Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/8/2020

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Peter Boehringer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004675, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundeshaushalte 2020 und 2021 umfassen zusammen 1 000 Milliarden Euro bei bislang unvorstellbaren 400 Milliarden Euro Neuverschuldung. Die beiden größten Haushalte der deutschen Geschichte. Angeblich alles coronabedingt. Eine Virusinfektion soll die Grenzüberschreitungen rechtfertigen – wir werden es ja gleich überall wieder hören. Ganz so, als ob Deutschland noch nie eine Krise durchlebt hätte. Ganz so, als könne es nie wieder ähnlich schlimme Krisen geben. Deutschland hat seit 1945 viele Krisen gesehen: den Hungerwinter 1946, den Kalten Krieg seit den 50ern mit dramatischen Zuspitzungen 1953 und in der Kuba-Krise 1962, die Ölpreisschocks der 70er, die Massenarbeitslosigkeit der 80er, die Börsencrashs 1980 und 1987, den Crash 2000, dann 9/11 und seit 2010 eigentlich permanent die Finanzkrise. Und natürlich auch viele schwere Grippen, einige davon mit Zehntausenden Opfern. Nun kommt ein weiteres gefährliches Virus, und alle etablierten Maßstäbe der Haushaltsführung werden gesprengt: fast 40 Prozent Kreditfinanzierungsquote dieses Haushalts bzw. etwa 6 Prozent Neuverschuldung bezogen auf die Wirtschaftsleistung des gesamten Landes. Die Maastricht-Obergrenze ist bekanntlich 3 Prozent. 100 Prozent Zielverfehlung – das sind historische Dimensionen. Absolut liegt die Corona-Neuverschuldung sogar beim Vierfachen des bisherigen Negativrekords von 2010. Niemals zuvor wurde auf eine Krise mit einem verordneten Stillstand des ganzen Landes reagiert, wenn man von vier autofreien Sonntagen im Zuge des Ölpreisschocks 1973 einmal absieht. Dass das nicht verhältnismäßig ist, sieht man auch daran, dass nur wenige Bürger persönlich einen kausal sicher an Corona Verstorbenen kennen. Aber fast jeder kennt inzwischen betroffene Gastronomen, Hoteliers, Einzelhändler und Selbstständige fast aller Branchen. Immer mehr kennen Kurzarbeiter in der Auto- und Maschinenbauindustrie. Jeden Tag hören wir neue Horrormeldungen. Im laufenden Jahr ist die Zahl der Arbeitslosen um 500 000 Menschen angestiegen. Zusammen mit den zugehörigen Familienangehörigen sind das millionenfache Schicksale. ({0}) Wir haben noch gar nichts gesehen. 2021 wird das Jahr der massiven Auswirkungen des Lockdowns. Zehntausende Insolvenzen werden kommen; die massenhafte Kurzarbeit wird in millionenfacher Arbeitslosigkeit münden. Bei Familienbetrieben und Mittelständlern wird derzeit vielfach die Lebensleistung von Generationen vernichtet – wegen der völlig unverhältnismäßigen Reaktion der Regierung auf eine Infektionskrankheit, die der PCR-Test übrigens nach wie vor nicht nachweisen kann. ({1}) All das wegen einer Viruskrankheit mit nur minimal messbarer Übersterblichkeit. Die Schicksalsfrage von Millionen Betroffenen lautet daher: Wie lange noch? Wir haben diese Frage bei den Haushaltsberatungen eigentlich fast allen Ministern gestellt ({2}) und Antworten bekommen von „Januar“, „Vielleicht Februar“, „Juni“ bis „Könnte aber auch 2022 werden“. Das Land kann aber erst dann wieder zur Normalität zurückkehren, wenn endlich der Lockdown beendet wird, wenn endlich wieder Planbarkeit herrscht. ({3}) Die Menschen sind ebenso wie die Unternehmen völlig verunsichert und oftmals geradezu depressiv. Von gesundheitlichen und gesellschaftlichen Kollateralschäden ganz abgesehen, die die Regierung nebenbei auch noch produziert. Sogar die „Bild“-Zeitung schreibt inzwischen, dass mehr Menschen wegen der unwissenschaftlich ohne objektive Kriterien und ohne echten Wirkungsnachweis verfügten Maßnahmen sterben als am Virus selbst. Bei Hunderttausenden verschobenen Operationen und unterlassenen Krebs- und Herz-Vorsorgeuntersuchungen ist das ja auch völlig klar. An dieser Stelle hier sagte ich bereits im März: Psychischer Stress durch Freiheitsbeschränkungen, Existenzängste sowie Arbeitslosigkeit aufgrund von Firmeninsolvenzen, die staatliche Stützungszahlungen bei einem längeren Shutdown letztlich nicht verhindern können, werden nach einiger Zeit zu einer verringerten Lebensdauer der Menschen führen. Was also tun? Die Regierung kommt ohne Gesichtsverlust nicht mehr raus aus der selbstgestellten Falle ihrer Lockdown-Politik. Man setzt nun auf ein schnelles Ende der Krise durch die Impfung. Das aber ist unverantwortlich: Eine kaum getestete, völlig neue Impfung auf Basis des trotz 30-jähriger Forschung noch nie eingesetzten mRNA-Impfprinzips – ein Prinzip! – kann weder 2021 noch 2022 eine ernsthafte Option sein! ({4}) Der vorliegende Haushaltsentwurf gibt die Coronaausgleichszahlungen in derzeitiger Höhe nur etwa bis Sommer 2021 her. Mit Glück kann der Finanzminister die Lockdown-Folgen sogar noch bis zur Bundestagswahl mit Schuldengeld abfedern – Stillhalteprämien sozusagen. Es ist jedoch eine Illusion, dass staatliche Mittel auch nur annähernd ausreichen könnten, die derzeit regulativ gestörte Wertschöpfung des Privatsektors zu ersetzen. Man kann Wertschöpfung nicht durch Geldschöpfung ersetzen! Und dennoch versucht die Regierung nun genau das! ({5}) „Nach uns die Sintflut“ ist ganz klar das Motto in diesem letzten Haushalt der Kabinettsausscheider Merkel und Scholz. ({6}) Danach wird im Bundesbudget ein riesiges Loch klaffen; denn 2021 werden die Steuereinnahmen niemals wie geplant um 4 Prozent wachsen, weil die Umsätze der Realwirtschaft unter Lockdown-Bedingungen sogar fallen werden! Durch die anhaltende CO2– und Coronahysterie werden zentrale Wirtschaftsstrukturen irreversibel zerschlagen. Die Fertigung von Verbrennermotoren bei Daimler und BMW etwa wurde nach einem Jahrhundert der Fertigung in Deutschland mit Millionen Arbeitsplätzen, die davon abhängen, aufgegeben bzw. ins Ausland notverkauft – natürlich auch wegen der CO2-Religion. Die AfD erkennt den Schuldenbedarf 2021 zu einem kleinen Teil an: verfassungskonform, das heißt ohne illegitime Verlängerung der haushalterischen Notsituation. Die wirklich sinnvollen Ausgaben im Gesundheitswesen und beim Kurzarbeitergeld anerkennt auch die AfD, vor allem solche für Personal in Intensivstationen, also für Ärzte und Pfleger. Hier liegt derzeit der einzig relevante Engpass. Zahlen Sie also hohe Boni an diese Menschen, Herr Scholz! ({7}) Bei gleichzeitigem Ende des Lockdowns amortisiert sich dieses Invest tausendfach. Wir haben alle diese Ausgaben – ebenso die zum Schutz der Risikogruppen – seit März immer mitgetragen. Niemand steht hier im Weg. Tun Sie mehr bei diesem einzigen Engpass „Intensivstationen“, der saisonal ab Dezember gar nicht selten ist und wie bei vielen Grippewellen noch bis März weiterbestehen wird. Die Rettung der deutschen Wirtschaft und Gesellschaft kann nur über das schnelle Ende des Lockdowns kommen, nicht über verfassungswidrige massenhafte Bürgerrechtseinschränkungen, nicht über unbezahlbare Dauersubventionen, nicht über Coronasteuererhöhungen, nicht über Massenquarantänen und keinesfalls über unzureichend getestete Impfungen oder gar über eine faktische Impfpflicht, die wir kategorisch ablehnen. Herzlichen Dank. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Dennis Rohde, SPD. ({0})

Dennis Rohde (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004388, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! 18 700 Neuinfizierte im Schnitt pro Tag, fast 20 000 Verstorbene in diesem Land, 400 bis 500 kommen momentan fast jeden Tag dazu, und, Herr Boehringer, Sie halten hier so eine Rede! Das, was Sie gemacht haben, war Beihilfe zur Masseninfektion und vollkommen unverantwortlich, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({0}) Wir leben wahrlich in ungewöhnlichen Zeiten, und ungewöhnlich ist auch der Haushalt, den wir heute diskutieren: 500 Milliarden Euro Ausgaben, 179,8 Milliarden Euro Nettokreditaufnahme geplant. Ich will aber an dieser Stelle in aller Deutlichkeit sagen: Ich halte den Haushalt auch in dieser Größenordnung für angemessen und für richtig. Denn was steckt hinter diesen abstrakten Zahlen, über die wir diskutieren? Wir haben allein in diesem Haushalt 61 Milliarden Euro für Investitionen vorgesehen. Das ist deutlich mehr – 20 Milliarden Euro mehr – als vor der Krise. Es bringt zum Ausdruck, was uns wichtig ist: Gegen so eine Krise darf der Staat nicht ansparen; er muss bei den Investitionen selbst tätig werden, und das tun wir mit 61 Milliarden Euro, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({1}) Ich will aber, weil ich weiß, dass das gleich eh angesprochen werden wird, in Richtung der drei Häuser, die die starken investiven Haushalte haben – in Richtung des Wirtschaftsministeriums, des Verkehrsministeriums, aber auch des Innenministeriums –, deutlich machen: Wir würden uns freuen, wenn diese 61 Milliarden Euro heute nicht nur etatisiert werden, sondern wenn sie am Ende des Jahres 2021 auch abgeflossen sind und einen wirklichen Beitrag zur Belebung der Konjunktur in Deutschland leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Eine zweite große Zahl, die sich im Haushalt findet: 39,5 Milliarden Euro Wirtschaftshilfen, Brückenhilfen. 39,5 Milliarden Euro sind viel Geld; aber dieses Geld ist dafür da, dass Unternehmen, die vor der Krise unternehmerisch erfolgreich waren, die jetzt in der Krise aufgrund dieser Pandemie teils massive Einschränkungen erfahren, auch nach der Krise wieder erfolgreich sein können und – noch ein Schritt weitergedacht – dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei diesen Unternehmen nicht aufgrund einer Insolvenz in die Arbeitslosigkeit gehen, sondern dass sie eine Beschäftigungsperspektive nach der Krise haben. Ich finde: Das sind 39,5 Milliarden Euro, die wir gut anlegen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Und ich sage auch: Jeder Euro Wirtschaftshilfe, den wir heute leisten, ist Wirtschaftskraft von morgen, sind Steuereinnahmen von morgen. Täten wir nichts, würde es uns am Ende des Tages viel teurer kommen. Ich will aber auch nicht verhehlen: Diese Pandemie ist schwer vorauszusagen, schwer zu kalkulieren. Wir wissen nicht, was dieses hartnäckige Virus in den nächsten Wochen noch in unserer Gesellschaft auslösen wird. Und weil wir das nicht wissen, weil wir uns eben in einer schwierigen Situation befinden, haben wir 35 Milliarden Euro als Vorsorge im Haushalt eingestellt; 35 Milliarden Euro, von denen ich durchaus sagen will: Ich bin froh, wenn wir am Ende des Tages da gar nicht ranmüssen, wenn das Geld nicht abfließt, weil das Ausdruck dafür ist, dass wir besser, schneller und am Ende auch günstiger durch diese Krise gekommen sind. Aber wenn wir das Geld brauchen, dann steht es zur Verfügung. Und es ist Ausdruck der Handlungsfähigkeit dieses Staates, dass wir auch auf der Zielgeraden dieser Pandemie niemanden zurücklassen werden, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Mir ist auch wichtig, zu betonen: Diese 35 Milliarden Euro – das sage ich als Abgeordneter einer Koalitionsfraktion – sind kein Blankoscheck für die Regierung. ({5}) 35 Milliarden Euro sind viel Geld, und deshalb haben wir auch als Haushälter bewusst gesagt: 20 Milliarden Euro davon sperren wir. – Da kommt man sowieso erst ran, wenn wir als Haushaltsausschuss dem zustimmen. Aber auch bei Großinvestitionen, bei allem, was über 100 Millionen Euro hinausgeht, dürfen Gelder nur mit Zustimmung des Haushaltsausschusses abfließen. Wir müssen das Heft des Handelns auch in dieser Krise in der Hand behalten, und das ist für uns auch wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({6}) Ich will deutlich machen: In diesem Haushalt wird auch die Frage beantwortet: In welchem Land wachen wir eigentlich auf, wenn diese Krise einmal bewältigt ist? – Wir haben in den letzten sieben Jahren als Große Koalition viel Arbeit darauf verwendet, die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in vielfältiger Hinsicht zu verbessern: ({7}) Wir haben zum Beispiel durch Hilfen des Staates die soziale Sicherheit für diejenigen verbessert, die erwerbsunfähig geworden sind, die aufgrund von Krankheit nicht mehr in der Lage waren zu arbeiten. Wir haben im Bereich der inneren Sicherheit, auch als Antwort auf die Terrorwelle des letzten Jahrzehnts, bei der Bundespolizei, beim Bundeskriminalamt, ja auch beim Zoll materiell und personell aufgestockt. Und auch bei der äußeren Sicherheit haben wir Verbesserungen erzielt, indem wir insbesondere bei der persönlichen Ausstattung der Soldatinnen und Soldaten in den letzten Jahren nachgelegt haben. ({8}) Ich erlebe in der Debatte, dass der eine oder andere unter dem Deckmantel dieser Krise diese Sicherheiten der Bürgerinnen und Bürger jetzt wieder abbauen will; auch denen gibt dieser Haushalt eine klare Antwort. Das ist kein Deckmantel für Staatsabbau; wir halten an dem fest, was wir auf den Weg gebracht haben, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({9}) Herr Präsident, abschließend. Dieser Haushalt ist ein Zeichen an alle Bürgerinnen und Bürger, die auf die Handlungsfähigkeit und auf die Solidarität dieses Staates in der Krise vertrauen. Das ist ein Zeichen, dass wir in dieser Pandemie niemanden zurücklassen wollen und dass wir gemeinsam auch die letzten Meter, bis wir hoffentlich über einen Impfstoff zur Herdenimmunität kommen, gehen werden. Dieser Haushalt ist ein Ausdruck für die Handlungsfähigkeit und für die Solidarität unseres Staates. Vielen Dank. ({10})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Christian Dürr, FDP. ({0})

Christian Dürr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004705, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Schulden sind ein süßes Gift. Sie sind in zweifacher Hinsicht ein süßes Gift. Zum Ersten führen Schulden immer dazu, dass man der Versuchung erliegt, alle Probleme mit Geld zu lösen und mit Geld zu erschlagen. Ich glaube, das ist nicht richtig … Zum Zweiten ist es ein süßes Gift, weil man ja nicht selber etwas tun muss, sondern weil es die kommenden Generationen tun müssen. Deswegen ist es auch nicht akzeptabel. ({0}) Ich bin nicht überrascht, dass meine Fraktion mir hier Applaus spendet; das hat sie schon am 29. September bei der ersten Beratung dieses Haushaltes getan. Ich bin überrascht, dass die Kolleginnen und Kollegen der Union keinen Beifall spenden; denn das waren eins zu eins die Worte des Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ralph Brinkhaus, bei der Einbringung dieses Bundeshaushaltes, meine Damen und Herren. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, ausweislich des aktuellen ARD-DeutschlandTrends machen sich zwei Drittel der Menschen in Deutschland große Sorgen über die Verschuldung der öffentlichen Haushalte. Sie, meine Damen und Herren, stimmen in dieser Woche einem Bundeshaushalt zu, der dazu führt, dass der Bund in diesem und im kommenden Jahr die Rekordsumme von 1 Billion Euro ausgibt und eine Rekordverschuldung von zusätzlichen 400 Milliarden Euro aufnimmt. Sie beklagen das süße Gift der Verschuldung. Dabei war dieses süße Gift in den vergangenen Wochen doch in Wahrheit Ihr Grundnahrungsmittel. Da fallen Wort und Handeln komplett auseinander, und das ist nicht akzeptabel, liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koalition. ({2}) Sie sagen, das Geld werde für die Unternehmenshilfen gebraucht. Das stimmt aber nicht. Die Wahrheit ist: Ein Großteil der mittelständischen Unternehmen in Deutschland sagt: Das Geld kommt überhaupt nicht an. ({3}) Wir hören: Die Software zur Auszahlung der Hilfen wird wahrscheinlich überhaupt erst im Frühjahr des kommenden Jahres fertig programmiert sein, ganz zu schweigen von der Bearbeitung der Anträge. Viele Familienbetriebe fühlen sich wie damals in der DDR. Im Schaufenster ist die große Auslage in Milliardenhöhe von Olaf Scholz bereitgestellt; man betritt den Laden, und dann heißt es: Lieferzeit zwei Jahre. Ich will in Richtung der Union klar sagen: Das können Sie nicht allein dem Bundesfinanzminister in die Schuhe schieben. Zuständig ist der Bundeswirtschaftsminister von der CDU, Peter Altmaier. Nichts klappt bei den Unternehmerhilfen zurzeit, und daran müssen Sie arbeiten. ({4}) Sie sagen, das Geld sei für die Bekämpfung der Pandemie. Sie schaffen mit diesem Bundeshaushalt in der Ministerialverwaltung in Deutschland Tausende zusätzliche Stellen. Aber dort, wo jetzt ganz konkret zur Bekämpfung der Coronapandemie neue Stellen benötigt werden, nämlich beim Robert-Koch-Institut, verweigert die Bundesregierung diesem Institut, das uns bisher ja durch das, was es tut, und durch Objektivität geholfen hat und das uns gut durch diese Krise bringt, neue Stellen. Meine Fraktion hat diese bereits im März beantragt. Wir haben sie im November erneut beantragt. Nichts tun Sie an der Stelle, wo es jetzt dringend nötig ist, um diese katastrophale Pandemie zu bekämpfen. Ich fordere Sie auf, Frau Bundeskanzlerin: Rufen Sie Ihr Kabinett zur Räson! Da müssen Sie jetzt etwas tun, um die Pandemie zu bekämpfen, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({5}) Sie sagen, das Geld brauche man für Zukunftsinvestitionen. Die Wahrheit ist – ich will das hier wiederholen –: Das Geld aus dem DigitalPakt Schule kommt erneut nicht dort an, wo jetzt Zukunftsinvestitionen nötig sind. Weniger als 1 Prozent der Gelder aus dem DigitalPakt sind überhaupt erst abgeflossen. Das ist das Gegenteil, liebe Kollegen der SPD, von Bildungsgerechtigkeit und von sozialer Gerechtigkeit, um das klar zu sagen. ({6}) Dort, wo jetzt dringend Entlastung geboten wäre, verweigern Sie sie, zum Beispiel bei der vollständigen Abschaffung des Solidaritätszuschlages, der im kommenden Jahr doch in Wahrheit eine Steuer für mittelständische Betriebe sein wird. Diese Schulden sind die Steuererhöhungen von morgen. In Rede – und das sagt Herr Scholz, also der Finanzminister einer unionsgeführten Bundesregierung schon ganz offen, Herr Brinkhaus – ist doch bereits ein Coronasoli oder – gestern Abend – die Einführung einer Vermögensteuer in Deutschland, ({7}) also einer Betriebsteuer für die Unternehmen, die es jetzt besonders schwer haben. Damit tritt man denen in der Krise noch mal in die Knie. Sie wollen also, dass die Unternehmen, die die Hilfen jetzt nicht bekommen, sie ab Oktober in Form von neuen Steuern oder Steuererhöhungen zurückzahlen. Meine Damen und Herren, das ist weder ökonomisch klug noch ist es gerecht. ({8}) Zum Schluss will ich sagen: Wir zeigen Ihnen, dass es anders geht. Über 500 Änderungsanträge hat meine Fraktion zu diesem Bundeshaushalt gestellt. Wir kommen mit unseren Änderungsvorschlägen mit weniger als der Hälfte der neuen Schulden aus. Stattdessen geben wir das vorhandene Geld für die Entlastung von Unternehmen und privaten Haushalten. Die Abschaffung des Solis, die Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen, eine echte steuerliche Verlustverrechnung – das wäre jetzt das Gebot der Stunde. Stattdessen ist dieser Haushalt – ich darf zitieren – „ein doppelter Verfassungsbruch“. Sie halten eine Rücklage von fast 50 Milliarden Euro zurück und verweigern die verfassungsmäßig gebotene Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Das ist kein Bundeshaushalt, Herr Finanzminister und Frau Bundeskanzlerin, das ist eine Farce. Herzlichen Dank. ({9})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Eckhardt Rehberg, CDU/CSU. ({0})

Eckhardt Rehberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003826, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dürr, wenn ich Ihnen einen guten Ratschlag geben darf: Man sollte Vergleiche zur ehemaligen DDR nur dann ziehen, wenn man die auch live erlebt hat. ({0}) Diesen guten Ratschlag gebe ich Ihnen. – Das ist das Erste. Das Zweite. Ich wusste gar nicht, dass Sie Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sind. Sie haben ja hier von Verfassungsbruch geredet. Ich glaube, wir sollten den Stil wahren. Verfassungsbruch ist es dann, wenn Karlsruhe das so entschieden hat, und nicht, wenn es jemand wie Sie, Herr Dürr, hier im Deutschen Bundestag postuliert. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, wenn ich beide Haushalte zusammennehme, sind es über 1 000 Milliarden bzw. 1 Billion Euro in diesem und im kommenden Jahr, davon 400 Milliarden Euro an Schulden. Aber mit Blick auf die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 ist das neben der Bewältigung der Folgen des Zweiten Weltkrieges die größte Herausforderung, die wir im vereinten Deutschland erlebt haben. Ich glaube, dass man das nicht mit der Finanzkrise – ich komme noch darauf zurück – und auch nicht mit der deutschen Einheit vergleichen kann. Warum? Weil das so tiefgreifend ist. Vielleicht, Herr Kollege Boehringer – Sie haben hier viel erzählt –, haben auch wir uns nach dem relativ guten Verlauf des Sommers zu sehr in Sicherheit gewogen, weil die Infiziertenzahlen sanken und viele Krankenhausbetten nicht belegt waren. Dann aber stiegen förmlich explosionsartig ab Ende September und im Oktober die Zahlen wieder an. Ich sage Ihnen dasselbe, was ich hier schon vor Wochen gesagt habe: Ich möchte in Deutschland keine Bilder sehen wie in den Vereinigten Staaten von Amerika oder in Italien, wo im Frühjahr dieses Jahres die Särge aus den Krankenhäusern mit Militärlastwagen herausgefahren werden mussten. Dies, glaube ich, wollten und wollen wir in Deutschland nicht erleben. ({2}) Deswegen ist es gut und richtig, in Gesundheitsschutz zu investieren, Vorsorge zu treffen, Überbrückungshilfen in einer nie gekannten Größenordnung zu realisieren, Arbeitsplätze zu erhalten, aber auch in die Zukunft zu investieren; ich nenne Stichworte wie Digitalisierung, Klimaschutz, Forschung und Entwicklung, Infrastruktur. Vergessen wir bitte auch nicht diesen Punkt: Der Bund hat noch nie so viel für die Länder und Kommunen geleistet wie in diesem und auch im kommenden Jahr. Ich bin Ralph Brinkhaus ausdrücklich dankbar, dass er diese Debatte angestoßen hat. Die Bewältigung dieser Krise ist eine gesamtstaatliche Verantwortung. Es kann nicht so sein, dass wir beim Bund Kreditfinanzierungsquoten in diesem und im kommenden Jahr von rund 40 Prozent haben, während sie bei den Ländern deutlich im einstelligen Bereich sind. Oder: Die Steuereinnahmen werden bei den Ländern und Kommunen im kommenden Jahr fast schon wieder so hoch sein wie im letzten Jahr. Wenn ich mir die Zahlen des Statistischen Bundesamts zu den bereinigten Einnahmen anschaue, muss ich feststellen: Die Länder haben in diesem Jahr höhere Einnahmen als im letzten Jahr. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann ist es aus meiner Sicht nicht angemessen, wenn bei der Debatte der Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin über das Thema Wechselunterricht von den Vertretern der Länder gesagt wird: Ja, Bund, wenn du so etwas in den Raum wirfst, dann bezahle bitte die Ausfälle im ÖPNV. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, so kann man nicht miteinander umgehen. Der Bund trägt eindeutig die größte Last bei der Bewältigung dieser Pandemie. ({3}) Deswegen sind auch Länder und Kommunen gefordert, ihren Beitrag und ihren Anteil zu leisten. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Dürr, im Regierungsentwurf – ja – waren nur 2 Milliarden Euro für Überbrückungshilfen der Wirtschaft und 5 Milliarden Euro für die Pandemievorsorge vorgesehen. In der Bereinigungsvorlage hat die Bundesregierung nachgelegt. Ich muss ehrlich sagen: Als Haushälter hätte ich mir Ende September an dieser Stelle etwas anderes gewünscht. Dann kamen in der Bereinigungsvorlage knapp 40 Milliarden Euro Überbrückungshilfen dazu, 12 Milliarden Euro für den Gesundheitsschutz, 6 Milliarden Euro mussten bei der Deutschen Bahn verschoben werden, weil dieses Jahr nichts umgesetzt werden konnte. Wir haben dann – Dennis Rohde ist darauf eingegangen – in der Bereinigungssitzung sehr verantwortungsvoll noch einmal 20 Milliarden Euro bei der Vorsorge draufgepackt. Übrigens: Dieser gesamte Titel beträgt 35 Milliarden Euro und bedarf bei einer Ausgabe von über 100 Millionen Euro der Einwilligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. 20 Milliarden Euro sind gesperrt. Deswegen unterstütze ich Dennis Rohde in seiner Aussage. Hier kann die Bundesregierung nicht nach Belieben verfahren, sondern sie muss die Zustimmung des Parlaments einholen. Lieber Otto Fricke, jemand muss mir einmal den semantischen Unterschied zwischen Zustimmung und Einwilligung erklären. Für mich ist das das Gleiche. ({5}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns anschauen, welche Schulden wir in diesem und im kommenden Jahr aufnehmen, dann sei mir der Hinweis gestattet, dass wir in diesem Jahr relativ glimpflich mit der Tilgung der Schulden davonkommen. Das sieht im nächsten Jahr im Soll deutlich anders aus. 164 Milliarden Euro müssen ab dem Jahr 2026 getilgt werden. Deswegen haben wir, glaube ich, eine Verantwortung, nicht nur das Hier und Heute zu betrachten, sondern auch das Morgen und das Übermorgen. Mir sei der Hinweis gestattet: Wenn es bei den geplanten Schulden bleibt, dann sind wir ab 2026 bei einer Tilgungsrate von knapp 16 Milliarden Euro. Das wird sicher nicht so kommen. Mir ist aber gleichwohl bewusst: Herr Bundesfinanzminister, wir sollten nicht den Eindruck erwecken, dass der Staat alles wird leisten können, was wir heute tun. Ich stehe ohne Wenn und Aber zur Schuldenbremse. Was wäre, wenn wir die Schuldenbremse nicht hätten? Was wäre, wenn wir nicht tilgen müssten? Ich glaube, der eine oder die andere würde hier in ganz anderen Dimensionen debattieren. Deswegen ist die Schuldenbremse aus Sicht der Union gut und richtig. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen Sie sich an, was wir als Haushälter in der Bereinigungssitzung umgesetzt haben. Ich lege Wert darauf, festzuhalten, dass alles, was wir im Baransatz 2021 in den Haushalt eingebracht haben, auch gegenfinanziert ist. Wir haben uns ein großes Paket für Bildung und Forschung gepackt: neue Fraunhofer-Institute. Wir haben das Netzwerk der Universitätsmedizin unter Leitung der Charité deutlich ausgebaut, ein Programm für die Entwicklung von Therapeutika gegen Covid-19 aufgelegt und – ich kann das nur kursorisch machen – im Einzelplan 30 noch einmal 150 Millionen Euro für die Sicherung von Aus- und Weiterbildung bereitgestellt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, schauen wir uns an, was andere fordern: Die Linken werden natürlich wieder damit kommen, der ganze Haushalt sei unsozial. ({7}) Fast 52 Prozent gehen in den Sozialbereich. Mit der Festlegung – ich halte sie für richtig –, dass die Sozialbeiträge stabil bei 40 Prozent bleiben sollen, ist das und wird das für die kommenden Jahre eine große Herausforderung sein. Herr Kollege Dürr, Steuerentlastung, ja, klar, wir entlasten: ab 1. Januar kommenden Jahres gesamtstaatlich 17 Milliarden Euro, 10 Milliarden Euro durch die Abschaffung des Soli für über 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger und 7 Milliarden Euro für die Familien, Stichworte: Kindergeld, Grundfreibetrag usw. Das sind alleine in diesem Bereich Steuermindereinnahmen für den Bund in Höhe von 13 Milliarden Euro. Das heißt, wir halten und haben an dieser Stelle Wort gehalten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zum Schluss: Haushälter machen bestimmte Dinge in der Bereinigungssitzung, sie hat dieses Mal 17 Stunden und 37 Minuten gedauert. Ich bin schon ein bisschen stolz, dass es Dennis Rohde und mir gelungen ist, einen Maßgabebeschluss zum Thema Ausgabereste durchzubringen. Das wird nicht jeden in der Bundesregierung freuen; Dennis, darüber sind wir uns beide im Klaren gewesen. Aber dem Aufwuchs der Ausgabereste endlich einmal einen Riegel vorzuschieben, war mir persönlich – ich glaube, letztendlich auch dir, Dennis – ein ganz wichtiges Anliegen. Es kann nicht sein, dass wir im Januar dieses Jahres bei über 22 Milliarden Euro Ausgabereste lagen. Deswegen, Dennis, ist der Appell an die unionsgeführten Häuser gut und richtig. Wenn ich aber einmal schaue, was alleine bei der Familienministerin in den Sondervermögen rumliegt, dann sieht das auch nicht viel besser mit der Umsetzung aus. Ich glaube, die unionsgeführten Häuser und die SPD-geführten Häuser haben in gleicher Art und Weise unsere Kritik an dieser Stelle verdient. Und wenn der Maßgabebeschluss zu den Ausgaberesten dazu beiträgt, das Geld schneller abfließen zu lassen, dann haben wir ein gutes Werk getan. Herzlichen Dank. ({8})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die soziale Spaltung ist während der Pandemie in unserer Gesellschaft schärfer und tiefer geworden. Darum wäre es Aufgabe der Koalitionsfraktionen gewesen, aufgerissene Gräben zuzuschütten. Doch das haben Sie nicht getan. Sie retten stattdessen Konzerne wie die Lufthansa und speisen Arbeitslose mit Almosen ab. Das ist ungerecht, dem stellen wir uns entgegen, meine Damen und Herren. ({0}) Wir messen den Haushalt an drei Fragen. Erstens: Ist der Haushalt sozial? Zweitens: Ist der Haushalt auf Frieden ausgerichtet? Und drittens: Ist er umweltverträglich? – Alle drei Fragen müssen wir mit Nein beantworten. Zur ersten Frage. Die Bundesregierung – und Kollege Rehberg ist gerade schon darauf eingegangen – sagt, er sei sozial, weil der Haushalt für Arbeit und Soziales der größte Einzelhaushalt ist. Aber dabei verschweigt sie ihre unsoziale Steuerpolitik. Was tut sie? Sie entlastet die Vermögenden und belastet immer mehr die Mittel- und die Unterschicht. Das ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren. ({1}) Darum fordern wir als Linke eine Vermögensabgabe, und zwar für die reichsten 0,7 Prozent der Bevölkerung. ({2}) Ich wiederhole: für die reichsten 0,7 Prozent der Bevölkerung. Erst gestern informierte die „Tagesschau“ über eine Milliardärsstudie. Und auch in Deutschland ist der Klub der Superreichen während der Krise größer geworden und das Gesamtvermögen dieses Klubs enorm gewachsen. Die Summe, über die 119 Milliardäre verfügen, ist deutlich höher als der gesamte Bundeshaushalt. Das kann doch nicht in Ordnung sein. Und darum fordern wir diese Vermögensabgabe. Wir brauchen sie unbedingt, um unser Land sicher und sozial zu gestalten, meine Damen und Herren. ({3}) Darum lassen wir es Ihnen auch nicht durchgehen, dass Sie sich an der zentralen Frage dieser Debatte, wer nämlich die Rechnung bezahlt, vorbeimogeln. Sie wollen nach der Bundestagswahl wieder die Schuldenbremse einführen. Meine Damen und Herren, die Schuldenbremse ist unsinnig, sie ist ökonomischer Selbstmord, sie ist ein Zukunftskiller, sie gehört endlich abgeschafft. ({4}) Der Tilgungsplan der Bundesregierung wird den Haushalt ab 2026 jährlich mit circa 15 Milliarden Euro belasten. Das muss man sich einmal vorstellen. Das ist genau so viel, wie für die Haushalte für Familien, Senioren, Frauen und Jugend sowie Umwelt zusammen zur Verfügung steht. Das wollen Sie streichen. Das müssen Sie Ihren Wählerinnen und Wählern ehrlich sagen, oder Sie sagen: Ja, eine Vermögensabgabe ist die richtige Lösung, meine Damen und Herren. ({5}) Würden Sie dagegen unserem Tilgungsplan, unserem Vorschlag folgen, gäbe es ab 2026 lediglich 5,5 Milliarden Euro pro Jahr abzuzahlen. Hier sagen wir ganz deutlich: Da streichen wir einfach einmal 10 Prozent bei der Rüstung, und schon hätten wir das. Das wäre sozial verträglich, und es wäre auch friedlich, meine Damen und Herren. ({6}) Das führt mich direkt zur zweiten Frage: Ist der Haushalt ein Beitrag zum Frieden in Europa und in der Welt? Auch diese Frage muss man eindeutig mit Nein beantworten. Die Bundeswehr wird nach NATO-Kriterien 53 Milliarden Euro für 2021 bekommen. Ich finde, das ist nicht nur Geldverschwendung, sondern das ist auch ein Beitrag zur Destabilisierung Europas und der Welt, und dem müssen wir ein Ende machen, meine Damen und Herren. ({7}) Die Rüstungsausgaben sind in den letzten Jahren explodiert. Darüber haben sich Rüstungskonzerne und Beraterfirmen gefreut; doch die Bundeswehr selbst ist in einem desolaten Zustand. Eine aktuelle Studie zeigt: Die Rüstungsbranche hat ein Boomjahr hinter sich. Es profitieren vor allem Firmen aus den USA und auch Europa, und zum Beispiel ist mit Airbus auch eine Firma mit deutscher Beteiligung dabei. Wir sagen Ihnen ganz deutlich: Statt das Geld in Aufrüstung zu investieren, sollten wir in Bildung, Wohnen, Gesundheit und Klimaschutz investieren. Das wäre der richtige Weg, meine Damen und Herren. ({8}) Es wird ja jetzt auch immer so viel über die Zukunft gesprochen – das ist richtig –, und es wird über die Schulden gesprochen, die wir unseren Kindern, Enkelkindern, Urenkeln – wie auch immer – hinterlassen. Aber ich glaube, die größere Schande wäre, wenn wir unseren Kindern und Enkeln eine desolate Infrastruktur hinterlassen würden, wenn wir nicht in unser Gesundheitssystem, nicht in den Klimaschutz investieren würden. Das ist das Gebot der Stunde, meine Damen und Herren. ({9}) Dritte Frage und abschließend: Ist der Haushalt klimafreundlich? Nein, es gibt immer noch massenhaft umweltschädliche Subventionen. Darum lautet unser Vorschlag: Statt 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Aufrüstung ausgeben zu wollen, sollten wir mindestens 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Klimaschutz, Umwelt und Nachhaltigkeit ausgeben. Das wäre für uns alle gut. Das würde die Menschheit retten, und das würde uns eine gute Zukunft geben. Herzlichen Dank. ({10})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Sven Kindler, Bündnis 90/Die Grünen, ist der nächste Redner. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn wir diesen Haushalt in vielen Punkten kritisieren und ihn am Freitag bei der namentlichen Abstimmung ablehnen werden, ist für uns klar: Dass der Bundeshaushalt in dieser schweren Krise, in dieser schweren Pandemie, die so existenziell ist für unser Gesundheitssystem, für die Wirtschaft, für die Beschäftigten, für die Bevölkerung, im nächsten Jahr knapp 180 Milliarden Euro an Kredit aufnehmen kann, ist verständlich, und das ist richtig. ({0}) Wir kritisieren gleichzeitig die viel zu kurzen Tilgungsfristen; deswegen werden wir uns heute bei der namentlichen Abstimmung enthalten. Aber wir sagen ganz klar: Man darf in eine Krise nicht noch hineinsparen. Am Ende würde alles viel, viel teurer werden. Der Staat kann sich die Bekämpfung der Pandemie finanziell leisten, und er muss sie sich leisten; daran darf es keinen Zweifel geben. Umso verstörender finde ich deswegen die Debatten innerhalb der Union in den letzten Tagen und auch Ihre Äußerungen, Frau Bundeskanzlerin, die jetzt daran konkret Zweifel säen und eine Debatte zur Unzeit anfangen über angebliche finanzielle Grenzen des Staates bei der Pandemiebekämpfung, ({1}) und das losgelöst von der Sachlage. Wir haben gerade negative Zinsen. Wir haben eine extrem geringe Schuldenquote im Vergleich zu anderen Industrieländern. Und wer jetzt bei CDU/CSU sagt, wir können uns die Pandemiebekämpfung und die damit einhergehenden notwendigen Hilfen nicht mehr leisten, der erzeugt Unsicherheit, der zerstört Vertrauen, und damit sinkt auch die Akzeptanz der notwendigen Einschränkungen. Ich halte diese Debatte in der Union für brandgefährlich. ({2}) Für uns ist klar: Natürlich müssen sich auch die Bundesländer an der Finanzierung der Coronahilfen stärker beteiligen. Wir sagen aber auch: Wir wollen natürlich zielgerichtete Unternehmenshilfen haben. ({3}) Wir wollen gerechte Unternehmenshilfen, und sie müssen bei denen ankommen, die sie wirklich brauchen. Deswegen halten wir eine Weiterentwicklung für sinnvoll, die sich an einer vollständigen Übernahme der Betriebskosten orientiert und die endlich auch die Einrichtung eines Unternehmerlohns vorsieht. Der Unternehmerlohn wird seit Monaten gefordert, seit Monaten hier diskutiert. Er muss jetzt endlich auch kommen. ({4}) Es fehlt auch in diesem Haushalt ein befristeter Krisenaufschlag für ALG-II-Empfängerinnen und -Empfänger, für Erwachsene und für Kinder. Das haben wir im Haushaltsausschuss konkret beantragt. Konkret haben es Union und SPD abgelehnt. Ich halte diese Entscheidung für falsch. Ich halte sie für unsozial und kaltherzig. Diese Koalition lässt gerade die Ärmsten der Armen in dieser Krise im Stich, und deswegen hat dieser Haushalt leider eine soziale Schieflage. ({5}) Doch wie geht es nach Corona weiter? Auch diese entscheidende Frage müssen wir jetzt diskutieren. Dazu gibt es wenige Antworten im Finanzplan. Olaf Scholz, Sie wollen als Finanzminister 2022 unbedingt zur unveränderten Schuldenbremse zurück, und das hat Konsequenzen für die Finanzplanung. Sie haben momentan eine Lücke von fast 60 Milliarden Euro von 2022 bis 2024 durch sogenannte globale Minderausgaben. Das kann einen gefährlichen Spardruck nach Corona auslösen, den wir unbedingt verhindern müssen. Deswegen sagen wir sehr deutlich: Wir brauchen jetzt politisch verbindliche Garantien in Deutschland, aber auch in Europa, dass man nach der Krise nicht einen harten Sparkurs einschlägt. Man muss dafür sorgen, dass nach Corona nicht der Rotstift angesetzt wird. Das wäre Gift für die wirtschaftliche Erholung, und das wäre auch Gift für den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. ({6}) Deswegen schlagen wir vor, dass es deutlich längere Tilgungsfristen bei den Coronakrediten gibt. FDP und CDU in NRW haben zum Beispiel Fristen von 50 Jahren vorgeschlagen und beschlossen. ({7}) Wir schlagen auch vor, dass klimaschädigende Subventionen gestrichen werden, zum Beispiel beim schmutzigen Diesel, bei der Flugindustrie, beim Lkw oder bei der Plastikproduktion. Wir wollen auch, dass Menschen mit hohen Einkommen, Menschen mit hohen Vermögen sich fair an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligen. ({8}) Denn wir sagen klar: Starke Schultern können mehr tragen, und sie sollten das auch tun. ({9}) Aber wir dürfen nicht vergessen, dass parallel zu Corona weitere sehr große Aufgaben anstehen. Der November dieses Jahres war der heißeste November aller Zeiten. Die Polkappen schmelzen dramatisch. ({10}) – Da müssen Sie gar nicht lachen. Wenn Sie die Wissenschaft ernstnehmen würden, dann würden Sie wissen, dass die Klimakrise sehr real ist und dass wir jetzt handeln müssen. Denn die Klimakrise war während Corona nicht im Lockdown. ({11}) Was jetzt notwendig ist und was viele Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen und die Wirtschaft auch wissen, ist, dass eine große Transformation der Wirtschaft ansteht. Wer hier glaubt, dass eine klimaneutrale Stahlindustrie, eine klimaneutrale Chemieindustrie, der ökologische Umbau der Autoindustrie, der massive Ausbau der Schieneninfrastruktur einfach so nebenbei aus der Portokasse zu finanzieren wären, der irrt. Das ist doch wahnsinnig! Es wäre weltfremd, wenn wir nicht sagen würden: Wir müssen jetzt eine große Investitionsoffensive nach vorne bringen. – Das steht jetzt nach Corona an. ({12}) Das sehen wir aber leider nicht im Haushalt, Herr Scholz. Bei Ihnen werden Investitionen bei 48 Milliarden Euro in der Finanzplanung eingefroren. Jetzt schon ist klar: Das wird vorne und hinten nicht reichen. Deswegen sagen wir: Wir brauchen einen großen Investitionsfonds über die nächsten zehn Jahre. Bis 2030 wollen wir pro Jahr 50 Milliarden Euro zusätzlich investieren, 500 Milliarden Euro bis 2030. ({13}) In Zeiten von historisch niedrigen Zinsen können wir das auch finanzieren. Wir wollen die Schuldenbremse nicht abschaffen; das ist klar. Wir wollen sie aber weiterentwickeln. ({14}) Wir wollen sie reformieren, sodass Nettoinvestitionen zukünftig konkret über Kredite finanziert werden können. ({15}) Denn aktuell verdient der Staat Geld an der Ausgabe neuer Kredite. In so einer Situation, wo wir einen riesigen Investitionsstau haben, wo der klimaneutrale Umbau der Wirtschaft ansteht, wo wir bei der Digitalisierung massiv hinterherhinken, zu sagen: „Wir machen diese Investitionen nicht, weil wir keine Kredite dafür aufnehmen würden“, das wäre weltfremd und eine schwere Fehlentscheidung. ({16}) Wir sollten die Chancen für die Transformation, die es gibt, jetzt konkret nutzen. Wir haben in der Weltwirtschaft, in der Entwicklung der Industrieländer seit den 80er-Jahren den Trend, dass die Zinsen sinken. Sie werden auch mittelfristig weiterhin so gering bleiben; dafür gibt es viele ökonomische Gründe. Gleichzeitig eskaliert die Klimakrise immer weiter. Wir müssen jetzt handeln. Wir müssen jetzt konkret etwas tun, um das zu stoppen. Deswegen sagen wir klar: Unsere Kinder und Enkel haben nichts davon, wenn Union und SPD sich einer Reform der Schuldenbremse verweigern, wenn gleichzeitig die Lebensgrundlagen auf diesem Planeten weiter zerstört werden. Vielen Dank. ({17})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort dem Bundesfinanzminister Olaf Scholz. ({0})

Olaf Scholz (Minister:in)

Politiker ID: 11003231

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Welt, in der wir leben, besteht nicht nur aus Erzählungen. Sie besteht nicht nur darin, dass irgendjemand eine Geschichte komplett erzählt und sagt: Das könnte eine Möglichkeit sein. – Sie besteht auch darin, dass wir jeden Tag überprüfen können, ob das eigentlich stimmt, was so erzählt wird. Und deshalb will ich ausdrücklich mit Blick auf die AfD sagen: Es ist so, dass das, was Sie hier heute gesagt haben, jeden Tag in den Krankenhäusern dieser Republik widerlegt wird, ({0}) jeden Tag auf den Intensivstationen widerlegt wird. Es ist eine große Katastrophe, was Sie hier tun, weil Sie den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes etwas Falsches erzählen. ({1}) Weil das so ist, stimmt auch nicht, dass wir nichts tun müssten, sondern tatsächlich ist es so, dass wir eine große Herausforderung zu bewältigen haben, die darin besteht, dass wir jeden Tag die Gesundheitskrise bekämpfen müssen. Wir müssen die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger schützen. ({2}) Da haben wir eine Verantwortung – als Deutscher Bundestag, als Bundesregierung, als 16 Landesregierungen, als 16 Landesparlamente, als über 200 Landräte, ({3}) als 11 700 Gemeinden in diesem Lande. Und alle zusammen arbeiten jeden Tag daran, das möglich zu machen, ({4}) und das ist auch richtig. ({5}) