe Freunde. ({6}) Das Wort „Zeitenwende“ hat Hochkonjunktur. Allein in dieser Haushaltswoche werden gigantische Summen für diese Wende aufgerufen. Morgen soll sogar das Grundgesetz geändert werden. Aber ich frage mich, Herr Minister: Ist es denn nicht mindestens genauso wichtig oder vielleicht sogar wichtiger, diese Milliardeninvestitionen für Panzer, diese Milliardeninvestitionen für Flugzeuge für unsere Bundeswehr endlich für eine Agrarwende zu tätigen, die diesen Namen auch verdient? Wir hätten uns gewünscht – das hätten wir gerne in diesem Haushalt gesehen –, dass Sie neben Ihren ganzen Klimazielen, neben Ihren Ökozielen und Ihren ideologischen Planungen eine einzige Kennzahl aufschreiben; eine einfache Kennzahl, die alles über die Zukunft und die Wertschätzung unserer Landwirtschaft sagt. Haben Sie doch einmal den Mut, sich daran zu messen, wie viele landwirtschaftliche Betriebe pro Jahr nicht aufgegeben, wie viele in diesem Jahr und den nächsten Jahren überleben werden. Das ist doch für unser Land jetzt ganz entscheidend. In der Pandemie haben wir die Landwirtschaft als systemrelevant eingestuft – absolut richtig. Jetzt in Kriegszeiten, in Zeiten steigender Inflation haben wir erkannt, dass unsere Landwirtschaft überlebenswichtig ist – absolut richtig. In der letzten Aussprache haben Sie selbst, Herr Minister, das Höfesterben unter der Merkel-Regierung kritisiert. Machen Sie doch bitte endlich das Höfesterben zu der Kennzahl, die uns allen weiterhilft. ({7}) Ich glaube, es ist langsam an der Zeit, Herr Minister, dass Sie mal Ihre alten Sprechzettel weglegen. Machen Sie endlich eine Agrarpolitik, die sich am Erfolg messen lassen kann: für die Zukunft unserer Landwirte, für die Ernährungssicherheit in unserer Heimat, für eine Wertschätzung unserer Lebensmittel. Vielen Dank. ({8})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Lieber Herr Kollege Felser, ich möchte Sie bitten, in Zukunft den Begriff „Heuchler“ in Ihren Reden, auch in Anbetracht dessen, dass Sie die Kolleginnen und Kollegen hier im Haus damit gemeint haben, nicht mehr zu verwenden. Das ist kein guter parlamentarischer Ausdruck. Wenn er das nächste Mal vorkommt, erteile ich einen Ordnungsruf. – Vielen Dank. ({0}) Der nächste Redner in der Debatte: Dr. Matthias Miersch, SPD-Fraktion. ({1})

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will an die Worte des Bundesministers anschließen; denn das, was wir in der Landwirtschaftspolitik in den letzten Jahren erlebt haben, ist eine sehr, sehr starke Polarisierung. Die Frage, ob Demokratie in der Lage ist, Zukunftsfähigkeit tatsächlich herzustellen, ist schon zentral. Deswegen sage ich ganz bewusst an die Zuschauerinnen und Zuschauer, die heute diese Debatte sehen: Ich habe in den letzten Jahren in der Großen Koalition durchaus positive Dinge erlebt, und ich war und bin nach wie vor sehr stolz darauf. Aber ich bin wirklich erschrocken, wie schnell Errungenschaften infrage gestellt werden, gerade heute und gestern. ({0}) Nehmen wir zum Beispiel die Frage, über die Sie alle aus guten Gründen entschieden haben: Sollen Atomkraftwerke abgeschaltet werden, ja oder nein? Oder die Frage: Wie halten wir es mit biologischer Vielfalt, Klimaschutz und Landwirtschaft? Sie stellen diese Grundsätze aufgrund einer Krise gegeneinander; sie gehören aber miteinander gedacht, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Wenn Sie jetzt beispielsweise die Hungerproblematik ansprechen und sagen: „Man müsste hier und da mal ein bisschen auf das eine oder andere verzichten“, dann verkennen Sie, dass ein Hauptgrund für Hunger in dieser Welt die Klimakrise ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Dann verkennen Sie, dass ein weiterer Grund der Wegfall der biologischen Vielfalt ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. Tun Sie doch nicht so, als ob diese Probleme einfach so beiseitegewischt werden könnten, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Ich sage Ihnen auch: Jetzt ist es unsere Aufgabe, das weiterzudenken, was in den letzten Jahren entwickelt worden ist. Es haben sich nämlich jenseits des Parlaments unterschiedliche Gruppen zusammengetan. Wir haben mit der Zukunftskommission Landwirtschaft eine Blaupause für das, was wir zu tun haben. Diese Zukunftskommission Landwirtschaft setzte sich aus dem Bauernverband, aus Umweltverbänden, aus ganz unterschiedlichen Gruppen zusammen, die über diese Dinge miteinander nachgedacht haben. Das ist die Blaupause; daraus wird was, und nicht aus dem Gegeneinander-Ausspielen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Ich sage Ihnen auch, Herr Stegemann – vielen Dank für dieses Stichwort; jetzt müssen Sie ganz tapfer sein, ({5}) denn Borchert ist tatsächlich ein sehr, sehr gutes Stichwort –: Die Borchert-Kommission hat es geschafft, dass wir Tierhaltung und Planungssicherheit für Landwirtinnen und Landwirte miteinander versöhnen. ({6}) Was wir in dieser Großen Koalition leider nicht geschafft haben, auch aufgrund der CDU-Landwirtschaftsministerin, ist zum Beispiel, zu einer verbindlichen Kennzeichnung zu kommen, weil sie gesagt hat: Das ist schlichtweg nicht möglich. ({7}) Ich verspreche Ihnen jetzt, Herr Stegemann – es ist gefährlich, das hier zu machen, weil Sie mich vielleicht daran messen können, aber ich bin inzwischen nach der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Grünen und FDP ganz sicher –, ({8}) dass wir diese Aufgabe noch in diesem Jahr lösen. Die Vorschläge der Borchert-Kommission werden umgesetzt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({9}) Wenn Sie, Herr Stegemann, jetzt die FDP kritisieren, dann sage ich: Warten Sie mal ab! Das, was ich bei Ihnen in genau diesen Fragen der Zukunftsfähigkeit erlebt habe, war Blockade. ({10}) Ich erlebe die FDP, ich erlebe die Grünen im Moment so, dass wir ein Ziel haben. Aber Sie haben recht: Die Frage der Finanzierung ist im Moment tatsächlich noch strittig. Aber ich sage ganz bewusst auch, Herr Kollege Stegemann: Wenn wir den Landwirten einen hohen Standard zumuten wollen – das wollen wir, weil wir Tierwohl mit der Zukunftsfähigkeit von Landwirten verbinden wollen –, dann heißt Planungssicherheit auch, die Finanzierungsfrage zu klären; denn wir können Landwirte nicht damit alleine lassen. ({11}) Deswegen ist diese Haushaltsberatung die Blaupause für das, was wir im nächsten Jahr garantiert brauchen, nämlich mehr Mittel, um Tierschutz und Zukunft der Landwirtschaft in Deutschland zu sichern. Das ist unsere Aufgabe. Ich bin mir sicher: In dieser Ampelkoalition werden wir das schaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({12}) Damit bin ich zum Schluss bei Demokratie. Nichts ist selbstverständlich. Alles das, was wir hier entscheiden, ist auch durchaus ganz schnell wieder veränderbar. Wir reden jetzt aber über einen Bereich, in dem viele Menschen richtig viel Geld in die Hand nehmen müssen, um zum Beispiel neue Ställe zu bauen. Deswegen hoffe ich, dass Sie Ihre Blockadehaltung der letzten Jahre bei diesem Thema beenden und mit uns zusammen –

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

– an einem Modell arbeiten, das tatsächlich für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands steht. Ich lade Sie jedenfalls herzlich dazu ein. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Dr. Anne Monika Spallek, Bündnis 90/Die Grünen, ist die nächste Rednerin. ({0})

Dr. Anne Monika Spallek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005225, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der letzten Woche hat bei uns im Münsterland ein Landwirt seine reifen Erdbeeren einfach abgemäht und untergepflügt. „Hier soll in der nächsten Woche schon Mais wachsen“, sagte er, „damit der Acker in diesem Jahr noch Geld bringt.“ Für 500 Gramm Erdbeeren würde er vom Einzelhandel nur 1,01 Euro bekommen. Damit zahle er drauf. Der Handel kauft aktuell billig Erdbeeren in Spanien. Angesichts der hohen Energie-, Sprit-, Dünge- und Lohnkosten können Deutschlands Erdbeerbauern mit den spanischen einfach nicht konkurrieren. Immer wieder sehen wir Lebensmittel, die vernichtet werden, die zu klein, zu krumm, nicht abzusetzen sind. Das ist in normalen Zeiten schon schlimm, aber in Zeiten von Hungerkrisen völlig irre. ({0}) Das System unserer Lebensmittelproduktion ist völlig absurd. ({1}) Und wie verzweifelt müssen Bäuerinnen und Bauern sein, um so zu handeln! Viele geben einfach leise auf. Aktuell verlieren wir im Obstbau jährlich zig Betriebe und Anbauflächen, und die Selbstversorgungsquote sinkt bedrohlich auf unter 20 Prozent. ({2}) Das Höfesterben schreitet derzeit überall massiv voran. Dabei sind gerade die kleineren Strukturen von fundamentaler Bedeutung für unsere Dörfer, unsere Unabhängigkeit und unsere Artenvielfalt. ({3}) Aber jahrzehntelang hat die Politik – gerade die CDU/CSU – immer wieder die Landwirtschaft nur auf Wachstum getrimmt, auf Kosten von Natur. ({4}) Dazu kam die Flächenförderung, die GAP als Wachstumsbeschleuniger. Und gerade der Obstbau, der nur kleine Flächen braucht, ist dabei der größte Verlierer. Gut ist, dass die Krisenhilfe der EU jetzt aufgestockt wurde. Mit den 120 Millionen Euro können jetzt die betroffenen Betriebe schnell unterstützt werden. Aber Landwirtschaftspolitik muss nicht die Hausaufgaben von Sozialpolitik oder fairer Steuerpolitik übernehmen. Landwirtschaftspolitik ist nicht dafür zuständig, gesunde regionale Lebensmittel zu Billigstpreisen zu produzieren, sondern Politik muss die Verbraucher in die Lage versetzen, auch gesunde nachhaltige Lebensmittel einkaufen zu können. ({5}) Und da handelt die Bundesregierung genau richtig, indem sie mit den langfristigen und kurzfristigen Maßnahmen der Entlastungspakete die Bürgerinnen und Bürger entlastet und den 12‑Euro-Mindestlohn einführt: Energiepreispauschale, Kinderbonus, Erhöhung des Grundfreibetrages, Erhöhung des Arbeitnehmerpauschbetrags und, und, und. ({6}) Ich könnte noch vieles aufzählen. Richtig wäre jetzt auch die Reduzierung der Mehrwertsteuer, wie es Cem Özdemir und auch viele Sozialverbände vorgeschlagen haben. ({7}) Für unsere Versorgungssicherheit und die unserer Enkel ist jetzt aber die sozial-ökologische Transformation der Landwirtschaft wichtiger denn je. ({8}) Es ist jetzt unsere Aufgabe, diesen seit Jahrzehnten völlig in die falsche Richtung gesteuerten Tanker wieder auf den richtigen Kurs zu bringen. ({9}) Erste Weichen sind in diesem Haushalt gestellt: 1 Milliarde Euro für den Umbau der Tierhaltung, Aufstockung Bundesprogramm Ökologischer Landbau und, und, und.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

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Dr. Anne Monika Spallek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005225, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Fakt ist: Das Höfesterben steht in direktem Zusammenhang mit der Klimakrise und dem Artensterben. Und diese Krisen müssen wir alle zusammen denken, sonst ist es zu spät. Herzlichen Dank. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Ich erteile das Wort der Kollegin Mittag, SPD-Fraktion. ({0})

Susanne Mittag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004355, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Damen und Herren! Dieses Jahr ist das Jahr der Entscheidungen. Und Entscheidungen werden getroffen. Das hat unser Bundeskanzler Olaf Scholz gestern schon mal gesagt. ({0}) Und das stimmt nicht nur im Rahmen der Generaldebatte, sondern auch im Bereich „Ernährung und Landwirtschaft“ in diesem leider dieses Mal nur halbjährigen Haushalt; wir sind im Jahr ja schon fortgeschritten. Bei den kurzfristigen Haushaltsansätzen möchte ich noch einmal die Unterstützung aufgrund des Ukrainekrieges nennen, um dieser Dominanz der ewigen Waffendebatten mal was entgegenzusetzen. Neben der Zusammenarbeit mit anderen Ministerien und der Koordinierungsstelle mit dem ukrainischen Landwirtschaftsministerium und weiteren Institutionen werden jetzt zum Beispiel auch 5 Millionen Euro für Tierarzneimittel in die Ukraine geschickt – denn dort findet ja auch noch Nutztierhaltung statt – sowie 5 Millionen Euro zur Unterstützung von Tierheimen für die von Flüchtlingen mitgenommenen Haustiere für Unterbringung und Impfung veranschlagt. Das ist ein nicht unwesentlicher Teil. Hier wird sehr viel von Ehrenamtlichen erledigt; und das bedarf der Unterstützung. Das ist ein sehr guter Haushaltsansatz. Weitere Krisenhilfen an unsere Landwirte wie die 180 Millionen Euro sind schon erwähnt worden; und das ist bei Weitem noch nicht alles. Aber diese Etatansätze führen auch zu einem Themenbereich, der hier oftmals gar nicht erwähnt wird, und das sind die internationalen Maßnahmen zur Unterstützung der Landwirtschaft und der Ernährungssicherung mit einem Gesamtetat von 65 Millionen Euro, der im letzten Haushalt auch nicht ausgeschöpft worden ist. Da stellt sich natürlich die Frage, ob die zukünftigen Projekte den globalen und individuellen Herausforderungen der unterschiedlichen Länder überhaupt gerecht werden und ob sie ausreichend vernetzt und abgestimmt sind, zum Beispiel mit den Bereichen der wirtschaftlichen Entwicklung, mit der Außenpolitik, mit weiteren internationalen Projektträgern. Die Frage kann jetzt schon beantwortet werden: Sie sind es nicht. So umfassen Landwirtschaft und Ernährung – das ist vielleicht für einige überraschend – hier mit einen Bereich der äußeren Sicherheit; aber auch in der inneren, der sozialen und der Ernährungssicherheit sind Landwirtschaft und Ernährung unterwegs. Dazu gehört zum Beispiel auch die zivile Notfallreserve an Nahrungsmitteln, deren Konzept überprüfungsbedürftig ist. Es stellt sich die Frage, ob sie den derzeitigen Lagen, die wir in den letzten beiden Jahren gehabt haben und noch immer haben, überhaupt noch entspricht. Der Etat von 27 Millionen Euro ist nicht unerheblich, aber seit 2017 – da ist das mal entworfen worden – hat sich einiges in der Welt verändert. Aber es geht zum Beispiel auch um den Umgang mit einer Gasmangellage. Welche Bereiche der Tierhaltung und Ernährungsversorgung sind denn wie betroffen, und wie sind sie zu sichern? Dazu habe ich auch noch nicht viel gehört, ebenso wenig dazu, wie in Katastrophenfällen der Bestand zum Beispiel in Tierhaltungsanlagen gerettet werden kann. Erwähnt sei das hier nur im Rahmen des präventiven Hochwasserschutzes, bei dem es ebenfalls Nachbesserungsbedarf gibt. Auch der Bereich Landwirtschaft ist da nicht zu unterschätzen. Einen Beitrag zur sozialen und zur Nahrungssicherheit leistet die jahrelang etwas nachrangig behandelte Fischerei. Ich habe jetzt mit Begeisterung wahrgenommen, dass sie schon mehrfach erwähnt worden ist. Dabei handelt es sich nämlich um Landwirtschaft auf See. Wir sind sehr froh, dass neben Betriebshilfen aufgrund der derzeit schwierigen Lage auch – zukunftsorientiert – Fördermöglichkeiten zur Umstellung auf emissionsärmere Antriebe sowie für Aquakulturen unterschiedlicher Konzepte angeboten werden. Das ist die Zukunft der Fischerei. Damit können wir sie besser absichern. Wir wollen damit deutlich machen: Die Fischerei ist uns wichtig. ({1}) Bei allen Maßnahmen in diesem Bereich – sei es auf dem Acker, im Wasser oder im Stall, bei der Verarbeitung, bei der Lagerung oder Vermarktung – ist jetzt und zukünftig immer ein ganz entscheidender Faktor die Digitalisierung. Sie wird in allen Bereichen von Ernährung und Landwirtschaft gebraucht. Hier findet ein Mittelaufwuchs auf 51,4 Millionen Euro statt, wovon letztes Mal auch nicht alles abgerufen worden ist, für Datenbanken, autonome Systeme, Auswertung, vereinfachte Kontrollen und – ehrlich gesagt, das war mir auch eine Herzensangelegenheit – zur Anschaffung drohnengestützter Wärmebildkameras zur Kitzrettung. Das ist beim letzten Mal sehr massiv angenommen worden. Das ist eine Hilfe für Landwirte, ihrer Verpflichtung nachzukommen, vor der ersten Mahd ihre Wiesen nach abgelegten Kitzen abzusuchen. Hier geht ein großer Dank an die vielen Hegeringe, die in ehrenamtlicher Arbeit in den frühen Morgenstunden loslaufen, die Wiesen absuchen und so die Landwirte unterstützen – ich war auch schon mal dabei –, damit die Kitze nicht von Mähwerken erfasst und – ja, man muss leider sagen – zerstückelt werden. ({2}) Auch wenn es heute gegenteilige Pressemitteilungen gab: Das ist veraltet. So umfasst dieser Haushalt nicht nur große Projekte, kurzfristige Hilfen, zukunftsorientierte Pläne und Vorhaben, sondern auch Beiträge, die leicht in den Hintergrund geraten, wenn sie klein, aber doch so wichtig sind. Herzlichen Dank. ({3})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Und die Kollegin Christina Stumpp, CDU/CSU-Fraktion, ist die nächste Rednerin. ({0})

