Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 7/3/2018

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Peter Boehringer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004675, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Anmerkung vielleicht aus aktuellem Anlass: Diese Rede halte ich unter der Prämisse, dass die Mehrheit, die wir bei den Haushaltsberatungen im Ausschuss hatten, auch bei der Endabstimmung im Plenum noch steht. ({0}) Das wäre also die von CDU, CSU und SPD. Doch das ist wahrscheinlich; denn wir erleben derzeit eigentlich nur großes Staatsschauspiel im Hinblick auf die Bayernwahlen. ({1}) Die Forderung von Herrn Seehofer nach der Zurückweisung von Migranten, die bereits einen Antrag in einem anderen Land gestellt haben, war schlicht die Forderung nach der Einhaltung geltenden Rechts, das seit 2015 an den deutschen Grenzen permanent gebrochen wird. ({2}) Es sagt viel über den Zustand unseres Landes aus, wenn diese selbstverständliche Forderung ernsthaft Widerspruch der Kanzlerin auslösen kann und sie diesen Machtkampf dann auch noch gewinnt. ({3}) Zur Sache, zum Haushalt 2018. Es ist ein Idealumfeld mit Niedrigstzinsen, EZB-Anleihekäufen und TARGET2, alles letzten Endes künstlich die Konjunktur und damit die Steuereinnahmen stimulierend. Der angeblich ausgeglichene Haushalt ist damit kein Erfolg guter Politik, sondern Ergebnis nicht nachhaltiger Sondereffekte und von nicht eingestellten Risikovorsorgemaßnahmen. ({4}) Wären im Ausschuss alle Änderungsvorschläge der AfD angenommen worden, hätte sich eine Entlastung des Bundeshaushalts von etwa 3 Milliarden Euro ergeben. Dabei hat die AfD die sogenannte Asylrücklage in Höhe von 23 Milliarden Euro noch gar nicht angefasst. Würde die Regierung an den Grenzen zum Recht zurückfinden, dann könnten diese Milliarden für andere Aufgaben oder für Steuerentlastungen eingesetzt werden. ({5}) Die Umwidmung könnte unseres Erachtens relativ schnell vollzogen werden, da die Rückkehr zum Recht inzwischen auch von Kollegen anderer Fraktionen gefordert wird. Der Minikompromiss von heute Nacht würde dafür jedoch keinesfalls ausreichen, wenn er denn überhaupt umgesetzt wird. Einige Anmerkungen zum Entschließungsantrag der AfD. Erstens: Transparenz beim Haushalt. Die Koalition brachte einige ihrer wichtigsten Änderungsanträge erst in letzter Stunde ein, obwohl wir wochenlang in x Sitzungen diskutiert haben. Ein besonders prägnantes Beispiel war ein Änderungsantrag der Koalition im Volumen von fast 2 Milliarden Euro, der in der Abschlusssitzung morgens um 1 Uhr eingebracht wurde und die Ausgaben für die Bundesschuld reduzieren sollte, und dies bei einem Titel, bei dem mir noch fünf Tage zuvor im Berichterstattergespräch erklärt worden war, das sei unmöglich, weil diese Entwicklung viel zu unsicher sei; hier könne keine Reduzierung erfolgen. So etwas ist nicht seriös. Diese Milliardenkürzung diente ausschließlich der Sicherstellung der künstlich herbeigerechneten schwarzen Null. ({6}) Bei vielen brisanten Fragen zu Haushaltspositionen hält sich die Regierung bedeckt, etwa beim Thema Migrationskosten. Entweder weiß sie gar nicht genau, was die von ihr alimentierten intransparenten NGOs mit dem Geld so machen, oder sie will es nicht sagen. Fast die Hälfte des Etats des Auswärtigen Amts steht unter sogenannten Deckungsvermerken. Die entsprechenden Titel sind somit untereinander vermischungsfähig, ohne dass der Bundestag hierüber nochmals entscheiden müsste. Dies hebelt ebenso wie Übertragungsvermerke oder die Projektfinanzierung über verschiedene Teilhaushalte das Transparenzgebot des Haushalts aus und gefährdet bei exzessivem Einsatz sogar die Etathoheit des Parlaments. Zweitens. Die EU wird haushalterisch weiterhin als Staat behandelt. Die deutschen Beiträge zum EU-Haushalt werden als negative Einnahmen verbucht, was den Bundeshaushalt nach unserer Ansicht illegitim optisch und buchhalterisch verkürzt. Der Bund hat eigentlich Ausgaben über 375 Milliarden Euro und nicht die ausgewiesenen 343 Milliarden; das ist die offizielle Zahl. ({7}) Die deutschen EU-Kosten von etwa 32 Milliarden Euro sollten eigentlich nach dem Bruttoprinzip zuerst als Steuereinnahmen und dann als EU-Kosten verbucht werden; denn nicht die EU erhebt die Steuern, sondern Deutschland. Die gängige Praxis impliziert, dass die BRD die EU-Steuern für den Überstaat EU eigentlich nur eintreibt. Man spricht da auch von EU-Eigenmitteln, was eine Staatsqualität der EU suggeriert, die es gar nicht gibt und nach Verfassungsrecht auch gar nicht geben darf. ({8}) Das heißt aber nicht, dass es die EU nicht versucht mit dieser Fiskalkapazität. Ganz aktuell liegt uns ein Verordnungsentwurf der Kommission vor, der der EU in Zukunft tatsächlich das Recht auf eigene Steuererhebung einräumt. Leider wurden vorige Woche hier im Haus zwei AfD-Anträge abgelehnt, die diese verfassungswidrigen Planungen der EU stoppen sollten. ({9}) Drittens: Kosten der Integration Nichtasylberechtigter. Menschen, die als Flüchtlinge zu uns kommen, müssen laut geltendem Gesetz in ihre Heimatländer zurückkehren, sobald der Fluchtgrund entfallen ist. Die AfD sieht keine Notwendigkeit, mit hohem finanziellen Aufwand die Integration dieser Migranten irgendwie sicherzustellen. Viertens: Verteidigungsfähigkeit wiederherstellen. Die Ausrüstungssituation der Bundeswehr befindet sich in einem katastrophalen Zustand. Die AfD hat Aufwüchse bei denjenigen Positionen des Verteidigungsetats beantragt, die der Landesverteidigung im engeren Sinne dienen. Fünftens: ideologischen Gesellschaftsumbau stoppen. Viele Mittel werden ressortfremd, aber stets im Sinne einer links-grünen Indoktrinierung eingesetzt. Fast jede Stelle muss dazu ihren Beitrag leisten. So betreibt beispielsweise das Kanzleramt Projekte zur Diversitätsentwicklung. Derartige Projekte sind nach Ansicht der AfD-Fraktion zu streichen. Diversität schafft sich eine Gesellschaft selbst, wenn sie es denn will. ({10}) Wir brauchen eine Rückbesinnung der Regierungsinstitutionen auf die ihnen zugedachten Aufgaben, nicht zuletzt im Sinne einer sparsamen Haushaltsführung. Sechstens: Klimasubventionen runter. Die sogenannte Energiewende ist zu hinterfragen. Eine Neuorientierung in der Klimapolitik wäre gleichzeitig eine Förderung des Industriestandorts Deutschland. Statt künstliche CO 2 -Zertifikatsplanwirtschaft zu betreiben, gilt es, Unternehmen Marktchancen frei suchen zu lassen. Aus dem Haushalt sollte nur die entsprechende Infrastruktur finanziert werden. Hier herrscht Nachholbedarf, insbesondere beim Fernstraßenbau oder beim Straßenbau generell. Ceterum censeo: Kosten der Euro-Rettung. Ich muss es immer wieder wiederholen: Wir fordern die Bildung von Rückstellungen für die künftigen gewaltigen und fast sicheren Ausfälle der Euro-Rettungsgelder. Dies hartnäckig zu unterlassen, ist ein permanenter Verstoß gegen die Grundregeln der Haushaltsvollständigkeit und der kaufmännischen Vorsicht. ({11}) Wir reden von Hunderten von Milliarden. Erst am vorigen Freitag hat der Bundestag wieder mal eine Auszahlung an Griechenland aus dem Schattenhaushalt ESM genehmigt. Sehr praktisch diese Schattenhaushalte; denn sonst hätten diese 4 Milliarden Euro direkt sichtbar aus dem deutschen Bundeshaushalt gezahlt werden müssen – und das ist nur die absolute Spitze des Eisbergs. Herr Minister Scholz, in Ihrer Haushaltsrede am 15. Mai 2018 sagten Sie: Europa ist für Deutschland das wichtigste nationale Anliegen. ... Es geht um die Souveränität Europas ... ({12}) Dazu stellen wir fest: „Dem deutschen Volke“ lautet unser Auftrag. Die EU-ropäische Fehldenke ist es, die die Bürger der Politik entfremdet und von der sie sich abwenden, ({13}) so sehr, dass die Wählerabwanderung inzwischen die sonst sklavisch EU-ropäischen CSU-Funktionäre zur Rhetorik gegen noch mehr Europa nötigt, auch wenn das reine Heuchelei ist; denn gleichzeitig stimmt die CSU in Brüssel für noch mehr, dann sogar legale Migration, Stichwort „Dublin IV“. Wir sagen: Nein, es geht eben nicht um EU-ropäische Souveränität, und, nein, EU-ropa ist nicht das wichtigste Anliegen Deutschlands. Herzlichen Dank. ({14})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist Johannes Kahrs, SPD. ({0})

Johannes Kahrs (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003157, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen jetzt zur Abwechslung – und das ist nach den letzten Tagen besonders erfrischend – auf die Sachebene zurück. ({0}) Dafür sind wir da, und das ist gut. ({1}) Wir haben hier eben eine etwas unterkomplexe Rede des Kollegen von der AfD gehört; so kennt man sie. Aber auch das ertragen wir mit Fassung, weil wir wissen, dass diese Koalition und dass diese Regierung zumindest auf der Sachebene, die wir hier heute diskutieren, dieses Land anständig und vernünftig regieren. ({2}) Das kriegen wir hin, weil in den Ausschüssen anständig gearbeitet wird. Das, was die Bundestagsabgeordneten können, können sich vielleicht auch die Parteiführungen der Union vornehmen, ({3}) und dann kommen wir alle am Ende dazu, dass wir auf der Sachebene das einlösen, was wir mit dem Koalitionsvertrag den Menschen in diesem unserem deutschen Vaterland versprochen und zugesagt haben. ({4}) Das werden wir jetzt auch tun. Dazu hat Olaf Scholz einen Haushalt vorgelegt, der all diese Punkte entsprechend umfasst. Ich freue mich, dass hinter mir der Präsident des Deutschen Bundestages sitzt, der schon in der letzten Legislaturperiode in seiner vorherigen Verwendung ein bisschen auf uns aufgepasst hat. Ich kann sagen: So wie der letzte Haushalt vernünftig war, so ist dieser Haushalt auch sehr vernünftig. Es gibt aber ein paar kleine Unterschiede. Einer dieser Unterschiede ist, dass wir mehr Geld für Investitionen ausgeben. ({5}) Das wiederum ist etwas Gutes. ({6}) Das ist etwas, was bei den Menschen in diesem Land ankommen wird. Wir geben mehr Geld aus für Straße, für Digitalisierung, für Schule, für Bildung, für viele Dinge, für viele Themen, die für die Wähler in diesem Land richtig und wichtig sind. ({7}) Nach all dem Klamauk der letzten Tage, finde ich, muss man den Menschen das Vertrauen in die Politik wieder zurückgeben. ({8}) Es wäre gut, wenn wir das auf der Sachebene tun. Deswegen haben wir mit dieser Koalition bei den Investitionen noch mal 2,76 Milliarden Euro obendrauf gelegt. Ich glaube, damit haben wir Haushälter unseren kleinen Beitrag geleistet. ({9}) Für uns Sozialdemokraten und für die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU – mit dem Kollegen Ecki Rehberg arbeite ich seit Jahren gut und vertrauensvoll zusammen; Ecki, dass du schmunzelst, ist mir Lob genug – sage ich, dass wir gerade auch beim Personal den guten sozialdemokratischen Dreisatz wieder hinbekommen. Damit diese Investitionen, die wir in den Haushalt hineingeschrieben haben, auch umgesetzt werden und das Geld nicht wie in den letzten Jahren teilweise zurückfließt, haben wir gesagt: Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat, einen Staat, der satisfaktionsfähig ist, der es schafft, das Geld, die PS, auf die Straße zu bekommen. Deswegen gilt der alte sozialdemokratische Dreisatz: Wir schaffen neue Stellen, wir heben Stellen, und wir entfristen. ({10}) Nur wenn wir einen Staat haben, der handlungsfähig ist, können wir das Geld auch entsprechend einsetzen. Deswegen schaffen wir über 3 000 neue Stellen bei der Bundespolizei, 525 Stellen im Bundeskriminalamt. Die Zollverwaltung bekommt 1 400 neue Stellen. ({11}) Wir haben auch den Maßgabebeschluss gefasst, dass in den nächsten vier Jahren in jedem Jahr 2 000 neue Stellen beim Zoll geschaffen werden. ({12}) Ich glaube, jeder, der weiß, wie die Situation beim Zoll ist, wird dies begrüßen und unterstützen. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – man hörte in den letzten Tagen häufiger davon – gibt es 1 650 neue Stellen zusätzlich. 4 500 Stellen, Herr Seehofer, werden entfristet – ich glaube, das ist auch ganz in Ihrem Sinne –, ({13}) sodass wir dann auch dazu kommen, dass diese Behörde ihre Arbeit vernünftig erledigen kann. Bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben – auch das ist für viele wichtig; Sie wissen, dass diese Immobilien für die Kommunen, für den Wohnungsbau wichtig sind – ({14}) haben wir 200 Stellen entfristet. Ich glaube, dass auch das eine gute Sache ist. Gleichzeitig haben wir hier einen Haushalt, mit dem wir viele gute Dinge tun, aber keine neuen Schulden schaffen. Bei der Union hieß das immer: schwarze Null. Wir haben immer gesagt: Über schwarze Nullen reden wir nicht. Wir machen keine neuen Schulden, ({15}) und das hat etwas mit Generationengerechtigkeit zu tun. ({16}) Generationengerechtigkeit bedeutet nämlich, dass nicht andere Menschen die Schulden bezahlen müssen, die hier gemacht werden. Deswegen machen wir seit fünf Jahren keine neuen Schulden, seitdem die SPD an der Regierung ist. ({17}) Schwarz-Gelb hat das nicht hinbekommen, Herr Buschmann. ({18}) Ihre FDP hat mitregiert, als dreistellige Milliardensummen an Schulden gemacht worden sind. Seitdem die SPD mit der Union regiert, werden keine neuen Schulden gemacht, ({19}) und das zeigt auch dieser Haushalt. ({20}) Deswegen ist es ein guter Haushalt. Dem kann man auch zustimmen. Vielen Dank. ({21})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Otto Fricke, FDP. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geschätzter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt gibt den Bürgern Klarheit darüber, wes Geistes Kind die Regierung ist und wie sie sich das vorstellt. Im Koalitionsvertrag steht: „Eine neue Dynamik für Deutschland“. Ja, könnte man so sehen. Aber wenn man dann genauer guckt, erkennt man: Das ist kein Haushalt der Dynamik, das ist kein Haushalt der Ideen, sondern das ist ein Haushalt der Verschwendung. ({0}) Es ist ein Haushalt der Verschwendung von Möglichkeiten: der Möglichkeit, Zukunft zu gestalten, der Möglichkeit, die Bürger zu entlasten, der Möglichkeit, ernsthaft in Forschung und Bildung zu investieren, der Möglichkeit, ernsthaft Schulden zu tilgen, der Möglichkeit, ernsthaft Anteile an Unternehmen zu verkaufen, der Möglichkeit, ernsthaft Subventionen abzubauen. All diese Möglichkeiten verschwenden Sie mit diesem Haushalt in einer Art und Weise, die nicht zu akzeptieren ist. ({1}) Warum macht das diese Koalition, neben all den kleinen Auseinandersetzungen, die man in einer Demokratie ja haben muss? Ihnen fehlt die Grundeinstellung. Sie haben – der Kollege Kahrs hat sich dessen ja gerühmt – gesagt: Wir Haushälter haben jetzt noch mal mehr Geld ausgegeben. Die Aussage muss sein: Liebe Bürger, wir haben euch noch mal mehr Geld genommen, verteilen es dann an euch zurück und möchten dafür gerne Applaus. Das ist kein Verständnis von einem Staat, in dem der Bürger im Zentrum steht. ({2}) Rein ziffernmäßig: Der Haushalt steigt um 3,9 Prozent, statt wie bisher um 3,1 Prozent. Dabei verschlechtern sich die Wirtschaftsprognosen von 2,3 Prozent auf ungefähr 1,9 Prozent. Was ist das für eine Grundeinstellung, in der nicht nur die Regierung sagt: „Was stört mich, wie das Wachstum und die Zukunft aussehen?“, sondern in der auch noch die Koalitionsfraktionen – liebe CDU/CSU, das kann ich Ihnen hier wirklich ins Stammbuch schreiben – sagen: „Wir geben einfach noch mal mehr aus“? – Es ist am Ende Verschwendung. ({3}) Verschwendung gibt es auch beim Thema Investitionen. Ja, der Finanzminister wird sich rühmen und sagen: Wir haben jetzt 39,8 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung; wir haben noch mal ganz viel obendrauf gelegt. – Herr Minister, wollen wir mal ehrlich sein: Wie machen Sie das denn? Sie führen das Baukindergeld ein, mit dessen Hilfe Private investieren sollen: Haus bauen, Wohnung kaufen oder älteres Haus kaufen und renovieren. Und was sagen Sie? Das Baukindergeld ist eine staatliche Investition. – Sie haben ein komisches Verständnis von Investitionen. Unser Verständnis von Investition ist das nicht. Im Endeffekt ist es, genauso wie an anderer Stelle, nur die Möglichkeit, die Zahlen nach oben zu bringen. Sie schauen aber nicht darauf, was wirklich ankommt, wo wirklich in Zukunft investiert wird. Sie investieren fast immer nur in die Vergangenheit. ({4}) – Herr Kollege Kauder, wenn Sie das für abwegig halten, dann schauen Sie sich doch das Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“ an, in das Sie 2,4 Milliarden Euro einzahlen. Und wie viel von diesen 2,4 Milliarden Euro geben Sie dieses Jahr aus? Null! Aber Sie rühmen sich, 2,4 Milliarden Euro mehr investiert zu haben. So läuft das Spiel doch im Moment ab. Zum Thema Privatisierung. Dieser Staat ist Eigentümer von so vielen Unternehmen; er hat Anteile an zwei Banken, an der Telekom, an der Post usw. Jetzt könnte man ja sagen: Wann, wenn nicht in wirtschaftlich guten Zeiten, ist diese Regierung in der Lage, Anteile zu verkaufen? Macht sie nicht. ({5}) Noch viel schlimmer ist – das, Herr Finanzminister, finde ich, ist schon eine harte Nummer – ({6}) – ja, ich weiß, ihr werdet gleich applaudieren für das, was er macht –: Dieser Finanzminister hat gemeinsam mit seinem Vorgänger noch mehr Anteile an privaten Unternehmen gekauft. ({7}) Er hat – Achtung! – nicht 1 Million Telekom-Aktien, sondern 40 Millionen Telekom-Aktien gekauft. Das muss man sich einmal vorstellen. Ist das das Ziel, ist das die neue Dynamik? Für mich ist das Verschwendung statt Abbau von Neuverschuldung. ({8}) Meine Damen und Herren, im Endeffekt fehlt dieser Koalition die Linie. ({9}) Es wird versucht, all die Dinge, die in den letzten vier Jahren schon gemacht worden sind, irgendwie mit mehr Geld zuzukleistern. Wir werden es erleben, wenn der neue Haushalt vorliegt. Es wird gesagt: Hier ein bisschen mehr, da ein bisschen mehr, dort ein bisschen mehr. Was aber nicht passiert, ist, dass Sie wirklich in die Zukunft blicken, dass Sie sagen, wohin Sie mit diesem Land gehen wollen. Ja, Sie diskutieren über Digitalisierung, aber Sie schieben die Gelder in Bereiche, wo sie nicht ausgegeben werden. Ja, Sie diskutieren darüber, dass wir bei der Infrastruktur etwas tun müssen. Ich bin sehr gespannt, wann Sie es schaffen, dass die Brücken in Nordrhein-Westfalen saniert werden, weil die Finanzmittel dafür gegeben wurden. ({10}) Dann zum Damoklesschwert der Rente. Das Damo­klesschwert der Rente mit diesen enormen Ausgaben, mit der enormen Steigerung schwebt über Ihnen. Wenn Sie das Problem nicht lösen, wird Ihnen spätestens 2020 der Haushalt um die Ohren fliegen. Aber auch das Problem haben Sie nicht gelöst. ({11}) Aber zum Schluss ein versöhnliches Wort, meine Damen und Herren: Ich bedanke mich auch bei den Koalitionsfraktionen für das gute Klima im Haushaltsausschuss. Und zum Thema Verschwendung darf ich frei nach Albert Schweitzer zitieren: Das Einzige, was nicht weniger wird, wenn man es verschwendet, ist die Liebe – auch unter Schwesterparteien, aber leider nicht in diesem Haushalt. ({12})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt hat das Wort der Kollege Eckhardt Rehberg, CDU/CSU. ({0})

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein Haushalt der Kontinuität. ({0}) Wir bringen jetzt den fünften Haushalt ohne neue Schulden auf den Weg ({1}) und können nach 17 Jahren wieder die Maastricht-Kriterien einhalten. Zur Wahrheit gehört, dass die Erblast nach der Finanzkrise gewaltig war: 300 Milliarden Euro Haushaltsvolumen, 86 Milliarden Euro Neuverschuldung im Soll. Lieber Johannes Kahrs, ja, ihr seid seit 2014 mit dabei; aber der Weg zwischen 2009 und 2013 war kein einfacher. ({2}) Deswegen kann man heute bilanzieren: An diesem Haushalt der Kontinuität hat eine Truppe von Beginn an mitgearbeitet und mitgewirkt, und das ist die Union, eine unionsgeführte Bundesregierung unter Angela Merkel. Das Ergebnis sehen wir heute, und darauf kann man stolz sein. ({3}) Ich kann mich dem Kollegen Fricke anschließen: Die letzten Wochen waren eine harte Zeit. Uns standen weniger Sitzungstage zur Verfügung. Frau Kollegin Lötzsch, wie Sie darauf kommen, dass die Haushaltsberatungen chaotisch verlaufen sind, erschließt sich mir nicht. ({4}) Ich finde, so ruhig, so sachorientiert ist es selten zugegangen. Johannes, ich gebe dir recht: Es ist manchmal gut, stundenlang im Haushaltsausschuss zu sitzen und Sacharbeit zu machen und nicht nach links oder rechts zu schauen. Dann kommt man zu guten Ergebnissen. Das ist wohl wahr. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ein Haushalt der Zukunft: 39,8 Milliarden Euro für Investitionen, 11,6 Prozent. So viele Investitionsmittel haben wir noch nie zur Verfügung gestellt. Wir haben noch einmal 2,4 Milliarden Euro in den DigitalPakt Schule gesteckt. Mittlerweile stehen mit dem Breitbandausbau, den Alexander Dobrindt initiiert hat, mit dem kommunalen Investitionspaket insgesamt fast 10 Milliarden Euro für die Digitalisierung auf verschiedenen Ebenen in Deutschland zur Verfügung. Das heißt, wir haben kein Problem mehr, Investitionsmittel zur Verfügung zu stellen, sondern wir haben ein Umsetzungsproblem. Deswegen kann ich die Bundesregierung nur ermuntern und auffordern: Wir müssen an die Entschlackung des Planungsrechts ran. Wir müssen Standards absenken. Wir haben alle nichts davon, immer mehr Geld ins Schaufenster zu stellen, wenn Bund, Länder und Kommunen das nicht umgesetzt bekommen. ({6}) Lieber Kollege Fricke, Sie haben von Verschwendung gesprochen. Wie man als FDP auf die Idee kommen kann, die Mittel für die GRW-Förderung – das Instrument der Wirtschaftsförderung, gerade für ländliche Räume, für strukturell schwache Gebiete – von 600 Millionen auf 500 Millionen Euro abzusenken, ({7}) angeblich, weil die Mittel nicht abfließen, kann ich nicht nachvollziehen. Ich kann euch nur sagen: Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Berlin brauchen dieses Geld dringend, genauso wie die strukturschwachen Gebiete im Westen. Wer auf so einen Blödsinn – Entschuldigung! – kommt, den kann man politisch nicht ernst nehmen. ({8}) Es ist ein Haushalt der Entlastung. ({9}) Der erste Schritt ist mit dem Familienentlastungsgesetz gemacht worden. Wir werden die Bürgerinnen und Bürger in dieser Legislaturperiode um insgesamt 63 Milliarden Euro entlasten, im Jahr 2021 – in der Endstufe – um 30 Milliarden Euro. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Investitionsaufwuchs und dieser Entlastung machen wir Deutschland zukunftsfest, und da, wo es möglich und sinnvoll ist, geben wir den Bürgern etwas von dem zurück, was sie über Steuern und Abgaben einzahlen. Ich kann mir noch mehr Entlastung vorstellen: Wir von der Unionsfraktion können uns vorstellen, dass der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung nicht um 0,3 Prozent, sondern um 0,5 Prozent abgesenkt wird. Wenn es richtig ist, dass 20 Milliarden Euro Rücklage bei der Arbeitslosenversicherung eine gute Basis sind, dann kann man sie um 5 Milliarden Euro senken. Sie wäre dann 2019 bei 20 Milliarden Euro und 2020 schon wieder bei 26 Milliarden Euro. – Auch im Bereich der Pflege müssen wir die Bürger entlasten. Ganz nebenbei an die Kolleginnen und Kollegen der SPD: Gerade wenn wir bei den Sozialbeiträgen entlasten, treffen wir die einkommensschwachen Schichten, die keine Steuern zahlen, und das ist die beste Sozialpolitik, die man machen kann. ({10}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist ein sozialer Haushalt. 52 Prozent des Haushalts sind Sozialausgaben. ({11}) Ich glaube, gerade mit dem Dreiklang „Baukindergeld, frei finanzierter Wohnungsbau, Aufstockung beim sozialen Wohnungsbau –, den wir mit diesem Haushalt und in den nächsten Jahren umsetzen werden, schaffen wir etwas für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Wir ermuntern junge Familien mit Kindern, Eigentum zu schaffen, und ich bin wirklich froh, dass die Wohnraumbegrenzung vom Tisch ist. Das wäre die größte Krux gewesen. Es wäre absurd gewesen, wenn wir in der Fläche eine Begrenzung auf 120 Quadratmeter gehabt hätten. Ich sage denjenigen, die sich ausgedacht haben, dass 10 Quadratmeter für ein Kind reichen, ein bisschen ironisch: Ich habe 1987, zu tiefen DDR-Zeiten, Kinderzimmer mit 18 Quadratmeter gebaut, und die wurden gefördert. Das gehört zur Wahrheit der ganzen Geschichte dazu. Wir wollen aber nicht zurückschauen, sondern nach vorne. Deswegen ist das eine gute Lösung. Herr Bundesfinanzminister Scholz, Sie haben unsere volle Unterstützung für die Grundgesetzänderung beim Thema „sozialer Wohnungsbau“. Wir wollen den Ländern diese Aufgabe nicht wegnehmen; aber wir wollen das Geld da hinbringen, wo es hingehört. Deswegen, glaube ich, sollten wir, Union, SPD, Grüne und FDP – wir müssen das ja gemeinsam stemmen –, uns den Bericht des Bundesrechnungshofs zum Thema „Zusätzlichkeit“ sehr gut durchlesen. Der Bundesrechnungshof hat ganz ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in der jetzigen Fassung weiterhin die Gefahr besteht, dass der Bund Mittel für den sozialen Wohnungsbau an die Länder transferiert, die Länder aber ihre eigenen Mittel anderweitig verwenden. Ich habe es schon oft an dieser Stelle gesagt: Ich möchte gerne, dass aus den 1,5 Milliarden Euro, die der Bund zur Verfügung stellt, in und für Deutschland insgesamt 3 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau werden. Das muss das Ziel sein. ({12}) Wir haben zwei Programme initiiert bzw. weiterhin möglich gemacht. Das sind zum einen Modellprojekte zur nachhaltigen Weiterentwicklung der Städtebauförderung, und zum anderen ist es das bei vielen Abgeordneten beliebte Programm „Sanierung kommunaler Einrichtungen“ in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur. Ich glaube, auch hier wird der Bund seiner Verantwortung gegenüber Ländern und Kommunen gerecht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Haushalt der Gesamtverantwortung. Der Bundesrechnungshof weist darauf hin, dass 75 Milliarden Euro des Bundeshaushaltes Durchlaufposten an Länder und Kommunen sind. Wenn man ganz genau hinschaut, dann stellt man fest: Wir geben Entlastungen an Länder und Kommunen in der Größenordnung von 22 Milliarden Euro pro Jahr. Wir sorgen auch mit den im Koalitionsvertrag enthaltenen prioritären Maßnahmen dafür, dass wir gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland bekommen und entlasten Länder und Kommunen noch einmal in einer Größenordnung von 8 Milliarden Euro. Gleichzeitig steigen die Steuereinnahmen bei Ländern und Kommunen. Deswegen heißt Gesamtverantwortung, gerade was Länder und Kommunen betrifft, dass das Geld, das für Wohnungsbau, für Kommunalstraßen, für ÖPNV, für Bildung – Stichwort: der Bund übernimmt das BAföG komplett – dann auch dort ankommt, wo es ankommen soll und nicht in irgendwelchen Länderhaushalten versickert. ({13}) Letzte Bemerkung. Johannes Kahrs ist schon darauf eingegangen. Ja, wir haben bei den Sicherheitsbehörden eine Kraftanstrengung vorgenommen. Von den 10 000 neuen Stellen – das BAMF eingerechnet – gehen Dreiviertel in die Bereiche Bundespolizei, Zoll, Bundeskriminalamt und BAMF. Wir entfristen allein beim BAMF 4 500 Stellen. Der Zoll wird erstmalig in einer Größenordnung von 1 400 Stellen verstärkt. Das können wir uns leisten, weil wir weiter steigende Steuereinnahmen haben. Ich teile den Pessimismus von vielen anderen nicht, dass Gewitterwolken am Horizont aufziehen. Wir haben weiterhin eine Rücklage von 24 Milliarden Euro. Ausgehend davon möchte ich mit Blick auf den Haushalt 2019, der am 6. Juli im Bundeskabinett verabschiedet werden soll, und die Zahlen, die ich bisher kenne – Stichwort: NATO- und ODA-Quote –, deutlich machen: Herr Bundesminister Scholz, wir werden unseren europäischen, unseren internationalen Verpflichtungen nur dann nachkommen können, wenn diese beiden Quoten, sowohl die ODA-Quote als auch die NATO-Quote, nicht absinken, sondern aufwachsen. ({14}) Wer mehr Europa will, wer mehr Europa bei der Verteidigung möchte, der muss auch seinen eigenen Beitrag leisten. ({15}) Deswegen, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass wir über den Haushalt für 2019 im parlamentarischen Verfahren noch einmal in Ruhe reden. Herzlichen Dank. ({16})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es grenzt ja geradezu an ein Wunder, dass der Bundestagspräsident heute die Beratung eröffnen konnte. Was haben wir denn erlebt? Chaos in der Regierung, Streit in der Koalition. ({0}) Die Schwesterparteien wollten sich quasi zerfleischen. Wenn Sie heute Morgen so tun, als wäre alles geregelt, als wären diese Koalition und diese Regierung stabil, dann machen Sie nicht nur sich selbst etwas vor, sondern auch diesem Land. Das haben die Menschen nicht verdient, meine Damen und Herren. ({1}) Herr Minister Seehofer, Sie haben Ihr Ministeramt missbraucht, um vermeintlich erfolgreichen Wahlkampf für die CSU in Bayern zu machen. Wenn man den Umfragen und auch vielen Ihrer Kolleginnen und Kollegen glauben darf, haben Sie sich damit gründlich verrechnet. Ich finde, so darf das nicht weitergehen. ({2}) In Bayern wird im Oktober gewählt, und deshalb werden viele drängende Probleme der Menschen auf die lange Bank geschoben. Verhinderungspolitik 283 Tage nach der Wahl: Das ist doch Ausdruck von großer Verantwortungslosigkeit. ({3}) Die Mehrheit der Menschen in unserem Land erwartet berechtigterweise Antworten auf folgende Fragen: Warum tun Sie nichts gegen die wachsende Spaltung in unserer Gesellschaft? Warum tun Sie nichts für eine gerechte Besteuerung in unserem Land? Warum schützen Sie weiter die Vermögen der Superreichen, und wo bleibt endlich eine wirksame Finanztransaktionsteuer, die uns schon vor zehn Jahren versprochen wurde? Auf diese Fragen brauchen wir doch Antworten. ({4}) Weiter: Warum tun Sie nichts gegen Kinder- und Altersarmut? Wo bleibt endlich die armutsfeste Rente? Und viel schlimmer noch: Warum tun Sie nichts gegen die Aufrüstung und die Kriege in der Welt? Sie liefern weiter Waffen an das kriegsführende Saudi-Arabien. Das ist doch eine Politik, die nicht dem Frieden dient, sondern Konflikte schürt. ({5}) Nun kommen wir mal zu den öffentlichen Investitionen. Herr Fricke, Sie haben hier Verschwendung vorgeworfen. Das ist völlig falsch. Wir haben viel zu wenig öffentliche Investitionen. Wir brauchen doch mehr Geld für Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und den öffentlichen Personennahverkehr. Da muss das Geld hin. ({6}) Aber, meine Damen und Herren, Sie tun nichts. Sie beantworten diese Fragen nicht, weil Sie sich nur mit einer Frage beschäftigen, nämlich mit der Frage Ihres Machterhalts. Die CSU wollte augenscheinlich die Hauptforderung der AfD „Merkel muss weg“ umsetzen. Wenn Sie – insbesondere Herr Seehofer – auf der Suche nach einer neuen Schwesterpartei sind, dann ist das Ihre Sache. Doch Sie dürfen uns dabei nicht behindern, unsere Arbeit zu machen. Das Land braucht Lösungen und nicht diesen Streit und nicht dieses Anbiedern an die AfD. ({7}) Die Linke hat viele gute Vorschläge in den Haushaltsberatungen gemacht, die alle von Union und SPD abgelehnt wurden. Wir fordern zum Beispiel mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau. Doch Sie kürzen trotz dramatischen Wohnungsmangels in den Großstädten das Geld für den Bau von preiswerten Wohnungen, und Sie wollen noch mehr Eigentumswohnungen bauen lassen und geben über das Baukindergeld auch noch Milliarden an Steuergeldern aus. Ich frage Sie: Wie viele der 2,5 Millionen Kinder, die in Deutschland in Armut leben, werden von diesem Baukindergeld etwas haben? Kein einziges. Diesen Kindern helfen Sie mit keinem Cent. ({8}) An dieser Stelle sei auch noch erwähnt, dass auch das Kindergeld bei armen Kindern auf Hartz IV angerechnet wird. Das nenne ich Politik der kalten Herzen, und so darf das nicht weitergehen. ({9}) Aber, meine Damen und Herren von der Regierung, insbesondere Frau von der Leyen, Sie haben ein großes Herz für die Bundeswehr und für Rheinmetall. ({10}) Frau von der Leyen hat, bevor die Haushaltsberatungen so richtig losgegangen sind, in Brüssel erklärt, dass sie das sogenannte 2‑Prozent-Ziel anstrebt, also die Verdoppelung der Rüstungsausgaben. Wenn man es genau nachrechnet, dann muss man sagen, dass die Bundesregierung in kürzester Zeit die Ausgaben für Aufrüstung und Krieg verdoppeln will. Das ist verantwortungslos. Das hilft niemandem in unserem Land. Das hilft nur Rheinmetall. Ich finde, es ist nicht die Aufgabe des Haushaltsausschusses und des Bundestages insgesamt, Rheinmetall weiter Geld in den Rachen zu werfen. ({11}) Was wir brauchen, ist eine verantwortliche Friedenspolitik. Verantwortlich wäre eine wirklich diplomatische Offensive gegenüber Russland. Doch Sie leben lieber weiter in den Feindbildern aus dem vergangenen Jahrtausend. Wie erklären Sie denn, dass Sie wegen Verstoßes gegen Völkerrecht Russland mit Sanktionen belegen, aber nicht die Türkei und Saudi-Arabien, die auch das Völkerrecht brechen? Sie sprechen mit einer gespaltenen Zunge. Das ist unglaubwürdig und schädlich für unser Land. Dieser Haushalt trägt die Handschrift einer handlungsunfähigen Regierung. Das haben die Menschen in unserem Land nicht verdient. ({12})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt hat das Wort der Kollege Sven-Christan Kindler, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Verfahren zum Haushalt 2018 war kein normales Verfahren. Es war erstens ein extrem kurzes Verfahren, weil das durch die Regierung und Koalition so beschlossen wurde, und zweitens war es überlagert vom politischen Dauerstreit in der Union und Chaos in dieser Regierung. Wir wussten doch ehrlich gestern, am Montag, auch am Abend, noch nicht, ob diese Regierung, diese Koalitionsmehrheit nun am Ende diesen Haushalt in dieser Woche beschließen wird. ({0}) Diese Regierung stand gestern Abend de facto schon kurz vorm Abgrund, gut 100 Tage, nachdem sie ins Amt gekommen ist. ({1}) Das lag am Dauerstreit und Chaos in der Union. Das lag auch daran, dass die CSU und Teile der CDU massiv nach rechts außen rücken wollen und damit Europa und die Demokratie in Geiselhaft nehmen. Ich finde das verantwortungslos von dieser Regierung. ({2}) Sie haben kurz vorm Abgrund die Notbremse gezogen und einen miesen Deal vereinbart. Aber dieser miese Deal, den die Union vereinbart hat, wird auf dem Rücken von Menschen geschlossen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen. Diese Menschen wollen sie in Internierungslager einsperren. Ich finde das schäbig und inhuman. ({3}) Ein Wort zur SPD: Die SPD-Spitze begrüßt ja die Einigung, hat aber noch ein paar offene Fragen. Ich frage mich, welche Fragen Sie noch haben. Hier geht es um Entrechtung von Menschen in geschlossenen Lagern. Ich frage mich ehrlich, SPD: Wie viel Selbstaufgabe ist eigentlich noch möglich? ({4}) Dieser Streit um die Abschottung hat uns in Europa massiv geschadet. Schauen Sie sich doch das Ergebnis vom europäischen Gipfel an. Es geht um zentrale Fragen: Wie geht es weiter mit Europa? Herr Scholz und die Kanzlerin haben dazu in der ersten Haushaltswoche auch gesprochen. Wie geht es weiter mit der Wirtschafts- und Währungsunion? Wie können wir Europa krisenfester, sozialer, demokratischer machen? Bis auf die Letztsicherung für die Bankenunion ist beim europäischen Gipfel de facto nichts herausgekommen. ({5}) Der ganze Gipfel wurde überlagert von der Abschottungspolitik auf europäischer Ebene. Ich finde es erbärmlich, dass die Bundesregierung bei diesen für Europa zentralen Fragen – wie geht es sozialer, demokratischer, krisenfester? – auf dem europäischen Gipfel bisher nichts geliefert hat. ({6}) Diese rechten Phantomdebatten um Abschottung, die Sie sich die letzten Wochen hier im Deutschen Bundestag und in der Presse geliefert haben, haben gleichzeitig auch von den realen Problemen in diesem Haushalt und in diesem Land abgelenkt. Millionen Kinder sind in Armut. Die Klimakrise verschärft sich massiv. Wir haben ein großes Artensterben. Wir haben giftige Luft in den Städten. Wir haben massiven Betrug beim Mindestlohn, zu wenig bezahlbare Wohnungen. Das sind die realen Probleme in diesem Land, und die müssen Sie im Haushalt doch endlich anpacken. ({7}) Aber in dieser Regierung und auch bei diesem Haushalt kämpft jeder gegen jeden. Es gibt keine gemeinsame Linie, keine gemeinsame Arbeit und keine großen Veränderungen, auch nach der Bereinigungssitzung nicht. Am Ende hat dieser Haushalt weiter große Lücken. Es gibt große Lücken beim Klima, bei Gerechtigkeit und Frieden. Das bleibt auch nach diesen Beratungen ein Haushalt ohne Zukunft. Nur ein Beispiel für die Lücken bei der Gerechtigkeit: das Baukindergeld. Sie haben jetzt eine neue teure Subvention mit massiven Mitnahmeeffekten beschlossen, die vor allen Dingen besserverdienenden Familien zugutekommen werden. Das kostet insgesamt 10 Milliarden Euro in zehn Jahren. Damit wird der alte Zombie der Eigenheimzulage wiederbelebt. ({8}) Aber am Ende hilft das den vielen Familien mit kleinem und mittlerem Einkommen in den Städten nicht, die verzweifelt eine Wohnung zur Miete suchen. Die lassen Sie im Regen stehen. ({9}) Es gibt auch eine große Lücke beim Frieden. Internationaler Klimaschutz, humanitäre Hilfe, Kampf gegen den Hunger, das bleibt alles Stückwerk im Haushalt, alles unterfinanziert. Stattdessen steigert diese Regierung die Rüstungsexporte und bläht den Rüstungsetat massiv auf. 2019, Herr Scholz, wollen Sie ja noch mal eine Schippe drauflegen, ({10}) und das, obwohl kein anderer Etat in den nächsten vier Jahren, bis 2021, so stark steigen soll wie der Bundeswehretat. Ich sage Ihnen: Das ist eine völlig falsche Prioritätensetzung. Das wird die Welt unsicherer machen. ({11}) Beim Klima haben Sie ein großes Schweigekartell gebildet. Ihre Antwort auf die große Herausforderung, wie wir die Klimakrise bekämpfen können, ist ein großes Schweigekartell der Regierung. Wir sehen, dass ganz viel Geld im Haushalt für sinnvolle Energieeffizienzprogramme, ({12}) für Klimaschutzprogramme, für den Energie- und Klimafonds, nicht abfließt, und gleichzeitig gibt die Bundesregierung jedes Jahr über 50 Milliarden Euro für klimaschädliche Subventionen aus: für schmutzige Diesel, für schwere Dienstwagen, für die Agrarindustrie, für die Flugindustrie. Für die Klimarettung haben Sie ein paar Millionen, und für die Klimazerstörung geben Sie Milliarden aus. Das muss sich dringend ändern. ({13}) Wir sehen nach gut 100 Tagen: Formal ist diese Regierung noch im Amt, de facto ist sie inhaltlich und vom Arbeitsstil her gescheitert: Blockade, Streit, keine gemeinsame Linie, und im Haushalt große Lücken ({14}) bei Klima, Gerechtigkeit, Frieden. Das ist ein Haushalt ohne Zukunft. Das muss sich dringend ändern. Vielen Dank. ({15})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nunmehr erteile ich das Wort dem Bundesminister der Finanzen, Olaf Scholz. ({0})

Not found (Minister:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Mittelpunkt der zweiten Lesung des Bundeshaushaltes 2018 stehen nun Zahlen, Vereinbarungen und Fakten, und das ist auch ganz gut so. Der Dichter Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, genannt Novalis, hat einmal gesagt: „Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren sind Schlüssel aller Kreaturen“, dann wird die Welt besser; man soll sich mehr nach Stimmungen richten. – Nach den letzten Tagen würde ich sagen: Zahlen und Fakten sind nicht so schlecht. ({0}) Der Bundeshaushalt ist ein Haushalt, der auf die Zukunft unseres Landes setzt. Deshalb wird investiert, und die Steigerung der Investitionen spielte eine große Rolle bei der Formulierung des Haushalts, bei dem, was beschlossen worden ist, bei dem, was in den Haushaltsberatungen noch zusätzlich ergänzt worden ist. Ich halte das auch für zentral. Wir müssen in unsere Infrastruktur investieren, wir müssen auch in moderne, neue Infrastrukturen investieren, etwa wenn es um den Breitbandausbau geht. Und wir müssen natürlich in die Zukunft unseres Landes investieren, wenn es um Bildung und Erziehung geht, wenn es um die Frage geht, wie wir Forschung voranbringen können. ({1}) All das bildet sich in diesem Haushalt ab. Deshalb haben wir die Mittel dafür bereitgestellt, und das wird auch eine Rendite erbringen: ein besseres Leben in unserem Land, bessere Wirtschaftsmöglichkeiten und ein weiterer Zuwachs von Arbeit und Beschäftigung. All das brauchen wir. Ich bin deshalb sehr froh, dass wir diesen Weg gehen konnten. ({2}) Ganz wichtig ist, dass wir auch die Voraussetzungen dafür schaffen, dass mehr investiert werden kann. Dazu benötigen wir Änderungen der Verfassung; die sind auf den Weg gebracht und werden in den Beratungen dieses Hauses eine große, große Rolle spielen. ({3}) Ich will ausdrücklich auch an dieser Stelle für diese Veränderungen werben. Wir müssen eine Veränderung zustande bringen, etwa um mehr für Bildung und Kitas tun zu können. Deshalb ist die vorbereitete Verfassungsänderung ein großer Schritt. Der Bund kann Gemeinden und Länder bei der Finanzierung dieser Aufgabe unterstützen, und das ist längst nötig. ({4}) Ein Gesetzesvorhaben, auf das viele jetzt warten, ist zum Beispiel das Gute-Kita-Gesetz, das auch dafür sorgt, dass die Qualität der Kitas besser wird und dass es mehr Betreuungsmöglichkeiten gibt, für die keine Gebühren gezahlt werden müssen. Dieses ist nur möglich, wenn wir diese Verfassungsänderungen auch tatsächlich zustande bringen. Das Gleiche gilt, wenn wir die entsprechenden Voraussetzungen für die notwendigen Investitionen in Schulen schaffen wollen. Das Gleiche gilt, wenn wir die Voraussetzungen für weiteren sozialen Wohnungsbau in unseren Städten schaffen wollen. Ich glaube, es ist eine gute Entscheidung, wenn der Deutsche Bundestag – später unterstützt vom Bundesrat – sagt: Es soll in den 20er-Jahren weiter möglich sein, sozialen Wohnungsbau zu betreiben. Er ist für das Zusammenleben in unseren Städten von allergrößter Bedeutung. ({5}) Natürlich ist das eine Investition, die nicht allein vom Bund gestemmt wird, sondern das ist etwas, wo die Länder ihren Beitrag dazutun müssen und wo wir sicherstellen müssen, dass die Mittel auch für diesen Zweck genutzt werden – und nicht für etwas anderes. Aber klar ist an dieser Stelle, dass es notwendig ist, dass wir etwas dafür tun. Wer sich die großen Städte unseres Landes und auch viele andere Städte einmal anschaut, der wird feststellen: Ein erheblicher Teil der Mietwohnungen, die dort zur Verfügung stehen, sind einmal als geförderte Wohnungen entstanden. Sie sind die Grundlage für bezahlbaren Wohnraum in unseren Städten. Wir müssen dafür sorgen, dass das Zusammenleben möglich bleibt, weil es bezahlbar ist. Es besteht die Gefahr, dass das nicht mehr möglich ist, und das müssen wir verhindern. ({6}) Natürlich brauchen wir, wenn wir über Klimawandel und über bessere Luft in den Städten und in den Metropolregionen unseres Landes diskutieren, mehr Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, der diese Regionen erschließt. ({7}) Darum ist es ebenfalls richtig, dass wir die Verfassung ändern, damit diese Investitionen gesteigert werden können. ({8}) Es war ein Missstand, dass über viele Jahrzehnte der Ausbau der Metrosysteme in Deutschland immer nur noch mit dem gleichen Betrag gefördert worden ist. ({9}) Da muss eine Steigerung möglich werden. Diese Steigerung eröffnen wir jetzt. ({10}) Es ist schon gesagt worden: Wir müssen etwas für die Sicherheit tun. Das betrifft die Maßnahmen der Innenpolitik, die sich mit der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt beschäftigen. Das betrifft den Zoll; denn zur Sicherheit gehört auch dessen Arbeit, insbesondere was die Bekämpfung der Schwarzarbeit betrifft. Deshalb ist es notwendig, dass wir diesen Aufwuchs an Personal möglich machen, der mit diesem Haushalt eröffnet wird. Genauso wichtig ist es aber, dass wir angesichts der Herausforderungen, die mit der Migration verbunden sind, dafür sorgen, dass die Einrichtungen in Deutschland, die sich mit der Fluchtmigration beschäftigen, ordentlich aufgestellt sind. ({11}) Man kann viel über rechtliche Fragen diskutieren – und wir tun das in diesen Tagen mit großer Leidenschaft –, aber ich will ausdrücklich sagen: Wir brauchen auch Institutionen, die mit dieser Aufgabe zurechtkommen können. Deshalb ist es richtig, dass wir dafür sorgen, dass es mehr Stellen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gibt, und deshalb ist es noch mehr richtig, dass all die befristeten Stellen, die es dort derzeit gibt, entfristet werden. ({12}) Wenn wir zügige und richtige Entscheidungen möglich machen wollen – das erwarten die Bürgerinnen und Bürger von uns, und das ist auch wichtig im Umgang mit Flüchtlingen –, dann brauchen wir auch eine Institution, die tatsächlich dazu in der Lage ist. Ich habe deshalb alles dafür getan, dass diese Mittel bereitgestellt werden und wir diese Personalentscheidungen auch treffen können. Ich sage an dieser Stelle: Alles, was erforderlich sein wird, um eine hocheffiziente Verwaltung in diesem Zusammenhang zustande zu bringen, werden wir möglich machen und finanzieren. Wir brauchen die Kompetenzen und die Fähigkeiten, damit schnelle Entscheidungen zustande kommen. ({13}) Für mich vielleicht ein Hinweis darauf, dass wir auch etwas dazu beitragen müssen, dass wir die Zahl der Befristungen in der öffentlichen Verwaltung reduzieren. ({14}) Diese Regierung hat sich vorgenommen, die sachgrundlosen Befristungen in Deutschland zu reduzieren. Wir werden deshalb ein Gesetz machen, das sich mit sachgrundlos befristeter Beschäftigung auseinandersetzt und versucht, das in den Unternehmen zu begrenzen. Aber wenn das unser Vorhaben ist, dann müssen wir als Staat das selbstverständlich auch für uns zur Grundlage machen. Deshalb wird es eine Haushaltsregel geben, die lautet: Keine Behörde und keine dieser Einrichtungen darf mehr als 2,5 Prozent sachgrundlos befristete Stellen haben – wie es das künftige Gesetz vorsieht. Ich glaube, das ist ein guter Fortschritt. ({15}) In der Einbringungsrede zu diesem Haushalt habe ich schon gesagt: Europa ist das wichtigste nationale Anliegen Deutschlands. Ich wiederhole es: Das ist die wichtigste Aufgabe, die wir zu bewältigen haben, weil wir nur in der Kooperation mit anderen in der Lage sein werden, unsere gemeinsame Zukunft zu bewältigen. ({16}) Niemals wird es für uns möglich sein, alleine auf die Herausforderungen der Außenpolitik und der Sicherheitspolitik, unserer gemeinsamen Außengrenzen, der Fluchtmigration oder der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Kontinents zu reagieren. Das können wir nicht als Einzelstaaten, das können wir nur gemeinsam mit den anderen Ländern der Europäischen Union. ({17}) Es ist deshalb richtig, dass wir Fortschritte erreicht haben in der Zusammenarbeit mit Frankreich, aber auch in Zusammenhang mit den Gesprächen bei den Gipfeln der Finanzminister und beim Europäischen Rat, und die nächsten Schritte für die Weiterentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion voranbringen. Wir werden dabei nicht stehenbleiben können; denn wir müssen, wenn wir dieses Europa stark und fest machen wollen, weiter dafür sorgen, dass es auch in sozialer Hinsicht zusammenhält. Dazu müssen wir die Voraussetzungen schaffen. ({18}) Das so zu sehen, heißt aber auch, dass man in jedem Politikbereich Europa im Blick behält, dass man nicht national alleine handelt, sondern dass wir immer als Gemeinschaft der europäischen Staaten handeln. Ich glaube, das ist unsere Verpflichtung. Der Haushalt leistet einen Beitrag dazu, unsere Politik muss es auch. Schönen Dank. ({19})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Martin Hebner, AfD. ({0})

Martin Hebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004740, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ist eine Realsatire, die die Regierung hier veranstaltet: Der Finanzminister schwelgt von beziehungsweise in einer roten Null, ohne Realitätsbezug, der Innenminister schrammt an seinem Rauswurf vorbei, wobei er nur etwas mehr geltendes Recht – nicht ganz, nicht komplett; Gott behüte! – umsetzen möchte, und die Frau Bundeskanzlerin – die sich eben gerade verabschiedet hat – möchte ihr Ansehen in der EU in diesem Fall als wichtiger darstellen als die Interessen unseres deutschen Volkes. Wobei, den Begriff „deutsches Volk“ möchte unsere Bundeskanzlerin ja auch nicht mehr, sondern allenfalls „schon länger hier Lebende“. ({0}) Der hier vorgelegte Bundeshaushalt passt nahtlos zu den weiteren Fehlleistungen dieser Koalition. Es fehlt im Bundeshaushalt völlig die Vorsorge für massive Risiken. Um nur zwei zu nennen: Während heute auf einen Rentner noch drei Berufstätige kommen, werden es in 20 Jahren aufgrund der demografischen Entwicklung, die schon lange bekannt ist, nur noch zwei sein. Die Rentenbeiträge reichen bereits heute nicht. Die Renten müssen bereits heute zusätzlich aus Steuermitteln mitbezahlt werden. Das ist seit Jahrzehnten bekannt; aber anstatt, wie von der OECD gefordert, Vorsorge zu betreiben, verschleudert unsere Regierung das Geld der Steuerzahler. Dafür werden der nächsten Generation noch zusätzlich, Herr Finanzminister, massive Lasten mit der Versorgung arbeitsuntauglicher Migranten und deren Nachzug aufgebürdet, zurzeit etwa 50 Milliarden Euro pro Jahr. Hinzu kommen noch die sozialen Kosten, ein erheblich größerer, wie eben schon mehrfach angesprochen, neuer Polizei- und Justizapparat, bis hin zu grassierenden Gesundheitsausgaben, nicht mitgerechnet die Gewalt und die Lebenseinschränkung von Frauen aufgrund der mittelalterlichen Einstellung von Merkels Gästen. ({1}) Und Frau Merkel will mit dem globalen Pakt für Migration sogar noch viel mehr Migration draufsetzen. Im Haushalt – dazu ist ganz klar zu kommen – ({2}) fehlt weiter die Vorsorge für die anteilige Abschreibung der Euro-Krise und der Kosten der Bürgschaften für Länder wie Griechenland, Zypern, Italien und Portugal. Es ist unmöglich, dass diese Gelder auch nur annähernd an Deutschland zurückgezahlt werden. Allein die Bilanz der Deutschen Bundesbank besteht mittlerweile zu über 60 Prozent aus TARGET2-Außenständen, heute fast 1 Billion Euro. Und wir verkaufen unsere Waren an die EU weiterhin auf Pump. Ja, die Deutsche Bundesbank und somit die deutschen Steuerzahler finanzieren die Exporte der Wirtschaft und der Euro-Südländer. Liebe Kollegen von der linken Seite, Sie sind doch immer so gegen Industriesubventionen. Das genau wird momentan mit diesen TARGET2-Außenständen betrieben, nichts anderes. ({3}) Das Geld Deutschlands, die Außenstände aus TARGET2, bekommen wir größtenteils nie wieder; aber die Regierung macht weiter, und die kommende Generation bekommt die Rechnung dafür, dass die Regierung sich und uns immer noch einredet, wir würden vom Euro profitieren. Diese Regierung handelt wie ein Hedgefonds. Ja, genau, liebe Linke, wie ein von Ihnen als Finanzindustrieungeheuer angesehener Hedgefonds. Nur, entgegen den Hedgefonds handelt diese Regierung ohne betriebswirtschaftliche Grundanalyse, und sie handelt in diesem Fall unter Einsatz des Geldes der deutschen Bürger. ({4}) Sie alle von der Koalition betreiben eine Wette, eine Wette auf den Erhalt des Euro mit unvorstellbarem Einsatz, den die deutschen Steuerzahler bezahlen müssen. Die ganze Wette ist eine tickende Zeitbombe. Von der Entwicklung bei der HSH Nordbank in Hamburg wissen Sie ja noch, sehr geehrter Herr Finanzminister, dass Bürgschaften irgendwann einmal zu bezahlen sind. In diesem Fall haben Sie einen Nachtragshaushalt auflegen müssen. Meine Damen und Herren, stellen Sie sich jetzt bitte einmal den Nachtragshaushalt bei Risiken für die Bundesrepublik Deutschland von aktuell 2 000 bis 2 500 Milliarden Euro Wettaußenständen einmal vor. Dazu kann ich nur sagen: Viel Vergnügen. – Und herzlichen Dank für diesen nicht ausgeglichenen Haushalt, Herr Finanzminister! ({5})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. André Berghegger, CDU/CSU. ({0})

Dr. André Berghegger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004252, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Kommen wir zurück zum Haushalt. ({0}) Ein Haushalt ist immer eine gute Teamleistung – das kann man in diesen Zeiten wohl sagen –, und manchmal auch bis zur Nachspielzeit. ({1}) Unsere Nachspielzeit ging in der letzten Woche in der Bereinigungssitzung bis, wie ich glaube, kurz vor 3 Uhr. Ich würde sagen, die Koalition hat bis zum Schluss konzentriert gearbeitet und einen guten Kompromiss vorgelegt. Dieser Kompromiss steht für Seriosität, für Kontinuität, und er schafft Vertrauen. Das können die Bürgerinnen und Bürger von uns, denke ich, erwarten. Deswegen kann ich jedem hier im Hause nur empfehlen, am Donnerstagabend unserem Haushalt zuzustimmen. ({2}) Das Volumen beläuft sich auf gut 343 Milliarden Euro und damit 14,5 Milliarden mehr als im vergangenen Jahr. Seit 2014, wie schon vorhin von Eckhardt Rehberg erwähnt, nehmen wir keine neuen Schulden auf. Wir lehnen die Aufnahme neuer Schulden auch konsequent ab, ({3}) wie schon bei der Haushaltseinbringung. – Lieber Johannes, du hattest deine Redezeit. – Wir werden uns sogar im nächsten Jahr einem weiteren Ziel nähern, dem Maastricht-Kriterium, indem der staatliche Schuldenstand unter 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes sinken wird. Auch das ist nicht nur Statistik, sondern das sichert Glaubwürdigkeit und vor allen Dingen Unabhängigkeit bei der Finanzplanung. Ein Haushalt ist in Zahlen gegossene Politik, aber wir müssen ihn natürlich lebensnah umsetzen. Das will ich an einigen Beispielen deutlich machen. Wir müssen als Erstes die Realität abbilden; das ist völlig klar. Wir weisen im Haushaltsausschuss immer wieder darauf hin, dass sich die Planzahlen und die Istzahlen weitestgehend annähern sollen. Das Geld soll abgerufen werden. Wir müssen dabei aber natürlich unbürokratisch in der Abwicklung sein. Da komme ich auf ein positives Beispiel aus dem BMVI zu sprechen. Wir alle hier im Raum kennen die Projekte bzw. Programme der Breitbandförderung. Die Umsetzung hat sich etwas verzögert, die Kosten sind gestiegen und damit auch die in den Anträgen zugrundegelegte Wirtschaftlichkeitslücke. Natürlich soll der Breitbandausbau dennoch vom BMVI gefördert werden können, ohne völlig neue Anträge stellen zu müssen. Ich glaube, das ist praktikabel. Alles andere hätten die Bürger auch nicht verstanden. So gibt es viele Beispiele, bei denen wir schauen müssen, wie wir die Planzahlen ordnungsgemäß umsetzen können. Ich finde, wir sind da auf einem guten Weg. Der Bund bewilligt weiterhin viele Gelder für Länder, Kommunen und andere Empfänger. Da haben wir natürlich gemäß dem Grundsatz der Subsidiarität Vertrauen. Aber in der letzten Legislaturperiode haben wir aus meiner Sicht nachvollziehbarerweise, richtigerweise die Prüfungsrechte des Bundesrechnungshofes erweitert. Das ist, glaube ich, ausgewogen; denn das führt dazu, dass wir Vertrauen gewähren, aber im Zweifel auch durch Kontrollmechanismen für eine zweckentsprechende Verwendung der Mittel sorgen können und diese überprüfen können. Das ist, glaube ich, ausgewogen. Am Ende dient es der effektiven Abwicklung eines Haushaltes. Natürlich haben wir den Grundsatz der Einjährigkeit im Haushalt bei den Ausgaben. Wir müssen aber schauen, dass wir bei größeren bzw. komplexeren Verfahren die Mehrjährigkeit durchsetzen, dass wir schauen, was da angemessen ist. Wir haben gute Ansätze der Überjährigkeit im BMVI bei den großen Infrastrukturprojekten, und wir haben ähnliche Mechanismen jetzt im Verteidigungsministerium entwickelt. Hier müssen wir mit den Ressorts zusammenarbeiten und für, wie ich denke, gute, praktikable Lösungen sorgen. Nun zu einzelnen Politikbereichen. Der Bereich der inneren Sicherheit ist natürlich gesellschaftlich und politisch von hoher Priorität, wie wir mit Händen greifen können. Wir werden dort personell, finanziell und sachlich aufstocken; das ist gar keine Frage. Auch an dieser Stelle nun noch einmal ganz ausdrücklich: Die Sicherheitsbehörden werden wachsen. Wir haben verschiedene Sicherheitspakete in der Großen Koalition in der letzten Legislatur und in der jetzigen auf den Weg gebracht. Nur um das noch einmal deutlich zu machen: Ungefähr 80 Prozent der neu ausgewiesenen Stellen gehen in den Bereich der inneren Sicherheit: in dieser Zeit 7 500 neue Stellen, davon gut 3 000 bei der Bundespolizei, gut 500 beim Bundeskriminalamt und 1 650 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Nicht zu vergessen und immer wieder neu in Erinnerung zu rufen sind auch die 4 500 Entfristungen dort in dieser Zeit. Ich möchte das Thema Entfristungen gerne einmal aus Sicht des Arbeitgebers bewerten. Die Arbeitswelt verändert sich; jeder weiß das. Der Kampf um die guten Köpfe, um die besten Köpfe ist voll entbrannt, und wir, der Bund als Arbeitgeber, müssen dort in vielen Bereichen besser werden. Die Umwandlung von befristeten in unbefristete Stellen führt natürlich dazu, dass wir Unsicherheit bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abbauen, dass wir Kompetenzen erhalten können und dass wir die Abwanderung in andere Bereiche vermeiden. Das können wir, glaube ich, als Arbeitgeber Bund, der ja auch eine gewisse Vorbildfunktion hat, nur unterstützen und daran weiter arbeiten. ({4}) Das haben wir in verschiedenen Bereichen gemacht. In der Bereinigungssitzung haben wir das bei der Bundesanstalt für Immobilienangelegenheiten noch nachgeholt. Auch da werden wir, glaube ich, weiter ansetzen. Da wir hier ja über die Einzelpläne 08 und 20 sprechen, noch einige Gedanken zum Thema Zoll. Bei dem Thema Zoll kann man aus meiner Sicht eines deutlich machen: Wir müssen, wenn wir Stellenaufwuchs verzeichnen und Stellenaufwuchs beschließen, immer darauf achten: Wie realistisch ist das denn? Wie schnell können wir Stellen wirklich mit Personal besetzen? ({5}) Beim Zoll bin ich der festen Überzeugung, dass wir das dort hinkriegen. Warum kriegen wir das dort hin? In Bereichen, in denen wir immer noch mehr gute Bewerber als Stellen haben, habe ich damit keine Probleme; dann glaube ich, dass wir das umsetzen können. Aber wir müssen uns fragen – vom Ende her gedacht –: „Haben wir eigentlich auch genügend Ausbildungskapazitäten? Haben wir genügend räumliche Einrichtungen? Sind wir personell, mit den Dozenten, gut ausgestattet?“, ({6}) sodass wir diesen Nachwuchs erzeugen und ausbilden können. Beim Zoll, in einem so hochqualifizierten Bereich, ist ein Quereinstieg eben nicht ganz so oft zu verzeichnen. Hier brauchen wir einen gewissen Vorlauf, je nach Ausbildungslaufbahn zwei bis drei Jahre. Darauf müssen wir immer achten. Ich glaube, da sind wir aber auf einem guten Weg. Deswegen finde ich es richtig und wichtig, dass wir uns im Rechnungsprüfungsausschuss mit zwei Konzepten näher beschäftigen, und zwar mit dem Standortkonzept für die Aus- und Fortbildung im Bereich Zoll und mit dem Konzept für die Einsatztrainingszentren im Bereich Zoll. Dies, in Gänze gedacht, sichert, glaube ich, nachhaltig die Leistungsfähigkeit und Qualität der Arbeit. Ein weiterer Teilaspekt sei noch kurz erwähnt. Aus meiner Sicht haben wir als Arbeitgeber in einem wichtigen Punkt eine Fürsorgepflicht für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und zwar bei der Suche nach Wohnraum; auch das ist im Koalitionsvertrag angesprochen bzw. angedeutet. Wir müssen immer sehen – es gibt ja viele Beamte im mittleren Dienst; daran kann man das, glaube ich, relativ gut deutlich machen –, dass wir auch bezahlbaren Wohnraum für unsere Beschäftigten in einer vertretbaren Nähe zum Standort des Einsatzes zur Verfügung stellen können. ({7}) Da müssen wir, glaube ich, unseren Koalitionsvertrag weiter umsetzen und insbesondere in den Bereichen, in denen es angespannte Immobilienmärkte gibt, also in den Ballungszentren, in denen Personalbedarf besteht – ich nenne hier die Flughäfen und die Häfen –, wirklich ein Auge darauf werfen und schauen, wie wir dort unterstützend tätig werden können. Ganz zum Schluss sei nur noch erwähnt: Es hat mich natürlich gefreut, dass wir im Haushaltsausschuss das Baukindergeld ohne Flächenbegrenzung durchgesetzt und beschlossen haben. Als Vertreter des ländlichen Raumes – aus Niedersachsen, aus dem Landkreis Osnabrück – haben mich viele Zuschriften und Ansprachen zu diesem Thema erreicht. Ich glaube, es war eine kluge Entscheidung, diese Förderung von Familien so zu beschließen, wie wir es letztendlich getan haben. ({8}) Ich komme zum Fazit. Der Haushalt ist in Zahlen gegossene Politik. Aber wir müssen hinter die Zahlen schauen. Ich glaube, die Lebensbedingungen in diesem Land können wir positiv, nachhaltig und zukunftsfest gestalten. Der Haushalt, der Ihnen vorliegt, ist eine gute Grundlage dafür. Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen und insbesondere beim Ausschusssekretariat für die konstruktive Mitarbeit. Vielen Dank fürs freundliche Zuhören. ({9})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Christian Dürr, FDP. ({0})

Christian Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004705, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Scholz, eine Ihrer ersten Amtshandlungen war ja, den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages darum zu ersuchen, 46 zusätzliche Stellen in Ihrem Haus zu schaffen, um eine eigene Abteilung einzurichten – wie Sie es im Haushaltsausschuss dann formuliert haben – für die Wahrnehmung der Funktion des Vizekanzlers und um nach langer Regierungsbildung ein reibungsloses Arbeiten dieser Bundesregierung von Anfang an zu gewährleisten. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir können an dieser Stelle gerne ein Fazit ziehen: Viele haben sich in den letzten Tagen gefragt, wo während dieser Regierungskrise eigentlich die SPD war. Ich habe mich gefragt, wo während dieser Regierungskrise eigentlich der Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland war, meine sehr verehrten Damen und Herren. Diese Frage müsste beantwortet werden. ({1}) Herr Minister Scholz, der Kollege Rehberg hat vorhin davon gesprochen, dies sei ein Haushalt der Kontinuität. Das ist leider wahr. Sie setzen das fort, was die Große Koalition in der letzten Wahlperiode angefangen hat, nämlich sich um eines nicht zu kümmern, und das ist die Zukunft unseres Landes. ({2}) Innerhalb von fünf Jahren – also auch während dieser Legislaturperiode –, Herr Kollege Kahrs, ({3}) wird der Zuschuss des Bundes an die gesetzliche Rentenversicherung um weitere 15 Milliarden Euro steigen. ({4}) Während Ihrer Regierungszeit werden wir erleben, dass der Zuschuss an die gesetzliche Rentenversicherung über 100 Milliarden Euro betragen wird. ({5}) – Es ist super, dass Sie da klatschen. Ich will Ihnen an dieser Stelle eine Zahl entgegenhalten: Die gesamten Bildungsausgaben des Bundes betragen nicht einmal diesen Betrag. ({6}) Nichts tun Sie für die Zukunft des Landes! Das ist Ihr Fehler. Nichts tun Sie dafür, Frau Kollegin Nahles! ({7}) Herr Scholz, nachdem Sie zusätzliche Stellen geschaffen haben, würde ich mich freuen, wenn Sie einfach mal auf Ihr eigenes Haus hören würden. Ihr eigener Chefvolkswirt mahnt Sie, dass sich dieser Bundeshaushalt in einer kompletten Schieflage befindet. Sozialausgaben statt Zukunftsinvestitionen! Das Märchen, die Investitionen würden steigen, ist nach wie vor ein Märchen. Nichts tun Sie für die Zukunft unseres Landes! ({8}) Ich will an dieser Stelle auch mit einem anderen Märchen aufräumen, nämlich mit dem vielzitierten Baukindergeld. Das ist ja die zentrale Wohltat dieser Großen Koalition. ({9}) Nachdem die Einnahmen durch weitere steigende Steuer­einnahmen und die gute konjunkturelle Entwicklung in Deutschland gestiegen sind und weiter steigen und Sie den Menschen immer mehr von dem nehmen, was sie erwirtschaftet haben, wollen Sie sich dafür feiern lassen, dass Sie ihnen das Geld durch eine Subvention wie das Baukindergeld wieder zurückgeben. Nein, es wäre richtig, den Menschen das Geld von Anfang an zu lassen. Deswegen ist der Vorschlag meiner Fraktion, einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer einzurichten, der viel bessere. Darüber sollten Sie nachdenken. ({10}) Herr Minister, wenn man ein Fazit zu diesem Haushalt zieht, dann stellt man fest – ich habe lange gesucht –, dass es wirklich nur einen einzigen Vorschlag gibt, um die Struktur des Bundeshaushaltes für die Zukunft zu verändern. Sie schaffen es in diesem und im kommenden Jahr tatsächlich, die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein endlich abzuwickeln, ({11}) nachdem der Europäische Gerichtshof bereits vor 42 Jahren festgestellt hat, dass das Einfuhrmonopol rechtswidrig ist. ({12}) Das ist der einzige strukturelle Vorschlag dieser Großen Koalition für den Bundeshaushalt 2018. ({13}) Herr Kollege Kahrs, Frau Kollegin Nahles, ich will einmal ein Fazit zu den Haushaltsberatungen ziehen. Ich bedanke mich auch bei allen Beteiligten. Es waren ja meine ersten Haushaltsberatungen im Deutschen Bundestag. Das war ein in jeder Hinsicht interessantes Ereignis. Wenn man ein Fazit zieht, dann stellt man fest, dass die Große Koalition insgesamt 2,6 Milliarden Euro mehr ausgeben will. Wir haben festgestellt, dass die Kollegen der Grünen Vorschläge für Mehrausgaben von 17,2 Milliarden Euro gemacht haben, und die Linkspartei bringt es auf ehrliche 43,4 Milliarden Euro. ({14}) Es gibt eine einzige Fraktion im Deutschen Bundestag, die strukturell vorschlägt, wie man diesen Bundeshaushalt und die Menschen in Deutschland entlasten kann, ({15}) und das ist mit 353 Änderungsanträgen zum Bundeshaushalt 2018 und einem Entlastungsvolumen von 12,3 Milliarden Euro die Fraktion der Freien Demokraten. Wir sind die Einzigen in diesem Haus, die das tun. ({16}) – Es ist interessant, dass die Kollegen der AfD dazwischenrufen. Ich gebe Ihnen an einer Stelle recht: Ja, wir haben ein Entlastungsvolumen von 12,3 Milliarden Euro, ({17}) Sie tatsächlich von 3,3 Milliarden Euro. Wissen Sie, wie das finanziert wird? Das wird unter anderem dadurch finanziert, dass die Bundesrepublik Deutschland aus sämtlichen internationalen Organisationen aussteigen soll, ({18}) und die AfD schlägt vor, den Bundesnachrichtendienst in Deutschland abzuschaffen. ({19}) Um das in aller Klarheit zu sagen: Wer bereit ist, für die eigene Propaganda die Sicherheit Deutschlands und der Menschen in Deutschland aufs Spiel zu setzen, der hat in solchen Haushaltsberatungen wahrlich nichts zu suchen. ({20}) Ich komme zum Schluss. – Ja, das ist leider ein Haushalt der Kontinuität, und er wird mit einer weiteren Hypothek belastet. Ich sage das direkt in Richtung der Kolleginnen und Kollegen der Union: Durch Ihren Streit haben Sie die Handlungsfähigkeit dieser Bundesregierung während der Verhandlungen auf europäischer Ebene – insbesondere über die Zukunft der Währungsunion und die gemeinsame Finanzpolitik in Europa – aufs Spiel gesetzt. Das ist ein Grund, warum wir in Zukunft mit weiteren Hypotheken auf europäischer Ebene rechnen müssen. Ein Schritt Richtung Transferunion ist Europa in den letzten Tagen auch deshalb gegangen, weil diese Bundesregierung aufgrund Ihres Verhaltens nicht handlungsfähig war. Vielen Dank. ({21})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Fabio De Masi, Fraktion Die Linke. ({0})

Fabio De Masi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004817, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Dieser Haushalt sichert weder den Zusammenhalt in Deutschland noch in Europa. Deutschland ist die viertgrößte Volkswirtschaft in der Welt. Bei den Investitionen sind wir aber Mittelmaß. ({0}) Der Finanzminister hat ja Zahlen und Fakten angemahnt. Gerne: Die Investitionsquote, also die Investitionen gemessen an der Wirtschaftskraft, ist in Deutschland unterdurchschnittlich. Wir haben eine Investitionslücke von 100 Milliarden Euro. Deutschland sollte doch den Anspruch haben, bei den Investitionen in Europa spitze zu sein und nicht Schlusslicht. ({1}) Die Zeichen stehen auf Abschwung, und die USA drohen mit Strafzöllen auf deutsche Autos. Die Wirtschaft muss daher unabhängiger von den USA werden. Deswegen sollte man jetzt damit anfangen, in die Binnenwirtschaft zu investieren, weil Investitionen Zeit brauchen, um die Wirtschaft im Abschwung zu stützen. Würden Sie den Investitionsstau in Deutschland bei Krankenhäusern, bei Brücken, bei digitaler Infrastruktur mit demselben Elan auflösen, wie Sie sich im Schatten der Fußballweltmeisterschaft die Parteifinanzen erhöht haben oder sich in Meseberg mit Macron beim Thema Aufrüstung geeinigt haben, dann, verehrte Damen und Herren, lebten wir in einem schöneren Land. ({2}) An die Kolleginnen und Kollegen der FDP, Sie sorgen sich, dass wir keinen Sommerschlussverkauf bei den öffentlichen Unternehmen machen. Meine Fraktion und ich sorgen sich um den Sommerschlussverkauf in der Politik. ({3}) Deswegen sagen wir: Parteispenden von Unternehmen verbieten. Dann können wir hier auch über eine Reform der Parteifinanzen reden. ({4}) Auch der Euro-Haushalt ist ein Witz. Die Finanzierung ist völlig unklar. Wir befürchten eine Umbuchung ohnehin geplanter Investitionen aus dem EU-Haushalt. Dieser Haushalt ist auch noch an weitere nachfragehemmende Strukturreformen geknüpft, also Lohn- und Rentenkürzungen. Statt sich den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen, führen Sie einen bayerischen Intrigantenstadel auf. Man möchte der Kanzlerin und Herrn Seehofer zurufen: Gehen Sie mit Gott, aber gehen Sie, Mann! ({5}) Sie vereinbaren einen Deal zulasten Dritter. Nichts ist in der EU abgestimmt. Es gibt kein Abkommen mit Italien. Was wird eigentlich passieren, wenn Sie bereits registrierte Flüchtlinge zurückschicken? Italien wird sie gar nicht mehr registrieren, oder diese Menschen werden womöglich jahrelang in Lager gesteckt. Wie kaputt muss man eigentlich sein, in der Flüchtlingspolitik mit islamistischen Warlords in Libyen zu kooperieren? ({6}) Selbst der Regierungschef Albaniens, eines Landes, fest im Griff der organisierten Kriminalität, sagte zu Ihrem ursprünglichen Vorschlag von Lagern, er wolle Flüchtlinge nicht abladen wie Giftmüll und lasse sich auch nicht durch eine EU-Mitgliedschaft schmieren. ({7}) – Sie haben dazu gar nichts beizutragen; das ist mir bekannt. – Wenn Sie das Flüchtlingsdrama lösen wollen, dann stoppen Sie Waffenexporte in Spannungsgebiete. Leisten Sie mehr Hilfe vor Ort. Investieren Sie hier in Deutschland endlich in gute Integration, meine Damen und Herren. ({8}) Die Linke hat einen Vorschlag, wie das zu finanzieren ist. Die Quandts und Klattens kassierten über 1 Milliarde Euro Dividende aus Aktien der Abgastrickser von den Bayerischen Motoren Werken, kurz BMW. ({9}) Führen Sie die Vermögensteuer wieder ein. Das wäre ein echter Flucht-Soli der Quandts und Klattens. ({10}) Sie könnten ja auch etwas gegen die Steuerflüchtlinge tun, verehrte Damen und Herren. ({11}) Eine Partei mit dem C im Namen sollte ja den Bibelspruch kennen: Eher wird ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen, als dass ein Reicher ins Paradies kommt. – Wir können es aber auch so versuchen. Oskar Maria Graf sagte einmal über Bayern: „Machen wir halt eine Revolution, damit a Rua is.“ Ich habe ja gar nichts gegen einen Aufstand gegen Frau Merkel. Aber wie wäre es mit einem Aufstand für die Interessen von Millionen statt von Millionären? ({12}) Wo bleibt der Aufstand der SPD gegen Frau Merkel bei Leiharbeit, bei sachgrundlosen Befristungen, bei Mietwucher, bei der Altersarmut oder beim Pflegenotstand? Eines ist sicher: Deutschland hat es verdient, besser regiert zu werden. ({13})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächste Rednerin ist die Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist heute Morgen schon eine eigenartige Situation, hing doch die Zukunft der Regierung gestern Abend am seidenen Faden. Da hatte man schon sehr den Eindruck, dass Sie sich um Ihre Regierungszukunft Sorgen machen und zunehmend vergessen, dass Sie der Zukunft dieses Landes verpflichtet sind. ({0}) Wenn wir den Haushalt 2018 und die Haushaltspolitik betrachten, können wir an diesem Faktenbuch in der Tat ablesen, Herr Finanzminister, ob Sie initiativ und kraftvoll diese Zukunft eigentlich angehen. Sie haben heute eine ganze Menge Zeit darauf verwandt, klarzumachen, dass dies ein Haushalt der Investitionen sei. ({1}) Da scheinen Sie ein wirklich bescheidener Mensch und vielleicht auch ein zögerlicher Charakter zu sein, aber so lassen wir Ihnen das nicht durchgehen. ({2}) Sie sind mit einem Investitionshaushalt von unter 10 Prozent gestartet. Wir haben eine richtig brummende Konjunktur, einen extrem positiven Haushalt, Überschüsse – auch in Erwartung der Entwicklung in den nächsten Jahren –, und Sie schleppen sich mit dem Versprechen von zusätzlichen 2,4 Milliarden Euro für die digitale Infrastruktur – was von der Sache her nicht falsch ist – gerade einmal so über die 10‑Prozent-Marke eines Investitionshaushaltes. Diese Marke sollte uns nicht ausreichen; das ist lediglich eine Beruhigungspille. Sie sind, wie gesagt, allerhöchstens dabei, Voraussetzungen für neue Investitionen zu schaffen, aber die Kraft, mit diesem Haushalt tatsächlich gehaltvoll in die Zukunft zu investieren, bringen Sie nicht auf. ({3}) Sie machen jedoch etwas anderes und sind dabei leider überhaupt nicht zögerlich, und wenn man da von Verantwortung spricht, würde ich sogar so weit gehen, dass Sie sich da ziemlich versündigen: Mit Mütterrente und Baukindergeld werden Sie am Ende Ihrer Regierungsverantwortung 2021 strukturell Löcher in den Haushalt gerissen haben, aufsummiert auf über 20 Milliarden Euro. ({4}) Würden wir heute solche Summen wirklich in die Zukunft investieren, käme der Haushalt in die richtige Lage. Aber dass Sie als sozialdemokratischer Finanzminister eine auch unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten falsche Rentenpolitik mittragen – nämlich die Mütterrente nicht auch aus Steuermitteln, sondern allein zulasten der Sozialversicherung zu finanzieren – und ein Baukindergeld im Haushalt durchgehen lassen, bei dem Sie jetzt, am Ende der Beratungen, eingestehen müssen, dass sich das auf einen zweistelligen Milliardenbetrag aufsummieren wird, zeigt, dass Sie eben nicht kraftvoll für die Zukunft einstehen. ({5}) Man muss das wirklich einmal beim Namen nennen. Ein ehemaliger Bürgermeister weiß, dass man die Zukunft der Wohnungspolitik anders gestalten kann – das weiß Herr Kahrs auch – und einen Schwerpunkt dabei auf den sozialen Wohnungsbau setzen sollte. Sie aber setzen einen Schwerpunkt auf ein Instrument, von dem alle Fachleute sagen, dass es unsinnig ist, die Preisspirale anheizen und den Familien, die ein Eigenheim finanzieren wollen, am Ende nicht helfen wird. Wir hätten ja gar nichts gegen eine wirksame Unterstützung für Familien, aber dafür könnten Sie etwas anderes tun. Ändern Sie doch zum Beispiel die Finanzierung der Maklergebühren! Da trauen Sie sich nicht heran. ({6}) Sie verheizen Steuergeld und machen deswegen keine zukunftsorientierte Politik. Der wichtigste Maßstab für unsere Haushaltspolitik – und das ist in der Tat meine größte Kritik – sollte die europäische Zukunft sein. Sie haben in der ersten Lesung den Eindruck erweckt, dass das etwas sei, was Sie in den Mittelpunkt stellen wollen. Wenn man dann sieht, welche Ergebnisse beim Europäischen Rat erzielt worden sind, stellt man fest – das haben Sie vielleicht nicht allein zu verantworten, Sie arbeiten ja daran –: Die Kraft dieser Bundesregierung ist nicht investiert worden, um die durchaus vorhandene Spaltung der Europäischen Union in Länder, die keinen Investivhaushalt wollen, und Länder, die einen Investivhaushalt wollen, zu beseitigen. Da fehlte die Konzentration der Bundesregierung, das wirksam voranzutreiben. Deswegen – das haben Sie jetzt auch eingestehen müssen – haben wir bis auf einen Minischritt zur Vollendung der Bankenunion im Juni 2018 keine zukunftsweisenden Ergebnisse im Europäischen Rat, sondern eine Vertagung auf Dezember. Dazu muss ich Ihnen sagen, Herr Scholz: Das zeigt auf, dass die europäische Zukunft bei dieser Bundesregierung nicht in guten Händen ist, weil Sie Ihre ganze Kraft – das gilt natürlich insbesondere für Kanzlerin Merkel – auf den regierungsinternen Streit verwenden und zu wenig Elan für die europäische Zukunft schaffen. ({7}) Das ist bedauerlich. Das bedauern wir sehr. Deswegen sind wir am Ende dieser Beratungen alles andere als zufrieden. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Cansel Kiziltepe, SPD. ({0})

Cansel Kiziltepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004328, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zeiten der Privatisierung und der Verscherbelung von öffentlichem Tafelsilber sind vorbei. Die Ideologie „Privat vor Staat“ ist gescheitert. Das sollte endlich auch die FDP realisieren. ({0}) Es ist Zeit für einen starken Staat, und der Bundeshaushalt bildet genau dies ab. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt lebt nicht nur von Ausgaben, sondern ein guter Haushalt ist auch auf Steuereinnahmen angewiesen. Diese fallen nicht vom Himmel, wie wir alle wissen, sondern sie werden von den arbeitenden Menschen in diesem Land erwirtschaftet. Gleichzeitig sind sie aber auch das Resultat einer guten Steuerpolitik, und diese werden wir in den kommenden Jahren noch besser machen. ({2}) In turbulenten Zeiten, wie wir sie gerade erleben, gibt es eben keine Garantie dafür, dass die guten Steuereinnahmen so bleiben, wie sie aktuell geschätzt werden. Daher ist es für uns als SPD-Bundestagsfraktion auch wichtig, zu betonen: Ja, Investitionen haben Vorrang vor schwer kalkulierbaren Steuersenkungen. Deshalb wollen wir heute mit gutem Maß für zukünftige Herausforderungen gewappnet sein. Das ist unser Anspruch. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundeshaushalt 2018, den wir in dieser Woche beschließen werden, bildet genau dies ab. Natürlich werden wir Menschen mit geringem Einkommen entlasten. Wir haben in der letzten Sitzungswoche das Familienentlastungsgesetz beschlossen. Damit werden wir das Kindergeld erhöhen. Wir werden den Kinderfreibetrag anpassen. ({3}) Und wir werden den Grundfreibetrag erhöhen. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen auch den Wohnungsbau fördern. Das ist in zahlreichen Großstädten besonders notwendig und dringend geboten. Deshalb wollen wir den sozialen Wohnungsbau fördern, nämlich mit 1,5 Milliarden Euro. Wir wollen mehr, und heute haben wir von Herrn Rehberg auch eine Zusage für eine Verdoppelung bekommen. ({5}) – Sie haben von 3 Milliarden Euro gesprochen, Herr Rehberg. Aber das reicht uns nicht. Deshalb haben wir als SPD im Koalitionsvertrag durchgesetzt, dass sich die Politik der BImA, der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, künftig stärker an der sozialen Wohnraumförderung beteiligen soll. ({6}) Das ist gut, und das geschieht auch mit diesem Haushalt. Wir werden in Zukunft eine Wende in der Liegenschaftspolitik des Bundes haben. ({7}) Künftig sollen demnach Grundstücke im Wege des Direktverkaufs ohne Bieterverfahren unterhalb des Verkehrswertes – das ist ein Novum – Kommunen angeboten werden. ({8}) Das ist eine echte Wende für Deutschland und für eine gute Wohnungsbaupolitik. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das reicht uns nicht. Gleichzeitig stehen wir auch vor einer anderen Herausforderung. Die FDP möchte Freibeträge für die Grunderwerbsteuer. Wir möchten erst den Missbrauch bei der Grunderwerbsteuer in Form von Share Deals beenden. ({9}) Den Ländern entgehen hier jährlich Steuereinnahmen von zig Millionen Euro. Wir brauchen hier klare und verfassungskonforme Lösungen. Wir arbeiten daran, um endlich gegen Spekulationen mit Wohnraum vorgehen zu können. ({10}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, gute Steuerpolitik ist auch immer eine Frage der Solidarität und Gerechtigkeit. Deswegen wollen wir in der Koalition die Abgeltungsteuer abschaffen und uns für die Einführung einer Finanztransaktionsteuer einsetzen. ({11}) Hier wollen wir noch einmal betonen, dass uns wichtig ist, dass die Besteuerung von Derivaten im Rahmen einer Finanztransaktionsteuer beibehalten wird. ({12})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dürr? ({0}) – Herr Kollege Kahrs, die Frage richtet sich an die Rednerin. ({1})

Cansel Kiziltepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004328, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Er durfte schon sagen, was er auf dem Herzen hatte.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Gestatten Sie eine Frage, ja oder nein?

Cansel Kiziltepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004328, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Ja bitte, Herr Kollege Dürr. ({0})

Christian Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004705, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin, da Sie das Thema Share Deals angesprochen haben und in Deutschland die SPD mit gewissen Unterbrechungen seit 2005 dieses Land mitregiert und Sie zu Recht anmahnen, dass man da endlich ranmuss, um an anderer Stelle vielleicht Familien bei der Grunderwerbsteuer zu entlasten, frage ich mich: Wann kommt der Zeitpunkt, dass diese Regierungsfraktionen endlich einen verfassungskonformen Vorschlag genau dafür vorlegen? Das brennt uns allen auf den Nägeln. Sie mahnen es an. Ich frage mich: Wann handeln Sie? ({0})

Cansel Kiziltepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004328, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Dürr, es freut mich, dass auch Sie den Missbrauch bei Share Deals abstellen wollen. ({0}) – Natürlich wollen wir das. Deshalb haben wir das in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt. ({1}) Wie Sie wissen, haben die Länder hier ein Wort mitzureden. Es gab eine Arbeitsgruppe; diese hat ein Jahr getagt. Ergebnisse liegen vor. Nun ist das BMF dabei, hier einen Vorschlag zu machen. ({2}) Haben Sie keine Angst; wir werden diesen Missbrauch beseitigen. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt zurzeit viele Politiker, die nach nationalen Lösungen rufen bzw. schreien. Jedoch brauchen wir insbesondere im Bereich der Finanzpolitik mehr gemeinsame europäische Lösungen statt nationaler Alleingänge. Auch wenn die Bundesregierung nur 100 Tage im Amt ist, gibt es hier wichtige Erfolge zu nennen, die Olaf Scholz erreicht hat. Zum Beispiel das Bankenpaket, das auf den Weg gebracht wurde, dient dazu, die Vollendung der Bankenunion zu ebnen, damit in künftigen Krisenfällen in Europa auch die Verursacher in Haftung genommen werden. Das ist ein Durchbruch. ({4}) In Meseberg haben wir erreicht – das ist ein weiterer Punkt –, dass der ESM, der Europäische Stabilitätsmechanismus, zum Europäischen Währungsfonds weiterentwickelt wird. Das ist ein guter Schritt, um unabhängig auf europäischer Ebene Lösungsansätze anbieten zu können. ({5}) Es gibt noch viele weitere gute Punkte. Es gibt Maßnahmen zur Stabilisierung des Europäischen Wirtschaftsraumes wie zum Beispiel die Arbeitslosenrückversicherung. Auch da sind wir dabei, eine gute Lösung auszuverhandeln. Wir wollen digitale Geschäftsmodelle besteuern. Wir wollen eine Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung im Rahmen einer gemeinsamen Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage. Das alles haben wir erreicht. Das ist unsere Politik, die uns gut wappnet für die Zukunft. Das ist der Erfolg der SPD-Bundestagsfraktion. Vielen Dank. ({6})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Alois Rainer, CDU/CSU. ({0})

Alois Rainer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004384, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Haushalt ist ein guter Haushalt. Ich will ihn in nur wenigen Punkten skizzieren. Heute schon oft zitiert: Die schwarze Null steht. Wir haben uns mittlerweile fast schon ein wenig daran gewöhnt. Aber ich werde nicht müde werden, diese Selbstverständlichkeit nicht als Selbstverständlichkeit stehen zu lassen. ({0}) Ein Haushalt ohne neue Schulden ist der beste Beitrag zur Generationengerechtigkeit. ({1}) Daran müssen und werden wir in dieser Koalition weiterarbeiten. ({2}) Ein weiterer Punkt – heute schon oft angesprochen – sind Zukunftsinvestitionen. Wir werden heute noch über den Einzelplan des Familienministeriums sprechen. Hier sprechen wir über Zukunftsinvestitionen. Aber für mich ist eine Investition in die Zukunft das Bau-Kindergeld. ({3}) Ich habe das absichtlich so getrennt gesprochen; denn es geht in erster Linie um die Kinder. ({4}) Man kann hier natürlich viel hineininterpretieren. Alles okay; das akzeptiere ich auch. Ich bin froh, dass es jetzt so kommt, wie im Koalitionsvertrag abgesprochen, ohne Wohnflächenbegrenzung; denn dies wäre meines Erachtens ein großer Vertrauensbruch gegenüber denjenigen gewesen, die auf die Aussagen des Gipfelgespräches im Mai auf der Zugspitze vertraut haben, dass das Baukindergeld genau so wie vereinbart kommt. Wir haben es kurz vor Torschluss, kann man sagen, auf die Reihe gebracht, dass dieses Baukindergeld kommt. ({5}) Ja, es wird einiges kosten – dessen sind wir uns bewusst –; aber wir werden daran festhalten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Haushalt ist wie in den vergangenen Jahren ein Haushalt, zu dem festgehalten werden kann: Wir unterstützen die Kommunen wie noch keine andere Bundesregierung vorher. Daran wollen wir auch festhalten, wobei wir nicht vergessen dürfen, dass wir in einem föderalistisch aufgebauten Staat sind, in dem die Zuständigkeiten geregelt sind. Wer ist zuständig für die Kitas? Wer ist am Ende der Tage zuständig für die Schulen? Das sind die Länder. Sie sind zuständig für eine auskömmliche Finanzierung ihrer Kommunen. Wir helfen dabei gern – im Rahmen unserer Möglichkeiten. In der Bereinigungssitzung letzte Woche in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag haben wir die Investitionen um 2,8 Milliarden Euro erhöht. Das ist gut so; darüber freuen wir uns. Klar muss uns aber auch sein, dass wir alle miteinander daran arbeiten müssen, die Hürden zu verkleinern, um das Geld, das am Ende der Tage im Schaufenster steht, auch dementsprechend ausgeben zu können. Ich meine damit viele bürokratische Hürden. Es wurden vorhin Brückenbauten angesprochen. Warum können wir manche Brücken nicht bauen? Weil manches seltene Tier irgendwo einen Brückenbau verhindert, und daran müssen wir auch arbeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({6}) – An beiden, Herr Kollege. ({7}) Gut am Haushalt ist schließlich auch Folgendes: Wir stärken die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, den Zoll und das BAMF ganz massiv mit neuen Stellen. Ich halte das gerade in der aktuellen Situation für notwendig und geboten. Ich bin froh, dass wir aktuell über die notwendigen Haushaltsspielräume verfügen. Man könnte sich durchaus auch schwierigere Zeiten vorstellen, in denen solche Mehrausgaben nicht möglich wären. Wir werden auch nicht müde, daran zu erinnern, dass wir bei der Verteidigung und auch bei der ODA-Quote nachbessern müssen. ({8}) – Ja, dazu komme ich gleich noch, lieber Herr Kollege Kahrs. Die schwarze Null steht seit 2014, und sie soll auch weiterhin stehen. Ich habe das große Glück, seit 2013 diesem Deutschen Bundestag anzugehören, und für mich ist es eine große Ehre, dass diese unionsgeführte Bundesregierung die schwarze Null hält. ({9}) Aber, meine Damen und Herren, bei den guten Einnahmen, der guten wirtschaftlichen Situation dürfen wir eines nicht vergessen: Es darf kein Schlendrian in unser Tun einziehen. Wir müssen aufpassen, dass die Wirtschaft nicht vernachlässigt oder mit besonderen oder zusätzlichen Belastungen konfrontiert wird. Wir müssen aufpassen, lieber Herr Kollege De Masi, dass wir in diesem Haus ein großes Automobilunternehmen aus Bayern nicht als Abgastrickser hinstellen; denn das stimmt nicht. Das sage ich jetzt als Bayer. ({10}) Und wir müssen aufpassen, dass wir weiterhin an unsere Zukunft denken, dass wir unseren Kindern und denjenigen, die in unserem Land leben, keine weiteren und höheren Schuldenberge überlassen, sondern wir müssen ihnen Chancen eröffnen. In diesem Sinne freue ich mich jetzt auf die drei Tage Haushaltsberatung im Hohen Hause. Vielen herzlichen Dank. ({11})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Letzter Redner zu diesem Einzelplan ist der Kollege Sepp Müller, CDU/CSU. ({0})

Sepp Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland steht so gut da wie noch nie – dank der Großen Koalition. ({0}) Die Generation meiner Großeltern hat unser Land nach dem Krieg aufgebaut, die Generation meiner Eltern hat unser Land nach der Wende aufgehübscht, und meine Generation darf in einem Land leben, wo Millionen in Wohlstand leben, und dafür sage ich: Herzlichen Dank, dass Sie diese Leistung in Deutschland zustande gebracht haben! Herzlichen Dank, Große Koalition! Wir stehen gut da. ({1}) Die Lebenserwartung steigt. Die Einkommen steigen. Die Steuereinnahmen sprudeln. Die Arbeitslosigkeit sinkt. ({2}) Dieser Haushalt, der vorgelegt wurde, ist solide, sozial gerecht und zukunftsorientiert. ({3}) Die schwarze Null steht nicht mehr zur Diskussion, sondern ist sogar eine Selbstverständlichkeit für den gut agierenden Bundesfinanzminister Olaf Scholz. ({4}) Von den Gesamtausgaben in Höhe von 343 Milliarden Euro entfallen 40 Milliarden Euro auf Investitionen. Das sind Investitionen in die Zukunft, das sind Investitionen in die Generation der Jugend, das sind Investitionen in unser Land, und das ist gut so. Wir gehen die Familienentlastung an. Das Baukindergeld wird kommen. Den Dreiseitenhof in der Oberpfalz für 75 000 Euro kann sich jetzt die Familie, die drei Kinder hat, leisten, weil sie 36 000 Euro vom Staat dazubekommt. Das ist Unterstützung von Familien. Das ist Unterstützung des ländlichen Raums. Das ist Große Koalition pur. Wir sind gut für dieses Land. ({5}) Das Kindergeld steigt um 300 Euro im Jahr. Wir werden die Familien steuerlich entlasten. Und darum sagen wir: Unser Ziel ist, Kinder vor Armut zu schützen. Das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben. Das ist gut für unser Land. ({6}) Wir gehen die Zukunftsthemen an. Die Mieten müssen bezahlbar sein. Wir werden mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau stecken. ({7}) Hier geht es um Gerechtigkeit. Hier geht es um die Krankenschwester in der Hansestadt Hamburg, ({8}) hier geht es um den Polizisten in München, und hier geht es um den Taxifahrer in Berlin. Wir werden unserer Verantwortung gerecht, weil: Wir sind gut für unser Land. ({9}) Wir gehen das Zukunftsthema Digitalisierung an. Für uns gilt „Digital first. Bedenken second“. Ich freue mich, dass auch der Bundesfinanzminister dem Digitalkabinett angehört. 400 Millionen Euro extra werden in die Zukunft unseres Landes gesteckt für schnelles Internet, und am Schluss werden wir nicht nur in Ingolstadt, sondern am Ende der Koalition hoffentlich in ganz Deutschland auch die Flugtaxis sehen. ({10}) Wir gehen das Zukunftsthema Umwelt an. Umwelt ist nicht alles, aber ohne Umwelt ist alles nichts. ({11}) Deswegen werden wir mehr Geld in den öffentlichen Personennahverkehr stecken. Deswegen werden wir mehr Investitionen in Straße, Schiene und Wasserstraße tätigen. ({12}) Zusätzlich bringen wir 80 Stellen in die Wasserstraßenverwaltung, damit wir auch mehr Power in den Ausbau des Wasserstraßennetzes bekommen. Wir werden das Planungsbeschleunigungsgesetz auf den Weg bringen – fünf Pilotprojekte –, damit wir schnell planen können, damit wir die PS auf die Straße bringen, die wir in diesen Zukunftshaushalt reinverhandelt haben. ({13}) Dieser Zukunftshaushalt braucht auch Menschen, die mitmachen. Dafür gibt es unter anderem 1 400 neue Stellen im Bereich Zoll. Wir werden für die innere Sicherheit mehr bei der Polizei tun. Wir werden mehr Soldaten einstellen. Da ist es auch richtig, dass wir aus einer Erfolgsstory in Bayern lernen. Die Erfolgsstory in Bayern heißt: Dezentralisierung. Behördenaufwuchs muss in den ländlichen Raum gebracht werden, und das ist gut so.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Müller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fricke?

Sepp Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Selbstverständlich.

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Müller, es ist etwas Überraschung hier, auch in Ihren eigenen Reihen, ({0}) und etwas Verwirrung ob der Zahlen, die Sie nannten. ({1}) Könnten Sie uns vielleicht, Herr Kollege Müller, in der großen Überzeugung, in der Sie das sagen, auch sagen, wie viele Minuten Sie an den Beratungen im Haushaltsausschuss teilgenommen haben? ({2})

Sepp Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege von den Liberalen. – Mich wundert es, dass bei Ihnen anscheinend nur Fachpolitiker sind. Bei uns sind wir alle Generalisten, weil wir uns alle um den Bundeshaushalt in Deutschland kümmern. Das ist die Zukunft. Das ist Große Koalition. Wir gestalten Zukunft. Anscheinend gibt es bei Ihnen nur Fachpolitiker. ({0}) Wir sind beim Thema Dezentralisierung. Wir werden auch zukünftig die Erfolgsstory aus Bayern fortsetzen. Wir werden die neuen Behörden in den ländlichen Raum bringen. Die neuen Behörden, unter anderem die FIU-Behörde, sollten den ländlichen Raum stützen und stärken. Wir sollten die Chance ergreifen, die uns dieser Haushalt gibt. Deswegen fordere ich meine junge Generation auf: Bewerben Sie sich! Denn Deutschland braucht Sie – nicht nur beim Zoll, nicht nur bei der Polizei. Lassen Sie uns Deutschland noch ein Stückchen besser machen. Unsere Großeltern werden stolz auf uns sein. ({1})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen, und zwar zunächst über den Einzelplan 08 – Bundesministerium der Finanzen – in der Ausschussfassung. Wer stimmt für den Einzelplan 08 in der Ausschussfassung? – ({0}) Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Einzelplan 08 mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 20 – Bundesrechnungshof – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist der Einzelplan 20 in der Ausschussfassung einstimmig angenommen.

Leif Erik Holm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004761, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Liebe Bürger! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erst mal herzlichen Glückwunsch an Herrn Verkehrsminister Scheuer, dass wir Sie heute noch als CSU-Minister hier begrüßen dürfen. Das war in den letzten Tagen ja doch etwas unsicher. ({0}) Aber nun ist der bayerische Löwe wieder zum mauzenden Schmusekätzchen mutiert. Wir können also im alten Trott weitermachen. Ehrlich gesagt, ist es ja kein Wunder, dass Ihre Regierung in den letzten Tagen am Abgrund stand. Sie haben in den letzten Jahren wirklich eine verheerende Politik abgeliefert – zuallererst natürlich mit dem Versagen an unseren Grenzen, ebenso beim ewigen Euro-Desaster, bei der völlig vermerkelten Energiewende ({1}) und auch bei der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik, um die es jetzt hier gehen soll. Beim digitalen Netzausbau kommen Sie nicht in die Gänge. Ihr an sich schon mageres 50‑Mbit-Ziel für 2018 verfehlen Sie um Lichtjahre. Mittlerweile kann man in manchen Entwicklungsländern schneller surfen als in Deutschland. ({2}) Beim Erhalt und Ausbau von Straßen und Schienenwegen sieht es ebenso bescheiden aus. Wir haben in diesem Bereich die niedrigste Investitionsquote weltweit, und die Ausgaben stagnieren leider im Haushalt. Das ist beim Zustand unserer Straßen höchst bedenklich. Wir müssen hier endlich klotzen und dürfen nicht mehr kleckern. Wir können nicht über Jahre und Jahrzehnte auf Verschleiß fahren. ({3}) Die Hälfte aller Autobahnbrücken befindet sich in schlechtem Zustand. Zwei Drittel der Unternehmer beklagen sich über holprige Straßen. Das können wir uns einfach nicht leisten. Deswegen hat die AfD eine deutliche Erhöhung der Mittel für Erhalt und Neubau von Straßen und Schienenwegen vorgeschlagen. ({4}) Wir wollen 1,5 Milliarden Euro mehr investieren. Nur so bleibt Deutschland vorne. Genau das ist unser Auftrag. ({5}) Es sind auch die ewigen Planungsverfahren, die uns immer wieder bremsen. Es ist ja schön, dass Sie das Problem in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben haben. Allerdings darf ich Ihnen sagen: Sie regieren schon das eine oder andere Jährchen. ({6}) Jetzt kommen Sie hier bitte endlich in die Puschen! ({7}) Ich war neulich bei einer Veranstaltung des dänischen Botschafters. Die Dänen bauen ja erfreulicherweise einen Tunnel unter der Ostsee: die Fehmarnbeltquerung. Sie bauen das, sie finanzieren das, und wir müssen nur für die Anbindung von Straßen und Schienen sorgen. Aber nicht mal das bekommen wir auf die Reihe. Das sind die Probleme, mit denen wir heute in Deutschland kämpfen müssen. ({8}) Es war schon mehr als peinlich bei dieser Veranstaltung, dass unser Staatssekretär dort praktisch nur das Prinzip Hoffnung verkaufen konnte, dass wir hier endlich vorankommen. So geht es nicht, meine Damen und Herren. Reden wir über die Pkw-Maut, über die manch einer ja immer noch überrascht ist; denn die Kanzlerin hatte ja im Wahlkampf seinerzeit versprochen, mit ihr werde es keine Pkw-Maut geben. So viel zur Glaubwürdigkeit von Frau Merkel: Versprochen, gebrochen! ({9}) Oder wie sie selbst wahrscheinlich sagen würde: Ist mir egal, ob ich schuld bin. Jetzt ist sie halt da. – Diese Maut ist wirklich unnötig wie ein Kropf. Sie bringt nur wenig und macht zudem auch noch die Totalüberwachung der Bürger möglich. Dabei gibt es ja bereits eine Straßennutzungsgebühr, und zwar sogar eine kilometer- und verbrauchsabhängige: die Mineralölsteuer. Und die ist auch viel gerechter; denn wer viel fährt, zahlt dann eben auch viel. Also hauen Sie Ihre Pkw-Maut endlich in die Tonne! Die braucht wirklich kein Mensch. ({10}) Eine weitere Großbaustelle ist die von Ihnen völlig überförderte E‑Mobilität. Sie setzen mit Hunderten Millionen Euro einseitig auf diese Technologie. Dabei weiß jeder, dass sie überhaupt nicht wettbewerbsfähig ist. 1 Million E‑Fahrzeuge wollten Sie bis 2020 auf die Straße bringen. Aktuell sind es etwas über 50 000 Vollstromer – die 5‑Prozent-Hürde wurde also gerade so genommen –, und das trotz Kaufprämien; das sagt wirklich alles. Die E‑Autos sind heute zu teuer, sie haben eine viel zu geringe Reichweite, und die Ladezeiten sind zu lang. Von den Ladestationen will ich gar nicht reden: In meinem Flächenland Mecklenburg-Vorpommern sind es gerade mal 77. Kommen Sie endlich von Ihrem ideologischen Ross herunter! Die Elektromobilität kann aus heutiger Sicht keinen Ersatz für ausgereifte Verbrennungsmotoren liefern. Mittel für die Forschung zur Verfügung zu stellen, ist richtig; aber die massive nichttechnologieoffene Überförderung lehnen wir ab. ({11}) Diese Fehlförderung gefährdet Arbeitsplätze in Deutschland. Was wird aus unserer wichtigen Automobilindustrie und den Zulieferern, wenn wir komplett auf die Elektromobilität setzen? Durch die Umstellung auf E‑Fahrzeuge könnten brutto 100 000 Arbeitsplätze wegfallen; das sagt eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation. Das ist jeder elfte Arbeitsplatz in der Automobilindustrie und sogar jede zweite Stelle in der Antriebstechnik. Das erklären Sie bitte den betroffenen Beschäftigten, insbesondere im Süden Deutschlands. Die AfD hält Ihren Weg für den falschen Weg. ({12}) Begründet wird der Wechsel zur E-Mobilität auch mit dem Klimawandel. Aber auch das ist natürlich ideologischer Unsinn. Vergleichen Sie mal die CO 2 -Bilanz von Dieselauto und E‑Auto: Allein die Batterieproduktion für ein E-Auto erzeugt so viel CO 2 , dass Sie mit einem Diesel locker acht Jahre fahren können, und das völlig ohne schlechtes Gewissen. ({13}) Schauen wir auf die berühmten Stickoxide. In Hamburg gibt es jetzt das erste Fahrverbot wegen überschrittener Grenzwerte. Mal abgesehen von diesen Grenzwerten, die dringend einer wissenschaftlichen Überprüfung bedürfen, ist der Unsinn natürlich für jeden offensichtlich: Die Autofahrer in Hamburg müssen jetzt einen 3 Kilometer langen Umweg fahren und stoßen dabei natürlich mehr Stickoxide aus als vorher. Das ist völlig gaga. Das wird Ihnen jeder normal denkende Bürger bestätigen. ({14}) Wenn wir das jetzt mit den Schiffen vergleichen, die im Hamburger Hafen festmachen, dann stellen wir fest: Ein Kreuzfahrtschiff verbraucht so viel Schweröl wie alle Hamburger Dieselautos zusammen, ein einziges Kreuzfahrtschiff. Diese ganze Fahrverbotsdiskussion ist derart absurd, dass es schon wehtut. Zumal jeder weiß, dass die Grenzwerte in nicht allzu ferner Zeit durch einen steigenden Anteil an neuen, sauberen Dieselfahrzeugen sowieso erreicht werden. Also hören Sie endlich auf, den Leuten Angst zu machen! Jahr für Jahr wird die Luft sauberer, und wenn die willkürlichen Grenzwerte erst ein Jahr später erreicht werden, dann ist das völlig unproblematisch. Meine Damen und Herren, der Haushalt setzt im Bereich „Verkehr und digitale Infrastruktur“ die falschen Prioritäten und ist unterfinanziert. Sie gehen mit der Pkw-Maut und der einseitigen Subventionierung der E‑Mobilität falsche Wege. Die Infrastrukturmittel sind zu gering, um die Substanz von Straßen- und Schienenwegen zu erhalten und zu verbessern. ({15}) Der Sanierungsstau bleibt also immanent. Die Infrastruktur ist aber neben dem Bereich „Bildung und Forschung“ der entscheidende Faktor für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands. Hier müssen wir endlich ran. Dafür steht die Partei der Zukunft – die AfD. ({16})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Rüdiger Kruse, CDU/CSU. ({0})

Rüdiger Kruse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004083, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Holm, vielen Dank für das Lob am Schluss. Dass die Luft, wie Sie sagen, in diesem Land immer sauberer wird, kann ja nichts mit Ihnen zu tun haben. ({0}) Also bedanken wir uns dafür, nehmen es aber auch als Ansporn, unsere Leistung in dieser Frage auch weiterhin voranzutreiben. Wir sind in der Haushaltsdebatte. Das Haushaltrecht ist, wie man immer so schön sagt, das Königsrecht des Parlaments. Das ist nicht bloß ein schmückendes Attribut. Wer glaubt, dass der Weg von der Einbringung des Haushaltes bis zur Beschlussfassung eine Formsache ist, der irrt sich. Wer die Initiativen, die Beschlüsse und die Veränderungen, die das Parlament vornimmt, als Einmischung in das Regierungshandeln versteht, hat die Verfassung nicht verstanden. ({1}) Es ist auch nicht so, Herr Fricke – bei aller Wertschätzung für die Haushälter –, dass der Haushalt nur in den Sitzungen des Haushaltsausschusses gestaltet wird. Vielmehr wird er schon im Regierungsentwurf gestaltet, und auch die monatelange Arbeit der Fachausschüsse findet sich in der Zulieferung an den Haushaltsausschuss wieder. ({2}) – Wir schätzen und würdigen den Verkehrsausschuss ganz besonders. ({3}) Soweit ich weiß, ist dieser Verkehrsausschuss so schön, dass ein Hamburger Abgeordneter, Dirk Fischer, da 35 Jahre verbracht hat. Das muss herausragend und jung­erhaltend sein. Wir haben einen Gestaltungauftrag, und diesen muss man annehmen. Kein anderes Parlament in Europa hat so viele Möglichkeiten, den Haushalt zu gestalten. Diesen Gestaltungsauftrag haben wir angenommen. Und ich bin sehr froh, dass wir einen Minister haben, der Spaß an diesem Ressort hat und auch die Leidenschaft mitbringt, Deutschland zu gestalten; denn sonst bräuchten wir keine Politiker. ({4}) – Andreas Scheuer – falls Sie das noch nicht wissen. ({5}) Man kann sich mit vielen Dingen beschäftigen, aber zumindest die wesentlichen Minister sollte man als Abgeordnete schon kennen. Wir haben ihn schnell kennengelernt; denn er hat ein 14 Jahre altes Problem – Toll Collect – gleich zu Anfang abgeräumt. Wir haben uns 14 Jahre lang vor den Gerichten gestritten. So etwas belastet ja. ({6}) Ich weiß gar nicht, was die Anwaltskanzleien in den nächsten Jahren machen sollen. Sie hatten es schon mal auf die nächsten 14 Jahre hochgerechnet; aber das Thema ist nun abgeräumt. Dazu muss man den Mut und die Kraft und die Fähigkeit haben. Das hat er bewiesen, und das ist auch gut und richtig. Mit diesem Elan werden wir in den nächsten dreieinhalb Jahren weiterarbeiten. ({7}) Der heutige Morgen und die letzten Tage haben ja auch etwas mit einem Masterplan zu tun gehabt. ({8}) Auch dieser Etat hat etwas mit einem Masterplan zu tun. ({9}) Mit der Senkung der Trassenpreise um 175 Millionen Euro setzen wir wieder einen Schritt des Masterplans Schienengüterverkehr um. Das heißt, es zeigt sich: Man muss solche Pläne intensiv diskutieren; man muss darüber streiten. Dann macht man einen guten Plan, und diesen setzt man gemeinsam um. ({10}) Bewerten Sie uns nach unseren Ergebnissen und nicht nach der Phase der Auseinandersetzung! Wenn andere nicht intensiv diskutieren, ist das nicht mein Problem. Meine Aufgabe ist es, solche Diskussionen zu guten Ergebnissen zu führen. Das haben wir heute Morgen und in den letzten Nächten gemacht, und das haben wir in der Verkehrsdebatte gemacht. Wir haben den Willen, dieses Land nachhaltig zu gestalten. Dazu wollen wir die Chance nutzen, die die Digitalisierung bietet. Wir haben in verschiedenen Bereichen Akzente gesetzt. Wir starten die 5x5G-Initiative in fünf Testregionen. 5G ist die Zukunft des Internets. 5G ist Voraussetzung für das autonome Fahren, für das Internet der Dinge. Wir werden fünf Testregionen aufbauen und in den nächsten Jahren 145 Millionen Euro – so viel sind angedacht – ausgeben, um diese Entwicklung für unsere Bürger nutzbar zu machen. Gleichzeitig wollen wir auch sichtbar machen, dass die Technologie verkaufsfähig ist, dass wir international damit arbeiten können. Daraus leitet sich auch das autonome Fahren ab. Ich will heute nicht auf alle Vorzüge, die ich letztes Mal erwähnt habe, eingehen und aufzählen, was man während des autonomen Fahrens alles machen kann, sondern darauf hinweisen, dass wir – und das ist uns immer wichtig – mit dieser Innovation auch Sicherheit verbinden. Wir werden ein Forschungsprojekt an der TU Dresden durchführen, das sich insbesondere mit dem Thema „Sicherheit des autonomen Fahrens“ beschäftigen wird. Denn das ist immer unser Auftrag bei all den Themen: dass wir Dinge, die wir neu einführen, sicher machen, dass wir Sicherheit mit Freiheit kombinieren. Das autonome Fahren wird auch den öffentlichen Nahverkehr deutlich verbessern, weil wir andere Taktfrequenzen einhalten können, weil wir auch zu nächtlicher Stunde kleinste Transporte kostengünstig durchführen können. Wir werden den ausgewählten fünf Kommunen 95 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um Möglichkeiten für die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs zu testen. Ich glaube, das ist auch ein sehr guter Weg, um Bürgerbeteiligung zu organisieren, weil man hier im kommunalen Verbund entscheiden kann: Was können wir bei uns – in unserer Stadt, in unserer Landgemeinde – verbessern, um mehr Vorteile im öffentlichen Nahverkehr zu haben und natürlich auch um unsere Klimaziele zu erreichen? Sie wissen vielleicht, dass mir der maritime Bereich am Herzen liegt. Deswegen bin ich froh, dass wir auch in diesem Bereich Akzente setzen. Wir verlängern das Förderprogramm für Innovative Hafentechnologien, und wir setzen auch auf innovative Technologie, was den Umweltschutz in den Häfen angeht. Eben kam wieder der typische Verweis auf die Kreuzfahrtschiffe. Wissen Sie, Herr Kollege, wenn die wirklich mit Schweröl im Hamburger Hafen fahren würden, würde man das merken. Das tun sie natürlich nicht. Die Zukunft dort liegt zum Beispiel in LNG. Da muss man aber auch gesetzliche Rahmenrichtlinien finden, damit das umgesetzt werden kann. ({11}) Hier ist es nämlich so, dass durchaus ein großes Interesse der Wirtschaft besteht, den Schiffsverkehr umweltfreundlicher zu gestalten. Daran müssen auch die Landesregierungen mitwirken. Dafür werden wir auch unseren Beitrag leisten, damit dies möglich ist. Ich habe das große Thema der Trassenpreise angesprochen. Das machen wir ja, um mehr Güter auf die Schiene zu bringen. Wir müssen die Digitalisierung dafür nutzen, um ohne zusätzlichen Streckenaufbau in relativ kurzer Zeit 20 Prozent mehr Verkehre auf die Schiene zu bringen. Das ist möglich. Wir werden auch den Komfort verbessern. Sie alle kennen das Problem: Statistisch gesehen haben wir pro deutschem Wahlkreis etwa ein Funkloch. Sie selber werden denken, ({12}) alle Funklöcher seien auf Ihrer Bahnstrecke. So ist es nicht. Aber sie sind ärgerlich. Um diese Situation zu verbessern, geben wir 35 Millionen Euro aus. Das führt dann dazu, dass man die Zeit in der Bahn so nutzen kann, wie Otto Fricke jetzt die Zeit hier im Plenum nutzt. Man kann gleichzeitig zwei Dinge tun: einer Debatte folgen und wichtige Meldungen auf Instagram absetzen. Das sind die Herausforderungen. Auch dafür wollen wir die Bahn fit machen. Ich glaube, dass das Thema Bahn ein ganz wesentliches sein wird. Wir steigen jetzt in die Haushaltsberatungen ein. Über den Sommer können wir uns Gedanken machen, welche Akzente wir in den nächsten Haushaltsberatungen setzen wollen. Da muss die Deutsche Bahn ganz weit vorne stehen. ({13}) – Nein, das Ziel der Union ist – daran arbeiten wir sehr erfolgreich –, dieses Land immer ein Stück weiter nach vorne zu bringen. Es ist ja egal, welches Thema wir aufrufen: Die AfD kommt immer auf Grenzen zu sprechen. Wenn wir aber über Verkehr reden, dann muss man doch einmal ganz klar sagen: Einem fließenden Verkehr stehen Grenzen entgegen. ({14}) Für fließenden Verkehr zu sorgen, ist ja auch schwieriger, als einfach nur zu sagen: Wir machen die Grenzen dicht. – Wir wollen sichere Grenzen und die Freiheit. Wir wollen die Freizügigkeit nicht aufgeben. ({15}) Das werden wir nicht tun. Insofern organisieren wir den Verkehr zum Wohle aller Menschen und nicht bloß zu Ihrem Wohle. Herzlichen Dank. ({16})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Rüdiger Kruse. – Einen schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nächster Redner in der Debatte: Christoph Meyer für die FDP-Fraktion. ({0})

Christoph Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004820, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Guten Morgen, Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einzelplan 12, Verkehr und digitale Infrastruktur: Ich glaube, wenn wir uns die Etatansätze im Einzelplan 12 angucken, dann erleben wir das Abbild eines über zehn Jahre CSU-geführten Hauses: ({0}) überall mehr als auskömmliche Ansätze, überall Pölsterchen, überall Luft drin, sowohl in den allgemeinen Verwaltungsausgaben als auch im Bereich Zuweisungen und Zuwendungen. Der mangelhafte Mittelabfluss zieht sich nicht nur durch den Bereich der investiven Ausgaben – da sind wir bei Ihnen –, sondern durch den ganzen Einzelplan. ({1}) Wir haben in den Haushaltsberatungen – wir sind im Rumpfhaushaltsjahr 2018 – einfach nur mal ein bisschen an der Oberfläche gekratzt und relativ einfach circa 250 Millionen Euro durch Änderungsanträge einbringen können, ohne im investiven Bereich zu sparen. Das ist möglich, wenn man ambitioniert, die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger im Auge habend, an diese Haushaltsberatungen rangeht. Herr Kruse, zu dem, was Sie eben gesagt haben: Die Verantwortung für all das, was in den letzten Jahren nicht geschehen ist, trägt ein unionsgeführtes Haus. Es mag sein, dass Herr Scheuer als neuer Minister dafür nicht die direkte Verantwortung hat, aber dennoch wäre vielleicht ein bisschen Selbstkritik der Union an dieser Stelle gerechtfertigt gewesen. ({2}) Es ist mittlerweile Allgemeingut, dass die Relevanz und die notwendigen Schritte zur Vorbereitung des Ausrollens der digitalen Infrastruktur, die wir für das neue Zeitalter, für das „Neuland“ benötigen, von dieser Bundesregierung verschlafen wurden – und auch von der Bundesregierung davor. ({3}) Wir haben uns daran gewöhnt, dass mit dem Digitalfonds im Jahre 2019 offensichtlich der nächste Anlauf gestartet wird. Mich hat schon verwundert – Herr Kruse hat auch darauf hingewiesen –, dass in der Bereinigungssitzung nun vonseiten der Koalitionsfraktionen sinnvolle Anstöße wie zum Beispiel die erwähnten digitalen Testfelder in Häfen, die Umsetzung der 5x5G-Strategie oder das autonome Fahren gemacht wurden. Das sind alles lobenswerte Ansätze. Es zeigt aber, dass bei der Erstellung des Regierungsentwurfs Digitalisierung offensichtlich immer noch schablonenhaft gedacht wird und offenbar noch nicht einmal im Ansatz die Tragweite der Veränderungen, auf die wir dieses Land vorbereiten müssen, erfasst worden ist. ({4}) Mit Blick auf den größten Investitionshaushalt des Bundes bleibt festzuhalten: Das größte Risiko ist der weiterhin geringe Mittelabfluss; mein Vorredner ist darauf eingegangen, und es wurde auch in der Runde davor bereits darauf eingegangen. In allen großen Investitionstiteln in diesem Einzelplan, über alle Verkehrsträger hinweg, haben wir das gleiche Bild: Das Parlament stellt Geld und Mittel zur Verfügung, und Sie kriegen es nicht verbaut. Die Mittelausschöpfung im Bereich der Wasserstraßen im Jahr 2017 betrug 66 Prozent. Wir können uns die Brücken, die Fernstraßen und die Bahnen angucken. Es ist überall dasselbe. Das wird das Schlüsselthema in dieser Legislatur sein, und das wird auch das Schlüsselthema für Sie, Herr Scheuer, sein. Denn wir müssen Sie daran messen, ob Sie es in den nächsten Jahren schaffen, einen nachhaltigen Mittelabfluss im Einzelplan 12 zu bewerkstelligen oder nicht. Ihre Ausreden lauten, dass keine Planungskapazitäten da sind und die Verfahren zu komplex sind. Das mag ja alles richtig sein. Hier aber noch mal der Hinweis: Wer hat in den letzten Jahren regiert? Es war die Große Koalition. Deswegen gilt diese Antwort, diese Ausrede nicht mehr. Wir werden das nicht mehr durchgehen lassen. ({5}) Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Entlastung des Güterkraftverkehrsgewerbes. Mit der Einführung der Lkw-Maut haben Sie hier ein Entlastungsprogramm versprochen. Das wird nur leider nicht abgerufen. Sie haben jetzt in den Berichterstattergesprächen darauf hingewiesen, dass Sie hier offensichtlich mit dem Gewerbe zusammen einen runden Tisch einrichten wollen, um die Aus- und Weiterbildungsprogramme, was den Mittelabfluss angeht, zu evaluieren. Wir erwarten, dass Sie zu den Haushaltsberatungen 2019 zu anderen Ergebnissen oder anderen Vorschlägen kommen, die zeigen, wie die zugesagten Entlastungen für das Gewerbe dann auch wirklich ermöglicht werden können. Mein letzter Punkt betrifft die Darlehen an Flughafengesellschaften, an denen der Bund beteiligt ist. Sie haben in einer Art vorauseilendem Gehorsam erst einmal eine Verpflichtungsermächtigung über 132 Millionen Euro für die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg eingebracht. Wir konnten gestern in den Zeitungen lesen, dass der Eröffnungstermin wieder infrage steht. Wir lesen, dass offensichtlich externe Gutachter – quasi in Personalunion – mit Aufsichtsratsmitgliedschaften in Zusammenhang gebracht werden. Das wird wohl am 13. Juli im Aufsichtsrat Thema sein. Ich appelliere an Sie, Herr Scheuer, dass Sie die Rolle des Bundes hier ernster nehmen. ({6}) Sie sollten nicht nur in Zeitungsartikeln bzw. in Zeitungsinterviews darüber reden, ob Sie gegebenenfalls Tegel offenhalten wollen, sondern Sie sollten wirklich endlich in die Steuerung der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg einsteigen und das Geschäft nicht nur den Berlinern und Brandenburgern überlassen. Dass das bei einem rot-rot-grünen Senat nicht funktioniert, müssten gerade Sie eigentlich auch verstehen. Ich danke Ihnen. ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Christoph Meyer. – Nächster Redner: Sören Bartol für die SPD-Fraktion. ({0})

Sören Bartol (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich sage es mal so: Angesichts des Streits zwischen CDU und CSU in den letzten Wochen fällt es mir persönlich heute wirklich schwer, einfach so zur Tagesordnung überzugehen. ({0}) Ich sage es ganz ehrlich: Ich hoffe, dass dieses unwürdige Schauspiel jetzt auch wirklich ein Ende hat. ({1}) Warum? Es gibt viel zu tun. Unsere Mobilität steht vor riesigen Veränderungen. Unsere Infrastruktur muss erhalten und ausgebaut werden. Unsere Städte und Gemeinden brauchen flächendeckendes, schnelles Internet. Wir haben in unserem gemeinsamen Koalitionsvertrag dazu viele wichtige Dinge verabredet, mit denen wir das Leben in unserem Land besser machen wollen, und das muss jetzt auch endlich weiter angepackt werden. ({2}) Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind dazu bereit. Im Bundestag haben wir in den letzten Tagen trotz des Streits der Unionsparteien unsere Arbeit ordentlich gemacht. Wir haben den Bundeshaushalt für dieses Jahr beraten und auch an wichtigen Stellen Änderungen beschlossen. Wir haben uns dabei auf drei Schwerpunkte konzentriert: erstens die Schiene stärken, ({3}) zweitens die digitale Vernetzung der Mobilität vorantreiben, drittens die Kommunen bei der Organisation einer sauberen Mobilität unterstützen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen mehr Güter auf der Schiene, damit die Waren am Ende nicht im Lkw auf der Autobahn im Stau stecken bleiben ({4}) und damit sie vor allem umweltfreundlich und schnell zu den Kunden kommen. Damit die Schiene gegenüber der Straße konkurrenzfähig ist, müssen die Kosten für den Transport runter. Leider hatte das Bundesministerium es nicht geschafft, bereits in den Verhandlungen über den Haushalt 2018 die notwendigen Mittel zu organisieren; im Regierungsentwurf fehlten sie leider. Wir haben in den Haushaltsverhandlungen hart dafür gekämpft, dass die Senkung der Trassenpreise für den Schienengüterverkehr trotzdem bereits in diesem Jahr kommt. Wir haben erreicht, dass in diesem Jahr 175 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung stehen, damit die Unternehmen für den Transport von Waren auf der Schiene weniger zahlen müssen. Damit setzen wir den ersten Baustein unseres Schienenpaktes 2030 von Politik und Wirtschaft für einen besseren Schienenverkehr um. ({5}) Jetzt muss das Bundesverkehrsministerium die Förderrichtlinie schnell auf den Weg bringen und in Brüssel die Zustimmung der EU-Kommission einholen. Da darf es nicht zu Verzögerungen kommen. Die Kostenersparnisse müssen schnell bei den Unternehmen ankommen. Im Gegenzug zu den steuerfinanzierten Entlastungen erwarten wir natürlich aber auch von ihnen, dass sie ihren Teil des Schienenpaktes einhalten und in Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und bessere Qualität des Schienengüterverkehrs investieren. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen Deutschland zum Leitmarkt für den neuen Mobilfunkstandard 5G machen. Dabei ist klar: Innovative, zukunftsfähige Mobilitätsangebote werden gerade im ländlichen Raum nur bei einer flächendeckenden Versorgung mit der neuesten Mobilfunktechnologie möglich sein. ({7}) Mit einer 5x5G-Strategie werden wir fünf Modellregionen prioritär mit dem entsprechenden Mobilfunkstandard ausstatten, dort vor allen Dingen die Forschung intensivieren und den Infrastrukturaufbau beschleunigen. Als Signal gerade an die Regionen in unserem Land, dass wir es ernst meinen, werden wir dafür 6 Millionen Euro in den Bundeshaushalt einstellen. Auch hier ist der Bundesverkehrsminister gefragt, ein schlüssiges Förderprogramm zu entwickeln. Wenn es vorliegt, dann gehe ich auch davon aus, dass die Mittel endgültig entsperrt und auch freigegeben werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Großstadtregionen, wie zum Beispiel das Rhein-Main-Gebiet rund um Frankfurt, brauchen einen massiven Ausbau und einen Schub beim öffentlichen Personennahverkehr. Ohne attraktive Verbindungen zu bezahlbaren Preisen werden wir es eben nicht schaffen, mehr Menschen zum Umsteigen vom Auto auf den Bus oder in die Bahn zu bewegen. Und ohne einen starken ÖPNV werden die Städte und Gemeinden es auch nicht schaffen, für saubere Luft zu sorgen und am Ende möglichst Fahrverbote zu verhindern. ({8}) Neben dem Ausbau der kommunalen Infrastruktur für Busse und Bahnen brauchen wir, wie ich finde, auch neue Ideen, um den öffentlichen Personennahverkehr attraktiver zu machen. Hier müssen wir kreativ sein und auch neue Dinge ausprobieren. Um das zu ermöglichen, haben wir uns entschieden, zukünftig innerhalb des „Sofortprogramms Saubere Luft“ Modellvorhaben in Bonn, Essen, Herrenberg, Mannheim und Reutlingen zu finanzieren. Mit diesen zusätzlichen rund 125 Millionen Euro wollen wir kommunale Projekte, zum Beispiel das 1‑Euro-Tages­ticket, unterstützen. ({9}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in dieser Phase ist es so – und das ist nicht oft –: Nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt. ({10}) – Ja, Überraschung, aber so dicht ist es wirklich nicht immer. – Bereits im September, direkt nach der Sommerpause, werden wir uns im Bundestag mit dem Entwurf für das kommende Jahr beschäftigen. An meine Koalitionspartner gerichtet, sage ich: Ich hoffe, dass CDU und CSU bis dahin wieder Tritt gefasst haben. Dann bin ich auch frohen Mutes, dass wir im Herbst ebenfalls viel Gutes für unser Land erreichen werden. Vielen Dank. ({11})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Sören Bartol. – Nächster Redner: Victor Perli für die Fraktion Die Linke. ({0})

Victor Perli (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004849, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Scheuer, es ist schon eine Meldung wert, dass Sie heute noch auf der Regierungsbank sitzen. ({0}) Aber wie! Es geht doch auf keine Kuhhaut, wie die CSU, diese Interessenpartei der bayerischen Oberschichtschickeria, ({1}) den politischen Betrieb wochenlang mit fraktionsinternen Streitigkeiten lahmlegt ({2}) mit Zielen, die nicht christlich sind, die nicht sozial sind und die unsäglich das Leid und die Ursachen von Flucht und Vertreibung ignorieren. ({3}) Die gesamte Union hat heute allen Grund, sich in Grund und Boden zu schämen. ({4}) Meine Damen und Herren, das Verkehrsministerium ist seit 2009 in der Hand von CSU-Ministern, entsprechend groß sind die Probleme. Immer mehr Verkehr landet auf der Straße, die Innenstädte sind verstopft, die Staus nehmen zu ({5}) und die schlechte Luft auch. Der öffentliche Nahverkehr und die Bahn könnten eine Alternative sein, aber sie sind viel zu teuer und von der regierenden Politik in den letzten Jahren systematisch vernachlässigt worden. Dabei möchten viele Bürgerinnen und Bürger schon lange weniger auf das Auto angewiesen sein. ({6}) Deshalb macht sich Die Linke für eine Verkehrswende stark. Das ist finanziell, ökologisch und sozial geboten. ({7}) Wir wollen mehr und besseren öffentlichen Nahverkehr, gute Fuß- und Fahrradwege und eine bezahlbare Bahn, die ländliche Räume anbindet und nicht mehr abhängt. ({8}) Die Große Koalition präsentiert hier einen Haushalt, der die Betonideologie der letzten Jahre nahtlos fortschreibt. Ein immer größerer Anteil der Verkehrsinvestitionen landet beim Straßenbau. ({9}) Die anderen Verkehrsträger sind schon lange abgehängt, und das, obwohl Sie im Koalitionsvertrag einen Mittelaufwuchs im Bereich Schiene festgeschrieben haben. Aber die Bahn wird benachteiligt und muss ihre Infrastruktur und ihr Angebot zu einem Gutteil selbst finanzieren. Dagegen werden der Ausbau und die Unterhaltung des Straßennetzes weitgehend vom Steuerzahler finanziert. ({10}) Bei der Bahn und bei den Wasserstraßen gibt es einen erheblichen Investitionsstau. Der Bundesrechnungshof hat in einer aktuellen Stellungnahme kritisiert, dass die Deutsche Bahn AG ihre rund 25 000 Eisenbahnbrücken – ich zitiere – über mehr als ein Jahrzehnt nicht ordnungsgemäß instand gehalten hat. Das liegt natürlich auch daran, dass Sie versucht haben, die Bahn mit Profitmaximierung an die Börse zu bringen, und wir wissen: Privatisierung macht alles nur schlimmer. ({11}) Die 12 000 Beschäftigten bei der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung können ein Lied davon singen: von extremem Handlungsdruck durch kaputte Brücken und Schleusen, die sie trotz Personalabbau und einer völlig verkorksten Verwaltungsreform wieder in Ordnung bringen müssen. Und was sagt der Haushalt? Von den Mitteln für die Schienen sind im letzten Jahr rund 690 Millionen Euro ungenutzt liegengeblieben, ({12}) bei den Wasserstraßen mit 528 Millionen Euro sogar mehr als die Hälfte. Das sind zusammen über 1 Milliarde Euro, die ungenutzt bleiben, Geld, das dringend gebraucht wird, um unser Land fit für die Zukunft zu machen. Was für eine desaströse Bilanz! ({13}) Die Linke wird in den kommenden Monaten sehr genau kontrollieren, ob das Geld, das der Bundestag der Regierung in dieser Woche zur Verfügung stellt, endlich ordentlich abfließt. Meine Damen und Herren, in den letzten Jahren ist auf kriminelle Art und Weise versucht worden, die notwendige klimafreundliche Mobilisierung der deutschen Autoindustrie auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben. Die kurzfristigen Gewinne waren den Großaktionären wichtiger. Ich habe vor zwei Wochen an einer Betriebsversammlung von VW in meiner Heimat teilgenommen. Dort hat der Betriebsrat unter großem Applaus gesagt, dass die Beschäftigten endlich ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen. Aber sie werden von den Konzerneliten im Stich gelassen und durch die Weiter-so-Politik der Großen Koalition zu wenig unterstützt. Für uns Linke ist völlig klar: Es ist höchste Zeit, in der Verkehrspolitik umzusteuern. ({14}) Das haben die Beratungen noch einmal unterstrichen. Aber die Pläne von Union und SPD zeigen, dass genau das Gegenteil gemacht wird. Deshalb werden wir den vorliegenden Einzelplan ganz klar ablehnen. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({15})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Victor Perli. – Nächster Redner für Bündnis 90/Die Grünen: Sven-Christian Kindler. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Scheuer, am Anfang will ich Sie loben. ({0}) Sie haben in der ersten Lesung dieses Haushalts in der Haushaltswoche Anfang Mai gesagt – das war sehr richtig; ich zitiere –: „Eine Wende leitet man ein, wenn man in die falsche Richtung gefahren ist“. Angesichts von acht Jahren CSU-Verkehrspolitik sage ich: Es wird höchste Zeit für eine Wende in der Verkehrspolitik. ({1}) Ich will Sie erinnern, was CSU-Verkehrspolitik heißt: Pkw-Maut-Fiasko, Chaos bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, BER, Stuttgart 21, die Klimaabgase steigen, wir haben marode Eisenbahnbrücken, ÖPP-Desaster, Milliarden Gelder für den Breitbandausbau fließen nicht ab, giftige Luft in den Städten, der Audi-Chef sitzt jetzt sogar in Untersuchungshaft und, und, und. Ich könnte hier stundenlang, tagelang weitererzählen. Hören Sie auf mit dieser Geisterfahrt! Eine Verkehrswende ist endlich notwendig. ({2}) Die sehen wir im Haushalt aber leider nicht. Wir sehen, dass die Gelder für den Straßenbau und für ÖPP-Projekte steigen. Ansonsten senken Sie die Mittel in den Bereichen Schiene, Radverkehr, Nahverkehr. Dieser Verkehrshaushalt ist – leider – die Grundlage für eine Verkehrspolitik des letzten Jahrhunderts. Das muss sich endlich ändern. ({3}) Wir haben hier klare Anträge eingebracht, die zeigen, wie man das machen kann: Das Ministerium muss aufhören mit dem Straßenbauwahnsinn. Auch mit ÖPP-Projekten, die teuer und eine Privatisierung öffentlichen Eigentums sind, muss Schluss sein. ({4}) Wir wollen, dass das Geld endlich für die Verkehrswende genutzt wird. Wir wollen eine Verkehrswende in den Städten, damit der Radverkehr endlich in Schwung kommt. Wir wollen moderne Mobilität fördern, wir wollen den Bereich Schiene fördern, den öffentlichen Nahverkehr insgesamt, und wir wollen die ländlichen Räume an den öffentlichen Nahverkehr anschließen. Das wäre ein sinnvoller Verkehrshaushalt. Das wäre ein Verkehrshaushalt mit Zukunft. Das haben wir im Haushaltsausschuss beantragt. ({5}) Statt darüber zu beraten, haben wir während der Haushaltsberatungen wochenlang Chaos und Streit in dieser Regierungskoalition gesehen, vor allen Dingen zwischen CDU und CSU. Das hat auch Europa schweren Schaden zugefügt. Ich erinnere daran, dass das nicht das erste Mal ist, dass die CSU offen europafeindlich agiert. ({6}) Das ist nicht erst seit diesem Jahr so. Es wurde nicht nur von einer „Herrschaft des Unrechts“, von Grenzschließungen und Obergrenze gesprochen. ({7}) Auch bei der Pkw-Maut geht es in die gleiche Richtung. Das Thema ist massiv ressentimentgeladen. Die Pkw-Maut hilft in der Sache überhaupt nicht. ({8}) Im Gegenteil: Sie schadet in der Sache und ist gerichtet gegen Europa und gegen unsere Nachbarn. ({9}) Trotzdem, obwohl die Pkw-Maut erst einmal ausgesetzt ist, haben Sie 37 Millionen Euro in diesem Haushalt dafür veranschlagt, 30 Millionen Euro mehr als 2017. Was ist das für ein Verbrennen von Steuergeld! Ich sage Ihnen: Das muss endlich gestoppt werden. ({10}) Gucken wir auf die bayerische Grenze: Der Kompromiss, den Sie gestern Abend geschlossen haben – das ist ein mieser Deal auf dem Rücken von Menschen; ich nenne das inhuman und schäbig –, hat auch massive Auswirkungen auf die Verkehrspolitik in der Grenzregion zwischen Bayern und Österreich. Österreich hat jetzt schon gesagt, dass es die Südgrenze dichtmachen wird, wenn diese inhumanen Internierungslager kommen. ({11}) Sie legen mit Ihrer Verkehrs- und Asylpolitik die Axt an den Schengen-Raum. Ich finde das unverantwortlich. ({12}) Herr Minister Scheuer, Sie sind jetzt 100 Tage im Amt. Es ist an der Zeit, eine kleine Bilanz zu ziehen. Es gab viele schöne PR-Fotos, lässige Posen, durchaus geschickter gemacht als von Herrn Dobrindt, aber in der Substanz leider das gleiche Elend. ({13}) Ich will Ihnen nur zwei kurze Beispiele nennen. Wir haben einen milliardenschweren Betrug der Autoindustrie. Sie mussten dann Herrn Zetsche vorladen, nachdem in den USA – nicht in Deutschland! – bekannt wurde, dass es wiederum bei der Automobilindustrie millionenfachen Betrug gibt. Was machen Sie? Sie lassen sich von Herrn Zetsche vorführen: eine Rückrufaktion, und Daimler soll ein Jahr Zeit für Softwarelösungen bekommen. Das, was Sie wirklich machen müssten – Hardwarenachrüstungen, Bußgelder verhängen, Sanktionen –, machen Sie nicht. Die Europäische Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, weil es keine Bußgeldverfahren gegen die Automobilindustrie gibt. Es zeigt sich: Am Ende sind Sie wieder der Minister, der die Gewinninteressen der Autoindustrie zulasten von Umwelt und Gesundheit schützt. So geht es nicht! ({14}) Zweites Beispiel: Toll Collect. Sie haben sich massiv unter Zeitdruck setzen lassen bzw. sich selber unter Zeitdruck gesetzt, weil Sie unbedingt einen Deal machen wollten. Am Ende haben Sie im Mautschiedsverfahren nur ein Drittel Ihrer berechtigten Forderungen zugesprochen bekommen. Das ist deutlich zu wenig. ({15}) Außerdem will ich sagen: Sie lernen nichts aus dem Mautschiedsverfahren, und Sie lernen nichts aus der Privatisierung der Lkw-Maut. Der Staat kann das besser und auch günstiger, weil er keine privaten Renditeinteressen bedienen muss. Stattdessen setzen Sie weiter auf private Schiedsgerichte, Sie setzen weiter auf die Privatisierung der Lkw-Maut. ({16}) Das kann man nur noch mit neoliberaler Ideologie erklären. Ich sage Ihnen: Hören Sie auf damit! ({17})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

„Hören Sie auf damit“ ist ein gutes Stichwort. Ich muss Ihnen leider sagen, dass die Redezeit zu Ende ist. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin, ich danke den Kolleginnen und Kollegen für die Aufmerksamkeit. Ich komme zum Ende. – Das ist ein Haushalt ohne Zukunft. Das muss sich dringend ändern. ({0}) Vielen Dank. ({1})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kollege Kindler. – Jetzt hat besagter Minister das Wort. Ich gebe das Wort dem Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur, Andreas Scheuer. ({0})

Andreas Scheuer (Minister:in)

Politiker ID: 11003625

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! 3,2 Milliarden, so viele Kilometer legen die Deutschen jeden Tag zurück. 3,2 Milliarden, die wir zu managen haben. Im Durchschnitt sind es pro Person 39 Kilometer. Wir wollen diese Mobilität managen, verkehrsträger­übergreifend. Herr Kollege Kindler und Herr Kollege Perli, Sie sind doch Berichterstatter im Haushaltsausschuss. Der Einzelplan ist auch leicht zu lesen. Es steht dort genau das drin, was Sie hier jetzt kritisiert haben, ({0}) abzulesen an Zahlen und Fakten. Wir stärken den Radverkehr, wir stärken die Schiene und den Regionalverkehr. ({1}) Wir stärken die GVFG-Mittel für den Nahverkehr. ({2}) Alles, was wir ins Rollen bringen können, verkehrsträger­übergreifend, haben wir in diesem Haushalt abgebildet. Deswegen bedanke ich mich bei CDU/CSU und SPD für diese kluge Verkehrspolitik. ({3}) Die Aufgabe für mein Haus und für mein Team ist doch klar umrissen: Mobilität zu ermöglichen, zu erleichtern und für die Zukunft zu sichern, mit Anreizen und mit Wahlfreiheit und nicht mit Verboten. Deswegen bezeichne ich es als kluge Verkehrspolitik und gute Infrastrukturpolitik, kräftig zu investieren und mit der Herstellung von Wahlfreiheit für die Bürgerinnen und Bürger Mobilität zu ermöglichen und nicht einzuschränken. ({4}) Wenn ich in das weite Rund des Hauses blicke, möchte ich mich an diesem Punkt des Haushaltsverfahrens einmal grundsätzlich, auch wenn die Konzepte unterschiedlich sind, bei den Berichterstattern für die Zusammenarbeit bedanken. Sie haben uns auch mit 199 Berichten und Fragen ordentlich in Trab gehalten. Wir haben sie alle abgearbeitet. Ich möchte mich nicht nur beim Haushaltsausschuss, sondern auch beim Verkehrsausschuss bedanken; denn mit dem vorliegenden Haushalt für 2018 können wir zuversichtlich in die Zukunft schauen. Wir sind ja auch schon bei der Erarbeitung des Haushaltes 2019. Meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, Fahrverbote jedenfalls gehören nicht zu meiner Verkehrspolitik. ({5}) Wichtig ist nicht, Verbote zu verhängen, sondern Mobilität zu ermöglichen. Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr und gute Mobilität. ({6}) Wir brauchen vor allem eine Verkehrspolitik für eine intelligente, effiziente und saubere Mobilität. Herr Kollege Holm, auch Sie haben den Haushalt scheinbar zu wenig gelesen. ({7}) Wir fördern technologieoffen – technologieoffen! – die modernen Antriebsmöglichkeiten, nicht nur Elektromobilität, sondern auch Brennstoffzelle, Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe. Zu all dem vom Rednerpult aus Verkehrs-Fake-News zu verbreiten, bringt uns nicht weiter. Wir wollen kräftig investieren: in die Zukunft, in neue Geschäftsmodelle und vor allem in Unternehmen, die in die Zukunft schauen und mit Hunderttausenden von Arbeitsplätzen die Mobilität von morgen garantieren. ({8}) Meine Damen und Herren, wir als Koalition schützen die Arbeitsplätze: die, die wir jetzt haben und deren Zahl auf Rekordniveau ist, und die, die in Zukunft durch neue Geschäftsmodelle entstehen sollen. ({9}) Wir haben einen Gesamtetat von 27,8 Milliarden Euro. Davon werden rund 17 Milliarden Euro für diesen Etat bereitgestellt, um kräftig zu investieren. Er ist der größte Investitionsetat des Bundes. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Herr Meyer, wir haben natürlich die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass es zu einem besseren Mittelabfluss kommt. Aber damit es einen besseren Mittelabfluss gibt, braucht es die notwendigen Grundentscheidungen, die gewährleisten, dass wir Planer, Gutachter und Ingenieure haben. Ich möchte mich auch für den Aufwuchs beim Personal sehr herzlich bedanken. Wir brauchen gute, motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich habe eine Ausbildungsoffensive gestartet, und ich habe den jungen Leuten Garantien gegeben, damit sie bei der öffentlichen Verwaltung bleiben. ({10}) Von vier Personen, die wir ausbilden, verlieren wir derzeit nämlich drei an andere Verwaltungen oder an die freie Wirtschaft. Ich möchte, dass sich dieser Trend umkehrt und wir den jungen Leuten eine Perspektive in unserer Verwaltung bieten. Die Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger muss lauten: Seid motiviert! Wir, unser Ministerium und auch die vielen nachgelagerten Behörden, sind ein guter Arbeitgeber. Wir brauchen die jungen Leute, meine Damen und Herren. ({11}) Für einen besseren Mittelabfluss habe ich einen Baugipfel abgehalten, um mit der Bauindustrie in einen Dialog zu treten. Der Investitionshochlauf, den Alexander Dobrindt gestartet hat, muss solide fortgesetzt werden. Es muss hier zu einem Mittelabfluss kommen, damit wir mit guten Baufirmen zusammenarbeiten können. Meine Damen und Herren, wir sind kreativ. Wenn Sie sich die Förderungen fürs Gewerbe anschauen, stellen Sie das fest. Ich habe nächste Woche einen Gipfel zum Abbiegeassistenten. ({12}) Wir haben bereits mit den ersten Unternehmen angefangen. Wir werden diesen Abbiegeassistenten fördern; denn hier geht es um eine Förderung von Sicherheit. Wir wollen die schlimmen Unfälle mit Kindern und Jugendlichen vermeiden. Deswegen werden wir – auch mit Ihrer Unterstützung – mit gutem Beispiel vorangehen und den Fuhrpark des BMVI und seiner vielen nachgelagerten Behörden entsprechend ausrüsten. Wir wollen also mit gutem Beispiel vorangehen und den Abbiegeassistenten, der ein paar Hundert Euro kostet, einbauen. ({13}) Wir haben die Trassenpreise gesenkt, wir investieren verkehrsträgerübergreifend, und wir setzen einen Schwerpunkt bei der digitalen Infrastruktur. Es freut mich, dass die Vorredner nicht nur auf das Brot-und-Butter-Geschäft des Verkehrsministeriums eingegangen sind, sondern auch auf das Thema der digitalen Infrastruktur. Ich kann Ihnen heute vermelden: Wir geben in diesen Stunden die Richtlinie zur Förderung des Breitbandausbaus frei. Es handelt sich um eine neue Richtlinie, die dazu führt, dass wir Zeit sparen. Wir haben intensiv mit den Kommunen zusammengearbeitet. ({14}) Auch aus dem Parlament sind sehr, sehr viele gute Vorschläge gekommen. Herzlichen Dank dafür! Beispielsweise haben wir das Scoring, also das Bewerten jedes Antrags anhand eines umfassenden Kriterienkatalogs, komplett abgeschafft, und wir ermöglichen ein Upgrade. ({15}) Wir möchten, dass das Programm intensiver genutzt wird und sich die Planzeiten mindestens um ein halbes Jahr verkürzen. Deswegen werde ich heute den Startschuss geben. Die neuen Anträge können ab dem 1. August dieses Jahres gestellt werden. Somit ist die Forderung „Glasfaser bis ins Haus“ keine Wunschvorstellung, sondern sie wird durch diese Koalition Realität. ({16}) Außerdem werde ich noch vor der Sommerpause einen Mobilfunkgipfel durchführen. Ich bin unzufrieden damit, dass es immer noch Stellen gibt – woran auch immer wieder Kritik geäußert wird –, wo es teilweise seit Jahren oder Jahrzehnten Funklöcher gibt. Wir müssen diese Funklöcher schnellstens abarbeiten. Deswegen führe ich einen Mobilfunkgipfel mit den Anbietern durch, damit unsere hochentwickelte Wirtschaft endlich auch an dieser Stelle besser wird. ({17}) Das werden wir tun, und wir werden 5 300 Schulen mit schnellem Internet versorgen. Wir haben das digitale Testfeld in Häfen und die 5x5G-Strategie für den neuen Mobilfunkstandard, und wir werden mit kreativen Köpfen und kreativen Ideen schauen, dass wir in diesem Ministerium im Haushaltsjahr 2018 ordentlich vorwärtskommen. Auch in 2019 werden wir dieses Lebensministerium so mit Investitionen ausstatten, dass das Steuergeld der Bürgerinnen und Bürger bei ihnen wieder reinvestiert wird, damit Berlin nicht weit weg von den Bürgerinnen und Bürgern ist, sondern die Investitionen vor Ort getätigt werden. Dafür brauche ich Ihre Unterstützung, und ich bedanke mich für diesen Haushalt bei allen, die tatkräftig mitgeholfen und nicht nur kritisiert haben. Herzlichen Dank. ({18})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Andreas Scheuer. – Nächster Redner für die AfD-Fraktion: Wolfgang Wiehle. ({0})

Wolfgang Wiehle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004933, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Die Schienenwege, Straßen und digitalen Netze sind die Lebensadern unseres Landes. Sie bedarfsgerecht auszubauen und in Schuss zu halten, ist Kernaufgabe der Politik. Wie oft habe ich aber in den letzten Wochen gehört, dass es gar nicht einmal an Geld mangelt, sondern Bürokratie und lange Planungszeiten im Wege stehen. In diesem Lande sind viel zu oft die Bremser am Zug und nicht die Macher. ({0}) Unsere Nachbarn wundern sich immer wieder, warum es beim deutschen Anteil an grenzüberschreitenden Projekten so langsam vorangeht. Der Kollege Holm hat die Anbindung des Fehmarnbelt-Tunnels bereits erwähnt. Wir brauchen eine beherzte Planungsbeschleunigung, und zwar so, dass der Dialog mit den Bürgern vor Ort auch in Zukunft seinen guten Platz hat. Die Einsprüche, die einzig und allein der Verhinderung dienen, müssen ins Leere laufen. ({1}) In den letzten Jahren wurde der Ausbau der Rheintal-Strecke mit großzügigem Lärmschutz entworfen – weit über das gesetzlich geforderte Maß hinaus. Das kostet zwar viel Geld zusätzlich, wird aber viel besser akzeptiert. Der Ausbau der Zulaufstrecke für den Brenner-Basistunnel muss auf dieselbe großzügige Weise mit Lärmschutz ausgerüstet werden. Wenn das von vornherein klar ist, dann sollte – betrachtet man das mit gesundem Menschenverstand – die Planung auch rasch zu einem guten Ergebnis führen. Realismus, Transparenz und Verlässlichkeit: Das hat die AfD-Fraktion bei der Beratung des Haushalts für Verkehr und digitale Infrastruktur eingefordert. Auch wenn Sie die Öffentlichkeit wochenlang mit Ihrem Streit in Atem halten, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition: ({2}) Für die Ablehnung auch der sinnvollsten Anträge der Opposition reicht die Einigkeit ja dann doch – aber zum Schaden unseres Landes. ({3}) Transparenz bedeutet zum Beispiel, wie vom Bundesrechnungshof ja auch gefordert, die Bundesmittel für das Projekt Stuttgart 21 in einem eigenen Haushaltstitel auszuweisen. Was gibt es hier eigentlich zu verbergen? Warum verweigert die Mehrheit dieses Hauses einen solchen Schritt, der nicht einen einzigen Euro mehr kosten würde? ({4}) Realismus heißt, die Verkehrsachsen dort auszubauen, wo wirklich Bedarf besteht. Ein wichtiges Beispiel sind die Tausenden von Lastwagen, die jeden Tag im Transitverkehr durch unser Land rollen und die Staus auf den Autobahnen länger werden lassen. Sorgen wir dafür, dass ein wachsender Anteil davon auf die Schiene verlagert wird. ({5}) Die AfD setzt sich dafür ein, die notwendigen Stationen und Kapazitäten auf den Bahnstrecken zügig zu planen und auszubauen. ({6}) Bei der Verlässlichkeit sind wir einen ganz kleinen Schritt weiter. Die versprochene Senkung der Trassenpreise, also der Schienenmaut, im Güterverkehr soll nun doch noch in 2018 kommen, jedenfalls wenn Brüssel es erlaubt. Über den Weg dorthin kann man aber nur den Kopf schütteln. An einem Vormittag wurde im Verkehrsausschuss der AfD-Antrag hierzu abgelehnt, auch mit den Stimmen der Grünen. Am selben Tag wurde im Haushaltsausschuss am Nachmittag seitens der Grünen ein eigener Antrag eingebracht, der dem Antrag der AfD sehr, sehr ähnlich war. In der Bereinigungssitzung schob die Koalition einen weiteren Antrag nach. Meine Damen und Herren, manches kann man auch einfacher haben. ({7}) Wir laden Sie dazu ein, auch einmal einem AfD-Antrag zuzustimmen. ({8}) Dann klappt es vielleicht auch mit der Transparenz bei Stuttgart 21. ({9}) Wenn wir an der Spitze der technologischen Entwicklung mitspielen wollen, müssen wir auch bei der digitalen Vernetzung kräftig nachlegen. Die Produktion der Zukunft, aber auch viele alltägliche Abläufe werden ohne das Internet der Dinge nicht mehr vorstellbar sein. Dafür brauchen wir schnellere Netze, Glasfaserverkabelung und Mobilfunk nach dem Standard 5G. Wie bei Straßen- und Schienenwegen fehlt es hier meist nicht primär am Geld. Fördermittel in beträchtlicher Höhe bleiben liegen, weil die Bürokratie im Wege steht. Dass nach den Regeln der EU Internetanschlüsse standardmäßig nur bis 30 Megabit pro Sekunde gefördert werden dürfen, ist einfach ein Anachronismus. ({10}) Für die digitalen Netze brauchen wir genauso eine Planungs- und Umsetzungsbeschleunigung. Wir dürfen uns nicht blindlings auf den Markt verlassen. Vielleicht funktioniert das in den großen Städten. Aber in der Fläche wird vielerorts wie beim Straßenbau die öffentliche Hand die Infrastruktur selbst hochziehen müssen. Wir dürfen nicht jahrelang warten, bevor wir Netz- und Funklöcher mit Notmaßnahmen schließen. Nutzen wir die verfügbaren Mittel, um die digitale Infrastruktur systematisch auszubauen. ({11}) Die Lebensadern unseres Landes, meine Damen und Herren, Verkehrswege und digitale Netze, brauchen eine Befreiung von den Blockaden, die Bürokratie und Ideologie verursachen. Dann können wir die staatlichen Mittel effizient und nutzbringend einsetzen. Nur so kommt Deutschland wieder an die Spitze der Entwicklung. ({12})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank. – Nächster Redner: Gustav Herzog für die SPD-Fraktion. ({0})

Gustav Herzog (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003148, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Koalition investiert tatkräftig in die digitale Zukunft unseres Landes. Herr Bundesminister, wir sind heftig dabei, den Koalitionsvertrag umzusetzen. Das spiegelt sich in diesem Haushalt wider. Mein Dank geht auch an die Haushälter der Koalition, die die fachlichen Anregungen der Politiker aus dem Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur gerne übernommen haben. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, digitale Infrastruktur ist kein Selbstzweck. Wir wollen, dass die Menschen einen Zugang zum schnellen Internet bekommen, dass die Wirtschaft einen Draht in eine leistungsfähige und vor allen Dingen zuverlässige digitale Infrastruktur hat. Wie rasant diese Entwicklung in der Wirtschaft ist, will ich an der Begrifflichkeit „Industrie 4.0“ festmachen. Als 2005 in der Wissenschaftsstadt Kaiserslautern das erste Mal der Begriff „Smart Factory“ fiel, haben noch viele gefragt: Was ist denn das? – Heute ist es Allgemeingut. Wir wissen: Es ist die Zukunft unseres Landes. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Koalitionsvertrag ist wie in keinem anderen vorher das Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse auch im Hinblick auf die digitale Ausstattung unseres Landes festgeschrieben. Wir wollen auch, dass der ländliche Raum genauso wie die urbanen Zentren die entsprechenden Möglichkeiten hat. Das ist ein Schwerpunkt dieses Koalitionsvertrages und dieser Koalition. ({2}) Wir wollen, dass die Förderung des Infrastrukturausbaus technikneutral vonstattengeht. Alle, die sich mit dieser Sache intensiver beschäftigen, wissen: Gigabitfähige Infrastruktur heißt Breitband und 5G, wobei 5G für mich die Heirat von einer wirklichen Breitbandversorgung und Mobilfunk ist und die Glasfaser der Trauzeuge ist. ({3}) Herr Kollege, Herr Bundesminister, es war gut – eine richtige Punktlandung –, heute die neue Förderrichtlinie für den Breitbandausbau auf den Tisch zu legen und dabei besonders zu erwähnen, dass auch der Ausbau der Versorgung mit Mobilfunknetzen Teil dieser Richtlinie ist. Da gehen wir gemeinsam einen guten Weg. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der letzten Woche hat der Beirat bei der Bundesnetzagentur auf Anregung der Koalitionsfraktionen einen guten Beschluss gefasst, wie wir uns die Ausstattung mit 5G vorstellen. Und ich will, weil einige gesagt haben, wir hätten das sozusagen im stillen Kämmerlein gemacht, sagen: Nein, wir haben mit allen aus der Branche gesprochen: den Mobilfunkern, den Dienstleistern, den Herstellern, der Industrie. Das war ein sehr breit abgestimmter Weg, den wir hier gegangen sind, und es war ein guter Beschluss, was sich auch daran zeigt, dass es keine Gegenstimmen gab, sondern nur vereinzelt Enthaltungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, beim Mobilfunk reiht sich jetzt wohl ein Gipfel an den anderen. Und, Herr Bundesminister, ich hoffe, es wird ein Gipfel und nicht – wie in NRW – nur ein Hügel. ({5}) Denn dort ist im Grunde genommen etwas vereinbart worden, was ja in der Verpflichtung der Mobilfunker steht, und das Land Nordrhein-Westfalen war dann so schlau, zu sagen: Wir fordern dann mal den Bund auf, für ein Beihilfeprogramm zu sorgen, oder wir fordern die Bundesnetzagentur auf, auf eine Dienstanbieterverpflichtung zu verzichten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Nordrhein-Westfalen kann hier kein Vorbild sein. Ich denke, beim Bund können wir es besser, so wie wir es mit diesem Haushalt deutlich machen, indem wir in Modellregionen und in mehr Qualität und Sicherheit beim Mobilfunk auf und entlang der Schienenwege investieren. Wir sind gut aufgestellt. Wir werden es tatkräftig umsetzen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({6})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Gustav Herzog. – Nächster Redner: Bernd Reuther für die FDP-Fraktion. ({0})

Bernd Reuther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004864, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Guten Morgen, lieber Minister Andreas Scheuer! Die Nacht war kurz, deswegen möchte ich heute auch mit einem Lob beginnen: ({0}) Wir begrüßen ausdrücklich die Einigung bei Toll Collect und sind sehr froh, dass dieses leidige Thema endlich abgeräumt ist. ({1}) Auch muss man konstatieren, dass der neue Minister in den ersten 100 Tagen für mehr Wirbel gesorgt hat als sein Vorgänger in der gesamten letzten Wahlperiode. Aber das ist auch nicht so schwer. ({2}) Bis dato handelt es sich allerdings nur um Ankündigungen wie beispielsweise gerade wieder die, Fahrverbote zu verhindern. Es gibt inzwischen Fahrverbote; denn es hat sich nicht viel getan. In 16 sogenannten Intensivstädten drohen Fahrverbote. Auf der anderen Seite werden neue Autos nicht zugelassen. Das Sinnbild dieser Zeit kann man einige Kilometer von hier bewundern oder auch nicht: Nicht zugelassene Neufahrzeuge stehen auf einem nicht betriebsbereiten Flughafen. – Das ist heutzutage die Mobilität in diesem Land, meine Damen und Herren. ({3}) Lösungen werden leider nicht angeboten. Die FDP fordert die Bundesregierung auf, bei der EU umgehend ein Moratorium zu erwirken und die Anwendung der EU-Luftqualitätsrichtlinie auszusetzen. Sollte dies – bei der EU ist ja nicht immer alles möglich – nicht möglich sein, muss die Bundesregierung für eine Mobilitätsgarantie für von Fahrverboten betroffene Dieselkraftfahrzeughalter sorgen. Wir Freien Demokraten schlagen daher zumindest für die Hardwarenachrüstung von Euro‑5-Dieseln einen Fonds zur Finanzierung vor, ähnlich der Förderung des Bundes damals für die Rußpartikelfilter. Nur so kann Fahrverboten effektiv entgegengewirkt werden. ({4}) – Man muss ja auch einmal eine Lösung präsentieren und nicht immer nur dagegen meckern, Herr Kollege. ({5}) Herr Minister Scheuer hat – wie eben wieder – angekündigt, die Investitionen anzukurbeln. Trotzdem ist die Geschichte vom Investitionshochlauf nur die halbe Wahrheit. Die deutsche Infrastruktur bröckelt. Schleusen, Brücken und Kanäle müssen saniert werden, ganz zu schweigen von den Funklöchern; aber da bekommen wir ja demnächst eine App, wo wir die dann alle melden können. Die Investitionen in die Wasserstraßen sind sogar rückläufig. ({6}) Die Folgen sind schon heute sichtbar. An einzelnen Schleusen warten Schiffe teilweise bis zu einem Tag. Bis zu einem Tag, Herr Kollege! Ich sage es Ihnen; das wissen Sie auch. ({7}) Das macht den Vorteil dieses wichtigen Verkehrsträgers komplett zunichte. ({8}) Wir fordern eine schnellstmögliche Umsetzung des Masterplans Binnenschifffahrt. ({9}) – Sie haben ja die ganzen letzten Wahlperioden nicht mitregiert. ({10}) Ich will noch einmal zu dem Entwurf des Planungsbeschleunigungsgesetzes kommen, der gute Ansätze aufweist. Es gibt aber zusätzlichen Handlungsbedarf. Die FDP spricht sich dafür aus, Gerichte zu entlasten, für Rechtswegverkürzungen auch für Straßenbauvorhaben und dafür, das 740‑Meter-Netz umzusetzen. Außerdem müssen wir die Plangenehmigung von Brückenersatzneubauten in der Praxis ermöglichen. Lieber Herr Minister, machen Sie den Weg frei für vereinfachte Genehmigungsverfahren, ({11}) und nutzen Sie die Chancen der Digitalisierung! ({12}) Aber auch das beste Planungsgesetz der Welt ist nutzlos ohne qualifizierte Mitarbeiter. Deswegen muss das Personal in den Planungsverwaltungen besser eingesetzt werden. Aber trauen Sie sich auch, neue Wege zu gehen! Geben Sie die Planung auch in die Unternehmen! Sie haben ebenfalls das Know-how. So können zeitgleich mehr Verkehrsprojekte effizient umgesetzt werden. ({13}) Ich komme zu meinem letzten Punkt. Eine weitere Mammutaufgabe für diese Legislaturperiode ist die Errichtung einer Bundesfernstraßengesellschaft. Sie droht aber bereits jetzt in Bürokratie zu ersticken, und das, noch bevor sie richtig auf den Weg gebracht worden ist. Aus unserer Sicht ist außerdem die Integration der DEGES dringend erforderlich. Sonst werden deren Mitarbeiter abgeworben. Das Wissen dieses hervorragenden Dienstleisters blutet aus. Deswegen lehnen wir die Gründung der Bundesfernstraßengesellschaft in dieser Form ab, meine Damen und Herren. ({14}) – Ja, aber die wollen alle, und es gibt kein Konzept der Bundesregierung bis dato, wie eine vernünftige Integration stattfinden kann. ({15}) – Ja. Meine Damen und Herren, es ist viel angekündigt worden. Die Umsetzung war zumindest in der Vergangenheit immer sehr mangelhaft. Die FDP wird kritisch begleiten, ob dieses Mal aus einem Ankündigungs- auch ein Umsetzungsminister wird. Herzlichen Dank. ({16})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Bernd Reuther. – Nächste Rednerin: Anke Domscheit-Berg für die Fraktion Die Linke. ({0})

Anke Domscheit-Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004703, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Bundestagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um etwa 67 Prozent wurden die Haushaltsmittel für den Breitbandausbau 2018 im Vergleich zum Vorjahreshaushalt gekürzt – nicht weil man plötzlich weniger für den Breitbandausbau braucht, sondern weil seit Jahren Fördergelder so schleppend abfließen, dass inzwischen 1,7 Milliarden Euro an sogenannten Ausgaberesten übrig sind. ({0}) Deutschlands Problem beim Breitbandausbau ist nämlich nicht nur eine Geldfrage. Die fehlgeleitete Strategie startete mit falschen Zielen. Denn 50 Mbit bedeutet Förderung von Vectoring auf der Basis von Kupfer, und das behindert den Glasfaserausbau. Das unterstützt Bundesminister Scheuer allerdings dadurch, indem er die Deutsche Telekom ein zweites Mal mit Steuergeldern belohnt. So interpretiere ich die neue Richtlinie, mit der auch Upgrades subventioniert werden sollen. Ausbauwillige Unternehmen treffen auf eine Verhinderungsbürokratie. ({1}) Das Unternehmen GlobalConnect legt zum Beispiel eine Glasfaserleitung von Norddeutschland nach Berlin und beklagt Verzögerungen durch einen Genehmigungsflickenteppich. Forstbehörden in Schleswig-Holstein erwarten bei Glasfaserverlegung unter Waldwegen einzelne, zeitlich begrenzte und dazu noch entgeltpflichtige Nutzungsverträge. Was für ein Unfug! ({2}) Genehmigungen bei einer Bahnlinienquerung dauern über ein Jahr. Die Bahn liegt ja auch irgendwie in der Verantwortung dieses Ministeriums. Als in meiner Heimatstadt Fürstenberg die Havel unterquert werden musste, brauchte es zwei Genehmigungen – eine von der Behörde, die für den Uferbereich zuständig war, und eine von der, die für das Wasser zuständig war – und einen sogenannten landschaftspflegerischen Begleitplan. Da weiß ich nicht einmal, was das ist. ({3}) Monatelange Verzögerungen entstehen, weil immer wieder für ein paar Meter irgendeine Genehmigung fehlt von einer unteren oder oberen Straßenbau-, Forst- oder Wasserbehörde. ({4}) Förderverfahren sind aber auch für Kommunen zu komplex, schrecken ab und sind außerdem unattraktiv für viele Gemeinden. Nicht einmal jeder dritten beantragten Förderung von Breitbandberatung folgte auch ein Antrag auf eine tatsächliche Förderung von Breitbandausbau. Das heißt, über 70 Prozent der betreffenden Kommunen hatten Interesse, entschieden sich aber dagegen, vielleicht weil Kommunen gezwungen werden, selbst ausgebaute Glasfasernetze nach zehn Jahren, ungefähr wenn sie damit schwarze Zahlen schreiben, an Privatunternehmen zu verkaufen, eine Art Zwangsversteigerung mit schlechter Rendite. ({5}) Ich möchte Ihnen zeigen, wie es auch anders gehen kann. ({6}) Wie Sie sehen, ist das eine Landkarte von Schweden. Man muss nicht allzu viel erkennen, um festzustellen, dass sie sehr grün ist. ({7}) Das Grüne sind keine Naturschutzgebiete, sondern dort, wo es grün ist, haben 90 Prozent der Haushalte mindestens eine 1-Gigabit-Breitbandverbindung. In der oberen Hälfte der Karte wohnen übrigens nur 10 Prozent der Bevölkerung von Schweden. Der schwedische ITK-Industrieverband hat die Karte unserer Delegation des Digitalausschusses vor zwei Wochen gezeigt. Wie macht Schweden das? In Schweden waren Kommunen Treiber des Ausbaus. Zwei Drittel aller schwedischen Kommunen besitzen ihr eigenes Glasfasernetz als Teil der Daseinsvorsorge. Wettbewerb gibt es nicht auf der Infrastrukturebene, was bei einem natürlichen Monopol wie etwa auch bei Abwasserrohren ja auch gar keinen Sinn macht, sondern auf der Diensteebene, zum Beispiel über ein Zugangsportal, auf dem man Angebote aller Anbieter transparent vergleichen, etwas kaufen, ändern und stornieren kann. Ein nationales Breitbandforum und miteinander vernetzte Koordinatoren unterstützen bei praktischen Problemen. Das Ergebnis ist preiswertes, nicht mega, sondern giga schnelles Internet fast überall, zum Beispiel 1 Gigabit für 50 Euro im Monat. Während hier die Telekom weiterhin Vectoring verbaut, verkündet Telia, ehemaliger schwedischer Monopolist, das Ende der Kupfertechnologie. Von Schweden kann man viel lernen. Ich hoffe, dass die Bundesregierung das tut; denn nicht nur die Höhe der Haushaltsmittel spielt eine Rolle, sondern auch, wie, an wen und ob sie überhaupt ausgegeben werden. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Denken Sie an Ihre Redezeit, bitte.

Anke Domscheit-Berg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004703, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja, letzter Satz, der immer kommt. Ich bin im Übrigen der Auffassung, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht in das Strafgesetzbuch gehören. § 219a, das Informationsverbot für Schwangerschaftsabbrüche, gehört endlich abgeschafft. Vielen Dank. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank. – Nächster Redner: Matthias Gastel für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Matthias Gastel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004278, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der CSU verrennt man sich häufiger. Wer in eine Sackgasse gerät, aber gerne weiterkommen möchte, sollte wenden. Wenn man über Verkehr redet, redet man dann von einer Verkehrswende. Diese ist notwendig bei uns, um die Mobilität aller Menschen in unserem Land zu sichern, um die massiven Belastungen durch zu viel Verkehr zu reduzieren und um das Klima wirksam zu schützen. ({0}) Die CSU hat sich auf anderen Themengebieten Österreich als Vorbild ausgeguckt. Da sollte sie sich einmal anschauen, was im Bereich der Verkehrspolitik dort gemacht wird. Beispielsweise liegt in Österreich der Anteil des Schienengüterverkehrs bei 36 Prozent. Das bedeutet, dass dort doppelt so viele Güter nicht auf der Straße, sondern auf den Schienenwegen transportiert werden, als das bei uns in Deutschland der Fall ist. Dort werden pro Kopf und Jahr 200 Euro in das Schienennetz investiert. Bei uns in Deutschland sind es gerade einmal 64 Euro. Selbst Italien ist besser als wir in Deutschland. Man muss aber auch richtig investieren. Das ist einmal mehr deutlich geworden durch den Bericht des Europäischen Rechnungshofs, der klargemacht hat, dass die Strecken im europäischen Hochgeschwindigkeitsnetz ein ineffizienter Flickenteppich seien. Des Weiteren wurde festgestellt, dass das insbesondere für Stuttgart 21 gilt, weil dort jede Minute Fahrzeitbeschleunigung viermal so teuer ist als im Durchschnitt anderer Projekte innerhalb der EU. Die CSU arbeitet ja gerne mit Masterplänen, und ihr Masterplan in Sachen Verkehr ist der Bundesverkehrswegeplan. Der führt aber unser Land – leider – weiter in eine Sackgasse. Er ist nämlich die Fortsetzung dessen, was schon seit Jahrzehnten gescheitert ist: Seit 1992 ist das Straßennetz in Deutschland um 40 Prozent gewachsen. Und was sind die Folgen davon? Die Folgen sind mehr Staus, noch längere Staus, mehr Lkw sowie eine Luftqualität, die zu Fahrverboten in Deutschland führt. Die CSU hat seit neun Jahren im Bund den Verkehrsminister gestellt, und deswegen sind es CSU-Fahrverbote. ({1}) Sie haben die Lkw-Maut ausgeweitet, was im Grundsatz auch richtig ist. Leider haben Sie die kleineren Lkw ausgelassen, und die Einnahmen, die kommen, wollen Sie ausschließlich in den Straßenbau investieren. Wir wollen, dass sie insgesamt in den Verkehrsbereich fließen, beispielsweise in die Verwirklichung des Deutschland-Taktes, damit die Menschen gute Bahnangebote bekommen und nutzen können, aber auch für einen guten öffentlichen Nahverkehr in Stadt und Land. Da müssen die Gelder reinfließen. ({2}) In Ihrem Koalitionsvertrag stehen durchaus gute Dinge, beispielsweise das Ziel der Verdoppelung der Fahrgastzahlen im Fernverkehr. Nur, mit mehr Straßen und weniger Investitionen in die Schiene wird es nicht gelingen. Schauen Sie sich mal die mittelfristige Finanzplanung an: plus 20 Prozent bei den Mitteln für den Straßenbau und ein Minus bei den Schienenwegen. So kann das Ziel natürlich nicht erreicht werden. ({3}) Dass Sie die Trassenpreise senken, ist gut und richtig – das haben wir ja auch schon mehrfach beantragt –; aber da Sie das auf wenige Jahre befristen, wird es natürlich nicht zum gewünschten Effekt führen. Denn welches Unternehmen wird sein Logistikkonzept zugunsten der Bahn umstellen, wenn das ganze Projekt überhaupt nur wenige Jahre gilt? Wir vermissen bei Ihnen auch praktisch messbaren Ehrgeiz bei der Radverkehrsförderung. Hier stagnieren die Mittel sowohl für die Radwege entlang von Bundesfernstraßen als auch im Bereich der Radschnellwege; deswegen der Appell von uns. Vermutlich sind Sie auf der Suche nach Themenfeldern, mit denen Sie sich profilieren können. Die Verkehrswende könnte ein solches Feld sein für neue Mobilitätsangebote in Stadt und Land, weniger Abhängigkeit vom eigenen Auto, mehr Lebensqualität durch bessere Luft in den Städten. Deswegen: Raus aus der Sackgasse! Vollziehen Sie die Wende in Ihrer Verkehrspolitik!

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Matthias Gastel. – Jetzt bitte ich um besondere Aufmerksamkeit für den nächsten Redner, weil er seine erste Rede im Deutschen Bundestag hält: Björn Simon für die CDU/CSU-Fraktion. ({0}) Toi, toi, toi!

Björn Simon (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004893, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir stimmen in dieser Woche über den Bundeshaushaltsplan für das Jahr 2018 und heute explizit über den Einzelplan 12, Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, ab. Das Aufstellen des Haushalts ist nicht nur von besonderer Bedeutung, weil damit der zukünftige Finanzkurs unseres Landes festgelegt wird, sondern auch – das Haushaltsrecht ist die Königsdisziplin jedes Parlaments –, weil die Bürgerinnen und Bürger uns daran messen, wie wir Finanzmittel für Investitionen freigeben. Da ist es erfreulich und bemerkenswert, dass wir auch in diesem Jahr ein überaus wichtiges Signal setzen, indem wir einen Haushalt ohne neue Schulden verabschieden. Es ist alles andere als selbstverständlich, dass wir zehn Jahre nach der Wirtschaftskrise auch in diesem Jahr wieder ein ausgeglichenes Budget vorlegen können. Der Dank hierfür gilt der Bundesregierung und insbesondere den Menschen in unserem Land, die mit ihrer täglichen Arbeit und ihrem täglichen Einsatz unsere Wirtschaft so erfolgreich machen. ({0}) Wenn wir uns den Einzelplan des BMVI anschauen, sehen wir, dass kein anderes Ministerium eine höhere Quote an Investitionsmitteln hat als das Verkehrsministerium. Diese Ausnahmestellung ist aber nichts anderes als Auftrag und Verpflichtung für uns Verkehrspolitiker; denn Wachstum und Wohlstand in unserem Land sind untrennbar mit einer zukunftsgerichteten Infrastruktur verknüpft. Mein Wahlkreis Offenbach im Herzen des wirtschaftlich starken Rhein-Main-Gebiets ist ein hervorragendes Beispiel dafür – wir haben es heute schon mal gehört –, wie vielfältig Verkehr in einem Ballungsraum ist, wie viel Bedeutung die einzelnen Verkehrsträger für die Menschen und die Wirtschaft haben und wie groß dementsprechend unsere Verantwortung ist, die Infrastruktur in Deutschland nachhaltig zu gestalten. Mit den Autobahnen A 3 und A 5 sowie Schnittstellen wie dem Frankfurter Kreuz fließen einige der Hauptverkehrsadern Deutschlands durch die Region. Der angrenzende Frankfurter Flughafen ist der größte Flughafen in Deutschland und eine der weltweit größten Luftverkehrsdrehscheiben. Zudem hat die Deutsche Bahn mit dem Frankfurter Hauptbahnhof einen Knotenpunkt vor Ort, und die Binnenschifffahrt auf dem Rhein und dem Main ist für den Güter- und Personentransport unerlässlich. Das Rhein-Main-Gebiet steht somit stellvertretend dafür, wie verzahnt die Verkehrsträger bundesweit untereinander sind und wie wichtig eine bundesweit funktionierende Infrastruktur für die Wirtschaftskraft, aber auch die persönliche Freiheit von mehreren Millionen Menschen in unserem Land ist. Aber es wird auch ersichtlich, worum es in unserer heutigen Debatte auf Bundesebene nicht gehen darf: Es geht nicht darum, über das vermeintlich beste, über das vermeintlich pünktlichste, über das vermeintlich beliebteste, über das vermeintlich schnellste Verkehrsmittel zu diskutieren, es geht nicht darum, die einzelnen Verkehrsträger – also die Straße, den Luftverkehr, die Schiene, die Schifffahrt – gegeneinander auszuspielen; es geht vielmehr darum, unsere vielfältige Infrastruktur an den Menschen auszurichten, die sie tagtäglich nutzen. ({1}) Das heißt, dass sich unsere Politik an dem orientieren muss, was gesellschaftlich richtig, ökologisch sinnvoll und volkswirtschaftlich geboten ist. Wir haben es vom Bundesminister gehört: durchschnittlich 39 Kilometer am Tag pro Bürger. Das heißt, dass wir den richtigen Mix aus erfolgreichen Modellen und Angeboten finden müssen, der die Menschen und die Wirtschaft voranbringt. Das heißt, dass wir den Menschen nicht vorschreiben werden, welches Verkehrsmittel sie wählen sollen, sondern dass eine klare und moderne Verkehrspolitik, wie wir sie gestalten, daran arbeitet, dass es Menschen leichterfällt, auch mal die Bahn, den ÖPNV und das Fahrrad zu nehmen. ({2}) Genau diese kluge und moderne Verkehrspolitik stärken wir mit diesem Haushalt nachhaltig. Meine sehr verehrten Damen und Herren, als Berichterstatter meiner Fraktion für das Thema Luftverkehr erlaube ich mir zudem einen gesonderten Blick auf die Herausforderungen in diesem Bereich; denn der Luftverkehr verdeutlicht vermutlich besser als alle anderen Verkehrsträger die Herausforderungen einer modernen, klugen und nachhaltigen Verkehrspolitik. Es gilt, dem Bedürfnis der Menschen nach Mobilität in diesem Bereich nachzukommen; gleichzeitig haben wir die Aufgabe, die negativen Auswirkungen wie Emissionen so gering wie möglich zu halten. Gerade im Hinblick auf das Thema Lärmminderung gibt es noch viele Kapazitäten, und wir werden dafür Sorge tragen, dass diese auch genutzt werden. ({3}) Eine ganz konkrete und kurzfristige Herausforderung im Bereich der Luftfahrt sind die Sicherheitskontrollen für Passagiere. Hier kommt es an vielen großen Flughäfen in Deutschland immer wieder zu massiven Engpässen in den Stoßzeiten. Viele Menschen beginnen den Urlaub noch immer mit einem verpassten Flug. Hier setzen wir uns als Verkehrspolitiker für eine Änderung des Systems der Sicherheitskontrollen und auch für eine notwendige finanzielle Entlastung ein und begrüßen es, dass die Bundesregierung ihre diesbezügliche Unterstützung gemäß Koalitionsvertrag auch schon zugesichert hat. Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend betrachtet ist der vorliegende Verkehrshaushalt ein Garant für eine zukunftsfähige und moderne Infrastruktur, ein Haushalt der Kontinuität. Nur dort, wo sowohl die Verkehrs- als auch die digitale Infrastruktur entstehen, erhalten und weiter ausgebaut werden, nur dort wird es auch zukünftig Wachstum und Wohlstand geben. Der Einzelplan 12 des Bundeshaushalts verdient daher unsere volle Unterstützung. Ich danke allen Beteiligten für die hervorragende Arbeit sowohl am Entwurf als auch an den noch eingebrachten Verbesserungen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({4})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Björn Simon. – Normalerweise wird da gratuliert. Genau! ({0}) Jetzt war ich ganz erstaunt. Nächster Redner für die SPD-Fraktion: Detlef Müller. ({1})

Detlef Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003816, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mehr Verkehr auf die Schiene – diese Koalition setzt jetzt das um, von dem seit Jahren meist nur geredet wurde: eine moderne Schienenverkehrspolitik bei einer zugleich umweltfreundlichen und wirtschaftlichen Verkehrswende, indem mehr Personen- und Güterverkehr auf die Schiene gebracht wird. Mit dem Schienenpakt wollen wir bis 2030 die Zahl der Bahnkunden verdoppeln und zugleich deutlich mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagern. Zum Thema Schienenpolitik erlauben Sie mir aber bitte jetzt schon eine Bemerkung zu den Kolleginnen und Kollegen der AfD-Fraktion. Die AfD-Fraktion orientiert sich bei ihrer Verkehrspolitik an ihrem allgemeinen Fraktionsmotto: laut, ungehemmt, ohne Fakten, Inhalt egal. ({0}) Zur Erinnerung: In der Debatte zur ersten Lesung dieses Haushalts am 15. Mai konnten wir das AfD-Zirkusduo „Dr. Spaniel und Herr Wiehle“ bewundern, das uns eine beeindruckende Jonglage mit unvereinbaren Inhalten und politischer Zweigleisigkeit zum Besten gegeben hat. Da sagte Dr. Spaniel in seiner Rede den Satz – ich zitiere –: Jeder Euro für die Straßeninfrastruktur rechnet sich vielfach besser als jeder Euro für die Bahn. Sein stets hilfreicher Kollege Herr Wiehle ließ sich das nicht zweimal sagen, fing die Bälle auf und ließ sie prompt fallen. Zitat: Der Güterverkehr auf der Schiene muss gestärkt werden, nicht zuletzt der internationale, um die Autobahnen von der wachsenden Anzahl von Transit-Lkw zu entlasten. Ja, was denn nun? Hü oder hott, meine Damen und Herren? ({1}) So können Sie jedenfalls keinen guten Zirkus machen und schon gar keine gute Politik, werte Kolleginnen und Kollegen von der AfD. ({2}) Demgegenüber sind die Vorhaben der Koalition im Bereich des Schienenverkehrs umfassend und ehrgeizig, dabei aber auch klug und ausgewogen: der bereits erwähnte Schienenpakt 2030, das Tausend-Bahnhöfe-Förderprogramm, die Elektrifizierung von 70 Prozent des Schienennetzes bis 2025. Im Rahmen des Verfahrens zum Bundesverkehrswegeplan 2030 warten wir gerade auf die Ergebnisse der Nutzen-Kosten-Analyse der Vorhaben, die in den vordringlichen Bedarf aufrücken könnten. Glauben Sie mir, als Chemnitzer weiß ich, was das bedeutet. Durch ein Planungsbeschleunigungsgesetz schaffen wir die Grundlage für zügige Verfahren und für schnellere Umsetzungen von Vorhaben und, und, und. Dabei haben wir aber auch die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger im Blick, indem wir den Schienenlärm bis 2020 halbieren wollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, einer der wirksamsten Hebel, die Wettbewerbsfähigkeit des umweltfreundlichen Verkehrsträgers Schiene zu stärken, ist die Senkung der Trassenpreise. Hier werden wir, wie im Koalitionsvertrag versprochen und von der Opposition angemahnt, zügig, nämlich schon im laufenden Jahr liefern. ({3}) Im Haushalt 2018 haben wir 175 Millionen Euro für die Reduzierung der Trassenpreise im Schienengüterverkehr zur Verfügung gestellt, und zwar nach erfolgreicher Modifizierung der Förderrichtlinie rückwirkend zum 1. Juli 2018. ({4}) Für die Jahre 2019 bis 2021 wird die Bundesregierung jeweils 350 Millionen Euro pro Jahr, also mithin mehr als 1 Milliarde Euro, zur Reduzierung der Trassenpreise einstellen. Das, meine Damen und Herren, liebe Bürgerinnen und Bürger, ist ein wirklicher Erfolg der Koalition und ein wichtiger Schritt für die Stärkung des Schienenverkehrs sowie ein Schritt hin zu einer echten Verkehrswende. ({5}) Meine Damen und Herren, staatliches Handeln braucht aber auch Menschen, die es umsetzen. Eine steigende Aufgabenlast der Verkehrsbehörden erfordert mehr Personal. Beim Eisenbahn-Bundesamt beispielsweise sind Außenstellen nicht ausreichend besetzt. Zudem entsteht durch das Planungsbeschleunigungsgesetz ein weiterer Mehrbedarf. Von 90 angemeldeten Stellen sind für 2018 nur 13 im Haushalt eingeplant; neue Stellen gibt es nur im Leitungsbereich. Auch für das Bundesamt für Güterverkehr entstehen gerade durch die dringend notwendige Überwachung der Lenk- und Ruhezeiten, der Ladungssicherung, des technischen Zustandes der Fahrzeuge, aber auch durch die Mauterweiterung auf alle Bundesstraßen mehr Aufgaben. Generell braucht es in der Personalwelt der öffentlichen Hand immer auch eine gute Personalgewinnungsstrategie. Es hilft nichts, wenn wir neue Stellen auf dem Papier im Haushalt beschließen, diese Stellen dann aber nicht besetzen können. ({6}) Deswegen zum Schluss meine deutliche Aufforderung an die Bundesregierung: Bitte sorgen Sie dafür, dass moderne Verwaltung auch eine moderne, aktive Personalgewinnung betreibt. Vielen Dank. ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Detlef Müller. – Nächster Redner: Eckhard Pols für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Eckhard Pols (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Guten Tag, Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich heute Mittag in meiner Rede zum Haushalt 2018 einem Verkehrsträger widmen, der bei vielen nicht gleich im Fokus steht. Wir haben eben viel über Straße und Schiene gehört – sicherlich wichtige Verkehrsträger in Deutschland, vor allem jetzt in der bevorstehenden Urlaubszeit. Aber gerade beim Gütertransport ist das Binnenschiff das Transportmittel mit erheblichem Potenzial nach oben; und dieses Potenzial müssen wir ausschöpfen. Das Binnenschiff ist ein leistungsstarker und umweltfreundlicher Verkehrsträger; denn schon ein modernes Gütermotorschiff kann bis zu 150 Lkw ersetzen. Umso mehr wundert es mich, dass nur ein Zehntel unseres inländischen Güterverkehrsaufkommens auf die Binnenschifffahrt fällt. Hier müssen wir den Anteil immens steigern. ({0}) Die Koalition hat die Notwendigkeit bereits erkannt und Maßnahmen dazu im Bundeshaushalt ergriffen. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Masterplan Binnenschifffahrt. Beim Masterplan soll und muss es aber auch um die Infrastruktur gehen. Dafür geben wir der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung, den WSA, in einem ersten Schritt mehr Personal; in der Summe sind es über 90 Stellen. Ohne die WSA können die Bundeswasserstraßen weder erhalten noch ausgebaut werden, und Planungen sind schlichtweg nicht möglich. Wie wichtig dieses zusätzliche Personal ist, zeigt der in den nächsten Jahren überdurchschnittlich steigende Ersatzinvestitionsbedarf für unsere Wehre und Schleusen. Rund 60 Prozent der Schleusen wurden vor dem Jahr 1950, 20 Prozent der Schleusen sogar vor 1900 errichtet. Beim Erhalt unserer Bundeswasserstraßen kommt den verkehrsträchtigsten unter ihnen natürlich eine herausgehobene Bedeutung zu: So ist zum Beispiel der Rhein mit Abstand die am meisten befahrene Binnenwasserstraße in Deutschland und in Europa. ({1}) – Und die schönste. Aber das sagt jeder. Die Elbe ist es auch; dazu komme ich jetzt. ({2}) Ebenso wichtig sind das westdeutsche Kanalnetz im Ruhrgebiet, der Nord-Ostsee-Kanal, der Mittellandkanal sowie der Elbe-Seitenkanal, für die für Ersatz-, Aus- und Neubaumaßnahmen ein Betrag in dreistelliger Millionenhöhe zur Verfügung steht.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Herrn Reuther von der FDP-Fraktion?

Eckhard Pols (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Gut.

Bernd Reuther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004864, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Gerade Ihre Ausführungen zum Rhein habe ich mit großem Interesse zur Kenntnis genommen. Es gab ja eine Resolution von vier Anrainerbundesländern, bei denen auch in dreien die CDU an der Regierung beteiligt ist, die mehr Geld für den Ausbau des Rheins gefordert hat. ({0}) Leider ist dazu im Bundeshaushalt nichts zu finden. Wie stehen Sie dazu? Vielen Dank. ({1})

Eckhard Pols (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004131, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege, ich habe ja eben gesagt, dass wir einen dreistelligen Millionenbetrag für die Ersatz-, Ausbau- und Neubaumaßnahmen zur Verfügung stellen. Dazu gehören auch der Rhein und das Ruhrgebiet, wo der Rhein durchfließt. Von daher haben wir auch hier den Rhein nicht vergessen. In diesem dreistelligen Millionenbetrag sind zum Beispiel auch die Mittel für einen Schleusenneubau an der Schleuse Scharnebeck bei Lüneburg am Elbe-Seitenkanal enthalten. Dieses Schiffshebewerk, das heute ein Nadelöhr ist, dient der besseren Hinterlandanbindung des Hamburger Hafens. Weitere Flüsse und Kanäle lassen sich als besonders relevant einstufen, und sie alle werden von dem zusätzlichen Personal bei den WSA direkt oder indirekt profitieren. Seine bestehenden Stärken zu pflegen und auszubauen, ist das eine. Neue Stärken zu entwickeln, ist das andere. Letzteres werden wir etwa bei der Binnenelbe machen. Mit dem „Gesamtkonzept Elbe“ verpflichten sich Bund und Länder einem großen Ziel: der Förderung der Schiffbarkeit der Binnenelbe bei Erhalt des dortigen Naturraums. ({0}) Besondere Aufmerksamkeit kommt hier der Reststrecke zwischen Dömitz und Hitzacker zu. Hier muss eine Lösung für den ungleichmäßigen Sedimenttransport und die daraus resultierende ständig notwendige Fahrrinnenanpassung gefunden werden. ({1}) Für die Umsetzung dieses wegweisenden Gesamtkonzeptes gibt der Bund rund 35 Stellen frei. Dies ist ein klares Bekenntnis der Koalition zur Elbe als Binnenwasserstraße. Ein weiterer wichtiger Meilenstein ist die Abschaffung der Befahrensabgaben für die Nutzung der Binnenwasserstraße. Hierfür wird die Koalition die rechtlichen Regelungen schaffen, um sie im Haushalt 2019 berücksichtigen zu können. Wir entlasten dadurch die Binnenschifffahrt deutlich. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, werden wir zudem das Förderprogramm „Nachhaltige Modernisierung von Binnenschiffen“, das Ende dieses Jahres ausläuft, verlängern und ausbauen. Alternative Antriebe in der Binnenschifffahrt werden gefördert sowie Pilotprojekte für alternative Antriebskonzepte und Kraftstoffe umgesetzt. Ebenso kümmern wir uns um die Nebenwasserstraßen und den dort oft betriebenen Wassertourismus. Dazu gehört auch die Umsetzung des Wassertourismuskonzeptes des BMI. Vor allem für unsere ländlichen und teilweise strukturschwachen Regionen ist der Wassertourismus ein unverzichtbarer Wirtschaftszweig geworden, und den müssen wir auch weiter stärken. Daher kann das Fazit nur lauten: Der Einzelplan 12 setzt wichtige und richtige Akzente für die Binnenschifffahrt und den Wassertourismus. Wir erfüllen damit auch unsere Versprechen aus dem Koalitionsvertrag und stärken diese beiden Bereiche. Vielen Dank. ({2})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Eckhard Pols, auch für Ihre zeitliche Punktlandung. Sie haben absolut die Zeit eingehalten: Vielen herzlichen Dank. – Nächster Redner: Thomas Jurk für die SPD-Fraktion. ({0})

Thomas Jurk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Parlament hat wiederum von seinem Königsrecht Gebrauch gemacht. Wir haben das Budgetrecht, und so haben wir uns erlaubt, als Koalitionsfraktionen fast 50 Änderungsanträge einzubringen, um diesen Haushalt am Ende beschlussfähig zu machen. Es gab kleine Änderungen, formelle Änderungen bis hin zu ganz großen Änderungen. Es ist nicht immer so, dass die Änderung mit dem größten Geldvolumen die entscheidende ist. Ich will sie aber trotzdem noch einmal nennen, weil sie mir wichtig ist. Es ist die Senkung der Trassenpreise um 175 Millionen Euro. ({0}) Nun will ich nicht die berühmte Gebetsmühle strapazieren, möchte aber sagen: Manchmal muss man vorsichtig mit der Legendenbildung sein. Das gehört zur Wahrheit eben auch dazu. Am 23. Juni vergangenen Jahres hat der damalige Bundesverkehrsminister Dobrindt, der diese Debatte kurz verfolgt hat, nun aber leider nicht mehr da ist, den Masterplan Schienengüterverkehr vorgestellt. Das ist sicherlich eine gute Sache, bei der es auch um die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn geht. Er hat unter anderem angekündigt: Der Bund wird im kommenden Jahr die Trassenpreise für den Schienengüterverkehr deutlich senken. Dafür stellen wir mit dem Haushalt 2018  350 Millionen Euro bereit. Fünf Tage später, also nach der Vorstellung dieses Masterplans, wurde der erste Kabinettsentwurf für den Haushalt 2018 vorgestellt. Was, glauben Sie, stand darin von einer Senkung der Trassenpreise? Nichts. Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Anschreiben gab es lediglich den etwas verschämten Hinweis auf die zeitnahe Erarbeitung eines mehrjährigen Förderkonzepts, welches im nächsten Regierungsentwurf finanziell unterlegt werden sollte. Wir Haushälter sagen dazu: fehlende Haushaltsreife. Erst mit dem Koalitionsvertrag im Frühjahr 2018 gab es eine klare Fixierung dieser neuen Koalition auf die Senkung der Trassenpreise im Schienengüterverkehr, allerdings – und das gehört auch zur Wahrheit – ohne einen konkreten Zeitpunkt dafür festzulegen. Es ist dem neuen Bundesfinanzminister Olaf Scholz zu verdanken, dass er in der mittelfristigen Finanzplanung bei den Eckwerten sehr deutlich gemacht hat – das steht dort auch so –, dass wir ab dem Jahre 2019  350 Millionen Euro jährlich bereitstellen werden, um die Trassenpreise zu senken und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Eisenbahn zu erhöhen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dann folgte das zähe Ringen darum, was wir im Jahr 2018 noch leisten können. Am Ende bin ich sehr froh darüber, dass wir es gemeinsam geschafft haben, dass ab dem 1. Juli, also für das zweite Halbjahr des Jahres 2018, die Trassenpreise um 175 Millionen Euro gesenkt werden können. Die Voraussetzung ist natürlich eine entsprechende Förderrichtlinie und die Notifizierung durch die EU. ({1}) Bei der Bahn gibt es manchmal ganz kleine Themen, die aber genauso wichtig sind. Das ist beispielsweise das Thema Bahnfunk. Der Bahnfunk wurde vor einigen Jahren modernisiert und mit dem GSM-R-Mobilfunksystem digitalisiert. Das ist zwar die zweite Generation des Mobilfunks. Er ist aber trotzdem wichtig, weil er insbesondere der Kommunikation zwischen Lokführer und Fahrdienstleiter dient und gerade bei Notfällen besonders wichtig ist. Auf der anderen Seite wollten wir natürlich auch den Empfang von Mobilfunk in den Zügen verbessern. So hat man Frequenzen im 800- bzw. 900-Megahertz-Bereich freigegeben, die vorher anders genutzt wurden. Als Funktechniker sage ich Ihnen: Das kann dann manchmal Probleme mit den Störabständen bereiten. Das ist auch eingetreten. Das heißt, wir müssen bei der Bahn jetzt nachrüsten, damit die höheren Funkleistungen, die erforderlich sind, um die Mobilfunkversorgung in der Bahn zu sichern, tatsächlich auch verarbeitet werden können, ohne den Bahnfunk zu stören. Auch das haben wir im Haushaltsplan vorgesehen. ({2}) Da die Zeit rennt und ich von der Präsidentin, die den Vorredner für die Einhaltung der Redezeit bereits gelobt hat, angehalten wurde, die Redezeit einzuhalten, –

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ich weiß schon, warum ich ihn gelobt habe. ({0})

Thomas Jurk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

– will ich nur kurz auf etwas eingehen, das mir besonders wichtig ist. Wir haben sehr viel über das Thema „Saubere Luft“ gesprochen. Auch dafür haben wir weitere Maßnahmen vorgesehen. Wir haben Modellstädte ausgewiesen und unterstützen beispielsweise Kommunen bei der Luftreinhaltung. Aber ein Thema ist in der Debatte auch angesprochen worden, das die Hafenstädte betrifft. Wir wissen, dass dort Kreuzfahrtschiffe ihre Dieselmotoren für die Energieerzeugung anwerfen, weil sie die Alternativen nicht nutzen wollen. Wir müssen da etwas tun; denn es kann nicht sein, dass auf der einen Seite Straßen gesperrt werden und auf der anderen Seite Großemittenten quasi keine Alternative bekommen. Deshalb ist es uns wichtig, dass wir umweltfreundliche Alternativen beim Bordstrom organisieren und es möglich machen, eine mobile Landstromversorgung zu garantieren. Auch das haben wir in diesem Haushalt vorgesehen. Ich kann nur sagen: Das sind die richtigen Schritte, die wir gemeinsam als Koalition gehen wollen. ({0}) Ein letzter Punkt – das wird in der Kürze der Redezeit schwierig; aber ich will darauf hinweisen –: Wir haben für viele Jahre eine intensivere Investitionstätigkeit vorgesehen, die Planungskapazitäten voraussetzt, die Baukapazitäten voraussetzt und nachher auch noch Staumanagement; das darf man nicht ganz vergessen. Alles hat auch irgendwo seine Grenzen. Deshalb muss man auch die Kontinuität wahren. Dabei ist mir eines ganz besonders wichtig: Investitionen müssen umgesetzt werden mithilfe von Menschen. Dem Kollegen von der FDP, der gerade die Frage nach den Investitionen gestellt hat, beispielsweise an Rhein und Ruhr, kann man nur sagen: Bekanntermaßen sind einige Haushaltsmittel nicht ausreichend abgeflossen. Voraussetzung für das Abfließen der Mittel ist nämlich – und dem sind wir gefolgt –, dass genügend Personal bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vorhanden ist. Deshalb werden wir an Rhein und Ruhr und an der Elbe mehrere Stellen neu ausweisen. Diese können hoffentlich auch besetzt werden, damit genau diese Investitionen umgesetzt werden können. Dann sind wir auch bei der Schifffahrt auf einem guten Weg. ({1})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kollege Jurk. – Das letzte Wort in dieser Debatte hat Ulrich Lange für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Ulrich Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004087, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein fast schon perfekter Verkehrshaushalt, den wir heute hier vorstellen können. ({0}) Lieber Kollege Reuther und lieber Kollege Holm, ich kann gewisse Ausführungen nur darauf zurückführen, dass Sie einfach noch nicht lange genug die Entwicklung hier in diesem Hause verfolgt haben. ({1}) Der dritte Verkehrsminister der CSU: Seit 2009 geht es in diesem Ressort mit CSU-Politik aufwärts. ({2}) Investitionshochlauf, Brückensanierung, mehr Geld bei der LuFV II, Bundesverkehrswegeplan: Lieber Kollege Gastel, da haben wir in der letzten Periode Hervorragendes geleistet. ({3}) Ich erinnere an unsere Umgehungsstraßen, an mehr Regionalisierungsmittel, an mehr Mittel für die Digitalisierung. Da sind wir mit einer Null gestartet. Jetzt haben wir Milliarden, die Trassenpreise gesenkt. Das ist in der mittelfristigen Finanzplanung bereits enthalten. ({4}) Wir setzen jetzt das um, was wir zugesagt haben. Auch den barrierefreien Ausbau kleiner Bahnhöfe und vieles mehr wollen wir fortsetzen. Die Kollegin Lühmann schaut mich ganz begeistert an. ({5}) Tolles haben wir geleistet in den letzten Jahren. ({6}) In Deutschland wird erneuert, in Deutschland wird saniert, in Deutschland wird modernisiert, und in Deutschland wird neu gebaut. Über all das freuen wir uns. Jetzt haben wir eine große Herausforderung: Baurecht schaffen. Daran werden wir jetzt arbeiten. Wir brauchen Planungsbeschleunigung. Wir wollen das Geld auf die Straße, auf die Schiene, in die Wasserstraße bringen. Das ist die Aufgabe dieser Legislaturperiode, und der stellen wir uns, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({7}) Lassen Sie mich noch eins zu den Themen Fahrverbote und Pendler sagen: Ja, das sind Ihre Fahrverbote. ({8}) Das ist Ihre Politik. Wir machen keine Verbotspolitik. Wir wollen die Menschen fahren lassen. Heute hat hier ein Verrat an den Pendlern stattgefunden, ein Verrat am ländlichen Raum, gerade von einer Partei, die sich ihres Einsatzes für den ländlichen Raum rühmt. Wer die Mineralölsteuer erhöhen will, lieber Kollege Holm, nach dem Motto „Wer viel fährt, der zahlt mehr“, der belastet den ländlichen Raum, der macht Politik gegen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im ländlichen Raum. Das war der Verrat des Tages hier in diesem Haus. ({9}) Wir werden uns natürlich in dieser Periode – Kollege Simon hat es bereits angesprochen – auch um regulatorische Fragen kümmern müssen. Ich sage das ganz offen, da jetzt viele in den Urlaub fliegen: Wir müssen das Thema Luftsicherheitsgebühren aktiv angehen. Da sind alle gefordert – wir und die Regierung. Wir wollen, dass Luftverkehr als ein Teil von Mobilität attraktiv und bezahlbar bleibt, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({10}) Lieber Bundesminister, lieber Andi Scheuer, ja, das neue Förderprogramm für den Breitbandausbau kommt heute, und es kommt zum richtigen Zeitpunkt. Denn wir wollen den Infrastrukturwechsel von Kupfer auf Glasfaser. Lieber Kollege Herzog, wir wollen das Upgrade auch in diesem Bereich. Es ist wichtig, dass die Kommunen jetzt noch entscheiden können, welche Ausbauvariante sie wählen. Pragmatisch zum Wohl vor Ort – das ist Politik, wie wir sie machen und wie wir sie als Verkehrs­politiker verstehen. Lieber Bundesminister, es war heute wirklich ein guter Tag für den Breitbandausbau. ({11}) Das Thema 5G wurde ebenfalls bereits angesprochen. Ich möchte es nur kurz unterstreichen: Ja, die fünf Regionen sind prioritär und wichtig. Aber was uns auch wichtig ist – daran haben wir die letzten Wochen gemeinsam mit den Bundesländern ganz intensiv gearbeitet –, ist die nächste Mobilfunkversteigerung. Strenge Versorgungsauflagen vorzusehen, um perspektivisch alle Verkehrswege mit 5G zu versorgen, das ist unser Auftrag, liebe Kolleginnen und Kollegen. 5G darf am Land nicht vorbeigehen. Jeder hat diesen Anspruch; jeder muss diesen Anspruch haben. Dafür sind strenge Versorgungsauflagen wichtig. Lieber weniger Geld durch die Versteigerung und dafür Teilhabe von allen, auch des ländlichen Raums, an 5G. ({12}) Das ist unsere Aufgabe der nächsten Wochen und Monate. Wir werden auch die, die unabhängig sind, nämlich die Bundesnetzagentur, mit an diesen Ergebnissen messen. Lassen Sie uns erfolgreich weiterarbeiten. Danke schön. ({13})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Ulrich Lange. – Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 12 – Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 12 ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und SPD, dagegen waren die Fraktion Die Linke, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Fraktion der FDP und die Fraktion der AfD.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine gute Nachricht vorweg: Mit Freude habe ich zur Kenntnis genommen, dass das Bundeskabinett ein Aktionsprogramm zum Insektenschutz beschlossen hat. Endlich! Aber wie konnte es so weit kommen, dass die Bienenpopulationen in unserem Land in eine solche Gefährdung kommen konnten? Das Bundesministerium ist doch nicht erst seit gestern da. Der Ansatz der AfD in der Umweltpolitik steht für Vernunft, Augenmaß und wissenschaftlich belegte Fakten. ({0}) In Ihrem Haushaltsplan, Frau Ministerin, herrschen leider Ideologie und Wunschvorstellungen vor. ({1}) Als Beispiel nenne ich den Ausbau der Windenergie. Die Windkraft als wichtigster Teil der sogenannten erneuerbaren Energien wird gegen wachsende Widerstände in der Bevölkerung knallhart durchgesetzt. ({2}) Die Ideologie der angeblich so guten Energie durch immer neue Windräder und immer neue Stromtrassen fordert ihren Tribut. Da ist besonders die Verschandelung der Landschaft durch ständig neue Windradgiganten. ({3}) Enoch zu Guttenberg, leider vor kurzem verstorben, hat unserer vormals so wunderbaren Heimatlandschaft in der „FAZ“ ein literarisches Denkmal gesetzt. Für ihn sind die Windräder „ein brutaler Frevel an Landschaft und Menschen“. ({4}) Den erzeugten Strom nennt er „Blutstrom“. Da sind die Strompreise auf Weltspitzenniveau. Es sind die vielen sogenannten kleinen Leute, die für die Windenergie geradezu ausgebeutet werden – ({5}) eine echte Vermögensumverteilung von unten nach oben. Arbeiter und Angestellte wissen, warum sie nicht mehr SPD wählen, sondern AfD. ({6}) – Die Zahlen zeigen es. – Konsequent und von Anfang an widerspricht nur eine Partei dem Windkraftwahn: die AfD. ({7}) Ein weiteres nicht durchdachtes, risikoreiches und volkswirtschaftlich äußerst kostspieliges Projekt ist der Wolf in unserer dicht besiedelten Industrielandschaft – nicht durchdacht, weil die kleinteilige Industrielandschaft von heute sich so grundstürzend von dem idealen Biotop für den Wolf unterscheidet; volkswirtschaftlich kostspielig, weil die nötigen Schutzzäune an Deichanlagen, im Voralpengebiet, ja an allen Koppeln und Weiden sowie die Ersatzleistungen an Weidetierhalter in die Hunderte von Millionen Euro gehen; ({8}) risikoreich, weil Wolfsangriffe gegen Menschen in Deutschland zwar noch nicht vorgekommen sind, aber solche mit tödlichem Ausgang in den baltischen Staaten, Spanien und Indien durchaus nicht selten sind. ({9}) Mein Kollege Karsten Hilse wurde für seinen Vergleich zwischen der Zuwanderung unangepasster junger Männer und den Wölfen ({10}) in seiner Bundestagsrede vom 28. Juni 2018 hart kritisiert. Zu Recht? In beiden Fällen wurde niemand gefragt, es herrscht also ein Demokratiedefizit. ({11}) In beiden Fällen wird das Gefahrenpotenzial von Politik und Medien kleingeredet. In beiden Fällen stehen die Kosten in keinem Verhältnis zum Nutzen. Und in beiden Fällen verachten die Herrschenden die, die schon länger hier leben. ({12}) Zu denen, die schon länger hier lebten, gehörte – ja, gehörte – ein kleines Wildschafvorkommen von 150 Tieren in der Muskauer Heide. Kaum hatten die Wölfe die Grenze überschritten, waren diese Wildschafe durch die Wölfe nicht dezimiert, nein, ausgerottet. ({13}) Was ist mit dem Lebensrecht der Wildschafe? Wie geht es vielen Schäfern? Welchen Ärger, welchen Bürokratieaufwand und welche psychischen Belastungen haben sie zu tragen? ({14}) Für den Küstenschutz ist eine Beweidung der Deiche aber unerlässlich. Welche Angst staut sich bei Weidetieren an, wenn reißende Wölfe nachts in die Umzäunung eindringen? Von befreundeten Jägern weiß ich, dass Rotwild seit dem Vordringen des Wolfs nur noch in Angstrudeln zusammensteht. Wer sich für tiergerechtes Schlachten einsetzt, dem kann die Todesangst von Ziegen, Schafen und Rindern bei einem Wolfsangriff gleichgültig sein? Den Wolf höher zu bewerten als das Schaf oder das Rind, ist das nicht eine Art Rassismus in der Tierwelt? ({15}) Woher kommt die Bewunderung für den starken Räuber, die perfekte Kampfmaschine Wolf? ({16}) Huldigen da nicht einige einem versteckten, mittelbaren Sadismus? Jedenfalls möchte ich Sie, Frau Ministerin, und die Bundesregierung nochmals auffordern, gesetzlich die nötigen Schritte zu tun, um den Wolf und die Gefahren durch den Wolf zurückzudrängen und im Haushalt die entsprechenden Ansätze zurückzufahren bzw. einzustellen. Danke schön. ({17})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke schön. – Jetzt hat das Wort die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Svenja Schulze. ({0})

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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, es ist gut, wenn wir jetzt wieder zum Etat zurückkommen; denn er kann sich wirklich sehen lassen. ({0}) Der Umweltetat wächst nämlich um 23 Prozent, und das ist überproportional zu dem, wie der gesamte Haushalt wächst. Das macht sehr deutlich, wie ernst wir unsere Verantwortung in diesem Bereich nehmen. Der Haushalt betrifft das jetzt laufende Haushaltsjahr 2018, aber unsere Politik reicht weit darüber hinaus. Wir wollen die Lebensgrundlagen schützen, und zwar für uns selber, für unsere Kinder und für unsere Enkel. Wir alle gemeinsam haben eine große Verantwortung. Alle Menschen haben ein Anrecht auf saubere Luft, auf sauberes Wasser und auf saubere Böden. ({1}) Das gilt übrigens auch für die Menschen, die an viel befahrenen Straßen wohnen. Ich frage mich, wann das endlich auch in den Chefetagen der Automobilkonzerne verstanden wird. ({2}) Von dort aus wurden Millionen Verbraucher hinters Licht geführt. Ihnen wurden saubere Autos versprochen und dreckige geliefert. Tatsächlich kann Umweltpolitik einen ganz entscheidenden Beitrag zum Erfolg unserer Wirtschaft leisten; denn die Chancen im globalen Wettbewerb erhöhen sich umso mehr, umso nachhaltiger, umso innovativer die Produkte und – bezogen auf Autos – umso sauberer die Autos dann sind. ({3}) Die beste Vorbereitung auf die Märkte der Zukunft ist Innovationsfreude. Bereiche wie die Umwelttechnologie, die Mobilität, die Landwirtschaft und natürlich auch die Energieerzeugung stehen vor wirklich großen Entwicklungsschüben. Wenn wir klug vorgehen, dann wird das nicht nur dem Klima helfen, sondern wir werden dafür sorgen, dass Deutschland ein starker, ein moderner Industriestandort bleibt. Umweltpolitik ist ein Innovationstreiber. Umweltpolitik steht heute für gute Arbeitsplätze. Deswegen, meine Damen und Herren Abgeordnete, ist das Umweltministerium auch ein Modernisierungsministerium. Ich setze mich dafür ein, dass wir mit Innovationen und neuen Technologien den Weg in eine nachhaltige Lebensweise öffnen und dass es dabei gleichzeitig sozial gerecht zugeht, also dass wir Menschen mit geringerem Einkommen eben nicht zusätzlich belasten. ({4}) Ich bin fest davon überzeugt, dass wir nur innerhalb dieser Leitplanken die gesellschaftliche Unterstützung finden, die wir auf dem Weg der Transformation brauchen. Umweltpolitik ist auf eine breite gesellschaftliche Akzeptanz angewiesen, und die bekommen wir dann, wenn wir möglichst viele Menschen von unserem Weg überzeugen. Deswegen haben wir zum Beispiel die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ auf den Weg gebracht. Deren Mitglieder haben einen für Deutschland nahezu historischen Auftrag: Sie sollen den Weg beschreiben, wie wir aus der Braunkohleverstromung aussteigen, in welchen konkreten Schritten wir das tun und wann genau das Ausstiegsdatum ist. Wir brauchen für die Menschen in diesen Regionen aber eben neue Perspektiven. Das soll auch in dieser Kommission entwickelt werden. ({5}) Wir werden hier nicht einfach über die Köpfe der Betroffenen hinweg entscheiden. Wir werden die Menschen mitnehmen, wir werden das gemeinsam diskutieren. Für diese Vorgehensweise haben wir bereits international sehr viel Lob und Unterstützung bekommen, zum Beispiel vom Internationalen Gewerkschaftsbund. Ich bin fest davon überzeugt, dass Klimaschutz kein Elitenprojekt sein darf; vielmehr müssen wir es schaffen, dass er sich zu einer Art Breitensport entwickelt. Deswegen kommt es ganz entscheidend darauf an, dass wir unsere Umweltpolitik erklären, dass wir die Menschen motivieren, dass wir sie mitnehmen, dass wir sie unterstützen. International gibt es dafür den schönen Begriff „Just Transition“. Damit ist die Gestaltung eines sozial gerechten Wandels gemeint. Das haben wir auch beim Petersberger Klimadialog ganz bewusst in den Mittelpunkt gerückt und haben dafür sehr viel Unterstützung erfahren. Just Transition wird auch auf der Weltklimakonferenz in Kattowitz Ende des Jahres eine ganz wichtige Rolle spielen. Deutschland war in der Geschichte schon oft Vorreiter in der Klima-, in der Umweltschutzpolitik, ({6}) und das wollen wir auch wieder werden. Wir müssen da dringend wieder ein paar Meter gutmachen. ({7}) Aber das EEG, der Atomausstieg, die Energiewende, all das hat international häufig zum Nachmachen angeregt. Die momentane Situation ist aber glasklar – ich musste den Klimaschutzbericht 2017 ja hier vorstellen –: Zusätzliche Anstrengungen sind notwendig. Wir müssen die Lücke zu unseren Klimaschutzzielen schnellstmöglich schließen. Ein ganz wichtiger Beitrag dazu wären die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Sonderausschreibungen für Windkraft- und Solaranlagen. ({8}) Dafür müssen sie vom Bundeswirtschaftsministerium schnell auf den Weg gebracht werden. Mit jedem Monat, den wir hier verlieren, wird die Wahrscheinlichkeit geringer, dass wir die Lücke bis 2020 verringern können. Deswegen müssen wir da jetzt wirklich schnell weiterkommen. ({9})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Ministerin, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung des Kollegen Hilse von der AfD-Fraktion?

Not found (Minister:in)

Nein, im Moment nicht. Ich würde das gerne erst einmal darstellen. ({0}) Die Bundeskanzlerin hat für mehr Tempo beim Klimaschutz in Deutschland geworben. Sie hat das angemahnt. Ich gehe davon aus, dass diese Worte von allen, natürlich auch von meinen Kabinettskolleginnen und -kollegen, gehört worden sind. Wir werden vor allen Dingen im Verkehrs- und im Gebäudesektor unsere Bemühungen wirklich verstärken müssen, wenn wir nicht weiter zurückfallen wollen. Ich stimme der Kanzlerin ausdrücklich zu: Der Verkehrssektor ist unser Sorgenkind, und deswegen müssen wir uns um dieses Sorgenkind ganz besonders kümmern. Deswegen trete ich übrigens dafür ein, dass wir ambitionierte CO 2 -Grenzwerte auf der europäischen Ebene miteinander vereinbaren; denn ich halte es für den richtigen Weg, da europaweit gemeinsam voranzugehen. ({1}) Meine Damen und Herren, alle Ressorts stehen in der Verantwortung, dass konkrete Maßnahmen identifiziert, dass sie umgesetzt werden. Wir alle müssen dazu beitragen, dass die Klimaziele wirklich erreicht werden. Wir werden in dieser Legislaturperiode ein Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen, wie das im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Wir wollen nicht nur unsere Ziele ganz konkret beschreiben, sondern auch die Schritte dahin, wie wir diese Ziele erreichen wollen. Das wird von der ganzen Bundesregierung getragen werden müssen. Ich erwarte da die Beteiligung der anderen Ressorts. ({2}) Wir haben in den ersten Monaten dieser Legislaturperiode hier schon eine ganze Menge Projekte aufs Gleis gesetzt. Das Bundeskabinett hat Eckpunkte für ein Aktionsprogramm für den Insektenschutz beschlossen. Der Deutsche Bundestag hat die Atomgesetznovelle verabschiedet. Damit ist der Atomausstieg vollkommen klar; daran wird nicht mehr gerüttelt. Ich freue mich wirklich über diesen Erfolg. ({3}) Sehr geehrte Damen und Herren, die Arbeit am Bundeshaushalt war nach einer langen Phase der Regierungsbildung auch ein Stück weit Rückkehr zur Normalität, und das ist das, was die Bürgerinnen und Bürger im Endeffekt von einer Regierung und von einem Parlament erwarten. ({4}) Sie erwarten, dass wir gemeinsam Sacharbeit leisten und dass wir die Aufgaben in unserem Land lösen. Ich kann sagen, dass das im Umweltbereich sehr gut gelungen ist. Ich möchte mich noch einmal ausdrücklich bei allen, die diesen Haushalt mitgestaltet haben, bedanken, natürlich insbesondere bei den Berichterstatterinnen und Berichterstattern im Haushaltsausschuss. Wir können mit dem Einzelplan 16 eine Umweltpolitik umsetzen, die gut ist für unser Land, die den Zusammenhalt stärkt und eine gerechte Teilhabe sichert. Deswegen möchte ich Sie alle um Zustimmung bitten und sage ein ganz herzliches Dankeschön. ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Ministerin Schulze. Das Wort zu einer Kurzintervention hat Kollege Hilse. – Frau Ministerin, Sie können dann, wenn Sie mögen, von Ihrem Platz aus antworten. – Kurzintervention, kurz! ({0}) – Sie sind jetzt mal still.

Karsten Hilse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004752, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ganz kurz. Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie die Kurzintervention zulassen. – Schade, dass Sie die Zwischenfrage nicht zugelassen haben. Deswegen sage ich es jetzt einfach: Sie haben ja darauf abgehoben, dass wir quasi Vorbild wären, dass wir alle mitnehmen wollen und dass alle uns folgen werden bei diesen Klimaschutzplänen, um die CO 2 -Emissionen zu reduzieren. Da passt es irgendwie nicht ins Bild, dass im Moment 1 600 neue Kraftwerke gebaut bzw. erweitert werden. Wie passt das mit der Vorstellung zusammen, dass die uns irgendwie nachfolgen sollen? Im Moment sieht es ja so aus, als ob sie es nicht machen. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Ministerin. Wenn Sie mögen.

Not found (Minister:in)

Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich glaube, dass Deutschland Innovationstreiber sein kann, dass wir Vorreiter sein können. Wir haben eine internationale Verantwortung nicht nur für die heutige Generation, sondern eben auch für die zukünftigen. Wir sind das Land, das Innovation, das Technik nach vorne gebracht hat. Wir werden mit dieser Verantwortung auch neue Impulse im Klimaschutz geben können. Ich bin fest davon überzeugt, dass Deutschland seiner Verantwortung da gerecht werden wird, weil wir uns um die Menschen in diesem Land kümmern. ({0}) Wir wollen nicht, dass es so weitergeht mit der Trockenheit, die wir hier in einigen Regionen erleben. Wir wollen nicht, dass es noch stärkere Extremwettersituationen gibt. Wir stehen in der Verantwortung, da zu handeln, und diese Verantwortung werden wir auch wahrnehmen. ({1})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Nächste Rednerin in der Debatte: Ulla Ihnen für die FDP-Fraktion. ({0})

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben intensive Haushaltsberatungen hinter uns. Nun ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen; und Politik beginnt ja immer mit dem Betrachten der Realität. Sie, Frau Ministerin, haben in diesem Jahr 2018 fast 2 Milliarden Euro zur Verfügung, nicht eingerechnet die Mittel, die noch im Energie- und Klimafonds zur Verfügung stehen. Sehr viel Geld des Steuerzahlers! Da stellen sich doch folgende Fragen: Wo sieht die Große Koalition den Stellenwert der Umweltpolitik? Sind neue Ansätze oder Schwerpunkte erkennbar? Und: Werden bisherige Förderprogramme eigentlich kritisch hinterfragt? Kurz: Haben Sie eine umwelt- und klimapolitische Strategie? Wenn man nach einem roten Faden in den gesamten Haushaltsberatungen sucht, dann fällt für dieses Haushaltsjahr der besonders hohe Personalaufwuchs im Gesamthaushalt auf. Das ist in Bereichen wie zum Beispiel dem Zoll durchaus nachvollziehbar. Aber auch im Umweltressort sind Sie bei neuen Stellen besonders großzügig. Vorgesehen sind Mehrausgaben für fast 100 Stellen in Ihrem Ressort, obwohl es eigentlich kaum neue Aufgaben gibt. ({0}) In dem recht intransparenten Haushalt, der durch seine Verbindung mit dem Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ dem Grundsatz der Haushaltsklarheit widerspricht, ({1}) ist beispielsweise auf unsere Initiative wenigstens ein bisschen mehr Transparenz bei der kerntechnischen Entsorgung und Zwischenlagerung geschaffen worden. ({2}) Uns liegen nun endlich die Wirtschaftspläne der dafür eigens eingerichteten Gesellschaften vor. Dieses Thema der End- und Zwischenlagerung werden wir Freien Demokraten auch weiterhin vorantreiben; denn die Öffentlichkeit hat hier Transparenz verdient – wir Abgeordnete übrigens auch. Ich kann sicher für alle beteiligten Haushälter hier sagen, dass wir das nächste Mal auch gern ein wenig früher die von uns angeforderten Antworten auf unsere Fragen zum Haushalt lesen würden. ({3}) Frau Ministerin, Sie haben eben in Ihrer Rede, aber auch schon vor einigen Wochen Folgendes gesagt: Klimapolitik, das ist Innovationspolitik, das ist Modernisierungspolitik, das ist Politik, die unser Land, die unsere Wirtschaft, die unsere Menschen nach vorne bringt. Das stimmt, wenn es denn richtig gemacht wird, Frau Ministerin. Doch daran hapert es aus unserer Sicht. Gerade Themen wie Digitalisierung oder die Modernisierung Ihrer Umweltverwaltung werden nicht mit der notwendigen Priorität vorangetrieben. Hier gibt es noch eine ganze Menge Luft nach oben. Um bei der Modernisierungspolitik zu bleiben: In Ihrem Koalitionsvertrag mit dem Titel „Eine neue Dynamik für Deutschland“ steht unter dem Kapitel „Umwelt und Klima“: Wir werden alle Subventionen – neue und alte – gemäß den subventionspolitischen Leitlinien und dem Prinzip der Nachhaltigkeit einer stetigen Überprüfung unterziehen. Wie schön! Doch es fehlte Ihnen der Mut, in diesem Haushalt auch nur eine einzige Subvention oder eine einzige Förderung zu evaluieren und zu streichen. ({4}) Es fehlt Ihnen am Sparwillen. Geld verteilen Sie eher mit der Gießkanne. Doch schon die Philosophen der Antike sagten, dass der beste Haushalt derjenige ist, in dem nichts Notwendiges fehlt und nichts Überflüssiges steht. ({5}) Weil dieser Satz aus der Antike stammt, heißt das ja nicht, dass Sie diesen weisen Ratschlag einfach zur Seite schieben sollten. Sonst wird Deutschland nämlich nicht Vorreiter beim Klimaschutz, sondern höchstens Vorreiter bei den Ausgaben für den Klimaschutz. ({6}) Sie, Frau Ministerin, haben die Ambition, oberste Klimaschützerin der Nation zu sein, wie sich aus Ihrer Rede gerade auch noch einmal ergab. Aber ich möchte darauf hinweisen: In allererster Linie und zuvörderst sind Sie der Nachhaltigkeit verpflichtet. Nur: Der Haushalt des Umweltministeriums ist keineswegs nachhaltig. Das ist für die zu Nachhaltigkeit verpflichtete Umweltministerin aber aus unserer Sicht völlig unannehmbar. Nachhaltigkeit bedeutet eben reflektieren oder immer wieder neu denken, besonders im Sinne folgender Generationen. „Der Staat wird seine Milliarden nicht los“, das ist ein Zitat aus den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 26. Juni dieses Jahres. Das gilt leider ganz besonders für Ihren Haushalt und Ihr Ressort, Frau Ministerin. In vielen Haushaltstiteln ist der Mittelabfluss einfach katastrophal. Trotzdem denken Sie nicht an Evaluieren oder gar Einsparen. Frau Ministerin, Sie haben als Nachhaltigkeitsministerin einen Auftrag und eine umfassende politische Verantwortung, auch was das Geld und Ihr Budget angeht. Aus dieser Verantwortung werden wir Sie auch nicht entlassen. Und ja, in diesen Haushaltsberatungen hat sich gezeigt, dass wir Freien Demokraten die Einzigen zu sein scheinen, die sich fragen, wo das viele Geld für den Klimaschutz denn herkommen soll. Wir Freien Demokraten werden diesem Haushalt nicht zustimmen. Denn der Gedanke der Nachhaltigkeit ist haushalterisch in Ihrem Etat nicht zu erkennen. Dies ist kein Haushalt der Ideen, kein Haushalt der Modernisierung. Er ist einfach ein Haushalt, der wie ein verschwenderisches Füllhorn wirkt. ({7}) Wir Freie Demokraten möchten eine effiziente Umweltpolitik, die die richtigen Anreize setzt, die technologieoffen ist und die mehr Wert auf das Verhältnis von Kosten und Nutzen der Maßnahmen legt.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Denken Sie an Ihre Rede, bitte? ({0})

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bin am Ende. ({0}) Wir hoffen darauf, dass der nächste Haushalt nachhaltig sein wird. Danke. ({1})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

„Redezeit“, ja. ({0}) – Frauen sind intelligent. Sie hat den Hinweis schon verstanden. Keine Angst, liebe Männer von der FDP! Der nächste Kollege, der jetzt das Wort ergreift, ist Ingo Gädechens für die CDU/CSU-Fraktion. ({1})

Ingo Gädechens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004036, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! – Frau Präsidentin, es leuchtet hier noch auf.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ach so.

Ingo Gädechens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004036, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja. – Ist nicht so ernst gemeint. Gut. ({0}) Ich freue mich. Mehr als sechs Monate sind in diesem Jahr bereits vergangen, und endlich kommen wir dazu, den Haushalt des laufenden Jahres, 2018, zu beschließen. Der Einzelplan des Bundesumweltministeriums zeigt, dass die Regierungskoalition ihrer Verantwortung für die Fragen von Umwelt-, Klima- und Naturschutz sowie für den Umgang mit der Nukleartechnik mehr als gerecht wird. Für diese Aufgaben stehen nach den intensiven Beratungen insgesamt fast 2 Milliarden Euro zur Verfügung. Das ist – Frau Ministerin hat richtig gerechnet –, wenn wir den ausgelagerten Bereich Bauen herausrechnen, eine Steigerung von tatsächlich 23 Prozent. Nach dem bisherigen Finanzplan soll es auch im kommenden Jahr, 2019, einen Anstieg der Mittel um 13 Prozent geben. Beide Zahlen belegen eine begrüßenswerte und ermutigende Entwicklung in diesem Themenfeld, ({1}) eine begrüßungswerte Entwicklung, die wir insbesondere unseren Fachpolitikern aus dem Fachausschuss, vor allem denen aus der CDU/CSU-Fraktion, auch denen unseres Koalitionspartners, zu verdanken haben, weil sie das stets objektiv und konstruktiv begleiten. Natürlich kann man nachvollziehen, dass gerade aus den Reihen der Opposition – bisher haben wir ja die Kollegin Ihnen gehört – Forderungen nach Einsparpotenzialen, hin und wieder aber auch nach noch mehr Geld vorgetragen werden. Das ist die klassische Aufgabe der Opposition, auch wenn die Argumente dafür nicht immer ganz nachvollziehbar sind. ({2}) Gerade für die Union ist klar: Wir sollten, dürfen und können nur so viel ausgeben, wie die fleißigen Unternehmer in diesem Land mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwirtschaften und wir daraus an entsprechenden Steuereinnahmen generieren können. Nur dieses Geld können wir ausgeben; wir haben heute in der Haushaltsdebatte ja schon mehrfach von dem Loblied der fünfjährigen schwarzen Null gehört. Gerade die regierungstragenden Fraktionen müssen deshalb Abwägungen vornehmen, ob diese Regierung in ihrem Haushaltsentwurf die richtigen Schwerpunkte setzt und die vorhandenen Mittel sinnvoll einsetzt. Diese Fragen kann ich jedenfalls für meine Fraktion, die CDU/CSU-Fraktion, bejahen. Ein gutes Beispiel ist die beschlossene Erhöhung der Mittel für die Internationale Klimaschutzinitiative um 50 Millionen Euro. Die Bekämpfung des Klimawandels ist eine weltweite Aufgabe, und Deutschland übernimmt seinen Teil der Verantwortung. Auch die Mittel für das neue Programm zur Förderung kommunaler Modellvorhaben zur Luftreinhaltung in den Städten – auch das erwähnte die Ministerin bereits – sind gut investiertes Geld. Wir haben verstanden, dass alle Hebel für eine Verbesserung der Luftqualität und eine Verhinderung von drohenden Fahrverboten in Bewegung gesetzt werden müssen. Dafür stellt das Umweltministerium in den nächsten Jahren insgesamt fast 6 Millionen Euro zur Verfügung. Das ist ein etwas bescheidener Ansatz im Vergleich zu dem Ansatz in dem Ressort, über das wir gerade diskutiert haben. Aber die Last liegt auch im Verkehrsministerium, und deshalb gibt es noch mal 95 Millionen Euro aus dessen Etat obendrauf, um diese Problemlage nachhaltig zu lösen. Meine Damen und Herren, nach diesen allgemeinen Anmerkungen möchte ich gerne noch auf Einzelaspekte eingehen. Zunächst zum Personalhaushalt; auch diesen Aspekt hat die Kollegin Ihnen genannt. Ich begrüße sehr, dass es gelungen ist, insbesondere im nachgeordneten Bereich einen notwendigen Personalaufwuchs zu beschließen. Damit können wir sicherstellen, dass der Vollzug von Gesetzen zügig erfolgt. Dies gilt insbesondere für das Umweltbundesamt, welches 41 neue Stellen erhält. Mit dem neuen Personal kann, ich sage: muss es gelingen, den Verzögerungen zum Beispiel bei der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln entgegenzuwirken. Das ist mit Blick auf den Bundeshaushalt deshalb wichtig, weil damit unnötige Entschädigungszahlungen verhindert werden können. ({3}) Auch im Personalhaushalt des Ministeriums gibt es in der neuen Struktur begründete Aufwüchse. Insgesamt 45 neue Planstellen hat zunächst der Haushaltsausschuss bewilligt, die insbesondere im Bereich Klima- und Umweltschutz eingesetzt werden sollen. Frau Ministerin, in den kommenden Monaten liegt es nun an Ihrem Haus, dem Parlament aufzuzeigen, dass diese Planstellen nötig sind und in den Arbeitsresultaten auch spürbar werden. Wir werden das sehr aufmerksam verfolgen. Meine Damen und Herren, natürlich herrscht auch im Bereich des Umweltetats nicht nur eitel Wonne, Sonnenschein; daher möchte ich Themenbereiche benennen, die ich mit einer gewissen Sorge betrachte. Zunächst fällt das Problem auf, dass der zeitgerechte Mittelabfluss in vielen Titeln mangelhaft ist. Das ist keine gute Nachricht, weil wir ja gerade mit dem Bereitstellen von Haushaltsmitteln insbesondere auf den Gebieten des Umwelt-, Klima- und Naturschutzes schnell weiterkommen wollen. Ein gern genanntes Beispiel ist hier die Nationale Klimaschutzinitiative. Im vergangenen Jahr, 2017, sind dort nur 44 Millionen Euro von bereitgestellten 65 Millionen Euro abgeflossen. Wenn wir den Vorreiteranspruch Deutschlands in Sachen Klimaschutz weiter aufrechterhalten wollen, müssen wir unsere Anstrengungen weiter verstärken und können uns ungenutzte Finanzmittel nicht leisten. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in diesem Zusammenhang stelle ich mit einer gewissen Genugtuung fest, dass dies nicht nur die Berichterstatter im Haushaltsausschuss mit Sorge sehen, sondern auch das Ministerium selbst stärkere Anstrengungen für einen besseren Mittelabfluss zugesagt hat. Ich hoffe sehr, dass wir spätestens ab dem Haushalt 2019 Fortschritte feststellen können. Eine zweite Thematik hinsichtlich des Einzelplans 16 könnte in den kommenden Jahren zu unangenehmen Überraschungen führen. Dabei geht es mir um den Bereich der Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle, der fast die Hälfte des Programmhaushaltes des Umweltministeriums ausmacht. Keine Frage, wir reden gerne über Umwelt-, Klima- und Naturschutz, geht es hier doch um zukunftsweisende Entscheidungen, um auch unseren Kindern und Enkelkindern eine lebenswerte Erde zu hinterlassen. Bei der Entsorgung radioaktiver Abfälle hingegen geht es um ein unpopuläres Thema, das sich mit der Abwicklung von Altlasten beschäftigt. Diese Abwicklung ist aber aus haushaltspolitischer Sicht mitunter ziemlich unberechenbar. Der Bundesrechnungshof hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es keine belastbare Prognose zur Entwicklung der Kosten in diesem Aufgabenfeld für die nächsten Jahre gibt. So könnte die in der letzten Woche beschlossene Novelle des Atomgesetzes nicht unerhebliche Auswirkungen auf den Bundeshaushalt haben. Meine Damen und Herren, nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt. Wie einleitend gesagt: Sechs Monate sind schon rum. Der bessere Mittelabfluss ist angemahnt. Wir haben bei diesem Einzelplan gute Arbeit geleistet. Ich bedanke mich bei den Fachpolitikern aller Fraktionen, aber auch bei den Berichterstattern. Ich freue mich, dass die Präsidentin mich nicht nur am Anfang, sondern auch am Ende meiner Rede ermahnt. Herzlichen Dank.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Die Präsidentin macht das gerne. ({0}) Die nächste Rednerin ist die Kollegin Heidrun Bluhm, Fraktion Die Linke. ({1})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Gädechens, ich hatte in meinem Redetext auch „Präsidentin“ stehen, und dann kam der Präsident; aber ich habe das gesehen. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer ersten Rede zum Haushalt 2018 versucht, klarzumachen, dass Umweltpolitik mehr ist als nur ein bisschen Naturschutz. Auch ich denke, dass man Umweltpolitik nicht isoliert betrachten darf. Es ist ein Dreiklang wichtig, mindestens der Dreiklang aus Umweltpolitik, Wirtschaftspolitik und damit auch Landwirtschaftspolitik. Ich habe den großen Vorteil, als Berichterstatterin alle drei Haushalte betreuen zu dürfen, und daher in diesen Dreiklang einen besonderen Einblick. Deshalb weiß ich auch, dass hier noch nicht alles so zusammengeführt wurde, wie es für die Menschen glaubhaft zusammengeführt werden müsste. Meine Damen und Herren, Glaubwürdigkeit von Politik ist gerade heute, gerade in diesen Tagen, mehr als gefragt, um den politischen Flurschaden der letzten zwei Wochen so halbwegs in den Griff zu bekommen. ({0}) Mir ist es wichtig, dass Umweltthemen auch in den Bereichen Wirtschaft und Agrarpolitik, aber zum Beispiel auch in der Verkehrspolitik kein stiefmütterliches Dasein fristen. Nur im Dreiklang kommen wir beim sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft ein gutes Stück voran. Die Ackerbaustrategie zum Beispiel könnte ein Musterbeispiel für den von mir dargestellten ganzheitlichen Ansatz sein. Es geht da unter anderem um Nitratverseuchung, Billigfleisch und Bodenversandung. Die einseitige Exportorientierung in der Landwirtschaft, die wir hier immer kritisiert haben, die Orientierung auf die bloße Masse in der landwirtschaftlichen Produktion und die Geiz-ist-geil-Mentalität sind Probleme, die wir zusammen angehen müssen. ({1}) Das ist ein ziemlich dickes Brett, das Sie mit Frau Klöckner als Landwirtschaftsministerin bohren müssen. Hier müssen Sie sich vertrauensvoll abstimmen, wenn Sie dem Parlament bald etwas vorlegen wollen. Wir wollen klare Umrisse für Ihre Ackerbaustrategie hier diskutieren, Frau Ministerin. Eine weitere, für Die Linke bedeutsame Bemerkung haben wir auch heute wieder sehr wohl von Ihnen vernommen, nämlich dass es in der Umweltpolitik um Fragen der sozialen Gerechtigkeit geht. Ich stimme dieser Meinung vollkommen zu – und meine Fraktion natürlich auch. ({2}) Aber auch dafür müssen Sie den Beweis erst antreten. In der Vergangenheit wurde da viel zu wenig getan, und auch im hier vorliegenden Einzelplan wurde dieses Thema nicht ambitioniert angegangen; denn sozial gerecht ist Umweltpolitik dann, wenn sozial benachteiligte Menschen, wenn Menschen mit geringem oder auch ohne Einkommen keine zusätzlichen ökologisch bedingten Hürden auferlegt bekommen. Gleichzeitig müssen starke Schultern mehr tragen. Nur dann bleibt Umweltpolitik kein Eliteprojekt, sondern nimmt alle Menschen mit. ({3}) Nehmen wir zum Beispiel den Dieselskandal oder auch die diskutierte CO 2 -Bepreisung. Weder die Autofahrerin oder der Autofahrer noch der ehrliche Steuerzahler soll das Versagen der Autoindustrie ausbaden müssen. ({4}) Das müssen natürlich VW, Audi und die anderen Konzerne leisten, die ansonsten bei jeder Gelegenheit von der ehemaligen Bundesregierung und auch von denen davor gepampert wurden. ({5}) Eine CO 2 -Bepreisung darf keinesfalls den überfälligen Kohleausstieg ersetzen oder hinauszögern. Das hat auch die Stopp-Kohle-Demo kürzlich eindrucksvoll gezeigt. ({6}) Man sollte in diesem Kontext eher darüber diskutieren, Privathaushalte dadurch zu entlasten, dass man zum Beispiel die Stromsteuer absenkt. Eine strikte Orientierung am Verursacherprinzip und keine Belastung der Bezieher kleiner Einkommen über Gebühr, das ist sozial gerechte Umweltpolitik. ({7}) Wenn Sie von der Regierungsbank wirklich etwas für Menschen mit geringem Einkommen und zugleich für die Umwelt tun wollten, würden Sie ernsthaft einen kostenfreien öffentlichen Nahverkehr anstreben. ({8}) Das aber tun Sie bisher nicht. Die Forderung des Städte- und Gemeindebundes, 2 Milliarden Euro jährlich zusätzlich für den Ausbau des ÖPNV in den Kommunen aufzubringen, hat aber Fahrt in diese Debatte gebracht. Die unsäglichen Blechlawinen in Deutschlands Städten müssen endlich der Vergangenheit angehören; denn eine Verkehrswende, die ihren Namen auch verdient und umweltverträglich ist, ist auch sozial gerecht. ({9}) Ich möchte abschließend noch auf das Thema „biologische Vielfalt“ zu sprechen kommen, das mir besonders am Herzen liegt. Es ist aus meiner Sicht wichtiger denn je, den finanziellen Rahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung der Natur deutlich zu erweitern und die Mittel hierfür aufzustocken. Schutz, Entwicklung und nachhaltige Nutzung unserer natürlichen Lebensgrundlagen müssen auch einheitlich, im Zusammenspiel gedacht werden, und da denken wir, dass wir mit unserem Antrag, die Mittel hierfür von 25 Millionen auf 50 Millionen Euro jährlich aufzustocken, richtig liegen. ({10}) Um es abschließend auf den Punkt zu bringen: Bei einem solch wichtigen Querschnittsthema wie der Umweltpolitik, die Motor eines sozial-ökologischen Umbaus und auch sozial gerecht gestaltet sein muss, reichen Lippenbekenntnisse nicht aus. Und, Frau Schulze, glauben Sie mir: Sie haben in dieser Regierung keine drei Jahr mehr Zeit. Mindestens im Haushalt 2019 müssen Sie ranklotzen. Herzlichen Dank. ({11})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der Kollege Sven-Christian Kindler hat das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin Schulze, Sie haben hier gerade gesagt, dass der Haushalt des BMU um 23 Prozent wächst. Das ist korrekt. Man muss sich aber die Zahlen richtig anschauen und darf nicht verschweigen, wofür mehr Geld eingestellt werden soll. 82 Prozent des Aufwuchses entfallen auf den Bereich der Zwischen- und Endlagerung von Atommüll, also auf Aufgaben aus der Vergangenheit, die uns in der Zukunft noch sehr teuer zu stehen kommen werden. Bei den konkreten Fragen – Umwelt, Klima, Naturschutz – findet sich jedoch nur ein sehr geringer Aufwuchs in Ihrem Etat. Für diese für die Zukunft wichtigen Belange ist deutlich zu wenig Geld im Etat; Sie sollten sich Ihre Zahlen nicht schönrechnen. ({0}) Die Regierung und auch Sie, Frau Ministerin Schulze, sind jetzt etwas mehr als 100 Tage im Amt, und es ist Zeit, Bilanz zu ziehen. Wir haben drei große Herausforderungen in der Umweltpolitik: die Klimakrise, das Artensterben und die Plastikvermüllung. Wenn man sich anschaut, was Sie da konkret getan haben, stellt man fest: sehr wenig. Sie haben auch heute wieder eine schöne, wolkige Rede im Parlament gehalten, aber wenn es um Konkretes ging, also um den Fahrplan für den Kohleausstieg gegen die Klimakrise, um die Einführung der Blauen Plakette gegen die giftige Luft in den Städten, um die Einführung einer Plastiksteuer, haben Sie dies abgelehnt. Wenn Sie einmal konkret werden – zum Beispiel bei der Sonderausschreibung für Windkraft, wobei Sie, wie man festhalten muss, von Ihren Fachpolitikern Herrn Miersch und Herrn Saathoff unterstützt werden –, lässt Sie die SPD-Spitze im Kampf mit Herrn Altmaier im Regen stehen. Am Ende ist es doch so: Wir haben leider eine extrem schwache Umweltministerin, die sich in der Regierung nicht durchsetzen kann und daher wenig Konkretes auf den Weg gebracht hat. Das ist deutlich zu wenig für eine Umweltministerin. Das ist ein klarer Fehlstart. ({1}) Konkret zum Artensterben, Frau Ministerin: Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik sind so viele Tier- und Pflanzenarten gestorben. Das ist eine Megakata­strophe, die uns alle bedroht. Jetzt haben Sie 5 Millionen Euro für ein Insektenschutzprogramm aufgelegt. Das ist ein Blümchenpapier, kann man netterweise sagen, aber im Kern ändert es nichts daran, dass das Artensterben weiter massiv voranschreitet. Da muss man sich als Umweltministerin eben auch mit der Landwirtschaftsministerin, Frau Klöckner, hart anlegen. Jedes Jahr werden in der Europäischen Union für die Gemeinsame Agrarpolitik 60 Milliarden Euro ausgegeben. Der Großteil geht in die industrielle Landwirtschaft. Sie ist verantwortlich für das massive Artensterben. Wir brauchen endlich eine Agrarwende, die den Bienen und Vögeln auf unseren Äckern wieder Platz gibt. Da müssen Sie ran! ({2}) Konkret zur Plastikvermüllung: Das ist die Seuche des 21. Jahrhunderts. Wir haben vermüllte Meere voller Plastik. Das geht über die Fische in unsere Nahrung über. Wir haben gesehen, dass der Konsum und der Verbrauch von Plastik sich in den letzten Jahren in Deutschland verdoppelt haben. Deutschland ist unter den europäischen Staaten mit führend beim Plastikverbrauch. Das ist alles nicht neu. Die Frage ist: Was macht man jetzt? Die Europäische Kommission hat den Vorschlag vorgelegt, eine Plastikabgabe oder Plastiksteuer einzuführen. Das haben Sie abgelehnt. Sie haben an die Verbraucherinnen und Verbraucher appelliert, mehr Bewusstsein zu haben und ein besseres Einkaufsverhalten an den Tag zu legen. Aber, Entschuldigung, Sie sind die Ministerin. Sie müssen handeln und Maßnahmen vorlegen. Sie sind nicht die oberste Einkaufsberaterin der Bundesregierung. ({3}) In Irland hat die Plastiksteuer eine extreme Lenkungswirkung erzielt; es gibt dort einen starken Rückgang an Plastiktüten. Sie können aber auch etwas anderes machen. Dann müssen Sie gar nicht auf die Europäische Kommission warten. Sie können hier als Bundesregierung im Haushalt konkret Subventionen abschaffen. Das Umweltbundesamt hat Ihnen vorgerechnet: 780 Millionen Euro werden jedes Jahr bei der stofflichen Nutzung des Erdöls ausgegeben, das heißt für Plastiktüten und Plastikkonsum. Diese Subvention begünstigt das Plastik und die Plastikindustrie. Sie könnten sie sofort abschaffen. ({4}) Frau Ministerin, Sie haben in der Regierungsbefragung am 13. Juni im Bundestag zum Klimaschutzbericht Rede und Antwort gestanden. Ich fand es frappierend: Sie haben auf viele Fragen meiner Fraktion und auch anderer Fraktionen das Wort immer wieder an Staatssekretäre anderer Häuser abgegeben: ans Verkehrsministerium, Wirtschaftsministerium und Landwirtschaftsministerium. Zum Teil hat der Präsident das gar nicht zugelassen. Aber im Kern hat das deutlich dargelegt: Wenn es um Klimaschutz geht, dann ist jeder in der Bundesregierung irgendwie zuständig, aber leider nicht die zuständige Umweltministerin. Ich finde, das war ein Offenbarungseid in dieser Regierungsbefragung. ({5}) Frau Schulze, Sie haben in dieser Regierungsbefragung auch von einer „Kampagne gegen den Diesel“ geredet. Heute haben Sie die Autoindustrie wieder kritisiert. Ich finde, Sie müssen sich entscheiden: Benutzen Sie das Wording der Autoindustrie und der „Bild“-Zeitung und reden Sie von einer Kampagne gegen den Diesel, oder sind Sie als Umweltministerin auf der Seite der Kundinnen und Kunden bzw. der Menschen und der Umwelt? Da müssen Sie sich als Umweltministerin entscheiden. ({6}) Sie müssen jetzt als Umweltministerin kämpfen und sich im Kabinett durchsetzen, statt nur schöne Reden zu halten. Vielen Dank. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Matthias Miersch von der SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Reden der Opposition vergleicht, dann kann man festhalten: Dem einen ist es zu wenig, dem anderen zu viel. – So schlecht können wir also eigentlich nicht liegen. ({0}) Aber, Herr Kollege Kindler, eines geht nicht – und da, wo Sie in der Regierung sind, sehen Sie genauso, dass Sie Ressorts überwinden müssen –: dass Sie dieser Umweltministerin unterstellen, sie würde zu wenig für den Klimaschutz machen. ({1}) Sie wissen ganz genau: Die großen Brocken, wo gegenwärtig blockiert wird, sind im Verkehrs- und Wirtschaftsbereich. Wir sollten hier mit einer Stimme sprechen. Wir sollten die Ministerin in ihrem Vorhaben stärken, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) – Machen Sie sich keine Sorgen! Die SPD steht komplett, wenn es um Sonderausschreibungen oder Klimaschutz geht. Aber wir machen es uns eben nicht so leicht, einfach mal kurz 7,5 Gigawatt vorzuschlagen; wir gehen einen anderen Weg. ({3}) Ich will zunächst jedoch mit etwas Grundsätzlichem beginnen. Wer die letzten Tage hier in Berlin erlebt hat, musste mit großem Erstaunen zur Kenntnis nehmen, wie sich zwei Parteien an der kleinen Frage nach der Grenzsicherheit verhakeln. Das Thema, das wir heute besprechen – Umweltpolitik und Klimaschutz –, wäre eigentlich dazu geeignet, ganz oben angesiedelt zu sein; denn hier geht es um Fluchtursachen und Lebensgrundlagen der Menschheit. Dafür müsste man in diesem Haus eigentlich streiten. ({4}) Wenn Sie, Herr Hohmann, als Vertreter einer Partei, die den menschengemachten Klimawandel leugnet, gegen Flüchtlinge polemisieren, dann zeigt das die ganze Widersprüchlichkeit Ihrer Politik. ({5}) Sie haben darüber hinaus den Windbereich problematisiert. Wo ist eigentlich Ihr Angebot? Damit bin ich bei Ihnen, Frau Ihnen, und der Frage nach den Kosten. Wenn ich Ihr Programm von der AfD richtig verstanden habe, dann sagen Sie auf der einen Seite: Nach mir die Sintflut! Den menschengemachten Klimawandel gibt es nicht. – Auf der anderen Seite wollen Sie weiter in die Atomkraft investieren. Vor dem Hintergrund aber, dass wir alle die Ewigkeitskosten für nachfolgende Generationen – das spüren wir in diesem Haushalt – nicht einschätzen können, ist die Energiepolitik, für die Sie hier stehen, unverantwortlich. ({6})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein. Ich möchte gerne fortfahren, weil ich mich weiterhin mit Frau Ihnen befassen möchte. Sie haben gesagt, Frau Ihnen, dass es nachhaltig sein muss. Was bedeutet „nachhaltig“? Man darf nicht einfach sagen, dass Ökonomie, Ökologie und soziale Gerechtigkeit hintereinander oder nebeneinander stehen. Wir können mit der Natur nicht verhandeln. Sie haben beispielsweise darauf aufmerksam gemacht, dass es ein Problem beim Personalaufwuchs gibt. Ich habe es vorhin schon erklärt: Wir müssen viele Millionen ausgeben, weil wir uns auf einer Endlagersuche befinden, ohne dass es weltweit ein eingerichtetes Endlager gibt. Des Weiteren müssen wir beispielsweise beim Umweltbundesamt Stellen dafür schaffen, dass das Thema Pflanzenschutzmittel in den Griff bekommen wird. Deswegen stehen wir zur Bundesumweltministerin, wenn sie sagt, dass wir von dem großzügigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wegkommen müssen, weil die volkswirtschaftlichen Kosten weitaus höher sein werden. ({0}) Der entscheidende Punkt, mit dem wir es in den nächsten zwei Jahren im Bereich der Umweltpolitik zu tun haben, ist in der Tat die Vorbereitung des Klimaschutzgesetzes. Hier haben wir, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, möglicherweise eine andere Herangehensweise. Wir haben mit der Strukturwandelkommission bzw. Kohlekommission einen Weg beschritten, ({1}) bei dem Umwelt- und Klimaschutz den Rahmen bilden. Aber wir lassen die Menschen vor Ort nicht im Stich, sondern wir ermöglichen Strukturentwicklung mit ihnen und machen es nicht über ihre Köpfe hinweg. ({2}) Das ist ein nachhaltiges Konzept, das wir weiterverfolgen müssen. ({3}) Dass Sie da ein bisschen Probleme haben, verstehe ich schon. ({4}) Denn wir sind für diesen Schritt schon gelobt worden. Aber wo wir vielleicht wieder zusammenkommen können – regen Sie sich nicht auf; wir sitzen bei dieser Frage in einem Boot –, ist: Entscheidend wird sein, dass es eine nachhaltige Lösung über Legislaturperioden hinweg gibt. Wir haben bei der Atomkraft gesehen – rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln –, ({5}) dass die Investitionssicherheit am elementarsten Punkt tangiert war; das war ein großes Problem. Bei der Kohle darf uns das nicht passieren. Deswegen brauchen wir einen gesellschaftspolitischen Konsens zwischen den unterschiedlichen Regionen und den unterschiedlichen Interessengruppen. ({6}) Hier wird ein richtig dickes Brett zu bohren sein. Ob es erfolgreich sein wird, werden wir sehen. Aber das ist der einzige Weg, dies nun auf den Weg zu bringen. Die Bundesumweltministerin hat diese Kommission ermöglicht. Dafür und auch, wenn es in den nächsten Jahren um die Umsetzung des Vorhabens geht, hat sie unsere Unterstützung. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit. Es liegt noch viel Arbeit vor uns. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Rainer Kraft. ({0})

Dr. Rainer Kraft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004792, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Miersch, Sie haben die Ewigkeitskosten angesprochen, die sich aus der Lagerung von nuklearen Abfällen ergeben. Nun ist es ja so, dass auch nach dem 31. Dezember 2022 die Verwendung nuklearer Stoffe in Deutschland nicht verschwinden wird. Wir werden weiterhin Anwendungen im medizinischen, im technischen und im wissenschaftlichen Bereich haben. Das heißt, es ist auch weiterhin eine Einlagerung von radioaktiven Abfallprodukten notwendig. Darüber hinaus reden wir von ungefähr 50 Jahren nu­klearer Stromerzeugung und von ungefähr 15 000 Tonnen an radioaktiven Abfällen. Damit verbunden sind hohe Kosten für wahrscheinlich sehr, sehr lange Zeit. Auf der anderen Seite haben wir auf unseren Deponien in Deutschland 2,5 Millionen Tonnen hochtoxischer Abfälle, die keine Halbwertszeit haben, die tatsächlich einer Ewigkeitsgarantie hinsichtlich Überwachung und sicherer Lagerung bedürfen. Wie stehen Sie zu diesem Größenvergleich?

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Herr Kollege Dr. Miersch.

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Kraft, das sind zwei gravierende Umweltprobleme. Sie versuchen, Ihren Weg, nämlich die Atomkraftwerke weiter laufen zu lassen, zu kompensieren, indem Sie auf andere Umweltprobleme verweisen. Ich sage Ihnen: Beides muss bekämpft werden. Wir haben Altlastenprobleme in ganz Deutschland. Deswegen geht es darum, wie wir mit diesem Müll, auch mit hochtoxischem Müll, zukünftig umgehen. Deswegen reden wir zum Beispiel über die Frage des Chemikalieneinsatzes. Was aber nicht geht, finde ich, ist, dass Sie hier unwidersprochen sagen können: Windkraft wollen wir nicht. Einen von Menschen gemachten Klimawandel gibt es nicht. Wir setzen auf die „saubere Technologie“. – Wir sehen an diesem Haushalt, dass Ihr Ansatz für diese Gesellschaft Kosten produzieren würde, die in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen, dass er verantwortungslos gegenüber nachfolgenden Generationen ist und damit alles andere als nachhaltig. Das wollte ich Ihnen sagen, und davon bin ich zu hundert Prozent überzeugt. ({0})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank. – Der nächste Redner ist für die AfD-Fraktion der Kollege Marc Bernhard. ({0})

Marc Bernhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004669, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Karl der Käfer wurde nicht gefragt,  man hat ihn einfach fortgejagt. Diese Zeilen aus einem Protestlied der 80er-Jahre dürften Ihnen noch im Ohr klingen, liebe Grünen. Die Geschichte des Käfers, der beim Bau einer Autobahn weichen musste, ging damals durchs ganze Land. Käferchen Karl würde sich heute allerdings im Grabe umdrehen, wenn er erleben müsste, wie Sie den Umweltschutz zugunsten einer hanebüchenen Klimapolitik verraten und verkauft haben. ({0}) Bestes Beispiel ist die unübersehbare Verspargelung unserer Heimat mit sogenannten Windkraftanlagen. Pro Anlage werden allein für die Fundamente bis zu 180 Tonnen Stahlgeflecht in den Boden gesetzt und mit bis zu 1 300 Kubikmetern Stahlbeton ausgegossen – eine unvorstellbare Menge. Nehmen wir nur einmal einen Mittelwert von 1 000 Kubikmetern pro Windrad an, so haben unsere sogenannten Klimaschützer, also Sie, eine 6 860 Kilometer lange vierspurige Autobahn unter die Erde gelegt. ({1}) Käfer Karl würde sich wahrscheinlich übergeben, wenn er wüsste, wie sich seine grünen Freunde gewandelt haben. ({2}) Und was würde er wohl zur deutschen Klimapolitik sagen? Deutschland hat seine selbstgesteckten Ziele nicht erreicht. Na und? Deutschland hat gerade mal einen Anteil von 0,09 Prozent am CO 2 in der Atmosphäre. Selbst wenn wir in Deutschland alles abschalten würden, kein CO 2 mehr produzieren würden, nicht mehr heizen würden, keinen Strom mehr verbrauchen würden, uns nicht mehr fortbewegen würden ({3}) und, nicht zu vergessen, liebe Grünen, auch das Ausatmen einstellen würden, hätte das überhaupt keinen Einfluss auf das Weltklima. ({4}) Im sogenannten Pariser Klimaschutzabkommen haben sich die Staaten der Welt angeblich dazu verpflichtet, die globale Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen. Die Wahrheit ist: Bei diesem Abkommen wurden die Europäer ganz einfach über den Tisch gezogen. Effektiv hat sich nur Europa verpflichtet ({5}) – hören Sie doch einfach mal zu! vielleicht lernen Sie noch was –, ({6}) CO 2 -Emissionen zu reduzieren. Dem mit 27 Prozent größten CO 2 -Verursacher der Welt, China, erlaubt nämlich dieses sogenannte Pariser Klimaschutzabkommen, bis 2030 seinen CO 2 -Ausstoß unbegrenzt weiter zu erhöhen, und das Gleiche gilt für alle Schwellen- und Entwicklungsländer, und genau das tun die auch. Weltweit – wir haben es vorher schon gehört – sind 1 600 Kohlekraftwerke im Bau, davon allein 486 in China und 193 in Indien. Völlig egal also, wie viel Deutschland von seinem 2-Prozent-Anteil an den CO 2 -Emissionen einspart – 20 Prozent, 50 Prozent oder gar 100 Prozent –, egal wie viele Kohlekraftwerke wir abschalten – ({7}) wir erreichen damit nichts anderes als die Zerstörung von Millionen von Arbeitsplätzen und gefährden die Sicherheit der Menschen in unserem Land. ({8}) Wie der grüne baden-württembergische Umweltminister Untersteller zu Recht beklagt, riskieren wir mit der Energiewende flächendeckende Blackouts, bei denen Millionen Menschen tagelang ohne Strom sein werden. Das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag rechnet für diese Fälle mit Tausenden von Toten. Im Stromnetz muss nämlich immer ({9}) – hören Sie einfach mal zu, Mensch! ({10}) Sie verstehen überhaupt nichts von Technik – genau so viel Strom vorhanden sein, wie gerade benötigt wird; ({11}) sonst bricht nämlich das Stromnetz zusammen. Nur gerade mal 1 Prozent der Windenergie steht zu jedem Zeitpunkt zur Verfügung. Das heißt, neben jede Windkraftanlage muss man zum Beispiel ein Kohlekraftwerk stellen – ({12}) für den Fall, dass zum Beispiel mal wieder der Wind gerade nicht weht.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Marc Bernhard (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004669, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ich gestatte keine Zwischenfrage. Ich würde das gern zu Ende bringen. Gern eine Kurzintervention danach. Durch Windenergie kann also kein einziges Kohlekraftwerk abgeschaltet werden; sonst droht das Dunkeldeutschland grüner Ideologie. ({0}) Und was haben wir Bürger davon? Bei vielen bleibt die Wohnung dunkel und der Herd kalt. Wegen der Energiewende hat Deutschland weltweit mit die höchsten Energiepreise. So können immer mehr Bundesbürger ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen. Jahr für Jahr wird 350 000 Haushalten der Strom abgeklemmt. ({1}) Welch eine Schande für ein Land, das in der Lage ist, wie letzte Woche, mit einem Federstrich 54 Milliarden Euro für Griechenland bereitzustellen, 50 Milliarden Euro in 2017 für Flüchtlinge, ({2}) aber gleichzeitig zuschaut, wie seinen Bürgern der Strom abgestellt wird! ({3}) Diese Regierung sorgt für eine weitere Spaltung Europas, diesmal auf dem Strommarkt. Die verantwortungslose deutsche Energiepolitik, die jede Vernunft, jedes Maß, jede Verhältnismäßigkeit einem irrationalen Klimawahn unterordnet, zwingt unsere Nachbarstaaten, sich vom deutschen Stromnetz abzukoppeln, damit ihre Stromnetze nicht zusammenbrechen. ({4}) Merkels Regierung hat mit ihrer fatalen Politik nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa gequält und gespalten. Sie ist der Sargnagel der europäischen Einheit. ({5}) Beenden Sie die Isolation Deutschlands, und treten Sie zurück! Danke. ({6})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Georg Nüßlein für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Lieber Herr Bernhard, zu den Befindlichkeiten des Käfers Karl kann ich Ihnen nichts sagen. Ich will als einfacher Kaufmann auch nicht wie Sie hier ein pseudowissenschaftliches Seminar zum Thema Klimawandel halten. Ich probiere es erst einmal versöhnlich. ({0}) Also, es gibt zu diesem Thema eine Mehrheitsmeinung, und es gibt Minderheitsmeinungen. ({1}) – Jetzt hören Sie mir zu! Ich versuche es versöhnlich. ({2}) Wenn Sie mir zuhören, geht „versöhnlich“ natürlich einfacher. – Man kann sich der einen wie der anderen Meinung anschließen. Nur: Bei Ihnen merke ich das Kalkül, das hinter der Thematik steckt, nämlich diejenigen einzusammeln, die aus irgendwelchen Gründen kritisch mit der Thematik umgehen. Jetzt kommt der politische Schluss für uns andere. Klimaschutz dürfe kein Eliteprojekt sein, hat die Ministerin vorhin formuliert. Damit wird das Thema an dieser Stelle konkret und kritisch. Es kommt nämlich die Zeit, wo das alles tatsächlich Geld kosten wird, wenn es um das Auto, um die Heizung der Menschen gehen wird. ({3}) Wenn man das so versteht, meine Damen und Herren, und wenn man sieht, was die Populisten an dieser Stelle vorhaben, dann muss für uns der Schluss sein, dass wir mehr Rationalität in diese Debatte bringen, dass wir uns nicht einem Wettbewerb hingeben nach dem Motto „höher, schneller, weiter“, noch mehr Ziele, bei jeder Klimakonferenz die Latte einfach höher hängen, wenn man schon nicht drüberkommt. ({4}) Wir müssen endlich auch die Themen „Energieeffizienz“, „Ressourceneffizienz“ stärker nach vorne bringen. ({5}) Das ist das Versöhnliche daran; denn wenn man so denkt wie Sie, müsste man irgendwann wieder die Kurve bekommen und unabhängig von der Frage, ob der Klimawandel menschengemacht ist oder nicht, sagen: Es macht doch mit Blick auf die Umwelt und auch mit Blick auf die Wirtschaft Sinn, Ressourcen zu sparen und Effizienz nach vorne zu bringen. Das wird in Zukunft ein Wettbewerbsfaktor sein. ({6}) Das habe ich von Ihnen in dieser Rationalität nie gehört, weil es Ihnen nur darum geht, dieses Thema populistisch zu bespielen; und das halte ich für falsch. Aber ich sage Ihnen auch: Für uns ist ganz entscheidend, dass wir bei diesen ganzen Zielen mehr Rationalität walten lassen und dass wir uns am Schluss nicht in einer solchen Situation befinden, wie mittlerweile beispielsweise beim Thema Diesel. Wir wissen auf der einen Seite, dass wir zur CO 2 -Reduzierung den Diesel brauchen, auf der anderen Seite bringen uns die NO X -Vorgaben in eine schwierige Situation. Das ist etwas, was irgendwann einmal dazu führen wird, dass die Leute auf diesem Weg nicht mehr mitgehen. Ich habe es gut gefunden, dass die Bundesministerin gesagt hat: Lasst uns die Menschen an dieser Stelle mitnehmen. ({7}) Natürlich gilt das auch für das, was wir in diesem Parlament in den nächsten Monaten zu beschließen haben. Wir haben im Koalitionsvertrag festgelegt, ({8}) dass wir Regelungen zur Einhaltung der Klimaziele 2030 gesetzlich festlegen. Ich halte für ganz entscheidend, dass wir das tun, aber im Sinne eines Artikelgesetzes, mit dem wir die Gesetze verändern, die man dazu verändern muss, und nicht so, wie sich das der eine oder andere vorstellt, der sagt: Wir machen ein übergeordnetes, verfassungsgleiches Klimagesetz, auf das sich in Zukunft die gesamte Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland zu beziehen hat. – Das halte ich für ganz entscheidend.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gern. Ich sehe nur nicht, von wem. – Ah ja, Herr Hilse, okay.

Karsten Hilse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004752, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Vielen Dank, Herr Nüßlein, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – In einer Ihrer Reden hier im Bundestag hatten Sie schon einmal gesagt: Wir sehen jetzt – Sie haben gerade darauf abgehoben – auch, was wir für Probleme mit falschen NO X -Grenzwerten haben. – Das könnte man im Protokoll nachlesen. Ich habe es mir gemerkt. Die AfD fordert ja, die NO X -Grenzwerte wissenschaftlich zu bewerten, zum Beispiel aus medizinischer Sicht. Das ist ein Antrag von uns. Würden Sie dem zustimmen? Wir wollen einfach die NO X -Grenzwerte dahin gehend wissenschaftlich bewerten, ob die jetzigen Werte wirklich notwendig sind, um die Gesundheit der Menschen in Deutschland zu erhalten.

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Zunächst einmal spricht überhaupt nichts dagegen, irgendetwas wissenschaftlich zu bewerten. Ob man dafür die AfD braucht, ist eine andere Frage. ({0}) Aber gegen das wissenschaftliche Bewerten spricht gar nichts. Ich habe vorhin auf das Thema abgehoben, dass wir uns Ziele setzen, die sich am Schluss widersprechen, und wir uns wundern, wenn die Menschen unserer Politik an dieser Stelle nicht mehr folgen können. Darauf kommt es aus meiner Sicht an. Wenn Sie da meiner Meinung sind, dann finde ich das nicht schlecht; darüber freue ich mich. Aber letztendlich warten wir nicht auf die AfD, um solche Dinge entsprechend zu dokumentieren. ({1}) – Dass es hier immer um Populismus geht, wissen wir doch. Das ist ja nun auch nichts Neues. Aber bitte, wenn Sie das so machen wollen: Am Schluss wird sich zeigen, dass auch das nicht zum Ziele führt. Wir haben, was die Strukturkommission angeht, ganz deutlich gemacht, dass es uns um Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung geht. Deshalb finde ich es schön, dass so etwas nicht einfach als „Kohleausstiegskommission“ – das hätten die Grünen vermutlich gerne gehabt – tituliert wird, sondern dass wir sagen: Wir haben natürlich die Wirtschaft auch immer mit im Blick. – Das macht Sinn. Wenn die Umweltministerin sagt, der Verkehrssektor sei das Sorgenkind, und damit die Bundeskanzlerin zitiert, ist das ganz richtig; aber man muss das natürlich auch immer unter bestimmten Rahmenbedingungen sehen. Die Rahmenbedingungen heißen: Wir müssen Mobilität, insbesondere in den ländlichen Räumen, wo die Individualmobilität eine entsprechende Rolle spielt, weiter sicherstellen. Das ist das erste Gebot bei diesem Thema. Zweitens. Wir haben eine deutsche Leitindustrie, die sich momentan in einer Führungskrise befindet, weil offensichtlich die Hybris der überbezahlten Herrschaften eine besondere Rolle gespielt hat. Trotzdem ist es eine Leitindustrie, und sie ist für die wirtschaftliche Entwicklung in diesem Land ganz entscheidend; die dürfen wir nicht beschädigen. ({2}) Jetzt komme ich zu den Flottenzielen. Da gibt es einen Disput innerhalb der Bundesregierung. Ich will einmal deutlich machen, wo sich unsere Fraktion an dieser Stelle verortet – sie sagt übrigens das Gleiche, Frau Ministerin, was die Betriebsratsvorsitzenden der Automobilindustrie schon an Sie geschrieben haben –: Wir müssen berücksichtigen, dass Deutschland die Premiumautos der Welt herstellt. Wir wollen, dass das so bleibt. Deshalb ist eine Verschärfung der Flottenziele, die zu einer CO 2 -Minderung um 50 Prozent führt, nicht darstellbar. Das würde den Wirtschaftsstandort Deutschland massiv gefährden. ({3}) Es bringt nichts, wenn man Anforderungen schafft, die am Schluss nicht zu erfüllen sind. Wir diskutieren momentan über die Frage, ob wir mit Offshorewindkraftanlagen direkt Wasserstoff herstellen wollen. Ich halte das für ein durchaus zielführendes, sinnvolles Konzept; denn wir haben ja genügend Schwierigkeiten bei der Frage, wie man den Strom aus erneuerbaren Energien in die Leitung bekommt. Wenn man das tut, meine Damen und Herren, dann muss man auch überlegen: Was passiert denn mit dem Wasserstoff im Anschluss? Da stelle ich fest, dass synthetische CO 2 -arme Kraftstoffe wie beispielsweise Biomethan auf die Flottenwerte noch nicht anrechenbar sind. Das muss sich ändern. ({4}) Die aktuelle EU-Rechtslage ist an dieser Stelle ziemlich widersinnig: Wenn man Strom, der momentan nicht zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen kommt, direkt im Verkehrssektor verwendet und dann am Auspuff misst und feststellt: „Da ist null Emission“, dann ist das gut. Wenn wir aber auf der anderen Seite beispielsweise über Windenergie Wasserstoff produzieren und den in der Mobilität einsetzen, dann wird das bei der Ermittlung der Emissionen nicht berücksichtigt. Das macht keinen Sinn. Wir müssen diese Welten wieder zusammenbringen. Das halte ich für ganz entscheidend. Wir appellieren an dieser Stelle für mehr Pragmatismus; das gilt übrigens insgesamt für das Thema Erneuerbare. Wir haben mit dem Koalitionspartner vereinbart, dass wir 65 Prozent erneuerbare Energien 2030 haben wollen. Ich sage, dass wir 65 Prozent auch verwenden wollen; das ist ganz entscheidend. ({5}) Voraussetzung dafür ist, dass wir Netzintegration schaffen, dass wir das Thema so angehen, dass am Schluss der Strom tatsächlich zum Verbraucher kommt. Herr Kindler hat umfassend das Thema Plastik angesprochen. Ich glaube nicht, dass man mit Strategien, die in Richtung Verbot, Besteuerung gehen, nach vorne kommt. ({6}) Ich glaube auch nicht, dass sich die EU einen Gefallen tut, wenn sie in einer schwierigen politischen Lage über Wattestäbchen und Trinkhalme diskutiert. Vielmehr glaube ich, dass wir uns überlegen müssen, eine Plastikstrategie dahin gehend zu entwickeln, dass besseres, höherwertiges Plastik produziert wird, das auch entsprechend recyclebar ist, ({7}) die das Ganze also technologisch löst. Zum Thema Biodiversität: Ich möchte unterstreichen, dass ich es gut finde, dass wir einen Eckpunktebeschluss für das Aktionsprogramm Insektenschutz zustande gebracht haben, der zeigt, dass es so etwas wie einen Interessenausgleich gibt. Ich finde das deshalb bemerkenswert, weil ich natürlich weiß, wie kritisch wir auf die Landwirtschaft schauen. Die Leute, die mir immer sagen: „Es ist alles ganz furchtbar, was in der Landwirtschaft passiert“, sind, wenn in ihrem Garten der Buchsbaumzünsler den Buchsbaum abfrisst, die Ersten, die nach der Giftspritze greifen und sagen: Jetzt müssen wir aber etwas tun. – Da ist schon manchmal eine Doppelzüngigkeit im Spiel. Dass wir den Interessenausgleich gefunden haben, ist gut und wichtig. Ich glaube übrigens, dass wir diesen auch beim Thema Wolf finden werden; denn ich merke, dass deutlich mehr Rationalität in diese Diskussion kommt. Es ist ja nicht so, dass man die Rückkehr des Wolfs nur begrüßen und toll finden muss, insbesondere in einem Land, das dicht besiedelt ist und in dem der Wolf tatsächlich auch Schwierigkeiten macht. In diesem Zusammenhang will ich aber noch sagen: Ich finde es trotzdem schade, dass eine Tierkategorie in diesem Land keine Lobby hat. Das ist das heimische Wild: Hirsch, Gams, Reh – alle ohne Lobby, der Vernichtung durch die Staatsforsten landauf, landab preisgegeben, egal in welchem Bundesland. Der Bund macht wahrscheinlich auch mit. Sie haben leider keine Lobby. Für diese Tiere müssen wir etwas tun. Ich halte es für dringend notwendig, dass wir dieses Thema ein bisschen stärker in unsere Diskussionen über Biodiversität einbeziehen; denn bei diesen Tieren gibt es einen massiven Rückgang, beispielsweise beim Rotwild. Das finde ich persönlich schade; denn der Hirsch gehört ja zu unserem Land. Vielen herzlichen Dank. ({8})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der Kollege Dr. Lukas Köhler von der FDP-Fraktion ist der nächste Redner. ({0})

Dr. Lukas Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004786, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Ministerin Schulze! Wir können Umweltpolitik natürlich angesichts von Schreckensszenarien und Horrorvorstellungen über den nahenden Weltuntergang betreiben. Wir können uns darüber echauffieren, dass die USA unter Trump aus dem Pariser Abkommen aussteigen wollen. Wir können den desaströsen Klimaschutzbericht der Bundesregierung betrachten und resignieren. Die Wälder sterben im sauren Regen. Meine Damen und Herren, Sie kennen das. Andererseits könnte man Umweltpolitik aber auch mit Mut und Optimismus betreiben. Man könnte das Positive sehen und endlich versuchen, zu gestalten und entscheidende politische globale Herausforderungen anzunehmen. Die Ausgangslage in Deutschland wäre dabei eigentlich optimal; das traut sich irgendwie nur niemand zu sagen. Das Wirtschaftswachstum ist hervorragend. Die Arbeitslosenquote sinkt konstant. Die Kriminalität ist gesunken, und selbst den CO 2 -Ausstoß im Energiebereich reduzieren wir aktuell. ({0}) – Nicht Sie leider! ({1}) Unsere Forscher und Entwickler haben zahlreiche Ideen, wie wir Umweltpolitik gestalten und ausbauen können. Wir haben aktuell also ein ungehobenes Potenzial. Das gilt auch für das BMU. Sie haben von 2 Milliarden Euro gesprochen und dabei netterweise vergessen, dass Sie noch 6 Milliarden Euro im EKF liegen haben. Ich denke, dass dort das große Problem, die große Fragestellung unserer Zeit liegt. Das Gestaltungspotenzial liegt auf der Hand, aber es liegt leider brach; denn die Bundesregierung beschäftigt sich aktuell lieber mit sich selber, anstatt wirklich etwas voranzubringen. ({2}) Als Müntefering meinte: „Opposition ist Mist“, ging er davon aus, man könne nur in der Regierung etwas bewegen. Aber, meine Damen und Herren, dazu muss man in der Regierung doch auch etwas bewegen wollen, und das sehen wir nicht. ({3}) Im Moment sieht man in der Bundesregierung hauptsächlich Chaos, gewürzt mit einer großen Prise politischem Stillstand. Dabei wäre zu den entscheidenden Fragen der Umweltpolitik eine eindeutige Haltung dringend erforderlich. Strengere CO 2 -Flottengrenzwerte für Pkw – die Position der Bundesregierung: leider fragwürdig. Der EU-Aktionsplan für nachhaltige Finanzen – Position der Bundesregierung: Fehlanzeige. Und Sie, liebe Ministerin, haben darüber gesprochen, dass der Bundesetat gewachsen ist. Ein gewachsener Etat stellt noch keinen Plan dar. ({4}) Lieber Herr Miersch, Sie haben darüber gesprochen, dass neue Stellen geschaffen werden. Auch diese ersetzen noch keinen Plan. ({5}) Ich muss doch mit den Leuten irgendetwas tun. Ich kann doch nicht einfach jemanden einstellen, und dann passiert nichts. Das ist doch das Problem. ({6}) Die große Fragestellung, vor der wir stehen, ist, dass in den Angelegenheiten, auf die Sie sich eigentlich verständigen können, hauptsächlich Symbolpolitik und kleinteilige Regulierung vorherrschen und politische Nebensächlichkeiten diskutiert werden. ({7}) Wie so oft ist die Bundesregierung bei den großen Themen ganz klein und bei den kleinen Themen ganz groß. Es gibt Anleitungen, Ratgeber und Subventionen. Aber dort, wo wirklich Handlungsbedarf besteht, geschieht nichts. Was ist denn aus der Partnerschaft mit Frankreich geworden? Was ist aus dem globalen Ansatz in der Klimapolitik geworden? Wir brauchen eine Umweltpolitik, die endlich Innovationstreiber sein will und nicht Lebensratgeber. ({8}) Nutzen wir doch die Fantasie unserer Tüftler und Ingenieure, um wirklich weiterzukommen. Diese sind weltweit gefragt. Exportieren wir Ideen und nicht Vorschriften. Das Einzige, worauf Sie sich offenbar noch verständigen können, ist, immer kleinteiligere Regulierung zu schaffen und Probleme einfach mit Geld zuzuschütten. Wenn der Anspruch der Bundesregierung aber nur noch ist, dass Regierungsmitglieder nicht aufeinander losgehen, dann ist das doch ein Armutszeugnis. ({9}) Die Planlosigkeit in diesem Haushalt ist das große Problem, ist die große Herausforderung, vor der wir stehen. Denn wir können viel Geld ausgeben – das ist schön und richtig –, aber wenn wir das ohne Plan tun, meine Damen und Herren, dann ist jeder ausgegebene Euro verschwendet, und das können wir uns nicht leisten. ({10}) Dabei hätten unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaft das Potenzial, die Zukunft der Umwelt zu gestalten. Deshalb kann ich die Koalition nur auffordern – das ist mir wirklich ein Anliegen –: Fangen Sie an, gemeinsam daran zu arbeiten, mit dem BMU und dem Verkehrsministerium, mit dem Wirtschaftsministerium zusammen; denn das ist das, was uns fehlt. Dafür hätten wir aktuell die perfekte Ausgangssituation. Das machen Sie nicht, und das nervt mich richtig toll. Meine Damen und Herren, vielen lieben Dank. ({11})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für Die Linke hat das Wort der Kollege Ralph Lenkert. ({0})

Ralph Lenkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004091, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Schulze! Frage: Wofür wird im Bundeshaushalt mehr ausgegeben, für Umwelt- und Naturschutz oder für Atommüll? Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, ja, der Umweltetat ist deutlich gewachsen, um 23 Prozent. Der Zuwachs beträgt 371 Millionen Euro, davon allein 292 Millionen Euro zusätzlich für die sichere Verwahrung von Atommüll und nur 79 Millionen Euro mehr für die Umwelt. Zurück zur Eingangsfrage: Fast 1 Milliarde Euro werden 2018 ausgegeben für die sichere Verwahrung des Atommülls und den Schutz unserer Gesundheit vor den Auswirkungen radioaktiver Strahlung. Weitere 166 Millionen Euro werden ausgegeben für die Sanierung der Hinterlassenschaften des Uranbergbaus der Wismut in Sachsen und Thüringen und nur 489 Millionen Euro für den klassischen Umweltschutz, für Naturschutz, für den Schutz vor Staub, vor Lärm, vor Abgasen, für die Bewertung von Chemikalien, für die Einschätzung der Risiken. Für den Hochwasserschutz gibt es 100 Millionen Euro. Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, wegen des Atommülls fehlt das Geld für viele andere Aufgaben. Deswegen – auch deswegen – ist Die Linke für einen sofortigen Atomausstieg. ({0}) In Thüringen, in Nordostdeutschland wird Trockenheit im Frühjahr zum dauerhaften Problem. 2011, 2012, 2014, 2015, 2017 und dieses Jahr, 2018, gab es im Frühjahr so viel Trockenheit, dass die Erträge beim Sommergetreide massiv einbrechen bzw. komplett wegfallen. Damen und Herren Klimaleugner, fehlt die Sommergerste, dann fehlt die Gerste für das Malz. Wie wollen Sie dann das Bier zu Ihren Stammtischparolen trinken? Diese Frage sollten Sie einmal beantworten. ({1}) Die Bundesrepublik stellt 1 Prozent der Weltbevölkerung. Wir sind aber für 2 Prozent des jährlichen Ausstoßes von CO 2 verantwortlich. Kollege Hilse, da allein den Zubau von Kohlekraftwerken zu bewerten, ist zu kurz gesprungen. Seit 2015 wird jedes Jahr mehr Leistung bei den erneuerbaren Energien zugebaut als bei Kohlekraftwerken. Wenn wir die Programme für den internationalen Klimaschutz stärker aufstocken und mehr Beratung in Entwicklungsländern machen würden, dann würde der Anteil der Erneuerbaren noch stärker steigen und wir hätten mehr für den Klimaschutz getan. Insofern freuen wir uns, dass die Fraktionen der Koalition endlich unsere jahrelangen Anregungen zur Aufstockung dieses Fonds aufgegriffen haben und ihn erhöhen. Links wirkt, vielen Dank. ({2}) Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, in einem linken Umwelthaushalt könnten Sie sich auf einige Sachen einrichten, zum Beispiel auf 70 Millionen Euro mehr für den Schutz bedrohter Tierarten, zur Ermittlung der Ursachen des Insektensterbens und zum Kampf dagegen, auf 50 Millionen Euro mehr für den Lärmschutz an Straßen, an Autobahnen, an Schienentrassen und an Flugplätzen, auf 40 Millionen Euro mehr für den Waldumbau, damit unsere Wälder wärmeresistenter werden und im Hochwasserfall mehr aufnehmen können. Laubwälder können das. So könnte zum Beispiel auch das Naturwelterbe Hainich geschützt werden. Wir wollen außerdem 50 Millionen Euro haben, damit die Hinterlassenschaften zweier Weltkriege beseitigt werden können. Auch das ist Schutz der Menschen und der Umwelt. Diese Hinterlassenschaften im Erdreich in Nord- und Ostsee müssen endlich auf Bundeskosten entsorgt werden. ({3}) Die Ärmsten auf dieser Welt leiden am meisten unter Umweltproblemen. Es gibt nur eins, was schlimmer ist, und das sind Kriege. Kriege zerstören Gebäude, töten Menschen, zerstören auch die Natur. Wer die Umwelt will und wer Umweltschutz will, muss den Frieden sichern. ({4}) Deswegen sind Waffenexporte zu stoppen und stattdessen die Klimaschutzmaßnahmen zu steigern. Auslandseinsätze sind einzustellen und die humanitäre Hilfe zu erweitern. ({5}) Durch Umweltprobleme kommt es zu Wasser- und Lebensmittelmangel in der Sahelzone. Dort führt das bereits zu Bürgerkriegen. Wer den Frieden will, muss die Umwelt retten. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Linke möchte eine soziale, ökologische und friedliche Zukunft für alle Menschen – weltweit und in der Bundesrepublik. Vielen Dank. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr das Wort die Kollegin Dr. Bettina Hoffmann. ({0})

Dr. Bettina Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004756, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Verehrte Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geld ist ein wichtiges Steuerungselement, und daher ist es umso wichtiger, es im Haushalt für die gute Sache einzusetzen. Mit der Nachhaltigkeitsstrategie hat sich die Bundesregierung zu einem nachhaltigen Handeln verpflichtet. Sie will die Verfügbarkeit von Wasser gewährleisten, Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels ergreifen, Landökosysteme nachhaltig bewirtschaften und das Artensterben stoppen. Der aktuelle Zwischenbericht sagt etwas ganz anderes: Ziele werden verfehlt, es gibt gegenläufige Entwicklungen, Deutschland müsse ehrgeiziger werden und vor allem ressortübergreifendes Handeln stärken. Was heißt das? Das heißt, der gesamte Haushalt muss nachhaltig aufgestellt sein. ({0}) Sonst nützt ein Parlamentarischer Beirat für Nachhaltigkeit nichts. ({1}) Der Rat für nachhaltige Entwicklung nützt nichts, und regionale Nachhaltigkeitsbüros nützen schon mal gar nichts. Das heißt, dass man nicht das, was man mit den Händen aufbaut, mit dem Hintern wieder umreißt. ({2}) Das heißt, dass es absurd ist, wenn man nur 5 Millionen Euro für den Insektenschutz ausgibt, aber gleichzeitig auf Dauer eine Landwirtschaft mit 40 Milliarden Euro fördert, die genau entgegengesetzt wirkt. ({3}) Wenn Frau Klöckner ernsthaft etwas zum Schutz der biologischen Vielfalt tun will, dann kann sie das Problem nicht einfach weglächeln und den Bauern versprechen: Das geht alles so weiter wie bisher. – Zwei Bienenvölker im Hof des Ministeriums genügen nicht. ({4}) Wir Grüne fordern die Einrichtung eines nationalen Wildnisfonds in Höhe von 500 Millionen Euro, die Aufstockung der Mittel für die biologische Vielfalt auf 50 Millionen Euro und 15 Millionen Euro für Auenrenaturierung. Frau Schulze, Sie haben offenbar erkannt, dass bei dem Entwurf zur GAP eine ganz andere Richtung einzuschlagen ist. Ich fordere Sie auf: Setzen Sie sich durch an dieser Stelle; denn sonst werden Sie auf die gleiche peinliche Art scheitern wie beim Klimaschutz. ({5}) Auch unser Wasser ist bedroht. Diese Woche mussten wir die Warnung der EU-Kommission zum Nitrat im Grundwasser hinnehmen, und das zu Recht. Auch Phosphat, Medikamente, Mikroplastik und Keime belasten unser Wasser. End-of-Pipe-Lösungen werden immer aufwendiger, teurer und helfen am Ende nicht. Hier müssen Sie mehr tun. Für die Beseitigung der Folgen zahlen alle einen sehr hohen Preis. Auch für die Atomenergie gilt das. Mit der Atomgesetznovelle hätten Sie jetzt die Möglichkeit gehabt, über eine Wiedereinführung der Brennelementesteuer bis zu 2 Milliarden Euro einzunehmen. Doch Sie verzichten einfach darauf. Wie wollen Sie das denn den Steuerzahlern klarmachen? ({6}) Sie verschleudern auch noch Geld. Sie fördern klima- und umweltschädliches Handeln mit 50 Milliarden Euro jährlich. Das fängt bei der Subventionierung von Diesel an, geht über die Flugindustrie und endet beim Plastik. Das muss aufhören. ({7}) Und Herr Scheuer pumpt unbeirrt Milliarden in den Bau von Straßen. Der Schienenverkehr bekommt eine halbe Milliarde Euro weniger. Das heißt: mehr Flächenversiegelung, mehr Lärm und mehr schlechte Luft. Nehmen Sie hier endlich Ihr eigenes Leitbild ernst. Wenden Sie das Prinzip der Nachhaltigkeit in allen Bereichen und bei allen Entscheidungen konsequent an. Da haben Sie noch sehr viel zu tun. Vielen Dank. ({8})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die CDU/CSU-Fraktion ist der nächste Redner der Kollege Dr. Klaus-Peter Schulze. ({0})

Dr. Klaus Peter Schulze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004406, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren auf der Besuchertribüne! Ich glaube nicht, Herr Hohmann, dass das Bundesumweltministerium, das in seiner fachlichen Zuständigkeit ein Papier zum Insektenschutz auf den Weg gebracht hat, die alleinige Verantwortung für die Situation, die wir jetzt festzustellen haben, trägt. Ich glaube, der Insektenschutz ist ein Problem, das wesentlich breiter angegangen werden muss. Hier spielt die Landwirtschaft eine Rolle, aber nicht nur die Landwirtschaft. Ich will Ihnen mal zwei kleine Geschichten aus meinem Wahlkreis erzählen. Ich hatte kürzlich beim Besuch der offenen Gärten ein Gespräch mit einem Bürger, der vor seinem Grundstück einen schönen Grünstreifen hat stehen lassen. Er erzählte mir, er sei unter Androhung der Ersatzvornahme von seiner Stadt aufgefordert worden, die Fläche zu mähen. Die Stadt habe ihm gedroht, es wegzumähen und ihn dafür aufkommen zu lassen, wenn er nicht innerhalb von drei Wochen tätig werde. – Der erste Punkt ist, dass man die kommunalen Reinigungssatzungen auch unter diesem Gesichtspunkt mal betrachten muss. ({0}) Die zweite Geschichte: Im vergangenen Jahr, im Sommer 2017, hat mich die Presse besucht und bei mir zu Hause ein Interview darüber geführt, ({1}) wie ich es mir denn so vorstelle. Da wurde auch ein Bild von meinem Garten gemacht. Einen Tag später bekam ich einen Anruf und wurde gefragt, ob mein Rasenmäher kaputt sei oder ich keine Zeit hätte, den Rasen zu mähen. – Das zeigt doch, dass wir selbst umdenken müssen. An bestimmten Stellen kann jeder seinen eigenen Beitrag leisten. Damit werden wir das Gesamtproblem nicht lösen, aber es auf jeden Fall abmindern. Meine Damen und Herren, es ist uns gelungen, den Haushalt im Bereich Naturschutz um 5 Millionen Euro zu erhöhen. Die zusätzlichen Mittel in Höhe von 5 Millionen Euro gehen in die Förderung der biologischen Vielfalt. Wir – mein Kollege Träger von der SPD und ich – hätten gerne mehr gewollt. Allerdings sagen hier die Haushälter: Es muss erst mal das Geld ausgegeben werden, das tatsächlich da ist. Kollege Gädechens hat ja darauf hingewiesen, dass das ein Schwachpunkt ist; der Mittelabfluss funktioniert noch nicht so, wie wir uns das vorstellen. Aber wenn das in den nächsten Wochen und Monaten besser wird, werden wir uns sicherlich für den Haushalt 2019 noch das eine oder andere gemeinsam mit dem Koalitionspartner vornehmen können. Wenn Sie sagen, Herr Kindler, es würde kein zusätzliches Geld in den Klimaschutz gesteckt, dann ist das nicht richtig. ({2}) Wir haben hier einen Mittelaufwuchs um 50 Millionen Euro auf 437 Millionen Euro; das entspricht bereits 13 Prozent. Wenn jede Haushaltsstelle in diesem Bundeshaushalt um 13 Prozent stiege, zum Beispiel der Verteidigungshaushalt, dann wäre das doch eine richtige Nummer; aber das geht eben nicht. Hier haben wir 13 Prozent mehr, und das ist aus meiner Sicht schon ganz gut. ({3}) Ich halte die Erhöhung in diesem Bereich auch für sehr wichtig. Ich möchte das mal an dem Beispiel eines IKI-Projektes, das in Südamerika über mehrere Länder hinweg durchgeführt wird, ganz kurz erläutern. Hier werden im Rahmen des Projekts SuLu in Paraguay und Kolumbien Kartierungen zur Landnutzungsänderung vorgenommen. Das ist aus meiner Sicht deshalb sehr wichtig, weil zunehmend große Agrarbetriebe auch in die Steppengebiete, die Trockensavannen, vordringen und versuchen, große Teile in Agrarland umzuwandeln. Mit dem Geld, das wir hier einsetzen – der WWF treibt vor Ort die Planung voran –, werden Planungsgrundlagen dafür geschaffen, wie man in der Zukunft bei der Landumnutzung vorgehen sollte. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass die Regierungen, die jetzt von uns das Geld entgegennehmen und die Planung unterstützen, dann auch die Umsetzung vor Ort hinbekommen – nicht, dass wir Planungsmittel ausgeben, aber die Realität zum Schluss eine ganz andere ist. ({4}) Ich möchte auf unsere Unterstützung von internationalen Projekten zu sprechen kommen. Dort geben wir nicht nur Geld aus, sondern wir sorgen auch für Wissenstransfer, um beispielsweise Biosphärenreservate zu entwickeln. Die Entwicklung eines Biosphärenreservats ist deshalb sehr wichtig, weil damit den Menschen Wege aufgezeigt werden, wie sie erstens in ihrer Heimat bleiben und zweitens dort eine vernünftige Wertschöpfung auf den Weg bringen können. Aus meinem Wahlkreis ist ein Vertreter des Biosphärenreservats Spreewald aktiv daran beteiligt, ein entsprechendes Projekt an einem See in Burma auf den Weg zu bringen. Ich wünsche mir für den nächsten Haushaltsansatz, 2019, dass wir in diesem Bereich eine kleine Erhöhung der Mittel vornehmen, damit die Erfahrungen, die wir in deutschen Bioreservaten gesammelt haben, auch an anderen Stellen dieser Erde angewendet werden können und durch den Wissenstransfer Leistungen, die ohnehin mit öffentlichen Mittel in Deutschland finanziert wurden, weitergegeben werden können. Zum Schluss zum Thema Personal; Kollege Gädechens ist darauf eingegangen, die Kollegin Ihnen hat es kritisiert. Ich bin sehr froh, dass es gelungen ist, den Personalaufwuchs im Umweltbundesamt hinzubekommen, damit die Genehmigungsverfahren für Pflanzenschutzmittel schneller vorangehen und die vorgegebenen Zeiten, die uns die Europäische Union ins Hausaufgabenheft geschrieben hat, tatsächlich erreicht werden. Wir haben darüber gemeinsam mit dem Kollegen Färber in der letzten Legislatur intensiv diskutiert und können jetzt sagen: Unsere Aufgabe haben wir erfüllt. Es ist mehr Personal vorhanden. Wir als CDU/CSU-Fraktion werden in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren prüfen, ob mit mehr Personal unser Ziel, die Genehmigungsverfahren schneller durchzuführen, tatsächlich erreicht wird. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Herr Kollege Schulze, ich nehme die Gelegenheit wahr, Ihnen zu Ihrem heutigen Geburtstag zu gratulieren. ({0}) Es ist ein vorbildlicher Einsatz, hier am Geburtstag eine Rede zu halten. Der nächste Redner ist der Kollege Michael Thews von der SPD-Fraktion. ({1})

Michael Thews (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die gute Nachricht ist: 23 Prozent mehr im Umwelthaushalt. Das heißt eben auch: 23 Prozent mehr für wichtige Investitionen in den internationalen Klimaschutz, in die Förderung des Naturschutzes, aber auch in die Zwischen- und Endlagerung radioaktiver Abfälle. Ich möchte mit einem Lob an die Ministerin beginnen. Frau Schulze, ich glaube, Sie sind sehr gut in die Arbeit hineingekommen. Wenn man sich die Bilanz der ersten Zeit anschaut, stellt man fest, dass Sie mit dem Aktionsprogramm Insektenschutz, aber auch mit Ihrer klaren Haltung bei der Nachrüstung von Dieselfahrzeugen wichtige Akzente gesetzt haben. ({0}) Sie haben sich aber auch für das europaweite Verbot von Mikroplastik eingesetzt. Damit sind wir beim Thema Plastik. Der Kollege Kindler hat Sie gerade kritisiert, dass Sie die Einführung einer Plastiksteuer abgelehnt haben. ({1}) Jetzt muss man vielleicht klarstellen, was Sie wirklich gesagt haben. Es ging um eine Plastiksteuer, die keine Lenkungswirkung entfaltet hätte. Generell wurde nicht abgelehnt, dass gegebenenfalls Abgaben oder Steuern erhoben werden, die dann eine Lenkungswirkung entfalten würden. Deutschland geht da einen ganz anderen Weg. ({2}) – Ja, wir erklären Ihnen das gleich. Wir haben in der letzten Legislaturperiode gemeinsam mit unserem Koalitionspartner das Verpackungsgesetz beschlossen. Das ist ein wichtiger Punkt. Es hat viele Jahre gedauert, dieses Gesetz auf den Weg zu bringen. In dem Verpackungsgesetz haben wir zum einen den Anstieg der Recyclingquoten beschlossen – das ist schon mal ein ganz wichtiger Punkt – und zum zweiten eine Ökologisierung der Lizenzabgabe. Das heißt, in Deutschland gibt es schon eine Abgabe derjenigen, die Verpackungsabfälle erzeugen oder in Umlauf bringen. Diese wird in Zukunft anders gestaltet werden. Wenn man sich anschaut, was das jetzt schon bewirkt hat – in Verbindung mit der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister, die wir geschaffen haben, die für mehr Kontrolle und für einen einfacheren Vollzug sorgen wird; der muss dann allerdings in den Ländern auch durchgeführt werden –, dann stellt man fest, dass wir damit schon einiges angeregt haben. Mittlerweile ist es tatsächlich so, dass sich sehr viele damit beschäftigen, wie zum Beispiel das Design von Produkten, die auf den Markt kommen, geändert werden kann. Ich habe neulich eine PET-Recyclinganlage besucht. Wenn man das macht, dann erkennt man, dass es immer noch sehr viele Verpackungsabfälle gibt, die vom Design her nicht für das Recycling geeignet sind. Wir haben angeregt, dass hier wesentlich mehr Druck auf die Industrie ausgeübt wird, im Sinne eines hochwertigen Recyclings, also im Sinne von Cradle to Cradle, um aus einem Produkt wieder das gleiche Produkt machen zu können. ({3}) Das gelingt aber nur, wenn wir den Einsatz der Rezyklate, die dabei erzeugt werden, weiter fördern. Hier spielt eventuell die öffentliche Beschaffung eine Rolle; da kann man erste Akzente setzen. Wir müssen für mehr Akzeptanz sorgen und dieses Vorhaben unterstützen. Dazu gehört auch die Aufklärung der Bevölkerung. Es muss immer wieder über umweltfreundliche, zum Beispiel Mehrwegsysteme informiert werden. Auch dazu haben wir in der letzten Legislaturperiode Dinge auf den Weg gebracht, die jetzt umgesetzt werden, wie zum Beispiel die Kennzeichnung von Einweg und Mehrweg am Regal. Aber auch die Industrie ist im Rahmen einer Selbstverpflichtung dabei, Flaschen entsprechend zu kennzeichnen. Auch auf der europäischen Ebene ist einiges in Gang gekommen. Wir haben das Kreislaufwirtschaftspaket der EU, das wir umsetzen müssen, und auch im Bereich Plastik soll, wie wir gehört haben, einiges passieren. Wenn Verbote, dann sind sie auf europäischer Ebene sinnvoll. Wir werden das verfolgen und unterstützen. Die Bilder, die zurzeit in den Medien kursieren, zeigen, dass viele Länder mit diesem Problem einfach überfordert sind. Einige Flüsse, insbesondere in Asien und in Afrika, tragen große Frachten dieses Plastiks in die Weltmeere. Auch da ist es wichtig, dass wir als Land Vorbild sind und in diesen Ländern unterstützend eingreifen. Ich bin zuversichtlich, dass mit diesem Haushalt der Weg zu einer nachhaltigen Umweltpolitik umgesetzt wird. Deutschland hat im Bereich der regenerativen Energien, aber auch im Bereich der Kreislaufwirtschaft eine Vorbildfunktion, die wir weiterhin wahrnehmen wollen und angesichts der globalen Herausforderungen auch annehmen müssen. Lassen Sie uns die Arbeit in diesem Sinne fortführen. Unterstützen Sie uns dabei. Vielen Dank. ({4})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der letzte Redner, bevor wir zur Abstimmung kommen, ist der Kollege Rüdiger Kruse für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Rüdiger Kruse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004083, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Kindler von den Grünen hat die Ministerin als „Einkaufsberaterin der Bundesregierung“ bezeichnet. Das war nicht nett, und das war auch nicht richtig. ({0}) Frau Ihnen von der FDP hat sie als „Nachhaltigkeitsministerin“ bezeichnet. Das war ganz nett, ist aber auch nicht richtig. ({1}) Die Umweltministerin ist die Umweltministerin. Nachhaltigkeit, das wissen wir, ist ein Querschnittsthema, eine wesentlich größere Aufgabe. ({2}) Sie besteht aus den bekannten Säulen: Umwelt, Soziales, Wirtschaft. Nach meiner Meinung brauchen wir auch noch die Kultur, um ein Narrativ zu schaffen. ({3}) Das bedeutet aber auch, dass diese Zuständigkeit auf Regierungsseite bei der Kanzlerin liegt und auf unserer Seite nicht bei einem Fachausschuss, sondern beim gesamten Parlament. Der Kollege Köhler von der FDP hat natürlich auch kritisiert ({4}) – geschenkt –; aber er hat auch mehr Optimismus eingefordert. Er hat gesagt: Wir haben sehr, sehr gute Ausgangsvoraussetzungen. Recht hat der Mann. Das Land steht gut da. Die Idee der Nachhaltigkeit wird ja gar nicht bestritten, sie wird nur noch nicht richtig gelebt. Das ist schon mal was. Es gibt viele Dinge, über die wir uns überhaupt nicht einig sind, bei denen es noch viele Diskussionen geben wird. Das Prinzip der Nachhaltigkeit hingegen haben wir alle inhaliert. Das ist ja auch ein einfaches Prinzip: Nicht mehr verbrauchen als nachwächst, die wichtigen Belange der Menschen als gleichwertig betrachten, nicht einen Aspekt nach vorne stellen, nicht sagen: „Nur die Wirtschaft zählt“, oder: „Nur die Umwelt zählt“, sondern das Ganze zusammenführen. Und das ist eine klassische Aufgabe, die wir zu leisten haben. Diese Aufgabe ist leistbar. Wir haben 17 SDGs. Die muss nicht jeder auswendig lernen. Das sind aber nicht viel mehr als die Zehn Gebote. Jeder kann sich die für seinen Fachbereich richtigen raussuchen. Dann besteht die Möglichkeit, durchzudeklinieren, ob das, was wir machen wollen, in Richtung Nachhaltigkeit führt oder ob das kontraproduktiv ist. So schön es ist, dass der Haushalt aufwächst, nur mit den Prozenten, die wir obendrauf legen können, werden wir das Ganze nicht ändern. Ein gutes Beispiel: Wenn man sich Gedanken darüber macht, wie man den Anteil von Häusern und Wohnungen an der CO 2 -Produktion verringern kann, dann wird einem schnell klar, dass es eine halbe Ewigkeit dauern würde, dieses Ziel nur durch Neubau zu erreichen. 1 bis 2 Prozent Neubau sind für einen Systemwechsel zu wenig. Wenn man da etwas ändern will, muss man auch an die Substanz ran. Man kann sich darüber unterhalten, ob die zusätzlichen Millionen, die im Verkehrsbereich, im Umweltbereich und für Wirtschaft – der entsprechende Etat wird ja gleich diskutiert – ausgegeben werden, in Richtung Nachhaltigkeit zielen. Das müssen wir auch tun. Wir müssen aber auch an die Substanz. Wir müssen schauen: Was haben wir eigentlich jetzt in unserem Haushalt? Was geschieht mit diesen 340 Milliarden, und welchen Beitrag leisten sie? Wo können wir umsteuern? Das ist die Aufgabe, der sich dieses Parlament stellen sollte. Es gibt dazu zum Beispiel eine Vorleistung, die im Auftrag der Bundesregierung vom Rat für Nachhaltige Entwicklung entwickelt wurde: den deutschen Nachhaltigkeitskodex. Das ist auch ganz nett, weil es nicht so ist, dass derjenige, der ihn nicht befolgt, schlecht behandelt wird, sondern es wird nach dem Motto „comply or declare“ verfahren: Entweder man macht das, was da drinsteht, oder man muss erklären, warum man es nicht macht. Der Wunsch der Regierung ist natürlich – das wird jedes Jahr bei den Haushaltsberatungen im Bericht auch gesagt –, dass die Unternehmen, die im Staatsbesitz sind, das auch tun. Dazu werden sie eingeladen. Einladen können wir natürlich jeden, auch alle anderen Unternehmen. Es gibt sehr viele normale Unternehmen aus der freien Wirtschaft, die da mitmachen. Aber wir können doch sagen, dass unsere eigenen Unternehmen das auch tun müssen. Wir sollten also bei nächster Gelegenheit beschließen, dass dieser Nachhaltigkeitskodex auf die paar Hundert Unternehmen, die im Bundesbesitz sind, Anwendung findet. Das ist ein Schritt nach vorn; denn entweder ist der Kodex richtig und gut – es ist ja unserer –, dann muss man ihn auch umsetzen, oder aber er ist eigentlich falsch, dann muss man ihn abschaffen. Das wäre eine solche konkrete Handlungsweise, der wir uns verpflichten könnten. Wir haben mit dem Thema Nachhaltigkeit auch die Zukunftsgerechtigkeit, die Generationengerechtigkeit abgebildet. Da gibt es bei einer Haushaltsdebatte natürlich Aspekte, bei denen wir sagen können: Jawohl, wir haben jetzt die berühmte schwarze Null, wir haben sogar ein Stück mehr. Wir fangen an, unsere Strukturen wieder zu erneuern, unsere Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. – Gleichzeitig müssen wir aber auch eine Erzählung haben und sagen können, was wir für die Zukunft bieten wollen. Natürlich ist die Befolgung der 17 Nachhaltigkeitsziele, auf die man sich international geeinigt hat, genau das, was vorbildlich wäre. Es ist ja nichts Schlechtes daran, wenn eine Nation, ohne belehrend zu sein, vorbildlich ist. Das ist dann auch der Sinn. Natürlich ist unser Anteil an der Weltbevölkerung, unser Anteil am CO 2 -Ausstoß nicht so bedeutend groß. Aber unser Verhalten wirkt sich auf andere aus; wir haben eine Vorbildfunktion, und wir können dieser Vorbildfunktion nachgehen. Deswegen ist es nicht fair, darauf zu verweisen, dass in Entwicklungsländern der CO 2 -Ausstoß ja noch ansteige. Vielmehr geht es um die Fragestellung: Was machen wir, die wir uns auch anders verhalten können? Mit welchem Verhalten gehen wir beispielgebend voran? ({5}) Da bin ich sehr froh, dass es innerhalb der Großen Koalition in all diesen Jahren nie Thema war, ob wir in diese Richtung gehen wollen. Nachdenken müssen wir über die Geschwindigkeit. Wenn ich diese Debatte Revue passieren lasse, dann war es doch so, dass die meisten Redner in diese Richtung argumentiert und gesagt haben: Wir finden, das ist der richtige Weg. Wir wollen mehr tun. Wir müssen mehr tun. – Wenn wir das, wie der Kollege Köhler gesagt hat, mit dem nötigen Optimismus tun, dann senden wir auch in dieses Land ein gutes Signal und geben eine Vorgabe, was Deutschland als Nation darstellen und als guten Beitrag für diese Welt leisten kann. Danke schön. ({6})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Herr Kollege Kruse. – Ich schließe die Aussprache zu diesem Einzelplan. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 16 – Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit – in der Ausschussfassung. Wer stimmt für diesen Einzelplan? – Wer stimmt dagegen? – Dann ist der Einzelplan 16 angenommen mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition.

Steffen Kotré (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004791, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundesregierung hatte ursprünglich das Ziel, bis 2020  1 Million Elektroautos auf die Straße zu bringen; mein Kollege Herr Holm hat das heute Morgen schon gesagt. Aber es lohnt, trotzdem noch einmal darauf hinzuweisen: Dieses Ziel wird krachend verfehlt. Das ist auch kein Wunder; denn die E‑Mobilität für Pkws ist ökonomischer Unsinn. ({0}) Elektrische Fahrzeugantriebe gibt es schon seit hundert Jahren. Elektrische Antriebe sind überall dort unschlagbar, wo Strom leicht und kostengünstig zugeführt werden kann. Das ist bei Elektrofahrzeugen nicht der Fall. Deswegen wurden sie ja auch so weit verdrängt. Wir können Chemie oder Physik nicht überlisten. Sie setzen uns unsere Grenzen. Die Energiedichte von Batterien ist einfach zu gering. Zum Vergleich: Eine Tankfüllung von 50 Litern Dieselkraftstoff wiegt 50 Kilogramm, eine Bleibatterie mit vergleichbarer Energiemenge schon 13 Tonnen, und eine Lithium-Ionen-Batterie wiegt 2,5 Tonnen. Genau da sehen wir das Dilemma der E‑Mobilität. Das macht das Problem überdeutlich. Es ist auch nicht Aufgabe des Staates, eine einzige Technologie zu fördern; denn E‑Mobilität ist nur eine Möglichkeit von vielen. ({1}) E‑Mobilität kann und soll machen, wer möchte, aber bitte nicht subventioniert mit Steuergeldern. Denn es handelt sich hier nicht um Grundlagenforschung und nicht um industrielle Forschung, sondern um Markteinführung. Da muss der Markt antworten, ob er das haben möchte oder nicht. ({2}) Wir sehen in dieser Diskussion über E‑Mobilität und im Vorantreiben der E‑Mobilität ganz klar eine Umverteilung von unten nach oben, eine Umverteilung von unten hin zu den Ökofantasten und Realitätsverweigerern. Das ist unsozial. Das machen wir nicht mit. ({3}) Nach einer völlig verfehlten Energiewende wird jetzt einer desaströsen Verkehrswende das Wort geredet. Ich hoffe, dass wir hier noch die Kurve kriegen und das unterlassen. Das wäre besser für das Portemonnaie auch der Geringverdiener. ({4}) Die Schadstoffproblematik des Verbrennungsmotors ist schon längst gelöst. Lesen Sie bitte zum Beispiel das Positionspapier der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Kraftfahrzeug- und Motorentechnik. Dafür zeichnen 25 Professoren verantwortlich. Sie sagen ganz klar: Der Verbrennungsmotor ist der Motor der Mobilität. Er wird durch elektrische Antriebe ergänzt, aber nicht ersetzt. ({5}) Aufgrund seiner geringeren Emissionen und vor allen Dingen Immissionen gibt es in naher Zukunft auch keine Argumente mehr gegen den Diesel- und Benzinmotor. Denn bereits der heutige Technologiestand stellt sicher, dass die Emissionswerte ausnahmslos eingehalten werden können. ({6}) Meine Damen und Herren von den Linksgrünen und den Regierungsparteien, ich rate doch dringend zu Nachhilfe in Sachen Wissenschaft und Technik. Das hilft gegen ideologische Wunschträume. Bitte hören Sie auf, an dieser Stelle wieder unsere Volkswirtschaft planwirtschaftlich zu schädigen. Dieseltechnologie ist Zukunft. Die Dieseltechnologie gehört zu Deutschland. Daran halten wir von der AfD fest. ({7}) Deshalb: Schluss mit der Diskriminierung des Diesels! Deshalb: Streichung aller markteinführenden Subventionen für die E‑Mobilität! Diese 600 Millionen Euro sind an anderer Stelle besser zu verwenden. Vielen Dank. ({8})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Andreas Mattfeld das Wort. ({0})

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir heute den Haushalt 2018 für das Wirtschaftsministerium verabschieden, dann blicken wir zwar auf zeitlich sehr enge, aber doch – das darf ich in dieser Runde einfach mal sagen – sehr sachlich geführte Beratungen zurück, und das ist in diesen Tagen sicherlich nicht ganz selbstverständlich. Naturgemäß haben wir als unterschiedliche Fraktionen auch unterschiedlichste Schwerpunkte, und ich vermute, dass die Oppositionsparteien dem Einzelplan nicht zustimmen werden. Gleichwohl darf ich an dieser Stelle aber vielleicht einfach mal mitteilen, dass es schon einige – um nicht zu sagen: zahlreiche – Punkte gab, wo wir in diesem Haushalt fraktionsübergreifend einer Meinung waren und dies auch durch Abstimmungen im Ausschuss dokumentiert haben. Meine Damen und Herren, wir erleben mittlerweile das achte Wachstumsjahr in Folge, und ich gehe davon aus, dass sich dieser positive Trend weiterhin fortsetzt, auch wenn es weltpolitisch weiß Gott alles andere als einfacher geworden ist. Damit dies gelingen kann, trägt dieser Haushalt, aber ganz besonders auch der Haushalt 2019 eine ganz große Verantwortung. Wir müssen diese Wachstumsphase jetzt mit klugen Entscheidungen und ganz gezielten Instrumenten verstetigen. Damit dies gelingt, werden wir in 2018 mit 8,1 Milliarden Euro im Etat des Wirtschaftsministeriums dazu beitragen. Damit ist dieser Haushalt gegenüber 2017 um 5 Prozent gewachsen. Auch die Investitionsausgaben und die Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind 2018 gestiegen: auf über 2 Milliarden Euro für Investitionen und auf 3,8 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung. Das ist nicht nur klug, das ist richtig; denn damit legen wir den Grundstein dafür, auch zukünftig unsere Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und auszubauen und natürlich auch im globalen Wettbewerb zu bestehen. Gerne möchte ich heute auch einmal auf den Energie- und Klimafonds eingehen, der zu 80 Prozent im BMWi bewirtschaftet wird. Dieser Fonds, der sich aus CO 2 -Zertifikatserlösen der Industrie speist, soll dazu beitragen, dass Deutschland seinen Kohlendioxidausstoß erheblich reduziert. Wenn wir hier aber ehrlich sind, waren wir hier trotz immenser Ausgaben im Rahmen des EKF nicht sonderlich erfolgreich. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir hier mehr leisten können und – ich glaube, das darf ich sagen – auch mehr werden leisten müssen. ({0}) Das Berichterstattergespräch – das war übrigens mein erstes zum EKF – war hier, wie ich meine, sehr hilfreich, und ich danke ausdrücklich – das sage ich ausdrücklich – allen Kolleginnen und Kollegen im Berichterstattergespräch für eine gute Beratung hierzu. Wir waren uns alle einig, dass wir im EKF erhebliche Veränderungen für den Haushalt 2019 abgestimmt werden vornehmen müssen. Wir werden erreichen, dass die in der Quantität fast schon inflationär und mit Milliarden geförderten Forschungen nunmehr in reale Projekte umgesetzt werden, in Projekte, die eben nicht nur theoretisierend CO 2 einsparen, sondern dieses zukünftig auch real tun werden. Das kann zum Beispiel die Stromversorgung – inklusive der Infrastruktur bei Schiffen in unseren Häfen – sein, das kann der Bau von Infrastruktur sein, um Lkw-Trailer von der Straße auf die Schiene zu verladen, das kann aber auch die Erneuerung von Heizungsanlagen sein – um hier nur ganz wenige Beispiele zu nennen. Ich erwarte hier kreative Ideen aus allen beteiligten Ministerien und eben keine Hinweise aus den Ministerien, warum diese oder jene Umsetzung aufgrund selbstgesetzter Regularien nicht geht. Wenn etwas klug ist, um CO 2 einzusparen, möchte ich aus keinem Ministerium erklärt bekommen, warum dies nicht umsetzbar ist, sondern ich erwarte Lösungen, wie wir das schnell und effizient umsetzen können, oder Hinweise darauf, welche Regularien gegebenenfalls verändert werden müssen, damit es hier zu einer CO 2 -Einsparung kommt. ({1}) Meine Damen und Herren, ein anderes Stichwort, das die Haushaltsberatungen auch tangiert hat, ist Afrika, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Das wirtschaftliche Potenzial Afrikas ist groß, vor allem auch für eine exportorientierte deutsche Wirtschaft. Mit der Anhebung des Etats für die Auslandshandelskammern und für die Germany Trade and Invest haben wir dieser Tatsache auch in diesem Haushalt Rechnung getragen. Ich halte das für wichtig; denn nur wenn es uns gelingt, die Entwicklung Afrikas in den kommenden Jahren positiv voranzutreiben, werden wir die Migration nach Europa zumindest ein Stück weit steuern können. Dieser Tatsache müssen wir uns bewusst sein, und wir müssen hierüber offen sprechen. Das Gießkannenprinzip im Entwicklungshilfebereich der letzten Jahrzehnte hat uns, wie ich meine, nicht weitergebracht. Ich glaube, das ist für viele hier im Hause offensichtlich. Was es jetzt braucht, ist Wirtschaftspolitik mit ganz zielgerichteten Investitionen, mit Partnerschaften und mit Unternehmergeist. Deshalb empfehle ich, Herr Minister Altmaier, Ihrem Ministerium, das ja beste Verbindungen – Sie haben sie auch persönlich –, gerade auch zu Familienunternehmern, hat, Vorschläge für Maßnahmen zu unterbreiten und vielleicht einfach einmal zu prüfen, ob eine Förderung in Ausbildung oder in Produktionsstätten möglich ist. Afrika darf nicht länger der Dauerpatient der westlichen Welt sein, sondern wir müssen deutschen Unternehmern klarmachen, dass man auch in Afrika Geld verdienen kann. China macht uns das vor, meine Damen und Herren. ({2}) Lassen Sie mich zum Abschluss noch auf einige wenige ausgewählte Veränderungen, die wir vorgenommen haben, eingehen. Wir haben die Mittel im überaus erfolgreichen EXIST-Programm für Unternehmensgründungen von gut 4 Millionen Euro auf 40 Millionen Euro erhöht. Ich bin mir sicher: Da geht in den nächsten Jahren noch mehr. Wir haben zusätzlich 5 Millionen Euro für das Luftfahrtforschungsprogramm eingesetzt, um mit diesem Programm dazu beizutragen, die technologischen Fähigkeiten der Luftfahrtbranche auszubauen. Das ist eine Stärkung des Standortes Deutschland in dieser strategisch ganz wichtigen Schlüsselindustrie. Wir haben auch die Mittel für das Nationale Weltraumprogramm um 2 Millionen Euro angehoben, weil wir wissen, dass gerade kleine und mittelständische Unternehmen darauf aufbauend Innovationsarbeit leisten und investieren, die für unseren Wirtschaftsstandort unverzichtbar sind. Meine Damen und Herren, die Raumfahrt übt nach wie vor eine ungebrochene Faszination auf die Menschheit aus. Auch deshalb finanzieren wir die Raumfahrt mit. Die aktuelle Mission von Alexander Gerst ist, wie ich meine, eine tolle Gelegenheit, viele junge Menschen zu inspirieren und zu ermutigen, technische und naturwissenschaftliche Berufe zu ergreifen. Alexander Gerst gelingt es mit seinen Berichten aus der Raumstation, die Jugend hierfür zu begeistern. ({3}) Ihm gelingt das sogar besser, als wir das gegebenenfalls mit zahlreichen anderen gutgemeinten Bildungsprogrammen für MINT-Berufe mehr schlecht als recht in Deutschland schaffen. Meine Damen und Herren, zum Schluss meiner Rede einen kurzen Blick in die Zukunft. Viele reden von künstlicher Intelligenz und auch von den Möglichkeiten, die diese eröffnet. Ich glaube, wir dürfen im Wirtschaftsministerium nicht nur reden, sondern wir müssen handeln, damit Deutschland bei dieser Technologie mit großem Eifer vorne dabeibleibt. Selbstlernende Maschinen und Software, das ist eben keine Science-Fiction mehr. In der Erforschung sind wir hier unter anderem mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz sehr stark aufgestellt. Nun muss es uns aber gelingen, dass dieser Forschungstransfer in die Wirtschaft besser wird. Ich meine, wir sind immer noch nicht gut genug darin, das Erforschte in die Wirtschaft zu transportieren. Hier haben wir für den Haushalt 2019 noch Hausaufgaben zu machen. Ich glaube, wir sind gut beraten, wenn wir uns mit dieser Thematik in den kommenden Jahren intensiv auseinandersetzen. Ich hätte jetzt sehr gerne noch etwas zur maritimen Wirtschaft gesagt. Ich hätte noch zum Mittelstand, zum ZIM-Programm sprechen können. Ich hätte über die Investitionen in den Tourismus noch lange diskutieren können oder über das spannende Thema „Strukturpolitik in Braunkohleregionen“. Aber leider ist meine Redezeit abgelaufen. Ich darf mich zum Schluss an dieser Stelle für die gute Zusammenarbeit mit Ihnen, Herr Minister Altmaier, mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Ihres Hauses sowie mit den Mitberichterstattern bedanken. Ich meine, wir haben hier Gutes auf den Weg gebracht. Ich glaube, ich kann mit Fug und Recht um Zustimmung zu diesem Einzelplan bitten. Herzlichen Dank. ({4})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der nächste Redner ist der Kollege Karsten Klein, FDP-Fraktion. ({0})

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bild, das die Bundesregierung in den letzten Tagen in Europa abgegeben hat, Herr Minister, darf auch Sie nicht kaltlassen; denn es geht darum, wie der Wirtschaftsstandort Deutschland in Europa gesehen wird. Die abstoßende Debatte der letzten Tage hat dazu geführt, dass der Blick auf Deutschland sehr stark gelitten hat, und für diese Situation trägt die Union die Verantwortung, ({0}) allen voran Innenminister Horst Seehofer und Ministerpräsident Markus Söder. Obwohl sie per Verfassung dazu verpflichtet sind, Schaden von diesem Land abzuwenden, haben sie dafür gesorgt, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland starken Schaden genommen hat. ({1}) Die CSU hat aber auch dem Ansehen von Bayern geschadet. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die USA zwingen uns einen Handelskrieg auf. Wir sind mitten in den Beratungen zum Brexit in Europa, und da ist es gefordert, dass wir die Gemeinschaft und gemeinschaftliche Aktivitäten mehr betonen. Statt Abschottungs- und Zerwürfnissignalen sollten wir Signale des Willkommens aussenden. ({3}) Auch deshalb brauchen wir eine interessenorientierte Zuwanderungspolitik von Fachkräften in Europa und in Deutschland. Deutschland ist weltoffen. Deutschland ist tolerant. Wir leben vom Export. Wir brauchen die besten Fachkräfte der Welt in unserem Land, und deshalb, Herr Minister, fordern Sie es ein, dass endlich das Einwanderungsgesetz kommt! ({4}) Schieben Sie es nicht auf die lange Bank! An die Kolleginnen und Kollegen der SPD richte ich den dringenden Wunsch: Vereinbaren Sie endlich mehr als diesen Schatten, der im Koalitionsvertrag vereinbart ist! Wir wollen ein echtes Einwanderungsgesetz und nicht eins, das nur so tut. ({5}) Herr Minister, Sie haben mit Ihrem dritten verbeamteten Staatssekretär für ein bisschen Verwirrung in den Haushaltsberatungen gesorgt. ({6}) Erst lange nicht besetzt, dann aus dem Organigramm verschwunden, dann im Stellenplan wieder aufgetaucht. Wir hatten ja richtigerweise den Antrag gestellt, die Stelle dann auch zu streichen. Sie, Herr Minister, haben uns versprochen, dass sich dieser Staatssekretär mit Digitalisierung und Energiewende beschäftigen wird, ({7}) zwei Themen, bei denen akuter Handlungsbedarf besteht. Deshalb haben wir den Antrag zu Recht zurückgezogen. Aber wenn wir einmal in den Bereich Digitalisierung schauen, Herr Minister: Der Europäische Rechnungshof hat uns im Juni 2018 – vor nicht einmal einem Monat – noch einmal ins Stammbuch geschrieben, dass, was den Ausbau der digitalen Infrastruktur angeht, Europa und Deutschland im Besonderen international weiter abgehängt zu werden drohen. Statt sich jahrelang mit der Pkw-Maut zu beschäftigen, sollte Deutschland Themen nach vorn bringen, die die Zukunft dieses Landes betreffen, nämlich die digitale Infrastruktur. ({8}) Heute, Herr Minister, ereilt uns eine Meldung aus München von Constantin Film, wo man darüber nachdenkt, den Standort München zu verlassen. Ich kann die Unternehmensführung nur auffordern: Wechseln Sie nicht das Land, sondern wechseln Sie die Regierung im Oktober 2018! ({9}) Für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitsplätze ist eine leistungsfähige digitale Infrastruktur zwingend nötig. Deshalb ist es wichtig, Herr Minister, dass Sie bei Ihren Kollegen, nachdem Sie es selber nicht mehr steuern können, einfordern, dass wir hier endlich einen Schritt vorankommen. ({10}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein zweiter Bereich, der von diesem Staatssekretär bearbeitet werden soll, ist die Energiewende, auch ein sehr drängendes Thema. Die deutsche Energiepolitik der letzten Jahre hat dazu geführt, dass deutsche Verbraucher die höchsten Energiepreise in ganz Europa zahlen. ({11}) Die Kanzlerin hat versprochen, dass die EEG-Umlage nicht über 3,5 Cent pro Kilowattstunde steigt. Heute sind wir bei über 6,9 Cent pro Kilowattstunde. Da ist doch klar, dass sich etwas ändern muss. Die Industrie zahlt in Deutschland 30 Prozent mehr für Strom als ihre europäischen Nachbarn. ({12}) Das schädigt den Wettbewerbsstandort Deutschland und die Arbeitsplätze in diesem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD. ({13}) Deshalb besteht da dringender Handlungsbedarf. Setzen Sie auf mehr Marktwirtschaft und weniger auf Planwirtschaft! Wenn Sie bei der Feierlichkeit zu „70 Jahre soziale Marktwirtschaft“ über Marktwirtschaft reden, dann sollten Sie das auch bei Ihrem Handeln beherzigen. Durchforsten Sie Ihre Förderinstrumente! Streichen Sie die Planwirtschaft aus dem Wirtschaftsministerium! Wir fordern von Ihnen eine Kurskorrektur in der Energiepolitik. ({14}) Sowohl die Digitalisierung wie auch die Energiewende zeigen uns, dass der Entwurf Ihres Einzelplans leider farblos, kraftlos und ohne Ambitionen ist. Deshalb müssen wir diesen Einzelplan auch in diesem Jahr ablehnen. Ich möchte mich aber, wie Herr Mattfeldt es gemacht hat, trotzdem noch einmal bei allen Kolleginnen und Kollegen für die partnerschaftliche Zusammenarbeit bedanken. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({15})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Nächster Redner: der Kollege Dr. Matthias Miersch, SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Matthias Miersch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003809, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Mattfeldt, zunächst vielen Dank für diese Rede. Aber ich finde, der Vollständigkeit halber muss man auf beide Koalitionshaushälter hinweisen: Mein Kollege Thomas Jurk hat kräftig gekämpft. ({0}) Insofern, Thomas, auch dir herzlichen Dank für diese Haushaltsberatungen. ({1}) Ich finde, an dieser Stelle muss man auch sagen: Wenn die Opposition etwas Vernünftiges sagt, Kollege Klein, finde ich das vollkommen richtig, und wir können alle daraus lernen. ({2}) Denn das, was Sie gerade gesagt haben, ist, finde ich, ein sehr zentraler Punkt. Wir sind nicht alleine auf dieser Welt. Wenn wir hier den Eindruck der Abschottung erwägen bzw. vermitteln, dann hat das gerade für die Wirtschaftspolitik erhebliche Folgen. Insofern wollen wir weiter gemeinsam für ein weltoffenes Land streiten, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({3}) Damit Sie aber nicht zu sehr irritiert sind von zu viel Lob, will ich auch sagen: Sie haben parlamentarisch gesehen die Gnade der späten Geburt. Aber wenn Sie FDP mit Energiepolitik zusammenbringen, dann kann ich nur sagen – ich bin jetzt seit zwölf Jahren in diesem Haus –: Das, was gerade Schwarz-Gelb in der Energiepolitik gemacht hat, war verheerend, Stichwort „Atomausstieg“: rein, raus. ({4}) Gerade letzte Woche haben wir noch die Folgen in diesem Haushalt abbilden müssen, als es nämlich um Entschädigungsleistungen an große Konzerne für Ihre falschen Entscheidungen ging. ({5}) Ich glaube, ein bisschen Demut ist angezeigt, wenn Sie sagen: Lassen Sie die Planwirtschaft. – Nicht dass wir nicht darüber einig wären, dass wir keine Planwirtschaft brauchen, aber nur der Markt kann es nicht richten. Lieber Peter Altmaier, vielleicht gehen Sie darauf ein. Ich habe neulich ein Interview gelesen mit der Aussage des Bundeswirtschaftsministers: Wir brauchen mehr Markt. – Ich glaube, wir brauchen klare Rahmenbedingungen und Investitionssicherheit für die Wirtschaft, aber keinen schwachen Staat, lieber Kollege Altmaier. ({6}) Denn was Umwelt-, Klima-, Energie- und Wirtschaftspolitik gemeinsam haben, ist doch, dass der Markt per se nicht nachhaltig ist, sondern dass er Rahmen braucht, die darauf ausgerichtet sind, dass wir beispielsweise in der Energiepolitik das Thema Effizienz ganz, ganz oben ansiedeln. Und wenn wir beispielsweise zur Kenntnis nehmen, dass wir derzeit 385 000 Elektrobusse weltweit haben – davon 99 Prozent in China –, und auf der anderen Seite wissen, dass wir eine Exportnation sind, dann ist es doch auch die verdammte Pflicht des Staates, hier der Industrie klare Rahmenbedingungen zu setzen, mit denen wir auf innovative Antriebstechnologien setzen, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({7}) Deswegen bin ich an der Stelle bis jetzt wirklich nicht im Reinen. Wir haben erst ein bisschen mehr als 100 Tage in diesem Bereich miteinander zu tun. Aber diese 100 Tage sind im Wirtschaftsbereich, finde ich, nicht zufriedenstellend. Herr Klein hat die beamteten Staatssekretäre angesprochen. Ich glaube, die Stelle des beamteten Staatssekretärs hat, um in der Sprache des Haushälters zu reden, keinen kw-Vermerk. Es ist mir jedenfalls nicht bewusst. Es ist aber bezeichnend, dass diese wirklich entscheidende Stelle, gerade wenn es um Energiewende geht, derzeit unbesetzt ist. Deswegen: Diese Lücke muss ganz schnell geschlossen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({8}) Wir haben gemeinsam ein Eingeständnis gemacht. Ich will Sie nicht mit anderen Ministern vergleichen. Aber diese Kanzlerin hat in den letzten Wochen schon mit einigen Ministern einiges zu tun gehabt. Ich habe ihre Petersberger Rede sehr genau verfolgt, in der sie eingestanden hat, dass wir klimapolitisch augenblicklich nicht auf der Höhe der Zeit sind. ({9}) Recht hat sie. Das muss man kritisch einräumen. ({10}) Deswegen haben wir gemeinsam in den Koalitionsvereinbarungen wirklich dezidiert gesagt: Wir wollen diese Lücke bis zum Jahr 2020 so weit wie möglich schließen. Und wir haben als ersten sehr konkreten Schritt Sonderausschreibungen für Photovoltaik und Onshoreenergie vereinbart. Das, was wir in den bisherigen 100 Tagen erlebt haben, ist nicht die Einlösung des Koalitionsvertrages. ({11}) Insofern fordere ich Sie auf: Wir müssen diesen Vertrag umsetzen. Wir müssen an dieser Stelle Glaubwürdigkeit zurückerobern. Das können wir nur durch Taten und nicht durch Worte, lieber Bundeswirtschaftsminister. ({12}) Wenn es in der Argumentation um Netze und Energiepreise geht, dann sind wir wieder bei dem Punkt, dass Wirtschaft und Markt nicht alles sind. Vielmehr geht es um die Frage, wie wir Energie- und Wirtschaftspolitik miteinander gestalten. Wären die Ewigkeitskosten der Atomenergie irgendwann einmal in den Strompreis eingepreist worden, dann wäre dieser unbezahlbar gewesen. Aber es ist eine politische Grundsatzentscheidung, die wir getroffen haben. Deswegen sage ich: Wir haben hier wirklich Handlungsoptionen. Energiepreise fallen nicht vom Himmel. Sie können gestaltet werden. Netzmanagement fällt nicht vom Himmel. Es kann gestaltet werden. Insofern rufe ich Sie auf: Lassen Sie uns als Große Koalition an dieser Stelle der Wirtschaft ein deutliches Signal geben! Lassen Sie uns nicht zurückkehren zum schwarz-gelben Zickzackkurs! Die Zukunft der deutschen Wirtschaft ist erneuerbar und effizient. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({13})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Nächste Rednerin ist die Kollegin Heidrun Bluhm, Fraktion Die Linke. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Altmaier, Sie haben in Ihrer letzten Rede zu diesem Einzelplan gleich zu Beginn gesagt, dass der wirtschaftliche Aufschwung bei den Menschen ankomme und dies auch von den Menschen so wahrgenommen werde. Die Frage ist jedoch: Welche Menschen meinen Sie? Ja, die Wirtschaft boomt. Aber zu welchem Preis? Der Boom kommt nämlich nicht bei allen Menschen an. Dafür bräuchten wir eine stärkere Umverteilung von oben nach unten. Drei Beispiele dafür von den Linken. Erstens: eine gerechte Einkommensteuer für alle, die weniger als 7 100 Euro brutto im Monat verdienen. Sie sollen aus unserer Sicht steuerlich entlastet werden. ({0}) Zur Gegenfinanzierung ist der Spitzensteuersatz auf 53 Prozent anzuheben, genauso wie zu Helmut Kohls Zeiten. ({1}) Zweitens: Anstieg des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde, damit alle Menschen von ihrer Arbeit leben können, sowie das Ende der sachgrundlosen Befristung. ({2}) Drittens. Für erwerbslose Menschen – diese vergessen Sie leider allzu oft – muss es eine sanktionsfreie Mindestsicherung über 1 050 Euro im Monat geben. ({3}) Wenn Wirtschaft das leistet, dann können Sie sagen, dass der wirtschaftliche Aufschwung bei den Menschen ankommt. ({4}) Grundlegend muss der gesellschaftliche Reichtum bei den Menschen ankommen, die diesen Reichtum auch schaffen. Solange das nicht der Fall ist, wäre ich vorsichtig, zu behaupten, dass der Aufschwung bei den Menschen ankommt. ({5}) Solche Aussagen bringen nämlich auch politischen Verdruss, Herr Kollege. Zu Ihrer These, der Aufschwung werde als solcher auch von den Menschen wahrgenommen: Leider nein! Was die Menschen wahrnehmen, ist die Regierungskrise. Die Bürgerinnen und Bürger nehmen aber auch wahr, dass ihr Wirtschaftsminister viel zu wenig für strukturschwache Regionen und für ländliche Räume tut, entgegen aller Ankündigung. Mit dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, werden kleine und mittelständische Unternehmen sowie Kleinstbetriebe gefördert, und das überproportional in Ostdeutschland. Im Haushaltsentwurf wollten Sie hier sogar den Rotstift ansetzen und 5 Millionen Euro streichen. Diese haben Sie jetzt wieder draufgelegt, aber keinen Cent mehr. Sie loben sonst so oft den Mittelstand. Wenn es aber einmal darauf ankommt, dann knausern Sie wie Dagobert Duck. ({6}) Das ist ein völlig falsches Signal. Deswegen haben wir einen Antrag eingebracht, mit dem wir die KMU um weitere 50 Millionen Euro stärken wollen. Bei der Ausstattung des Beauftragten für die neuen Bundesländer das gleiche Spiel: Auch da wurde im Entwurf die Schere angesetzt und auf den letzten Drücker wieder etwas draufgelegt. Sie stellen also gerade einmal den alten Zustand wieder her, verwalten das Gewohnte, anstatt endlich neue Impulse zu setzen. Gezielte Regionalpolitik muss finanziell besser aufgestellt sein. Sie muss die Nachteile mildern, die weite Teile Ostdeutschlands, aber auch Landkreise und Städte im Westen prägen. Wenn es um die Wirtschaftskraft strukturschwacher Regionen geht, dürfen Sie auch den Tourismus nicht außer Acht lassen. Tourismus ist einer der Wirtschaftsfaktoren vor allem in den neuen Ländern. ({7}) Das ist nicht nur vor meiner Haustür in Mecklenburg-Vorpommern zu spüren. Deshalb, Herr Mattfeldt, freuen wir uns, dass die Deutsche Zentrale für Tourismus im aktuellen Haushalt bessergestellt wurde. Wo gelobt werden soll, muss auch gelobt werden. ({8}) Wir wünschen uns aber gleichsam – damit kommt die Kritik, der Haken –, dass das Thema Kinder- und Jugendreisen noch stärker in den Fokus rückt und auch ein Schwerpunktthema wird. Weltoffenheit, Toleranz gegenüber anderen Menschen und interkulturelles Verständnis kann man nicht früh genug lernen. Der Tourismus ist dafür mehr als geeignet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach der jüngsten Studie der KfW hat sich der Investitionsrückstand in den Kommunen um gut 30 Milliarden Euro auf 159 Milliarden Euro erhöht. Deshalb fordern wir unter anderem, dass nach dem Auslaufen des Solidarpakts II in 2019 ein Solidarpakt III aufgelegt wird, über den gezielt in strukturschwache Regionen sowie ländliche Räume in Ost und West investiert wird. ({9}) Diese Regierung will dem Soli aber ganz an den Kragen – völlig falsch, weil die Streichung natürlich wieder nur die Besserverdienenden entlastet. Mein letzter Punkt: Energiewende. Durch den fortschreitenden Klimawandel muss die Wärmeversorgung rasch auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Doch die Bundesregierung befindet sich bestenfalls im Trab statt im Sprint. Dies unterstreichen Jahr für Jahr die Stellungnahmen der Expertenkommission zum Monitoring-Bericht „Energie der Zukunft“: Es bestehe erheblicher Handlungsbedarf; denn um das Klimaziel für 2030 noch zu erreichen, muss Deutschland seine CO 2 -Emissionen dreimal stärker senken als in den letzten 18 Jahren. Wie wollen wir das schaffen? Nicht nur deshalb sollte im Haushalt für das Marktanreizprogramm zur Förderung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien mehr Geld eingestellt werden. Meine Damen und Herren, der Minister muss in die Pu­schen kommen. Nur dann, wenn wir das Geld, das wir haben, auch wirklich einsetzen, erzielen wir diese Wirkung. Ich fordere Sie daher auf: Nehmen Sie mit maximaler Energie die Energiewende in Angriff! Vielen Dank. ({10})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Als Nächstes hat das Wort die Kollegin Anja Hajduk für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt mehr als 100 Tage Große Koalition und mehr als 100 Tage Wirtschaftsminister Altmaier erlebt und können uns natürlich fragen: Was lernen wir daraus? Fakt ist: Deutschland wird seine selbstgesetzten Klimaziele für das Jahr 2020 wahrscheinlich um 8 Prozentpunkte verfehlen – das Faktum daran ist, dass das die Prognose ist –; das ist viel schlimmer, als die Regierung bis Juni dieses Jahres selbst erwartet hat. 32 Prozent werden wir wohl einsparen; 40 Prozent einzusparen, war unsere Aufgabe, die wir hätten lösen müssen. Dass das so ist, darf einen – das müssen wir ganz ehrlich sagen – eigentlich gar nicht so sehr wundern. Denn in den letzten Jahren ist zum Beispiel der Nationale Aktionsplan Energieeffizienz nicht wirklich umgesetzt worden. Es sind etliche Mittel liegen geblieben. Herr Minister, wir haben das in den Haushaltsberatungen eingehend beraten: Wenn eigentlich über 3,4 Milliarden Euro im Energie- und Klimafonds für CO 2 -Einsparungen vorgesehen sind, diese aber nicht genutzt werden, dann besteht da akuter Handlungsbedarf. Deswegen schlagen wir zum Beispiel einen Steuerbonus für energetische Gebäudesanierung vor, den Sie ja richtig finden. Dieses Geld sollte man verwenden, um die Umsetzung in die Wege zu leiten, und man sollte sich nicht davon aufhalten lassen, dass sich die Bundesländer bisher geziert haben, mitzumachen. Wir können das selber finanzieren. Das ist eine Frage der Entscheidungskraft, und die fehlt Ihnen da. ({0}) Wenn wir die europäischen Klimaschutzziele für Deutschland angucken, dann sehen wir, dass sich Deutschland auch dort möglicherweise wird freikaufen müssen. Beim Petersberger Dialog hat die Kollegin Schulze, Ihre Umweltministerin, eingeräumt: Es könnte sein, dass Deutschland ein Zukauf von Emissionszertifikaten blüht und dass diese Zertifikate dann für den Bundeshaushalt ein Risiko von 5 bis 30 Milliarden Euro darstellen. Da muss ja auch der Finanzminister mal langsam wachwerden. ({1}) Es wäre doch eine Peinlichkeit, wenn der ehemalige Musterschüler Deutschland Strafe in solcher Höhe zahlen müsste. ({2}) Herr Altmaier, es ist nicht zu verstehen, dass Sie vor dem Hintergrund dieser Bilanz, die Sie ja nicht alleine zu verantworten haben – Sie sind jetzt noch relativ neu im Amt –, nicht mit Elan an die Aufgaben herangehen. Da hat der Kollege Miersch recht: Sie haben im Koalitionsvertrag vorgesehen, dass es Sonderausschreibungen für Wind- und Solarstrom geben soll, und Ihnen fiel nichts Besseres ein, als das aus dem Gesetzentwurf wieder herauszustreichen. Man muss sich fragen, ob man im Koalitionsvertrag nicht viel stärker die Priorität „Energie muss wieder aus dem Wirtschaftsministerium raus“ hätte verankern müssen, wenn die Union dies so sträflich vernachlässigt. ({3}) Das ist nach 100 Tagen vielleicht unsere erste Erkenntnis: Herr Altmaier hat keine ausreichende Energie für den Energiebereich, jedenfalls nicht für die Energiewende. – Und das bedauern wir sehr. ({4}) Ich möchte noch ein Thema ansprechen: Dekarbonisierung der Industrie. Deutschland hat – das ist, finden wir, nach wie vor eine wertvolle Situation – einen hohen Anteil an der Wertschöpfung im Industriebereich. Das ist keine Selbstverständlichkeit für ein Land wie unseres. Wenn das so ist und die Industrie bekanntermaßen viel mit den CO 2 -Emissionen zu tun hat, dann ist es natürlich wichtig, die Dekarbonisierung der Industrie in den Mittelpunkt von Forschung und Innovation zu stellen. Wir haben Ihnen dazu einen Vorschlag gemacht, zum Beispiel gerade mit Blick auf die Stahlindustrie, auf die Baustoff- und Chemieindustrie. Ich kann bei Ihnen nichts davon finden, geschweige denn den Willen, das anzupacken. ({5}) Das sind Mängel, die wir uns gar nicht leisten können. Herr Minister, ich habe mit Interesse gelesen, dass im „Handelsblatt“ vom 2. Juli eine ganze Seite zur Energiepolitik steht, und dort wird getitelt: „Schulze“ – die Umweltministerin – „treibt an – Altmaier bremst“. Wenn ich an Ihrer Stelle wäre und diesen Artikel über meinen eigenen Verantwortungsbereich als Energieminister gelesen hätte, dann hätte mir sehr zu denken gegeben, dass aus der Wirtschaft, der betroffenen Wirtschaft, es so viele Fragezeichen gibt, nämlich dazu, warum Sie sich nicht richtig kraftvoll an die Innovationen, die gerade mit dem Energiebereich verbunden sind, machen. Der Schlusspunkt meiner Rede ist, dass Sie als Energie- und Wirtschaftsminister bezogen auf den Handelsbereich Ihre Aufgabe nicht darin sehen, zum Beispiel die, wie ich finde, kluge Initiative der französischen Regierung aufzunehmen, bei zukünftigen Handelsverträgen der EU das Einhalten des Pariser Klimaschutzabkommens als Essential Element für die EU-Strategie vorzusehen. Eine Weisung aus Ihrem Haus war, genau dieses zu bekämpfen und herauszustreichen. Ich kann nicht verstehen, wenn ein Wirtschaftsminister im Jahr 2018 sich das nicht zu eigen macht, zumal ein Wirtschaftsminister, der auch Energieminister ist. ({6}) Insofern: Herr Altmaier, zeigen Sie im nächsten Haushalt und zeigen Sie es am besten jetzt in Ihrer Rede, dass Sie für die Energiewende brennen, dass Sie da jetzt neue Projekte angehen wollen! Daran werden wir Sie messen. Herzlichen Dank. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Ich erteile als nächstem Redner das Wort dem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. ({0})

Peter Altmaier (Minister:in)

Politiker ID: 11002617

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst einmal herzlich bedanken für die sehr sachliche, konstruktive Zusammenarbeit im gesamten Haushaltsverfahren: selbstverständlich bei meinen eigenen Berichterstattern aus den Koalitionsfraktionen, bei Andreas Mattfeldt und bei dem Kollegen Herrn Jurk von der SPD, bei den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und bei allen Vertretern, auch der Opposition. Es waren sehr konstruktive Gespräche, und ich muss sagen: Das ist auch notwendig; denn der wirtschaftliche Erfolg dieses Landes ist im Interesse von uns allen. Je größer der wirtschaftliche Erfolg, desto mehr Möglichkeiten haben wir für Bildungspolitik und für Umweltpolitik, für Klimapolitik und für Infrastruktur, für Zukunftsaufgaben und viele andere Herausforderungen. Es ist gefragt worden, lieber Kollege Miersch: Was ist denn das Ergebnis von 100 Tagen Bundesregierung im Bereich der Wirtschaftspolitik? Es besteht zunächst einmal darin, dass wir nach wie vor einen ausgesprochen robusten Aufschwung haben, dass wir im ersten und im zweiten Quartal Wirtschaftswachstum hatten – nicht ganz so hoch, wie es ursprünglich von der Vorgängerregierung prognostiziert worden war; aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, die deutsche Wirtschaft ist auf einem Erfolgskurs. Wir haben die niedrigste Zahl von Arbeitslosen seit der Wiedervereinigung. Wir haben kräftige Steigerungen der Löhne und der Renten. Liebe Kollegin Bluhm, ich kann ja verstehen, dass Sie versuchen, an der Stelle zu kritisieren, und sagen: Es kommt nicht bei allen an. – Ja, darüber müssen wir diskutieren, wo wir noch mehr tun müssen, damit es ankommt. Aber richtig ist doch auch, dass die Renten noch nie so stark gestiegen sind – der Anstieg liegt über der Inflationsrate – wie in den letzten Jahren dieser Bundesregierung, ({0}) dass die Löhne steigen und dass sie den Aufschwung zu den Menschen bringen. ({1}) Wenn unser Land gut dasteht, soll man es auch mal anerkennen. Es fällt Ihnen dabei kein Zacken aus der Krone. ({2}) Dann komme ich zu dem Thema „Klima und Energie“. ({3}) Über anderthalb Jahre war ich Umweltminister. Ich bin Wirtschafts- und Energieminister. Glauben Sie mir: Ich stehe nicht nur zu den Vereinbarungen des Koalitionsvertrages in jedem einzelnen Punkt. Ich möchte, dass das Klimaschutzabkommen von Paris erfolgreich ist, dass wir die Erderwärmung stoppen und vielleicht eines Tages umkehren, und ich möchte, dass die Energiewende in Deutschland gelingt und dass sie zum Vorbild für viele andere Länder weltweit wird. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist keine Frage, die davon abhängig ist, ob man nun dies oder das an konkreten Maßnahmen umsetzt. ({4}) Es ist die Frage, ob es am Ende so umgesetzt wird, dass Deutschland seine Position als eines der wettbewerbsfähigsten Länder behält und ausbaut, dass man sieht, dass man auch mit erneuerbaren Energien, mit Klimaschutz die Wettbewerbsfähigkeit erhalten kann. Dafür müssen wir kämpfen. Und wir müssen unsere Ziele erreichen. Ich habe im Bundeskabinett den Monitoringbericht vortragen dürfen. Wir haben nicht nur die betrübliche Nachricht – Frau Hajduk hat es gesagt –, dass wir die nationalen Klimaschutzziele für 2020 wohl eher nicht erreichen. Wir haben ähnliche Probleme im Gebäudeenergiebereich. Wir haben ähnliche Probleme beim End­energieverbrauch. Wir haben ähnliche Probleme bei dem Ziel, 1 Million Elektroautos bis 2020 auf die Straßen zu bringen. Das kann doch niemand bestreiten. Dann muss doch einmal die Frage gestellt werden, warum wir all diese Ziele verfehlt haben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?

Peter Altmaier (Minister:in)

Politiker ID: 11002617

Gerne.

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Minister. – Ich habe gehört, das 100-Tage-Gesetz heißt inzwischen das 100 000-Tage-Gesetz. Ich hoffe, so lange wird es nicht mehr dauern, bis wir hier im Parlament über die im Koalitionsvertrag verabredeten Sonderausschreibungen für Wind- und Sonnenenergie sprechen werden. Sie haben gerade das Stichwort „Wettbewerbsfähigkeit“ angesprochen. Sie haben gesagt, wie wichtig es ist, dass die Wirtschaft gerade im Energiesektor Vorbild ist, dass sie exportieren kann, dass sie Planungssicherheit hat. Als Wirtschaftsminister sind Sie natürlich dafür verantwortlich, für den Beitrag im Klimaschutzsektor und für die Planungssicherheit bei den Investitionen in die Energieinfrastruktur zu sorgen. Letzte Woche in der Fragestunde hat mir Herr Wittke als Ihr Parlamentarischer Staatssekretär auf meine Fragen zum Thema Szenariorahmen der Bundesnetzagentur geantwortet. Ich habe ihn gefragt: Was hat die Bundesregierung für Schlüsse daraus gezogen? Wie sieht denn jetzt konkret der Ausbaupfad aus? Wie viele Anlagen für erneuerbare Energien werden pro Jahr zugebaut, damit die Planungssicherheit für die Unternehmen gewährleistet ist, damit sie langfristig investieren können, um Windräder und Solaranlagen zu bauen? Seine Antwort war, das wisse er doch jetzt noch nicht, und man wisse nicht, wie die Energiewende vorangehe. Das hat mich doch sehr irritiert. Sie haben von Wettbewerbsfähigkeit und Planungssicherheit gesprochen. Aber das ist ziemlich genau das Gegenteil. Also: Wann wollen Sie der Wirtschaft, die in den Startlöchern steht, endlich Planungssicherheit geben, sodass die Windenergie und Sonnenenergie in Deutschland ausgebaut werden können? Wann? ({0})

Peter Altmaier (Minister:in)

Politiker ID: 11002617

Sehr geehrte Frau Kollegin, wir haben das in den letzten vier Jahren nicht nur auf den Weg gebracht, wir haben das entschieden. Wir haben seit diesem Zeitpunkt einen verbindlichen Ausbaupfad für erneuerbare Energien, der zum Beispiel vorsieht, dass Jahr für Jahr 2 900 Megawatt für Windanlagen an Land ausgeschrieben werden. Es ist ein Ausbaupfad mit verbindlichen Zielen für Biogas, mit verbindlichen Zielen für Offshorewindräder, für Photovoltaikanlagen. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung ist auf über 36 Prozent im letzten Jahr gestiegen. Die Ausbaukosten haben sich enorm verbilligt, weil nämlich im Koalitionsvertrag 2013 vereinbart worden war – ich war damals Verhandlungsführer für die Union –, dass wir die erneuerbaren Energien auf Ausschreibungsprojekte umstellen und es keine festen Einspeisevergütungen mehr gibt. Das führt dazu, dass die Energiewende für die Wirtschaft berechenbarer und kalkulierbarer wird. Es führt dazu, dass Innovationen vorankommen. Ich sage Ihnen: Wir werden auch die beiden Vereinbarungen im Koalitionsvertrag umsetzen, nämlich Sonderausschreibungen für die Jahre 2019 und 2020, die dort wirksam werden sollen. Aber es wurde von Anfang an nirgendwo im Koalitionsvertrag gesagt, dass dies vor oder nach der Sommerpause verabschiedet werden muss, weil nämlich als Voraussetzung für die Umsetzung formuliert ist, dass die Aufnahmefähigkeit der Netze gewährleistet sein muss. Wir haben auf Vorschlag des Kollegen Baake, der Ihrer Partei ja nicht ganz unbekannt ist – er war Staatssekretär in der letzten Großen Koalition bei Herrn Gabriel und Frau Zypries –, gesagt: Wir bauen weniger erneuerbare Energien aus in den Bereichen, wo der Strom nicht abfließt, damit wir die Energiewende nicht dadurch diskreditieren, dass sie nicht funktioniert. Niemand hat etwas davon, wenn wir Strom aus dem Norden Deutschlands, wo die Menschen eine hohe Akzeptanz für erneuerbare Energien haben, in den Süden verkaufen, er aber nicht dorthin transportiert werden kann, weil die Netze überlastet sind. Er wird abgeregelt. Und dann wird teurer Atomstrom oder Kohlestrom aus dem Ausland gekauft, um die Stromversorgung in Süddeutschland zu sichern. Das kann doch nicht im Interesse der grünen Bundestagsfraktion sein. Deshalb ist Schwerpunkt meiner Politik, dass wir den Leitungsbau endlich einmal voranbringen. ({0}) Lieber Kollege Miersch, ich lade Sie ein: In Niedersachsen haben wir die größten Nadelöhre, wenn es darum geht, den vielen erneuerbaren Strom in die Verbrauchszentren zu transportieren. Wir müssen uns damit auseinandersetzen und dafür sorgen, dass die notwendigen Leitungen gebaut werden. Zu den Klimazielen: Meine sehr verehrten Damen und Herren, man hat das Gefühl, dass der Einzige, der in den letzten 20 Jahren dafür verantwortlich war, der heutige Bundeswirtschaftsminister ist. Ich habe mich noch nie vor Verantwortung gedrückt, und nehme sie gerne auf mich. Nur: Die für Klimaschutz zuständigen Minister in zwölf Jahren Großer Koalition waren acht Jahre lang Minister aus der SPD. Die Frage ist: Warum konnte es passieren, dass wir diese Ziele nicht erreicht haben? Warum haben die zuständigen Minister denn nicht früher Alarm geschlagen? Warum haben sie sich nicht durchgesetzt? Die Antwort lautet, wenn wir ehrlich sind: dass das keine Frage der SPD, der CDU/CSU oder der Grünen ist, sondern dass es damit zusammenhängt, dass wir Ziele gesetzt haben, ohne die Instrumente und die Maßnahmen im Vorhinein zu definieren. Das müssen wir nachholen. ({1}) Darüber müssen wir reden; aber so, dass es der wirtschaftlichen Entwicklung zugutekommt. ({2}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich eines sagen: Wir müssen die Vorstellung überwinden, dass die einen immer nur für Klimaschutz zuständig sind und die anderen für die sogenannten alten und schmutzigen Industrien, wie das manche sagen. ({3}) Ich war vor wenigen Tagen auf Einladung von Herrn Woidke in Spremberg, im Braunkohlekraftwerk „Schwarze Pumpe“ – ein großer Tagebau, ein großes Kraftwerk. Die Menschen in den neuen Bundesländern haben schlichtweg Angst. Sie haben Angst, dass die letzten 10 000 Arbeitsplätze wegfallen. Sie haben Angst, dass sie keine Arbeit haben. Deshalb war es für mich von großer Bedeutung, dass wir in der Strukturwandelkommission eindeutig und klar festgelegt haben: Wir reden zuerst über die neuen Arbeitsplätze, und dann reden wir darüber, wie wir den Strukturwandel zu einem Erfolg führen. ({4}) Das ist im Interesse aller; auch derer, die das Klima schützen wollen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir diesen Menschen betriebsbedingte Kündigungen zumuten können. Ich habe vorgeschlagen, dass wir für jeden Standort, der in den nächsten 10, 15 Jahren vom Strukturwandel betroffen ist, einen eigenen Plan, ein eigenes Konzept erstellen, wie wir neue Arbeitsplätze in die Region bringen. Dazu gehören auch Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien. Der entscheidende Punkt ist, dass wir dieses Projekt auch als ein „Business Case“, ein Geschäftsmodell, verstehen müssen, das Wertschöpfung generieren kann; ansonsten werden wir es nicht zu einem deutschen Exportprojekt machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen über Industriepolitik sprechen. Herr Miersch hat gesagt, ich hätte mich zum Markt bekannt. Ja, natürlich, das liegt in den Genen der Bundesrepublik Deutschland; denn im Grundgesetz steht, dass wir eine soziale Marktwirtschaft sind. ({5}) Das haben wir auch in die Europäischen Verträge hineingebracht. Ich kenne kein anderes Prinzip als das Prinzip der Marktwirtschaft, das dafür da ist, möglichst viel an Wertzuwachs und Wertschöpfung zu realisieren. Selbstverständlich braucht es dazu Rahmenbedingungen. Selbstverständlich muss der Markt auch gegen Missbrauch geschützt werden. Selbstverständlich gibt es Fälle, wo wir unsere industriepolitischen Interessen wahren wollen. Wenn wir wollen, dass auch unsere Kinder und Enkelkinder über ausreichend und gute Arbeitsplätze von hoher Qualität verfügen, ({6}) dann müssen wir bei der Digitalisierung dafür sorgen, dass Arbeitsplätze mit künstlicher Intelligenz, Arbeitsplätze im Bereich des autonomen Fahrens, Arbeitsplätze im Bereich der Elektromobilität eben auch in Deutschland und in Europa entstehen und nicht nur in Asien und anderswo. Das ist die Aufgabe eines guten Wirtschaftsministers, und dieser Aufgabe habe ich mich verschrieben. Da bekomme ich gerade auch vonseiten der SPD-Bundestagsfraktion, von meiner eigenen Fraktion übrigens auch, viel mehr Unterstützung, als in vielen Fällen öffentlich bekannt ist. ({7}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Bemerkung zur internationalen Handelspolitik: Ich persönlich bin überzeugt, dass wir als Bundesrepublik Deutschland mit unseren Stärken im Export, unseren Stärken in den klassischen Industrien, im Maschinenbau, im Automobilbereich und anderswo ein großes Interesse daran haben, dass es nicht zu einem Handelskrieg kommt, dass es nicht zu einem Wettlauf kommt im Hinblick auf immer höhere und immer schärfere Zollmaßnahmen. Wir vertreten unsere europäischen Interessen gemeinsam und geschlossen, auch gegenüber unseren Freunden in den USA. Wir teilen nicht die Auffassung, dass einseitige Strafzölle die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung sind. Ich habe – insofern war das eben falsch dargestellt – auch meinem französischen Kollegen zugesagt, dass wir der Aufnahme von Klimaschutzabkommen in die Ziele unserer Handelspolitik durchaus zustimmen. Ich will allerdings auch darauf hinweisen: Wenn einige glauben, dass man dann über diese Hintertür handelspolitische Vereinbarungen mit den USA verhindern und ausschließen könnte, ({8}) weil die USA vorhaben, das Klimaschutzabkommen zu verlassen, dann halte ich das für keine gute Idee. Europa und die USA stehen für ein Drittel des gesamten Welthandels, und wenn der Handel zwischen Europa und den USA eine Lungenentzündung bekommt, dann haben alle anderen Länder um uns herum – nicht nur in Europa, sondern auch in Asien und auch in Afrika – eine ganz schwere Erkältung. Das kann nicht unser Ziel sein. Wir müssen dafür sorgen, dass weltweit Arbeitsplätze entstehen, dass weltweit die Nachhaltigkeit vorankommt. Lassen Sie uns gemeinsam dafür arbeiten! Vielen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Tino Chrupalla für die AfD-Fraktion. ({0})

Tino Chrupalla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004695, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Altmaier, schön, dass Sie in Ihrer Rede bemerkt haben, dass die Menschen in Ostdeutschland Angst um ihren Arbeitsplatz haben und dass daran nicht die AfD schuld ist. Vielen Dank dafür; denn sonst sind wir ja Ihrer Meinung nach für die Ängste zuständig. Der Kollege Kotré hat es bereits erwähnt: Die AfD kritisiert die Zuschüsse für erneuerbare Energien, die die Bundesregierung im Haushaltsplan 2018 vorsieht. Es handelt sich um einen Posten von insgesamt 1,7 Milliarden Euro. Der größte Anteil davon sind Maßnahmen zur Energieeinsparung an Wohn- und Nichtwohngebäuden, also auch zur CO 2 -Gebäudesanierung, deren Effizienz unter Experten und Laien inzwischen als äußerst fragwürdig gilt. Die dazugehörige PR-Maschine wird übrigens auch aus diesen Mitteln finanziert. Der Posten Öffentlichkeitsarbeit im Bereich Energieeffizienzprogramm wird im Einzelplan 60 explizit aufgeführt. Unser Antrag auf Streichung der Titel wurde von den Konsensparteien im Wirtschaftsausschuss wie üblich abgelehnt. Lassen Sie mich hier noch einige Gedanken zur CO 2 -Gebäudesanierung ausführen. Aus meinem Arbeitsalltag kann ich bezeugen, was Ihnen viele meiner Kollegen aus dem Handwerk und vom Bau bestätigen können und was auch zahlreiche Studien mittlerweile belegen: Die Wärmedämmung hat sich in vielen Fällen gar nicht gerechnet. Sie hat kaum zur Senkung von Heizkosten geführt. Die behauptete Wirtschaftlichkeit war also ein leeres Versprechen. Viele private Hausbesitzer sind darauf hereingefallen und haben viel Zeit und Geld in unnütze Maßnahmen investiert, zu denen sie mittels geschickter PR überredet wurden. Um wirklich etwas einzusparen, müsste man 150 Jahre alt werden. Allein die gesundheitsgefährdenden Begleiterscheinungen von Wärmedämmung werden dies jedoch verhindern. ({0}) Das zur Wärmedämmung eingesetzte Styropor erwies sich nämlich als hoch entflammbar und musste deshalb mit Brandschutzchemikalien behandelt werden, die sich wiederum als hochgradig gesundheitsgefährdend erwiesen. Die als Flammschutz eingesetzte Chemikalie HBCD schädigt das Nervensystem und beeinträchtigt die Fruchtbarkeit. ({1}) Diesen Giftstoffen waren nicht nur Bewohner, sondern vor allem auch Bauarbeiter und Handwerker beim Verbauen dieser Materialien ausgesetzt. Aufgrund mangelnder Luftzirkulation sind viele Gebäude von Schimmel und Algen befallen, die wiederum mit hochgiftigen Fungi- und Algiziden bekämpft werden müssen. Hinzu kommt die aufwendige Entsorgung dieser umweltschädlichen Giftstoffe. Aber was tut man nicht alles, um die Welt zu retten. ({2}) Der deutsche Dämmwahn wurde von höchsten Kreisen aus CDU und SPD mit Kampagnen wie „Dämmen lohnt sich“ gefördert. Auch Zocker aus Übersee wie BlackRock haben entdeckt, dass man aus der Energiewende in Deutschland Profit schlagen kann. In den Großstädten sind die Mieten so hoch wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Auch dies ist eine Folge der staatlich subventionierten Sanierungsindustrie. Schließlich konnten Hauseigentümer die Modernisierungskosten für neue Doppelfenster oder Plattenfassaden auf die Miete aufschlagen. Die mit steigenden Mieten einhergehende Abwanderung sozial schwächerer Haushalte beklagt sogar die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung. Aber von einem Umdenken keine Spur. Man will sich ja partout nicht eingestehen, dass man ein totes Pferd reitet. ({3}) Unsere Städte und Wohnungen sind dadurch nicht schöner geworden. Im Gegenteil: An Häusern aus der Gründerzeit werden Jugendstil-Stuckelemente abgeschlagen – einer Ideologie zuliebe. ({4}) – Ja, das findet statt. – Holzfenster werden heute durch unschöne Isoplastefenster ersetzt, deren Haltbarkeit wesentlich geringer ist. Die Zeiten, in denen sich Bauherren und Architekten auf ästhetische Gesichtspunkte konzentrieren konnten, sind in weite Ferne gerückt. Dies vielleicht als Hausaufgabe für das neue Heimatministerium: Harmonie und Schönheit erhöhen die Lebensqualität und tragen dazu bei, dass man sich an einem Ort zu Hause fühlt, was in unseren durchmodernisierten Groß- und Kleinstädten von Tag zu Tag schwieriger wird. Die Achillesferse des Deutschen ist seine Liebe zur Natur. Dies wissen offenbar diejenigen, die die Energiewende in Deutschland zur nationalen Aufgabe erklären und den gutgläubigen Deutschen mit grüner Rhetorik das Geld aus der Tasche ziehen. Tatsächlich gibt es aber kaum etwas, das ökologisch weniger Sinn macht als die CO 2 -Gebäudesanierung. Die Idee, Gebäude zu dämmen, ist übrigens so alt wie die Geschichte der Baustoffe, deren erste Vorschriften, veranlasst durch König Hammurabi im alten Babylon, in eine Dioritsäule gemeißelt wurden. Demnach musste ein Baumeister, der falsche Baustoffe einsetzte, geteert, gefedert und aus der Stadt gejagt werden.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Chrupalla, Sie können natürlich weitersprechen. Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, dass Sie das ab jetzt auf Kosten der Redezeit Ihres folgenden Kollegen tun.

Tino Chrupalla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004695, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Was ich damit sagen will, liebe Regierungsbaumeister, das können Sie sich ja vielleicht selber denken. Vielen Dank. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Abgeordnete Gabriele Katzmarek für die SPD-Fraktion. ({0})

Gabriele Katzmarek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004325, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Haushalt setzt gute und richtige Schwerpunkte. Mit dem Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie werden wir gezielt investieren in die Förderung mittelständischer Unternehmen und in Zukunftstechnologien, zum Beispiel die Mikroelektronik. Das ist gut und richtig. Dass wir die Möglichkeit dazu haben, verdanken wir den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. ({0}) Das Wirtschaftswachstum der letzten Jahre, der Wohlstand und damit unsere Möglichkeit, gezielt zu investieren, sind ihre Leistung. Haushaltsdebatten haben die Tendenz, sehr verengend die Veränderungen der einzelnen Haushaltspläne im Vergleich zum Vorjahr wiederzugeben. Uns als Sozialdemokraten ist jedoch bewusst: Gute Wirtschaftspolitik ist mehr als Zahlen bei der Technologie- und Projektförderung. Wirtschaftspolitik ist auch Gesellschaftspolitik. Kluge Förderprogramme sind wichtig, keine Frage. Mein Kollege Thomas Jurk wird auf einzelne Details noch eingehen. Dennoch: Wirtschaftswachstum und eine wirtschaftlich starke und gesunde Gesellschaft entstehen nicht automatisch, indem wir die Mittel für Förderprogramme um 5 Prozent anheben oder nicht, sondern indem wir in die Menschen in diesem Lande investieren. ({1}) Wenn wir über wirtschaftliche Entwicklung sprechen, reden wir auch über den Fachkräftebedarf, und zwar nicht nur in der Pflege. Deshalb möchte ich den Blick auf das richten, was die Koalition auf Initiative der SPD bereits umgesetzt hat oder noch umsetzen wird, auf politische Vorhaben, die uns Sozialdemokraten besonders wichtig sind und die einen großen Einfluss auf die wirtschaftliche Situation und die längerfristige wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land haben. Zwei Beispiele: Erstens: Investitionen in Bildung. Der CDU-Teil der letzten Bundesregierung ist in der letzten Legislaturperiode kläglich bei dem Versuch gescheitert, unserer Bildung das nötige Upgrade in Sachen Digitalisierung zu verpassen. Irgendwo zwischen Frau Wankas Bildungsministerium und dem Bundesfinanzministerium ist der DigitalPakt Schule stecken geblieben. Kann Deutschland in 20 Jahren noch wirtschaftlich so stark sein wie heute, wenn wir es nicht schaffen, unsere Schulen mit aktueller Technologie auszustatten und die jungen Menschen adäquat auf die Arbeitswelt vorzubereiten? Ich sage: Nein. ({2}) Bildung ist der Schlüssel zu wirtschaftlicher Entwicklung und Wohlstand. Handeln wir dementsprechend. Zweitens: Nutzung des Potenzials von Frauen. Es ist eigentlich unglaublich, dass Familien noch immer rechnen müssen, ob es sich lohnt, wenn beide Elternteile arbeiten gehen. Noch immer bleiben überwiegend die Mütter zu Hause, weil es sich schlichtweg nicht lohnt, angesichts der in einigen Bundesländern noch viel zu hohen Betreuungskosten arbeiten zu gehen. Wir können und dürfen uns das nicht leisten. ({3}) Es muss doch unser wirtschafts- und gesellschaftspolitisches Interesse sein, die Fähigkeiten aller Menschen zu nutzen. Deshalb müssen die Kitakosten bundesweit und vollständig fallen. Das ist wirtschaftspolitisch klug und vernünftig. ({4}) Sehr geehrte Damen und Herren, gute Politik hat das Ganze im Blick. Zu guter Wirtschaftspolitik gehört eben mehr als reine Zahlen, als reine Wirtschaftsförderung. Es gehören Arbeitsmarkt, Bildung und Familienpolitik dazu, wenn die Menschen in diesem Lande davon profitieren sollen. Lassen Sie mich einen Schlusssatz sagen: Zu guter Politik gehört auch, dass man seiner Verantwortung in diesem Land gerecht wird und keine Landtagswahlkämpfe und keine persönlichen Fehden über das Wohl in diesem Lande austrägt. Deshalb kann ich nur sagen: Beenden Sie Ihren Streit! Lassen Sie uns für die Menschen in diesem Land arbeiten, und zwar gemeinsam, und legen Sie Ihre persönlichen Fehden beiseite! Denn die Menschen in diesem Land haben es verdient. Herzlichen Dank. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Reinhard Houben für die FDP-Fraktion. ({0})

Reinhard Houben (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004763, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Altmaier, ich habe mal auf die Uhr geschaut: Ihre 9 Minuten haben Sie in 7 Minuten Energie und 2 Minuten Wirtschaft aufgeteilt. ({0}) Es tut mir leid, aber wie beim letzten Mal haben mir wieder so einige für die FDP, die Freien Demokraten, wichtige Stichworte gefehlt. Kein Wort zum Mittelstand, kein Wort zum Handwerk. ({1}) Da müssen Sie sich irgendwann mal entscheiden, wie Sie das noch einbauen, und zwar nicht nur in die Rhetorik, sondern eben auch in die Politik. Das wäre, glaube ich, ganz schön wichtig. ({2}) Sie haben zum Glück das Thema Handelsstreit angesprochen. Aber ich muss sagen: Die Wahrnehmung dieses Problems durch die Bundesregierung können wir nicht als befriedigend empfinden. ({3}) Es ist hier um uns herum der Teufel los. Ich sage mal: Zum Glück haben wir Brüssel, zum Glück haben wir Frau Malmström, zum Glück haben wir Herrn Juncker. Die sind sehr viel mutiger und entschiedener in dieser Frage als die Bundesregierung und auch – es tut mir leid – als Sie, Herr Minister, persönlich. ({4}) – Ach, Herr Gauland, nun regen Sie sich doch nicht auf. Denken Sie an Ihr Herz. ({5}) – Ich denke nur an Sie. Zur Industriepolitik. Herr Altmaier, die Frage müssen Sie natürlich auch beantworten: Wie wollen Sie die Industriepolitik gestalten? Viele laufen herum – reden Sie mit der IG BCE oder mit der IG Metall – und sagen: Ja, klar müssen wir Industriepolitik machen. – Aber die meinen natürlich einen ganz stark staatlich und klar vorbestimmten Weg, auf dem sie sich dann möglichst bequem bewegen können, am besten noch unter Vorgabe der Produkte, die sie herstellen sollen. ({6}) – Wir waren doch gemeinsam bei der Veranstaltung, Herr Kollege. – Wie sieht Ihr Ansatz, marktwirtschaftliche Grundeinstellung mit einer Industrie zu gestalten, aus? Es ist ja nicht so, dass wir als FDP da nicht mitgehen wollen. Aber wir müssten mal eine Orientierung bekommen, wie Sie Industriepolitik und Marktwirtschaft vereinbaren können. ({7}) Weitere Bemerkung: Braunkohle. Dort müssen wir doch bitte auch mal unterscheiden zwischen den Problemen in der Lausitz und den Problemen im rheinischen Braunkohlerevier. Dort sind die Probleme ganz anders, aber auch nicht zu ignorieren. Wenn Sie also in der fälschlicherweise „Braunkohle-Kommission“ genannten Kommission arbeiten, denken Sie auch daran: Es sind unterschiedliche Probleme, die diese Regionen betreffen. Das sollte bitte im Auge behalten werden. ({8}) Die Zeit läuft mir davon. – Eine Grundmelodie ist ja, meine Damen und Herren – das kommt sowohl von der CDU/CSU als auch von der SPD –: Es geht uns im Grunde gut, und das läuft auch weiter so. – Ich teile diesen Optimismus nicht. Wir müssen im Moment sehr aufpassen, dass wir unser Niveau halten können, und dort sind Sie gefordert. Einige Bemerkungen zum Haushaltsplan selbst. Wir halten das Vorgehen beim Thema Elektromobilität für unsicher und auch unsinnig. 1 Million Autos werden wir auf diesem Weg nicht bekommen. Es soll weiterhin einen Digitalbotschafter geben. Das muss auch nicht sein. Meiner Meinung nach ist er eher ein Grüßonkel. Dann ist eine Entscheidung von der GroKo getroffen worden, die mich doch sehr zum Nachdenken gebracht hat. Die FDP hat vorgeschlagen, dass man bei der Freigabe von Überbrückungskrediten in Fällen à la Air Berlin irgendwie das Parlament in die Diskussion einbindet. Mit den Stimmen der Koalition ist dieser Vorschlag abgelehnt worden. Anstatt auf unsere Budgethoheit zu setzen, setzen Sie also offensichtlich mehr auf die Kompetenz und Expertise der Bundesregierung gerade in solchen Fragen. Wir finden es sehr fragwürdig, dass wir bis zu 300 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung stellen, ohne dass wir eine vernünftige parlamentarische Kontrolle installieren. Das halten wir für falsch. Sie sollten bei der Frage noch mal in sich gehen. Vielen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Alexander Ulrich aus der Fraktion Die Linke. ({0})

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Altmaier, auch Sie haben heute wieder von der Rekordbeschäftigung gesprochen, als wäre das ein Wert an sich. Das erinnert an den Spruch: Sozial ist, was Arbeit schafft. – ({0}) Dieser Spruch war schon immer falsch. Wenn überhaupt, müsste es heißen: Sozial ist, was gute Arbeit schafft. ({1}) Wir haben eine Zunahme an atypischer Beschäftigung. Wir haben millionenfache prekäre Beschäftigung. 40 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land verdienen heute, gemessen an der Kaufkraft, weniger als vor 15 Jahren. Wenn so viele Menschen zurückgelassen werden, ist das unter dem Maßstab einer sozialen Marktwirtschaft keine erfolgreiche Wirtschaftspolitik. ({2}) Deshalb bleibt Die Linke auch bei ihrem Kernanliegen: Wir brauchen endlich einen Mindestlohn von mindestens 12 Euro. Sachgrundlose Befristungen müssen verboten werden. Bei der Leiharbeit brauchen wir endlich Equal Pay: gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort. – Das wären Maßnahmen, die dringend notwendig wären. ({3}) Wir brauchen auch mehr Allgemeinverbindlichkeit bei Tarifverträgen; denn es ist ein großes Problem für viele Arbeitnehmerinnen, dass sie nicht mehr unter einen Tarifvertrag fallen. All das würde dazu beitragen, dass auch die Binnennachfrage in diesem Land wieder deutlich angehoben werden könnte. Es bräuchte aber dazu auch deutlich mehr Zukunftsinvestitionen in den sozial-ökologischen Umbau, in Bildung und Forschung, Gesundheit und Pflege, die marode Infrastruktur, die Energie- und Mobilitätswende und, und, und. Aber leider ist aus der schwarzen Null à la Schäuble nur eine rote Null à la Scholz geworden. Damit werden die Zukunftschancen in diesem Land verspielt, und jede unterlassene Investition wird für die zukünftige Generation sehr teuer. ({4}) Mehr Investitionen und eine Steigerung der Binnennachfrage würden auch dazu beitragen, die riesigen Außenhandelsüberschüsse abzubauen. Der Zollstreit mit den USA hat ja gerade darin seinen Ursprung. Es ist ja nicht nur Trump; es war auch Obama, es sind Macron, viele EU-Partner und die EU-Kommission, die uns immer wieder aufs Neue ins Stammbuch schreiben: Eure Außenhandelsüberschüsse sind ein Problem für Europa und für die Weltwirtschaft, und deshalb müssen sie abgebaut werden. ({5}) Deshalb, Herr Wirtschaftsminister, beenden Sie endlich diese antieuropäische Wirtschaftspolitik; denn sie ist zum Schaden der Europäischen Union. ({6}) Wenn Sie es nicht lösen, dann wird Trump es lösen; aber dann wird es teuer, was Arbeitsplätze und Wirtschaft angeht. Deshalb machen Sie sich selbst auf den Weg, damit die Außenhandelsüberschüsse abgebaut werden können. Wir haben erwähnt, wie man es machen kann: deutlich mehr Binnennachfrage und Investitionen – das wäre der richtige Weg. ({7}) Wenn wir über Handel reden, dann müssen wir auch darüber reden, dass die Koalition bei der Migrationsfrage fast geplatzt wäre. Wir müssen auch darüber nachdenken: Warum kommen so viele Migranten nach Deutschland? Das hat auch etwas damit zu tun, welchen unfairen Handel wir in der Europäischen Union gerade mit Afrika treiben. ({8}) Wer diesen Kontinent immer weiter ausbeutet, braucht sich nicht zu wundern, wenn sich immer mehr Menschen auf den Weg zu denen machen, von denen sie ausgebeutet werden. Sie können die Festung Europa noch so sehr ausbauen: Die Menschen werden sich auf den Weg machen, wenn es auf dem afrikanischen Kontinent keine Chancen auf fairen Handel gibt. ({9}) Wir brauchen für Afrika einen Marshallplan, aber nicht wie den der Bundesregierung, der nur eine Steigerung deutscher Exporte bedeuten würde. Vielmehr brauchen wir einen Marshallplan, der mit Investitionen und einem industriepolitischen Programm verbunden ist. Das wäre dringend notwendig, gerade wenn es um Migration geht. Herr Altmaier – auch wenn Sie nicht zuhören –, Sie sind jetzt 100 Tage im Amt. Viele Redner haben schon davon gesprochen – auch Ihr Koalitionspartner –, dass Sie nicht allzu viel gemacht haben in diesen 100 Tagen. Sie hatten einen Misserfolg bei den Zollverhandlungen mit den USA. Sie haben zugesehen, dass Sie beim BAMF-Skandal aus der Schusslinie kommen, Ende offen. Machen Sie endlich mal Ihre Arbeit! Das ist dringend notwendig. Heute Morgen hatten wir Gäste von Bosch aus Homburg. Das liegt im Saarland, vor Ihrer Haustür. Dort haben 4 500 Menschen Angst um ihren Arbeitsplatz, aber vom Wirtschaftsminister aus dem Saarland haben sie noch nichts gehört. Das ist eine Schande. Vielen Dank. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Kerstin Andreae für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Kerstin Andreae (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003493, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Altmaier, darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten? – Danke schön. ({0}) Sie haben im März gesagt, Sie wollen die soziale Marktwirtschaft angesichts der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts wetterfest machen. Heute und auch in den Haushaltsberatungen im Mai haben Sie gesagt: Die Wirtschaft läuft rund, das Wachstum ist stabil, der Aufschwung geht ins neue Jahr. Die Wirtschaftsforschungsinstitute sagen Ihnen etwas anderes und verweisen auf große Risiken. Was setzen Sie diesen Risiken eigentlich entgegen? Realität ist, dass wichtige Fragen zu Themen wie Klimaschutz, Digitalisierung, Forschung und Fachkräftemangel in die Zukunft verschoben werden. Das ist mut- und ambitionslos. ({1}) Ich hatte Ihnen ziemliche Vorschusslorbeeren gegeben, weil mich die erste Rede von Ihnen überzeugt hat. Aber schöne Reden reichen halt nicht aus. Im „Handelsblatt“ vorgestern durften wir über Ihr Haus lesen, Sie würden gerne gestalten, müssen sich aber aufs Verwalten beschränken oder „vom Wirtschaftsminister werden wir nur vertröstet, … es fehle jeder Gestaltungswille“. Können Sie eigentlich nicht, oder wollen Sie nicht? Ich sage Ihnen: Wir erwarten deutlich mehr von Ihnen, und auch dieses Land erwartet deutlich mehr von Ihnen. ({2}) Im Koalitionsvertrag heißt es: Neuer Aufbruch für Europa, neue Dynamik für Deutschland, erfolgreiche Wirtschaft für Wohlstand. Aber was erleben wir? Masterplan-Allüren, Schlagbaumphantasien und die Dramen der letzten Tage. Der Geist von Schengen wird untergraben. Ich hätte von Ihnen als Wirtschaftsminister hier ein klares Wort erwartet. ({3}) Was ist so schwer daran, den Satz zu sagen: „Geschlossene Grenzen schaden der Wirtschaft und bedrohen den Wohlstand“? Diesen Satz hätten Sie sagen müssen. ({4}) Wir haben Ihr Haus gefragt: Wie groß ist eigentlich der wirtschaftliche Schaden von Grenzschließungen? Der Staatssekretär konnte gerade mal das ifo-Institut zitieren mit: Na, es kostet so 3 Milliarden Euro pro Jahr. – Es wäre doch eigentlich angebracht, dass Sie das mal kalkulieren. Der Deutsche Speditions- und Logistikverband ist da deutlich weiter. Die haben das für sich durchgerechnet. Lieferketten und Produktion werden gefährdet, kleine Geschäfte in Grenznähe sorgen sich, von grenzüberschreitenden Pendlern will ich gar nicht reden. Ist das die versprochene neue Dynamik für Deutschland? Auf der Öresundbrücke zwischen Dänemark und Schweden gibt es wieder Grenzkontrollen. Dadurch entsteht ein wirtschaftlicher Schaden von 300 Millionen Euro pro Jahr. Juncker sagt: „Wer Schengen killt, … wird den Binnenmarkt zu Grabe tragen.“ Wo sind Sie eigentlich? Juncker meldet sich zu Wort, Oettinger meldet sich zu Wort, ({5}) aber der Wirtschaftsminister ist in seiner Rolle nicht angekommen. ({6}) Zum Thema Marktwirtschaft. Sie sagen, Sie wollen die soziale Marktwirtschaft weiter beleben. Unsere grüne Position ist da ganz klar: So viel Staat wie nötig und so viel Markt wie möglich. Aber da passiert ja nichts; und jetzt kommen Sie mir bitte nicht damit, dass Sie erst 100 Tage im Amt sind und dass es diese Koalition erst 100 Tage gibt. Diese Koalition ist die Fortführung der letzten Koalition. ({7}) Die Forschungsförderung stand schon im letzten Koalitionsvertrag, übrigens auch im vorletzten. Wir haben sie wieder nicht. Sie ist wieder nicht im Haushalt abgebildet. Eine Gründeroffensive steht in diesem Koalitionsvertrag, sie stand auch im letzten und im vorletzten. Wo ist denn Ihr Gründerzentrum, das Sie errichten wollten? Wo ist denn Ihr Kompetenzzentrum? Wo ist denn Ihr Kampf für gute Arbeit? Hubertus Heil macht es Ihnen an dieser Stelle vor. Er sagt: Wir machen eine Offensive im Hinblick auf Bildung für neue Arbeit. Arbeit 4.0 umsetzen – was hören wir dazu vom Wirtschaftsminister? Die Umweltministerin sagt etwas zur CO 2 -Bepreisung. Und was hören wir dazu vom Wirtschaftsminister? Das ist ein echtes Trauerspiel. ({8}) Dadurch, dass Sie „Erfolgreiche Wirtschaft für den Wohlstand von morgen“ so plakativ in den Raum stellen, liefern Sie letztlich noch gar nichts. Machen Sie Deutschland attraktiv für Fachkräfte. Schaffen Sie legale Zugangswege nach Deutschland. Wir sind auf Fachkräfte und auf Zuwanderung angewiesen, ({9}) auch wenn Sie das nicht verstehen wollen. Das ist notwendig für die Bundesrepublik Deutschland. ({10}) Da wird der Wirtschaftsminister gebraucht. Wir haben in den Haushaltsberatungen zu all diesen Punkten Vorschläge gemacht, damit es vorangeht. Leider haben Sie sich mit wildgewordenen Kollegen und Schimären beschäftigt und nicht mit der Gestaltung dieses Landes. Das ist ein echtes Trauerspiel. Tut mir leid, dass ich das so sagen muss. Danke schön. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Hansjörg Durz für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Hansjörg Durz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Diskussion wurde schon viel über Ziele gesprochen, vor allem über ein Ziel. Auch ich möchte mit Zielen beginnen: Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass der Bund mit dem Geld auskommt, das er einnimmt. Wir haben jetzt zum fünften Mal hintereinander einen Haushalt mit einer schwarzen Null, also dieses Ziel erreicht. ({0}) Ein weiteres Ziel ist zum Greifen nah. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die Maastricht-Kriterien einzuhalten, die gesamtstaatliche Schuldenstandsquote erstmals seit dem Jahr 2002 auf unter 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurückzuführen. Dies ist eine historische Leistung und Resultat gelebter verantwortungsvoller Haushaltspolitik. ({1}) Das zeigt, dass wir verantwortungsvoll mit den Steuergeldern der Bürgerinnen und Bürger umgehen, das zeigt Verlässlichkeit – für die Wirtschaft umso wichtiger in Zeiten von Unsicherheiten in der internationalen Handelspolitik –, und das zeigt, dass wir die nachfolgenden Generationen im Blick haben. Gerade der Etat des Bundeswirtschaftsministeriums ist im besten Sinne ein Zukunftsetat. Bei einem Gesamtetat von knapp 8,1 Milliarden Euro werden über 2 Milliarden Euro als Investitionen platziert. Damit trägt das BMWi wesentlich zu Wachstum, Innovationen und Beschäftigung von morgen bei. Ich möchte drei Punkte hervorheben: Erstens. Das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, bleibt zentraler Bestandteil unserer Innovationsförderung. ZIM ist unbürokratisch, ZIM ist schnell, und ZIM genießt einen hervorragenden Ruf bei unseren Mittelständlern. Übrigens, Herr Kollege, in diesem ZIM stecken auch Handwerk und Mittelstand drin. ({2}) Zweitens. Wir verstärken weiter das sehr erfolgreiche EXIST-Programm, um innovative Unternehmensgründungen zu unterstützen. Die Zahl der daraus resultierenden Gründungen verdeutlicht, dass hier jeder Euro gut investiert ist. Übrigens existieren 75 Prozent der geförderten Unternehmen auch drei bis fünf Jahre nach Gründung noch am Markt. Das spricht für Nachhaltigkeit. Von daher freut es mich sehr, dass auf den letzten Metern hier nochmals draufgesattelt werden konnte. Drittens. 300 Millionen Euro für die Mikroelektronik sind eine echte Ansage im Bereich der Digitalisierung. Wie wir wissen, steht Deutschland nicht in jedem Bereich, aber in einigen Feldern im Bereich der Digitalisierung technologisch definitiv an der Spitze. Ich denke an Automatisierung, Mikroelektronik oder Robotik. Mit diesem Titel unterstützen wir die Grundlagenforschung, damit das auch in Zukunft so bleibt. Im Übrigen stecken auch hier nicht nur Großunternehmen, sondern auch der Mittelstand dahinter. Mit der Verabschiedung des Gesamthaushalts 2018 werden wir die Investitionen von 37 Milliarden Euro im zweiten Regierungsentwurf vom Mai um 2,8 Milliarden Euro auf dann insgesamt circa 40 Milliarden Euro erhöhen. Bis zum Ende der Legislaturperiode wollen wir die Investitionen im Vergleich zur letzten Periode um über 20 Prozent nach oben schrauben. In konkreten Zahlen sind das fast 34 Milliarden Euro mehr Geld für Straßen, für Schienen, für Forschung, für Sicherheit und auch für unsere digitale Infrastruktur. Wie wichtig uns dieses Anliegen ist, dokumentiert nicht nur das Upgrade des Bundesförderprogramms für die digitale Infrastruktur, das heute vorgestellt wurde, sondern die wirtschaftlich aktuell hervorragende Lage eröffnet uns auch Spielräume, die es klug zu nutzen gilt. Von daher werden wir in diesem Haushalt 2,4 Milliarden Euro als Anschubfinanzierung für den Digitalfonds zur Verfügung stellen. Wir machen also Tempo in diesem Bereich. Insgesamt stehen im Haushalt, verteilt auf die einzelnen Titel, circa 10 Milliarden Euro für Investitionen in die Digitalisierung zur Verfügung. Eine Menge Geld. Allerdings muss man auch zugestehen, dass wir in einigen Bereichen ein Umsetzungsproblem haben. Deshalb müssen wir über die Absenkung von Standards diskutieren. Wir müssen bürokratische Hürden abbauen, zwingend eine Beschleunigung des Planungsrechts umsetzen und in den Verfahren effizienter und schneller werden. ({3}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir verabschieden heute einen guten Haushalt. In Kürze werden wir aber schon die Zahlen für das kommende Jahr auf dem Tisch haben. Auch hier wird es darum gehen, das Ziel der Verlässlichkeit und Zukunftsorientierung umzusetzen und unseren Stabilitätsanspruch mit den richtigen Ausgabenschwerpunkten zur Steigerung von Investitionen in den zentralen Zukunftsfeldern in Einklang zu bringen. Dann wird der Bund wieder einen erheblichen Beitrag dazu leisten, dass Deutschland gut gerüstet in die Zukunft geht. Ein Themenfeld, das wir dann noch viel stärker für Investitionen in den Blick nehmen müssen, ist der Bereich künstliche Intelligenz, der wohl größte Treiber der Digitalisierung. Bereits seit Jahrzehnten investiert der Bund in diesen Bereich; aber wir müssen hier weiter Kräfte bündeln und die Investitionen weiter erhöhen, damit die Arbeitsplätze mit und in diesen Technologien in Deutschland auch in Zukunft vorhanden sind. Vielen Dank. ({4})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Volker Münz für die AfD-Fraktion. ({0})

Volker Münz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004835, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeshaushalt steigt zulasten des Steuerzahlers auf ein Rekordniveau, als wenn es kein Morgen gäbe. Die Bundesregierung zeigt mit ihrer Wirtschaftspolitik eine zunehmende Abkehr von Prinzipien der Marktwirtschaft. Planwirtschaftliche Elemente nehmen immer weiter zu. Besonders deutlich wird das an den Maßnahmen zur sogenannten Klimarettung, für die horrende Summen veranschlagt werden. Dies ist eine gigantische Umverteilung zugunsten weniger. Die Zeche zahlt die große Mehrheit der Bürger. Dies lehnen wir ab, meine Damen und Herren! ({0}) Die AfD-Fraktion steht für einen vernünftigen Umgang mit natürlichen Ressourcen sowie für den Erhalt und den Schutz der Umwelt. ({1}) Aber: Die Vorstellung, dass der verschwindend geringe Anteil des menschlich verursachten CO 2 in der Luft globale Klimaveränderungen auslöst, ist abwegig, meine Damen und Herren. Der CO 2 -Anteil in der Luft beträgt 0,04 Prozent. Davon verursacht der Mensch etwa 4 Prozent. Der menschlich induzierte CO 2 -Anteil in der Luft beträgt also 0,0016 Prozent. ({2}) Hierzu trägt Deutschland 3 Prozent bei. Der deutsche Anteil des menschlich verursachten CO 2 in der Luft beträgt somit etwa ({3}) 0,0005 Prozent. Dennoch werden Unsummen ausgegeben, um diesen Anteil noch ein klein wenig zu verringern. Kollege Mattfeldt hat das vorhin ja selbst gesagt: Trotz dieser enormen Summen hat es gar nichts gebracht. – Wir können eine solche klimaideologische Politik nicht mittragen, meine Damen und Herren. ({4}) Für das Jahr 2018 sind allein für die Förderung von Maßnahmen zur energetischen Gebäudesanierung im Rahmen des CO 2 -Gebäudesanierungsprogramms mehr als 1,7 Milliarden Euro veranschlagt. Die Bundesregierung stockt die finanziellen Mittel um fast 500 Millionen Euro noch weiter auf. ({5}) Richtig wäre es dagegen, den ökonomischen, ökologischen und bauphysikalischen Dämmwahnsinn des CO 2 -Gebäudesanierungsprogramms zu beenden. ({6}) Mit der Einführung des Energie- und Klimafonds im Jahr 2010 wurde ein Sondervermögen geschaffen, um mit den Erlösen aus dem Verkauf der CO 2 -Zertifikate Klimaprojekte wie das CO 2 -Gebäudesanierungsprogramm zu finanzieren. Von der Koppelung an die Erlöse aus dem Verkauf der Zertifikate hat sich die Bundesregierung aber verabschiedet. Denn der Bundeszuschuss an den Energie- und Klimafonds vergrößert sich um unglaubliche 2 Milliarden Euro auf 2,8 Milliarden Euro. Ursprünglich sollten Zuweisungen aus dem Bundeshaushalt nur erfolgen, um zurückgehende Erlöse aus dem Zertifikatehandel aufzufangen. Die Erlöse aus dem Emissionshandel legen jedoch für 2018 um mehr als 550 Millionen Euro zu. Trotz steigender Erlöse, die sich im Vergleich zum Jahr 2016 annährend verdoppeln, kommt ein mehr als verdreifachter Bundeszuschuss obendrauf. Dies können wir nicht mittragen, meine Damen und Herren. ({7}) Nächster Punkt: die Subventionen. Die Subventionen aus Finanzhilfen und Steuervergünstigungen steigen trotz der guten Konjunktur auf ein Rekordniveau. Vom Grundsatz der antizyklischen Wirtschaftspolitik keine Spur! Die Große Koalition ignoriert dabei die von ihr selbst 2015 beschlossenen subventionspolitischen Leitlinien. Meine Damen und Herren, dem Haushalt können wir nicht zustimmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Abgeordnete Gabriele Hiller-Ohm für die SPD-Fraktion. ({0})

Gabriele Hiller-Ohm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003556, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage Sie: Was wäre unsere Wirtschaft ohne den Tourismus? ({0}) Ich freue mich, dass dieser wichtige Wirtschaftszweig in dieser Debatte auch einmal zu Wort kommt. ({1}) Die Tourismuswirtschaft ist ein echtes Schwergewicht. Leider werden die Potenziale nicht immer erkannt. Ich nenne dazu nur zwei Zahlen: 4 Prozent der Bruttowertschöpfung werden vom Tourismus erzielt. 3 Millionen Menschen sind direkt in der Branche beschäftigt. Die Tourismuswirtschaft kann sich also durchaus mit der Autoindustrie, dem Maschinenbau und der Finanzwirtschaft messen. Darüber hinaus erlebt die Tourismuswirtschaft seit acht Jahren einen robusten Aufschwung. Der Tourismus ist somit ein starkes Zugpferd, vor allem auch in strukturschwachen Regionen. ({2}) Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es wichtig und zu begrüßen, dass der Tourismus im Haushalt angemessen berücksichtigt worden ist. So wird die Deutsche Zentrale für Tourismus, die für das Auslandsmarketing zuständig ist, zusätzlich zum bisherigen Budget von 30,6 Millionen Euro 2 Millionen Euro jährlich für Onlinemarketing und die Schaffung der dafür notwendigen digitalen Infrastruktur erhalten. Das, meine Damen und Herren, wird dazu beitragen, dass die Zahl der Übernachtungen ausländischer Gäste bis 2030 um sage und schreibe 50 Prozent steigt. Das wiederum wird zu Steuermehreinnahmen von schätzungsweise 250 Millionen Euro pro Jahr führen. ({3}) Dies, meine Damen und Herren, ist also gut angelegtes Geld, das wir hier und heute im Haushalt absichern werden. ({4}) Es wird eine hohe Rendite für unser Land bringen. SPD und CDU/CSU haben sich im Koalitionsvertrag auf eine nationale Tourismusstrategie verständigt. Dies, meine Damen und Herren, ist dringend notwendig, weil die Tourismusbranche an sich sehr kleinteilig aufgestellt und oft von unterschiedlichen Interessenlagen geleitet ist. Deshalb ist es dringend notwendig, dass wir eine bessere Koordinierung zwischen allen Akteuren in der Tourismuswirtschaft hinbekommen. Auch auf politischer Ebene müssen wir etwas tun. Hier müssen wir die Zuständigkeiten besser bündeln. Wir brauchen einheitliche Rahmenbedingungen. Wir müssen uns zum Beispiel auf einheitliche Zertifizierungen, Qualitätsstandards und Konzepte für barrierefreie Reiseketten verständigen. ({5}) Ein weiteres wichtiges Thema der nationalen Tourismusstrategie wird sein, Antworten auf den Fachkräftemangel zu finden. Hier ist besonders das Hotel- und Gaststättengewerbe betroffen. Natürlich ist zum einen die Branche selbst gefordert. Sie muss sich attraktiv für Nachwuchskräfte und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufstellen. Das wird nur über bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen, über faire Bezahlung und über planbare Arbeitszeiten gelingen. ({6}) Zum anderen muss aber auch die Politik handeln, zum Beispiel durch die Modernisierung der Ausbildungsverordnungen, eine bessere Ausstattung der Berufsschulen, eine Mindestausbildungsvergütung und auch durch ein Zuwanderungsgesetz, auf das die Branche seit langem wartet. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Digitalisierung. Hier müssen wir auch ran. Deutschland darf den Anschluss nicht verlieren. Wir dürfen nicht zulassen, dass Tourismusdestinationen in Funklöchern verschwinden. ({7}) Damit der Tourismus weiterhin ein wirtschaftliches Schwergewicht bleibt, ist also noch einiges zu tun. Mit den Maßnahmen, die wir heute hier im Haushalt verabschieden, gehen wir in die richtige Richtung und geben wir dem Tourismus gute Wachstumsperspektiven auch für die Zukunft. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Andreas Lämmel für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Ich habe eigentlich den ganzen Nachmittag niemanden gehört, der ernstlich was gegen den Einzelplan 09 vorzubringen hat. Herr Altmaier, das ehrt dich. ({0}) – Alles, um was es hier ging, sind doch Banalitäten gewesen. Es ging im Grundsatz darum, dass dieser Haushalt sozusagen eine Kontinuität aufweist, und Kontinuität ist genau das, was die Wirtschaft heute braucht. Sie muss sich auf die Rahmenbedingungen verlassen können, die der Staat schafft. Ich möchte hier mal auf drei einzelne Punkte im Haushalt eingehen, um noch mal deutlich zu machen, wie wichtig verschiedene Dinge sind: Zum Ersten ist das Förderprogramm IPCEI zu nennen. Dabei geht es um wichtige Projekte im europäischen Interesse. Es wurde verschiedentlich angesprochen: 300 Millionen Euro sind im Haushalt für die Fördermaßnahme IPCEI Mikroelektronik, wie ich es nennen würde, veranschlagt. Dazu gibt es aber Folgendes zu sagen: Dieses IPCEI ist praktisch eine völlig neue Förderstrategie Europas. Man hat in Brüssel nun endlich begriffen, dass nicht die europäischen Mitgliedstaaten in verschiedenen Bereichen untereinander in Konkurrenz stehen, sondern dass wir als Europa uns gegen die Verdrängungen aus Asien oder Nordamerika verteidigen müssen. Im Rahmen dieses IPCEI-Ansatzes werden Projekte formuliert, die im europäischen Interesse liegen, und sie werden beihilferechtlich praktisch anders bewertet. Das industrielle Konsortium zu diesem IPCEI-Projekt Mikroelektronik hat sich 2014 gebildet. Jetzt haben wir 2018, und bis heute ist die Genehmigung aus Brüssel nicht da. Man muss feststellen: Die Innovationsraten der Industrie und ganz speziell in der Mikroelektronik sind höher als die Geschwindigkeit der Förderbürokratie in Brüssel. Der Ansatz ist gut, aber wenn man hier nicht schneller entscheidet, verläuft die ganze Sache im Sand; das muss man noch mal deutlich sagen. Herr Minister, dieser IPCEI-Rahmen ist nur bis zum 31. Dezember 2020 genehmigt. Sie denken ja selbst darüber nach, weitere Projekte aufzusetzen, zum Beispiel im Bereich der Batteriezellenherstellung oder auch ein IPCEI Mikroelektronik 2. Wir können das aber gar nicht mehr realisieren, wenn der Förderrahmen durch Brüssel jetzt nicht verlängert wird, weil man keinen Haufen Aufwand produzieren wird, wenn man nicht weiß, ob das hinterher weitergeht. Hier besteht also wirklich Handlungsbedarf. Herr Minister, wir würden Ihnen gerne den Auftrag mitgeben und Sie sehr bitten, sich der Sache entsprechend anzunehmen. Das zweite Thema ist die GRW. Es gab hier ja sogar den Antrag einer Partei, die Mittel für die GRW zu kürzen. Nun war die Begründung, es seien so viele Restmittel im Haushalt. Das ist nicht ganz abzustreiten. Wenn man sich die Entwicklung der GRW in den letzten Jahren anschaut, dann muss man eindeutig sagen: 2016 und 2017 waren keine guten Jahre. Das hing aber auch damit zusammen, dass die EU den Förderrahmen geändert hat und damit keine Zweitinvestitionen oder Erweiterungsinvestitionen von Großunternehmen mehr möglich waren. Ein Beispiel ist: Steht in der Mikroelektronik eine Unternehmenserweiterung an, kostet das ohne Zuschuss eine Menge Geld, also einen ordentlichen Batzen. So wie es aussieht, werden wir in diesem Jahr eine hundertprozentige Belegung der Mittel haben. Gerade für die Entwicklung des ländlichen und strukturschwachen Raums ist doch die GRW genau das Instrument, das wir brauchen. Ich möchte Ihnen für mein Bundesland, für Sachsen, kurz sagen, wie das im letzten Jahr aussah. Da sind 467 Vorhaben innerhalb der GRW genehmigt worden: 467 Vorhaben! Das ergab einen Zuschuss in Höhe von 238 Millionen Euro. ({1}) Dieser Zuschuss hat ein Investitionsvolumen von 1 Milliarde Euro angeschoben, also ein nennenswertes Investitionsvolumen. ({2}) Dadurch wurden dann fast 3 000 neue Arbeitsplätze geschaffen und 18 500 Arbeitsplätze erhalten. Man kann also sagen, dass das für den Staat ein relativ preiswertes Instrument ist, um Strukturentwicklung in strukturschwachen Gebieten anzuschieben. Deswegen kann es eigentlich nicht darum gehen, die Mittel für die GRW abzusenken, sondern es muss darum gehen, sie zumindest zu verstetigen und, wenn der Bedarf vorhanden ist, sie sogar zu erhöhen. Der dritte Punkt sind Steinkohle und Braunkohle. Meine Damen und Herren, seit 2007 ist der größte Einzelposten im Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums die Abfinanzierung der Steinkohle, also seit elf Jahren. Jetzt läuft der Vertrag aus. Aber eine Anschlussfinanzierung muss gefunden werden. Jetzt diskutieren wir. Die Grünen würden ja der Braunkohle sozusagen sofort das Licht ausblasen, ({3}) egal was aus der Region wird, ohne Rücksicht auf Verluste. Wir haben einen anderen Politikansatz. ({4}) Wir wollen erst dafür sorgen und sicherstellen, dass in dieser Region ein adäquater Ersatz in der industriellen Struktur gefunden wird. ({5}) Wir wollen auch kein Sozialprogramm zur Abfederung des Strukturwandels, sondern wir wollen einen echten Wandel. ({6}) Das heißt, neue Arbeitsplätze gegen alte Arbeitsplätze. Auf etwas anderes werden wir uns nicht einlassen. Wir wissen, dass die Grünen hier andere Vorstellungen haben.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Lämmel.

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn Sie die Uhr anhalten, gern.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das habe ich getan.

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Verlinden?

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte. Gerne.

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Lämmel, dass Sie die Frage zulassen. – Sie haben gesagt – diese Einschätzung teilen wir Grüne –, dass natürlich dieser Strukturwandel in den Regionen sozial- und arbeitsmarktpolitisch gestaltet werden muss, ganz klar. Das steht seit vielen Jahren in unseren Kohleausstiegskonzepten. Wir haben dazu zahlreiche Vorschläge gemacht. Wir denken, dass das auch schaffbar ist. Bei dem Punkt, den Sie jetzt aber ansprechen, stellt sich für mich die Frage: Inwiefern können Sie uns zusagen, dass das Geld, das Sie für den Strukturwandelfonds bereitgestellt haben, für einen echten Strukturwandel in den Regionen zur Verfügung steht? Oder müssen wir befürchten, dass diese Gelder im Strukturwandelfonds tatsächlich nur dazu da sein werden, irgendwelche Entschädigungen an Konzerne und Aktionäre zu zahlen, und davon kein einziger Cent in den Regionen landet? ({0})

Andreas G. Lämmel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003796, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrte Kollegin, Sie wissen doch eigentlich selbst, dass sich diese Frage erübrigt. Sie wissen doch, dass wir natürlich nur dafür kämpfen werden, dass es einen Strukturwandel gibt. Wir wollen doch keine Entschädigungen zahlen. ({0}) Das würden wir dann machen müssen, wenn Ihre Politik sich durchsetzen würde, also ein Abstellen ohne Rücksicht auf Verluste. Ich habe hier gesagt: Wir machen eine vorausschauendere Politik: erst neue Arbeitsplätze, dann können alte Arbeitsplätze verschwinden. Insofern kann das vorhandene Geld nur ein erster Schritt sein. Ich habe Ihnen ja gerade gesagt: Elf Jahre finanzieren wir jetzt die Steinkohle ab. Steinkohle und Braunkohle haben einen Wortstamm, nämlich „Kohle“. Insofern werden wir uns dafür einsetzen, dass beide Kohlearten gleichbehandelt werden. ({1}) So, meine Damen und Herren, das war noch einmal das Thema Strukturwandel. Die sogenannte Kohlekommission, die eingesetzt wurde, hat ihre Arbeit gerade erst aufgenommen. Es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass das die Quadratur des Kreises bedeutet, aber wir werden uns alle bemühen, dort intensiv mitzuarbeiten. Meine Damen und Herren, noch einmal: Ich kann Ihnen nur Zustimmung zum Einzelplan 09 empfehlen. Wir haben die volle Veranschlagung aller Titel und nur noch ein halbes Jahr Zeit; insofern wird es im Bereich der Wirtschaft in diesem Jahr keinen Engpass geben, und in wenigen Wochen werden wir uns schon mit dem Haushaltsplan für 2019 befassen. Insofern: Stimmen Sie zu – Sie machen da keinen Fehler! ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Thomas Jurk für die SPD-Fraktion. ({0})

Thomas Jurk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeswirtschaftsminister, ich kann wie schon mein Vorredner sagen: Es ist ein Haushalt der Kontinuität. Ich darf diesen Haushalt zum fünften Mal als Berichterstatter begleiten und möchte eines vorausschicken: Ich glaube, wir haben auch mit den Instrumenten, die dieser Haushalt bereithält, der Wirtschaft geholfen, eine führende Rolle in Europa, in der Welt – – ({0}) – Oh, Entschuldigung! Ich habe den Minister angesprochen und Sie übersehen. Natürlich steht das Parlament für mich auch weiter im Vordergrund – keine Frage, Entschuldigung! ({1}) Worauf wollte ich hinaus? – Es ist ein Haushalt der Kontinuität, der deutlich macht: Wir haben viele erfolgreich laufende Förderprogramme, die insbesondere auch kleinen und mittelständischen Unternehmen geholfen haben, ob bei Forschung und Entwicklung oder bei Investitionen. Umso mehr war ich erstaunt – Kollege Lämmel hat die Erfolge der GRW-Maßnahmen bereits angesprochen –, dass die FDP-Fraktion – übrigens mit den Stimmen der AfD – beantragt hatte, die Mittel des GRW-Programms, dieses bewährten Förderprogramms zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, um 100 Millionen Euro abzusenken. ({2}) – Herr Kollege Lämmel hat völlig zu Recht auf die Ursachen hingewiesen, die dort in den letzten Jahren zu einem gewissen Stau geführt haben. Ich stelle heute fest: Dieses bewährte Instrument ist auch durch Umsteuern in der Anwendungsbreite durchaus handhabbar, und die Mittelbindung macht deutlich, dass die Mittel aus den Programmen weiter fließen. ({3}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, für uns wird, wenn wir weiter an der Weltspitze mitmischen wollen, ganz entscheidend sein, dass wir Forschung und Entwicklung vorantreiben. ({4}) Das ist wesentlich und setzt in erster Linie Anstrengungen aller Akteure in der Wirtschaft voraus, bevor der Staat Unterstützung leistet. Der Staat sollte natürlich auch Unterstützung leisten, insbesondere sind die Wirtschaftsförderer – ob im Bund, im Land oder in den Kommunen – immer wieder aufs Neue gefragt. Deshalb ist es wichtig, dass die Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen im Koalitionsvertrag und mit der Finanzplanung vereinbart haben, dass die Mittel für Forschung und Entwicklung in dieser Legislaturperiode um weitere 2 Milliarden Euro aufwachsen werden. ({5}) Das heißt beispielsweise für das Bundeswirtschaftsministerium allein 528 Millionen Euro mehr bis zum Jahre 2021. Ich kann Ihnen auch die Jahresscheiben nennen: Wir starten 2018 mit 26 Millionen Euro und setzen 2019 mit 132 Millionen Euro und ab 2020 mit 185 Millionen Euro mehr für Projekte für Forschung und Entwicklung im Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums fort. ({6}) Mein Mitberichterstatter von der Union, der gerade so schön geklatscht hat, und ich waren der Auffassung, wir sollten im Haushalt auch noch einmal genau hinschauen. Da gab es einen schönen Titel, den wir als Entscheidungshilfetitel deklariert haben und bei dem wir uns einig waren: So viel Entscheidungshilfe braucht das Bundeswirtschaftsministerium nicht. – Das heißt, hier wurden die zusätzlichen Mittel geparkt, um sie in bestimmte Förderprogramme umschichten zu können. Ich will es kurz sagen: Wir haben zielgerichtete Umschichtungen in die Ressortforschungseinrichtungen des BMWi vorgenommen, in die erfolgreichen Förderprogramme beispielsweise der Luftfahrtforschung, der maritimen Wirtschaft, der Kreativwirtschaft, aber auch der Komponenteninitiative im Nationalen Weltraumprogramm. Außerdem wurden die Mittel für Existenzgründungen aus der Wissenschaft – das bekannte EXIST-Programm – aufgestockt, und auch das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand bekam wieder eine solche Mittelausstattung, wie wir sie im letzten Jahr beschlossen hatten.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Jurk, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Ulrich?

Thomas Jurk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber gerne.

Alexander Ulrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003858, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Jurk, Sie sind der letzte Redner in der Debatte. Deshalb möchte ich Sie fragen, ({0}) ob Sie der Auffassung sind, dass wir als Deutscher Bundestag das, was die EU-Kommission uns jedes Jahr beim Europäischen Semester immer wieder aufs Neue mitteilt, nämlich dass die deutschen Außenhandelsüberschüsse ein Problem für die europäische Wirtschaft und für die Weltwirtschaft sind, weiterhin ignorieren können. ({1}) Alle anderen Redner hier haben dieses Problem auch heute wieder nicht angefasst. Es ist ein schlechtes Zeichen, dass der Bundestag all das, was von Macron über Obama bis zu Trump und anderen immer wieder gesagt wird, einfach ignoriert. Glauben Sie, dass die deutsche Wirtschaftspolitik gut beraten ist, ({2}) die Ohren immer weiter zu verschließen?

Thomas Jurk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich glaube, dass man nicht dem Trugschluss erliegen sollte, sich selber zu schwächen. Denn das, was wir außenwirtschaftlich erreicht haben, ist ein Riesenerfolg und sichert auch Wohlstand bei uns im Land. ({0}) Ich gebe Ihnen allerdings recht – das ist meine Erkenntnis aus den letzten fünf Jahren im Deutschen Bundestag – ({1}) – Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen; der Kollege hat auch ganz vorbildlich eine Frage gestellt –: Wir müssen mehr für die Binnenkonjunktur tun und natürlich auch den Ländern, denen es gegenwärtig nicht so gut geht – das Beispiel Afrika wurde in der Debatte gebracht –, helfen, Stichwort „Hilfe vor Ort“. Das ist ein weites Feld. Das fängt bei der Frage an, wie wir die Sicherheit in diesen Ländern sicherstellen, nicht nur für unsere Entwicklungshelfer, und wie wir sicherstellen, dass demokratische Strukturen das Geld in die Kanäle lenken, die für uns wichtig sind, wie Wasserversorgung und Energieversorgung. Das sind wichtige Herausforderungen. Das ist nicht so einfach zu bewältigen. Es fällt mir auch nicht leicht, Bundeswehrsoldaten nach Mali zu schicken. Aber ich glaube, wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Mittel, die wir für die Entwicklungshilfe bereitstellen, auch bei den Menschen ankommen, die sie so dringend nötig haben. ({2}) Ein Punkt ist mir ganz besonders wichtig. Wir haben vor wenigen Tagen in Berlin den 70. Jahrestag der Luftbrücke begehen können. Ich sage das als Ostdeutscher zu Westberlin: Ich bin mit RIAS Berlin, also mit dem Rundfunk im amerikanischen Sektor, groß geworden. Wir sind den Amerikanern zu großem Dank verpflichtet, gerade auch an dieser Stelle, in dieser Stadt. Umso mehr schmerzt es mich, dass dieser amerikanische Präsident offensichtlich alles über Bord wirft, was die guten Handelsbeziehungen zu den USA ausgemacht hat. Das schmerzt mich sehr. Aber jetzt komme ich zu einem anderen Thema. Sehr geehrter Herr Bundesminister – und ich glaube, ich sollte auch den Außenminister ansprechen –, ({3}) wir sollten mutiger sein, auch wieder Kontakte zu Russland zu knüpfen. ({4}) Das sage ich Ihnen ganz ehrlich: Ich war als Wirtschaftsminister öfter in Russland – WM-Spielorte wie Nischnij Nowgorod oder Kasan kenne ich relativ gut –, und ich weiß, wie mühsam es ist, Vertrauen aufzubauen. Ich weiß aber auch, dass die Bereitschaft der Russen da ist, mit uns gemeinsam Dinge voranzubringen, ob im wissenschaftlichen Bereich oder im wirtschaftlichen Bereich. Ich denke, wir sollten auch sehen, dass wir unsere Netzwerke dort wieder ausbauen, weil das für unsere Zukunft wichtig ist. Ich komme zum Schluss und stelle fest: Dieser Haushaltsplan ist – auch wenn er wahrscheinlich nur fünf Monate zur Umsetzung kommt; er muss ja erst einmal verkündet werden –, ein solider Haushalt. Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister, ich bin mir sicher: Sie werden jetzt auch irgendwann die Lücke beim Staatssekretär für Energie schließen. Das ist ganz besonders wichtig. Denn die Debatte hat auch deutlich gemacht, dass wir da viel tun müssen. ({5}) In diesem Sinne würde ich mich sehr freuen, wenn das Haus diesem Haushaltsplan zustimmen könnte. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09 – Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 09 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen, und es gab in den Reihen der Grünenfraktion eine Korrektur des Abstimmungsverhaltens. ({0})

Beatrix Storch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004905, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Genossin Giffey hat dem Genossen Finanzminister mit diesem Familienetat gleich eine Freude gemacht; denn es war schließlich Olaf Scholz, der in der rot-grünen Regierung als Genosse Generalsekretär die Ganztagsbetreuung als kulturelle Revolution gefordert hat. ({0}) Er rief dazu auf, die staatliche Lufthoheit über den Kinderbetten zu erobern. Bei der Eroberung der Lufthoheit ist der Staat inzwischen einen großen Schritt vorangekommen, auch dank Ursula von der Leyen, die die Verstaatlichung schon stärker vorangetrieben hat als alle ihre sozialdemokratischen Vorgängerinnen, gestützt und gefördert von den Parteien mit dem großen C. ({1}) Wofür das C in der CDU steht, habe ich vergessen, aber Sie ja auch. ({2}) Im Haushalt heißt es nun folgerichtig dazu: Das Ziel ist „ein Umdenken in der Gesellschaft hin zu einem zeitgemäßen Rollenverständnis“, und tradierte Rollenbilder sollen ausdrücklich überwunden werden. Das ist exakt die Sprache aller Radikalfeministinnen und Gender-Gaga-Ideologen und jetzt eben auch der CDU. ({3}) Es geht Ihnen nicht um Wahlfreiheit. Es geht Ihnen um Umerziehung. Da hilft es auch nichts, wenn der Haushaltsplan behauptet, es gehe darum, Gestaltungsmöglichkeiten für ein Leben entsprechend den eigenen Wünschen jedes Menschen zu schaffen; denn offensichtlich schließen Sie eine Gruppe aus der Gestaltungsmöglichkeit aus. Das sind die Mütter, die selber für ihre Kinder da sein wollen, die sich selber kümmern wollen, ({4}) die – Achtung, liebe Grüne! – mittags am Herd etwas für ihre Kinder kochen, die nachmittags bei den Hausaufgaben helfen, dann möglicherweise ihre Kinder zum Fußball bringen und sie beim Fußballspielen anfeuern wollen. Diesen Wunsch qualifizieren Sie als tradiertes Rollenbild ab und wollen es ausdrücklich überwinden. Wir wollen das ausdrücklich nicht überwinden. Mütter sind gut für ihre Kinder. ({5}) Es geht in diesem Haushalt um die Verstaatlichung der Kindererziehung, die Entmündigung der Familien, die Indoktrinierung der Kinder und Jugendlichen mit linker, politisch korrekter Genderideologie. Es geht in diesem Haushalt um den langgehegten Traum von Olaf Scholz: die Gewinnung der staatlichen Lufthoheit über den Kinderbetten, häufig auch als Kinderrechte verkleidet. ({6}) Die AfD ist gegen diese staatliche Lufthoheit über den Kinderbetten und für die Elternrechte für Mütter und für Väter ({7}) und deswegen ausdrücklich gegen die Kinderrechte. Die Verstaatlichung der Kindheit, die Entmündigung und Indoktrinierung gehen mit der finanziellen Enteignung der Familien Hand in Hand. Es gab Zeiten in diesem Land, da reichte ein Arbeitseinkommen, um eine Familie zu ernähren. Heute reichen kaum zwei. Das liegt an der systematischen Enteignung durch den Staat. ({8}) 1968 wurde die Mehrwertsteuer eingeführt – 10 Prozent, jetzt 19 Prozent. 1970 lagen die Sozialabgaben bei 26,5 Prozent. Jetzt sind es 40 Prozent. Die Mineralölsteuer hat sich seit der Wiedervereinigung mehr als verdoppelt. ({9}) Den Soli gibt es noch immer. Insbesondere bei den Sozialabgaben sind Sie familienfeindlich. Ein Normalverdiener mit 35 000 Euro Einkommen und zwei Kindern rutscht unter die Armutsgrenze. Experten wie der Sozialrichter Dr. Borchert rechnen uns das immer vor und erklären deswegen auch, warum Kindergeld nichts anderes als die Rückerstattung von Diebesgut ist, mehr nicht. ({10}) Der Staat schröpft die Familien, zwingt Männer und Frauen, Eltern in das Hamsterrad. Sie müssen sich immer schneller bewegen, um ihren Lebensstandard auch nur zu halten. ({11}) Die Regierung präsentiert sich dann mit ihren Betreuungsangeboten als edler Helfer in der Not, obwohl sie selbst diese Not durch hohe Steuern und Abgaben erzeugt. ({12}) So werden Mütter von Genderideologen und Wirtschaftsverbänden in die Erwerbsarbeit gepresst, ob sie es wollen – dann mag es so sein – oder auch nicht; dann ist es nicht gut. Die meisten Mütter sind nämlich nicht Aufsichtsräte in DAX-Vorständen, sondern verwirklichen sich selbst an der Kasse von Aldi. Wir haben stagnierende Reallöhne, wir haben steigende Steuern und Abgaben, wir haben explodierende Lebenshaltungskosten, und wir haben die Verarmung der Mittelschicht, und Sie verkaufen uns das als gesellschaftlichen Fortschritt. So dreist muss man erst mal sein. Was in Wahrheit staatliche Ausbeutung ist, das nennen Sie Emanzipation. Die Entlastung der Familie, das ist die sozialpolitische Frage Nummer eins. Darum: Runter mit den Belastungen für kleine und mittlere Einkommen, runter mit den Energiekosten, weg mit dem EEG, weg mit dem Soli, und natürlich auch weg mit der GEZ, ({13}) runter mit der Mehrwertsteuer, und runter mit den Sozialabgaben. Wir müssen die Belastungen der Familie zurückschneiden – nicht mit der Nagelschere, sondern mit der Machete. Vielen Dank. ({14})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Franziska Giffey. ({0})

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst einmal: Wir beraten heute abschließend den Haushalt des Bundesfamilienministeriums. Es war mein erster Haushalt als Bundesministerin. Ich möchte mich bei all denen, die mich dabei unterstützt haben, vor allem aber bei den Haushälterinnen und Haushältern, sehr, sehr herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken. ({0}) Ich habe ja nicht den Maßstab für einen direkten Vergleich; aber ich habe die Haushaltsberatungen als sehr kollegial empfunden. Auch die Bereinigungssitzung, die in unserem Fall in der Nacht um 1 Uhr stattfand, war von Respekt und gegenseitigem Verständnis geprägt, und das ist gut so. Denn die inhaltliche Auseinandersetzung gehört zwar zur Politik dazu; aber es ist auch gut, wenn wir den Streit beilegen und verlässlich in der Regierung handeln. ({1}) Deshalb ist es auch gut, sich um die familienpolitischen Themen zu kümmern. Es ist nun mal so, dass bei vielen Menschen in der Bevölkerung die Familie ganz oben steht. In einer Allensbach-Umfrage haben 87 Prozent der Befragten gesagt: Meine wahre Heimat ist die Familie. Menschen fragen sich, wie sie dafür sorgen können, dass ihre Kinder sich gut entwickeln, dass sie Familie und Beruf unter einen Hut bekommen und dass sie mit dem Geld, das sie haben, auch ein gutes Auskommen haben. Diese Fragen bewegen Familien in Deutschland. Was wir mit dem Haushalt des Bundesfamilienministeriums tun, ist, genau an diesen Fragen anzuknüpfen. Ich freue mich darüber, dass zum ersten Mal in diesem Jahr der Familienhaushalt über 10 Milliarden Euro groß ist. ({2}) Der größte Einzelposten ist das Elterngeld. 6,67 Milliarden Euro geben wir in diesem Jahr dafür aus. Man kann sagen: Das Elterngeld ist ein Erfolgsschlager, und zwar im doppelten Sinne. Es hilft bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und es hilft eben auch den Vätern, sich mehr Zeit für die Familie zu nehmen. ({3}) Das ist eine wichtige gesellschaftliche Veränderung in Deutschland in dieser Zeit. Über 35 Prozent der Väter nutzen das Elterngeld. Als es vor zehn Jahren noch das Erziehungsgeld gab, da waren es 3 Prozent der Väter. Das ist eine gute Entwicklung für Familien insgesamt. ({4}) Wir haben für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch im Blick, dass wir unser großes Gesetzesvorhaben, das Gute-Kita-Gesetz, auf den Weg bringen. Es ist in der Ressortabstimmung. Mit diesem Gesetz wird der Bund erstmals dauerhaft und verlässlich einen Beitrag zur Verbesserung der Qualität in der Kindertagesbetreuung leisten. Wir tun etwas für mehr Qualität und weniger Gebühren, damit es wirklich jedes Kind in Deutschland packt. ({5}) Bisher waren für die Umsetzung des Gute-Kita-Gesetzes 3,5 Milliarden Euro vorgesehen. Wir haben uns in der Koalition auch verständigt, dass wir an dieser Stelle nachlegen. Bis 2022 werden wir insgesamt 5,5 Milliarden Euro für Verbesserungen in der Kindertagesbetreuung investieren, und das ist ein gutes Signal, ein gutes Zeichen für die Familien und Kinder in Deutschland. ({6}) Es geht dabei um beides: Es geht um die Kindertageseinrichtungen; es geht aber auch um die Kindertagespflege. Es geht um die Infrastruktur, die in jedem Bundesland ein bisschen unterschiedlich ist, und es geht darum, die konkreten Bedarfslagen vor Ort zu berücksichtigen und die Länder an den Punkten zu unterstützen, wo sie noch Bedarfe haben, zu investieren. Was mir auch wichtig ist: Wenn wir uns darüber unterhalten, wie wir die Qualität in der Kinderbetreuung verbessern, dann kommt immer sofort der Einwand: Es muss auch jemanden geben, der es macht. – Das sind diejenigen, die in Deutschland als Erzieherinnen und Erzieher arbeiten, die in den sozialen Berufen tätig sind, in Berufen, in denen es Fachkräftemangel gibt. Wir müssen uns dafür starkmachen, dass die sozialen Berufe die Wertschätzung erhalten, die ihnen auch zusteht. ({7}) Wenn wir eine solidarische, zukunftsfähige Gesellschaft bleiben wollen, dann sind wir darauf angewiesen, dass am Anfang des Lebens und am Ende des Lebens, da, wo Menschen die meiste Unterstützung brauchen, andere sich kümmern. ({8}) Unsere Aufgabe seitens des Staates ist es dann, dass wir uns besser um die Kümmerer kümmern. ({9}) Wer ist das? Es sind über 5,7 Millionen Menschen in Deutschland. 80 Prozent davon sind Frauen. Wenn wir uns dafür einsetzen, dass es in den sozialen Berufen besser wird, dann tun wir gleichzeitig etwas für die Gleichstellungs- und Frauenpolitik. Ich habe gerade heute Mittag, gemeinsam mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und mit Gesundheitsminister Jens Spahn den Startschuss gegeben für die Konzertierte Aktion Pflege. ({10}) Wir haben uns darauf verständigt, in der Pflege die Verbesserungen, die dringend nötig sind, anzugehen, und das werden wir tun. Wir kümmern uns nicht nur um die, die sich beruflich um andere kümmern, sondern es geht auch um die, die sich ehrenamtlich einbringen, die sich für ein respektvolles und demokratisches Miteinander in unserem Land einsetzen. Auch ihnen allen muss man den Rücken stärken. ({11}) Deshalb haben wir entschieden, das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ aufzustocken, weiterzuführen und zu entfristen. ({12}) Ich möchte mich auch hier bedanken beim Parlament; denn wir können in diesem Jahr 120 Millionen Euro für die Förderung von Demokratie und Vielfalt und zur Extremismusprävention bereitstellen und damit über 3 000 Einzelaktionen in ganz Deutschland zur Demokratieförderung unterstützen. ({13}) Zudem haben wir zusätzliches Geld für die Jugendverbandsarbeit und die Jugendmigrationsdienste erhalten; denn unsere Demokratie lebt überall dort, wo Menschen sich nicht zurücklehnen und meckern, sondern wo sie teilhaben und wo sie teilgeben, wo sie sich mit anderen zusammentun und Mitverantwortung übernehmen, zum Beispiel in den Jugendverbänden. Diese Arbeit noch mehr zu unterstützen, ist ein gutes Signal für alle Engagierten in unserer Demokratie. ({14}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Haushalt 2018 ist der erste Streich. Der zweite, der Haushalt 2019, folgt nicht sogleich, aber bald. Lassen Sie uns die gute Zusammenarbeit fortsetzen: für eine Politik, die Familien und Kinder stärkt, die unterschiedliche Familienmodelle fördert und die Menschen ermöglicht, in ihrem Leben Familie und Beruf und auch Pflege unter einen Hut zu bringen! Lassen Sie uns eine Politik machen, die unsere Demokratie stärkt und die deutlich macht, dass diejenigen, die Unterstützung brauchen, sich darauf verlassen können, sie zu bekommen! Vielen herzlichen Dank. ({15})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Christoph Meyer für die FDP-Fraktion. ({0})

Christoph Meyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004820, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Giffey, in der Tat, die Beratungen über den Haushalt 2018 sowohl in der Berichterstatterrunde als auch in der Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss habe auch ich als sehr konstruktiv empfunden. Ich möchte am Anfang der Rede aber doch mal darauf hinweisen: Der Aufwuchs auf 10 Milliarden Euro ist kein Selbstzweck. Wir sind hier Haushaltsgesetzgeber, und wir müssen darauf achten, dass die Mittel effizient ausgegeben werden. ({0}) In diesem Zusammenhang, meine sehr geehrte Frau Ministerin Giffey, hätte ich doch erwartet, dass Sie ein bisschen mehr auf das Haushaltswerk 2018 eingehen und nicht auf die Zukunft. ({1}) Sie haben zu Recht auf den Schwerpunkt Pflege in den nächsten Jahren hingewiesen. Ich möchte auch da konkret auf den Bereich 2018 zurückkommen. Wir haben uns schon im Berichterstattergespräch – das fand ich eigentlich sehr positiv – über den Mittelabfluss bei dem Titel „Darlehen nach dem Familienpflegezeitgesetz und dem Pflegezeitgesetz“ unterhalten. Da haben Sie eingestanden, dass die momentan von Ihnen ausgereichten Mittel dieses Programms offensichtlich nicht ausreichend abfließen, dass es in diesem Sommer evaluiert werden muss und dass dann vermutlich im Jahr 2019 die Entscheidung zu erwarten ist, dass diese Darlehen in der Form auslaufen. Es ist eine positive Nachricht, dass Sie hier auf das Zahlenwerk gucken. Ich würde mir wünschen, dass Sie das auch offensiver hier im Haus vertreten würden. ({2}) Dann sind wir bei einem weiteren Punkt. Es ist klar, dass der Großteil dieses Budgets durch Leistungsgesetze gebunden ist und es deswegen sicherlich schwierig ist, in den Haushaltsberatungen konkret zu steuern. Aber für uns, für die FDP, ist das ganze Thema Evaluierung ein zentraler Aspekt in diesem Budget. Es stellt niemand in Abrede, dass mit den diversen Programmen, die Sie zu verantworten haben, sehr viel Gutes erreicht werden muss und sehr viele Missstände in unserer Gesellschaft korrigiert werden sollen oder ihnen zumindest gegengesteuert werden soll. Was ich allerdings vermisse, ist die Einsicht, dass wir über das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler reden und dass wir eine besondere Verantwortung in Bezug auf die Effizienz der Mittelverwendung haben. ({3}) Das kam in der Vergangenheit zu kurz. Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen. Sie haben in der Bereinigungssitzung zugesichert, dass Sie das als einen Schwerpunkt aufgreifen wollen, dass wir darüber miteinander ins Gespräch kommen. Ich würde mir ebenfalls wünschen, dass Sie hier nicht nur zu den Plänen, die Sie in der Zukunft haben, für die Sie gegebenenfalls mehr Geld, mehr Mittel ausgeben wollen, Stellung beziehen, sondern auch zu den Themen, bei denen es wehtut, wo Sie gegebenenfalls einsehen müssen, dass Mittel in einem Programm in der Vergangenheit nicht sinnvoll ausgegeben wurden. Ich möchte mit Erlaubnis der Präsidentin dazu aus dem Bericht zur „Evaluation des Kinder- und Jugendplans des Bundes – Endbericht zum KJP-Förderprogramm ‚Jugendsozialarbeit‘“ vom Deutschen Jugendinstitut München zitieren. Das Institut schreibt in seinem Evaluationsbericht: In der durch das DJI durchgeführten Evaluation des Förderprogramms 5.01 ist nicht die Arbeit der Träger Ausgangspunkt der Untersuchung, sondern welche Leistungen der KJP durch die Förderung auf Bundesebene ermöglicht. Diese Leistungen werden aus Sicht derjenigen beschrieben, die sie erbringen. Genau das ist das Problem. Wir haben nach meiner Erkenntnis keine strukturierte Evaluation einer Maßnahme oder der Erbringer von Maßnahmen. Wir haben keine nachvollziehbare Entscheidungsstruktur, welches Programm wann warum zu verlängern ist oder auslaufen sollte. Wir haben keine Meilensteine, keine Zielmarkendefinition. All das – gerade zum Stichwort „Demokratie leben“ – wird in den nächsten Haushalten von uns Thema werden. Evaluation ist kein Selbstzweck. Am Ende des Tages wird es darum gehen müssen, dass man sieht, wie man Mittel sinnvoller umsteuert, um dann in der Tat effizienter Besseres zu erreichen, als das bisher der Fall ist. Sie haben eben schon die Kitaqualität 2019 erwähnt. Aber auch hier haben wir einen Befund, der sich durch den gesamten Haushaltsplan zieht: Der Bund entlässt die Bundesländer zum Teil aus ihrer originären Verantwortung. Bundesländer entlasten sich hier von ihren Aufgaben zulasten des Bundes. Ich glaube, dass wir deswegen in der Tat zu intensiven Beratungen miteinander darüber kommen müssen, wie wir hier gegensteuern. Es kann nicht sein, dass wir als Bund einseitig Aufgaben, die originär den Ländern zugeschrieben sind, übernehmen, nur weil wir, ebenso wie die Länder, eine gute Einnahmesituationen vorweisen können, weil wir Gutes erreichen wollen. ({4}) Es wäre schön gewesen, wenn Sie hierzu ein paar Worte verloren hätten. Ich denke, wir werden das in den Haushaltsberatungen 2019 fortsetzen. Wenn wir das Miteinander aus den Haushaltsberatungen 2018 in den Haushaltsberatungen 2019 fortsetzen und ein bisschen tiefer in die einzelnen Details gehen, dann, glaube ich, können wir zusammen Gutes erreichen. Ich danke Ihnen. ({5})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Alois Rainer für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Alois Rainer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004384, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu den wesentlichen Zielen der Familienpolitik gehört es, Menschen, Familien und Kinder, wirksam zu unterstützen und zu fördern. Das wurde in diesem vorgestellten Haushalt uneingeschränkt berücksichtigt. ({0}) Der oft zitierte Satz „Aus dem Parlament geht nichts so raus, wie es reingekommen ist“ trifft auch auf diesen Haushalt zu. So konnten wir den zugegeben schon guten Haushalt des Familienministeriums im parlamentarischen Verfahren noch einmal verbessern. Die gesetzlichen Leistungen wurden schon angesprochen: Das Elterngeld hat sich als Erfolgsmodell in den letzten Jahren erwiesen. Deshalb auch noch mal ein Schluck aus der Pulle: eine Erhöhung um 270 Millionen Euro auf jetzt 6,7 Milliarden Euro. Es wurde auch über die Väterbeteiligung gesprochen. Es wurde heute noch nicht so viel über die gestiegene Geburtenrate in Deutschland gesprochen, die ein Stück weit dazu beiträgt, dass die Gelder häufiger benötigt und abgerufen werden. Ich finde es gut, dass sich dieser Etat, was das Elterngeld angeht, so entwickelt. ({1}) Auch beim Unterhaltsvorschuss hat es einen ordentlichen Schluck aus der Pulle gegeben – das war schon im Regierungsentwurf vorgesehen –: eine Erhöhung um 551 Millionen Euro. Das ist gut. Ich werde das Unterhaltsvorschussgesetz nicht mehr zitieren. Ich freue mich auch, dass die Rückholquote – zwar langsam – besser wird. Wir werden stets ein waches Auge darauf haben. ({2}) – Leider Gottes nicht mehr in Bayern; aber Bayern ist das zweitbeste Land. Ich kann Ihnen versichern, Frau Lötzsch, wir werden versuchen, wieder an die erste Stelle zu kommen. Ich weiß, dass Bremen ganz hinten liegt. Die Rückholquote in Deutschland liegt insgesamt bei etwa 15 Prozent. Wir waren in Bayern bei 30 Prozent, jetzt sind wir bei 29 Prozent. Baden-Württemberg hat uns überholt, das muss man der Ehrlichkeit halber auch sagen; das sage ich natürlich gerne mit dazu. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt noch viele andere Dinge, die wir verbessert haben: Die Jugendverbandsarbeit, die Jugendmigrationsdienste sowie das Deutsch-Polnische Jugendwerk bekommen etwas mehr Geld, und vor allem werden 5 Millionen Euro im Titel für „Demokratie leben!“ für die Erforschung der Ursachen linksmilitanter Gewalt zur Verfügung gestellt. Darauf müssen wir auch schauen. Es ist vorhin schon völlig richtig gesagt worden: Wir wollen keinen Extremismus auf linker, rechter und religiöser Seite. – Das ist alles völlig richtig; aber auch hier müssen wir kräftiger zulegen. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies alles sind Leistungen, die Familien, Menschen und der Gesellschaft zugutekommen. Wir haben aber auch im Koalitionsvertrag vereinbart, mehr für die steuerliche Entlastung von Familien zu tun. Es freut mich daher sehr, dass das Kabinett den Gesetzentwurf zur Stärkung und steuerlichen Entlastung von Familien beschlossen hat. Hier zeigt sich wieder: Wir halten Wort. Wir haben in unserem Wahlprogramm Folgendes versprochen: Wir wollen eine Erhöhung des Kindergeldes, des Kinderfreibetrages und des Kinderzuschlags, um damit die Familien steuerlich zu entlasten und etwas gegen die kalte Progression zu tun. Damit schaffen wir es, es den Familien finanziell ein Stück weit leichter zu machen. ({4}) Es ist gut, dass wir fördern und investieren. Aber Fördern bedeutet auch, dass wir Steuergelder verwenden. Mit denen müssen wir vernünftig und verantwortungsvoll umgehen. Das bedeutet aber auch – das werden wir heute noch oft hören: dass die Investitionen zu wenig sind, dass zu wenig in Kitas, Bildung und viele andere Bereiche investiert wird –, zu beachten, dass wir in Deutschland in einem föderalistischen System leben. ({5}) Und in einem föderalistisch aufgebauten Staat gibt es nun einmal feste Zuständigkeiten. In der Zuständigkeit des Bunds liegt nicht in erster Linie der Ausbau der Kitas. Wir unterstützen das aber gerne. Auch der Ausbau von Schulgebäuden liegt nicht in seiner Zuständigkeit; aber auch hier unterstützen wir gerne, weil wir die Kommunen gerne unterstützen. So geht es weiter mit vielen Dingen. Also bitte bei den verschiedensten Wünschen, die vorgebracht werden, die Zuständigkeiten nicht vergessen! ({6}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde auch nicht müde, zu sagen: Wir dürfen die folgenden Generationen nicht vergessen. Deshalb freue ich mich jedes Jahr aufs Neue, wenn wir wieder einen Haushalt vorlegen, der schon in der Planung ohne neue Schulden auskommt. ({7}) Und, liebe Kollegin von Storch, es ist schon okay, wenn man kritisiert – das ist ja Aufgabe der Opposition –, aber dass man einen Familienetat dafür nutzt, die Bevölkerung zu spalten, das finde ich nicht okay. ({8}) Erlauben Sie mir abschließend, den Mitberichterstatterinnen und Mitberichterstattern einen Dank für die überaus gute Zusammenarbeit auszusprechen. ({9}) Auch an Sie, Frau Ministerin, und die Mitarbeiter des Ministeriums, die uns allen immer gut zugearbeitet haben, geht ein herzliches Dankeschön. In diesem Sinne bitte ich um die Unterstützung für diesen Etat des Familienministeriums. Danke schön. ({10})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Michael Leutert für die Fraktion Die Linke. ({0})

Michael Leutert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003800, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! In Ihrem Etat ist auch das Programm „Demokratie leben!“ mit mittlerweile 120 Millionen Euro enthalten. Dieses Programm setzt sich für demokratische Werte, gegen Rassismus und gegen Menschenfeindlichkeit ein. ({0}) Dieses Programm möchte die AfD gerne streichen ({1}) mit der Begründung: Erstens würde sie Sinn und Zweck des Programms nicht verstehen, und zweitens gebe es kein Geld gegen Linksextremismus. Das zweite Problem hat sich ja mittlerweile erledigt: Die Koalition hat in den Haushaltsverhandlungen 5 Millionen Euro für die Gedenkstätte Hohenschönhausen zur Verfügung gestellt, und dieses Geld soll für Programme gegen Linksextremismus eingesetzt werden. Ich halte das zwar nicht für das drängendste Problem; ({2}) aber wir können ja darüber reden. Vielleicht verstehen dann auch Sie den Sinn und Zweck. Im Kern geht es darum, zu verstehen, wie extremistische Ideen in der Gesellschaft mehrheitsfähig werden können und wie man das verhindern kann. ({3}) Dabei geht es zuallererst um Begriffe und Deutungen; das wissen Sie ja mit am besten. Ich sage Ihnen: Ich bin in der DDR aufgewachsen, und dort gab es ein ganz anderes Werte- und Begriffssystem als hier und heute. ({4}) Ich habe an den Sozialismus dort geglaubt. Ich habe an die DDR geglaubt. Natürlich war ich auch mit dem Grenzregime einverstanden. Dann kam die Wende, und über Nacht war alles anders. Die DDR war kaputt. Der Sozialismus war kaputt. Die Grenze gab es nicht mehr. Und es kamen westdeutsche Politikerinnen und Politiker – Sie, Herr Gauland, waren ja damals mit dabei; Sie waren ja Chef der Staatskanzlei in Hessen – und haben uns erklärt, dass wir die ganze Zeit falsch gelebt haben, falsch gedacht haben und dass jetzt Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit herrschen würden. ({5}) Viele Menschen in Ostdeutschland – auch ich – haben sich mit der Geschichte auseinandergesetzt, haben ihre Einstellungen und Werte hinterfragt. Ich bin heute der tiefen und festen Überzeugung, dass Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte die beste Grundlage für eine offene Gesellschaft sind, in der wir zusammenleben wollen. ({6}) Und nun kommen Sie mit Ihrer AfD um die Ecke und erzählen mir wieder, dass alles falsch wäre und alles verändert werden müsste ({7}) und dass wir überhaupt kein Geld für Programme gegen Extremismus bräuchten. Sie sind das beste Gegenbeispiel. ({8}) Sie haben hier etwas nicht verstanden. Dass Sie etwas nicht verstanden haben, zeigt mir auch der Vergleich, den Sie vor kurzem zogen. Sie sagten: Die heutige Situation erinnert Sie irgendwie an 1989. Sie haben keine Ahnung, was 1989 war; keine Ahnung haben Sie. ({9}) Damals war eine harte Zeit für die Menschen. Sie haben ihren Job und das soziale Umfeld verloren. Alles war anders. Sie hatten Zukunftsangst, und im Übrigen gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen den Menschen damals und Ihnen heute. ({10}) Damals haben die Menschen Grenzen geöffnet und Mauern eingerissen; Sie wollen genau das Gegenteil: Sie wollen Grenzen schließen und Mauern aufbauen. ({11}) Deshalb: Vergleichen Sie sich nicht mit diesen Menschen von damals! Sie bedienen sich heute genau der gleichen Instrumente, derer sich alle Extremisten bedienen. ({12}) Sie wollen Begriffe und Bedeutungen ändern. ({13}) Wenn Sie sagen, die NS-Zeit wäre ein „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte gewesen, was ist das anderes? Wenn Sie von „1 000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ sprechen, indem Sie an die Phrase des Tausendjährigen Reiches anknüpfen und das noch mit dem Wort „erfolgreich“ verbinden, was ist das anderes? Oder wenn Sie die Bundeskanzlerin, wie letzte Woche auf Ihrem Parteitag, mit Hitler gleichsetzen, dann ist das nicht bloß eine bodenlose Unverschämtheit gegenüber Merkel, sondern auch eine unglaubliche Verharmlosung der Nazis. ({14}) All das dient einem einzigen Zweck: Sie wollen rechtsextremes Gedankengut salonfähig machen. Damit vergiften Sie das gesellschaftliche Klima und schaffen Räume für Gewalt. ({15}) Deshalb sage ich Ihnen: Wir brauchen dieses Programm dringend. Wir brauchen die 120 Millionen Euro. Aber das allein reicht nicht aus. Wir brauchen auch Politiker mit Verantwortungsbewusstsein. Wir brauchen Politiker, die Werte und Prinzipien verteidigen und die als Vorbild dienen. Wenn wir das haben, dann werden wir auch Extremisten erfolgreich die Stirn bieten können und unsere Gesellschaft als demokratische, pluralistische Gesellschaft erhalten. ({16})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Ekin Deligöz für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fange natürlich auch mit dem Dank an Alois Rainer an, der uns in den Pfingstferien ja geholt hat für diese erfolgreiche Vorbereitung. Ich danke hier an dieser Stelle aber auch Michael Leutert für seine Rede, weil das zeigt, dass es sich lohnt, für Demokratie zu kämpfen. Ich danke dir dafür, dass du das hier so aufrecht getan hast. ({0}) Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: Dieser Haushalt steht nicht für eine konsequente Politik, Frau Ministerin. Ich will Ihnen auch genau sagen, warum. Auf den ersten Blick werden alle bedient – übrigens auch alle Parteiinteressen. Auf den zweiten Blick stellt man aber fest, dass Sie erstens gegensätzliche Ziele verfolgen und zweitens die drängendsten Aufgaben, vor denen diese Gesellschaft steht, nicht angehen. Die wichtigsten Fragen dieser Generation werden in Ihrem Etat nicht beantwortet. Ja, Sie bieten ein Sammelsurium, ein Sammelsurium von allem: Freibetrag, Kindergeld, Baukindergeld, Mütterrente. Für jeden ist was dabei, alle können sich was abholen, das alles aber ohne Plan, ohne Richtung, ohne Konzept. ({1}) Nicht alles, was hier aufgezählt ist, steckt in Ihrem Etat, dem Einzelplan 17, aber vieles von dem, was Sie in der Familienpolitik machen, wirkt ja auf die Familien. Sie sind die Familienministerin. Bei dem, was Sie uns zur Kitaqualität und zum Kinderzuschlag vorlegen, wissen wir doch jetzt schon, dass das Geld vorne und hinten nicht reichen wird und die Bewältigung der Aufgaben auf halbem Weg stecken bleiben wird. ({2}) Sie können auch nichts anderes tun, weil Sie nämlich viel Geld an anderen Stellen ausgeben müssen, wie zum Beispiel beim Baukindergeld – 10 Milliarden Euro –, wie zum Beispiel bei Freibeträgen für Leute, die ohnehin schon einen guten Verdienst haben und über die Freibeträge noch etwas obendrauf kriegen. Mütterrente: Sie wissen ja noch nicht einmal, wie Sie die Mütterrente finanzieren sollen. Am Ende werden das wieder die Rentenkasse bzw. die Beitragszahlerinnen und -zahler machen. Das ist nicht gerecht, das ist nicht zielorientiert, und das ist keine gute Familienpolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Sie müssen sich schon entscheiden; es ist ein Entweder-oder: Entweder Sie geben das Geld den Leuten, die ohnehin schon genug haben – was Sie ja offensichtlich machen –, oder aber Sie haben den Mut, in diesem Land wirklich konsequent etwas gegen Kinderarmut zu tun, etwas für Teilhabegerechtigkeit in diesem Land voranzubringen. ({4}) Millionen von Kindern leben in Armut. Fast jede zweite alleinerziehende Mutter in diesem Land ist von Armut betroffen. Das ist ein ernstes Problem unserer Gesellschaft. Nach wie vor hängen Bildungschancen vom Einkommen der Eltern und von der Herkunft ab. Das können Sie doch nicht einfach wegdiskutieren. Da müssen Sie doch beherzter rangehen. ({5}) Wir als Grüne haben uns da ganz klar entschieden. Klar sind auch unsere Anträge. Wir legen hier einen Antrag vor, in dem wir sagen: Wir müssen auf materieller Ebene etwas tun. Wir wollen die Steigerung und Anpassung der Kinderregelsätze. Wir wollen den Kinderzuschlag so ausbauen, dass das Ganze armutsfest ist. Wir wollen Alleinerziehende nicht alleinlassen. Dafür nehmen wir 4 Milliarden Euro in die Hand. Wir wollen ein Bildungs- und Teilhabepaket, das diesem Namen auch genügt. Bildung und Teilhabe gibt es nicht zum Billigtarif, und das ist auch keine Randerscheinung. ({6}) Deshalb wollen wir das Geld auch in die Kitaqualität investieren. Die notwendigen Finanzmittel dafür wären übrigens da, wenn Sie die Schwerpunkte entsprechend setzen würden, wenn Sie konsequent wären. Aber das sind Sie nicht. Übrigens findet Zeitpolitik bei Ihnen noch nicht mal mehr verbal statt; das ist bei Ihnen – im Gegensatz zu all Ihren Vorgängerinnen und Vorgängern – überhaupt nicht mehr vorhanden. Sie können sagen, was Sie wollen: Politik kann das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht einfach wegadministrieren. ({7}) Sie können das nicht einfach wegreden, sondern müssen da spürbare Abhilfe schaffen. Sie haben aber nicht mal eine Idee. Was die Familienpflegezeit angeht, kann ich mich nur wiederholen: Das, was Sie da präsentieren, ist ein Totalausfall. Inzwischen geben Sie sogar selber zu, dass es ein Totalausfall ist. Nur, welche Konsequenzen ziehen Sie daraus? Keine. Wir haben Vorschläge dazu, wir haben Anträge. Schauen Sie sich die an! Das ist alles machbar, das ist alles finanzierbar, das sind alles gute Ideen. Haben Sie den Mut, sich das anzuschauen! ({8}) Ein letzter Punkt noch: Bundesfreiwilligendienst. Wir alle sind mächtig stolz auf den Freiwilligendienst und den Bundesfreiwilligendienst, auf die jungen Menschen, auf jeden, der sich in dieser Gesellschaft engagiert, der den Mut hat, sich für Demokratie und Zusammenhalt einzusetzen. Es gibt fast doppelt so viele Anträge wie Plätze, die wir in Deutschland anbieten. Wir könnten das ändern; wir könnten das stärker unterstützen. Das ist keine Sache der Parteien, sondern das sollten wir als Gesellschaft tun. Sie sind ja noch nicht mal in der Lage, die Bedarfe genau zu ermitteln; Sie weigern sich geradezu, sich damit zu beschäftigen. Das ist beschämend in einem Land, das Demokratie fördert, in einem Ministerium, das sich so stark für Demokratie engagiert. ({9}) Seien Sie da doch mal etwas tatkräftiger, Frau Ministerin. Ein persönliches Wort noch von mir. Hier wurde es gerade ein bisschen so hingestellt: Radikalfeministinnen wollen dieses Land irgendwie – wie auch immer – angreifen. Ich kann Ihnen sagen: Diesen Feministinnen und Feministen haben wir zu verdanken, dass es in diesem Land Frauenwahlrecht gibt, ({10}) dass es so etwas wie Sozialgesetzgebung gibt, dass es in diesem Land ein Gesetz zum Gewaltschutz gibt. Das haben wir den Feministinnen und Feministen zu verdanken. Auf diese Vorgängerinnen, auch hier im Bundestag, bin ich mächtig stolz. Das ist gut so, das sollten wir alle sein; denn sie sind die Hüter der Demokratie. Danke. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Abgeordnete Svenja Stadler für die SPD-Fraktion. ({0})

Svenja Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004412, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Ministerin! Bei der Einbringung des Haushaltes vor ein paar Wochen stand ich auch an dieser Stelle und sagte, dass wir einen großartigen und gut ausgestatteten Etat beraten. Nach den abschließenden Beratungen muss ich jetzt feststellen: Er ist noch viel besser geworden. ({0}) Über 21 Millionen Euro mehr haben wir in den parlamentarischen Beratungen on top erreicht. Das ist wichtig, und das ist richtig. An dieser Stelle möchte ich mich bei Alois Rainer, meinem Mitberichterstatter, bedanken, natürlich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen der Opposition für die gute Zusammenarbeit – ({1}) zumal die Opposition an der einen oder anderen Stelle unseren Anträgen auch zugestimmt hat. Und das zeigt doch, dass wir mit den Schwerpunkten richtig liegen. Zu den Zahlen. Mit insgesamt 10,225 Milliarden Euro ist der Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in diesem Jahr erneut angestiegen. Über 700 Millionen Euro mehr als noch 2017 stehen für gesetzliche Leistungen, Programme und Projekte für Jung und Alt, Männer und Frauen und die über 30 Millionen freiwillig Engagierten in unserem Land zur Verfügung – 10,225 Milliarden! ({2}) Und was heißt das jetzt konkret? Rund 83 Prozent des Haushaltes geben wir für wichtige gesetzliche Leistungen aus. Das ist gut so. Das Elterngeld und das Elterngeld Plus haben einen Riesenerfolg, die Nachfrage steigt. Deswegen investieren wir da in diesem Jahr, wie schon gehört, 6,67 Milliarden Euro. Damit unterstützen wir Familien bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir ermöglichen es Müttern, die das wollen, dass sie früher wieder arbeiten können, und wir haben mehr aktive Väter, die übrigens für die Kinder sehr wichtig sind – neben den Müttern. ({3}) Wir reduzieren damit nicht zuletzt das Armutsrisiko vieler Familien. – Für den Unterhaltsvorschuss sind 866 Millionen Euro veranschlagt. Damit unterstützen wir viele Alleinerziehende. ({4}) Neben den Pflichtaufgaben des BMFSFJ gibt es im Programmbereich viele gute Projekte und Initiativen, die wir weiterhin fördern. Zum Beispiel verstetigen wir die Mittel für die Mehrgenerationenhäuser. Dafür stellen wir 2018 und in den kommenden Jahren 17,5 Millionen Euro zur Verfügung. ({5}) Gleiches gilt für die Jugendfreiwilligendienste. Hier haben wir Mittel in Höhe von 95,681 Millionen Euro festgeschrieben. Ein Programm – wir haben es eben mehrfach gehört – liegt vielen von uns besonders am Herzen: „Demokratie leben!“ Dieses Bundesprogramm, das das einzige ist, das Präventionsarbeit gegen alle Formen des Extremismus leistet, sichern wir mit mehr als 120 Millionen Euro in 2018 ab. Das ist gut so, das ist richtig so, und das ist ausbaufähig. ({6}) Deshalb begrüßen wir auch ausdrücklich die angekündigte Entfristung des Programms. Die Mittel für den Bereich des Kinder- und Jugendplans als zentrales Förderinstrument der Kinder- und Jugendhilfe wächst um 5,6 Millionen Euro. Hier stellen wir mehr Geld für die Jugendverbandsarbeit, ({7}) plus 3 Millionen Euro verstetigt, und für die Jugendmigrationsdienste, plus 2 Millionen Euro verstetigt, zur Verfügung. Das ist ein Erfolg, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({8}) Die Förderung der deutsch-polnischen Beziehungen im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit ist gerade in diesen Zeiten wichtiger denn je. Aus diesem Grund bekommt das Deutsch-Polnische Jugendwerk in 2018 mehr Geld von uns, und zwar 7 Millionen Euro, also 1 Million mehr. ({9}) Das ist übrigens eine Vereinbarung, die über alle Fraktionen hinweg einstimmig beschlossen wurde. Deswegen sollte an dieser Stelle das Deutsch-Polnische Jugendwerk von allen Fraktionen Applaus bekommen und nicht nur von der Union und der SPD. ({10}) Ein besonderer Erfolg für die SPD: die Aufstockung der Mittel für die Unterstützung bei ungewollter Kinderlosigkeit sowie für den Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt von 7 auf 9 Millionen Euro. Ich weiß, es ist ein sensibles Thema, es darf aber nicht vergessen werden. ({11}) Der jetzt vom Haushaltsausschuss in der Bereinigungssitzung beratene Etat ist im Bereich des BMFSFJ die Startrampe für das, was wir gemeinsam mit Bundesfamilienministerin Franziska Giffey in dieser Legislatur auf den Weg bringen wollen: Wir machen Politik, damit jedes Kind es packt, wir kümmern uns um die Kümmerer, und wir stärken Frauen. An diesen Leitsätzen werden wir uns im Bereich Familie, Senioren, Frauen und Jugend orientieren. Familien, Jung und Alt, ehrenamtlich Aktive und Frauen – sie alle können sich auf uns verlassen. Wir investieren mit diesem Geld in unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt und wollen und werden das tägliche Leben von Menschen ganz konkret verbessern und so Deutschland zukunftsfähig machen. ({12}) Ich freue mich übrigens schon jetzt auf die Haushaltsberatungen für das Jahr 2019: Offensive für sorgende Berufe, Gute-Kita-Gesetz, Ehrenamtsstiftung und die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen – das sollen nur ein paar Ausblicke sein. Packen wir es also an! ({13}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss meiner Rede möchte ich Ihnen so kurz vor der parlamentarischen Sommerpause noch einen Impuls mitgeben. Kürzlich las ich in einem Tweet von einem Nutzer, dass die Klassenlehrerin seinem Kind nach dem ersten Schuljahr eine Hausaufgabe in die Sommerferien mitgegeben hat: erstens, auf einen Baum klettern, zweitens, auf einer Wiese liegen und in den Himmel gucken, drittens, nachts heimlich länger aufbleiben. – Ihnen einen schönen Sommer! In diesem Sinne: Vielen Dank. ({14})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Münz das Wort. ({0})

Volker Münz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004835, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin Giffey! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Förderung der Familien ist meiner Fraktion ein großes Anliegen. ({0}) So können wir den Positionen, die sich mit der Familienförderung befassen, größtenteils zustimmen. Die AfD lehnt aber alle Haushaltstitel ab, die auf einen Umbau der Gesellschaft abzielen, wozu insbesondere die Umsetzung der Genderideologie zählt. ({1}) Dazu hat meine Kollegin Frau von Storch ja schon Stellung genommen. ({2}) Wir lehnen die Aufnahme von sachfremden Positionen in den Haushaltsplan ab. Ja, Herr Leutert, wir kritisieren die Ausgaben für das Programm „Demokratie leben!“ in Höhe von 120 Millionen Euro. ({3}) Hier wird Geld mit vollen Händen zum Fenster hinausgeworfen, ({4}) hauptsächlich wenn es darum geht, gegen rechts zu sein. Die linke Gewalt, der linke Extremismus wird größtenteils ausgeblendet. ({5}) Wohin das führt, haben die Krawalle beim G-20-Gipfel in Hamburg ja gezeigt. Zudem werden diese Mittel oft an fragwürdige Organisationen weitergeleitet, ({6}) die nicht mit dem Rechtsstaat übereinstimmen und das Gegenteil von dem bewirken, was das Programm zu bewirken vorgibt. So deckte die ARD-Sendung „Kontraste“ erst am 14. Juni dieses Jahres auf, dass die sogenannte Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands mit 128 000 Euro jährlich gefördert wird. Dabei ist diese Gesellschaft eine klar antisemitische Organisation, die Israel vernichtet sehen will. Ungefähr 2 000 Mitglieder einschließlich zahlreicher Gemeindevorstände und des Vorsitzenden des Dachverbandes demonstrierten in diesem Jahr auf dem Al-Quds-Marsch in Berlin gegen Israel. Hier wird also religiöser Fundamentalismus noch gefördert und nicht etwa die Prävention. ({7}) Das ist ein Skandal, meine Damen und Herren. ({8}) Die AfD sagt Ja zur Extremismusprävention, ({9}) allerdings unter der Regie des Innenministeriums, mit einem deutlich geringeren Mittelansatz und unter folgenden Bedingungen: ({10}) Erstens muss die Demokratieklausel wieder eingeführt werden. ({11}) – „Von wegen“? Da werden Gelder ausgegeben für Vereine, die nicht auf dem Boden der demokratischen Grundordnung stehen. ({12}) Das ist nicht in Ordnung. ({13}) Zweitens muss die Präventionsarbeit, der Lage angemessen, neben dem Rechtsextremismus stärker den Linksextremismus und den islamischen Fundamentalismus behandeln. Extremismus ist ein Risiko für unsere Demokratie, ({14}) ganz egal, unter welchem Etikett er auftritt. ({15}) Die AfD ({16}) erkennt die Anhebung des Ausgabenvolumens im Bereich des Eltern- und Kindergeldes an, ebenso wie in den meisten anderen Bereichen, die einen Zusammenhang mit Familien, Jugend und Senioren haben. Das unterstützen wir. Das wollen wir auch in Zukunft gern weiter ausbauen. Aus unserer Sicht ist eine Anhebung der Ausgaben für eine Öffentlichkeitsarbeit, die ein positives Bild von Familie und von Kindern transportiert, notwendig. Wir wollen, dass wieder deutlich wird, was wichtig ist im Leben. Karriere, materieller Reichtum, Reisen und andere vergängliche Dinge machen nicht den Sinn des Lebens aus. Die Familie gibt Halt und Geborgenheit. ({17}) Wir wollen, dass wieder mehr Kinder geboren werden. Wir wollen eine Willkommenskultur für Kinder, meine Damen und Herren. ({18}) Echte Familienfreundlichkeit bedeutet: Eltern sollen die freie Wahl haben, ob sie ihr Kind selbst betreuen oder in Fremdbetreuung geben. Viele Mütter und Väter können diese Entscheidung aber gar nicht treffen, weil sie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Situation gezwungen sind, ihr Kind nach einem Jahr in Fremdbetreuung zu geben. ({19}) Bevor wir aber darüber reden, was der Staat für die Familien ausgibt, müssen wir erst einmal darüber reden, was der Staat den Familien an Steuern und Abgaben wegnimmt. Wir fordern deshalb eine spürbare Steuerentlastung für Eltern, ({20}) zum Beispiel durch eine deutliche Anhebung der Kinderfreibeträge in Kombination mit einer Erhöhung des Kindergeldes – über die von Ihnen angekündigte Erhöhung hinaus; ({21}) denn die von Ihnen vorgesehene Erhöhung der Kinderfreibeträge bedeutet nur die schon lange geforderte Steuerfreistellung des Existenzminimums eines Kindes. Jeder Euro, der den Familien zugutekommt, ist gut investiertes Geld. Hier können wir noch mehr und vor allem zielgerichteter tun. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({22})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Marcus Weinberg für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Marcus Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Haushaltsdebatten sind ja immer ein Highlight – dieses Jahr haben wir zweimal dieses Highlight –, weil wir nicht nur darüber reden, wie wir den Haushalt gestalten, sondern weil sie auch immer so eine Art Bühne sind, auf der man zeigen kann, für welche Werte man eigentlich in der Familienpolitik steht ({0}) und wie man Familienpolitik gestaltet, Frau von Storch. ({1}) – Sie leben von Ausgrenzung und Spaltung, wir kümmern uns um den Zusammenhalt der Gesellschaft. Das unterscheidet uns. ({2}) Das sehen Sie auch ganz deutlich im Familienetat. Wir sagen: Familien und Gesellschaft haben Werte, die in beiden geteilt werden, nämlich Freiheit und Solidarität und Respekt voreinander. Hier müssen Bindungen gefestigt werden und muss die Übernahme von Verantwortung gestärkt werden. Nur so können wir die stärker zunehmende Spaltung der Gesellschaft verhindern. Dass sich Familienpolitik auch immer verändern und anpassen muss, ist selbstverständlich. Ich erinnere an die Worte von Roman Herzog 1998 – damals war die Welt noch in Ordnung; Deutschland war, glaube ich, noch im Viertelfinale, ist dann gegen Kroatien ausgeschieden –; er sagte schon damals: Gerade in Zeiten globaler Umbrüche ist es wichtig, zu wissen, was uns miteinander verbindet. Und das ist in der Familienpolitik der Zusammenhalt, und zwar der Zusammenhalt der Familie. Dort, wo Bindungen gelebt werden, wo man Verantwortung übernimmt, haben wir dieses zu stärken. Ich komme einmal zu ein paar Zahlen, weil Frau von Storch diese zwölf Jahre Merkel ja immer skizziert. Welche Folgewirkungen gab es denn seit 2005? Für 79 Prozent der Bevölkerung ist die Familie der wichtigste Lebensbereich; bei Eltern mit minderjährigen Kindern sind es sogar 93 Prozent. Das heißt, die Werte sind so hoch wie seit langem nicht mehr. Das ist auch ein Ergebnis einer guten Familienpolitik unter der Bundeskanzlerin Merkel. ({3}) Richtig ist – da stimme ich allen zu –: Geld ist nicht alles. Der Etat als solches ist aber interessant, weil damit ja auch ausgedrückt wird, wie man Familien bewertet. 2005 hatten wir noch 4,5 Milliarden, mittlerweile sind es 10,2 Milliarden. Auch wenn Geld nicht alles ist, ist das ein Indiz dafür, dass in den letzten zwölf Jahren die Familienpolitik eine neue Dimension angenommen hat. Das sind unsere Zielvorstellungen: Wahlfreiheit für die Familien, Verantwortungsübernahme fördern, Bindungen festigen und insgesamt in allen Politikbereichen mehr Wertschätzung für die Familien und für diejenigen, die in der Familie Verantwortung übernehmen. ({4}) Frau von Storch sagt dann, wir würden da irgendwie umerziehen. Sie sind doch immer diejenigen, die sagen, man müsse darauf hören, was die Menschen wollen. Ich sage Ihnen das einmal: 71 Prozent der Bevölkerung und 74 Prozent der Eltern wünschen sich, dass ein besonderer Schwerpunkt auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelegt wird. 65 Prozent der Bevölkerung halten eine stärkere finanzielle Unterstützung speziell von Familien mit geringem Einkommen für besonders wichtig. Wir haben auf der einen Seite einen Werteüberbau, und wir haben Bedürfnisse der Familien auf der anderen Seite. Dieses zusammenzubringen, ist unsere Aufgabe. Wenn die Menschen sagen, dass sie die Vereinbarkeit gestärkt sehen wollen, dann ist es doch unsere Aufgabe – natürlich immer mit Blick auf unseren Wertekanon, der besagt, die Freiheit der Familien ist zu stärken –, dieses zu fördern. Dieser Paradigmenwechsel ist seit 2005 eingetreten. Ausbau der Infrastruktur, finanzielle Entlastung und mehr Zeit für Familien war die Maßgabe in den letzten Jahren. ({5})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Herr Weinberg, möchten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Storch gestatten?

Marcus Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte. Gerne.

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Frau Storch, bitte. ({0})

Beatrix Storch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004905, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ich versuche es mal. – Sind Sie der Meinung, dass viele, die zwei Einkommen erzielen müssen, weil die Abgaben so hoch sind, möglicherweise mit einem Einkommen zufrieden wären und sich dann ein Elternteil – ob der Vater oder die Mutter, ist ganz egal – schwerpunktmäßig um die Kindererziehung kümmern würde? Sind Sie der Meinung, dass das der bessere Weg wäre: Abgaben senken und dadurch die Eltern in die Lage versetzen, nicht auf zwei Einkommen angewiesen zu sein, um überhaupt über die Runden zu kommen?

Marcus Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Als Erstes würde ich mir wünschen, Sie würden nicht immer interpretieren, was Familien wollen. Die Freiheit der Familien wollen wir stärken, ihre Entscheidungsfreiheit, und nicht das dogmatische Leitbild, das Sie für Familien haben. ({0}) Der zweite Punkt ist: Wenn Sie in diesen Haushalt schauen und sich die Planungen für die nächsten vier Jahre anschauen, stellen Sie fest, dass wir Familien insgesamt um 12 Milliarden Euro entlasten. Allein die Kindergelderhöhung um 25 Euro, die bis 2021 durchgeführt wird, entlastet ja gerade die Familien. Wenn wir den steuerlichen Entlastungsbeitrag deutlich erhöhen, wenn wir das Kindergeld deutlich erhöhen, ({1}) bringt das eine Entlastung der Familien in der Breite mit sich. Und das ist es, was sich Familien wünschen. Wir müssen auch die Rahmenbedingungen für Familienpolitik ändern. Das hat etwas mit der Lebenssituation in Großstädten zu tun. Das hat zum Beispiel etwas mit der Frage von Arbeitsverträgen zu tun. Genau deswegen reden wir ja darüber – Stichwort „Teilzeit und Vollzeit“ –, wie wir es den Familien besser ermöglichen können, ihr Familienmodell zu leben. Unser Ansinnen ist, die Freiheit der Familien zu stärken, und nicht, dogmatische Leitbilder vorzugeben, wie Sie es gerne machen. ({2}) Der Blick zurück macht es relativ deutlich – ich habe die Kindergelderhöhung, die Kinderfreibeträge schon erwähnt –: Wir wollen in der Breite Familien stärken, aber auch sehr gezielt – Stichwort „Erhöhung des Kinderzuschlages“ – ({3}) dorthin schauen, wo Menschen, wo Familien finanzielle Nöte haben. Das Unterhaltsvorschussgesetz wurde bereits angesprochen. Nächster Punkt: Elterngeld und Elterngeld Plus. Der Anteil erwerbsfähiger Mütter mit Kindern im Alter zwischen zwei und drei Jahren ist von 42 auf 58 Prozent gestiegen. Ich bewerte das nicht so wie Sie, weil das nicht meinem Leitbild entspricht. Ich will das nicht bewerten. Es ist aber die Freiheit der Familien, zu sagen: Jawohl, wir wollen früh in den Beruf zurückkehren. – Andere Familien sagen: Wir wollen länger zu Hause bleiben. – Dafür müssen wir Räume schaffen. Das tun wir auch. Dazu gehört insbesondere der Bereich der Kindertagesbetreuung. Über 10 Milliarden Euro haben wir dafür bisher bereitgestellt. Wir geben jährlich 945 Millionen Euro für die Betriebskosten aus. Da setzen wir an. Nach dem quantitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung kommt für uns jetzt eine große Zäsur; denn nun folgt der Qualitätsausbau. „Satt und sauber“ allein reicht nicht. Eltern wollen eine vernünftige, eine gute Betreuung ihrer Kinder. Die 3,5 Milliarden Euro bis 2021 – darüber hinaus haben wir noch nichts festgelegt – sind gut angelegtes Geld, weil wir die Qualität steigern können. ({4}) Hinzu kommt etwas, was uns die Familien gesagt haben. Sie haben gesagt: Das, was ihr bei der Kindertagesbetreuung macht, ist ja wunderbar. Wir finden das gut, und wir erkennen das an. Aber es kann doch nicht sein, dass es für ein Kind, das von der Kita in die Grundschule kommt, in gewissen Regionen des Landes möglicherweise kein Angebot der Ganztagsbetreuung gibt. – Deswegen haben wir gesagt: Eine zweite Zielfunktion muss sein, dass wir für ganz Deutschland einen Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung auch im Grundschulbereich schaffen. ({5}) Das haben wir uns für 2025 vorgenommen. Das ist der nächste Schritt. In diesem Zusammenhang müssen wir uns natürlich fragen: Wie sieht es mit den Erzieherinnen und Erziehern aus? Das wird in den nächsten Jahren eine große Aufgabe sein, und das muss eine gemeinsame Anstrengung werden. ({6}) Die Kommunen, die Länder und der Bund müssen sagen, wie sie die noch fehlenden Erzieherinnen und Erzieher ausbilden wollen. Aber ich glaube, da wird man gemeinsam zu guten Ergebnissen kommen.

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Herr Weinberg, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen von der Linken?

Marcus Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003861, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Jetzt nicht mehr, vielen Dank. Konkret zum Haushalt und zu den Dingen, die wir uns vorgenommen haben. Das Kindergeld habe ich bereits angesprochen. Ich komme zum Thema Zeit. Zeit ist die Zukunftsressource. In den nächsten Jahren geht es darum, Zeit zu generieren, Zeit für die Arbeit und für die Familie. Außerdem haben wir im Koalitionsvertrag zwei Dinge angeregt. Dabei geht es um Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistungen und um das Thema „Recht auf befristete Teilzeit“. Das schafft Freiheiten, Arbeitszeit und Familienzeit besser zu vereinbaren. Im Haushalt sind manche Dinge gelungen – sie wurden bereits angesprochen –, die ich als sehr bedeutsam betrachte. Beim Baukindergeld ist Gott sei Dank die 120-Quadratmeter-Regelung vom Tisch. Es ist nicht erklärbar, warum diese Forderung überhaupt in die Welt gekommen ist – aber sei es drum. Ich glaube, das Baukindergeld ist eine gute familienpolitische Maßnahme, übrigens auch eine Maßnahme, die die Altersarmut bekämpft. Denn wir wissen: Eine Immobilie stärkt die Familien heute und sichert auch im Alter die Existenz. ({0}) Ich will noch ganz konkret auf zwei Dinge zu sprechen kommen. Erstens: zum Bundesmodellprojekt einer mobilen und spezialisierten Fachberatung zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Es wird eine Aufgabe der Zukunft sein, dass wir uns das Thema „Gewalt an Kindern und Jugendlichen“ vornehmen. Die 3,3 Millionen Euro bis zum Jahr 2021 – an dieser Stelle vielen Dank, Alois Rainer und den übrigen Haushältern – sind gut angelegtes Geld. ({1}) Zweitens. Zum Thema „Demokratie leben“ ist bereits einiges gesagt worden. Wir bekämpfen den Extremismus tatsächlich. Mir ist es, auf Deutsch gesagt, scheißegal, ob es sich dabei um Terrorismus von links, von rechts oder um islamistischen Terrorismus handelt. Ich will, dass der Zusammenhalt der Gesellschaft gestärkt wird, indem wir in diesen Bereich investieren und Präventionsprojekte unterstützen. Ich muss sagen: Die 5 Millionen Euro für die Gedenkstätte Hohenschönhausen sind ein tolles Ergebnis. Dort wird wichtige Arbeit geleistet, und es wird eine Erinnerungskultur geschaffen. Deswegen gilt mein Dank auch an dieser Stelle den Haushältern. Sie merken: Das alles hat mit dem Oberbegriff des Zusammenhalts der Gesellschaft und der Familie zu tun. Daran haben wir uns bei diesem Haushalt orientiert, und das werden wir auch beim Haushalt 2019 tun. Vielen Dank. ({2})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner ist Grigorios Aggelidis für die FDP. ({0})

Grigorios Aggelidis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004652, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung will Familien und Kinder in den Mittelpunkt stellen. Das begrüßen wir ausdrücklich. Dann sollten Sie und Ihre GroKo aber endlich anfangen, die Familienpolitik aus der Sicht der Familien zu betrachten. ({0}) Wer wie Finanzminister Olaf Scholz in der vergangenen Woche bei der Regierungsbefragung von „Freibetragsprofitierenden“ und „Kindergelderhöhungsprofitierenden“ spricht, hat offensichtlich den Sichtkontakt zu den Menschen verloren. Hier geht es um Familien und ihre Zukunft. Wenn ich mir die Vorhaben für die gesamte Legislaturperiode anschaue, dann lese ich größtenteils nur wesensgleiche Worte: Aufstockung, Ausbau, Steigerung, Fortsetzung, Erhöhung. ({1}) – Hören Sie erst mal zu! Ganz locker bleiben! – ({2}) Als wenn dieser politische Weg in den letzten Jahren die gravierenden Probleme für Familien gelöst hätte! Schließlich kritisierte die Familienministerin der SPD die familienpolitischen Reformpläne der Union schon vor der Wahl als „Maßnahmen mit der Gießkanne“. ({3}) Jetzt tragen Sie diese Pläne mit stolzer Brust vor sich her. Erhöhung und Ausbau bedeuten, immer mehr Mittel aufzuwenden – wenn ich mir die Ergebnisse der letzten Jahren angucke –, in der vagen Hoffnung, dass am Ende des Tages bei den Familien auch ein bisschen ankommt. ({4}) Trotzdem oder gerade deswegen stagniert die Kinderarmut, sind für viele Familien Kinder ein Armutsrisiko und entscheidet allzu oft die familiäre Herkunft über die Chancen der Kinder. ({5}) Lernen Sie es endlich: Die Wirksamkeit, die Inanspruchnahme und vor allem eine mutige finanzielle Entlastung der Familien sind entscheidend. ({6}) Immerhin hat sich die Bundesregierung laut Finanzminister Scholz einen großen Aufschlag beim Kinderzuschlag vorgenommen, der für seine Ausarbeitung allerdings Zeit benötigt. „Mehr Zeit wofür?“, frage ich. ({7}) Damit er wieder passend erst zur nächsten Wahl vorliegt? Bereits im Juni vor einem Jahr stellte Ihre Vorgängerin, Katarina Barley, der Presse ein gutes Konzept zur Zusammenlegung von Kindergeld und Kinderzuschlag vor. Was ist aus diesem Konzept geworden? Entweder war dieses angekündigte Konzept, das wohlgemerkt kurz vor der Wahl erneut prominent hervorgehoben wurde, nur eine lose Idee, oder im Ministerium verschwinden gute Ideen in Schubladen, bis man vor den Wahlen erneut medienwirksame Konzepte benötigt. ({8}) Beide Varianten sind politisch mehr als peinlich und helfen Familien eben überhaupt nicht. Das Familienministerium ist so „grokoisiert“, dass dort selbst ernsthaft geglaubt wird, nur ein Mehr an Ausgaben löse schon die Probleme. Dabei müssen Sie endlich erkennen: Die Probleme liegen in den Strukturen. ({9}) Eine fünf Jahre dauernde Evaluation verschwindet zwischen dem Finanzministerium und dem Familienministerium. Die vom Bundesrechnungshof angemahnte Verbesserungsinitiative ist nicht in Sicht. Allensbach verweist auf Probleme des lebensfernen Zeitkorridors beim Elterngeld Plus und bei den Vaterschaftsmonaten. Konkrete Verbesserungsinitiativen für Familien und die Eltern sind nicht in Sicht. Laut der letzten Evaluation im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales liegt die Inanspruchnahme beim Bildungs- und Teilhabepaket nur bei knapp über 50 Prozent. Konkrete Verbesserungsinitiativen sind auch hier – Sie ahnen es schon – nicht in Sicht. ({10}) – Ja, darin stand die letzten Male auch viel. Wer weiter denken kann als von der Wand bis zur Tapete, dem wird klar: Wir haben familienpolitische Leistungen, die für viele Familien keinen Unterschied machen, weil sie bei den Familien gar nicht erst ankommen. ({11}) Sorgen Sie deswegen endlich dafür, dass die Familienleistungen unkompliziert und unbürokratisch ineinandergreifen und die Leistungen endlich bei den Familien ankommen. Das ist der entscheidende Faktor, damit die Menschen eigenverantwortlich sein können und positiv in die Zukunft schauen. ({12}) Leider ist die Bundesregierung hier seit Jahren nicht wirklich vom Fleck gekommen. ({13}) Ich bleibe trotzdem optimistisch. Ich bin gesellschaftlich optimistisch; denn angesichts der Geburten in unserem Land und der wachsenden Anzahl an jungen Familien freue ich mich über die offensichtlich familienfreundliche Grundstimmung in unserer Gesellschaft. ({14}) Ich bin familienpolitisch optimistisch; denn ich traue Ihnen, Frau Ministerin Giffey, in der nächsten Haushaltswoche für 2019 eine deutlich familienorientiertere Handschrift jenseits eines Weiter-so zu. ({15}) Und ich bin politisch optimistisch; denn eine liberale Fraktion macht einen Unterschied, indem wir die Menschen in den Mittelpunkt unserer Bemühungen stellen und sie befähigen, ihren eigenen Weg zu gehen. Vielen Dank. ({16})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Norbert Müller für Die Linke. ({0})

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Gäste! Die Bundesfamilienministerin Giffey hat gute Kitas zum Schwerpunkt ihrer Amtszeit gemacht, und so ist sie rastlos unterwegs und kündigt dies und das in der Öffentlichkeit an. Am 25. März haben Sie während der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst erklärt, Kitaerzieher sollten annähernd wie Grundschullehrer bezahlt werden – ohne einen Finanzierungsvorschlag. Am 28. April 2018 haben Sie das Gute-Kita-Gesetz angekündigt, von dem immer noch kein Entwurf auf dem Tisch liegt und das offenbar zu großen Verstimmungen zwischen den Koalitionsfraktionen geführt hat. Es geht um Mittel in Höhe von 2 Milliarden Euro. Sie haben gesagt, das gehe umgehend in die Ressortabstimmung. Diese Abstimmung müsste jetzt ungefähr zwei Monate andauern. – Am 2. Mai, kurz nach dem Tag der Arbeit, haben Sie eine Kita-Fachkräfteoffensive angekündigt. Dazu liegt so richtig noch nichts auf dem Tisch. Und am 27. Juni, also letzte Woche, haben Sie gesagt, Kitaerzieher sollten jetzt zwar nicht mehr so viel verdienen wie Grundschullehrer, aber mindestens pauschal 500 Euro brutto mehr im Monat. Im Haushalt steht dazu nichts. Die Realität: Es fehlen 340 000 Kitaplätze per annum. Es fehlen über 100 000 Erzieherinnen und Erzieher. Allein in Berlin sind Tausende Plätze mangels Personal unbesetzt. ({0}) Eltern demonstrieren für Kitaplätze – gegen teilweise extrem hohe Gebühren. Träger demonstrieren für mehr Qualität und dafür, dass ihre Beschäftigten besser bezahlt werden können. Erzieherinnen demonstrieren und streiken – die Tarifrunde war erst vor zwei Jahren – für bessere Arbeitsbedingungen und für mehr Anerkennung ihres Berufes. Was es bedeutet, wenn jemand keinen Kitaplatz für sein Kind bekommt und deswegen zu Hause bleiben muss, hat uns die Bertelsmann-Stiftung erst in der letzten Woche in einer Studie vorgestellt. Darin steht, dass in Paarhaushalten mit Kindern 32 Prozent der Kinder dauerhaft oder wiederkehrend in Armut sind, wenn einer der Elternteile nicht arbeiten kann, weil zum Beispiel kein Kitaplatz zur Verfügung steht. Liebe Frau Giffey, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und der SPD, was niemand braucht, ist eine Politik der Ankündigungen. Die Menschen wollen einen Kitaplatz, wenn sie ihn brauchen. Sie wollen, wenn sie einen haben, eine gute Qualität in der Betreuung ihrer Kinder. ({1}) Ja, sie wollen auch nicht, dass ihre verfügbaren Einkommen von Elternbeiträgen aufgefressen werden. Frau Giffey, Sie sind eine Ankündigungsministerin, die zu all ihren Ankündigungen nichts in der Tasche hat. Da nützt es auch nichts, wenn Sie die mageren 3,5 Milliarden Euro oder vielleicht auch 5,5 Milliarden Euro – das weiß hier offenbar niemand so recht –, die vielleicht ab 2019 zur Verfügung stehen, aufpusten, indem Sie von 3 500 Millionen Euro reden. Das macht nämlich keinen Kitaplatz mehr. Eltern sowie Erzieherinnen und Erzieher, die in diesen Wochen regelmäßig an vielen Orten zu Tausenden auf den Straßen sind, wollen jetzt Lösungen. Da liefert die Koalition eben nicht. ({2}) So, jetzt warte ich auf den ersten Oberschlauen, der uns gleich erklärt, dass doch bitte die Kommunen und Länder ihre Hausaufgaben machen sollen. ({3}) – Herr Rainer hat ja schon so angefangen. – Wissen Sie was, die Kommunen und die Länder sind seit Schaffung des Rechtsanspruches die Einzigen, die ihre Hausaufgaben gemacht haben. ({4}) Das Land Brandenburg, aus dem Frau Giffey und ich ursprünglich stammen – wir sind beide aus Ostbrandenburg, das freut mich besonders –, hat 2009 im Haushalt 150 Millionen Euro für Kitas bereitgestellt. 2009 ist Die Linke in die Regierung eingetreten. Nach zehn Jahren Regierung – im nächsten Jahr haben wir Wahlen und werden diese Regierung verteidigen – wird im Haushalt die Grenze zu 500 Millionen Euro durchbrochen. Aus 150 Millionen Euro wurden in Brandenburg 500 Millionen Euro für Kitas, ({5}) und zwar nicht nur durch den Ausbau von U 3 – da waren wir schon immer gut –, sondern auch durch Verbesserungen der Betreuungsqualität durch Leitungsfreistellung und durch einen Einstieg in die Beitragsfreiheit. Das sind alles Ihre Versprechungen, für die vom Bund aber nichts geliefert wurde. Übrigens wurden auch 1 500 Erzieherinnen zur Verbesserung der Betreuung neu eingestellt. In Thüringen, seit 2014 linksregiert, wurden Kitagruppen verkleinert und wurde, wie in Brandenburg, das letzte Kitajahr beitragsfrei gestellt. ({6}) In Thüringen führt das bei einer durchschnittlichen Familie zu einer Ersparnis von 1 440 Euro im Jahr, übrigens sehr viel mehr als durch Ihre Kindergelderhöhung. Auch andere Länder haben die Qualität verbessert und Beitragsfreiheit eingeführt und zusammen mit den Kommunen und den Eltern nebenbei auch noch den Ausbau von Kitaplätzen gestemmt, für den Sie nicht sehr viel getan haben. Der Bund hat sich rar gemacht. Wir erwarten, dass Sie Ihren Job machen, dass die Ankündigungspolitik endet und Sie endlich liefern. ({7}) Wir Linke sagen auch: Wir brauchen ein Kitaqualitätsgesetz des Bundes. Wir brauchen vergleichbare Standards, damit es für die Menschen völlig egal ist, ob ihre Kinder in Bayern, in Brandenburg, in Thüringen oder in Berlin in die Kita gehen. Sie brauchen Kitaplätze mit vergleichbaren Betreuungsstandards, sowohl was die Fachkraft-Kind-Relation als auch was die Betreuungszeiten, die Leitungsfreistellung und Weiteres mehr angeht. Das hat die SPD mal versprochen. Daraus wurde dann ein Qualitätsentwicklungsgesetz. Jetzt wollen sie ein Gute-Kita-Gesetz machen. Besser geworden sind nur die Überschriften. Der Inhalt ist entkernt worden. Ich fordere Sie auf, zu Ihren Ideen zurückzukehren und ein Kitaqualitätsgesetz auf den Weg zu bringen, und zwar mit bundesweit vergleichbaren Standards, und das auch mitzufinanzieren. Da haben Sie übrigens auch die Länder an Ihrer Seite. Vielen Dank. ({8})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächste Rednerin ist Katja Dörner für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Katja Dörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004030, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Heute ist eine gute Gelegenheit, die Ministerin einmal zu fragen, wo ihr sogenanntes Gute-­Kita-Gesetz überhaupt steckt. Es war uns nämlich für vor der Sommerpause angekündigt. Aber weder im Kabinett noch im Parlament ward es bis dato gesehen. Dieses Gesetz sollte die erste große Initiative der neuen Familienministerin sein, und jetzt zerbröselt es zwischen den Ressorts. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, das ist ein schlechter Einstieg für Ministerin Giffey, und es ist vor allem eine schlechte Nachricht für die Familien in unserem Land, die dringend auf gute Kitas angewiesen sind. ({0}) Sehr viele Familien warten übrigens nicht nur auf mehr Personal in den Kitas, auf flexiblere Öffnungszeiten oder kleinere Gruppen. Viele warten schlicht darauf, überhaupt einen Platz in einer Kita zu bekommen. Ich finde es ehrlich gesagt skandalös, dass sich der Bund heimlich, still und leise aus seiner Verantwortung für den Bau und die Finanzierung von Kitaplätzen stiehlt. ({1}) In den nächsten Jahren fehlen 100 000 zusätzliche Kitaplätze, und es gibt keine Zusage des Bundes, das Investitionsprogramm weiter fortzusetzen. ({2}) Es ist im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen, es ist in der mittelfristigen Finanzplanung nicht vorgesehen, und wenn man die Ministerin konkret dazu befragt, verweist sie auf das sogenannte Gute-Kita-Gesetz. ({3}) Schaut man in den Gesetzentwurf hinein, sieht man, dass darin gerade der Platzausbau ausgeschlossen wird. Also ist doch ganz klar: Ab 2020 ist Schluss mit der Finanzierung von zusätzlichen Kitaplätzen durch den Bund. Das darf nicht sein; wir stehen da in der Pflicht. Wir können die Kommunen und vor allem die Eltern nicht im Regen stehen lassen. So geht es einfach nicht, liebe Große Koalition. ({4}) Im Koalitionsvertrag ist auch vorgesehen, einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder im SGB VIII zu verankern. Wir finden das gut und auch konsequent mit Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wir werden dafür aber eine Finanzvereinbarung und eine gute Kooperation zwischen dem Bund und den Bundesländern brauchen. Ich kann ehrlich gesagt verstehen, dass die Bundesländer jetzt sehr, sehr skeptisch sind, wenn der Bund noch nicht einmal bereit ist, seine schon eingegangenen Verpflichtungen tatsächlich zu erfüllen. Auch deshalb ist es absolut notwendig, dass es jetzt eine klare Zusage gibt, dass sich der Bund an der Finanzierung von zusätzlichen Kitaplätzen beteiligt. ({5}) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es war ja zu erwarten, dass sich die Regierungsfraktionen in vorauseilendem Gehorsam heute selbst schon einmal für die Kindergelderhöhung auf die Schulter klopfen. Aber so schön die Kindergelderhöhung für die Familien auch ist: Wir werden nicht müde, klarzumachen, dass diese Kindergelderhöhung gerade armen Familien und auch sehr vielen Alleinerziehenden gar nichts nützt, weil jeder Cent auf die Leistungen, die heute in Anspruch genommen werden können, angerechnet wird. Wir erwarten, dass die Bundesregierung gezielt gegen Kinderarmut vorgeht. ({6}) Wir haben zum Kinderzuschlag einen konkreten Vorschlag unterbreitet und ihn in den Haushaltsberatungen auch finanziell untersetzt. Die Bekämpfung von Kinderarmut muss endlich Priorität haben. Es sind genug Sonntagsreden von dieser Großen Koalition gehalten worden. ({7}) Frau Giffey, Sie sind ja auch Frauenministerin, auch wenn man davon bis dato nicht so viel gemerkt hat. Sie sagen gerne: Frauen können alles. – Ich sage: Frauen können sich nicht vor ihrem gewalttätigen Partner in Sicherheit bringen, wenn es nicht ausreichend Plätze in Frauenhäusern gibt. ({8}) Frauen können sich nicht effektiv gegen Entgeltdiskriminierung wehren, wenn wir nicht endlich ein Gesetz machen, das auch wirkt. ({9}) Und Frauen können sich nicht umfassend über Schwangerschaftsabbrüche informieren, wenn Ärztinnen kriminalisiert werden. ({10}) Wir hatten letzte Woche die Anhörung zu § 219 a. Ich frage ganz konkret, Frau Giffey: Wo bleiben Ihre Initiativen auf diesem Feld? Wir wollen Ihre starke Stimme für die Frauen in diesem Land hören. Alles andere ist aus unserer Sicht indiskutabel. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({11})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als Nächstes spricht für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Sönke Rix. ({0})

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Es gibt immer sehr viel Feuer, wenn alle Fraktionen gesprochen und ihre Positionen dargestellt haben. Ich versuche, zumindest ein paar Dinge aufzugreifen, damit es auch ein Stück weit eine Debatte wird. Das Erste, was ich aufgreifen möchte, ist die Fehlannahme, dass wir keine weiteren Mittel für den Kitaausbau zur Verfügung stellen. ({0}) Das stimmt einfach nicht, und das sollte man an diesem Rednerpult auch nicht sagen. Bis 2020 läuft das Programm noch, und danach wollen wir es weiterlaufen lassen. ({1}) Einfach anzunehmen, dass es in der nächsten Zeit ausläuft, ist nicht richtig. Es läuft noch bis 2020. Die 5,5 Milliarden Euro, die wir für die Qualität verwenden wollen, sind zusätzliches Geld, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Das Zweite ist – es wurde schon angesprochen – die Ganztagsbetreuung.

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Katja Dörner?

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Bitte schön. Aber ich habe ja noch gar nichts gesagt.

Katja Dörner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004030, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage erlauben. Die Finanzierung ist ja ein alter Streit zwischen uns. Ich frage Sie ganz konkret, ob Sie uns hier die Zusage geben können, dass die bis 2025 fehlenden ungefähr 340 000 Kitaplätze im U3-Bereich tatsächlich zu dem Anteil vom Bund finanziert werden, wie es beim Kitagipfel 2007 zugesagt worden ist.

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir natürlich auch die Finanzierung des Kitaausbaus weiter vorantreiben wollen und dass die 5,5 Milliarden Euro, die wir jetzt für die Qualität in die Hand nehmen wollen, zusätzliches Geld sind. Das bedeutet, dass der Kitaausbau weiterläuft, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Außerdem haben wir gerade in der Debatte wieder sehr deutlich gemacht, welche Unterschiede es gibt, was wir unter Familie und der Vereinbarkeit von Familie eigentlich meinen. Insbesondere von der rechten Seite des Hauses ist noch einmal zum Ausdruck gekommen, dass es Ihnen gar nicht um die Freiheit von Familien geht, ihr Leben zu gestalten, wie es eigentlich sein soll. Sie werfen uns vor, mit unseren politischen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass wir die Familien in eine bestimmte Ecke treiben. Aber nein, genau das Gegenteil ist der Fall. Wir wollen die Freiheit für die Familien, und wenn beide Elternteile arbeiten wollen, wollen wir dies ermöglichen. Dafür wollen wir die staatlichen Rahmenbedingungen schaffen. Wir wollen natürlich auch die Entlastung von Familien, und wir wollen mehr Zeit für die Familien, damit die Eltern die Möglichkeit haben, für ihre Kinder da zu sein. Erst wenn wir beides in Angriff nehmen und die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, haben wir wirklich Freiheit für Familien erreicht, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass auch Kinderarmut ein Thema bei uns in der Koalition ist; das wissen Sie. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, den Kinderzuschlag zu reformieren und zusätzliches Geld zur Verfügung zu stellen. Ich könnte es jetzt so machen wie die Ministerin von der Leyen, die bei jeder Gelegenheit mehr Milliarden für den Verteidigungshaushalt fordert, und zusätzliches Geld für den Kinderzuschlag fordern. Aber ich sehe ein: Am Ende verhandeln wir gemeinsam über den Etat. Wir haben im Koalitionsvertrag eine zusätzliche Milliarde dafür vereinbart, und die werden wir auch ausgeben, liebe Kolleginnen und Kollegen, nämlich genau für die Familien, die an der Grenze stehen und denen der Kinderzuschlag ermöglicht, nicht in die Sozialhilfe zu kommen. ({2}) Meine Damen und Herren, in der Debatte spielte auch eine Rolle, wie wir mit dem Thema „Gender und Gleichstellung“ umgehen. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich bin sehr stolz auf die Familienministerin, Frau Giffey, und auch auf ihre Vorgängerin, weil bei ihnen immer klar war, dass Gleichstellungspolitik ein wesentlicher Punkt ist. Das beinhaltet nicht nur, wie viel Geld wir für gewisse Dinge zur Verfügung stellen, sondern auch, wie wir mit gewissen Themen umgehen. Frau Giffey hat, wie ich finde, ganz besonders in einer gleichstellungspolitischen Maßnahme sehr deutliche Akzente gesetzt: bei der Aufwertung von sozialen Berufen. Das macht deutlich, dass uns die Arbeit, die insbesondere von Frauen dort geleistet wird, viel mehr wert sein sollte, als sie es aktuell ist. ({3}) Da haben wir auch etwas auf den Weg gebracht, liebe Kolleginnen und Kollegen. Erst in der letzten Sitzungswoche haben wir es mit der Verordnung zur Pflegeberufereform endlich geschafft, den Pflegeberuf aufzuwerten, indem wir die Generalistik zulassen, indem wir deutlich machen, dass auch schon für die Ausbildung bezahlt wird, und indem wir die Gebühren in dem Bereich abschaffen. Das ist eine Aufwertung der sozialen Berufe, von Berufen, die im Wesentlichen von Frauen wahrgenommen werden, also eine wesentliche gleichstellungspolitische Angelegenheit. ({4})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Herr Rix, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin von Storch?

Sönke Rix (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003830, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nein, jetzt nicht mehr. Sie hat ja schon gesprochen. ({0}) Außerdem, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich noch einmal deutlich machen, dass wir mit 120 Milliarden Euro für das Programm „Demokratie leben!“ einen Beitrag zu einer aktiven Demokratiepolitik leisten. Ich danke Ihnen noch einmal für die Lobrede für das Programm, aber auch insgesamt für diesen Beitrag. Natürlich reicht es nicht aus, nur ein solches Programm zu haben. Aber dass wir Mittel in dieser Höhe für dieses Programm zur Verfügung stellen, resultiert daraus, dass wir uns – das ist ein Verdienst – fraktionsübergreifend einig sind, dass Extremismus und Gewalt, egal aus welcher Richtung sie kommen, hier wirklich keinen Platz haben. Wer die Abschaffung dieses Programms fordert – auch aus den Reihen dieses Hauses –, legt die Axt an die Demokratie insgesamt an. Das sollten wir nicht zulassen. ({1}) In diesem Sinne haben wir Verbesserungen für Familien, für Demokratie sowie für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in diesem Haushalt. Wir schaffen etwas für Kitas. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem Einzelplan. Herzlichen Dank. ({2})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner ist Sylvia Pantel für die Fraktion der CDU/CSU. ({0})

Sylvia Pantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004370, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seitdem ich politisch tätig bin, setze ich mich für eine Stärkung der Familien und deren Wahlfreiheit ein; denn nur wenn wir gute Rahmenbedingungen für unsere Familien schaffen, werden sie den vielfältigen Aufgaben gerecht. Frau Deligöz, genau das tun wir mit unserem Haushalt; denn wir sind nicht ideologisiert und sagen Familien, was sie zu tun haben, sondern werden dem unterschiedlichen und bunten Feld, das wir vorfinden, gerecht. ({0}) Egal ob es um die Pflege der Eltern oder um die Erziehung und Betreuung der Kinder geht, starke Familien brauchen unsere starke Familienpolitik. Es sind die Familien, die eine gesunde und funktionierende Gesellschaft prägen. Unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker besteht darin, sie zu fördern und zu entlasten, aber nicht zu bevormunden. Deshalb haben wir als CDU/CSU uns so stark dafür eingesetzt, dass das Kindergeld bzw. der Kinderfreibetrag und der Kinderzuschlag für die Familien erhöht werden. So erfahren alle Familien eine direkte Entlastung. Das Kindergeld zum Beispiel wird pro Kind und Jahr um 120 Euro erhöht. Ich freue mich, dass ich auch in diesem Jahr wieder sagen kann, dass der Bund so viel für die Familien investiert wie noch nie zuvor. Unser Haushalt stellt über 10,2 Milliarden Euro für familienpolitische Leistungen zur Verfügung. Davon werden in diesem Jahr – das haben wir schon gehört, aber man kann es nicht oft genug sagen; denn es ist ein Erfolgsmodell – knapp 6,7 Milliarden Euro für das Elterngeld gezahlt. ({1}) Das ist ein riesiger Erfolg. Wir sehen das auch an den Geburtenzahlen. Ich glaube, dass das Elterngeld gerade vielen jungen Paaren die Angst vor dem Risiko, in der ersten Zeit auf ein Gehalt wegen der Geburt ihres Kindes verzichten zu müssen, genommen wird. Den Alleinerziehenden geben wir mit der Reform des Unterhaltsvorschusses Planungssicherheit. Der Unterhalt für Kinder ist nun bis zum 18. Lebensjahr gesichert und nimmt vielen Alleinerziehenden ihre Existenzängste. Im Haushalt sind für den Unterhaltsvorschuss 866 Millionen Euro veranschlagt. Einige von Ihnen wissen, dass ich mich hartnäckig für die Eigentumsförderung für unsere Familien ohne Beschränkungen eingesetzt habe. Deshalb begrüße ich sehr, dass in der letzten Woche im Koalitionsausschuss Einigkeit erzielt wurde, 1 200 Euro Baukindergeld pro Kind und Jahr für zehn Jahre und ohne eine Begrenzung der Quadratmeterzahl zu beschließen. ({2}) Die Familien erhalten den Zuschuss, wenn sie Eigentum erwerben und nicht mehr als 75 000 Euro plus 15 000 Euro pro Kind im Jahr an Einkommen erzielen. Das stärkt die Familien, Eigentum zu schaffen, gute Wohnverhältnisse für sich zu erhalten, und unterstützt eine zusätzliche sinnvolle Form der Altersvorsorge sowie das Leben im ländlichen Raum. Die Einführung des Bundesfreiwilligendienstes ist ein großer Erfolg. Die Nachfrage ist ungebremst hoch. Das sagt auch etwas über die positive soziale Kompetenz unserer Gesellschaft aus. Im Etat für Maßnahmen zur Stärkung der Zivilgesellschaft stellen wir deshalb über 205 Millionen Euro zur Verfügung. Der freiwillige soziale Dienst, die freiwilligen Blaulichtdienste, der freiwillige ökologische Dienst oder der Internationale Jugendfreiwilligendienst sind unterschiedliche Angebote, die zur Stärkung der Zivilgesellschaft beitragen und mittlerweile unverzichtbar in unserer Gesellschaft für beide Seiten sind. ({3}) In unserem Land ist das bürgerschaftliche Engagement eine unverzichtbare Säule der Gesellschaft. In diesem Jahr haben sich bereits über 41 000 Menschen freiwillig und ohne unmittelbare Gegenleistung zur Verbesserung der Lebenslagen anderer eingesetzt und dadurch einen großen Beitrag zur Förderung der Solidarität und des Zusammenhalts in unserer Gesellschaft geleistet. ({4}) Der Einsatz für andere Menschen ist so wichtig, und deshalb fördern wir auch das Patenschaftsprogramm „Menschen stärken Menschen“ im Bereich zivilgesellschaftliches Engagement mit 22,7 Millionen Euro. Viele Freiwillige verrichten auch ihren Dienst in den Mehrgenerationenhäusern. Ich selbst habe ein solches Angebot in meinem Wahlkreis und weiß deshalb aus eigener Erfahrung, welche wichtige und gute Arbeit geleistet wird. In diesem Jahr werden 17,5 Millionen Euro für die 540 bundesweiten Mehrgenerationenhäuser bereitgestellt. Darauf können wir alle stolz sein. Wir sehen – ich habe nur einen kleinen Strauß ausgewählt –, wie unterschiedlich die Förderung des Bundes ist. Trotz der vielen positiven Akzente müssen wir uns aber auch mit den schwierigen Politikfeldern befassen. Zu meinem Aufgabenspektrum gehört eben auch der Blick auf die Gewalt in der Familie, insbesondere die Gewalt gegen Frauen und Kinder. Körperliche, sexualisierte und psychische Gewalt gehören für einen Teil der Frauen in unserem Land leider zu ihrem Alltag. Diesen Frauen müssen wir helfen. ({5}) Mit dem Hilfetelefon gegen Gewalt haben wir ein niederschwelliges Hilfsangebot für die Betroffenen geschaffen. Es fehlt vielerorts leider – das haben wir eben auch schon gehört – an den nötigen Frauenhausplätzen. Es liegt zwar nicht in unserer Kompetenz – ich kann es hier nur wiederholen –, trotzdem müssen wir etwas tun. Oft finden schutzbedürftige Frauen und deren Kinder keinen Platz oder müssen abgewiesen werden. Die Gründe dafür sind vielfältig und wurden in den vielen Gesprächsrunden der letzten Wahlperiode herausgearbeitet, also auch da waren wir tätig. Wir wissen, dass aufgrund des föderalen Systems die einzelnen Bundesländer für die Frauenhäuser zuständig sind. Dennoch sollte die Bundesregierung unter Beachtung der Zuständigkeit der Länder eine bundesweite Vernetzung der Frauenhäuser aufbauen und die Frauenhäuser somit unterstützen und entlasten. ({6}) Ähnlich wie beim Hilfetelefon sollten wir eine Plattform bilden, die die Arbeit vor Ort erleichtert und damit den Frauen, den Polizisten oder den Mitarbeitern der Frauenhäuser bei ihrer Suche nach freien Plätzen hilft. Zum fünften Mal in Folge haben wir einen ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. Das ist Generationengerechtigkeit. Solide Finanzen eröffnen uns Spielräume, die wir für unsere Familien – es ist eine solide Familienpolitik – nutzen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. ({7})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Maik Beermann, CDU/CSU. ({0})

Maik Beermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004250, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gerne da anschließen, wo meine Vorrednerin, Sylvia Pantel, aufgehört hat; denn für die Union ist eine gute Finanzpolitik auch immer eine Frage der Generationengerechtigkeit. Seit 2014 – das hat sie eben gesagt – demonstrieren wir in Eintracht, dass wir es schaffen, ohne neue Schulden auszukommen, dass wir es also hinbekommen, mit dem Geld, das wir einnehmen, auch auszukommen. Das ist, denke ich, vorbildlich für viele andere Generationen. Aber ich habe auch eine Bitte und einen Wunsch. Ich sage das auch als Abgeordneter, der mit 36 Jahren eine etwas jüngere Generation hier im Deutschen Bundestag vertritt; aber ich sage das auch als Vater von drei kleinen Kindern im Alter von einem bis vier Jahre, der sich natürlich darum kümmern möchte, dass es in Zukunft genauso gut möglich ist, hier bei uns im Land zu leben, wie es aktuell der Fall ist. Die Kinder sollen die Chancen haben, die wir haben. Ich sage ebenfalls deutlich: Wenn wir durch mehr Steuereinnahmen mehr Spielräume haben, dann sollten wir vielleicht auch einmal genauer hinschauen und nicht immer gleich von A nach B umverteilen oder die nächsten Investitionsprogramme auf den Weg bringen, sondern wir sollten vielleicht auch einmal ein Signal senden an die jüngere Generation, dass wir auch in der Lage sind, Schulden zu tilgen. ({0}) Das wäre, glaube ich, eine Aufgabe, die wir für die nächsten Jahre einfach einmal in den Blick nehmen sollten. ({1}) Entscheidend ist es immer, die richtigen Schwerpunkte zu setzen. Wir unterhalten uns über den Einzelplan 17 mit seinem Schwerpunkt auf dem Bereich Familie. Das Elterngeld wurde angesprochen. Man kann es tatsächlich nicht oft genug wiederholen – lieber Kollege Aggelidis, Geld komme nicht an, wurde gesagt –: 6,67 Milliarden Euro Elterngeld kommen direkt bei den Familien, bei den Eltern an, weil sie sich bewusst entschieden haben, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser zu regeln, als das vor vielen Jahren der Fall war. ({2}) Deswegen ist das ein Modell, das Schule gemacht hat; das ist ein tolles Programm. Genauso kann ich in Richtung von Frau von Storch sagen: Es ist in diesem Fall dummes Zeug, was Sie gesagt haben. ({3}) – Herr Kollege, nein. Ich sage gleich Nein; wir wollen jetzt vorankommen. Es ist so, dass wir familienpolitische Leistungen auf den Weg bringen, die wir für Familien machen, und diese kommen natürlich auch bei den Familien an.

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Herr Kollege, wollen Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Maik Beermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004250, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich hatte eigentlich schon gesagt, dass ich es nicht möchte. Aber ich lasse es zu. Bitte schön, Herr Kollege, machen Sie ruhig!

Grigorios Aggelidis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004652, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe nicht gesagt, dass keine Leistungen ankommen, sondern, dass ein großer Teil nicht ankommt. Ich habe mich nicht auf das Elterngeld bezogen – Sie haben jetzt diese Aussage getroffen –, sondern: Wenn man sich die aktuellsten Studien anschaut, erkennt man, dass gerade einmal um die 30 Prozent derjenigen Familien, die Anspruch auf den Kinderzuschlag haben, diesen überhaupt beantragen, weil das zu kompliziert ist. Das sind Zahlen und Aussagen aus den Studien der letzten Jahre. Jetzt möchte ich gern wissen, wie Sie dazu stehen, ob Sie immer noch der Meinung sind, dass die familienpolitischen Leistungen wirklich dort ankommen, wo sie gebraucht werden. ({0})

Maik Beermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004250, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege Aggelidis, für die Frage. – Sie haben ja recht: Die gleiche Problematik haben wir auch beim Bildungs- und Teilhabepaket. Auch dieses Geld kommt nicht so an, wie wir es gern hätten. Deswegen haben wir in der Großen Koalition gesagt und im Koalitionsvertrag beschlossen, dass wir nicht nur 1 Milliarde Euro mehr für den Koalitionsausschuss, ({0}) nein, für den Kinderzuschlag zur Verfügung stellen wollen, sondern gleichzeitig das Bildungs- und Teilhabepaket entbürokratisieren wollen. Genau das ist der richtige Weg. Wir stellen nicht Mittel in den Haushalt ein, damit sie da bleiben, sondern wir wollen auch, dass das Geld ausgegeben wird. Deswegen nehmen wir uns der Sache an und kümmern uns darum. ({1}) Worauf ich aber auch hinweisen möchte, ist eine Aussage vom Herrn Kollegen Leutert von der Linken zum Programm „Demokratie leben!“, das jetzt aufgestockt wird – 5 Millionen Euro wollen wir ganz klar für die Erforschung der Ursachen von linksmilitanter Gewalt einsetzen; dafür haben wir uns in der Union starkgemacht –: Das ist unnötiges Geld; wir sehen den Bedarf nicht unbedingt. – Ich möchte nur auf den G-20-Gipfel in Hamburg hinweisen. ({2}) Ich glaube, dass der G-20-Gipfel in Hamburg ausreichend zeigt, dass es durchaus sinnhaft ist, dass wir uns in diesem Haus nicht nur mit Rechtsextremismus, mit Islamismus, sondern auch mit Linksextremismus auseinandersetzen, den erforschen und vor allen Dingen dann auch bekämpfen. ({3}) Wir werden in den kommenden Wochen weitere familienpolitische Reformen auf den Weg bringen, über die wir dann natürlich auch hier im Deutschen Bundestag debattieren wollen. Wir haben das Thema Kindergeld gehört. Wir haben das Thema Kinderfreibetrag gehört. Lieber Kollege Aggelidis, ich muss Sie noch einmal ansprechen: Kindergeld kommt direkt bei den Familien an. Der Kinderfreibetrag ist eine steuerliche Entlastung; die kommt sofort bei den Familien an. Es ist also schon so, dass gerade vom Kindergeld 17 Millionen Kinder bei uns im Land profitieren. Das ist doch etwas Positives. Lassen Sie uns doch einmal aufhören, immer alles schlechtzureden! ({4}) Das Gute-Kita-Gesetz wurde angesprochen. Wir wollen natürlich die bestmögliche Betreuung für unsere Kinder und die beste Vereinbarkeit von Familie und Beruf; das ist klar. Wir stellen dafür erst einmal 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Frau Ministerin, ob es dann noch 2 Milliarden Euro mehr werden, darüber müssen wir, glaube ich, noch sprechen. Ich hätte nichts dagegen, aber, wie gesagt, die Diskussion müssen wir dementsprechend führen. ({5}) Wir brauchen aus meiner Sicht eine absolute Priorität für eine qualitativ hochwertige und verlässliche Kinderbetreuung mit gut ausgebildetem Personal. Lassen Sie uns nicht zu sehr den Fehler machen, dass wir uns um Dinge kümmern, für die nicht wir als Bund die originäre Verantwortung haben, sondern für die die Kommunen und die Länder Verantwortung haben. Wir können nicht immer nur alles abschieben bzw. an uns ziehen, sondern wir müssen in einem föderalen Staatssystem mit Kommunen und Ländern in Eintracht spielen; sonst wird es nicht funktionieren. ({6})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Herr Beermann, wollen Sie eine weitere Zwischenfrage –

Maik Beermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004250, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Von wem?

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

– des Kollegen Müller zulassen?

Maik Beermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004250, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, gerne.

Norbert Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004613, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Aber nur, weil Herr Beermann schon angedeutet hat, eh etwas zu mir sagen zu wollen; da ist es praktisch, das gleich vorwegnehmen zu können. Herr Beermann, der Kollege Weinberg hat das vorweggenommen. Sie sind sich offenbar nicht ganz einig, ob das 3,5 Milliarden oder 5,5 Milliarden Euro sind, ob es 2021 oder 2022 ist, wo definitiv ein neuer Bundestag gewählt sein wird. Wenn Sie sich da schon nicht einig sind, dann würde mich zumindest Folgendes interessieren: Der Paritätische hat am 30. Juni, in der letzten Woche, etwas veröffentlicht. Darin sagt der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, es sei sehr bedauerlich, dass im aktuellen Entwurf eines Gute-Kita-Gesetzes – den kennen auch wir nur aus den Medien, weil Sie nicht in der Lage sind, das ins parlamentarische Verfahren oder auch nur ins Kabinett einzubringen – geregelt sei, dass es für die Länder bei den Mitteln, die in Kitas investiert werden sollen, kein Zweckentfremdungsverbot gibt und dass die Mittel über Umsatzsteuerpunkte ausgezahlt werden. Ist das jetzt so? Ist damit zu rechnen, dass die 3,5 Milliarden Euro – oder auch 5,5 Milliarden Euro – ohne irgendeine Bindung an die Länder gehen und sie möglicherweise gar nicht in guten Kitas landen? ({0})

Maik Beermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004250, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe, glaube ich, eben ausgeführt, dass wir eine hohe Priorität auf die Qualität in den Kitas legen sollen. Ich bin übrigens überhaupt gar nicht in Uneinigkeit mit meinem Kollegen Marcus Weinberg. Deswegen habe ich eben auch gesagt, dass die 3,5 Milliarden Euro, die wir bis 2021 zur Verfügung stellen wollen, für uns beide, denke ich, bindend sind. Ob es dann noch mehr Mittel werden, darüber gilt es zu sprechen. Jetzt haben Sie den Gesetzentwurf angesprochen. Auch ich hätte diesen Gesetzentwurf schon gerne ins parlamentarische Verfahren eingebracht. Ich bin dafür aber nicht verantwortlich. Ich müsste dafür in Richtung der Bundesregierung schauen und darum bitten, dass das schnellstmöglich passiert. Deswegen kann ich auch über die Inhalte in diesem Falle noch nichts sagen. Vor allen Dingen möchte ich auf eine Sache hinweisen, Herr Müller, weil Sie vorhin angesprochen haben – dass passt dazu –, dass Erzieherinnen und Erzieher auf die Straße gehen und demonstrieren: Schauen Sie sich bitte an, wo das oftmals passiert. Dann schauen Sie sich bitte auch an, wer in den Ländern – die eigentlich die hoheitliche Aufgabe für den Bereich der Kindererziehung haben – in der politischen Verantwortung ist. Sie werden feststellen, dass Ihre Partei dort oftmals die Finger mit im Spiel hat. Von daher: Tun Sie nicht so, als ob der Bund nichts tut und die Länder alle Aufgaben hundertprozentig erledigen; das wäre falsch. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema der Bekämpfung von Kinderarmut habe ich eben schon einmal angesprochen. Wir wollen 1 Milliarde Euro zusätzlich bis 2021 für den Kinderzuschlag zur Verfügung stellen und die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket verbessern. Wir wollen weiterhin die Ganztagsbetreuung in der Grundschule unterstützen und fördern. Auf eines möchte ich auch noch einmal hinweisen – aus meiner Sicht ist es eine Leistung, die vielleicht in gewisser Weise unser Land ein Stück weit verändern wird –: Wir schaffen mit dem Baukindergeld eine Situation, die wir vor Jahren schon einmal in ähnlicher Weise mit dem Eigenheimzulagengesetz hatten. Aber vor allen Dingen durch die unsinnige Maßnahme, in den Regelungen zum Baukindergeld eine Begrenzung auf 120 Quadratmeter vorzusehen, hätten wir dafür gesorgt, die ländlichen Strukturen überhaupt nicht zu unterstützen. Ich komme aus einem ländlichen Wahlbezirk, aus dem Schaumburger Land und dem Landkreis Nienburg; das ist mein Wahlkreis. Ich selbst komme aus einem Dorf mit 420 Einwohnern: Wendenborstel heißt das kleine Dorf; kennt vermutlich niemand von Ihnen, ist auch nicht weiter wild. ({1}) Ich möchte aber darauf hinweisen, dass in diesen Strukturen Resthöfe stehen, alte Dorfstrukturen, die erhalten werden müssen. Wenn wir eine Begrenzung auf 120 Quadratmeter eingeführt hätten, dann hätten wir dort alles ad absurdum geführt. Von daher ist es ein guter Weg, auf den sich der Koalitionsausschuss geeinigt hat, die Begrenzung zu streichen. Wir demonstrieren ein ganz klares Bekenntnis für ländliche Räume und werden das Baukindergeld dafür, denke ich, mit einsetzen. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden Familien in unserem Land unterstützen und in den Mittelpunkt stellen. Familien sind die Keimzelle unserer Gesellschaft. Deswegen verdienen sie eine besondere politische Beachtung, die wir an den Tag legen werden. Von daher bitte ich auch hier um Zustimmung zum Einzelplan 17, in dem viele gute und wichtige Maßnahmen stehen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({3})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Letzte Rednerin in der Debatte ist Bettina Wiesmann für die CDU/CSU. ({0})

Bettina Margarethe Wiesmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004934, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Abschluss dieser, wie ich finde, wichtigen und facettenreichen Debatte möchte ich vier Feststellungen treffen. Erstens. Diese Koalition macht Familienpolitik zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit, und das ist gut so. ({0}) Denn – da kann ich direkt an meinen Vorredner anschließen –: Familien sind der Kern des Zusammenhalts und die Zukunft unserer Gesellschaft. Sie leisten einen Großteil der Erziehungs-, Bildungs- und Pflegearbeit, und sie können das auch am besten. Wo sie das nicht so gut können, weil sie unter Druck sind oder vielleicht auch, weil sie auseinandergehen, da leidet die Gesellschaft und oft am meisten ihre schwächsten Glieder: die Kinder. Deshalb müssen Familien einerseits den Freiraum bekommen, den sie brauchen, um ihre ureigenen Aufgaben bewältigen zu können. Aber sie müssen andererseits auch Unterstützung und Ermutigung finden, wenn sich Herausforderungen darstellen, die sie aus eigener Kraft nicht meistern können. Zweitens. Familien werden durch diese Koalition spürbar finanziell entlastet; auch das ist gut so. Es ist schon viel gesagt worden – das möchte ich nicht wiederholen – zu den Themen erweiterter Unterhaltsvorschuss, Baukindergeld, Erhöhung des Kindergelds, höhere Freibeträge und Erhöhung des Kinderzuschlags in der Zukunft. Das alles zusammen ist aus meiner Sicht ein kleiner Paradigmenwechsel, jedenfalls eine neue Tonlage in der Diskussion. Meine Fraktion und ich begrüßen das außerordentlich. Noch vor wenigen Jahren stritten wir darüber, ob es denn zulässig sei, Eltern eine noch so kleine zusätzliche Summe ins Portemonnaie zu legen, wenn sie sich ein wenig länger selbst um die Betreuung ihrer Kinder kümmern wollten. Viele argwöhnten damals, dass Eltern dieses Geld ja gar nicht zum Wohle ihrer Kinder einsetzen würden, und lehnten die Leistung deshalb ab. Ich habe den Eindruck, heute gibt es einen neuen, breiten Konsens, dass auch die finanzielle Entlastung wichtig und richtig ist; denn sie bedeutet: höhere Anerkennung der Erziehungsleistung der Eltern, mehr Wahlfreiheit für die Realisierung des eigenen gewünschten Familienmodells und weniger Risiko von Familienarmut mit allen nachteiligen Auswirkungen. Ich sehe darin einen Fortschritt, auf dem wir auch künftig aufbauen sollten. Der Haushalt 2018, der heute unser Thema ist, macht hier einen entscheidenden Anfang. Drittens. Diese Koalition wird die Kinderbetreuung weiter voranbringen, bei Qualität und Plätzen; auch das ist gut so. ({1}) Ich will zwei Dinge erwähnen, die noch nicht so sehr im Fokus gestanden haben. Erstes Beispiel: 300 Millionen Euro stehen im aktuellen Haushalt für die Fortsetzung der Qualifizierungsoffensive und den Fonds der Stiftung „Frühe Hilfen“ bereit. Da werden zum einen Kitas zum Beispiel bei der Sprachförderung der Kinder unterstützt, zum anderen werden junge Familien beraten und bei Bedarf von Familienhebammen unterstützt. Diese Mittel kommen fast ausschließlich Familien und Kindern aus benachteiligten Verhältnissen zugute. Ich finde, man kann ruhig feststellen: So bekämpft man Familienarmut auf kluge Weise, ({2}) nämlich indem man Familien und ihre Kinder befähigt, ihre Leistungskraft selbst aufzurichten. Zweites Beispiel: 400 Millionen Euro stehen allein aus dem Sondervermögen des Bundes für zusätzliche frühkindliche Betreuungsangebote in Kitas und in der Tagespflege zur Verfügung. Es ist schon vieles über den weiteren Bedarf in den kommenden Jahren gesagt worden. Familien brauchen tatsächlich Wahlfreiheit, auch bei der Auswahl des geeigneten Betreuungsangebots; denn nicht alles passt für alle. Deshalb ist es mir wichtig, dass hier auch die Tagespflege zum Zuge kommt; denn bei der familiennäheren Tagespflege besteht auch in Zukunft noch ein erheblicher Ausbaubedarf. ({3}) Schließlich darf – das ist schon einmal gesagt worden; aber es kann einfach nicht oft genug gesagt werden – die Grundschulkinderbetreuung nicht vernachlässigt werden. Es ist ein wichtiger und überfälliger Schlussstein bei der Kinderbetreuung. Wir wollen erreichen, dass endlich eine Palette vielfältiger kind- und familiengerechter Angebote bereitsteht, die dem tatsächlichen Bedarf entsprechen, die jeder in Anspruch nehmen kann, weil er einen Rechtsanspruch hat, die aber auch niemanden in die Ganztagsbetreuung zwingen, was im Übrigen auch die Mehrheit der Kinder und Eltern ablehnt. ({4}) Viertens. Die Koalition wird die Rechte von Kindern und Jugendlichen stärken; auch das ist gut. Ich erlaube mir diesen Punkt, obwohl er keinen unmittelbaren Haushaltsbezug hat: Wir wollen Kinder und Jugendliche altersgerecht an Entscheidungsprozessen beteiligen, die sie betreffen. Sie sollen unmittelbar Bedeutung und Sinn unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung erfahren; eine herausragend wichtige Aufgabe in Zeiten, in denen sogar in Europa – und fast will ich sagen: auch hierzulande – die liberale Demokratie unter Druck geraten ist. ({5}) Von besonderer Bedeutung sind Kinderrechte zudem dann, wenn Kinder und Jugendliche gefährdet sind, Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch nehmen oder in familiengerichtlichen Verfahren gehört werden. Das Kindeswohl muss dabei immer vorrangig beachtet werden. Dazu müssen beispielsweise die Qualifizierung und Ausstattung der mitwirkenden Fachleute verbessert werden. Das haben wir uns im Koalitionsvertrag auch ausdrücklich vorgenommen. ({6}) Schließlich: Die Digitalisierung, die unsere Koalition übergreifend voranbringen will, fordert auch uns Familienpolitiker. Es braucht Schutzregelungen vor Cybermobbing, sexueller Gewalt aus dem Netz, Suchtgefahren, Ausbeutung und vielem mehr. Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, diese Koalition wird die Familiengerechtigkeit in unserem Lande weiter verbessern. Ich sage jetzt eines ganz bewusst an die Adresse von links und rechts in diesem Hause. Wenn man Ihnen – nicht nur in dieser Debatte, sondern auch in vorherigen Debatten heute – zuhört, dann könnte man manchmal den Eindruck gewinnen, wir lebten in einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft ({7}) ohne Herz, Familien seien vergessene Orte von Jammer und Leid und Kinder nicht willkommen. ({8}) Ich will hierzu gerne zwei internationale Vergleiche erwähnen – dann bin ich auch sofort fertig –: Nach dem „Global Youth Development Index and Report“ von 2016, der 183 Staaten untersucht hat, haben Jugendliche in Deutschland die weltweit besten Zukunftschancen, gemessen an Gesundheit, Wohlbefinden, Bildung, Beschäftigungsaussichten, Teilhabe etc. Der UNICEF-Report „Building the Future“ von 2017 mit ähnlichen Parametern gibt Kindern in Deutschland den zweiten Platz unter den untersuchten Ländern. Das heißt nicht, dass wir nichts mehr zu tun hätten. Das heißt aber, dass sich die Mehrzahl der Familien in dieser Gesellschaft engagiert und selbstbewusst ihren Aufgaben stellt, diese Gesellschaft zusammenhält und darin eine großartige Arbeit macht. Die Familien brauchen dennoch unsere Unterstützung; aber wir müssen nicht alles auf den Kopf stellen. Diese Leitidee spiegelt sich sehr klar in unserem Koalitionsvertrag, aber bereits auch in unserem Haushalt 2018 wider: mehr Geld für Kinder, mehr Geld für Geringverdiener, mehr Geld für Alleinerziehende, mehr Zeitflexibilität für Eltern, mehr Betreuungsflexibilität für Kinder, mehr Zeit füreinander, mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft. Das ist ein guter Haushalt, den auch ich aus Überzeugung zur Zustimmung empfehlen kann. Ich freue mich auf den nächsten. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und für Ihre Geduld. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 17 – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend – in der Fassung des Ausschusses. Wer stimmt für diesen Einzelplan? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Er ist mit der Mehrheit von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Damit ist der Einzelplan 17 beschlossen.

Dr. Birgit Malsack-Winkemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004813, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Beim Teilhaushalt Gesundheit gibt es bislang keine Statistiken und Auswertungen zu flüchtlingsbedingten Kosten im Zusammenhang mit dem Gesundheitsfonds. Das ist unfassbar; denn der Gesundheitsfonds wurde bereits 2009 mit einer jährlichen Zuzahlung des Bundes bis zu 14,5 Milliarden Euro, derzeit 14,25 Milliarden Euro, eingerichtet. Damals aber war mit einem Flüchtlingsstrom in Millionenhöhe nicht zu rechnen. Die Flüchtlinge werden nach ihrer Anerkennung, sofern sie keiner Arbeit nachgehen, durch ALG II, besser bekannt als Hartz IV, unterstützt, ({0}) und für jeden dieser anerkannten Flüchtlinge zahlt der deutsche Steuerzahler eine monatliche Pauschale von 98 Euro in den Gesundheitsfonds. Sagt da nicht der logische Menschenverstand, dass diese Kosten allein schon wegen der hohen Zahl der anerkannten Flüchtlinge erheblich angestiegen ({1}) und Beitragserhöhungen bei der gesetzlichen Krankenversicherung oder erhöhte Ausgaben durch den Bund, also den Steuerzahler, die notwendige Folge sind? Dennoch hält es diese Regierung für überflüssig, diese offensichtlich erheblichen Kosten, die uns alle treffen, im Einzelnen zu ermitteln. Welch ein Zeugnis von Inkompetenz und Verantwortungslosigkeit gegenüber jedem Bürger unseres Landes! ({2}) Jeder Steuerzahler muss jedes Jahr bis ins kleinste Detail, nämlich bei seiner Steuererklärung, angeben, was er wo verdient, damit dem Staat kein Cent an Steuerreinnahmen entgeht. Das aber ist nur so lange recht und billig, wie der Staat und besonders die hierfür verantwortlichen Politiker keine Mühe scheuen, die Ausgaben mit gleicher Energie wirtschaftlich sinnvoll zu gestalten. Dazu sind natürlich sämtliche Kosten zu ermitteln, für die der deutsche Steuerzahler aufzukommen hat. ({3}) Selbstverständlich gilt das auch für die flüchtlingsbedingten Kosten im Zusammenhang mit dem Gesundheitsfonds. Ja, das sind die Forderungen der AfD, meine Damen und Herren. Denn nur so können wir beurteilen, ob wir uns diese Ausgaben überhaupt leisten können. Denn was nützt ein Schiff, das untergeht, nur weil wir zu viele an Bord genommen haben? ({4}) Dasselbe gilt für unsere freiwilligen internationalen Zahlungen. Im Haushaltsausschuss haben alle anderen Parteien unseren Antrag, die ursprünglich geplanten freiwilligen 60 Millionen Euro an die WHO zugunsten von Impfstoffen für die eigene Bevölkerung komplett zu streichen, abgelehnt. ({5}) Das sollten alle Wähler wissen. Im Gegenteil: Deutschlands freiwillige Zahlungen wurden anschließend sogar um weitere 5 Millionen Euro, also auf insgesamt 65 Millionen Euro, aufgestockt. ({6}) Meine Damen und Herren, es ist verantwortungslos, dauerhaft mehr als Pflichtbeiträge zu bezahlen; denn diese orientieren sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines jeden Landes. ({7}) Jedes Land, das freiwillig dauerhaft mehr zahlt, belastet seine eigene Bevölkerung im Verhältnis zu den Ländern, die das nicht tun, überproportional; ({8}) denn die regelmäßige Folge ist, dass die Bitten nach weiteren Zahlungen immer häufiger werden. Ja, die Fragenden wissen, dass unsere Politiker fast schon im Reflex auf internationale Geldforderungen nahezu immer positiv reagieren. ({9}) Das sogenannte Deutschlandbild nach außen soll verschönert werden, und das mit dem Geld anderer Leute, nämlich mit Ihrem Geld, liebe Bürgerinnen und Bürger. ({10}) Ein verantwortungsvoller Staatsmann aber – ich spreche hier bewusst nicht von einem bloßen Politiker – ist zuerst den Interessen seiner eigenen Bevölkerung verpflichtet. Diesen Interessen hat er zu dienen. Ein solcher Staatsmann blickt auf die übliche und regelmäßige Folge seines Tuns. Dauerhafte Empfänger freiwilliger Leistungen lehnen sich regelmäßig entspannt im Sessel zurück; denn wenn die anderen für sie arbeiten, müssen sie selbst nichts tun. Warum denn auch? Genauso sieht es seit Jahren mit Deutschlands freiwilligen internationalen Zahlungen aus, und es werden jährlich mehr. Mittlerweile zahlen wir insgesamt fast 3,3 Milliarden Euro an internationale Organisationen – ohne die Zahlungen an die EU wohlgemerkt – und sind allein damit weltweit an zweiter Stelle nach den USA. Wer das Geld so gern freiwillig im Ausland hinauswirft, hat natürlich keines mehr für die Probleme im eigenen Land, auch wenn sie noch so groß sind. Allein die Pflegeversicherung weist eine Unterfinanzierung von rund 3 Milliarden Euro auf. Weiter verweise ich auf eine Metaanalyse, über die das „Deutsche Ärzteblatt“ am 23. Mai 2018 berichtete. Danach hat jeder vierte Migrant in Europa antibiotika­resistente Bakterien. Zwar fand man im Rahmen der Studie laut dem Ärzteblatt keine Hinweise auf eine Ansteckung der einheimischen Bevölkerung. Nach logischem Menschenverstand wäre es jedoch ein Wunder, wenn sich die einheimische Bevölkerung nicht ansteckt, wenn die Migranten unter ihr sind. ({11}) Wenn jeder vierte Migrant mit antibiotikaresistenten Bakterien besiedelt oder infiziert ist, ({12}) ist nicht nur eine gründliche Gesundheitsuntersuchung jedes Migranten notwendig, sondern auch eine Form der Quarantäne der erkrankten Migranten zum Schutz der einheimischen Bevölkerung. ({13}) Denn unsere Bevölkerung hat einen Anspruch darauf, dass die eigene Regierung sie vor eingeschleppten Krankheiten schützt, ({14}) und vor allem, wenn sie weiß, dass mit antibiotikaresistenten Krankheiten zu rechnen ist. ({15}) Und wenn diese Regierung das unterlässt, hat sie ihre eigentliche Aufgabe verfehlt – absolut verantwortungslos. ({16}) Danke schön. ({17})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner ist für die CDU/CSU der Kollege Josef Rief. ({0})

Josef Rief (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004136, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste auf der Tribüne und zu Hause! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundeshaushalt steht, so auch der sehr gute und auf die Zukunft ausgerichtete Gesundheitshaushalt. Ich danke Minister Spahn und seinem Haus für die dieses Jahr doch schnelle und gründliche Zuarbeit. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Fraktionen und den Abgeordnetenbüros sowie den Berichterstattern danke ich für die Zusammenarbeit. ({0}) Mit diesem Haushalt sorgen wir auch weiter für eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. ({1}) Wir schaffen die Rahmenbedingungen für die Bewirtschaftung von gut 380 Milliarden Euro – das ist immerhin mehr als der gesamte Bundeshaushalt –, die wir Beitrags- und Steuerzahler für Gesundheit und Pflege jährlich ausgeben. Auch wenn uns die Opposition – wir haben ja gerade etwas gehört – immer wieder anderes weismachen will: Wir haben einen sehr hohen Standard; jeder hat das Recht auf eine Krankenversicherung. Wir haben trotz strenger Regeln auch Wettbewerb, der finanzielle Spielräume für die Bürgerinnen und Bürger eröffnet, Fortschritt ermöglicht. Und vor allem: Alle Patienten profitieren davon. Wir brauchen weiter Medizin- und Arzneimittelforschung in Deutschland, damit wir für die Patienten immer Medikamente auf hohem Niveau bereitstellen können. Erst vor zwei Wochen war ich beim Spatenstich für ein neues Entwicklungszentrum von Boehringer Ingelheim in meinem Wahlkreis – mit einem Investitionsvolumen von immerhin 230 Millionen Euro – dabei. Solche Projekte müssen wir weiter unterstützen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, unser Gesundheitssystem wäre aber nichts ohne die vielen Mitarbeiter, die ihrer verantwortungsvollen Arbeit – oft im Schichtdienst, rund um die Uhr, an sieben Tagen die Woche – nachgehen. Dafür will ich allen Männern und Frauen Danke sagen. ({2}) Wir legen mit 2 Millionen Euro die Pflegekampagne wieder auf, mit der wir für den Pflegeberuf werben. In der Pflege brauchen wir Menschen mit Leidenschaft für den Beruf und mit Liebe für die Menschen. Das kann nicht jeder. Dieser Beruf verdient viel mehr Anerkennung und auch eine bessere Bezahlung. ({3}) Auch für mehr Landärzte müssen wir dringend etwas tun. Ich danke Herrn Minister Spahn, dass er diesen Punkt ganz oben auf seiner Agenda hat, wie wir es im Koalitionsvertrag vereinbart haben. Schon jetzt gibt es vor Ort viel Unterstützung, wenn eine Ärztin oder ein Arzt sich in einer Gemeinde niederlässt; insgesamt fehlt aber noch die Bereitschaft vieler junger Ärzte. Mit diesem Haushalt wollen wir mit der Förderung von Modellstudiengängen zur Ausbildung von Ärzten für den ländlichen Raum beginnen und sehen dafür in dieser Wahlperiode insgesamt 4,5 Millionen Euro vor. Wir wissen heute, dass eine wohnortnahe hausärztliche Versorgung ein wichtiger Baustein der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und zur Vermeidung von Abwanderung in Ballungsräume ist. Gesundheitspolitik, meine Damen und Herren, ist eben auch Struktur- und Wirtschaftspolitik. Der Einzelplan des Bundesgesundheitsministeriums ist mit etwas mehr als 15 Milliarden Euro ein mittelgroßer Haushalt. Der übergroße Teil des Budgets geht für versicherungsfremde Leistungen an den Gesundheitsfonds. Das ist auch richtig so. Leistungen wie die beitragsfreie Kindermitversicherung in der Krankenkasse sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Auch in diesem Jahr fließen wieder 14,5 Milliarden Euro für derartige Leistungen an die gesetzlichen Krankenkassen. Ich weiß: Manchem in der Opposition ist das nicht genug. Es sei aber der Hinweis gestattet, dass dieser Betrag in den letzten Jahren, von 2014 an, um 4 Milliarden Euro angestiegen ist. Und: Würden wir die Bürgerversicherung einführen, würde dieser Betrag bei weitem nicht ausreichen. ({4}) Steigende Ausgaben verzeichnen wir auch bei der staatlichen Zulage für den Abschluss privater Pflegezusatzversicherungen mit 60 Millionen Euro jährlich. Über 50 Millionen Euro gehen in die Prävention und Aufklärungsarbeit, darunter mehr für Aufklärung über sexuell übertragbare Krankheiten und in die Cannabisprävention. Cannabis wird von vielen unterschätzt. Untersuchungen zeigen, dass Cannabis eine gefährliche Einstiegsdroge ist, die wir nicht freigeben können, und dass mehr Aufklärung notwendig ist. ({5}) Meine Damen und Herren, ich kann nur jeden davor warnen, Cannabis zu unterschätzen. Ich habe Kinder, und ich weiß, was es heißt, wenn Cannabis zu einer normalen Droge am Wochenende oder, schlimmer noch, während der Schulzeit wird. ({6}) Mit 22 Millionen Euro zusätzlich werden wir uns bei der Weltgesundheitsorganisation, WHO, stärker engagieren. Im Gegensatz zu manchen freue ich mich, dass wir uns im Haushaltsausschuss darauf einigen konnten, die von Jens Spahn zugesagte Ebolasoforthilfe für die WHO mit 5 Millionen Euro zu unterstützen. Die internationale Gesundheit nimmt an Wichtigkeit zu. Gerade in einer stark globalisierten Welt machen Krankheiten – das wissen Sie – nicht an Landesgrenzen halt. 5 Millionen Euro Soforthilfe für Ebola ist gut angelegtes Geld. ({7}) Man stelle sich vor, was der Einsatz an einem deutschen Flughafen kosten würde, wenn Passagiere mit Ebolaverdacht ankommen würden. Meine Damen und Herren, in unserem Gesundheitssystem leisten täglich über 5 Millionen Menschen hervorragende Arbeit. ({8}) Der Einzelplan des Bundesgesundheitsministeriums sorgt für Stabilität und Weiterentwicklung. Die Alternativen der Opposition in der Bereinigungssitzung am Schluss waren doch sehr dürftig. Es gab nur einen einzigen Antrag, der zum Inhalt hatte, die versicherungsfremden Leistungen um 250 Millionen Euro zu kürzen. Das ist ein klassisches Linke-Tasche-rechte-Tasche-Nullsummenspiel; denn sonst würden wir die 250 Millionen Euro über höhere Beiträge statt über Steuermittel finanzieren müssen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ­Schopenhauer sagt: Gesundheit ist gewiss nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. In Anlehnung daran will ich sagen: Die Gesundheitspolitik der Koalition ist gewiss nicht alles, aber ohne unsere gute Gesundheitspolitik wäre alles nichts. Das muss auch die Opposition zugeben. Vielen Dank. ({9})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Karsten Klein für die FDP. ({0})

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es mag den einen oder anderen jetzt irritieren, aber „die schönste Nacht“ von Horst Seehofer – Selbstzitat – hat ziemlich genau vor 15 Jahren im August 2003 stattgefunden. ({0}) Damals hat er zusammen mit Ulla Schmidt von der SPD – sie damals Gesundheitsministerin, er Gesundheitsexperte der Union – einen wichtigen Baustein der Agenda 2010, nämlich die Gesundheitsreform, verhandelt, und zwar die Abschaffung der paritätischen Beitragszahlung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Das war damals ein wichtiger Baustein, ein elementarer Bestandteil der Agenda 2010. Kerngedanke der Agenda 2010 war, Arbeit zu verbilligen und Beschäftigung zu ermöglichen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die neue Große Koalition und die Bundesregierung – Herr Spahn, Sie mussten das jetzt leider in Gesetzestext gießen – gehen genau den umgekehrten Weg. Nach 15 Jahren Erfolg der Agenda 2010 haben Sie einen weiteren wichtigen Baustein abgewickelt. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das wird in die falsche Richtung führen. ({2}) Damals haben Persönlichkeiten wie Angela Merkel, Horst Seehofer, Volker Kauder, Carsten Schneider und auch Olaf Scholz zugestimmt. All die waren damals überzeugt von der Richtigkeit dieser Politik, überzeugt davon, dass man so die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Arbeitsplätze herstellt. Und heute tun Sie genau das Gegenteil. Was hat Sie geritten? ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil das bei vielen immer noch nicht angekommen ist, vor allem nicht auf der linken Seite dieses Hauses, sage ich: Die Lohnstückkosten in Deutschland – darum ging es damals eigentlich – sind nach wie vor auf höchstem Niveau im internationalen Vergleich. Das sollten wir auch bei hohem Beschäftigungsstand nicht aus dem Auge verlieren. ({4}) Es gibt genau fünf Länder in der Welt, die höhere Lohnstückkosten haben. Sie sollten sich die Statistik richtig anschauen und hier nicht irgendwelche Sachen behaupten. ({5}) Kollege Rief, ich erkläre gerne noch einmal unseren Antrag zum Thema Zuschüsse in die gesetzliche Krankenversicherung. Minister Spahn hat hier ja einen richtigen Vorschlag in die politische Diskussion eingebracht, nämlich, die exorbitanten Rücklagen in den Krankenversicherungen zurückzuführen. Sie haben dazu jetzt auch einen Kabinettsbeschluss. Sie haben aber auch den Auftrag, andere Stellmechanismen im Gesundheitssystem zu reformieren. Es wird in diesem Jahr also nicht zur Reduzierung dieser Rücklage und den damit verbundenen Einfluss auf die Krankenkassenbeiträge kommen. Deshalb haben wir als Serviceopposition Ihnen eine Hilfestellung gegeben. Wir haben gesagt: Es liegen über 9 Milliarden Euro in der Rücklage des Gesundheitsfonds, 4,5 Milliarden Euro sind aber nur für die Mindestliquiditätserhaltung nötig; deshalb können wir den Zuschuss kürzen, die Rücklage zurückführen und so die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler entlasten. ({6}) Herr Kollege Rief, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist sehr bedauerlich, dass Sie das weder verstanden noch nachvollzogen haben. Was uns Liberalen beim Haushaltsplan des Bundesgesundheitsministeriums auch wichtig ist, ist der Bereich Pflege. Wir haben den Antrag gestellt, dass die Mittel für die Bewerbung des Pflege-Bahrs erhöht werden, weil es auch im Bereich Pflegeversicherung wichtig ist, dass privat vorgesorgt wird. ({7}) Deshalb wünschen wir uns da mehr Aktivitäten. Wir haben schon einige Andeutungen gesehen; aber wir müssen hier noch mehr tun. ({8}) Genauso wichtig ist gerade für den Pflegebereich – das habe ich heute schon in einer anderen Rede angesprochen; liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, tun Sie uns den Gefallen –, dass ein gutes, nachhaltiges und durchsetzungsfähiges Einwanderungsgesetz ausgehandelt wird. ({9}) Das, was dazu im Koalitionsvertrag steht, ist die Tinte nicht wert, mit der es geschrieben wurde. Da muss deutlich mehr vereinbart werden, damit wir Fachkräfte in dieses Land holen können. Herr Minister, Sie haben neue Stellen für die Digitalisierung im Gesundheitsbereich genehmigt bekommen. Das liegt uns Freien Demokraten besonders am Herzen. Sie haben hier unsere volle Unterstützung. Nutzen Sie die Stellen aber auch, um im Bereich Telemedizin und bei anderen Sachen voranzukommen. ({10}) Zum Schluss möchte ich noch einmal auf einen Antrag von uns zurückkommen. Herr Minister, ich finde es einfach nur sehr bedauerlich, dass die Koalitionsfraktionen Sie nicht unterstützen wollten. In den letzten Tagen wurden wir schon ein bisschen misstrauisch oder ängstlich, weil wir so wenige politische Äußerungen von Ihnen gehört haben. Das wäre angesichts der aktuellen Situation vor allem in der Union wahrscheinlich dringend nötig gewesen. Wir haben einen Antrag eingebracht, damit Sie Mittel für die allgemeine politische Arbeit zur Verfügung gestellt bekommen, weil Sie sich gerne zu Themen äußern, die wenig mit dem Gesundheitsbereich zu tun haben. ({11}) Wir hätten das gerne weiter unterstützt, weil Sie oft die richtigen Anstöße innerhalb der Union geben, Anstöße für das Kanzleramt, die dringend nötig sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, leider haben Sie das abgelehnt. ({12}) Ganz zum Schluss. Eigentlich wollte ich, Frau Kollegin Malsack-Winkemann, nichts mehr zu diesem Thema sagen; aber ich kann das einfach nicht tun. Es ist wirklich unmöglich, wie Sie sich hier gebärden. ({13}) Wer jedes Mal reflexartig Gelder für Migranten, für Flüchtlinge im Gesundheitssystem oder in anderen Bereichen streichen will, wer die Unterstützung für die Weltgesundheitsorganisation zurückfahren will, der handelt nicht verantwortungsvoll, sondern verantwortungslos, und das ist das, was man Ihnen vorhalten muss. ({14}) Es ist doch nicht so, dass Krankheiten hier an der Landesgrenze haltmachen, sondern die kommen natürlich hierher. Das ist eine internationale, eine gemeinschaftliche Aufgabe. Das sollten Sie – neben Ihren sonstigen populistischen Ansätzen – endlich mal verstehen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({15})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächste Rednerin für die Fraktion der SPD ist die Kollegin Sabine Dittmar. ({0})

Sabine Dittmar (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004261, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach drei Haushaltspolitikerinnen kommt nun die Gesundheitspolitikerin, die sich mehr den Versorgungsfragen widmen wird. Das Haushaltstechnische überlasse ich der Kollegin Steffen. Meine Damen und Herren, eine unserer wichtigsten Aufgaben in dieser Wahlperiode ist das Thema Pflege. Mit einem Sofortprogramm werden wir dafür sorgen, dass es zeitnah spürbare und deutliche Verbesserungen für die Beschäftigten in der Alten- und Krankenpflege gibt. Zufriedene, motivierte und qualifizierte Mitarbeiter sind das A und O und die wertvollste Ressource in der professionellen Pflege. ({0}) Deshalb sind die 13 000 zusätzlichen und komplett von der gesetzlichen Krankenversicherung finanzierten Stellen in der stationären Altenpflege, also ohne dass die Heimbewohner mehr zahlen müssen, ein wichtiger erster Schritt und ein wichtiges Signal. Ein genauso starkes Signal ist die geplante vollständige Refinanzierung jeder zusätzlichen Pflegestelle im Krankenhaus, das Herausrechnen der Pflegekosten aus den Fallpauschalen und die Vereinbarung von krankenhausindividuellen Pflegebudgets. Allerdings, Kolleginnen und Kollegen, dürfen wir bei diesen Maßnahmen die ambulante Pflege und die Rehakliniken nicht aus dem Blick verlieren; denn wir wissen, dass hier die Personalkosten nach einer ganz anderen Abrechnungssystematik berechnet werden. Deshalb ist darauf zu achten, dass es nicht zu Abwanderungsprozessen kommt. ({1}) Damit, meine Damen und Herren, aus diesen finanzierten Stellen dann letztendlich auch besetzte Stellen werden, ist es wichtig, dass heute der Startschuss für die Konzertierte Aktion Pflege der Bundesminister Giffey, Heil und Spahn gegeben worden ist. ({2}) Dabei werden die wichtigen Akteure mitgenommen: Von der Kommune über die Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber, über die Kirchen, über die Kostenträger, über die Leistungsträger bis hin zu den Pflegeverbänden; denn, meine Damen und Herren, nur indem alle gemeinsam Verantwortung wahrnehmen, werden wir die Situation für die Pflegebedürftigen und für die Beschäftigten in der Pflege verbessern. ({3}) Für uns Sozialdemokraten ist dabei von zentraler Bedeutung gute Bezahlung und ein flächendeckender, allgemeinverbindlicher Tarifvertrag. ({4}) Es gilt natürlich, auch Maßnahmen zur Weiterqualifizierung zu entwickeln, die Rückkehr aus Teilzeit in Vollzeit attraktiver zu machen und Aussteiger zurückzugewinnen. Fakt ist, dass wir hier enorme Ressourcen haben. Wenn es gelänge, die leider viel zu hohe und oftmals unfreiwillig zu hohe Teilzeitquote in der Pflege auf den Durchschnitt zu reduzieren, könnten wir 70 000 Vollzeitstellen in der stationären Altenpflege besetzen. Hier sind natürlich auch die Arbeitgeber in der Pflicht, für entsprechende Arbeits- und Rahmenbedingungen zu sorgen. So sind verlässliche Dienstpläne und ein gutes betriebliches Gesundheitsmanagement ganz sicher kein Hexenwerk. ({5}) Mir ist natürlich bewusst, dass wir für die Sicherung unseres wirtschaftlichen Erfolgs, aber auch für die Stabilisierung unserer Sozialsysteme nicht auf ausländische Fachkräfte verzichten können. Das betrifft auch die Pflege, aber nicht nur die Pflege. Deshalb ist es dringend notwendig, dass wir ein gutes Einwanderungsgesetz bekommen. Ich hoffe sehr, dass der Innenminister bald in den Arbeitsmodus zurückfindet. ({6}) Meine Damen und Herren, das nächste große Gesetzgebungsvorhaben haben wir nach der Sommerpause vor uns; das ist das Versichertenentlastungsgesetz. Ich kann es gar nicht oft genug wiederholen – Herr Kollege Klein, hören Sie gut zu; es war ein großer Erfolg der SPD in den Koalitionsverhandlungen –: Ab 1. Januar 2019 werden die Krankenversicherungsbeiträge wieder paritätisch zwischen Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmern, Rentnerinnen, Rentnern und den Arbeitgebern aufgeteilt. ({7}) Das bedeutet eine Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um fast 7 Milliarden Euro. ({8}) Was in der Debatte bislang viel zu wenig Beachtung findet, ist die Tatsache, dass wir mit diesem Gesetz auch den Zeitsoldaten den Weg in die gesetzliche Krankenversicherung öffnen. Unsere Soldatinnen und Soldaten verrichten einen harten, unverzichtbaren Dienst im In- und im Ausland. Dafür gebührt ihnen nicht nur Dank, sondern auch eine gute Versorgung bei Krankheit und im Alter. Hier, Herr Minister, fehlt in Ihrem Entwurf allerdings noch eine Lösung für Altfälle und auch eine Lösung für den Zugang der Soldatinnen und Soldaten zur Krankenversicherung der Rentnerinnen und Rentner. Die SPD wird im parlamentarischen Verfahren Vorschläge vorlegen, wie das im Sinne der Soldaten verbessert werden kann. ({9}) Ich hoffe, dass wir hier eine gemeinsame Lösung finden. Vielleicht gelingt es ja auch, eine gemeinsame Lösung beim Dauerthema Direktversicherungen zu finden. ({10}) Wir sind bereit und haben Vorschläge unterbreitet. Teile der Unionsfraktion zeigen sich einsichtig. Vielleicht kann ja auch der Rest noch überzeugt werden. ({11}) Meine Damen und Herren, wir haben ein gutes Gesundheitssystem; das ist schon erwähnt worden. Aber alles kann kontinuierlich verbessert werden. Deshalb bin ich für die Vorschläge, die der Sachverständigenrat gestern zur Weiterentwicklung vorgelegt hat, dankbar. Das Papier liefert ganz wichtige Impulse. ({12}) Die Vorschläge zur Verbesserung der sektorenübergreifenden Versorgung, die Ausgestaltung der Notfallversorgung und die Steuerung von Patientenwegen werden wir uns ganz genau anschauen. Wir wollen, dass sich die Patientinnen und Patienten unabhängig von ihrem Wohnort und ihrem Versichertenstatus darauf verlassen können, dass sie einen barrierefreien und indikationsspezifischen Zugang zu einer guten medizinischen, rehabilitativen, präventiven und pflegerischen Versorgung haben, und zwar überall in der Bundesrepublik. ({13}) Wir müssen dafür sorgen, dass Ärzte, Ärztinnen, Physiotherapeuten, Physiotherapeutinnen, Ergotherapeuten, Logopäden und Hebammen dort zur Verfügung stehen, wo wir sie brauchen. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir die Schulgeldfreiheit für die Gesundheitsfachberufe hinbekommen, dass wir die Lotsenfunktion der Haus­ärzte stärken und dass es einen zeitnahen Zugang zur fachärztlichen Behandlung gibt. Daran arbeiten wir mit aller Kraft. ({14}) Unser Ziel ist es auch, dass aus den Schnittstellen zwischen Sektoren und Disziplinen echte Nahtstellen werden und wir eine Versorgung aus einem Guss bekommen. Wichtig ist mir hier insbesondere die Vernetzung zwischen Zentren für schwerwiegende, komplexe, seltene Erkrankungen, Häusern der Grund- und Regelversorgung und ambulanten Schwerpunktpraxen, sodass wir die spezialmedizinische Kompetenz in der Fläche verfügbar machen, damit beispielsweise ein krebskranker Patient heimatnah nach neuesten Erkenntnissen behandelt werden kann. Abschließend, meine Damen und Herren, freue ich mich natürlich, dass es im Haushalt auch gelungen ist, die Haushaltsansätze für „Jugend gegen AIDS“ und für die Cannabisprävention zu erhöhen. Aber lassen Sie sich eines gesagt sein: Solange wir die Cannabiskonsumenten weiterhin kriminalisieren, stigmatisieren und strafrechtlich verfolgen, wird eine effiziente Präventionsarbeit kaum von großem Erfolg geprägt sein. ({15}) Deshalb: Lassen Sie uns eine ideologiebefreite Debatte über dieses Thema führen. ({16}) Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wünsche noch einen schönen Abend. ({17})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächste Rednerin ist Dr. Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleich drei Bundesminister treten gemeinsam vor die Presse und kündigen eine „Konzertierte Aktion Pflege“ an. ({0}) Ich sage Ihnen: Es darf nicht bei Ankündigungen bleiben; denn die Lage in der Pflege ist prekär, meine Damen und Herren. ({1}) Für die Beschäftigten ist vieles unzumutbar geworden. Darum freue ich mich, dass in vielen Krankenhäusern in unserem Land inzwischen ein Kampfgeist eingezogen ist. ({2}) An der Berliner Charité haben Pflegekräfte mit Streiks feste Personalschlüssel durchgesetzt, und immer mehr Beschäftigte in Kliniken begehren gegen die schlechte Bezahlung und gegen die Verdichtung der Arbeit auf. Mancher Krankenhausbetreiber versuchte gar, sich vor Gericht gegen Streiks zu wehren, und verlor – und es ist gut so, dass diese Krankenhausbetreiber verloren haben. ({3}) Vor Beginn der Gesundheitsministerkonferenz in Düsseldorf haben 4 000 Pflegekräfte für mehr Personal in Krankenhäusern und Altenheimen demonstriert. Unter dem Motto „Mehr von uns ist besser für alle!“ forderten die Beschäftigten von Kliniken und Altenpflegeeinrichtungen gesetzliche Vorgaben zur Personalausstattung, Sofortprogramme zur Entlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und mehr Geld vor allem in der Altenpflege – richtige und wichtige Forderungen. ({4}) Herr Minister Spahn, Sie haben diese Proteste nun als verständlich bezeichnet und Abhilfe versprochen. Verständnis ist das eine; aber es muss natürlich dringend gehandelt werden. Denn der Pflegenotstand ist kein unerwartetes Naturereignis, sondern er war eine absehbare Entwicklung. Jetzt, da sich viele Beschäftigte nicht mehr mit der Misere abfinden und protestieren, kündigen Sie Aktionen an. Ich hoffe, dass die Beschäftigten in der Pflege weiter Druck machen. Die Linke steht zu den Beschäftigten in der Pflege, meine Damen und Herren. ({5}) – Es ist ja gut, wenn auch Sie zu ihnen stehen; aber ich spreche für Die Linke. ({6}) Sie, Herr Spahn, haben augenscheinlich auch verstanden, dass es kaum mehr möglich ist, in Deutschland ein Krankenhaus oder eine Pflegeeinrichtung ohne Arbeitskräfte aus dem Ausland zu betreiben. Ich finde, es wäre eine Frage des Anstands, auch eine Öffentlichkeitskampagne zu machen, sich dafür zu bedanken und der Öffentlichkeit zu zeigen, dass es ohne diese Menschen gar nicht möglich wäre und dass unser Gesundheitssystem ohne diese Menschen schon längst kollabiert wäre. Ich glaube, das gehört auch zur Wahrheit. ({7}) Wir können uns jeden Bereich im Gesundheitssystem anschauen. Wer unser Gesundheitssystem dem freien Spiel des Marktes überlässt, handelt verantwortungslos gegenüber den Patientinnen und Patienten und den Beschäftigten. ({8}) Schon im Jahre 2016 warnte der Deutsche Ethikrat: Das Primat der Ökonomie an Kliniken gefährdet das Patientenwohl. – Union und SPD wollen aber weiter einen Konkurrenzkampf unter den Krankenkassen, den Krankenhäusern und den niedergelassenen Ärzten. Das ist aus gesamtgesellschaftlicher Sicht aber verdammt teuer. ({9}) Konkurrenz belebt vielleicht das Geschäft, aber diese Art von Konkurrenz gefährdet den Zustand unseres Gesundheitssystems. ({10}) Sie, Herr Spahn, haben erklärt, dass Leistungsverbesserungen auch zu höheren Kosten führen würden. Das muss aber nicht sein. Eine Bürgerversicherung für alle wäre kostengünstiger. Wir haben berechnet, dass eine Bürgerversicherung für alle dazu führen würde, dass sogar die Beiträge gesenkt werden könnten, und es gibt ja viele Menschen hier – auch in diesem Saal –, die das richtig finden. Packen wir es endlich an! Setzen wir endlich die Bürgerversicherung durch! ({11}) Herr Spahn, natürlich wollen Sie diese Debatte nicht. Sie sagten – ich darf Sie kurz zitieren –: „Krankheiten unterscheiden nicht zwischen gesetzlich und privat.“ Das ist richtig, die Krankheiten unterscheiden nicht zwischen gesetzlich und privat, aber Krankenkassen und Ärzte. Der Gesundheitswissenschaftler Professor ­Rosenbrock hat nachgewiesen, dass arme Menschen in Deutschland 11 bis 15 Jahre eher sterben als Menschen mit einem hohen Einkommen. Eine Zweiklassenmedizin wirkt also lebensverkürzend, und ich finde, das muss endlich beendet werden. ({12}) Zum Schluss eine gute Botschaft: Die Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung ab 1. Januar 2019 ist ein wirklicher Erfolg. Ich habe da eine völlig andere Auffassung als die FDP. Die Partei Die Linke und die Fraktion Die Linke haben sich seit Abschaffung der Parität, seit 2003, im Rahmen der Agenda 2010 dafür eingesetzt, dass das endlich wieder in Ordnung gebracht wird. Wir bleiben dran; wir haben einen langen Atem, auch bei der Bürgerversicherung. Wir kämpfen so lange dafür, bis sie durchgesetzt ist. Vielen Dank. ({13})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächste Rednerin ist Marie Klein-Schmeink für Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Maria Klein-Schmeink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004072, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße übrigens Maria Klein-Schmeink – so viel Zeit muss sein. ({0}) Heute reden wir über einen Gesundheitshaushalt, der mit 4,46 Prozent nur einen Bruchteil des Gesamthaushaltes ausmacht, aber auch nur einen Bruchteil dessen, was wir im Gesundheitswesen ausgeben. Trotzdem will ich heute an dieser Stelle über diesen Teil reden, weil es sich lohnt, darüber zu reden. ({1}) Es geht nämlich darum, wie viele der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben wir tatsächlich über steuerfinanzierte Mittel leisten, und da, Herr Minister, muss ich sagen, bin ich unruhig geworden; denn ich habe mir den Haushalt angeschaut und gesehen: Der ist vom Steuerzuschuss her gleich geblieben, und auch in der mittelfristigen Finanzplanung sehe ich nur einen minimalen Aufwuchs. Das zeigt ganz deutlich: Es wird wieder dazu kommen, dass die Gemeinschaft der gesetzlich Versicherten viele, viele Aufgaben stemmen muss, obwohl es sich um gesamtgesellschaftliche handelt. ({2}) Das ist nicht in Ordnung, und das ist etwas, was ich Ihnen ins Stammbuch schreiben will. Ich nenne mal einige dieser Aufgaben und einige Teile des Reformstaus, die wir nach acht Jahren Großer Koalition und vier Jahren Schwarz-Gelb sehen: Ich nenne die Fachkräftesicherung, ich nenne die Digitalisierung, ich nenne das ewige Thema der Krankenhausinvestitionen. An keiner Stelle sind wir weitergekommen. ({3}) Sie, Herr Minister, haben letztens von einem Vertrauensverlust gesprochen, und ich kann Ihnen sagen: Der gilt nicht nur für die Pflege, der gilt auch für sämtliche Beschäftigten im Gesundheitswesen, allen voran den nichtärztlichen Berufen. In der Tat haben wir nämlich eine Situation, in der wir es uns leisten, dass Menschen, die unbedingt erforderlich sind und hohe Qualifikationen haben, Schulgeld für ihre Ausbildung zahlen müssen – nicht dass sie nicht vergütet werden, sondern sie bringen noch Geld mit. Das ist ein Anachronismus, der abgestellt gehört. Dafür müssen wir gesamtgesellschaftliche Mittel vorsehen. ({4}) Gute Versorgung braucht verlässliche und nachhaltige Finanzierung. Ja, das ist klar. Aber sie muss auch gerecht finanziert sein. Die Bürgerversicherung ist ein wichtiger Baustein. Der andere wichtige Baustein ist, dass wir Steuermittel aufbringen, um diese Aufgaben zu erfüllen. ({5}) Ich nenne da einmal die Digitalisierung, eines Ihrer Lieblingsthemen, Herr Minister. Wo sind die Mittel, die steuerfinanziert aufgebracht werden, für den Anschluss der Krankenhäuser an die IT? Wo sind die Mittel für die vielen Physiotherapiepraxen, die an die Digitalisierung angeschlossen werden? Ich sehe nichts, sondern ich sehe, dass das im nächsten geplanten Gesetz zur Pflegestärkung voraussichtlich wieder die Versichertengemeinschaft stemmen soll. Das ist nicht in Ordnung. Das gehört abgestellt. ({6}) Da müssen wir andere Prioritäten setzen und dafür sorgen, dass es gerecht und gesamtgesellschaftlich finanziert wird. Auf die weiteren Bereiche der Versorgung und der Pflege werden meine Kolleginnen eingehen. ({7})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Als Nächster spricht der Bundesminister Jens Spahn für die Bundesregierung. ({0})

Jens Spahn (Minister:in)

Politiker ID: 11003638

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesen Tagen ist es wichtig, dass wir zeigen: Die Regierung arbeitet, ({0}) das Parlament arbeitet. Das sollten wir mit aller Ernsthaftigkeit und der nötigen Demut tun, aber auch darüber reden, was wir hier tun und wo es gelingt, tatsächlich konkret zu Verbesserungen zu kommen. In einem solchen Prozess, in einer solchen Debatte, auch in der politischen Debatte, geht es auch darum, immer wieder vorzuleben, zu vermitteln: Hier arbeiten, beauftragt als Abgeordnete und Amtsträger, Bürgerinnen und Bürger auf Zeit ernsthaft an der gemeinsamen Sache, in diesem Fall vor allem an der Frage, wie wir Gesundheitsversorgung und Pflegeversorgung in Deutschland konkret im Alltag für viele spürbar besser machen. Das müssen wir so machen, dass wir in diesem Verfahren Expertenstimmen, viele Eingaben und Petitionen immer wieder hören und immer wieder wägen und dann alles am Ende hier in der Debatte im Deutschen Bundestag oder heute in der zweiten und dritten Lesung zu einem guten Ganzen zusammenfügen. Genau das ist der Weg – immer wieder aufs Neue –, um verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen; ({1}) verlorengegangenes Vertrauen und Zustimmung zu Politik und Demokratie. Das heißt im Gesundheitswesen ganz konkret, dass wir uns um die Dinge in einem System, in einem Gesundheitswesen kümmern, das jeden Tag – 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag – ein großes Leistungsversprechen abgibt: dass jeder in Deutschland die notwendige medizinische Versorgung bekommen kann, auf einem Niveau, wie es das – das wage ich zu behaupten – nur in wenigen anderen Ländern auf der Welt gibt. Gleichzeitig aber ist spürbar und erlebbar – das merken wir ja in vielen Gesprächen –, dass es eben zu oft nicht so gut ist, wie es sein soll. Da geht es um Wartezeiten bei einem Termin beim Haus- oder beim Facharzt – das sind eben nicht gefühlte Wartezeiten, sondern in vielen konkreten Situationen ganz reale –, da geht es um die Notfallversorgung, um flächendeckende Krankenhausstrukturen, Geburtshilfe, aber ganz besonders – das Thema ist hier angesprochen worden – um die Pflege. Sie haben die Demo vorletzte Woche in Düsseldorf angesprochen, wo wir am Rande der Gesundheitsministerkonferenz mit 4 000 Pflegekräften diskutiert haben, gesprochen haben. Es war zu spüren – da bin ich ganz bei Ihnen; das spüren wir ja alle –: ({2}) Es gibt in der Pflege eine massive Vertrauenskrise. Viele sagen: Ich habe gar nicht das Gefühl, dass ihr überhaupt eine Idee davon habt, was die Probleme sind und wie unser Alltag aussieht. – Dazu kommt, dass oft gar nicht mehr die Erwartung, das Vertrauen da ist, dass wir tatsächlich etwas an der Situation verändern wollen. Das ist genau der Grund, warum wir uns in dieser Koalition, in dieser Bundesregierung vorgenommen haben, hierauf einen starken Fokus zu legen. Mit Verlaub, Frau Lötzsch, wenn Sie in den letzten Wochen wahrgenommen hätten, was passiert ist, hätten Sie gesehen: Eine Woche nach dieser Demo haben wir das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz vorgelegt, mit dem wir ganz konkret in jeder Klinik jede zusätzliche Pflegestelle voll finanzieren werden. In der Altenpflege gibt es 13 000 neue Stellen, zum ersten Mal finanziert von der Sozialversicherung. Damit setzen wir Ausbildungsanreize, damit es mehr Ausbildungsstellen gibt. Wir haben in der letzten Woche die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung im Deutschen Bundestag beschlossen. Parallel debattieren wir die Finanzierungsverordnung, damit das Schulgeld ab dem 1. Januar 2020 endlich abgeschafft ist und Ausbildungsvergütungen gezahlt werden. Das sind ganz konkrete Maßnahmen aus den letzten Wochen, und es wäre schön, wenn Sie die mal zur Kenntnis nähmen, weil sie das Leben, den Alltag der Menschen ganz konkret besser machen. ({3}) Heute – auch das war ein wichtiges, ein starkes Signal – haben wir mit den Bundesministern von drei Ressorts – dem Bundesarbeitsminister Herrn Heil, der Bundesseniorenministerin Frau Giffey und dem Bundesgesundheitsminister – die Konzertierte Aktion Pflege begonnen. Wir haben dabei allen, die dankenswerterweise beteiligt sind – Arbeitgeber, Gewerkschaften, Berufsverbände, Kostenträger, Pflegebedürftige und ihre Vertretungen –, sehr klar gemacht: Wir wollen da kein Kaffeekränzchen abhalten. Wir haben auch keine „Kommissionitis“ – das soll jetzt nicht zwei, drei Jahre dauern –, sondern wir haben sehr konkret vereinbart, in fünf Arbeitsgruppen in maximal zwölf Monaten – idealerweise früher – zu folgenden Themen zu beraten: beim Thema Ausbildung über die Ausbildungsoffensive; wie wir konkret bei der betrieblichen Gesundheitsförderung, bei Abläufen in den Betrieben, in den Pflegeeinrichtungen vorankommen, wie wir zu einer flächendeckenden Tarifvergütung, zu einer besseren Bezahlung in der Pflege kommen bis hin zu der Frage, wie wir Anreize setzen, um Menschen, die aus der Pflege ausgestiegen sind, zu ermuntern, zurückzukehren, oder jene, die in Teilzeit arbeiten, für Vollzeitarbeit zu motivieren. Und ja, ein wichtiger Baustein, wenn auch nicht der allein seligmachende, ist, wie wir es schaffen können, auch Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. ({4}) Das sind sehr, sehr konkrete Maßnahmen. Die drei Bundesministerien haben heute gemeinsam mit denen, die in der Pflege Verantwortung tragen – da haben auch alle ihre Rolle zu spielen –, gesagt: Wir wollen problemlösungsorientiert an diesen Themen arbeiten. – Ich finde, das ist ein starkes Zeichen für die Pflege in Deutschland. ({5}) Wir haben genauso ambitioniert, wie wir mit Blick auf die Pflege gestartet sind, die Finanzfragen in den Blick genommen. Das Versichertenentlastungsgesetz, das eine deutliche Entlastung für Arbeitnehmer und Rentner bedeutet, ist angesprochen worden. Wir werden bei der Gesetzgebung übrigens gleichzeitig eine soziale Frage lösen, wenn es um den Mindestbeitrag für Selbstständige geht. ({6}) Wir haben – mit unterschiedlichen Fragestellungen, aber doch gemeinsam – die Einsetzung einer Kommission für ein modernes Vergütungssystem vereinbart. Wir haben schon verschiedene Verordnungen auf den Weg gebracht – von Schmerzmitteln bis hin zu der Möglichkeit, den HIV-Selbsttest als Heimtest zur Früherkennung zur Verfügung zu stellen und damit auch dort Prävention zu leisten. ({7}) Wenn Sie all das in den Blick nehmen, stellen Sie fest, dass in den ersten gut 100 Tagen im Bereich Gesundheit und Pflege viel Konkretes gelungen ist. Wir machen den Alltag von Menschen besser; das zeigen wir gerade in diesem Politikbereich. ({8}) Genauso gehen wir jetzt das Thema der ärztlichen Versorgung an und beschreiten dabei eben nicht, Frau Lötzsch, den sozialistischen Weg. Wir lösen die Frage, dass man als privat Versicherter möglicherweise – jedenfalls zu oft – schneller einen Termin bekommt als als gesetzlich Versicherter, nicht, indem jetzt alle länger warten müssen. Das ist nicht unsere Lösung, sondern die eines anderen Systems. Unsere Lösung ist, dass alle schneller Termine bekommen. Deswegen werden wir sehr gezielt Anreize setzen, damit es sich für Ärzte lohnt, Patienten zügig dranzunehmen. Und wir werden Patienten über eine ausgebaute Termin-Service-Stelle ermöglichen, schnell einen Ansprechpartner zu finden. Auch da werden wir sehr konkret für Verbesserungen sorgen, damit es für alle, die es brauchen, schneller geht. ({9}) Das bringt mich abschließend, Herr Präsident, natürlich auch zum Etat, wo wir – ich kann mich dem Gesagten nur anschließen – wichtige, gute Schwerpunkte setzen. Ich bin dem Haushaltsgesetzgeber und dem Haushaltsausschuss sehr dankbar, dass wir mit den 5 Millionen Euro Ebolahilfe auch international ein Zeichen setzen konnten, dass Deutschlands internationale Gesundheitspolitik verlässlich ist und in der Welt hilft. Ich bin sehr dankbar, dass wir mit den zusätzlichen Stellen vor allem die große Zahl von befristeten Stellen in unserem Haus reduzieren können, weil die Mitarbeiter, die motiviert mitmachen sollen, auch eine Perspektive brauchen. Zusammengefasst: Ich bin vor allem den Berichterstattern des Haushaltsausschusses für den Einzelplan 15, den Etat des Gesundheitsministeriums, dankbar, aber auch allen anderen, die daran mitgearbeitet haben, und bitte um Ihre Zustimmung. ({10})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächster Redner ist Detlev Spangenberg für die AfD. ({0})

Detlev Spangenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004898, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sie bescheren uns immer den Vorwurf, dass wir asylbezogene Debatten führen. Aber, meine Damen und Herren, das gesetzwidrige Handeln der Regierung und der sogenannten Opposition von Rot bis Gelb ist mit dafür verantwortlich, dass dieses Thema auch beim Haushalt eine Rolle spielt. ({0}) Das ist doch ganz normal. Oder wollen Sie 2 Millionen Leute einfach weglassen? Die sind wohl gar nicht da bei Ihnen. – Also müssen wir es mitbehandeln, meine Damen und Herren. ({1}) Ich gehe auf den Titel 681 01 – Förderung freiwilliger privater Pflege-Zusatzversicherungen – ein, damit Sie mal sehen, was für unsere eigene deutsche Bevölkerung hier gemacht wird. Sie kennen es vielleicht: 120 Euro im Jahr werden angespart, 60 gibt dann der Staat dazu. Dann haben Sie 180 Euro pro Jahr für eine Zusatzversicherung angespart. Dafür sind 51,9 Millionen Euro angesetzt. Wir haben aber 830 000 Verträge stehen, und 75 000 sind neu dazugekommen. Wenn Sie das dividieren, kommen Sie auf 57 Euro. Wir brauchen aber 60 Euro pro Jahr. ({2}) Das haben wir ja eben gehört. Und das bedeutet: Es ist eine gewisse Unterdeckung da. Die Verwaltungskosten sind noch nicht einmal dabei; das nebenbei. Der Pflege-Bahr – das wurde vorhin schon angesprochen – ist nicht attraktiv, ({3}) weil die Versorgungslücke gerade in den Pflegegraden 1 bis 3 damit nicht gefüllt werden kann. ({4}) Die Versicherungsnehmer können sogar noch benachteiligt werden, weil das Sozialamt gegebenenfalls diesen Ansparbetrag auch noch wegholt. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Jetzt will ich Ihnen das mal vorrechnen. Wenn Sie 30 Jahre lang die 180 Euro ansparen, haben Sie 5 400 Euro. Für den Heimplatz im Pflegegrad 1 bis 3 brauchen Sie in der Regel eine Zuzahlung von 1 700 Euro. Dann können Sie also mit dieser wunderbaren Ansparung noch drei Monate den Zusatzbetrag leisten, meine Damen und Herren. Das ist wahrlich kein großes Geschäft für den, der da einzahlt. Er ist immer noch der Depp dabei. Denn wenn er nichts eingezahlt hat, zahlt die Sozialversicherung ja alles. Was soll er denn da überhaupt machen? Das Ding ist also eine totale Luftnummer, und es ist Unsinn, was Sie hier gemacht haben. Es gibt natürlich eine Lösung. Sie können einige Gelder umschaufeln – meine Kollegin Malsack-­Winkemann hat es vorhin gesagt –, indem Sie zum Beispiel die 60 Millionen Euro aus der internationalen Gesundheit rausnehmen, die darin völlig unsinnig sind, meine Damen und Herren. Denn es ist nicht nachvollziehbar, dass bei uns Ausländer das Geld scheffeln, und die eigene deutsche Bevölkerung kann sich hier mit solchen Brosamen abfinden. Das ist keine Sozialpolitik, die Sie machen, meine Damen und Herren. ({5}) Fazit: Dieses Programm hilft wirklich keinem. Nehmen wir den Titel 532 04. Das ist auch hochinteressant. Ebenfalls Kosten für internationale Gesundheit: 924 000 Euro. ({6}) Zur Erläuterung Ziffer 4 – hochinteressant; das können Sie nachlesen; ich zitiere –: zur „Vorbereitung und Entwicklung inhaltlicher deutscher Vorstellungen zu Schwerpunkten der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der europäischen und internationalen Gesundheitspolitik“. Toller Titel. ({7}) Undifferenziert, nicht nachvollziehbar, und das Interessante dabei ist vor allem: Wir zahlen wohlhabenden Staaten in Europa und in Übersee Geld: 924 000 Euro. ({8}) Darunter sind die USA, Saudi-Arabien, Österreich und die Schweiz. Da schaffen wir Geld hin. Das ist wirklich doll. Also wirklich, man kann nur staunen, was Sie alles so auf der Pfanne haben, meine Damen und Herren. Das ist erstaunlich. ({9}) Wenn dabei wenigstens was rumkommen würde, dass wir da irgendwelche Impulse bekommen, um unser eigenes überladenes Gesundheitssystem mal ein bisschen zu entschlacken und etwas lockerer zu machen, dann wäre das was. Aber danach, meine Damen und Herren, sieht es nicht aus. Der Titel 531 05, Aspekte der Migration – jetzt sind wir schon wieder dabei; sehen Sie, es geht laufend um Migration – und Integration im deutschen Gesundheitswesen, ist eingestellt, um Fehlinanspruchnahme zu verhindern und Informationsdefizite für bessere Inanspruchnahme zu schaffen. Wie ist das gemeint? Soll man anregen, dass sie mehr in Anspruch nehmen, weil sie es vergessen haben oder nicht wissen, was gemacht werden soll? Ich weiß es nicht. Interessant sind allerdings die Zahlen dabei: 2016  298 000. Das klingt ja noch recht mickrig. ({10}) 2017  1,143 Millionen. Soll 5 Millionen Euro, aber ausgegeben 1,1 Millionen Euro. 2018 haben wir 4,4 Millionen Euro. Das ist ja merkwürdig. Voriges Jahr waren es noch 1,1 Millionen Euro. Sie stellen aber trotzdem 4,4 Millionen ein. ({11}) Ich kann mir nur vorstellen, dass Sie damit diesen komischen Integrationsgipfel bestücken wollen, auf dem Ihre Migrantenorganisationen wieder mehr Rechte bekommen und möglicherweise unsere Gesetze ändern können und sollen und wollen, so wie das bei den bisherigen Integrationsgipfeln der Fall war, in diesem Fall dann auch noch im Gesundheitswesen. ({12}) Der absolute Knüller sind natürlich die Berichtsanforderungen. Am 9. Mai gab es eine Anhörung. 2017 wurden aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds, der mit 14,5 Milliarden bestückt wird, 1,5 Milliarden Euro für Flüchtlinge entnommen, und zwar – jetzt wird es ganz interessant – einschließlich Telematikinfrastruktur. Hier trennen Sie noch nicht mal. Das soll wohl verwischt werden, damit man gar nicht weiß, wo was hingehört. Wieso packt man Mittel für Flüchtlinge und Telematikinfrastruktur zusammen in einen Haushaltstitel? Das kann nur der Verschleierung dienen, meine Damen und Herren. Anders lässt sich ein solcher Unsinn gar nicht erklären. ({13}) Ich will eines deutlich sagen – auch wenn Sie sich noch so aufregen –: ({14}) Wir sind die einzige Partei, die sich für den deutschen Beitragszahler einsetzt. Dabei bleibt es. Das setzen wir durch. Sie werden sich noch umgucken! Wir werden hier in diesem Haus noch die Mehrheit haben. Vielen Dank. ({15})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Nächste Rednerin für die Fraktion der SPD ist die Abgeordnete Sonja Amalie Steffen. ({0})

Sonja Steffen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004164, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste auf der Tribüne! Herr Kollege Spangenberg, vielleicht sind Sie der Einzige hier in diesem Saal, der Ihr Zahlenwirrwarr verstanden hat. Mir hat sich das jedenfalls nicht erschlossen. ({0}) Als Haushälterin der SPD-Fraktion für den Einzelplan der Gesundheit möchte ich als Erstes allen Beteiligten für das konstruktive Beratungsverfahren danken. Insbesondere möchte ich Ihnen, Herr Minister Spahn, danken für die wirklich gute und schnelle Zusammenarbeit während der Verhandlungen, den Berichterstatterinnen und Berichterstattern, aber auch allen Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuss sowie – das möchte ich ausdrücklich betonen – allen Zuarbeitern, also dem Haushaltssekretariat, die unermüdlich die ganze Nacht – Herr Kollege Rief hat das vorhin schon erwähnt – für uns da waren und uns die doch sehr zahlreichen Änderungsanträge gebracht haben. Wie hat der Kollege Berghegger heute Morgen gesagt: Ein guter Haushalt ist immer das Ergebnis einer guten Teamarbeit. Das können wir auch für den Einzelplan 15 sagen. ({1}) Ich will nun, wie die Kollegin Dittmar vorhin versprochen hat, einige Details aus dem Haushalt benennen, die uns von der SPD-Fraktion besonders am Herzen liegen. Ich möchte als Allererstes den Bereich des internationalen Gesundheitswesens nennen. Es ist gut und wichtig, dass wir im Haushalt 2018 den Etat in diesem Bereich um 23 Millionen Euro erhöhen konnten. ({2}) Man kann es nicht oft genug sagen: Gesundheit ist von höchstem Wert. Sie fördert das Wohlergehen und damit die Bildung der Kinder. Sie fördert das Wohlergehen und damit auch die Arbeitsleistung von Erwachsenen sowohl hier bei uns in Deutschland als auch in den viel ärmeren Ländern der Welt. Damit dient der Bereich der internationalen Gesundheit selbstverständlich auch dazu, den Menschen weltweit in ihrer Heimat eine im wahrsten Sinne des Wortes gesunde Perspektive zu geben. ({3}) Wir haben in der Bereinigungssitzung beschlossen, die WHO noch einmal zusätzlich mit 5 Millionen Euro zur Bekämpfung des aktuellen Ebolaausbruchs im Kongo zu unterstützen. ({4}) 2014, als Ebola ausbrach, sind über 11 000 Menschen an diesem Virus gestorben. Die Krise hat uns gezeigt, wie schnell sich Epidemien über Grenzen hinweg zu Pandemien ausbreiten und damit viele Menschen in Gefahr bringen können. Frau Kollegin Malsack-Winkemann, Ihre absurde Rede habe ich auch nicht verstanden. ({5}) Erklären Sie das einmal – oder vielleicht auch besser nicht –: Auf der einen Seite weigern Sie sich konsequent und immer wieder, jegliche Hilfe im Bereich der internationalen Gesundheit zu geben. Auf der anderen Seite kommen Sie mit einer völlig kleinkarierten Panik, sich bei Geflüchteten anzustecken, um die Ecke. Was für ein absurdes Denken! Ich glaube, dass Ihre Vorstellungskraft wirklich am eigenen Jägerzaun endet. ({6}) Meine Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer wichtiger Bereich sind die Prävention und die Aufklärungsarbeit. Hier stellen wir über 50 Millionen Euro zur Verfügung. Denn eins ist klar: Jeder Mensch kann viel dafür tun, verschiedene Krankheiten zu vermeiden. Es ist eine wichtige Aufgabe des Gesundheitsministeriums – es ist ja auch das Gesundheitsministerium und eben nicht das Krankheitsministerium –, ({7}) Krankheiten von vornherein zu vermeiden und präventive Maßnahmen zu treffen. Wir freuen uns besonders, insbesondere wir von der SPD-Fraktion – meine Kollegin hat es schon erwähnt –, über die Aufstockung der Mittel für die Aufklärungsmaßnahmen auf dem Gebiet von sexuell übertragbaren Krankheiten. Wir werden die Initiative „Jugend gegen AIDS e. V.“ unterstützen: in diesem Jahr mit 340 000 Euro und in den nächsten Jahren mit 2,7 Millionen Euro. Die Initiative leistet Aufklärungsarbeit da, wo sie hingehört, nämlich bei Kindern und Jugendlichen und auf Augenhöhe, vor allem in den Schulen und bei Events, mithilfe von ehrenamtlichen Mitgliedern und Peers, also sogenannten Gleichaltrigen. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich für das große Engagement der Jugendlichen bedanken. ({8}) In den Bereich der Forschungsvorhaben fließen in diesem Jahr rund 91 Millionen Euro. Neu ist hier die Förderung von Pilotprojekten im Bereich der Gesundheitsversorgung, der Rehabilitation und der Pflege. Es sollen Erfahrungen gesammelt werden, wie durch gezielte Maßnahmen die Versorgung verbessert werden kann. Wichtig ist uns dabei vor allem die medizinische Versorgung im ländlichen Raum. Ich weiß aus meinem Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, wie schwierig es ist, die medizinische Versorgung auf dem Land sicherzustellen. Wie können wir Ärzte erfolgreich für ländliche Regionen ausbilden und begeistern? Wie können wir Anreize schaffen, dass sie dort auch langfristig arbeiten wollen? Wie verhalten wir uns zur Telemedizin? Das sind Fragen, denen wir uns stellen und die wir gemeinsam beantworten wollen. ({9}) Und noch eins. Herr Kollege Klein, wir von der SPD-Fraktion freuen uns natürlich besonders über die Wiederherstellung der Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung. ({10}) Das war ein harter Kampf in den Koalitionsverhandlungen, bei dem sich die SPD letztendlich durchgesetzt hat. In dem Zusammenhang: Jede schöne Nacht hat mal ein Ende, und das ist auch gut so; denn jetzt gilt endlich wieder Gerechtigkeit in Deutschland. ({11}) Über den Pflegenotstand wurde schon viel gesprochen. An dieser Stelle nur so viel: Ich freue mich sehr, dass wir heute den Startschuss für die Konzertierte Aktion Pflege geben konnten. Leider ist es medial ein wenig untergegangen. ({12}) Sie wissen alle, warum: Die ministerialen Alleingänge innerhalb der CSU haben dafür gesorgt. Aber ich glaube, wir sind auf einem sehr, sehr guten Weg, und Sie, Herr Minister Spahn, haben mit zwei wirklich hervorragenden Ministern der SPD da Kräfte an Ihrer Seite, ({13}) die, denke ich, diese Dinge sehr schnell auf die Strecke bringen können. Lassen Sie uns gemeinsam konstruktiv daran arbeiten. Vielen Dank. ({14})

Thomas Oppermann (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003820

Vielen Dank. – Als Nächster spricht Dr. Andrew ­Ullmann für die FDP, der heute seine erste Rede im Deutschen Bundestag hält. ({0})

Prof. Dr. Andrew Ullmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004922, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kurz ein Hinweis zu Frau Malsack-­Winkemann: Die Welt ist rund und keine Scheibe, und Multiresistenz ist etwas Globales und nichts Lokales, nichts, was es nur in Deutschland gibt. Ich bitte Sie! Ein bisschen mehr Professionalität erwarte ich hier schon im Bundestag. ({0}) Die Aufgabe des Staates ist, einen ordnungspolitischen und einen finanziellen Rahmen für das Gesundheitssystem zu schaffen, damit Ärztinnen und Ärzte, Physiotherapeutinnen und -therapeuten, Pflegerinnen und Pfleger, um nur einige zu nennen, sich um die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger kümmern und den Menschen helfen können. Deshalb habe ich vor 35 Jahren mit dem Medizinstudium begonnen; denn wie heute wollte ich den Menschen helfen. Doch die Realität in unserem Gesundheitswesen sieht anders aus. Das spiegelt sich auch in dem Einzelplan 15 wider. So führt das zunehmend planwirtschaftliche System dazu, dass über alle Bereiche des Gesundheitssystems hinweg Menschen frustriert sind. Die Menschen in Gesundheitsberufen lieben ihren Job, lieben es, mit Menschen zu arbeiten. Sie helfen, wo es am nötigsten ist, sind aber frustriert von einem System, das seine Regulierungs- und Sparwut an den falschen Stellen und an jenen auslässt, die es am wenigsten verdient haben. ({1}) So stehlen sich die Bundesländer beispielsweise regelmäßig aus der Verantwortung der dualen Finanzierung ihrer Krankenhäuser. Lieber Herr Bundesminister Spahn, viele meiner ehemaligen Kollegen und Kolleginnen aus dem Krankenhaus und ich selber freuen uns, dass Sie in der Pflege aktiv werden und dass Sie sich die Digitalisierung auf die Fahne geschrieben haben. Aber mit ein paar Millionen Euro mehr in der Pflege und ein paar Stellen mehr im Ministerium verschreiben Sie uns allen, befürchte ich, Valium, damit wir vergessen, dass unser Gesundheitssystem wie ein entkerntes Krankenhaus ist, in dem motivierte Menschen gezwungen werden, irgendwie mit staatlichen Krücken zu arbeiten. Sie, lieber Herr Minister, nennen diese Krücken übrigens „Instrumente der Versorgungs- und Bedarfssteuerung“. Ein klassisches Beispiel ist die Budgetierung. Dieses unsägliche Instrument der Planwirtschaft zeigt die ganze Misere. Es müssen Praxen am Ende eines Quartals schließen. Ärztinnen oder Ärzte gerade auf dem Land versorgen mehr Patienten. Das Budget ist dann bereits aufgebraucht. Wenn Patienten ärztliche Betreuung suchen, heißt es daher: Budgeturlaub! Systembedingt sind die Praxen geschlossen. Also geht der Patient ins Krankenhaus. Im Krankenhaus ist man dann überfordert mit den vielen Patienten, die eigentlich durch den Hausarzt hätten behandelt werden können. Das ist doch irrsinnig und teuer. Wie wollen wir diesem Irrsinn Einhalt gebieten? Ihre Lösung ist Planwirtschaft. Sie wollen junge Studenten verpflichten, aufs Land zu gehen. Lebensentscheidungen sollen getroffen werden, bevor man überhaupt ein richtiges Arztleben begonnen oder auch nur kennengelernt hat. Eine unzufriedene Generation wird so der nächsten folgen – und alles zum Leidwesen der Patientinnen und Patienten. ({2}) Die bessere Lösung, Herr Minister, wäre klar die Entbudgetierung. Die Lösung für das Problem der fehlenden Ärzte im ländlichen Raum muss klar und einfach sein. Diesen wunderschönen Beruf müssen wir endlich wieder attraktiv machen, indem sich erbrachte Leistung lohnt. Sie brauchen dabei keine Erhöhung der Pflichtsprechstundenzahl. Sie können alles durch eine einfache Maßnahme erreichen: Entbudgetierung. ({3}) Ich möchte gern noch ein anderes Beispiel aus unserer DDR-haften Gesundheitsplanwirtschaft geben: die Grippeimpfung. Am Anfang des Jahres wurden nicht nur Arztpraxen, sondern auch Krankenhäuser bis an ihre Kapazitätsgrenzen durch Grippeerkrankte überlastet. Wenn die entsprechenden Grippeimpfstoffe für alle als Versicherungsleistung erhältlich gewesen wären, wären viele schwere Verläufe und Todesfälle verhindert worden. In der nächsten Saison stehen diese besseren Impfstoffe immerhin allen zur Verfügung. Der Gemeinsame Bundesausschuss leistet natürlich hervorragende Arbeit – in seinem Planungsrahmen. Aber wenn etwas nicht nach Plan läuft, dann ist er handlungsunfähig. Seit Jahren wird der Gemeinsame Bundesausschuss wegen seiner Struktur- und Ablaufautomatik kritisiert, aber es sind keine Zeichen der Reformbereitschaft aus dem Ministerium zu erkennen. Im Gegenteil: Es wird teurer und nicht besser. ({4}) Reformbereitschaft sieht anders aus. Sie, Herr Spahn, und auch Ihr Kollege Herr Gröhe hielten wichtige Rechtsgutachten zu Strukturreformen lange zurück, um den Diskurs zu vermeiden und Transparenz zu verhindern. Reformen sind notwendig; denn es soll niemand mehr sterben, weil medizinische Innovationen zu spät zur Verfügung gestellt worden sind. ({5}) Meine Damen und Herren, dieser Leidensdruck im Gesundheitssystem hat mich dazu bewogen, dass ich mich jetzt in der Politik einsetze, um Menschen zu helfen. Uns als FDP-Fraktion liegen die Patientinnen und Patienten am Herzen, und wir vergessen vor allem nicht die engagierten Personen im Gesundheitswesen. Wenn ich Ihre Aussagen zum Haushalt höre, Herr Minister, dann weiß ich nicht, ob Sie die gleiche Motivation haben oder ob Sie das tun, was nötig ist, um den nächsten Schritt Ihrer Karriere zu gehen. ({6}) Ich möchte die Gelegenheit nutzen, allen im Gesundheitswesen Tätigen herzlich zu danken. Ohne euren bzw. Ihren engagierten Einsatz wäre vieles dort schon dramatisch schlechter. ({7}) Auch zu ihrem Wohl lehnen wir den Einzelplan 15 des Haushalts ab. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank, Herr Kollege Dr. Ullmann. – Sie sehen, die Sitzungsleitung hat gewechselt. Als Nächster für die Fraktion Die Linke der Kollege Harald Weinberg. ({0})

Harald Weinberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004186, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Und es bewegt sich doch was beim Pflegethema! Gratulation von meiner Seite an die Pflegekräfte und ihre Gewerkschaft, die mit Aktionen und Streiks den Druck so erhöht haben, dass die unerträglichen Verhältnisse nun erkannt, benannt und hoffentlich in Bewegung geraten sind. ({0}) Einen besonderen Gruß der Solidarität möchte ich von dieser Stelle an die Streikenden der Universitätskliniken in Essen und Düsseldorf richten. Sie kämpfen für einen Haustarifvertrag für personelle Entlastung. ({1}) Versuche der Klinikleitungen, das per einstweiliger Verfügung zu unterbinden, sind zu Recht gescheitert. Daraufhin hat jetzt die Tarifgemeinschaft der Länder, also die Arbeitgeberseite der Bundesländer, alle laufenden Tarifverhandlungen mit Hinweis auf diese Streiks abgebrochen – alle, also auch die für die Lehrer. Das ist aus meiner Sicht ein ungeheuerlicher Vorgang, ein enormer Skandal. Ich fordere die TdL auf, sofort an den Verhandlungstisch zurückzukehren. ({2}) Die Streikenden in Essen und Düsseldorf haben diese Provokation richtig beantwortet: „Jetzt erst recht!“, lautete ihre Antwort, und sie haben den Streik ausgeweitet. Meine Damen und Herren, mit Anträgen zu Sofortmaßnahmen gegen den Pflegenotstand in den Krankenhäusern und in der Altenpflege ganz zu Beginn der Wahlperiode haben Linke und Grüne sehr früh Impulse gesetzt. ({3}) Die Position unserer Fraktion war immer auch, die falschen Anreize durch die DRG-Finanzierung in den Krankenhäusern, also die Fallpauschalen für bestimmte Krankheitsbilder, zurückzudrängen und zur Budgetfinanzierung gemäß dem Selbstkostenprinzip zu kommen. ({4}) Dafür wurden wir das eine oder andere Mal belächelt oder gar verlacht. Aber dann bewegten sich die Dinge auch hier allmählich. Im Koalitionsprogramm steht dann plötzlich: Die Pflege soll aus den DRGs herausgerechnet und mit krankenhausindividuellen Budgets finanziert werden. Und jetzt kommt das Pflegepersonalstärkungsgesetz, das damit Ernst machen will. Links wirkt, wie man sieht! ({5}) Ganz aktuell startet die „Konzertierte Aktion Pflege“ für die Altenpflege mit fünf ministeriumsübergreifenden Arbeitsgruppen und weitreichenden Aufgaben. Eine solche Aktion hätte es schon länger gebraucht, aber es ist gut, dass es jetzt vorangehen soll. Sicher, da gibt es noch einiges an Detailfragen zu betrachten. Und sicher: Wir müssen genau schauen, was von den Ankündigungen und wie dann auch konkrete Politik wird. In beiden Feldern gibt es aber noch Nachbearbeitungsbedarf, nämlich aus unserer Sicht eine gesetzliche bedarfsorientierte Personalbemessung, ({6}) eine Personalbemessung, wie sie von vielen Pflegefachverbänden, von Verdi, inzwischen sogar von der Bayerischen Krankenhausgesellschaft und von uns bereits seit Jahren gefordert wird – sowohl für die Altenpflegeeinrichtungen als auch für die Krankenhäuser. Damit könnte auch das Projekt aus der letzten Wahlperiode – die Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen für pflegesensitive Bereiche –, das sich inzwischen ohnehin reichlich in den Verhandlungen verkantet hat, eingestampft werden. Eine Untergrenze ließe sich doch leicht dadurch definieren, dass man sagt: Das sind x Prozent – zum Beispiel 70 oder 80 Prozent – von der bedarfsgerechten Personalbemessung. ({7}) Wenn das alles so wird wie angekündigt – noch fehlt uns dazu der Glaube –, dann könnte das der Einstieg in den Ausstieg aus der DRG-Finanzierung der Krankenhäuser werden. ({8}) Das wäre schon ein richtig großer Schritt. ({9}) Und schon melden sich andere Berufsgruppen wie der Marburger Bund und fordern eine grundlegende Korrektur des Vergütungssystems der Krankenhäuser. Die Tür ist aufgestoßen, zumindest einen Spalt. Jetzt heißt es auch für die aktiven Pflegekräfte, nicht nachzulassen und die Türe weiter aufzumachen, damit wir alle gemeinsam hindurchgehen können zu einer grundlegenden Reform der Krankenhausfinanzierung, die wir dringend brauchen. Vielen Dank. ({10})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Als Nächstes für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Dr. Kirsten Kappert-Gonther. ({0})

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004773, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drei Minuten – drei wichtige gesundheitspolitische Bereiche, in denen dringend zupackend und empathisch gehandelt werden müsste; passiert aber leider nicht. Totalausfall beim Gesundheitsminister. So darf das nicht bleiben, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Erstens: Notfallversorgung. Überfüllte Notaufnahmen, überlastetes Personal und unübersichtliche Zuständigkeiten – eine Reform der Notfallversorgung ist dringend notwendig. ({1}) Patientinnen und Patienten müssen sich sicher sein können, dass sie im Notfall gut versorgt werden. Doch die Notaufnahmen platzen aus allen Nähten. Expertinnen und Experten haben gute Vorschläge zur Verbesserung der Situation vorgelegt, zuletzt der Sachverständigenrat mit sehr klugen Vorschlägen. Wir sagen: Tun Sie endlich etwas, Herr Minister Spahn! Wir Grünen fordern Sie auf: Reformieren Sie! Tun Sie etwas für die Reform der Notfallversorgung. ({2}) Wir brauchen endlich eine gemeinsame Anlaufstelle, eine Notfallnummer und eine Ersteinschätzung, die den Menschen hilft, zu entscheiden, ob sie ins Krankenhaus gehen sollen oder ambulant versorgt werden können. Zweitens: Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. Unsere Verfassung verspricht gleichwertige Lebensverhältnisse. Das muss doch auch für den Zugang zu guter Gesundheitsversorgung gelten. ({3}) In der Realität ist es aber nicht so. Wo bleiben denn die Konzepte für den ländlichen Bereich, Herr Minister? Modellstudiengänge sind doch nun wirklich deutlich zu wenig. Gesundheitsregionen, wie wir Grüne sie vorschlagen, wären beispielsweise eine gute Idee für verbesserte Versorgung. Findet sich dazu irgendetwas im Haushalt? Fehlanzeige! Drittens: die Geburtshilfe. Kreißsäle platzen aus allen Nähten. Es gibt zu wenige Hebammen, die die Frauen während der Schwangerschaft begleiten. Sobald eine Frau erfahren hat, dass sie guter Hoffnung ist, muss sie sich schon auf die Socken machen, um eine Hebamme zu suchen. Oft genug gelingt das noch nicht mal. Was brauchen Frauen während der entscheidenden Phase der Geburt? Eine Hebamme, die sie mit Ruhe unterstützt und nicht zwischen zwei, drei oder manchmal vier, fünf Geburten hin und her flitzt. ({4}) Geburtshilfe geht uns doch alle an. Wir sind ja zum Glück alle mal geboren worden. Seit fünf Jahren weiß die Regierung, dass nach EU-Recht der Hebammenberuf auf Hochschulniveau stattfinden muss. Alle Länder in Europa haben sich auf den Weg gemacht – alle Länder außer Deutschland. Das Gesundheitsministerium lässt werdende Mütter und Hebammen im Stich. Wir fordern Sie auf: Legen Sie endlich einen Gesetzentwurf zur Reform der Hebammenausbildung vor; ({5}) schaffen Sie endlich verbindliche Personalstandards in der Geburtshilfe, und tun Sie etwas für die Hebammen, auch finanziell. ({6}) Abschließend: Wenn Sie wirklich etwas für mehr Gesundheits- und Jugendschutz beim Cannabiskonsum tun wollen, dann beenden Sie endlich Ihre schädliche Verbotspolitik. Vielen Dank. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstes für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Dr. Georg Nüßlein. ({0})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Was ein AOK-Führerscheintraining mit Gesundheit und Krankenkasse zu tun hat, kann man sich vielleicht noch grob vorstellen. Was ein Volkshochschulkurs „Tai-Chi-Chuan und Stockkampf“ mit Gesundheitspolitik oder Gesundheit im Allgemeinen zu tun hat, kann ich mir schon nicht mehr vorstellen. ({0}) Die AOK Baden-Württemberg bietet das allerdings an. Vielleicht ist Tai-Chi-Chuan eine logopädische Übung für Baden-Württemberger und Bayern. Das mag ja sein. Aber wenn es dann weitergeht mit einem AOK-PLUS-Seminar „Hilfe, mein Kind ist in der Pubertät“, dann wird’s komisch. ({1}) Warum sage ich das? Weil diese Marketingmaßnahmen einiger Krankenkassen ein dringender Hinweis darauf sind, dass sich die Finanzreserven in zu hohem Maße akkumuliert haben und dass sie deshalb sinnvoll reduziert werden müssen. ({2}) – Was schreien Sie denn so? Sie sind ja ganz nervös. – ({3}) Wir werden das tun in einem GKV-Versichertenentlastungsgesetz und bei der Gelegenheit – das ist an die FDP gerichtet – die Parität der Beiträge wieder herbeiführen. Jedes Thema hat seine Zeit; jede Zeit hat ihr Thema. Wir werden bei dieser Gelegenheit dafür sorgen, dass wir die Beitragszahler um 8 Milliarden Euro entlasten. An der Stelle habe ich das Lob der FDP vermisst. ({4}) Wir werden bei dieser Gelegenheit auch gleich die Reform des Risikostrukturausgleichs in den Blick nehmen; denn die heterogene Finanzlage der Kassen muss man erst mal analysieren und klären, bevor man sich um die Finanzreserven kümmert. Und wir werden im Blick behalten, dass uns noch eine ganze Menge an kostenwirksamen Maßnahmen aus dem Koalitionsvertrag ins Haus steht. Ich sage das ganz deutlich: Da geht es in erster Linie auch und gerade um die Gesundheitsberufe. An die Linken adressiert: Dazu braucht man keinen Klassenkampf. Wir haben das selber sauber identifiziert. Wir werden uns um die Hebammen, die Physiotherapeuten, die Pflegekräfte und um andere sinnvoll kümmern, sodass diese Berufe nicht nur ideell anerkannt, sondern auch materiell besser gestellt werden. ({5}) Was die Reform des DRG-Systems angeht: Ich bin ja immer minderbegeistert über linkes Lob. Aber wenn ich noch mal darüber nachdenke, merke ich, dass der Vorschlag nicht von Ihnen kam. Vielmehr haben CDU und CSU ihn gemeinsam eingebracht, und die SPD hat seinerzeit in den Koalitionsverhandlungen gesagt: Das ist toll. Das hätten wir uns gar nicht zu sagen getraut. Wir wollen das auch. – Deshalb haben wir am Schluss gemeinsam beschlossen, dass wir den Weg gehen, die Kosten für die Pflegekräfte aus den DRGs und damit aus dem Kosten- und Wettbewerbsdruck herauszunehmen. So können wir sagen: Das ist in Zukunft nicht mehr der Steinbruch in Krankenhäusern, über den Gewinne erzielt werden können. – Ich glaube, auch das ist ein richtiger und wichtiger Schritt. ({6}) Wer bei diesem Schritt eine Teilselbstkostenfinanzierung und überbordende Kosten fürchtet, dem muss ich leider sagen: Das Limit sind die Pflegekräfte, die es am Markt überhaupt gibt. Es gibt nicht unendlich viele Leute, die man mit diesen Mitteln einstellen kann. Das ist die Begrenzung. ({7}) Da Sie sich jetzt hier so lautstark äußern, sage ich zu dem, was Sie gerade zum Thema Ausbildung geäußert haben: Die Überakademisierung, die wir allenthalben erleben, ist keine Lösung, sondern vielfach ein Problem. ({8}) Sie ist ein Problem, das zum Fachkräftemangel in diesem Land führt und ihn nicht abbaut. Überakademisierung bzw. Akademisierung von Berufen, die man bisher sinnvollerweise in der dualen Ausbildung erlernt hat, führt ins krasse Gegenteil, nämlich zum Fachkräftemangel. ({9}) Deshalb ist das aus meiner Sicht nicht der Weg, den wir gehen sollten. ({10}) Wir haben uns auch alle Mühe mit dem gegeben, was wir im Bereich der Pflegeausbildung gemacht haben, ({11}) und dafür Sorge getragen, dass beispielsweise in der Altenpflege die rund 40 Prozent Hauptschüler, die diesen Beruf mit viel Empathie und großem Erfolg ergreifen, auch in Zukunft die Chance haben, diesen qualifizierten Beruf zu erlernen. Wenn wir Ihren Weg gegangen wären, dann wären das weniger geworden, und das wäre der falsche Ansatz gewesen, meine Damen und Herren. Das geht aus meiner Sicht so nicht. ({12}) Einige von Ihnen machen sich Sorgen um die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum. Ich sage Ihnen: Das tue ich auch. Das Thema „ambulante Notfallversorgung“ ist adressiert. Das ist etwas, was wir in der Tat lösen müssen. Dabei wird es auch um die Frage der Zusammenarbeit von ambulanter und stationärer Versorgung im Bereich der Ärzteschaft gehen. Das Krankenhaus der Zukunft wird sich nicht alleine über die Bettenanzahl beschreiben lassen. Mir macht aber noch viel mehr Sorgen, was der G-BA im stationären Bereich beschlossen hat. Wenn es nämlich bei der Finanzierung darum geht, den einen, die die Notfallversorgung übernehmen, Zuschläge zu geben, und den anderen Abschläge zu bescheren, bedeutet das, dass wenige die Zuschläge von vielen finanzieren sollen. Das kann aus meiner Sicht zu Schwierigkeiten führen, die ich nicht will. Wenn man über dieses Thema in seiner Gesamtheit redet, muss man die Hausärzte im Blick haben. Sie müssen eine stärkere Rolle, eine Lotsenfunktion haben. Deshalb haben wir auch vereinbart, meine Damen und Herren, dass wir Zulassungssperren in Zukunft nur noch in den großen Städten wollen. In den ländlichen Bereichen muss sich jeder ohne Beschränkung niederlassen können. Denn es führt zu Versorgungslücken, –

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege.

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

– wenn ältere Ärzte dankenswerterweise länger Dienst tun, dann aber plötzlich aufhören und sich vorher im Umfeld keiner niederlassen konnte. Das ist ein falscher Ansatz. Deshalb will ich damit zum Abschluss deutlich machen, ({0}) dass wir viele gute Themen im Koalitionsvertrag adressiert haben. Wir werden diese jetzt sukzessive und geradlinig mit dem Minister umsetzen. Vielen herzlichen Dank. ({1})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Nüßlein. – Als Nächstes für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Kordula Schulz-Asche. ({0})

Kordula Schulz-Asche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004405, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir brauchen dringend Investitionen in gute Pflege. ({0}) Dazu gehört für mich die Prävention von Pflegebedürftigkeit, und zwar dort, wo die Menschen wohnen. Dazu gehört natürlich ausreichendes und gut bezahltes Pflegepersonal. Dazu gehört die Regel „Rehabilitation vor Pflege“ im Pflegealltag. Auch das müssen wir noch einmal besprechen, dass man hier auf die Inhalte der Pflege achtet. Wir brauchen Pflege und Betreuung vor Ort, und wir brauchen natürlich auch Unterstützung pflegender Angehöriger. Mich hätte gefreut, wenn bei der Konzertierten Aktion Pflege – zumindest da, wo es um Versorgung geht – die Verbände der pflegenden Angehörigen auch miteingeladen worden wären. Das ist immerhin ein wichtiger Bereich. ({1}) Ja, drei Mitglieder dieser Regierung haben einen Schwur geleistet und eine konzertierte Aktion ins Leben gerufen, in der man sich ein Jahr lang Gedanken über bessere Pflege machen möchte. Frei nach dem Motto: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, dann gründe ich einen Arbeitskreis. ({2}) Aber, meine Damen und Herren, Minister Spahn hat vorhin zu Recht das Wort „Vertrauen“ in den Mund genommen. Ich sage Ihnen: Sie haben in der letzten Woche, als kurzfristig in der letzten Phase der Auseinandersetzungen über die Ausbildungsreform aus der Altenpflege wieder eine Ausbildung zweiter Klasse gemacht wurde, viel Vertrauen verspielt. ({3}) Das dürfen Sie mit dieser Aktion, die Sie „konzertiert“ nennen, nicht wiederholen. ({4}) Meine Damen und Herren, Deutschland befindet sich am Übergang vom Pflegenotstand zur Pflegekatastrophe. Deswegen brauchen wir ein Bündel von Maßnahmen, um den Pflegealltag schnell zu verbessern. Es gibt einen riesigen Handlungsbedarf, aber es gibt eben auch sehr viele Vorschläge, die bereits auf dem Tisch liegen. Insofern hilft es nicht, immer nur zu reden. Vielmehr muss man sich endlich daranmachen, diese Vorschläge vertrauensvoll umzusetzen. ({5}) Dazu gehört die Erhöhung der Attraktivität des Pflegeberufs, dazu gehören moderne Pflegekonzepte – davon haben Sie vielleicht nicht so viel Ahnung wie ich –, dazu gehört aber auch die Finanzierung der Pflege, und dazu gehört, sich ehrlich zu machen, was die Kosten angeht. Denn es darf doch nicht sein, dass gute Pflege dazu führt, dass alte Menschen im Altersheim wegen zu hoher Eigenanteile plötzlich in Armut rutschen. Hier müssen wir für Sicherheit der Pflegebedürftigen am Lebensabend sorgen. Herr Spahn, Sie haben eine Erhöhung der Beiträge zur Pflegeversicherung um 0,3 Prozentpunkte angekündigt, aber wir wissen doch heute schon, dass das nicht reichen wird. Deutschland gibt 2 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für gesundheitliche und soziale Langzeitpflege aus. In den Niederlanden, in Schweden, in Finnland, den Beispielländern, sind das über 4 Prozent. Das zeigt doch schon, dass das andere Länder durchaus besser machen. ({6}) Wir alle wissen, dass die heutige Pflegeversicherung nicht geeignet ist, die Herausforderungen der nächsten 40 Jahre zu meistern. Aber diese Regierung gründet einen Arbeitskreis. Wir müssen die finanziellen Lasten gerecht verteilen, auf breite und auf alle Schultern. So geht die jüngere Bevölkerung, die ja in die Versicherung einzahlt, nicht in die Knie.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Kordula Schulz-Asche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004405, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluss. – Wenn der Generationenvertrag weiter halten soll, dann brauchen wir mehr Steuermittel für die Pflegeversicherung und, wie wir Grünen seit Jahren fordern, eine gerechte, solidarische Pflegebürgerversicherung für alle. Herzlichen Dank. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächstes für die SPD-Fraktion der Kollege Dr. Edgar Franke. ({0})

Dr. Edgar Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin fast einer der letzten Redner des heutigen Abends. Aber das hat auch einen großen Vorteil: Es kann mir so gut wie keiner mehr widersprechen. Insofern, Herr Präsident, hat das also auch etwas Positives.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Es folgen noch zwei weitere Redner, Herr Kollege.

Dr. Edgar Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Der im Vergleich kleine Gesundheitshaushalt mit 15 Milliarden Euro Volumen ist deswegen so klein, weil viele der Kosten über die Krankenversicherung abgewickelt werden. Das sind über 200 Milliarden Euro, 217 Milliarden Euro ganz genau. Insofern geht es eigentlich auch bei dieser Debatte um Gesundheitspolitik. Eines muss ich angesichts der Haushaltsdebatte, glaube ich, noch sagen: Wir haben viel bewegt in der Gesundheitspolitik. Die Pflege ist heute schon angesprochen worden. Wir haben erstens in der letzten Legislaturperiode Strukturreformen vorgenommen und den Reformstau in der Altenpflege mit zusätzlichen 15 Milliarden Euro aufgelöst. ({0}) Wir haben zweitens auch bei den Instrumenten für die Kassenärztlichen Vereinigungen nachgelegt. Wir haben ihnen Instrumente in die Hand gegeben, um die ärztliche Versorgung zu verbessern – ich schaue hier zu Karin Maag –, und wir haben das Thema Versorgungsqualität in den Krankenhäusern zum Thema gemacht. Ich glaube, diese Leistungen, diese Strukturreformen der Großen Koalition können sich wirklich sehen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Wenn wir uns gerade die Pflegepolitik vor Ort im Wahlkreis anschauen, meine sehr verehrten Damen und Herren, und sehen, was Tagespflege, Verhinderungspflege ausmacht, wenn Sie schauen, was wir im Einzelnen gemacht haben – die Würde von Menschen und das Ziel, dass sie in ihrer gewohnten Umgebung alt werden können, waren sozusagen unser Maßstab –, dann muss man sagen: Auch dafür haben wir die Voraussetzungen geschaffen. Jeder, der im Wahlkreis mit offenen Augen durch die Gegend geht, sieht das. Ich glaube, auch diese Arbeit und diese Voraussetzungen waren gut, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({2}) Wir werden die Pflegekampagne fortsetzen. Wir werden nicht nur das Ansehen, das Berufsbild, sondern vor allen Dingen auch die Ausbildung in der Pflege verbessern. Wir haben dafür auch schon einiges getan. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die konzertierte Aktion von Bundesminister Heil, Bundesministerin Giffey und Gesundheitsminister Spahn hat einiges gebracht. Wir werden nämlich gemeinsam den Pflegenotstand angehen. Mehr Pflegerinnen und Pfleger, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne in der Pflege sind unser Credo. Das ist genau der richtige Weg, und das zeigt auch eine sozialdemokratische Handschrift. ({3}) Der zweite Punkt ist die flächendeckende medizinische Versorgung. Das liegt mir persönlich als jemandem, der aus einem ländlichen Wahlkreis kommt, am Herzen. Auch hier haben wir den Kassenärztlichen Vereinigungen Instrumente gegeben. Das Problem ist nur: Diese Instrumente wie Ansiedlungsprämie und Honorarzuschläge müssen sie auch einsetzen. Wir haben Sorge dafür zu tragen, dass das auch wirklich geschieht. Die Sicherstellung der Versorgung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen sollte sich nicht nur auf die Einkommen der ambulant tätigen Ärzte beziehen. Es geht um die Sicherstellung der Versorgung insgesamt, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({4}) Man hat manchmal den Eindruck, dass das vergessen wird. Da ist Harald Weinberg mit mir sicherlich einer Meinung. Auch das Thema Krankenhaus wird uns weiter beschäftigen. Wir müssen in Zukunft die Ausgaben zielgerichteter steuern. Wir dürfen auch nicht mit der Gießkanne arbeiten. Wir brauchen, Herr Minister, einen Wettbewerb um Qualität. Hier ist es unsere Aufgabe, politische Veränderungen zu erzielen. Hier ist es Aufgabe, Versorgungsstrukturen an den tatsächlichen Versorgungsbedarf anzupassen. ({5}) Das ist vor Ort nicht einfach. Jeder, der Kommunalpolitik gemacht hat, weiß, wie schwierig das im Detail ist. Aber wir müssen Strukturen verändern, weil wir vielfach Strukturen der 70er- und 80er-Jahre haben, aber eine moderne Versorgung brauchen. Wir dürfen allerdings – da gebe ich Herrn Nüßlein immer wieder recht – nicht die kleinen Krankenhäuser in strukturschwachen Gegenden vergessen, denn sie sind notwendig. Da muss der Sicherstellungszuschlag vielleicht noch ein bisschen passgenauer gestaltet werden, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({6}) Den Krankenhäusern wurde nun ermöglicht, ihr Pflegepersonal aufzustocken; das wird in vollem Umfang über die Krankenkassen finanziert. Wir wissen alle, dass in den Fallpauschalen eigentlich ausreichende Mittel für den Pflegebereich enthalten sind. Das tatsächliche Problem ist: Weil die Länder ihre Investitionsverpflichtungen nicht erfüllen, müssen die Krankenhäuser die fehlenden Gelder über die Betriebsausgaben erwirtschaften. Wenn man so will, ist die Wiedereinführung des Selbstkostendeckungsprinzips eine Notwehrmaßnahme des Bundesgesetzgebers, um die Pflege am Bett zu sichern. Da gab es keine andere Möglichkeit. Es ist der richtige Weg, um den finanziellen Druck beim Pflegepersonal herauszunehmen; auch das hat Herr Nüßlein gesagt. ({7}) Wir müssen schließlich mit der Digitalisierung vorankommen. Ich war Berichterstatter und kann sagen: Viele Minister sind bei der Digitalisierung als Tiger gestartet und – um im Bild zu bleiben – als Bettvorleger gelandet. Ich bin sicher, dass das unserem neuen Gesundheitsminister nicht passieren wird, dass wir da was erreichen, dass wir auch Erfolge haben. Die Digitalisierung wird auch über Innovationen in vielen Bereichen entscheiden. Da müssen und sollten wir alle an einem Strang ziehen, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({8}) Für gesundheitliche Prävention und Aufklärung haben wir 50 Millionen Euro veranschlagt. Ich bin im Beirat von „Jugend gegen AIDS“. Dieser Verein, der ehrenamtlich arbeitet, leistet hervorragende Arbeit. Es ist ein Verein, der ganz viele Preise bekommen hat und vor allen Dingen sexuelle Aufklärung in den Lebenswelten der jungen Leute realisiert. Ich freue mich sehr – ich habe das beim letzten Haushalt angemahnt –, dass es dieses Mal, Herr Minister, gelungen ist, nicht nur den Ansatz in diesem Bereich zu steigern – auf 340 000 Euro –, sondern auch diesen Verein zu fördern.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, kommen Sie zum Schluss, bitte.

Dr. Edgar Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das ist, glaube ich, der richtige Weg; das ist besser als jede staatliche Kampagne, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Dr. Franke, kommen Sie zu Ihrem letzten Satz, bitte.

Dr. Edgar Franke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004033, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluss. – Der rote Faden einer guten Gesundheitspolitik, Herr Präsident, ist eine seriöse Finanzierung, ist ein seriöser Haushalt, dem man zustimmen kann. Insofern freue ich mich, dass wir die Krankenkassenbeiträge wieder paritätisch finanzieren, damit jeder unabhängig vom Einkommen, unabhängig vom Alter und unabhängig vom Wohnort die bestmögliche Versorgung erhält. Das ist der rote Faden sozialdemokratischer Gesundheitspolitik. Ich danke Ihnen. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Als vorletzter Rednerin zu dem heutigen Tagesordnungspunkt erteile ich der Kollegin Karin Maag von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Karin Maag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004104, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Josef Rief und andere haben es gesagt: Die Haushaltsdaten sind gut. – Ich, liebe Kollegin Klein-Schmeink, rede heute über Aufgaben, die größtenteils nicht über den Haushalt des BMG finanziert werden. Wir haben nämlich in den ersten 100 Tagen mit der Gesetzgebung angefangen. Mit dem Versichertenentlastungsgesetz werden wir die Beitragszahler insgesamt um etwa 8 Milliarden Euro entlasten. Dass die Krankenversicherungs- inklusive der Zusatzbeiträge künftig wieder hälftig von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen werden, heißt für Beschäftigte und Rentner ganz konkret bis zu 38 Euro weniger im Monat. Ich glaube, das ist ein Pfund, mit dem wir wuchern können. ({0}) Mir persönlich liegen die hauptberuflich Selbstständigen mit geringem Einkommen, zum Beispiel diejenigen, die in der Tagespflege tätig sind, besonders am Herzen. Wir werden sie durch die Halbierung der Mindestbeitragsbemessungsgrenze ebenfalls deutlich entlasten. Ab 1. Januar wird so der Krankenversicherungsbeitrag, zum Beispiel für diejenigen, die in der Tagespflege tätig sind, auf 171 Euro im Monat sinken. Das ist die Hälfte des bisherigen Beitrages. ({1}) Allerdings war uns auch wichtig, dass wir vor weiteren Entlastungen zuerst den Risikostrukturausgleich, also die Einnahmeseite der Kassen reformieren, bevor wir dann die Kassen dazu verpflichten, Rücklagen an die Versicherten zu erstatten. ({2}) Zu einer Reform des Morbi-RSA gehört vor allem auch der Schutz vor Manipulationen. ({3}) Mein ganz persönliches Projekt dazu heißt, dass beim Bundesversicherungsamt endlich der Bereich „Prüfung der Kranken- und Pflegekassen“ personell verstärkt wird. ({4}) Warum auch immer: Es ist bisher gescheitert, dass die vorhandenen Stellen vom BMAS auf das BMG übertragen werden, um dann beim BMG weitere notwendige Stellen zu schaffen. Aktuell prüfen das Mitarbeiter, die sich 1,5 Stellen teilen. Ich bleibe dran. Das Zeitziel ist der nächste Haushalt. Ich bin zuversichtlich, dass wir besser werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein zentrales Thema ist natürlich die Pflege, und wir liefern. Für die künftigen Pflegekräfte haben wir die Ausbildung bereits in hohem Maße attraktiver gemacht und in der letzten Sitzungswoche mit der Verabschiedung der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung sichergestellt, dass die Pflegeschulen ab dem 1. Januar 2020 starten können. Um diejenigen, die bereits in der Pflege tätig sind, kümmern wir uns mit dem neuen Pflegegesetz. In der Altenpflege finanzieren wir zum Beispiel für jede vollstationäre Pflegeeinrichtung zusätzliches Pflegepersonal. Was mir hier noch fehlt, liebe Sabine Dittmar, lieber Minister, ist allerdings eine Antwort darauf, wie wir zum Beispiel mit einer regelmäßigen Dynamisierung und/oder – wirkungsgleich – mit Strukturverbesserungen die Belastung für die zu Pflegenden und ihre Familien im Rahmen halten. ({5}) Im Krankenhaus profitieren die Pflegeberufe zum Beispiel von der Finanzierung jeder zusätzlichen und aufgestockten Stelle und von der künftig krankenhausindividuellen Vergütung der Pflegepersonalkosten. Lieber Harald Weinberg, das ist eine Unionsidee. Die sogenannte Konzertierte Aktion Pflege will den Arbeitsalltag derjenigen, die in der Pflege arbeiten, verbessern, sich um diejenigen kümmern, die ihre Arbeitszeit wegen starker Belastung möglicherweise reduziert haben, und sich um diejenigen kümmern, die sich vorstellen können, erstmals in Deutschland in der Pflege zu arbeiten. Ich glaube, das wird ein rundes Paket für die Pflege. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem Gesetzespaket zur ambulanten Gesundheit, das wir zeitnah in den nächsten Wochen auflegen werden, werden wir dafür sorgen, dass die Patienten flächendeckend, also ganz besonders auch im ländlichen Raum, die bestmögliche medizinische und pflegerische Versorgung erhalten. Übrigens gehört für mich dazu auch die Versorgung mit Offizin-Apotheken. Ich werde das Thema Versandhandel weiterhin adressieren. ({7}) Frau Lötzsch, wir werden das leidige Thema – da haben Sie recht – des teilweise ungleichen Zugangs von privaten und gesetzlich Versicherten zu niedergelassenen Ärzten angehen. Für mich ist in diesem Zusammenhang übrigens selbstverständlich, dass genau, aber auch ausschließlich dort, wo ein Mehrwert für die Patienten in der Versorgung entsteht, eine verbesserte Vergütung folgen muss. Klar ist: Steuern werden wir in der Politik. Sorgen machen wir uns über die Organspende. Die Organspendezahlen sind auf den tiefsten Stand seit 20 Jahren gesunken. Im vergangenen Jahr haben 797 Menschen Organe gespendet. Ich bin dem Minister außerordentlich dankbar, dass er das Thema im Herbst aufgreifen wird, um für die dringend notwendigen Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen zu sorgen. Egal welches Modell kommt, ob Zustimmung oder Widerspruch, die Regelungen sollen in jedem Fall vorgreiflich sein. Meine Damen und Herren, jenseits der durch den Haushalt vorgegebenen einjährigen Betrachtung müssen wir uns natürlich auch mit der Zukunft des Systems befassen. Um die Verbesserung von Versorgungsstrukturen kümmert sich nunmehr die Kommission zur sektorenübergreifenden Versorgung. Dazu gehört übrigens auch die Notfallversorgung. Zur Finanzierung hat der Sachverständigenrat gestern seine Vorstellungen dargelegt, Frau Kappert-Gonther.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.

Karin Maag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004104, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie trauen uns ja unglaublich viel zu; aber innerhalb eines Tages können wir das nicht umsetzen. ({0}) Es bleibt viel zu tun, aber mit dem Haushalt 2018 haben wir eine gute Grundlage gelegt. Ich freue mich auf das weitere Arbeiten. Herzlichen Dank. ({1})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Nun lauschen wir dem letzten Redner, Dr. Georg Kippels, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Georg Kippels (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004327, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei den meisten Beratungen über den Haushalt des Gesundheitsministeriums kommt vielen Rednern und Betrachtern zunächst einmal unser nationales Gesundheitssystem in den Sinn. Als Berichterstatter für globale Gesundheit freut es mich deshalb umso mehr, dass in der heutigen Debatte die globale Gesundheit recht häufig und in den meisten Fällen auch mit einem gewissen Grundverständnis angesprochen worden ist; ({0}) aber bedauerlicherweise ist zwei Rednern – das war erkennbar und erwartungsgemäß – die globale Gesundheit sowohl vom Sinn als auch vom Mehrwert her vollkommen verschlossen geblieben. ({1}) Wir leben in einem Zeitalter der Mobilität. Allein im Jahr 2017 haben wir es mit 4,1 Milliarden Fluggästen zu tun gehabt. In diesem Jahr war, bildlich gesprochen, die halbe Menschheit unterwegs, über Grenzen und Kontinente hinweg. Auf diese Art und Weise kommt es natürlich auch zur Mobilität, zur Bewegung von Krankheitsbildern: Infektionskrankheiten, Epidemien, chronische nichtübertragbare Erkrankungen, vernachlässigte Tropenkrankheiten und natürlich neuerdings immer mehr antimikrobielle Resistenzen, die sehr häufig durch den Fehlgebrauch von Antibiotika entstanden sind. ({2}) Sie belasten wirtschaftliches Wachstum und Entwicklungen, und sie verhindern soziale und politische Stabilität. Dies schlägt im Zweifelsfall auch auf uns zurück. Auch HIV/Aids oder Tuberkulose gehören noch lange nicht der Vergangenheit an. Wir standen mit unserer deutschen Gesundheitspolitik zugegebenermaßen nicht an der Spitze der Bewegung zur globalen Gesundheit. Aber immerhin und erfreulicherweise liegt unser Haushaltsansatz bei diesem Titel nun bei 103,4 Millionen Euro. Zuletzt gab es einen Aufwuchs von 28 Millionen Euro durch den sinnvollen und nötigen Beitrag zur Soforthilfe zur Ebolabekämpfung im Kongo. ({3}) Insgesamt werden über alle Ressorts 800 Millionen Euro pro Jahr für die globale Gesundheitshilfe eingesetzt. Das ist doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Insbesondere durch die G-7-Initiative und die G-20-Ini­tiative der Kanzlerin ist dieses Thema auf die Agenda gekommen, und wir befinden uns mittlerweile im Kreis der Experten an führender Position. Ein Beleg dafür ist, dass in den vergangenen Tagen das International Advisory Board im Gesundheitsministerium getagt hat, wo sich internationale Experten über die weiteren Strategien ausgetauscht haben. ({4}) Wir brauchen Netzwerke und vor allen Dingen – das ist wichtig – eine Restrukturierung der Weltgesundheitsorganisation, damit diese im Krisenfall organisatorisch in der Lage ist, operativ Einsätze zu leiten, frühzeitig Warnungen auszusprechen und die richtigen Empfehlungen zu geben. Wir alle haben uns unter Ziel 3 der Agenda für nachhaltige Entwicklung verpflichtet, ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters zu gewährleisten und ihr Wohlergehen zu fördern. Dieser Verpflichtung müssen wir mit unseren Maßnahmen im Rahmen der globalen Gesundheit nachkommen. Ich bin zuversichtlich, dass uns das im Jahre 2019 mit der dann zu verabschiedenden Strategie der Bundesregierung zu globaler Gesundheit gelingen wird. Zum guten Schluss: Vor wenigen Tagen wurde der Unterausschuss Globale Gesundheit ins Leben gerufen, der insbesondere die Aufgabenstellung hat, die notwendige ressortübergreifende Arbeit zu leisten und zwischen BMG, BMZ und BMBF die notwendigen Verschränkungen der Fachbereiche herbeizuführen. Wir brauchen ein gemeinsames Wirken im Sinne der Sache. Wir müssen eine sichtbare Führungsrolle übernehmen, weil sich die USA und gezwungenermaßen das Vereinigte Königreich aus diesem Tätigkeitsbereich zurückziehen. Wir brauchen zahlreiche Mitstreiter aus Wissenschaft und Forschung. Dazu müssen wir den Haushaltstitel sinnvoll einsetzen. Deshalb würde ich mich freuen, wenn jedenfalls die, die sich diesem Thema verbunden fühlen, dem Einzelplan 15 zustimmen. Ich danke Ihnen recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit. ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesen Ausführungen schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15 – Bundesministerium für Gesundheit – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen keine. Dann stelle ich fest, dass gegen die Stimmen von AfD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke mit den Stimmen von SPD und CDU/CSU der Einzelplan 15 angenommen ist. Wir sind damit – es wäre nett, wenn insbesondere die Kolleginnen und Kollegen von der Union meinen Ausführungen noch lauschen würden; aber sie sind mental schon nicht mehr hier – am Schluss der heutigen Tagesordnung. Ich wünsche Ihnen allen einen frohen und guten Abend; es scheint ja die Sonne. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 4. Juli 2018, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 19.42 Uhr)