Christina Stumpp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005235, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach 175 Tagen im Amt hat Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir es fertiggebracht, genau zwei Gesetze vorzulegen. Ansonsten gibt es außer Ankündigungen wenig: keine Gesetzentwürfe, keine konkreten Konzepte; alles bleibt an der Oberfläche. Die Geduld unserer Landwirte neigt sich so langsam dem Ende zu. ({0}) Herr Minister, wann wollen Sie endlich anfangen mit Ihrer Arbeit? Oder wollen Sie als ewiger Ankündigungsminister in die Geschichte eingehen? ({1}) In Ihrem Koalitionsvertrag haben Sie eine verbindliche Tierhaltungskennzeichnung noch für dieses Jahr angekündigt, die auch Transport und Schlachtung umfassen soll. Ebenso wollen Sie eine umfassende Herkunftskennzeichnung auf den Weg bringen. Dieses Jahr ist allerdings schon fast zur Hälfte um, und vorgelegt haben Sie bislang nichts. Stattdessen warten Sie bei der Herkunftskennzeichnung auf eine Vorlage der EU-Kommission. Dabei machen uns die Nachbarländer Frankreich und Österreich doch vor, dass es auch nationale Lösungen gibt. Zur Haltungskennzeichnung las man in der Presse nichts Beglückendes. Ihre ersten Pläne gingen weg vom bereits im Lebensmitteleinzelhandel etablierten und beim Verbraucher hinreichend bekannten Einsortiersystem hin zu einem System wie bei der Eierkennzeichnung. Wir nehmen mit Verwunderung zur Kenntnis, dass Sie diese Idee inzwischen wieder zurückgezogen haben. Offenbar sind Sie sich innerhalb Ihrer Koalition nicht einig, wie Sie damit verfahren. ({2}) Unsere Tierhalter brauchen aber gerade jetzt Planungssicherheit. Also liefern Sie doch endlich! Wir in der Union setzen uns für eine Kombination aus Tierhaltungs- und Herkunftskennzeichnung – 5 x D – ein. Nur die garantiert, dass das Tier hier geboren, aufgezogen, gemästet, geschlachtet und verarbeitet wurde. Dies wünschen sich unsere Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie möchten mehr Informationen und Transparenz beim Kauf von Lebensmitteln tierischer Herkunft – und dazu gehören die Haltungs-, Schlachtungs- und Transportbedingungen der Tiere –, um mit gutem Gewissen Fleisch verzehren zu können. Sehr geehrter Herr Minister, für 2023 haben Sie eine Ernährungsstrategie versprochen. Das ist sehr erfreulich. Aber auch bei diesem Vorhaben gibt es bislang keine erkennbaren Anzeichen von Aktivitäten; man hört hierzu leider nichts. Die Ernährungspolitik sollte aber eine der maßgeblichen Querschnittsaufgaben in dieser Legislaturperiode sein. Zum einen sollte sie ressortübergreifend entwickelt werden. Zum anderen müssen auch Praktiker, Wissenschaftler und Akteure aus allen relevanten Bereichen, Berufs- und Altersgruppen eingebunden werden. Wenn Sie damit nicht bald anfangen, dann wird es dies auch bis nächstes Jahr nicht geben. Meine Damen und Herren, wir sind uns alle darin einig, dass gesunde Ernährung für alle zugänglich sein muss. Deshalb braucht es angemessene Rahmenbedingungen und Verbraucherinformationen für alle Zielgruppen. Wir in der Union werden nicht akzeptieren, dass es in Deutschland einen Speiseplan nach dem Gehaltszettel gibt. Gerade in Zeiten ohnehin drastisch steigender Lebenshaltungskosten kommt es doch auf eine soziale Ausgewogenheit in der Ernährungspolitik an. ({3}) Dabei wollen wir niemanden erziehen oder bevormunden, sondern der mündige Verbraucher soll selbst entscheiden, was auf den Tisch kommt. Mit dem Nutri-Score haben wir im November 2020 eine erweiterte visuelle Nährwertkennzeichnung für Fertiglebensmittel in Deutschland eingeführt, die dem Verbraucher eine gute Hilfestellung bei der Lebensmittelauswahl bietet. Seither haben sich 300 deutsche Firmen mit 577 Marken für eine Verwendung registriert. Das ist zu begrüßen und weiter auszubauen. Lassen Sie mich noch auf die ländliche Region zu sprechen kommen. Rund 90 Prozent der Fläche in Deutschland sind ländlich geprägt; rund 57 Prozent der Bevölkerung leben auf dem Land. ({4}) Ländliche Räume sind Lebensraum und Wirtschaftsstandort zugleich. Die Ampel hat aber andere Prioritäten. Warum sonst setzt sie hier den Rotstift an? ({5}) 6 Millionen Euro weniger soll es zukünftig im Bundeshaushalt für das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung geben. Herr Minister Özdemir macht offenbar lieber Politik für Großstädte, anstatt gutes Leben und Arbeiten auf dem Land zu fördern. ({6}) Meine Damen und Herren, regionale Daseinsvorsorge ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Wir brauchen mehr Digitalisierung in der Fläche; denn mit neuen digitalen Technologien können Lebensmittel umweltfreundlicher werden. Es geht um sparsame Ausbringung von Dünger und Pflanzenschutzmitteln, aber auch um moderne Züchtungsmethoden für widerstandsfähige und ertragreiche Pflanzen. ({7}) Innovation statt Produktionsverzicht ist hier die Zukunft. Zu starken ländlichen Räumen gehört aber auch die Unterstützung des Ehrenamts. Gerade in den letzten Wochen hat sich angesichts der vielen ukrainischen Flüchtlinge eindrucksvoll gezeigt, wie unerlässlich ehrenamtliches Engagement in den Gemeinden war und ist. ({8}) Vor allem die Tafeln sind an dieser Stelle zu nennen. Rund 60 000 Ehrenamtliche sind es bundesweit, die da unverzichtbare Arbeit leisten. Leider haben während der Coronapandemie viele von ihnen aus Angst vor Ansteckung ihre Arbeit ruhen lassen. Das haben mir vor Kurzem auch die Mitarbeiter der Waiblinger Tafel in meinem Wahlkreis berichtet. Zugleich sind immer mehr Menschen auf die Tafel angewiesen; hinzu kommen steigende Betriebskosten. Deshalb sind wir in der Union der Ansicht, dass wir gerade jetzt die Tafeln unterstützen müssen, damit sie weiterhin ihre wichtige Arbeit leisten können. ({9}) Sehr geehrter Herr Minister, die Zeiten sind ernst. Echte Lösungen statt Ideologie täten unserem Land sehr gut. Deshalb: Setzen Sie sich mit den Betroffenen, mit den Landwirten, mit allen Beteiligten an einen Tisch! Bauern müssen wirtschaften können und dürfen nicht durch Auflagen erstickt werden. Es ist höchste Zeit für einen Ernährungsgipfel angesichts der drängenden Fragen, vor denen wir stehen. Denn wie meine Vorredner völlig zu Recht festgestellt haben: Der Krieg in der Ukraine wirkt sich nicht nur auf unsere Lebensmittelpreise aus, er gefährdet insbesondere die Ernährungssicherheit auf der ganzen Welt. Vielen Dank. ({10})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der nächste Redner: Dr. Gero Clemens Hocker, FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist Usus, dass auf jedem Lebensmittel, das wir erwerben, sehr deutlich und transparent erkennbar ist, wie lange es haltbar ist, wie viele Kalorien, wie viel Eiweiß, wie viele Kohlenhydrate es enthält. Aber bei tierischen Lebensmitteln, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist nicht erkennbar, wie und vor allem wo das Tier gehalten wurde, wo es geboren wurde, wo es aufgezogen wurde. Hierüber wollen und werden wir endlich Transparenz herstellen. Denn, meine sehr verehrten Damen und Herren, durch nichts kann der Verbraucher einen größeren Beitrag für mehr Tierwohl, für mehr Klimaschutz, für mehr Nachhaltigkeit und für mehr Biodiversität leisten als durch die bewusste Entscheidung für Lebensmittel, die in Deutschland entstanden sind. Denn in kaum einem anderen Land dieser Welt sind die Haltungsstandards so hoch wie in Deutschland; und wir sollten stolz darauf sein, dass wir das auch endlich auf den Lebensmitteln anbringen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Stattdessen tourt die Union durchs Land und erklärt, dass die Ampel einfach nur die Pläne der Vorgängerregierung umsetzen müsste, und dann wäre schon vieles erreicht. ({1}) – Kollege Stegemann bestätigt das. – Ich sage Ihnen eins: Wenn das politisch alles so einfach wäre, lieber Albert Stegemann, dann – das wissen wir doch alle in diesem Hohen Hause – hättet ihr das doch gemacht. Aber es ist eben nicht so einfach. ({2}) Ihr würdet doch nicht sozusagen Pläne auf den Weg bringen und es dann gönnerhaft der nächsten Regierung überlassen, diese Pläne umzusetzen. Das wäre politisches Harakiri. Deswegen wird sehr deutlich: Es ist eben nicht so einfach, ({3}) und der Teufel steckt im Detail. Ich sage Ihnen eins: Kein anderer Berufsstand, lieber Albert Stegemann, ist in den letzten Jahren so häufig mit Versprechungen überzogen worden, die dann aber nachher von der Politik nicht gehalten wurden und die quasi zu Staub – – ({4}) – Nein, es geht gar nicht darum, wer welche politische Farbe hat. Darum geht es mir gar nicht. Ich habe die Politik insgesamt gemeint. ({5}) Kein Berufsstand ist in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mit mehr Versprechungen überzogen worden, die nachher zu Staub zerfallen sind. Deswegen haben wir gemeinsam die Verantwortung, eben nicht mit Finanzierungsmodellen zu kommen, die am Ende doch nicht tragen, gegenüber Landwirten, die ihre Ställe umbauen, eine Finanzierung vielleicht über 20 Jahre machen und die Gewähr brauchen, dass keine neuen Standards dazukommen, während wir Instrumente zusagen, die nur über sieben Jahre eine entsprechende Garantie geben. Ich sage von daher ganz ausdrücklich: Es funktioniert nicht, mit der Mehrwertsteuer, die schon per Definition zweckungebunden ist, ganz gezielt bestimmte Dinge in unserem Land wie zum Beispiel einen Stallumbau zu fördern. Dann hätte man mit Zitronen gehandelt. Seien Sie doch bitte so ehrlich und sagen das den Menschen auch, verehrte Kolleginnen und Kollegen. ({6}) Nächster Punkt. Man könnte ja eine Abgabe einführen. Eine Abgabe – das gestehe ich zu – ist per se ja erst mal an bestimmte Zwecke gebunden. Aber da sage ich ganz ausdrücklich als Vertreter der Freien Demokraten: Wir wissen genau, wie es mit der Zweckgebundenheit einer Abgabe im politischen Alltag tatsächlich aussieht. Der Solidaritätszuschlag ist vor 30 Jahren auf den Weg gebracht worden, weil man eben ganz gezielt die besonderen Herausforderungen der deutschen Einheit finanziell abbilden wollte. ({7}) Wir wissen seit Jahren, dass dieser Obolus schon lange nicht mehr in die neuen Bundesländer fließt. Deswegen ist auch hier die Frage zu stellen, ob eine Abgabe tatsächlich eine verlässliche Perspektive, verlässliche Rahmenbedingungen bietet; denn genau das ist das, was die Landwirte brauchen. Was bislang von Ihrer ehemaligen Regierung auf dem Tisch liegt, sind reine Lippenbekenntnisse und ist nichts, was tatsächlich über 20 Jahre tragen würde. Das muss man an dieser Stelle auch mal sehr deutlich sagen. ({8}) Vor allem würden zusätzliche Steuern oder Abgaben das Urproblem noch verschlimmbessern. Das Urproblem ist darin zu sehen, dass Lebensmittel, die im Ausland zu niedrigeren Standards erzeugt wurden, innerhalb des europäischen Binnenmarktes günstiger angeboten werden können und für die Lebensmittel, die in Deutschland produziert wurden, ein höherer Preis abverlangt wird. Wenn man jetzt mit einer pauschalen Steuer oder Abgabe beides verteuerte, würde das deutsche Lebensmittel relativ gesehen zusätzlich verteuert. Das wird nicht dazu führen, dass tatsächlich mehr Menschen zu Lebensmitteln greifen, die in Deutschland entstanden. Wer Landwirten wirklich eine Perspektive in Deutschland geben will, ({9}) der kämpft für die Angleichung von Produktionsstandards innerhalb des europäischen Binnenmarktes, der kämpft für ein Auflagenmoratorium, damit sich Investitionen tatsächlich am Markt amortisieren können, und der sagt dem Verbraucher, dass er seinen hehren Versprechungen endlich Taten folgen lassen muss, ({10}) dass er die Lebensmittel, die er einfordert, tatsächlich nachfragen muss, verehrte Kolleginnen und Kollegen. ({11}) Damit würde man der Landwirtschaft tatsächlich nutzen.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke ganz ausdrücklich, verehrte Frau Präsidentin, für den Hinweis. ({0}) Es ist, glaube ich, recht deutlich geworden, dass wir in den letzten Monaten das Korrektiv gewesen sind.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Herr Hocker, letzter Satz.

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das ist der letzte Satz; ich habe ihn gerade erst angefangen. – Wir haben immer dann den Finger erhoben, wenn tatsächlich zu viel Ideologie und zu wenig Pragmatismus existierten; und das werden wir die nächsten dreieinhalb Jahre weiter so halten. ({0}) Danke schön. ({1})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Herr Hocker, das war ein langer letzter Satz. Rita Hagl-Kehl, SPD-Fraktion, ist in die nächste Rednerin. ({0})

Rita Hagl-Kehl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004287, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir stehen für eine Ernährungswende, das heißt für eine Ernährungspolitik, die auf Gesundheit und Nachhaltigkeit setzt und die Verbraucherinnen und Verbraucher stärker unterstützt. Daher haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir bis 2023 insbesondere mit Blick auf die Kinder gemeinsam mit allen Akteuren eine Ernährungsstrategie erarbeiten, die eine gesunde klima- und umweltschonende Ernährung zum Ziel hat. Das ist uns als SPD ein Herzensanliegen; dafür haben wir schon sehr lange gekämpft. ({0}) Wir haben kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Handlungsdefizit. Wissenschaftler und Ärztinnen und Ärzte, Fachverbände, Krankenkassen, Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützer fordern schon lange ein Umdenken in der Ernährungspolitik. Auch die aktuelle forsa-Umfrage zu den Folgen der Coronakrise bei Kindern hat nochmals deutlich gemacht, dass wir kein Erkenntnis-, sondern ein Handlungsdefizit haben und dass wir dringend eine Ernährungsstrategie brauchen. ({1}) 16 Prozent der Kinder und Jugendlichen sind in Zeiten von Corona dicker geworden, bei Kindern im Alter von 10 bis 12 Jahren sind es sogar 32 Prozent. Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien sind doppelt so oft von einer ungesunden Gewichtszunahme betroffen wie Kinder und Jugendliche aus eher einkommensstarken Familien. Hier ist das Verhältnis 23 zu 12 Prozent. 27 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben angegeben, häufiger als zuvor zu Süßwaren zu greifen. Deswegen freut es mich besonders, dass im Einzelplan 10 unter „Maßnahmen zur Förderung ausgewogener Ernährung“ Mittel zur Verfügung gestellt werden, die ausschließlich für die Ernährungsstrategie auszugeben sind. Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt, um die Umsetzung unseres Koalitionsvorhabens anzuschieben. Dies soll natürlich in den nächsten Jahren noch stark ausgebaut werden. Was ist für eine Ernährungsstrategie wichtig? Erstens das Essens- bzw. Lebensmittelangebot verbessern und mithilfe einer Reduktionsstrategie Zucker, Salz und ungesunde Fette in verarbeiteten Lebensmitteln wirksam reduzieren – hier hatte die Vorgängerministerin ja auf Freiwilligkeit als Basis gesetzt –, verbindliche Ernährungsprofile nach den WHO-Kriterien, verbindliche Einführung der Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung. Zweitens den Zugang zu gesundem Essen durch positive Anreize und eine gesunde Ernährungsumgebung für alle erleichtern. An Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Produkte wollen wir verbieten. ({2}) Gleichzeitig ist ein finanzieller Anreiz für gesunde Lebensmittel nötig. Das heißt auch, eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte käme in Betracht ({3}) und als Ausgleich dafür ein höherer Mehrwertsteuersatz für ungesunde Produkte. Das Bewusstsein für gesunde und nachhaltige Ernährungsweise müssen wir durch mehr Transparenz und bessere Aufklärung stärken. Wir brauchen Ernährungsbildung an Schulen und Kitas, Aufklärungskampagnen, eine EU-weite Nutri-Score-Kennzeichnungspflicht und Kriterien für ein staatliches Nachhaltigkeitslabel. Die landwirtschaftliche Erzeugung muss stärker an den Erfordernissen einer nachhaltigen Ernährungsweise ausgerichtet werden, zum Beispiel durch Stärkung der Eiweißpflanzenstrategie. Die Maßgaben der Zukunftskommission Landwirtschaft wurden schon von meinem Kollegen Matthias Miersch erklärt. Wir müssen sie nur umsetzen; wir brauchen nichts Neues zu entwickeln. Nun ist es am BMEL, dass Sie diesen Entwurf einer Ernährungsstrategie vorlegen und die zur Verfügung gestellten Mittel für dieses Jahr ausschöpfen. Zwei wichtige Punkte fehlen mir allerdings in diesem Haushalt. Das ist zum einen der Bereich der Schul- und Gemeinschaftsverpflegung – hier brauchen wir eine Anschubfinanzierung für die Modellregionen –, zum anderen eine Aufklärungskampagne für Verbraucherinnen und Verbraucher zu den Vorteilen einer Ernährung mit pflanzlichen Eiweißalternativen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Uhr tickt: Die Kosten der Folgen ungesunder Ernährung müssen wir alle tragen, auch in Zukunft. Und: Kinder und Jugendliche sind unsere Zukunft. Drum ist es an uns, dies nun endlich umzusetzen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Ich erteile das Wort der Kollegin Christina-Johanne Schröder, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Christina Johanne Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005214, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! First things first: Gestern war Welttag der Bäuerinnen. Das ist ein guter Anlass, um einfach mal Danke zu sagen: Danke für Lebensmittelsicherheit, Lebensmittelqualität und harte Arbeit. ({0}) Bevor ich auf den Haushalt eingehe: Herr Rief, es ist mir seit Ihrer Rede ein Anliegen, Ihnen zu sagen: Afrika ist ein sehr großer Kontinent mit sehr unterschiedlichen Staaten, mit sehr unterschiedlicher Agrarstruktur. ({1}) Ich habe das Gefühl, das interessiert Sie nur, wenn es gegen Biodiversität geht. Christlich ist die Union ja. Nun, was fordern die Kirchen? Aufbau bäuerlicher Strukturen, ({2}) um Hunger langfristig zu bekämpfen, sowie Saatgutvielfalt. Genau das wird gefordert, um Hunger dauerhaft zu bekämpfen. Aber dazu höre ich in der Debatte von Ihnen nichts, ({3}) – Wir hören Ihnen ja die ganze Zeit zu. Machen wir mal einen Statusbericht. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft, das Wachsen und Weichen und das Höfesterben, all das haben Sie von der Union mit Ihrer Politik verursacht. Es gibt Dürrejahre, es gab Ernteeinbußen, es gab eine Mäuseplage, es gab den Verlust von Wasserspeicherkapazität der Böden, es gab Überschwemmungen: All das sind Auswirkungen der Klimakrise, unter denen Landwirtinnen und Landwirte ganz konkret leiden. Und Ihre Antwort darauf? Sie gibt es nicht. Sie verschließen einfach die Augen davor – wie kleine Kinder, die etwas nicht sehen wollen. Tiere und Menschen leiden unter dem Kostendruck, den Ihre Politik verursacht hat. Sie haben so viel Vertrauen zerstört, dass es jetzt ein langer Weg wird, neues Vertrauen aufzubauen. Wir haben uns mit diesem Haushalt auf den Weg gemacht. ({4}) Es ist wichtig, dass wir einen soliden Pfad bauen, der mehr als vier Jahre hält. Wir fangen mit der Tierhaltungskennzeichnung an, einer staatlichen und verbindlichen. Es geht weiter beim Bau- und Immissionsrecht. Es geht auch darum, Anreize für Investitionen in Tierwohlställe zu schaffen; 1 Milliarde Euro sind dafür im Haushalt eingestellt. ({5}) Und wir brauchen eine dauerhafte Finanzierung dieser Form der Tierhaltung. Diese Finanzierung muss dafür sorgen, dass sich die Bäuerinnen und Bäuern ({6}) auf den Weg machen und ihre Tierhaltung langfristig umstellen. Ein Haushaltsposten hat hier viele Fans; das ist die Küstenfischerei. Sie wurde heute schon mehrfach erwähnt. Wir kennen das schöne Bild der Fischkutter in den Häfen. Wir empfinden das als touristisches Highlight, aber oft stecken Familien, Generationen und Traditionen dahinter. Ohne die 10 Millionen Euro im Haushalt würden viele dieser Küstenfischereien diesen Sommer aufgrund der gestiegenen Preise für Schiffsdiesel nicht mehr erleben. Ich möchte einen weiteren Punkt highlighten, und zwar die 1,6 Millionen Euro zusätzlichen Mittel für die Eiweißpflanzenstrategie; denn das ist ein ganz wesentliches Thema. Wir brauchen einerseits viel mehr heimisches Futter für unsere Tiere, ({7}) andererseits brauchen aber auch wir Menschen viel mehr Eiweißnahrung. Bei uns in Niedersachsen – ich komme aus dem Agrarland Nummer eins – gibt es einen großen Hersteller, der händeringend nach Produzentinnen und Produzenten für Eiweißpflanzen sucht, weil es so viele Ersatzprodukte gibt, die die Menschen essen wollen. Das ist großartig; denn es ist eine klimafreundliche Chance, den Bedarf an Nahrung zu stillen und die ökonomische und ökologische Resilienz zu stärken. ({8}) Ich freue mich auf den gemeinsamen Weg mit der Ampel und dem BMEL. Vielen Dank. ({9})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der Kollege Max Straubinger, CDU/CSU-Fraktion, ist der nächste Redner. ({0})

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Am Ende dieser Debatte – zuvor kommt noch die Frau Kollegin – ist die Abstimmung über diesen Haushalt. Man muss feststellen, dass letztendlich die Zukunftsperspektiven für die Landwirte in Deutschland nicht besser geworden sind. Der Bundesminister hat in seiner Regierungserklärung am 14. Januar 2022 formuliert: Es geht darum, „dass die Landwirte Wertschätzung erfahren“. Ich kann diese Wertschätzung für die Landwirte in diesem Haushalt nicht erkennen, Herr Bundesminister. ({0}) Oder verstehen Sie unter Wertschätzung, dass die Bundesmittel für die landwirtschaftliche Unfallversicherung gekürzt werden und damit die Beiträge in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung und die Belastungen für die Landwirte um 17 Prozent steigen werden? Wenn das Ihr Verständnis von Wertschätzung der Landwirtschaft ist, gut, dann ist das Ihr Mantra, aber nicht das unsere. Wir verstehen das so nicht. ({1}) Verstehen Sie unter Wertschätzung die Kürzungen für Zukunftsinvestitionen in der Landwirtschaft? Wir verstehen die Wertschätzung für die Bäuerinnen und Bauern in unserem Lande anders. Es geht nämlich um Unterstützung für die Bäuerinnen und Bauern. Verschiedenste Redner der Koalition haben Planungssicherheit angemahnt. Diese Planungssicherheit kann und muss aber auch erarbeitet werden. Jetzt wurde vielfältig mit dem Finger auf uns als CDU/CSU mit 16 Jahren Verantwortung in der Vergangenheit gezeigt. Aber, Herr Kollege Miersch, wer hat es verhindert, dass Planungssicherheit für moderne Ställe geschaffen wurde? ({2}) Es war in der Vergangenheit doch die SPD-Fraktion, die uns daran gehindert hat, ({3}) dass offene Ställe, luftige Ställe im ländlichen Raum errichtet wurden. ({4}) Das ist Ihre Bilanz. Heute so zu jammern, kann es wirklich nicht sein. ({5}) Werte Damen und Herren, ich frage mich: Wo war die Unterstützung des Landwirtschaftsministers für die Obstbauern, für die Gemüsebauern? Die Frau Kollegin Dr. Spallek hat vorhin tränenreich dargelegt, dass Erdbeerfelder umgepflügt werden, dass Spargelfelder nicht mehr abgeerntet werden können und dergleichen mehr. Wo war die Unterstützung für eine Übergangslösung bei der Schaffung des Mindestlohns von 12 Euro? ({6}) – Ja, das kommt aber. Darauf müssen sich auch die Landwirte einstellen. ({7}) Wo war die Unterstützung des Ministers bei der Bitte der Gemüsebauern, die 70-Tage-Regelung auf 102 Tage zu verlängern? ({8}) Wo war da die Unterstützung des Ministers und Ihrer Grünenfraktion? ({9}) Es geht nicht an, Frau Dr. Spallek, hier tränenreich den Wettbewerb zu bejammern und zu beklagen, dass die deutschen Verbraucher letztendlich bei den billigeren Produkten zugreifen und dadurch die Produktion in Deutschland verschwinden wird. ({10}) Das ist letztendlich das Ergebnis Ihrer Politik, die Sie betreiben. ({11}) Diese Politik ist zu ideologiegeleitet. Das merkt man ganz besonders in der Bewältigung bzw. Nichtbewältigung der aktuellen verbrecherischen Situation in der Ukraine, die wir – ausgelöst durch Russland – erleben müssen. Das hat zur Folge, dass die Menschen hinterher werden hungern müssen. Heute läuft durch die Ticker: 300 Millionen Menschen leiden möglicherweise in der Zukunft Hunger. ({12}) Es ist gerade Auftrag an uns, an die Europäische Union, an Deutschland, hier einen Beitrag zu leisten, dass mehr produziert wird in unserem Land. ({13}) Wir sind uns völlig einig mit den Kollegen der FDP. Nur frage ich mich: Was macht die FDP in dieser Koalition? Sie sollte sich dahinterklemmen, dass diese Bundesregierung in der Europäischen Union endlich Initiativen ergreift und die Flächenstilllegung von 4 Prozent 2023 nicht stattfinden wird. Was tun Sie? Wo ist Ihr Antrag? Wo ist Ihr Engagement? Ich kann nichts erkennen. Das muss man ja auch berücksichtigen. ({14}) Die Bäuerinnen und Bauern warten darauf. Wir stellen diese Anträge. Sie lehnen diese in der Regel immer ab. Wo ist Ihre Stimme für die Bäuerinnen und Bauern? ({15}) Ich kann sie nicht erkennen, Herr Kollege Hocker. ({16}) Der Herr Bundesminister hat in seiner Regierungserklärung auch gesagt, dass gute Grundlagen für die Zukunft der Landwirtschaft da sind. Jetzt sage ich mal: Die Zukunftskommission und viele andere Dinge, die schon vorbereitet worden sind – Stichwort „Borchert-Kommission“ –, sind alle da. Aber im letzten halben Jahr ist nichts erarbeitet worden. Letztendlich trifft fast zu, was der Kollege Hocker mal gesagt hat. ({17}) – Ja. – Der Kollege Hocker hat formuliert: Es hat in den letzten sechs Monaten seit Bestehen dieser Bundesregierung nicht einen einzigen gesetzgeberischen ({18}) nationalen Alleingang gegeben. ({19})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Lieber Kollege Straubinger, kommen Sie bitte zum Schluss.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr gute Formulierung! Das hat aber jetzt einen neuen Sinn bekommen, weil die Regierung nämlich gar nichts getan hat. ({0}) In diesem Sinne werden wir –

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Letzter Satz, lieber Max Straubinger.

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

– diesen Agrarhaushalt ablehnen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Isabel Mackensen-Geis, SPD-Fraktion, ist die letzte Rednerin in dieser Debatte. ({0})

Isabel Mackensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004949, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hören sie eindrucksvoll: Die Stimmen nach einer rückwärtsgewandten Agrarpolitik werden wieder lauter. – Doch wir dürfen die bestehenden Krisen nicht gegeneinander ausspielen. Es geht nicht um schnelle Lösungen; denn die Klima- und Biodiversitätskrise gefährdet unsere Lebensgrundlage. Nur auf gesunden Böden können wir auch langfristig gesunde Lebensmittel anbauen. ({0}) Auch müssen wir uns in Bezug auf die wahren volkswirtschaftlichen Kosten unseres Ernährungssystems ehrlich machen; denn die Preise an der Ladenkasse sprechen nicht immer die Wahrheit. So entstehen durch Nitrat im Grundwasser versteckte Kosten, die von der Gesellschaft an anderer Stelle bezahlt werden müssen wie zum Beispiel durch erhöhte Wasserpreise. Am Dienstag hatten wir in unserer AG Ernährung und Landwirtschaft Herrn Professor Strohschneider, den Vorsitzenden der Zukunftskommission Landwirtschaft, zu Besuch. Ich möchte auch noch einmal deutlich machen: Wir stehen auch in der jetzigen Krise zu dem historischen Kompromiss und den Schlussfolgerungen der Zukunftskommission. ({1}) Die Vermeidung der Übernutzung unserer natürlichen Ressourcen muss sich für die Landwirtinnen und Landwirte betriebswirtschaftlich lohnen; denn die Landwirtschaft ist systemrelevant. Die Transformation ist unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe. ({2}) Mit diesem Haushalt unterstützen wir die Landwirtschaft konkret. Der Ökolandbau ist ein wichtiger Faktor für regionale sowie widerstandsfähige Wertschöpfungsketten und bleibt auch in Krisenzeiten ein wesentliches Element einer zukunftsfähigen Landwirtschaft in Deutschland. Durch die Streichung des Buchstaben „N“ beim Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft – ja, das ist ein langer Titel; kurz: BÖLN – schafft die Ampel im Haushalt einen eigenen Fördertopf nur für den Ökolandbau. ({3}) Somit werden in diesem Jahr 32,5 Millionen Euro zielgerichtet für den Forschungsbedarf des Ökolandbaus bereitstehen, um das Ziel 30 Prozent Ökolandbau bis 2030 zu erreichen. ({4}) Ein weiteres Thema, das mich bewegt und zu welchem am 16. Mai 2022 eine Sonderagrarministerkonferenz stattfand, ist unser Wald. Die Situation ist ernst. Auch in diesem Frühjahr hat es in vielen Regionen zu wenig geregnet. Laut dem Deutschen Wetterdienst gehörte der März zu den trockensten seit der Wetteraufzeichnung. Die Ansprüche an unsere Wälder haben zugenommen: Bedarf an Rohstoff Holz, Beitrag zum Klimaschutz, Förderung der Biodiversität und natürlich der Erholungsort für uns alle. Wir entwickeln ein System zur Honorierung dieser Ökosystemleistungen, mit dem wir die kommunalen und privaten Waldbesitzenden bei dem Umbau unterstützen werden. Wir wollen Anreize für die Verbesserung der Waldleistungen schaffen. Unsere Wälder brauchen zwar dringend Wasser, doch die Gelder dürfen eben nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden. Eile ist geboten. Sehr geehrte Damen und Herren, dass wir in dieser Woche diesen Haushalt verabschieden können, wir, die in freier, geheimer, gleicher, unmittelbarer und allgemeiner Wahl Gewählten, ist keine Selbstverständlichkeit. ({5}) Komm wir ziehen in den Frieden Wir sind mehr als du glaubst Wir sind schlafende Riesen Aber jetzt stehen wir auf … Die Sänger/-innen von CHORiander sangen am letzten Samstag auf dem Marktplatz in Neustadt an der Weinstraße diesen Appell von Udo Lindenberg. Wir wollten ein Fest für die Demokratie feiern, weil vor 190 Jahren Demokratinnen und Demokraten aus ganz Europa aufs Hambacher Schloss gezogen sind. Das war der Beginn eines langen Prozesses zu Freiheit, Frieden und Demokratie. Das Hambacher Schloss ist als Wiege der deutschen Demokratie in die Geschichte eingegangen. Doch aus dem fröhlichen Fest am Wochenende wurde ein Aufmarsch von in weiß gekleideten selbsternannten Freiheitsaktivistinnen und ‑aktivisten, deren ignorante, aggressive Pöbeleien dazu führten, dass beispielsweise die Stände vom Bündnis gegen Rechts und der Gedenkstätte für NS-Opfer ihre Teilnahme am Fest abbrechen mussten und Familien eben nicht mit ihren Kindern „Hinauf, hinauf zum Schloss“ ziehen konnten. Aber jetzt stehen wir auf, und zwar mit der Hambacher Intervention, die Sie alle mitunterzeichnen können, um sich deutlich gegen die Vereinnahmung unserer Demokratiegeschichte von rechts zu stellen oder, um es mit den Worten Joachim Gaucks zu sagen, dem ersten Preisträger des Hambacher Freiheitspreises: „Wir lassen uns unsere Symbole der deutschen Demokratiebewegung nicht von den Feinden der Demokratie kapern.“ ({6}) Ich will schließen mit einem Dank an die Schubert-Schule in Neustadt, wo Schüler/-innen, Lehrer/-innen und Eltern jeden Tag unsere Demokratie leben und dafür mit dem Johann-Philipp-Abresch-Preis ausgezeichnet wurden. „Wir sind schlafende Riesen. Aber jetzt stehen wir auf.“ ({7})

Kerstin Radomski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004382, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ministerin! Vor der Verabschiedung des Einzelplans 30 – Bildung und Forschung – blicken wir in dieser Debatte auf ganz zentrale Politikfelder für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Dabei ist es unsere Aufgabe, das Bildungs- und Wissenschaftssystem immer wieder aufs Neue zukunftsfest zu machen. Es wird ein stabiles Fundament von guter schulischer Bildung und beruflicher Bildung vor Ort gebraucht, bis hin zu exzellenter Wissenschaft, die auch im weltweiten Vergleich vorne mitspielt. Damit dies weiterhin gelingt, haben Sie unter anderem die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation, die DATI, ins Leben gerufen. Schon bei der Einbringung des Haushalts haben wir als Unionsfraktion hier im Plenum das Fehlen eines schlüssigen Konzepts kritisiert, das bei einer Summe von 15 Millionen Euro aus unserer Sicht zwingend notwendig ist. CDU und CSU haben dann einen Antrag für eine Sperre der DATI-Haushaltsmittel eingebracht, die nur durch das Parlament aufgehoben werden kann. Wir freuen uns, dass die Ampelkoalition nach einer Ablehnung unseres Antrags dann doch dazu übergegangen ist, einen eigenen Antrag mit ähnlicher Wortwahl einzubringen, dem wir dann natürlich gerne zugestimmt haben. ({0}) Unsere Zustimmung galt in den Haushaltsberatungen auch den Sperren im Kontext der Agentur für Sprunginnovationen, der Helmholtz-Gemeinschaft und dem Berliner Institut für Gesundheitsforschung. Es ist gut, dass wir die Kontrollfunktion des Parlaments gegenüber der Exekutive so selbstbewusst betonen. Das können wir natürlich am besten alle gemeinsam. ({1}) Im Bereich Forschung empfinden wir es aber natürlich als bedauerlich, dass Sie als Ampelkoalition unseren Ideen zu drei aus unserer Sicht wichtigen Wettbewerben nicht gefolgt sind. Zum einen hatten wir den Start eines Wettbewerbs „Neue Therapieansätze gegen Autoimmunerkrankungen“ im Ausschuss beantragt. Bei diesen Erkrankungen handelt es sich zum Beispiel um Fehlsteuerungen des Immunsystems von Typ‑1-Diabetes bis Rheuma. Viele Menschen sind davon betroffen. Wir würden uns wünschen, dass Sie sich da so verhielten wie bei der DATI und in Zukunft einen unserer Anträge übernehmen würden. ({2}) Außerdem haben Sie unseren Antrag für einen Wettbewerb „Grüne Landwirtschaft – Innovative Lebensmittelproduktion“ abgelehnt. Angesichts der aktuellen Lage in der Ukraine hätten wir es natürlich gut gefunden, wenn Sie diesem innovativen Ansatz gefolgt wären. Der dritte Antrag handelt von Fusionstechnologien. Es geht dabei um Energieerzeugung durch Kernfusion. Ich denke, das ist ein so wichtiges Thema. Angesichts der vielen Debatten, die sich um die Energieversorgung ranken, sollten wir in Zukunft alle gemeinsam darauf achten, dass wir gerade im Bereich Fusionstechnologie etwas machen. Die Ampel hat da in den Haushaltsberatungen Mittel gestrichen. Ich glaube, wenn wir uns das gemeinsam noch einmal genauer angucken, können wir da für die Zukunft unseres Landes einiges erreichen. ({3}) Blicken wir auf den Bereich Bildung. Wie wichtig dieser ist, zeigte in den letzten Tagen die Veröffentlichung des MINT-Frühjahrsreports. Dabei geht es um die schulische Wissensvermittlung in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Doch nicht nur im MINT-Bereich gibt es Defizite, auch das Handwerk in Deutschland schlägt Alarm, da es an Fachkräften mangelt und Ausbildungsberufe besser gefördert werden müssen. Sehr bedauerlich finden wir deshalb die Kürzungen bei der beruflichen Bildung; denn wir sehen es als enorm wichtig an, Fachkräfte für unser Land zu haben. ({4}) Es ist auch ein falsches Signal; denn der Fachkräftemangel gefährdet viele Projekte der Koalition. Wenn die Fachkräfte im Handwerk fehlen, dann sind die groß angekündigten Vorhaben wie Energiewende, Wohnungsbau und viele andere Projekte nicht umsetzbar. Wissenschaftler sind wichtig, und es ist auch wichtig, dass wir Politiker haben. Aber ohne Fachkräfte bauen wir keine Häuser und werden auch die energetische Sanierung der Gebäude nicht voranbringen. ({5}) Wir als Unionsfraktion würden uns deshalb von Ihnen wünschen – wir haben dazu auch diverse Anträge eingebracht –, dass Sie die Bedeutung der dualen Ausbildung wieder auf das Niveau heben, das wir in unserem Entwurf des Haushaltes im letzten Jahr hatten. Dann bleibt mir noch ein Thema, das mir als Lehrerin sehr am Herzen liegt: die Alphabetisierung. Wir haben in diesem Bereich echten Aufholbedarf in Deutschland. Jedes Jahr investieren wir als Bund Geld in die Alphabetisierung von Erwachsenen. Ich glaube, es tut allen gut, wenn wir uns noch mal unseren Antrag hinsichtlich der Erstellung von Gutachten zur Alphabetisierung von Menschen in der schulischen Ausbildung anschauen, weil es einfach nicht sein darf, dass Kinder unser Schulsystem verlassen, ohne alphabetisiert zu sein. ({6}) Weil der Antrag auf Gutachten zur Alphabetisierung leider von Ihnen abgelehnt worden ist und unsere Anträge zur beruflichen Bildung abgelehnt worden sind, können wir den Kurs der Koalitionsfraktionen nicht mitgehen und werden Ihren Haushalt ablehnen. Danke schön. ({7})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der Kollege Christoph Meyer, FDP-Fraktion, hat das Wort. ({0})

Christoph Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004820, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ampelkoalition hat in ihrem Koalitionsvertrag sehr deutlich formuliert, dass Bildung und Forschung für uns Priorität haben. Das ist die Grundlage für freie, selbstbestimmte Menschen, für wirtschaftlichen Fortschritt, für technologische Souveränität. Deswegen bin ich froh, dass es uns gelungen ist, trotz der schwierigen Haushaltslage diesen Posten gegenüber dem Regierungsentwurf, den die Große Koalition im letzten Jahr vorgelegt hat, um über 100 Millionen Euro zu steigern und in der mittelfristigen Finanzplanung ebenfalls weitere Mittelaufwüchse zu garantieren und zu sichern. ({0}) Wir hatten – das klang eben schon an – sehr konstruktive parlamentarische Beratungen. Es war die Ampelkoalition, die – besonderen Dank an Wiebke Esdar als Hauptberichterstatterin – sehr moderierend gewirkt hat. Ich möchte aber auch ausdrücklich loben, dass die CDU/CSU zu diesem Einzelplan, in diesen Bereichen – anders als in anderen Bereichen – sehr fleißig Änderungsanträge eingebracht und Initiativen ergriffen hat. Das ist offensichtlich noch nicht selbstverständlich. Deswegen sollte sich der eine oder andere vielleicht an Kerstin Radomski ein Beispiel nehmen. ({1}) Investitionen, die wir in den parlamentarischen Beratungen noch angeschoben haben, gingen in die Bereiche Digitalisierung, Leistungsfähigkeit des Bildungswesens, Nachwuchsförderung und Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschafts- und Innovationssystems. Ich freue mich besonders, dass wir im Bereich der Bioökonomie Aufwüchse erzielen konnten. Gerade im Bereich der Nahrungsmittelforschung – das Thema Nahrungsmittelknappheit ist schon angesprochen worden – haben wir unsere eigenen Akzente gesetzt. Wir sind im Bereich der Post-Covid-/Long-Covid-Forschung und auch im Bereich der mentalen Gesundheit ein Stück weiter gegangen. Was hier zum Thema Kernfusion formuliert wurde, kann ich so nicht stehen lassen. Wir haben mit ITER ein Projekt, das nicht direkt aus dem nationalen Etat finanziert wird, sondern über die europäische Ebene. Dennoch ist Deutschland mittelbar beteiligt, und das wird natürlich eine der Schlüsseltechnologien sein, auf die wir in Zukunft setzen müssen. ({2})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Jarzombek?

Christoph Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004820, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ach nein. Sie sind doch nachher selbst noch dran, Herr Kollege. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Dann fahren Sie mit der Rede fort.

Christoph Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004820, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wir haben in diesem Etat einen klaren Fokus auf junge Menschen, wir haben auf neue Technologien gesetzt, und wir haben – das wurde auch schon angesprochen – neue Konzepte von Transferwissenschaft in der Anwendung mit der DATI und mit anderen Projekten. Ich finde, es ist eine Frage der Souveränität des Parlamentes, dass man mit dem Ministerium zusammen auch haushalterische Vermerke wie eine Sperre anbringt. Deswegen werden wir uns die entsprechenden Projekte angucken und dann sicherlich zügig – davon bin ich überzeugt – zu einer Entsperrung kommen. Uns ist es gelungen, die „Polarstern II“ zu finanzieren – auch eine Aufgabe, die die Vorgängerin der Ministerin nicht geschafft hat –, sodass wir alles in allem – ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Christoph Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004820, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

– einen guten Haushaltsentwurf noch besser gemacht haben. Deswegen werden wir mit Freude zustimmen und freuen uns auf den Haushalt 2023. Danke. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der nächste Redner der Debatte: Dr. Götz Frömming, AfD- Fraktion. ({0})

Dr. Götz Frömming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004722, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In einer Rede am 29. November 2018 habe ich hier an dieser Stelle prophezeit, dass der DigitalPakt scheitern wird. Damals haben Sie gelacht und sind über unsere wohlbegründeten Bedenken hinweggegangen. Nun erhalten wir die erste Evaluation in Form eines Berichtes des Bundesrechnungshofs von diesem Jahr. Meine Damen und Herren, dieses Zwischenzeugnis, das Sie hier alle miteinander erhalten, fällt für Sie verheerend aus. Der Bundesrechnungshof stellt fest, es fehle dem Bund nicht nur an der Zuständigkeit, sondern vielmehr führten seine Initiativen zu „Angeboten, die redundant zu denen der Länder“ seien. Sie seien damit „unwirtschaftlich“. Es drohten weiterhin – so wörtlich – „Förderruinen, für deren Weiterbetrieb es keine Perspektiven“ gebe. Das ist das Ergebnis Ihrer verfehlten Haushaltspolitik. ({0}) Das, was wir hier über den DigitalPakt gesagt haben, könnte als drohendes Motto über Ihrem gesamten Haushalt stehen: Deutschland als Förderruine, für deren Weiterbetrieb es keine Perspektive mehr gibt. – Man muss aufgrund früherer Äußerungen, insbesondere aus den Reihen der Grünen, fast annehmen, dass einige von Ihnen diesen Untergang heimlich herbeisingen. Meine Damen und Herren, dass wir uns nicht missverstehen: Eine vernünftige Internetanbindung in den Schulen oder ein warmes Mittagessen, das sind wichtige Dinge, das befürworten auch wir. Aber das sind Selbstverständlichkeiten. Sicherlich könnten die Länder und Kommunen besser dafür sorgen, als wenn wir das hier von Berlin aus tun. ({1}) Da, wo Sie wirklich als Bundesgesetzgeber gefragt sind, scheitern Sie. Für die berufliche Bildung tun Sie nach wie vor viel zu wenig bzw. das Falsche. Auch hier beklagt der Bundesrechnungshof zu Recht eine fehlende gesetzliche Grundlage und einen unkoordinierten Förderdschungel, in dem sich keiner mehr auskenne. Das Gleiche erleben wir übrigens beim BAföG. Dazu haben Sie ja einen neuen Entwurf vorgelegt; über den werden wir noch reden müssen – auch hier ein vernichtendes Zeugnis vom Bundesrechnungshof auf 40 Seiten. Man muss auch fragen, warum der Bund meint, ständig Projekte zu finanzieren wie zum Beispiel „Demokratie leben!“, „Kultur macht stark“ „Bildung für nachhaltige Entwicklung“. Das sind alles so tolle, wohlklingende Namen. Aber warum tun Sie das als Bund? Sind dafür nicht eigentlich die Länder zuständig, und trauen Sie an der Stelle nicht den Lehrern vor Ort zu, das Richtige zu tun? Wir stellen fest, dass es um unsere Bildungseinrichtungen herum, Herr Gehring, inzwischen einen regelrechten Sumpf von externen Bildungsanbietern gibt. ({2}) Ebenso wenig, wie Lehrer und Schüler auf diesen Bildungssumpf an externen Bildungsanbietern gewartet haben, haben sie übrigens auf das gewartet, was uns tagtäglich im früher sogenannten Bildungsfernsehen erwartet. Lesen Sie mal die Berichte vom heutigen Tage! Das ist eher eine perverse Genderideologie, die statt wissenschaftlicher Erkenntnisse verbreitet wird. ({3}) Meine Damen und Herren, wir kritisieren die seit Jahren zu beobachtende schleichende Umwandlung des einstigen Atom- und Forschungsministeriums zu einem Ministerium, das man „Ministerium für Bildung und Umerziehung“ nennen könnte. Schuld daran ist maßgeblich der Einfluss der Grünen und ihrer außerparlamentarischen Vorfeldorganisationen. Frau Ministerin, Sie sind von der FDP. Sie stehen hier in der Verantwortung: Trocknen Sie diesen grünen Sumpf aus, befreien Sie Ihr Ministerium aus der Geiselhaft der Grünen! ({4}) Deutschland droht parallel dazu den Anschluss an die internationale Spitzenforschung zu verlieren. Das sehen wir im Bereich der künstlichen Intelligenz: China und die USA haben uns längst abgehängt. Wir sehen es aber auch in anderen Bereichen; die Kernenergie ist schon genannt worden. Hier haben Sie sich von einem kompletten Forschungszweig verabschiedet – übrigens auch ein deutscher Sonderweg; das ist nie eine gute Idee. Meine Damen und Herren, vielleicht erleben wir aber von den Grünen einen weiteren Purzelbaum; denn sie haben sich ja entschieden, Waffen in Kriegsgebiete zu liefern, und nehmen in Kauf, eine Atommacht zu provozieren.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Herr Frömming, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Götz Frömming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004722, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielleicht trauen sie sich dann ja auch, in die Kernenergieforschung wiedereinzusteigen. Vielen Dank. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Die nächste Rednerin ist Dr. Wiebke Esdar, SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Wiebke Esdar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004710, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Werte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir lesen in dieser Stunde den Einzelplan 30, also den Haushalt des Bildungs- und Forschungsministeriums. Die gute Nachricht – das haben wir bereits in der ersten Lesung gehört – ist: Der Plafond, also die Mittel, die für Bildung und Forschung in den nächsten Jahren zur Verfügung stehen, wird steigen. Wir können heute in der zweiten Lesung sagen: Es gibt eine noch bessere Nachricht; denn diese Steigerung fällt nach der Bereinigungssitzung noch höher aus. ({0}) Insgesamt werden wir in den nächsten Jahren rund 4 Milliarden Euro mehr zur Verfügung haben. Das zeigt, wie wichtig uns Bildung und Forschung sind. Ich möchte ein paar Punkte highlighten, die wir jetzt im parlamentarischen Verfahren in den letzten Wochen noch geändert haben. Stichwort „Schule“: Die Bildungsgerechtigkeit ist uns wichtig. Darum haben wir mit einem Maßgabebeschluss sichergestellt, dass durch das Startchancen-Programm 4 000 Schulen in besonders schwierigen räumlichen und gesellschaftlichen Lagen zusätzlich gefördert werden können. Wir schaffen mehr Bildungsgerechtigkeit. ({1}) Wir nehmen die Schülerinnen und Schüler aber auch in den Blick; denn Schülerinnen und Schüler und vor allem ihre demokratisch gewählte Interessenvertretung sind uns wichtig. Darum ist jetzt, nachdem sie es jahrelang gefordert haben, das Haus sich immer gesperrt hat und wir es jetzt im parlamentarischen Verfahren durchsetzen konnten, beschlossen, dass sie einen eigenen Etat und eine eigene Geschäftsstelle bekommen. Und das ist so wichtig, weil das bedeutet, dass sie sich weniger mit organisatorischem Kram beschäftigen müssen und sich ganz auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren können. Auch wenn das manchmal unbequem für uns als Politikerinnen und Politiker wird, so wollen wir die jungen Menschen doch ernst nehmen. Darum ist es gut, dass wir das beschlossen haben. ({2}) Wir stärken die überbetrieblichen Ausbildungsstätten, und zwar stärker als ursprünglich veranschlagt, mit zusätzlichen 2 Millionen Euro. Das ist ein wichtiger Beitrag; denn wenn uns die gesellschaftliche Transformation zu einer klimafreundlichen, klimaneutralen, krisenresilienteren Gesellschaft und Wirtschaft gelingen soll, dann brauchen wir Leute, die das praktisch umsetzen. Darum gibt es mehr Mittel für betriebliche Ausbildungsstätten. Im Bereich „Studium und Hochschule“ stellen wir 12 Millionen Euro mehr für die Stiftung Innovation in der Hochschullehre ein; das ist die Nachfolgestiftung vom Qualitätspakt Lehre. Wir bringen damit zum Ausdruck, dass uns die Lehre an den Hochschulen, die in den letzten Jahren durch Corona so gefordert war, wichtig ist und wir sie als Bund fördern wollen. Wir haben die Stiftung, die noch recht jung ist, sehr ambitioniert an den Start gebracht. Ich will dazu sagen: Wir haben im parlamentarischen Verfahren eine kleine Kurskorrektur vorgenommen. Zunächst sollten die Mittel gekürzt werden. Jetzt aber senden wir das klare Signal: Insbesondere die begutachteten Projekte in der Förderlinie „Freiraum 2022“ können rechtzeitig an den Start gehen. ({3}) Die größte Änderung im Bereich Hochschulen wird die jährliche Dynamisierung des Zukunftsvertrags „Studium und Lehre stärken“ sein. Wir haben uns in der Bereinigungssitzung auf einen Maßgabebeschluss geeinigt, der besagt, dass die Dynamisierung, die von den Hochschulen lange gefordert wurde, 2023 an den Start geht. ({4}) Damit bekommen die Hochschulen noch mehr Planungssicherheit. Wir haben uns in der Großen Koalition dafür eingesetzt, dass es Steigerungsstufen gibt. Jetzt gibt es durch eine jährliche Dynamisierung wirklich Planungssicherheit. Damit hat der Bund seine Hausaufgaben gemacht. An dieser Stelle möchte ich die Erwartungshaltung formulieren: Mit diesen jährlich steigenden Mitteln muss für Daueraufgaben, die in der Lehre anfallen – das Geld ist ja ursprünglich über den Hochschulpakt wegen der steigenden Studierendenzahlen geflossen –, gelten: Dauerstellen für Daueraufgaben. ({5}) Wir werden hier in den nächsten Monaten auch die Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes diskutieren. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und vor allem die Schaffung besserer Karriereperspektiven für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden uns nur gelingen, wenn alle drei – Bund, Länder und Hochschulen – an einem Strang ziehen. Meine Aufforderung an die Hochschulen ist: Setzen Sie dieses planungssichere Mehr an Geld sinnvoll ein! ({6}) Ich komme zur Forschung. Auch hier haben wir noch einmal ordentlich draufgesattelt. 5 Millionen Euro für Netzwerkarbeit und Studien im Bereich ME/CF-Syndrom; Kollege Christoph Meyer hat es bereits angesprochen. Das ist eine Sache, die mir sehr am Herzen liegt, weil ich vor einigen Jahren im Wahlkreis eines dieser Gespräche geführt hatte, das einem nicht aus dem Kopf geht. Eine Familie hat mir geschildert, wie es ist, wenn man vom Chronischen Fatigue-Syndrom betroffen ist. Beide Söhne sind erkrankt. Ich konnte es kaum glauben, dass dies eine der großen Volkskrankheiten ist, zu der es noch keine ausreichende, so gut wie gar keine Forschung gibt. Mit 5 Millionen Euro mehr, auch durch den starken Einsatz von Stefan Schwartze als Patientenbeauftragter der Bundesregierung, können wir jetzt Forschung dazu ermöglichen. Übrigens ist das Chronische Fatigue-Syndrom zuletzt stärker in die Öffentlichkeit gerückt, weil ganz viele der Long-Covid-Patienten – etwa die Hälfte derjenigen, die an Long Covid erkrankt sind – die charakteristischen Symptome des Chronischen Fatigue-Syndroms aufweisen. Da schieben wir Forschung an. Ein anderer Bereich in der Forschung, bei dem wir bereits exzellent aufgestellt sind – da sind wir Weltspitze in der Forschung –, ist die „Polarstern II“ für die Klimaforschung. ({7}) Es gab seit Jahren Einigkeit darüber, dass wir die „Polarstern II“ brauchen. Aber weder im Etat von Frau Karliczek noch in dem jetzt eingebrachten Haushaltsentwurf waren die Mittel dafür etatisiert. Es gab bisher kein Geld dafür. Darum bin ich sehr froh, dass es uns als Ampel gemeinsam gelungen ist, in diesem Jahr das Geld für die Ausschreibung bereitzustellen und für die Folgejahre 900 Millionen Euro zusätzlich in den Etat des BMBF für die „Polarstern II“ einzustellen, die jetzt an den Start gehen kann. Das freut mich sehr. ({8}) Mit Blick auf die nächsten Monate und Jahre will ich sagen: Ich freue mich sehr darauf, dass wir es schaffen – ich bin überzeugt, dass uns das gelingen wird –, neue Systeme erfolgreich aufzusetzen und überkommene Strukturen zu modernisieren. Wir sind noch am Anfang der Legislatur. Aber ich kann schon jetzt sagen: Wir werden endlich – wir als SPD haben schon lange gefordert, dass die Forschung an Fachhochschulen gestärkt wird – mit der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation dafür sorgen, dass die Transferforschung in Deutschland besser gefördert wird. Es liegt ein Grobkonzept vor. Wir haben in den letzten Wochen wegen der haushalterischen Sperre, weil eben erst das Grobkonzept vorliegt, das Projekt, weil es so wichtig ist und es so groß werden soll, aus dem Finanzministerium in den parlamentarischen Raum herübergeholt, um da stärker mitgestalten zu können. Ich will mich an dieser Stelle bei Herrn Sattelberger, der heute nicht mehr dabei ist, für die sehr konstruktiven und sehr innovativen Diskussionen bedanken, die wir dazu in den Koalitionsverhandlungen geführt haben. Das war die Grundlage für die DATI; das wird bleiben. Dafür meinen herzlichen Dank an Sie. ({9}) Ähnlich verhält es sich mit der Bundesagentur für Sprunginnovationen, der SprinD. Da lag uns noch kein Freiheitsgesetz vor. Darum haben wir gesagt: Wir müssen einen Teil der Mittel sperren. – In den letzten Tagen hat uns der Entwurf des Gesetzes erreicht. Ich freue mich auf die Diskussionen und bin mir sicher: Auch das wird ein großes und erfolgreiches Projekt. An dieser Stelle bleibt mir abschließend noch der Dank, als Erstes – das ist mir wichtig – der Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hintergrund, die heute Abend hier nicht stehen, die auch nicht in der Presse stehen. Ohne all die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Abgeordnetenbüros, in den Fraktionen, aber auch im Ministerium wäre es nicht möglich gewesen, das so gut, so konstruktiv und so gut informiert zu diskutieren. Meinen herzlichen Dank an Sie! ({10}) Aber auch herzlichen Dank an Jens Brandenburg als Parlamentarischen Staatssekretär und an Judith Pirscher als verbeamtete Staatssekretärin, die die Verantwortung für den Haushalt getragen haben. Last, but not least Danke an meine Kollegen Christoph Meyer und Bruno Hönel von der Koalition, aber auch für das konstruktive Gespräch mit meinen Kolleginnen Kerstin Radomski und Petra Sitte. Ich freue mich sehr auf die Beratungen für 2023. Danke für die Aufmerksamkeit. Bis bald! ({11})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Und ich erteile das Wort Nicole Gohlke, Fraktion Die Linke. ({0})

Nicole Gohlke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004041, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der erste Bildungshaushalt der Ampelkoalition soll verabschiedet werden, und man kann resümieren: so viel große Worte von Fortschritt und von Chancen, dann aber so viel Halbherzigkeit und so wenig tatsächlicher Aufbruch. Das ist echt ein großes Drama für die Bildung. ({0}) Dabei hätten Sie doch jetzt ganz im Sinne Ihres Habitus als Koalition der Durchstarter und der Macher Ihre großen Ideen aus dem Koalitionsvertrag Realität werden lassen können. Haben Sie aber nicht! Denn was passiert mit dem Etat für Bildung und Forschung? Die geplanten Ausgaben stagnieren. Gemessen an den tatsächlichen Ausgaben sinkt der Haushalt sogar. Er sinkt! Sorry, da reicht es auch nicht aus, zu behaupten, dass er irgendwann mal wieder ansteigen wird; denn vertröstet werden die Menschen schon seit vielen Jahren. Seit Jahren wird ihnen erklärt, warum leider gerade kein Geld für die soziale Infrastruktur und für die öffentliche Daseinsvorsorge da ist. Doch von diesen Erklärungen können sich die Menschen natürlich nichts kaufen. Davon können nicht mehr Lehrkräfte eingestellt werden, davon lassen sich keine Schulklos sanieren, ({1}) dadurch werden nicht mehr Studierende aus der Armut geholt, und davon entstehen eben auch nicht mehr Ausbildungsplätze. Mit fortgesetzter Mangelwirtschaft lassen sich auch nicht die miesen Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft beseitigen. Das ist die Wahrheit. Sie ist nicht so blumig und wohlklingend wie die Rhetorik der Ampel; aber dieser Wahrheit muss sich eben auch die Ampelregierung stellen. ({2}) Frau Ministerin, in Ihrer Rede zur Einbringung des Haushalts haben Sie gesagt: Wir machen Tempo bei der Bildung, damit wir rauskommen aus dem Mittelmaß. – Frau Ministerin, welche Definition von „Tempo“ haben Sie? Ihre großen Vorhaben, zum Beispiel das Startchancen-Programm, kommen im Haushalt gar nicht vor. Die für 2022 vorgesehene Dynamisierung der Mittel für die Hochschulen ist vertagt. Ihre BAföG-Reform ist ja einer der wenigen Posten, der in diesem Haushalt tatsächlich erhöht wird; aber sie verpufft, weil die Inflation das Plus komplett auffrisst. Das BAföG verbleibt unterhalb des Armutsniveaus. Für das Programm „Ausbildungsplätze sichern“ stellen Sie 375 Millionen Euro weniger bereit als noch 2021. 2,3 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. ({3}) Diese jungen Menschen haben kaum Chancen auf gute und sozialversicherungspflichtige Jobs, kaum Chancen, später mal nicht in der Altersarmut zu landen. Wo ist Ihr Konzept, diese jungen Menschen in die Ausbildung zu bringen? Wo ist Ihr Konzept? ({4}) Liebe Ampelparteien, das, was hier vorliegt, ist einfach zu wenig. Schauen Sie sich die Vorschläge der Linken noch mal an. Wir wollen das BAföG endlich auf ein existenzsicherndes Niveau bringen und die Verschuldung abschaffen. Wir wollen eine gute soziale Infrastruktur für die Hochschulen, mehr Geld für Lehramtsstudienplätze, und wir wollen, dass endlich mal in gute Arbeitsbedingungen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler investiert wird. ({5}) Ich finde, Sie müssen dringend anfangen, Prioritäten neu und vor allem richtig zu setzen. Im Übrigen ist es völlig inakzeptabel, dass Kanzler und pendelnde Ministerinnen und Minister das Energiegeld bekommen, aber Rentnerinnen und Rentner und Studierende nicht. Vielen Dank. ({6})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Nina Stahr, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, hat nun das Wort. ({0})

Nina Stahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005227, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Stark-Watzinger spricht von ihrem Ministerium immer so gerne vom Chancenministerium. Ich muss ja ehrlich zugeben: Ich schmunzle immer so ein bisschen, wenn die FDP Dinge neu benennt, damit es besser klingt, damit man sie besser verkaufen kann. ({0}) Aber an dieser Stelle muss ich sagen: Die Ministerin hat recht. ({1}) – Das scheint Sie ja sehr zu bewegen bei der FDP und der CDU. ({2}) Ich möchte der Ministerin trotzdem recht geben. An dieser Stelle hat sie recht: Dieses Ministerium ist das Chancenministerium, und dieser Etat ist der Etat der Chancen – der Chancen für die Menschen in diesem Land. ({3}) Weil jeder Cent, den wir in die Köpfe der Menschen stecken, in Bildung, Wissenschaft und Forschung, sich am Ende mehrfach auszahlt, ist dieses Ministerium auch das Ministerium der Chancen für unser Land; denn das alte geflügelte Wort vom „Land der Dichter und Denker“ ist ins Heute übersetzt das „Land der erneuerbaren Energien und des Coronaimpfstoffs“. ({4}) Das wollen wir bleiben, und wir wollen noch besser werden. Dafür legen wir mit diesem Haushalt die Grundlage. ({5}) Uns ist dabei wichtig, dass es egal ist, woher jemand kommt. Es zählt nur, wohin jemand will. Deshalb unterstützen wir vor allem da, wo das Elternhaus das weniger kann, und deswegen haben wir im Koalitionsvertrag das Startchancen-Programm festgeschrieben. Damit werden wir Schulen in benachteiligten Quartieren durch zusätzliche Schulsozialarbeit unterstützen. Ich freue mich sehr, dass wir mit dem Maßgabenbeschluss dieses Programm jetzt konkret anschieben. ({6}) Uns Bündnisgrünen ist es wichtig, dass das Geld auch wirklich dort ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird. Deshalb bin ich sehr froh, dass das Ministerium dafür bis September 2022 mögliche Konzepte vorlegen wird. Natürlich ist auch die BAföG-Reform, deren ersten Schritt wir hier vor Kurzem bereits beschlossen haben, ein wichtiger Baustein für mehr Chancengleichheit. Auch hierfür haben wir jetzt im Haushalt entscheidende Weichen gestellt. Aber es ist auch klar: Es wird eine Herausforderung, das in den kommenden Jahren auszufinanzieren; darüber werden wir sicher noch sprechen müssen. Chancengleichheit erreicht man aber übrigens auch dann, wenn alle sich gleichermaßen beteiligen können. Deswegen freue ich mich sehr, dass wir in diesen Haushalt 500 000 Euro für die Bundesschüler/-innenkonferenz einstellen konnten. ({7}) Als Teil der Bildungsengagementstrukturen ist sie ein wichtiger Akteur für mehr Teilhabe und Beteiligung. Gerade während der Pandemie, als Kinder und Jugendliche viel zu wenig Gehör bekommen haben, hat die Bundesschüler/-innenkonferenz Schüler/-innen eine Stimme gegeben. Dafür möchte ich mich herzlich bedanken. ({8}) Es ist nun unsere Aufgabe als Politik, das auch ernst zu nehmen und sie mehr einzubinden. Dass die Bundesschüler/-innenkonferenz bereits vom Bildungsausschuss eingeladen wurde, zeigt, dass wir diese Aufgabe ernst nehmen. ({9}) Was jetzt für Beteiligungsstrukturen im Haushalt angelegt ist, ist ein guter Anfang. Mir ist aber auch wichtig, dass wir individuelle Bedarfe der diversen Engagementstrukturen sorgfältig prüfen und entsprechend unserer Vereinbarungen im Koalitionsvertrag in den kommenden Jahren auch weitere Akteure unterstützen. Aber – ich habe es eingangs gesagt – es geht bei diesem Etat nicht nur um Chancen für die Menschen, sondern auch um Chancen für unser Land. Dieser Etat ist auch der Etat für Wissenschaft und Forschung, und das sind unsere wichtigsten Ressourcen. Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag die Dynamisierung des „Zukunftsvertrags Studium und Lehre stärken“ beschlossen. Diese haben wir nun mit einem Maßgabebeschluss bestätigt. Im jetzigen Haushalt sind bereits 12 Millionen Euro zusätzlich für die Stiftung Innovation in der Hochschullehre eingestellt. Wir haben sichergestellt, dass das Forschungsschiff „Polarstern II“ kommt. Für die Forschung und insbesondere für die Klimaforschung ist das ein enorm wichtiges Signal. ({10}) Für den Kampf gegen die Klimakrise ist die Forschung enorm wichtig. Aber für den Kampf gegen die Klimakrise brauchen wir nicht nur Forschung, sondern wir müssen den Kampf gegen den Klimawandel auch in der Bildung stärker verankern. Deshalb stärken wir die Bildung für nachhaltige Entwicklung mit zusätzlichen 5 Millionen Euro und verankern sie in allen Bildungsbereichen. Auch das ist ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen die Klimakrise. ({11}) Gerade angesichts des Kriegs in der Ukraine wissen wir, wie wichtig der internationale Austausch von Studierenden und Forschenden ist und wie wichtig gerade hier Solidarität ist. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir für den DAAD zusätzlich 13,8 Millionen Euro bereitstellen konnten, und es ist gut, dass bis zu 67,4 Millionen Euro für die Öffnung des BAföG für ukrainische Studierende und die Verdopplung des Heizkostenzuschusses für BAföG-Empfänger/-innen da sind. Wir Bündnisgrüne werden uns jedoch auch weiter dafür einsetzen, das BAföG auch für Drittstaatler/-innen zu öffnen. Für uns ist klar: Es darf weder Studierende noch Geflüchtete erster und zweiter Klasse geben. ({12}) Zur Wahrheit gehört aber auch: In diesem Haushalt sind einige Projekte angelegt, die in den kommenden Jahren mit mehr Geld ausfinanziert werden müssen. Wenn wir es ernst meinen mit dem Chancenministerium, dann müssen wir das in den kommenden Jahren auch entsprechend ausfinanzieren. Dann werden wir auch darüber sprechen müssen, den Gesamtetat des BMBF zu erhöhen. Ich wünsche der Ministerin ganz viel Erfolg bei den Gesprächen dazu mit ihren Parteikollegen. Sie haben uns sicher an Ihrer Seite. ({13}) Ich freue mich auf die Umsetzung der im Haushalt angelegten Projekte – für gute Chancen für die Menschen in diesem Land und für gute Chancen für unser Land. Ganz herzlichen Dank. ({14})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Der nächste Redner in der Debatte: Thomas Jarzombek, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Thomas Jarzombek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004061, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte heute drei Punkte herausstellen, die ich in dieser Debatte bemerkenswert finde. Der erste ist – wir haben darüber schon in der ersten Debatte geredet, Frau Ministerin –: Nach 16 Jahren Union, in denen dieser Haushalt für Bildung und Forschung sich fast verdreifacht hat auf fast 22 Milliarden Euro, sind Sie die Erste, die mit einer Delle nach Hause geht. Wir sehen diese Delle nicht nur in diesem Jahr, sondern auch noch im nächsten Jahr, und es wird bis 2025 dauern, bis es einen Anstieg gibt, und das bei der Inflationsrate, die wir im Augenblick sehen. Sie reduzieren die Mittel für Bildung und Forschung. ({0}) Ich kenne das Argument: Jetzt entfallen ja die Coronamittel. Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn das Ihr Ernst ist, machen Sie einen großen Fehler. Das deutsche Nationale MINT-Forum hat erhoben, dass bei den Kindern in der Grundschule durch den Unterrichtsausfall durch Corona bis zu einem gesamten Unterrichtsjahr bis zum Abschluss der Schule entfallen wird. Ein ganzes Schuljahr! ({1}) Wenn es einen Zeitpunkt gibt, wegen Corona in Bildung zu investieren, dann ist der jetzt. Wenn Sie diese Mittel streichen, ist das eine Sünde an unseren Kindern. ({2}) Frau Ministerin, Sie haben im Übrigen auch noch Probleme, die über Ihren eigenen Haushalt hinausgehen. Die Probleme heißen ZIM und IPCEI. Bei ZIM – darüber haben wir schon gesprochen; das ist das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand; es hat vor allen Dingen eine Hebelwirkung durch die privaten Mittel – ({3}) werden wir bis zu einem Jahr Ausfall haben, weil Ihre Kolleginnen und Kollegen im BMWK so hasenfüßig waren und gesagt haben: Wir geben da kein Geld aus, bevor dieser Haushalt beschlossen wird. ({4}) Sie haben sich nicht dagegen gewehrt. Das Zweite ist das Thema „Gesundheit und Bioökonomie“. Kollegin Stahr hat vorhin gesagt: Wir haben Impfstoffe erfunden. – Alle diese Unternehmen werden jetzt abwandern. Denn: Gemeinsam mit anderen Ländern haben wir IPCEI Health geplant. Eine halbe Milliarde Euro ist das, was Deutschland dafür eingeplant hat. 16 Länder machen da jetzt mit, nur Sie nicht, weil zwischen Lindner und Habeck ein Streit über die Frage entbrannt ist, wer jetzt schuld ist und wer nicht. Das Ende vom Lied ist: Jetzt wird gezeichnet. Dinge wie CRISPR/Cas9 sind hier entwickelt worden. Frau Charpentier als Nobelpreisträgerin ist die Chefin hier beim Max-Planck-Institut in Berlin. Die werden alle nach Frankreich gehen, weil sie da die Fördermittel bekommen, weil hier diese halbe Milliarde fehlt. Ich finde, das ist ein Desaster. ({5}) Dann haben Sie zwei Dinge versprochen. Das erste ist „Startchancen“. Das Startchancen-Programm ist nicht da. Was ist stattdessen da? Die Bereinigungssitzung hat Ihnen ins Buch geschrieben: Sie müssen jetzt bis zum 1. September endlich mal liefern. Ich bin gespannt darauf. Ich habe den Eindruck, Sie haben hier ein Programm gebaut, das natürlich die Bedürfnisse trifft, das Sie aber gar nicht produzieren können; denn ohne eine Grundgesetzänderung können Sie den Ländern nur Blankoschecks geben. Was daraus resultieren kann, das wissen wir durch den DigitalPakt, das wissen wir aber auch durch das Coronaaufholprogramm. Ich bin mal gespannt, wie Sie das Problem lösen wollen, „Startchancen“ an den Start zu bringen, ohne den Ländern einfach nur einen Blankoscheck zu geben. ({6}) Dann haben Sie uns vorgeworfen, wir hätten mit dem PFI den Haushalt versteinert. Ich glaube, das spricht eine Sprache, wie man es hätte finanzieren wollen. Ich bin, ehrlich gesagt, froh, dass wir den PFI, den Pakt für Forschung und Innovation, gemacht haben, um die Wissenschaftseinrichtungen zu schützen – zu schützen vor Kürzungen für andere Zwecke, als die Wissenschaft wirklich nach vorne zu bringen. ({7}) Ihr zweites Highlight-Vorhaben neben Startchancen war die DATI. ({8}) Es ist sicher ein total bemerkenswerter Zufall, dass Ihr Staatssekretär Sattelberger just an dem Morgen um Entlassung gebeten hat, als der Haushaltsausschuss in der Nacht ({9}) die Doppelsperre auf die DATI gelegt hat. Sie haben es ja vorhin gehört: erst der Finanzminister, dann auch noch mal der Haushaltsausschuss. ({10}) So, das Ding ist doch Folgendes: Sie haben jetzt mit einem neuen Team und mit Mario Brandenburg als neuem Staatssekretär das zu machen, was Christian Lindner immer gepredigt hat: nämlich auch eine Kultur des Scheiterns, und zwar im Positiven, einen Neustart. DATI war völlig verfahren: mit 120 Regionalmanagern, mit Konzeptionen, die in alle Richtungen zeigen, mit einem Staatssekretär Sattelberger, der sich mit allen in der Szene zerstritten hat. Nutzen Sie die Chance für den Neustart und positionieren Sie das neu! ({11}) Sie können zwei Dinge tun: Sie können das machen, was in der Debatte hier auch schon vorkam, nämlich wie bei Innosuisse ein Programm machen, mit dem Sie konkrete Forschungsvorhaben unterstützen, gerade im HAW-Bereich. Das würde auf jeden Fall helfen. Das funktioniert in der Schweiz mit einem sehr schlanken Team von 70 Vollzeitäquivalenten. Gucken Sie sich mal an, ob das für das Thema „Forschen an der HAW“ nicht ein geeignetes Mittel ist. Das Zweite ist: Wir brauchen mehr in der Spitzenforschung. Da brauchen Sie andere Instrumente. Professor Helmut Schönenberger, der Chef von UnternehmerTUM, hat sich an uns gewandt und angeboten, sein Konzept, mit dem er wirklich erfolgreich ist und von der TU München aus so viele Unicorns gegründet hat, auch anderen zur Verfügung zu stellen und an den Topuniversitäten auszurollen. Ich glaube, wenn Sie diese beiden Dinge machen – nehmen Sie das Angebot von Helmut Schönenberger an und nehmen das Modell Innosuisse für die HAWs –, dann haben Sie eine echte Chance, wirklich etwas für die Innovation in Deutschland voranzubringen. Ein allerletztes Wort. Beim Thema Kernfusion – weil vorhin meine Frage ja nicht beantwortet werden wollte – geht es nicht nur um die Magnetverfahren von ITER, sondern da geht es um Laserfusion. Dazu hat Herr Sattelberger geschrieben: Das ist gut, da müssen wir investieren. – Wir haben das beantragt.

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Jarzombek.

Thomas Jarzombek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004061, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich finde es schade, dass Sie das abgelehnt haben. Vielen Dank. ({0})

Yvonne Magwas (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11004346

Für die Bundesregierung spricht die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Bettina Stark-Watzinger. ({0})

Bettina Stark-Watzinger (Minister:in)

Politiker ID: 11004902

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt habe ich mir schon einiges anhören können, und ich will auf das eine oder andere gleich antworten. Aber zu Beginn ist mir eines wichtig: Ich möchte einfach einmal Danke sagen. Danke, dass der Haushaltsentwurf steht. Danke, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie Bildung und Forschung wichtig nehmen. ({0}) Es gibt eine Redensart: Weniger ist manchmal mehr. – Ich musste hier heute lernen, dass für einige im Haus auch mehr manchmal weniger ist. Denn – zurück zu den Fakten –: 20,3 Milliarden Euro investieren wir dieses Jahr in Bildung und Forschung. Das sind über 2 Milliarden Euro mehr als 2019, dem letzten Haushalt vor Corona, mehr als in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung. Das muss unser Maßstab sein, nicht die Ausnahmezeit der Pandemie. ({1}) Pandemiebereinigt haben wir 2022 einen klaren Mittelaufwuchs. Und diese Richtung nach oben halten wir. Bis 2026 planen wir über 4 Milliarden Euro mehr als die Vorgängerregierung ein, damit wir die Investitionen in Forschung und Entwicklung endlich auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes bis 2025 steigern. Wir halten unsere Zusagen, wir sorgen für Investitionen in die Zukunft. ({2}) Aber erst mal zu 2022. Mehr Geld ist immer schön. Aber der Erfolg der Bildungs- und Forschungspolitik ist vor allem davon abhängig, die richtigen Prioritäten zu setzen. Deswegen ist der vorliegende Haushalt ein guter Haushalt. Und er ist auch ein besserer als zuvor. Weil wir uns einer der wichtigsten Herausforderungen stellen: der Forschung, die uns hilft, den Klimawandel noch besser zu verstehen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Damit wir nicht am Status quo schrauben, sondern mit neuen Technologien Wohlstand mit dem Schutz der Umwelt versöhnen. Dieser Haushalt ist ein guter Haushalt, weil wir den Bau der „Polarstern II“ ausschreiben können. ({3}) Damit entsteht ein Schiff, das der Klimaforschung neue Dimensionen ermöglicht. Und es ist ein guter Haushalt, weil wir mehr Geld für die Forschung zu Energietechnologien und Grünem Wasserstoff haben. Grüner Wasserstoff als Chance für unser Jahrhundert! Denn eins ist klar: Nur mit Innovationen schützen wir unseren blauen Planeten. ({4}) Als ambitioniertes und innovatives Land nehmen wir den Auftrag an, die großen Fragen zu beantworten. Dazu brauchen wir noch mehr Mut, Souveränität und neue Allianzen. Neue Souveränität bedeutet: Wir müssen in Deutschland und in der Europäischen Union selbst in der Lage sein, Schlüsseltechnologien zu verstehen, zu entwickeln und zu produzieren. Deshalb investieren wir in Forschung für Schlüsseltechnologien: KI, Quanten, Cybersecurity, Mikroelektronik oder Biotechnologie. ({5}) Technologische Souveränität ermöglicht uns die freie Partnerwahl; aber sie ist nicht das Ende aller Kooperationen. Im Gegenteil: Sie erfordert neue Allianzen mit gemeinsamen Interessen, mit gemeinsamen Werten. Deswegen auch die Forschungskooperation zum Grünen Wasserstoff und zur Biodiversität mit Australien, deshalb auch die Kontakte zu den USA und zu Kanada. Denn ja: Wir müssen kurzfristig fossile Energien aus schwierigen Ländern holen. Aber unser Ziel ist ganz klar: Wir wollen saubere Energien aus anderen Demokratien nutzen. Das ist unser Auftrag. ({6}) Gute Partnerschaft, das ist auch das Stichwort beim Transfer. Exzellente Wissenschaft haben wir; aber es muss noch öfter und schneller gelingen, Neues in die Praxis und an den Markt zu bringen. Die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation, kurz DATI, soll neue Partnerschaften beschleunigen, regionale Innovationsökosysteme auf- und ausbauen. Unser Ziel: Im Kleinen ansetzen, aber groß denken. Und, Herr Jarzombek, ich fand Ihre Worte gerade menschlich wirklich daneben; das muss ich jetzt auch mal sagen. ({7}) Sprünge statt Trippelschritte: Unsere Agentur für Sprunginnovationen wird dafür mehr Spielraum erhalten. Am SprinD-Freiheitsgesetz arbeiten wir gerade; denn wir wollen aufbrechen in ein Jahrzehnt der Innovationen. Dafür legen wir mit diesem Haushalt den Grundstein. Wenn wir auf die Bildung schauen, dann zeigt sich auch hier: Geld alleine macht es nicht. Deutschland liegt bei den Ausgaben pro Schülerin und Schüler über dem OECD-Durchschnitt. Doch bei dem, was rauskommt, den Leistungen, erreichen wir oft nur Mittelmaß. Das zeigt: Das Geld muss richtig eingesetzt werden, in den Schulen – von Grundschulen bis zu den Berufsschulen – und an den Universitäten. Deswegen ist 2022 auch ein gutes Jahr. Die BAföG-Reform haben wir unter Hochdruck angestoßen: 2,3 Milliarden Euro dafür in dieser Legislaturperiode, 2,3 Milliarden Euro für mehr Chancengerechtigkeit, mehr Reichweite, mehr Flexibilität in diesem Haushalt. ({8}) Ich freue mich auf das Startchancen-Programm. Mehr als 4 000 allgemein- und berufsbildende Schulen werden wir stärken. Der Zukunftsvertrag Studium und Lehre bietet Planungssicherheit für den Bund wie für die Hochschulen. Lassen Sie mich zum Schluss sagen, weil wir es gerade gestern vorgestellt haben: Ob Digitalisierung, Klimawandel, Coronapandemie – wenn man mittendrin steckt, sieht man es als Krise; aber man kann auch von Disruption sprechen und Neues schaffen. Aber wo man hinschaut, sieht man eins: Überall steckt MINT drin; deswegen haben wir gestern den MINT-Aktionsplan vorgestellt. Er steht für mehr Kooperation, Einbeziehung der Familien, mehr Qualität, Forschung und Miteinander für unsere Wirtschaft und unsere Zivilgesellschaft. ({9}) Wir sehen uns in Kürze für den Haushalt 2023 wieder. Unsere Priorität bleibt: eine solide Haushaltspolitik, und trotzdem tätigen wir Investitionen in unsere Zukunft. Wir sind das Chancenministerium und machen Tempo bei unseren Vorhaben. Jeder, der mitzieht, ist herzlich willkommen. Herzlichen Dank. ({10})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die AfD-Fraktion hat Dr. Marc Jongen jetzt das Wort. ({0})

Dr. Marc Jongen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004768, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine Damen und Herren! Wissenschaft lebt von ergebnisoffener Forschung und angstfreier – mit Jürgen Habermas gesprochen: „herrschaftsfreier“ – Diskussion. Der renommierte Mathematiker Professor Stephan Luckhaus ist aus der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina ausgetreten, weil diese die Verbreitung seiner Forschungsergebnisse zu Corona „massiv behindert“ hat, wie er berichtete. Die Modellrechnungen von Professor Luckhaus hatten die weitgehende Nutzlosigkeit der Lockdown-Politik ergeben. Das war offenbar nicht genehm, weil extrem peinlich für die Regierung. Ich will gar nicht unterstellen, dass jemand aus dem Bildungs- oder Gesundheitsministerium bei der Leopoldina angerufen und für Repression gesorgt habe. Wissenschaftliche Karrieren werden heute durchaus subtiler beendet. Sandra Kostner, die Vorsitzende des Netzwerks Wissenschaftsfreiheit spricht von einem wachsenden „Klima der intellektuellen Unfreiheit“ an deutschen Universitäten, das „ab einem gewissen Punkt in einen intellektuellen Lockdown mündet“. Meine Damen und Herren, das ist ein unerträglicher Zustand. Und es müsste gerade Sie von der FDP, Frau Bildungsministerin, massiv alarmieren. Da müssten Sie doch gegensteuern. ({0}) Stattdessen lassen Sie die Förderung der ideologischen sogenannten Agendawissenschaften einfach weiterlaufen wie Gender Studies, Postcolonial Studies usw., die Wissenschaft als Wiedergutmachungsprojekt für angeblich benachteiligte Gruppen betreiben, die jeden als „Angreifer“ bekämpfen und als „rechts“ diffamieren, der zu anderen Ergebnissen kommt, und die auch vor der Leugnung naturwissenschaftlicher Fakten wie der Zweigeschlechtlichkeit des Menschen nicht zurückschrecken. ({1}) Solange ein solches Klima herrscht und immer stärker wird, können wir Ihrer im Prinzip sinnvollen Förderung der Wissenschaftskommunikation nicht zustimmen. Die Gefahr ist derzeit einfach zu groß, dass die Wissenschaft hier für gesellschaftspolitische Ziele missbraucht wird, man könnte auch sagen: dass Propaganda unter wissenschaftlichem Deckmantel betrieben wird. ({2}) Wenn Sie die Durchsetzung sogenannter Chancengerechtigkeit von Frauen und Männern mit 33 Millionen Euro weiter fördern wollen, so ist das ein Etikettenschwindel, da es nicht auf Chancengleichheit, sondern auf starre Frauenquoten hinausläuft, die zahllose hochqualifizierte Männer in der Wissenschaft bereits in die Resignation getrieben haben. ({3}) – Das ist so; lesen Sie das bitte mal nach. Informieren Sie sich mal woanders als nur bei Ihren Ideologen. ({4}) Auch das ist das Gegenteil von liberal, Frau Stark-Watzinger. Wir haben die Streichung dieser Mittel beantragt. Was wir stattdessen wollen: deutlich mehr Geld für Fachhochschulen und angewandte Wissenschaften. In Deutschland sind zurzeit 150 000 Stellen für Ingenieure vakant – so viele wie nie zuvor. Jedes Jahr fehlen 26 000 Absolventen in den MINT-Fächern, wie uns das Institut der deutschen Wirtschaft vor zwei Tagen wieder mitgeteilt hat. Es muss hier dringend eine Schwerpunktverlagerung in der Forschungsförderung stattfinden: weniger Ideologie, mehr MINT, mehr Pragmatismus – da sind auch gute Ansätze vorhanden; das wollen wir anerkennen –, damit wir die wichtigste Ressource, die wir in diesem Land haben, die Bildung, ({5}) das Wissen und das Können der Menschen, wieder optimal einsetzen. Vielen Dank. ({6})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Oliver Kaczmarek hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Oliver Kaczmarek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004063, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das ist der erste von mindestens vier Haushalten, die wir uns in der Ampelkoalition vorgenommen haben, um unseren Reformauftrag zu erfüllen und unseren Koalitionsvertrag umzusetzen. Ich finde, er zeigt in eine klare Richtung, auch wenn noch nicht der ganze Vertrag umgesetzt worden ist: für neue Akzente in der Forschungspolitik, für die Unterstützung der Hochschulen und für die Entlastung von Studierenden und Auszubildenden. Herr Jarzombek, ich habe Ihre Rede gehört. Ich fand sie mutig eingedenk Ihrer eigenen Leistungen. Schreiben Sie doch mal einen Antrag – das haben Sie bis jetzt in dieser Wahlperiode noch nicht geschafft –, dann können wir uns auch mal mit Ihren Vorstellungen auseinandersetzen! ({0}) Sie tänzeln durch die Themen durch, wir handeln, und das wird in diesem Haushaltsentwurf deutlich. ({1}) Ich möchte drei Beispiele nennen: Wir stärken Forschung für die Herausforderungen der Zukunft, und wir setzen mit der Förderung von Transfer nach der jahrelangen Diskussion – auch in der Großen Koalition – endlich einen neuen und besonderen Akzent. Ich will nur sagen: Wir sind ja in der Konzepterarbeitung, und wenn man das richtig machen will, dann bezieht man Stakeholder ein. Das wichtige Signal nach quälenden Jahren der Diskussion mit der Union ist: Die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation wird kommen; das ist gut, und das ist ein Meilenstein in unserer Forschungspolitik. ({2}) Darüber hinaus stärken wir auch die Grundlagenforschung; denn Grundlagenforschung und anwendungsorientierte Forschung gehören zusammen. Meeresforschung wird gefördert und gestärkt. Die Gesundheitsforschung wird gestärkt. Die „Polarstern“ wird endlich gebaut – auch so ein Thema, über das wir jahrelang diskutiert haben. Gestärkt werden ferner die Gesellschaftswissenschaften. Forschung behält Priorität für die Lösung der Zukunftsfragen, und sie bekommt von uns dafür einen verlässlichen Rahmen. ({3}) Ein weiterer wichtiger Punkt. Die Hochschulen sind das Herz unseres Wissenschaftssystems. Wir reden nicht nur darüber, wir stärken sie in besonderer Weise. Die Innovationen in der Lehre sind schon angesprochen worden. Ich möchte einmal nur kurz sagen: Ich bin dem Haushaltsausschuss sehr dankbar für den Maßgabebeschluss zum Zukunftsvertrag für Studium und Lehre; denn das ist ein ganz wichtiges Signal, dass wir deutlich machen: Das wichtigste Finanzierungsinstrument für Studienplätze, das Bund und Länder haben, wird zukünftig jährlich aufwachsen, planbar und dynamisiert. Das ist ein gutes Zeichen, und wir freuen uns, dass wir jetzt schon hören, dass wir beispielsweise die Hochschulrektorenkonferenz bei diesem Projekt an unserer Seite haben – auch ein Meilenstein für unsere Wissenschaftspolitik. ({4}) Ich möchte noch einmal wiederholen, was Kollegin Esdar schon gesagt hat: Wir verbinden damit natürlich die Erwartung, auch mit der Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, dass wir jetzt die verlässlichen Rahmenbedingungen für stabile und damit auch unbefristete Beschäftigungen und Karriereoptionen nutzen; denn wir gehen davon aus, dass sich nur so weiterhin die besten Köpfe dafür gewinnen lassen, eine Karriere im Wissenschaftssystem anzustreben. Wir werden das Wissenschaftszeitvertragsgesetz entsprechend ausstatten und mit einem Rahmen für stabile Beschäftigung in der Wissenschaft versehen. ({5}) Zum Schluss, weil das wichtig ist: In Zeiten steigender Preise haben wir als Koalition die Menschen mit kleinen Einkommen in besonderer Weise im Blick. Das gilt insbesondere auch für Auszubildende und für Studierende. Für uns ist wichtig, dass wir deutlich machen: Wir haben Respekt vor eurer Leistung, und weil wir Respekt vor eurer Leistung haben, unterstützen wir euch auch in diesen schwierigen Zeiten. Ich will fünf Punkte nennen, die jetzt ganz direkt Studierenden und Auszubildenden zugutekommen werden: Erstens. Wir werden das BAföG massiv ausweiten. Ab dem 1. August werden wesentlich mehr Menschen einen Anspruch auf BAföG haben, einen Antrag stellen und dann auch BAföG bekommen können. Zweitens. Alle, die jetzt schon BAföG oder die Berufsausbildungsbeihilfe bekommen, bekommen im Sommer ohne Antrag zusätzlich einen Heizkostenzuschuss von 230 Euro ausbezahlt. Das ist garantiert, das haben wir schon beschlossen, und das hilft. ({6}) Drittens. Das 9‑Euro-Ticket, das in diesen Tagen so erfolgreich anläuft, wird auch Studierende entlasten; denn es wird den Preis für das Semesterticket zum Wintersemester deutlich reduzieren. Auch eine Entlastung! Viertens – Frau Gohlke hat es gerade wiederholt; es ist und bleibt falsch, was Sie gesagt haben –: Natürlich bekommen auch Studierende, und zwar solche, die einen Minijob haben, die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro. ({7}) Und wir wissen: Das sind drei Viertel aller Studierenden. Das hilft ganz konkret. ({8}) – Ich würde Sie einfach bitten, da bei den Fakten zu bleiben. Fünftens. Studierende und Auszubildende mit Kind erhalten pro Kind ab Juli mit dem Kindergeld einen Einmalbonus von 100 Euro ausgezahlt. Meine Damen und Herren, wir haben wirklich viel bewegt, um Studierende und Auszubildende von steigenden Preisen zu entlasten. Das ist richtig, das ist überfällig, und wenn es notwendig ist, werden wir da auch noch nachlegen. Herzlichen Dank. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für Die Linke hat jetzt Dr. Petra Sitte das Wort. ({0})

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Covid ist nicht vorbei. Die Viren werden sich von unseren Beschlüssen nicht begrenzen lassen, nur vom Handeln. Und die Wissenschaft warnt uns: Es wird nicht die letzte Seuche sein, die aus einem Coronavirus entsteht. Auch in Zukunft werden wir verstärkt mit Zoonosen, also Krankheiten, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden, rechnen müssen. Das heißt, die Beziehungen zwischen Mensch, Tier, Umwelt haben sich komplex und zunehmend konflikthaft entwickelt. Dass Sie nun die Mittel für Gesundheitsforschung, Medizintechnik und globale Gesundheit reduzieren, weil die Pandemie nicht mehr vordergründig in den Schlagzeilen auftaucht, bleibt hoch riskant. Sie haben den Titel gekürzt, um ein Viertel. Erzählen Sie mir nicht, dass Sie umverteilt haben. Dass es jetzt 13 Millionen Euro für die Covid-Forschung sind, ist zwar sehr günstig. Aber eigentlich brauchen wir das Zehnfache. Deshalb müssten wir an der Stelle weiterreden. ({0}) Kurzum: Die Forschung zu Krankheitserregern und zur Pandemiebekämpfung bleibt wichtig. Sie zu vernachlässigen, kostet wieder Menschenleben, das wird wieder viel teurer für die Gesellschaft, und vor allem kostet es auch Vertrauen in Wissenschaft und Politik. Zudem: Long Covid oder eben auch Post Covid wird uns noch lange beschäftigen. Wir sprechen hier von 10 Prozent der Infizierten. Mehr noch: Das Erschöpfungssyndrom nach viralen Erkrankungen – Sie haben ja selber vorhin ein Beispiel gebracht, Frau Esdar – durchkreuzt auf dramatische Weise Lebenspläne. Rund 350 000 Menschen sind allein in Deutschland betroffen, vor allem junge Leute. Auf meine kritische Nachfrage ob des zu geringen Mittelansatzes im Ministerium meinte man, das Krankheitsbild sei noch nicht klar bestimmt. Na logisch, da muss man eben forschen! Das ist doch der Sinn der ganzen Übung. ({1}) – Ich weiß, Sie haben sich sehr bemüht. Das will ich auch in Rechnung stellen. Die Erkrankten haben keine Zeit. Wir brauchen schnell das Geld, und die Studien müssen schnell finanziert werden. ({2}) Fahren Sie also die Pandemieforschung bitte nicht zurück. Jetzt an Post-Covid-Grundlagen, an Diagnosen, Therapien und Versorgung zu forschen, –

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin.

Dr. Petra Sitte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003848, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

– schützt uns Menschen, und das liegt in unserer Verantwortung. Danke. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für Bündnis 90/Die Grünen ergreift jetzt Dr. Anna Christmann das Wort. ({0})

Dr. Anna Christmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004694, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute hier über den Einzelplan 30, Forschung und Bildung. Ich möchte das noch mal in den Kontext der Situation setzen, in der wir insgesamt gerade sind. Wir haben als Regierung und in Teilen natürlich auch gemeinsam als Parlament hier gerade eine ungeheure Krise, einen Krieg in Europa zu begleiten und es zu unterstützen, dass die nötigen Hilfen dorthin gehen. In dieser Zeit gelingt es uns als Ampel aber, angesichts wichtiger Themen wie Innovation, wie Forschung, wie der Fragen, welche Technologien wir denn für die Herausforderungen brauchen, die noch kommen, diesen Etat im Vergleich zum ersten Regierungsentwurf noch mal aufwachsen zu lassen. Das ist nämlich die Tatsache, und ich glaube, es ist ein sehr wichtiger Erfolg dieser Regierung, gerade in diesen Zeiten die Investitionen in Forschung und Innovation zu erhöhen. ({0}) Wir haben leider auch an einigen Stellen aufzuräumen. Das betrifft nicht nur diesen Einzelplan. Das ZIM ist erwähnt worden. Es sind auch die Folgen der Nachlässigkeit der Vorgängerregierung, die wir dort zu beheben haben. ({1}) Es war eben nicht in der mittelfristigen Finanzplanung ausfinanziert. Daher kam es zu dem Antragsstopp. Das haben wir geändert. Dort gibt es in den nächsten Jahren einen Aufwuchs von 80 Millionen Euro. Auch das ist ein richtiges Zeichen für Forschung im Bereich des Mittelstands. ({2}) Wir wollen aber natürlich ebenso neue Projekte anstoßen und tun das auch sehr kräftig. Da möchte ich Thomas Sattelberger für seine Leistungen in den ersten Monaten danken, dafür, dass er das Projekt DATI sehr engagiert auf den Weg gebracht hat. Wir wollen zügig sein. Entscheidend ist aber beim Thema DATI aus meiner Sicht auch, dass es um eine neue Form der Innovationsförderung bei uns im Land gehen wird. Das macht es auch wirklich zum Meilenstein. Wir wollen damit verschiedene Akteure zusammenbringen, seien es die HAWen, seien es aber auch Start-ups, seien es die Kommunen, sei es natürlich der Mittelstand. Diese Akteure in einer ganz neuen Form in Innovationsprojekten zusammenzubringen, das ist das, was das Innovationspotenzial unseres Landes heben wird. Das ist auch ein Schritt zu einem neuen Förderinstrument, das Förderung anders denkt als klassisch in Forschungsprojekten über drei Jahre, wie wir sie kennen. Das macht es zu einem so wichtigen Projekt. Deswegen freue ich mich, dass wir damit in diesem Jahr schon mit Mitteln anfangen können. Ich bin überzeugt, dass wir gerade auch mit der Stakeholder-Beteiligung und jetzt mit der Ausgestaltung der letzten Eckpunkte ein sehr erfolgreiches Projekt starten werden. ({3}) Ums Aufräumen geht es ja andererseits auch so ein bisschen bei SprinD. Es war gut, dass diese Agentur gegründet worden ist. Aber sie hat eben enge Fesseln angelegt bekommen. Das ändern wir jetzt mit dem SprinD-Freiheitsgesetz und auch schon in diesem Haushalt mit einem ordentlichen Aufwuchs für Projekte der SprinD; ({4}) denn die Sprunginnovationen brauchen wir auch, um die Klimathemen zu bearbeiten. Ganz erfolgreiche erste Wettbewerbe gibt es gerade zum Thema, wie man zum Beispiel CO2 in wertvollen Produkten binden kann. Das sind die Dinge, die wir in Zukunft noch stärker brauchen, für die man aber auch Freiheit in der Förderpolitik braucht. Deswegen freue ich mich sehr über den Aufwuchs auf 97 Millionen Euro für die SprinD in diesem Jahr und das SprinD-Freiheitsgesetz, das wir jetzt auch zügig umsetzen werden. ({5}) Wir wollen aber natürlich auch in den nächsten Jahren noch viele Dinge antreiben, die im Koalitionsvertrag ganz richtig festgehalten sind. Ich will hier die Zukunftsstrategie explizit benennen, die dafür steht, dass wir von einer Hightech-Strategie, die ja doch etwas in die Jahre gekommen ist, zu einer Zukunftsstrategie kommen wollen, die ganz klar einzelne Missionen benennt. Und weil sie so wichtig sind, möchte ich sie noch einmal nennen: Wir wollen sechs Missionen anstoßen, erstens zur klimaneutralen Industrie, zweitens zu einem Klimarahmenprogramm, drittens zur Gesundheit, viertens zur Digitalisierung, insbesondere KI und Quantentechnologien, fünftens auch zu Weltraum- und Meeresforschung und sechstens zum Thema „Resilienz und Zusammenhalt“; denn die sozialwissenschaftlichen Disziplinen sind natürlich ganz entscheidend für Zukunftsfragen. Das sind die sechs Missionen, die es ganz engagiert anzugehen gilt. Ich freue mich auch auf die Debatte darüber, wie wir diese dann umsetzen werden. Ebenso freue ich mich darauf, Forschungsförderung vielleicht auch einmal ein bisschen neu zu denken, bei der Frage, wie wir die Projektsteuerung bei diesen Missionen aufsetzen, weil wir dort eine neue Kraft in einem übergreifenden Ansatz entwickeln können. In diesem Sinne freue ich mich sehr auf die Zukunftsstrategie, die kommen wird. ({6}) Die Ampelkoalition steht damit für einen echten Aufbruch im Bereich „Forschung und Innovation“. Den brauchen wir auch angesichts der Herausforderungen. Ich freue mich darauf, dass es dieses Jahr damit schon losgeht und wir sicher in den nächsten Jahren weiter sehr gut vorankommen werden. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die Unionsfraktion hat Daniela Ludwig das Wort. ({0})

Daniela Raab (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003613, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, Sie haben in letzter Zeit des Öfteren den Begriff „Chancenministerium“ für Ihr Haus verwendet. Seien Sie mir nicht böse, wenn ich sage: Unser Eindruck ist eher: Es ist das Haus der verpassten und nicht das der vollumfänglich genutzten Chancen. ({0}) Meine Kollegen haben dazu schon einiges gesagt. Wir haben bisher den Fokus auf Forschung und Hochschule gelegt. Ich möchte ihn ein bisschen verschieben und den Blick auf die frühkindliche Bildung richten. Denn die frühkindliche Bildung ist eine wichtige Grundlage; damit haben wir uns verstärkt auseinanderzusetzen. Natürlich weiß ich: Das ist überwiegend Ländersache. Aber wir sind im Moment mit zwei großen Herausforderungen konfrontiert: das eine ist der Krieg in der Ukraine und die damit verbundenen Folgen der zuwandernden Schülerinnen und Schüler in unser Bildungssystem, das andere ist – das haben Sie alle in ihren Reden ein bisschen ausgeblendet – die Coronapandemie. Es mag schon sein, dass wir im Moment niedrige Inzidenzen haben; aber die Folgen der Coronapandemie, insbesondere bei Schülerinnen und Schülern, aber auch bei Kitakindern, sind nach wie vor da. Wann, wenn nicht jetzt, wollen wir die damit verbundenen Herausforderungen angehen und die Folgen bekämpfen? Wann, wenn nicht jetzt, wollen wir damit beginnen – und zwar mit Vollgas –, die Lücken, die sich naturgemäß durch Homeschooling etc. aufgetan haben, zu füllen? Jetzt muss es passieren. Dazu habe ich heute von Ihnen bisher fast gar nichts gehört. Das tut mir leid für die Kinder in diesem Land. ({1}) Das Programm „Aufholen nach Corona“, das wir in der letzten Legislaturperiode aufgesetzt haben, muss fortgesetzt werden – das ist richtig –; aber es muss dynamisiert werden. Warum? Erst kürzlich hat eine repräsentative Studie – wir haben es schon gehört – massive Leseschwächen unter Grundschülern offenbart. Wissenschaftler des Deutschen Jugendinstituts und des RKI berichten in ihrem jüngsten Quartalsbericht der Corona-Kita-Studie über verheerende und erschreckende Entwicklungen, insbesondere in Familien, die es auch sonst schwer haben, für ihre Kinder die entsprechende Förderung bereitzustellen, denen vielleicht die Sensibilität dafür fehlt. Deswegen ist es für uns – lassen Sie mich einen Sprung in den Einzelplan 17 machen – absolut unverständlich, dass unser Antrag auf Erhöhung des Titels „Sprach-Kitas“ abgelehnt wurde. Sprache bildet die Grundlage dafür, dass es gut läuft, erst in der Kita und später auch in der Schule. ({2}) Dass wir heute dazu so wenig von Ihnen gehört haben, ist eine ganz große Enttäuschung für mich. Das Zweite ist das Thema Ganztagsschule und der Rechtsanspruch dazu, den wir noch in der Großen Koalition beschlossen haben. Da kommt eine riesige Herausforderung nicht nur auf die Länder, sondern auch auf die Kommunen zu. Auch hier haben wir gefordert, schon heute für die Beschleunigung des Kinderbetreuungsausbaus finanziell Sorge zu tragen. Auch das ist bedauerlicherweise von Ihnen abgelehnt worden. ({3}) Genauso bitter ist es übrigens – dritter Punkt –, dass Sie in Zeiten des größten Fachkräftemangels, den wir uns wahrscheinlich vorstellen können, eine Aufstockung der Mittel bei der Qualifizierung der beruflichen Bildung ablehnen. Das ist eine ganz bittere Botschaft für dieses Land im Hinblick auf die Frage: Wie bekämpfen wir den Fachkräftemangel? Das vierte Thema – es ist heute auch schon angesprochen worden – ist das Startchancen-Programm. Sie haben es angekündigt, angekündigt, angekündigt. Die wiederholten Ankündigungen führten dazu, dass sich die Regierungskoalition gezwungen sah – damit überhaupt mal was in die Puschen kommt –, einen Maßgabebeschluss auf den Weg zu bringen. Sonst hätten wir vermutlich noch länger darauf gewartet, dass es hier vorwärtsgeht. Wir sind sehr gespannt, Frau Ministerin, ob Sie es schaffen, bis zum Herbst Konkretes vorzulegen; denn das wird noch eine große Herausforderung für uns alle. ({4}) Deswegen bin ich der Meinung: Der ganz große Wurf, als der er uns hier verkauft werden soll, ist dieser Haushalt nicht. Wir sind aber gerne bereit, konstruktiv mitzuarbeiten; das haben wir, glaube ich, mit unserem Verhalten in der Bereinigungssitzung bewiesen. Obwohl Sie alle unsere Änderungsanträge runtergestimmt haben, ({5}) waren wir in der Lage, über unseren Schatten zu springen und die Vorschläge von Ihnen, die gut waren, mitzutragen. Denn wir sind konstruktiv und wollen gerne mithelfen, dass Bildung und Forschung in diesem Land eine Zukunft haben. Dann aber mit uns und der Opposition! ({6}) Deswegen kann ich Ihnen weiterhin nur anbieten: Wir sind gerne bereit, mitzutun. Dann müssen aber ein paar mehr Voraussetzungen erfüllt werden als das, was Sie uns heute geliefert haben. Vielen Dank. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Der Kollege Dr. Stephan Seiter hat das Wort für die FDP-Fraktion. ({0})

Prof. Dr. Stephan Seiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005220, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sollte uns allen klar sein, dass Forschung und Entwicklung wichtige Voraussetzungen sind, um Krisensituationen zu bewältigen. Ich, der ich aus der Wissenschaft komme und die letzten 30 Jahre in der Wissenschaft gearbeitet habe, hatte in der Vergangenheit, in den letzten 16 Jahren, nicht immer den Eindruck, dass diese Ansicht in der Regierung auch wirklich geteilt wird. Das war für mich auch ausschlaggebend, in die Politik zu gehen. Ich muss sagen: Die Ampelkoalition legt jetzt einen Haushalt vor, der erste Elemente einer neuen fortschrittsorientierten Wissenschaftspolitik verankert. Wir werden damit den Herausforderungen der Zeit gerecht; denn es werden alle drei Ebenen der Forschung adressiert: Grundlagenforschung, angewandte Forschung und Transfer. ({0}) – Nein, jetzt kommt nicht die „Polarstern“. Aktuell gilt es, die angewandte Forschung und den Transfer stärker zu fördern. Mit der gestiegenen Förderung der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften und der DATI werden wir diesen Weg erfolgreich gehen. Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine Anmerkung, lieber Herr Kollege Jarzombek. Das Zusammenfallen von zwei Ereignissen zu einem Zeitpunkt heißt noch nicht, dass ein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang vorliegt. Das sollte man meiner Meinung nach gerade bei solchen Themen berücksichtigen. ({1}) Forschungspolitik muss noch mehr als bisher die technologische Souveränität unseres Landes berücksichtigen. Denn die technologische Souveränität sichert uns, dass wir im Systemwettbewerb weiterhin Einfluss nehmen können. Es war die wirtschaftliche Stärke unseres Landes genauso wie die Technologieintensität unserer Volkswirtschaft, die die Position Deutschlands in der Vergangenheit in solchen Verhandlungen gesichert haben. Ich bin sicher, dass wir mit dem neuen Team im Ministerium der Wissenschaftscommunity das Signal und die Sicherheit geben, dass wir eine Forschungspolitik machen, die sich Neuem zuwendet, die den Anspruch hat, das Wissenschaftssystem zu befähigen, technologieoffen Innovationen zu schaffen, die notwendig sind, um die Herausforderungen zu bewältigen. ({2})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Entschuldigung, möchten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD zulassen?

Prof. Dr. Stephan Seiter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005220, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, danke. – Aber es geht nicht nur um die finanzielle Ausstattung von Forschungsaktivitäten, sondern es geht auch um das Thema Bürokratie. Antragsverfahren sind zu komplex, dauern zu lange und halten unsere Forscherinnen und Forscher von dem ab, was sie gerne tun und vor allem gut machen, nämlich forschen, Fragen stellen und die dann auch lösen und beantworten. Die Ampel wird mit der Entbürokratisierung dazu beitragen, dass wir erfolgreich die Herausforderungen unserer Zeit bewältigen können. Vielen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die AfD hat Marcus Bühl das Wort. ({0})

Marcus Bühl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004687, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Mittel für 2022 im Bereich des Bildungs- und Forschungsministeriums liegen bei knapp über 20 Milliarden Euro. Für die Stärkung der beruflichen Bildung und für die überbetrieblichen Bildungsstätten wird dabei viel zu wenig getan. Unsere Handwerker und Industriearbeiter, auf die wir stolz sein können, gehören gefördert und unterstützt. Denn sie sind es, die deutsche Qualität weltweit bekannt gemacht haben. Wir setzen uns für Chancengleichheit ein, egal ob mit Studienabschluss oder beruflicher Ausbildung. ({0}) Schwerpunkt Forschung. Wir unterstützen den Abbau von Selbstbewirtschaftungsmitteln bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie die Ausfinanzierung der Modernisierung der deutschen Forschungsschiffsflotte, Stichwort „Polarstern II“. Bezüglich der Errichtung des internationalen Teilchenbeschleunigerprojektes in Darmstadt – auch „FAIR-Projekt“ genannt – wollen wir, dass das angestrebte Zwischenziel trotz Mehrkostenrisiken erreicht wird. Dieses Vorzeigeprojekt physikalischer Grundlagenforschung ist zwar kostenintensiv, aber die Investitionen haben großes Potenzial, langfristig viele neue Erkenntnisse und Innovationen hervorzubringen. ({1}) Kritisch sehen wir, dass mit der DATI eine weitere Agentur eingerichtet werden soll, um anwendungsorientierte Forschung an Fachhochschulen zu unterstützen. Frau Ministerin, wir haben bereits eine Bund-Länder-Vereinbarung zur Unterstützung der Forschung an Fachhochschulen. Diese gilt es nach ihrem Auslaufen im nächsten Jahr weiter zu stärken und auszubauen. Das wäre der richtige Weg. Wir brauchen keinen Aufbau einer Doppelstruktur auf Kosten des deutschen Steuerzahlers. Die Umsetzung des DigitalPakt Schule läuft mehr als schleppend. Beim Basispakt in Höhe von 5 Milliarden Euro sind zum Jahresende 2021 gerade einmal 19 Prozent der Fördermittel abgeflossen. Neben digitaler Technik gibt es aber eine noch viel größere Baustelle, nämlich die marode Substanz vieler Schulgebäude. Die aktuellen Zahlen sind dramatisch und ein Armutszeugnis für die Bildungsrepublik Deutschland. Der immens hohe Investitionsrückstand an Schulen von über 46 Milliarden Euro belegt die anhaltende Vernachlässigung von Schulgebäuden durch die Bundesländer. Um diesen Negativtrend zu kippen, haben wir in den Beratungen über den Bundeshaushalt 2022 einen Antrag eingebracht mit der Forderung, den DigitalPakt Schule in einen Zukunftspakt Schule umzuwandeln und mit erweiterten Förderinstrumenten endlich auch Instandsetzungsinvestitionen an Schulgebäuden zu ermöglichen. ({2}) Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({3})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Jessica Rosenthal. ({0})

Jessica Rosenthal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005192, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in extrem herausfordernden Zeiten. Ja, diese Feststellung gehört hierher, gerade auch in die Beratung dieses Haushaltes. Zu Recht liegt unser medialer Fokus momentan ganz besonders auf der bestmöglichen Unterstützung der Ukraine bei ihrer Selbstverteidigung. Trotzdem dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass große Teile auch unserer Gesellschaft bereits vor dem Krieg stark belastet waren. Die Pandemie hat auch und gerade die Bildungsinstitutionen und all die engagierten Menschen, die in ihnen lernen und lehren, getroffen, und die Folgen all dessen sind nicht weg, nur weil wir weniger darüber reden. Gerade deshalb haben es Kinder und junge Menschen verdient, dass wir nicht erneut über den Sommer vergessen, wie wichtig eine gute Vorbereitung auf den Herbst und Winter ist, damit Lernen und Gesundbleiben möglich ist. Die Vorbereitungen müssen jetzt auf Hochtouren laufen. ({0}) Genau das haben schon in diesem Februar nicht Gesundheitsexpertinnen und ‑experten und Politiker/-innen eingefordert, sondern Schülerinnen und Schüler selbst. Unter dem Hashtag #WirWerdenLaut haben sie nicht nur eine vorsorgende Coronapolitik verlangt, sondern auch zu Recht eingefordert: Hört auf, Politik über unsere Köpfe hinweg zu machen! – Gerade weil es dieser Koalition darum geht, endlich Politik für und mit jungen Menschen zu machen, haben wir in diesem Haushalt dafür gesorgt, dass die Bundesschülerkonferenz mit einer halben Million Euro ausgestattet wird und Schüler/-innen nun bundesweit Strukturen vorfinden können, in denen sie sich organisieren können und eine laute politische Stimme sind, die wir als SPD, aber auch als gesamte Ampelkoalition nicht überhören werden. ({1}) Genau darum geht es übrigens auch bei dem Politikstil dieser Ampel. Wir wollen nicht zementieren und erstarren, sondern aus dem lernen, was ist. Wir wollen nach vorne gehen und modernisieren. Deshalb reicht es eben nicht, die unterschiedlichen Bildungschancen zu beklagen, die durch Corona ja noch unterschiedlicher geworden sind, sondern wir müssen etwas tun. Genau das wollen wir mit dem Startchancen-Programm machen, und das, liebe CDU, liebe CSU, wird ja gerade in diesem Haushalt deutlich. ({2}) Für uns geht es also darum, nicht zu erstarren, wie das in den letzten Jahren viel zu oft der Fall war, sondern für Fortschritt einzustehen, und das tun wir ganz besonders, wenn es um die berufliche Bildung geht. Indem wir die Digitalisierung und Modernisierung von überbetrieblichen Berufsbildungsstätten vorantreiben, setzen wir den Fokus auf die berufliche Bildung. ({3}) Das klingt sehr technisch; aber sie sind ein so wichtiger Lernort, an dem eben gerade kleine Unternehmen die Möglichkeit haben, beste Qualität herzustellen. Ich sage ganz deutlich: Das ist nur der allererste Schritt. Wir wollen das ausweiten. Wir werden diesen Ort zu einem wichtigen Pfeiler machen, wenn es um die Ausbildungsplatzgarantie geht. In diesem Feld liegt noch so viel vor uns. Wo es auch um Fortschritt und Modernisierung geht, ist der Bereich Weiterbildung. Sie ist der zentrale Pfeiler, wenn wir ein Innovationsland sein wollen. Deshalb geht es hier darum, die Digitalisierung als Chance zu sehen und die großen Hürden in Form von unterschiedlichen Strukturen, die es in Deutschland zweifelsohne gibt, endlich kleiner zu machen, auch und gerade durch Digitalisierung. Ich sage auch für meine Fraktion ganz klar, dass es für uns wichtig ist, dass hier alle Gruppen erreicht werden, gerade die, die negative Bildungserfahrungen gemacht haben. Darum geht es. Digitalisierung ist der Schlüssel dafür, dass wir den Flickenteppich, der gerade besteht, endlich so strukturieren können, dass die Informationen da ankommen, wo sie gebraucht werden, und Weiterbildung endlich eine Chance für alle ist. ({4}) Liebe Bürgerinnen und Bürger, gerade Sie, die hier zuhören, heute geht es um viele Zahlen und Einzelprojekte. Aber am Ende meint „Fortschrittskoalition“ die Modernisierung dieses Landes. Gerade wir hier wissen: Ohne die Köpfe funktioniert das alles nicht. – Deshalb investieren wir in sie. Vielen lieben Dank. ({5})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Laura Kraft hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Laura Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005113, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Zuschauertribüne! In Deutschland entscheidet immer noch viel zu häufig das Einkommen der Eltern darüber, wer Abitur macht oder eben nicht, und das Gleiche gilt leider auch für das Studium. ({0}) Durchschnittlich studieren drei von vier Akademikerkindern und gleichzeitig nur eines von vier Arbeiterkindern. Von echter Bildungsgerechtigkeit sind wir noch weit entfernt. Wir als Ampel haben für die nächsten Jahre viel vor und werden jetzt im Bereich „Bildung und Forschung“ die Weichen für die Zukunft stellen. ({1}) Wir wollen jungen Menschen Bildungschancen ermöglichen, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Darum geht es nämlich. Deshalb haben wir als Ampel die BAföG-Mittel um 130 Millionen Euro aufgestockt. Damit erhöhen wir nicht nur die Bedarfssätze, sondern ermöglichen auch erheblich mehr Studierenden den Zugang zu BAföG und somit zum Studium. Welche Koalition hat denn die Studierenden so entlastet wie unsere, Frau Gohlke? Mir ist da keine Koalition bekannt. ({2}) Aber nicht nur das. Wir haben das BAföG auch für ukrainische Geflüchtete geöffnet, damit sie hier in Deutschland ihr Studium fortsetzen können. Jemand, der schon seine Heimat verloren hat, soll nicht auch noch seine berufliche Zukunft verlieren müssen. Dafür stellen wir zusätzliche 81,2 Millionen Euro allein im Etat des BMBF zur Verfügung. Wir stehen zur Ukraine, und wir wollen helfen. Wir wollen helfen, indem wir die beruflichen Chancen von geflüchteten Studierenden auch vor dem Hintergrund eines Wiederaufbaus der Ukraine verbessern. Wir wollen aber auch im Bereich der Forschung auf die brennenden Themen der Zeit blicken. Das bedeutet mehr Geld für die Technologien der Zukunft, die Förderung von Bereichen, die in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch weiter an Bedeutung zunehmen werden. Das ist zum Beispiel die Klima- und Nachhaltigkeitsforschung zur Bekämpfung der Klimakrise. Der Haushalt des BMBF ist ein bedeutender Schritt in diese Richtung. ({3}) Die Klimaforschung gibt uns die dringend benötigten Daten zur Umwelt- und Klimaentwicklung. Je mehr wir dazu in Erfahrung bringen, desto besser können wir auf drohende Katastrophen wie Dürren, Überschwemmungen, aber auch das Artensterben reagieren. Darüber hinaus freut es mich ungemein, dass das Parlament die Finanzierung für den Neubau des großartigen Forschungsschiffs „Polarstern II“ auf die Beine stellen konnte. ({4}) Das haben Sie nicht auf die Kette gekriegt. ({5}) Die „Polarstern II“ ist nicht einfach nur ein Schiff. Sie wird, wie ihre Vorgängerin, maßgebliche und weltweit einzigartige Polar- und Meeresforschung betreiben. Deutschland kann bedeutsame Spitzenforschung vorantreiben und gleichzeitig die Voraussetzung für evidenzbasierte Klima- und Energiepolitik schaffen. ({6}) Klima- und Nachhaltigkeitsforschung ist die Zukunftsforschung. ({7}) Eine Kürzung in diesem Bereich wäre ein fatales Signal, das ein zukunftsorientiertes Ministerium unbedingt verhindern muss. Das Ministerium ist deshalb am Zug, die nötigen Mittel im Entwurf für den Haushalt 2023 bereitzustellen. Nach zwei Jahren Pandemie ist die Aufstockung im Bereich der Gesundheitsforschung nun mehr als geboten. ({8}) Die Forschung zu Impfstoffen, zu Therapeutika, zu Post-Covid-Symptomen ist noch in vollem Gange; gleichzeitig stehen aber schon die nächsten Zoonosen vor der Tür. In den nächsten Jahren muss hier deutlich investiert werden. ({9}) Wir haben für dieses Jahr schon einiges auf die Beine gestellt, und ich hoffe, dass der Gesamtetat des BMBF in Zukunft weiter aufgestockt wird. Viele Projekte, die wir vorhaben, vereint eines: Sie sind auf auskömmliche Finanzierung angewiesen. Darum werden wir auch in den nächsten Haushaltsverfahren hartnäckig bleiben. Vielen Dank. ({10})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Nadine Schön hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Zwei Dinge nehme ich aus dieser Debatte mit. Erstens. Die eigene Leistung wird nicht dadurch besser, dass man die Leistung anderer schlechtredet und auch Unwahrheiten über sie verbreitet. ({0}) Ich will nur noch mal feststellen: Der Haushalt dieses Bundesministeriums ist in den letzten 16 Jahren kontinuierlich gestiegen. Seit Amtsantritt von Angela Merkel haben wir den Haushalt um das 2,5-Fache angehoben. ({1}) Die Messlatte, die auf dem Tisch liegt, ist eine Steigerung um 250 Prozent. Ich bin gespannt, ob Sie das in den nächsten Jahren hinbekommen. ({2}) – Ja, in 16 Jahren. ({3}) Damit sind wir wieder beim Punkt. Die Kollegin Gohlke, mit der ich selten einer Meinung bin, hat es gesagt: Der aktuelle Haushalt stagniert. Natürlich kann man das Aufholpaket nach der Coronapandemie herausrechnen. Aber wir haben so viele Defizite bei den Schülerinnen und Schülern, dass es völlig unredlich ist, Sonderprogramme herauszurechnen. Man müsste gerade in diesen Bereich besonders investieren. Deshalb bleibt es dabei: Wir haben die Mittel für diesen Haushalt kontinuierlich angehoben, jetzt stagniert der Haushaltsansatz. Deshalb ist der Eindruck, den Sie erwecken wollen, völlig falsch. ({4}) Der zweite Punkt ist das Thema BAföG. Auch die BAföG-Erhöhungen waren bei uns prozentual höher als jetzt bei Ihnen. ({5}) Sie haben eine BAföG-Erhöhung beschlossen, die nicht einmal die Inflation ausgleicht. Und wenn es um den Energiezuschuss geht, dann sagen Sie allen Studentinnen und Studenten, ({6}) die keinen Minijob oder kein Kind haben: Na ja, ihr habt halt Pech gehabt! – Auch hier gilt es, sich einmal die Fakten anzuschauen, ({7}) statt die eigene Leistung dadurch besser machen zu wollen, dass man mit dem Finger auf andere zeigt. ({8}) Liebe Kollegin Christmann, Sie haben gesagt, dass Sie den Haushalt in den Kontext der aktuellen Herausforderungen setzen wollen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Frau Kollegin, wollen Sie vor den Herausforderungen eine Zwischenfrage von Kai Gehring zulassen?

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Kai Gehring (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich wollte nur kurz nachfragen, Frau Schön, ob es korrekt ist, dass die ehemalige Bundesbildungsministerin Karliczek im Rahmen des letzten Haushalts 800 Millionen Euro BAföG-Mittel an den Bundesfinanzminister hat zurückfließen lassen und Sie der Nachfolgerregierung ein BAföG mit nur noch 11 Prozent Gefördertenquote übergeben haben. Sind das die korrekten Zahlen? ({0}) Und könnten Sie dann auch zur Kenntnis nehmen, dass wir gerade in wenigen Monaten die größte BAföG-Reform aller Zeiten auf den Weg gebracht haben? ({1})

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lieber Kollege Gehring, wir sind uns völlig einig darin, dass es beim BAföG Reformbedarf gibt, und zwar sowohl was die Höhe als auch was die Struktur angeht. ({0}) Sie haben jetzt in der Höhe nachgebessert; die strukturellen Reformen kommen noch. Da haben Sie uns ganz auf Ihrer Seite. Ich würde Ihnen aber gerne die Gegenfrage stellen, ob es stimmt, dass Sie den BAföG-Titel in die globale Minderausgabe eingerechnet haben, ({1}) sodass man davon ausgehen kann, dass Sie schon damit rechnen, dass trotz dieser Gesetzesänderung zum Ende des Jahres wieder BAföG-Mittel an den Finanzminister zurückfließen werden.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Gegenfragen gehen leider nicht. Insofern: Vielen Dank. ({0})

Nadine Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich will das dann mal als Frage so stehen lassen. Die Beantwortung der Frage kann ohnehin erst Ende des Jahres erfolgen, wenn wir nämlich wissen, aus welchen Töpfen Geld an den Finanzminister zurückfließen wird. Liebe Frau Ministerin, ein Weiteres, was ich aus dieser Debatte mitnehme, ist, dass Anspruch und Wirklichkeit sehr weit auseinanderklaffen. Das gilt nicht nur für das Haus, sondern für die ganze Koalition. Was haben wir heute wieder alles gehört: vom Chancenministerium, davon, dass jetzt alles viel besser wird, ({0}) und davon, wie schnell die Ampel in diesem Land jetzt alles schön macht. Ich will nur eine kurze Zwischenbilanz ziehen: Angekündigt waren konkrete Verbesserungen beim DigitalPakt Schule bis März. Davon sehe ich noch nichts. Angekündigt waren bis Ende des Jahres vereinbarte Eckpunkte mit den Ländern zum Digitalpakt 2.0. Jetzt ist Juni. Unsere Erfahrungen mit Verhandlungen mit den Ländern lassen mich vermuten: Das wird zumindest knapp. Angekündigt war ein Startchancen-Programm mit 4 000 Talentschulen. In diesem Haushalt ist dafür noch kein Geld eingestellt. Ich bin sehr gespannt, wie viele Schulen bis Ende dieser Legislaturperiode tatsächlich entsprechend ausgestattet sind. ({1}) Angekündigt war die DATI – sie wurde heute schon oft erwähnt –, die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation. Die Anzahl der Fans dieser neuen Agentur hält sich wirklich in Grenzen. Ich kenne kaum jemanden, und das auch zu Recht; denn die vorliegenden Konzepte deuten eher darauf hin, dass man Strukturen schafft, die nicht wirklich gebraucht werden, weil es diese Vernetzungsstrukturen schon in den Regionen gibt und Sie damit nicht die wirklichen Probleme lösen. Deshalb gibt es viel Kritik an der DATI, bis hin zum Bundesfinanzminister und dem Haushaltsausschuss, die beide sagen: Das Geld wird erst freigegeben, wenn ein vernünftiges Konzept vorliegt. ({2}) Vielleicht noch ein Satz zum Thema SprinD. Liebe Kollegin Christmann, auch hierzu soll es einen Gesetzentwurf geben; das haben wir in der Debatte öfter gehört. Wir als Opposition haben den noch nicht bekommen. Wir sind ganz an Ihrer Seite, dass wir da strukturelle Veränderungen brauchen. Wir kennen aber noch keine Vorschläge. ({3}) Die Bilanz bis jetzt ist: eine BAföG-Reform, die die Inflation nicht ausgleicht – und die „Polarstern“-Finanzierung. Das deckt sich überhaupt nicht mit dem großen Anspruch, den Sie als Ampelkoalition an diesem Rednerpult in dieser Debatte und in den letzten Debatten proklamiert haben. Wir sind an Ihrer Seite, dass wir uns im Bereich „Bildung und Forschung“ verbessern, dass wir unser Land fitmachen für die Herausforderungen der Zukunft. Wir freuen uns auch, wenn ein Aufbruch durch dieses Land geht. Aber mit den vorgelegten Maßnahmen, mit der Umsetzungsgeschwindigkeit und auch mit diesem Haushalt kann das leider nicht gelingen. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Dr. Lina Seitzl hat das Wort für die SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Lina Seitzl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005221, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Und ich finde es besonders schön, dass bei der Debatte des Bildungshaushaltes so viele Schülerinnen und Schüler auf den Zuschauertribünen sitzen. ({0}) Unsere politischen Ziele sind nur so gut wie die Mittel, die zu ihrer Umsetzung zur Verfügung stehen. Bei all den Krisen und bei all den Herausforderungen finanzieller Art, vor denen wir stehen, wäre es einfach gewesen, im Bereich „Bildung und Forschung“ zu sparen. Aber genau das tun wir nicht. Ganz im Gegenteil: Wir erhöhen die Haushaltsmittel im Einzelplan 30, und wir stellen im Ergänzungshaushalt zusätzlich 81 Millionen Euro bereit, um auch ukrainischen Geflüchteten den Zugang in unser Bildungssystem zu ermöglichen. Frau Schön, vielleicht nehmen Sie das noch in die Bilanz auf. ({1}) Denn Investitionen in Bildung sind Investitionen in die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit unseres Landes und in die Zukunft jedes und jeder Einzelnen. Dieser Haushalt geht außerdem selbstkritisch mit Fehlern der Vergangenheit um. Nachdem das BAföG in den letzten 16 Jahren mehr oder weniger sträflich vernachlässigt wurde, bekommt es nun einen zentralen Stellenwert. Unser Ziel ist es, wieder mehr junge Menschen ins BAföG zu bekommen, Hürden bei der Beantragung und beim Bezug abzubauen und die Bedarfssätze zu erhöhen. Die ersten beiden BAföG-Novellen werden noch in diesem Jahr in Kraft treten. Eine große, strukturelle Reform folgt. ({2}) Weil sich die Kollegin Schön gerade so der Wahrheit verpflichtet gefühlt hat, will ich hier einmal mit den Mythen aufräumen, die seit Wochen gerade aus Ihren Reihen, aber auch von den Linken immer wieder verbreitet werden. Der Vorwurf, wir würden die jungen Menschen im Rahmen der Entlastungspakete vergessen, ist falsch. Oliver Kaczmarek hat es gerade schon gesagt, aber ich betone es gerne noch mal: Diese Regierung vergisst junge Menschen nicht. ({3}) Wir reformieren das BAföG. Wir verankern einen krisenfesten Nothilfemechanismus. Studierende mit Nebenjob – und das sind 75 Prozent – ({4}) bekommen wie alle Minijobber die Energiepreispauschale von 300 Euro. Wir verdoppeln den Heizkostenzuschuss. Wir schaffen die EEG-Umlage ab. Wir führen für die nächsten drei Monate das 9‑Euro-Ticket ein. Wir führen den zusätzlichen Kinderbonus ein. Wir statten die Bundesschülerkonferenz mit 500 000 Euro aus. Ich bitte Sie, das ist doch kein Vergessen. Wir kümmern uns um die jungen Menschen in diesem Land. ({5}) Um Menschen in Ausbildung zu stärken, braucht es natürlich auch eine moderne Bildungsinfrastruktur. Es freut mich besonders, dass wir hier bei der Stärkung der Hochschulen wichtige Signale gesetzt haben. Es war uns als SPD ein ausdrücklicher Wunsch, den Hochschulen mehr Planungssicherheit zu gewährleisten. Das ist mit dem Haushalt 2022 durch die Aussagen zum Zukunftsvertrag „Studium und Lehre stärken“ gewährleistet. Die Stiftung Innovation in der Hochschullehre erhält 12 Millionen Euro mehr als ursprünglich vorgesehen, damit innovative Lehrformate gefördert werden; denn gute, digitale Lehre ist mehr als die Bereitstellung von PDF-Dokumenten. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit einem Volumen von über 20 Milliarden Euro setzt der vorliegende Haushalt wichtige Prioritäten im Bildungs- und Forschungsbereich. Er unterstützt erneut den Fortschritts- und Innovationsgedanken dieser Koalition. Ich habe es gesagt: Politische Ziele sind nur so gut wie die Mittel, die wir zu ihrer Umsetzung zur Verfügung stellen. Für unsere ambitionierten Vorhaben im Koalitionsvertrag verabschieden wir mit diesem Haushalt den richtigen Werkzeugkasten. Vielen Dank. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ebenfalls für die SPD-Fraktion hat der Kollege Holger Mann jetzt das Wort. ({0})

Holger Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005140, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst sei grundsätzlich gesagt: Die Ampelkoalition steht für das Ziel, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf 3,5 Prozent des BIP zu steigern. Während in Europa die Kommission noch mit den Mitgliedstaaten um das 3-Prozent-Ziel feilscht, hat Deutschland dieses Ziel auch in diesem Jahr wieder übererfüllt. Der Pakt für Forschung und Innovation zum Beispiel ist mit 7,5 Milliarden Euro institutioneller Förderung und 3 Prozent Aufwuchs solide ausgestattet. Wichtig ist aber: In diesem Haushalt beginnen wir, diese Dynamisierung auf andere Bereiche auszuweiten. ({0}) Für die Akademien der Wissenschaften ist dies bereits gelungen, und – das muss man so deutlich sagen – dank der Haushälter und ihrer Verhandlungen hier im Parlament gibt es eine klare Maßgabe für den Zukunftsvertrag im kommenden Haushaltsentwurf, der uns ja schon bald zugehen wird. Danke dafür an dieser Stelle. ({1}) Das sind wirklich gute Signale für die Zukunft unseres Landes, für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und für den gesellschaftlichen Fortschritt. Für die Programmförderung sind zukünftig 9 Milliarden Euro in diesem Haushalt eingestellt. Bei diesen Mitteln setzt der Haushalt klare Schwerpunkte, ganz konkret bei neuen Technologien, insbesondere im Feld der Digitalisierung. Hier wird es Aufwüchse um 50 Prozent bzw. 450 Millionen Euro geben. In Kernthemen der Informationstechnologie wie Quantencomputing, Mikroelektronik oder Cybersicherheit betragen die Aufwüchse sogar das Doppelte. Das kann sich aus unserer Sicht sehr wohl sehen lassen. Frau Ministerin Stark-Watzinger hat insbesondere Herrn Jarzombek ja schon darauf hingewiesen, dass zur Haushaltsanalyse mehr gehört, als diese Zahlen mit denen des Vorjahres zu vergleichen. Deswegen noch ein Beispiel ({2}) – Sie können ja eine Zwischenfrage stellen –: Auch die medizinische Programmforschung entwickelt sich gut. Wenn man sich nämlich die Mühe macht, Herr Jarzombeck, im Haushalt die coronabedingten Sonderlasten herauszurechnen, dann sieht man: Diese Programmlinie ist seit 2019 um 45 Prozent aufgewachsen. ({3}) Das ist ein deutliches Bekenntnis zu diesem Bereich und zeigt, dass wir hier Schwerpunkte setzen. Das muss man dann aber auch umsetzen. ({4}) Wir sind überzeugt: Medizin- und Informationstechnologien bieten große Zukunftschancen. ({5}) Deswegen ganz kurz zwei Beispiele: Gerade hat das Magazin „Nature“ verkündet, dass es Forscherinnen und Forschern gelungen ist, mit einem Quantencomputer Berechnungen innerhalb von Sekundenbruchteilen zu erstellen, für die der größte Supercomputer Tausende von Jahren gebraucht hätte.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Möchten Sie jetzt die gestellte Zwischenfrage zulassen? ({0})

Holger Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005140, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, bitte.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Thomas Jarzombek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004061, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vor meiner Zwischenfrage ein Kompliment an die Präsidentin für ihren Humor. – Herr Kollege, wenn Sie schon so engagiert darüber sprechen, dass wir im Bereich Biotech mehr machen müssen, was sagen Sie denn dann zu der halben Milliarde Euro für das IPCEI on Health?

Holger Mann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11005140, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Zum Ersten. Ich habe über die Bereiche Medizin im Ganzen und Informationstechnologie gesprochen und Ihnen dargestellt, dass wir hier deutliche Aufwüchse planen. Die Ministerin hat die Zahlen genannt und dargelegt, dass wir im Bereich „Forschung und Entwicklung“ deutliche Aufwüchse planen. Zum Zweiten. Der IPCEI on Health war in Ihrem Haushaltsentwurf, von Ihrer Ministerin, überhaupt nicht veranschlagt. ({0}) Deswegen finde ich es eine ganz schöne Chuzpe, sich hierhinzustellen und zu kritisieren, dass das nicht erfolgt sei. ({1}) Dazu kommt, dass die Mittel in den vergangenen Jahren gar nicht in dem Maße abgerufen wurden. Von einer Fraktion, die sich hier regelmäßig in die Brust wirft, die Einhaltung der Schuldenbremse und Steuersenkungen fordert, und sich dann gleichzeitig hierhinstellt und sagt: „Wir brauchen aber Mehrausgaben“, kann man auch keine Haushaltssystematik erwarten. Das ist schon ein bisschen sehr selbstbewusst, Herr Kollege Jarzombek. ({2}) Nehmen wir noch ein Beispiel, das auch klarmacht, dass es nicht immer die großen Millionenbeträge sein müssen. Zukunft erleben kann man zum Beispiel auch beim KITE-Projekt an der Universität Leipzig. Dort erstellt eine KI-Plattform mit Hunderten von Indikatoren Diagnosen und Behandlungsmethoden für Krebs, und zwar viel genauer, als das ein Mensch und der beste Mediziner heute tun könnte. Diese werden für die Ärzte am digitalen Tumorboard dargestellt und zugleich dokumentiert. Wer weiß, dass in der EU jedes Jahr fast 3 Millionen Krebsdiagnosen gestellt werden und 200 Milliarden Euro Behandlungskosten anfallen, der hat eine Ahnung davon, welches Potenzial in dieser Innovation steckt und wie viele Chancen bestehen, das Leben von Menschen zu verbessern und vor allen Dingen zu verlängern. Ich will aber sagen: Andere Forschungsmissionen müssen aus unserer Sicht in den zukünftigen Haushalten noch besser ausgestattet werden, will man zukünftigen Herausforderungen entsprechend begegnen und diese bestehen. Denn wir wollen mehr gesellschaftliche Resilienz gegen Krisen entwickeln und mit der Wissenschaft die Energie- und Mobilitätswende schaffen, um dem Klimawandel effektiv zu begegnen. Dazu braucht es auch mehr Ergebnisorientierung. Deswegen an dieser Stelle vielen Dank dafür, dass die DATI in diesem Haushaltsentwurf mit 25 Prozent mehr ausgestattet wurde. Zum Schluss: Der intensivste Transfer von Wissen geschieht bei der Ausbildung von Auszubildenden und Studierenden. Deshalb bin ich froh, dass dieser Haushalt deutliche Steigerungen beim BAföG und, dank der Verhandlungen der Haushälter, auch bei der Stiftung Innovation in der Hochschullehre enthält. Ich danke an dieser Stelle allen, die in der Ampel und im BMBF dazu beigetragen haben, und empfehle Ihnen diesen Haushalt sehr gerne zur Annahme. ({3})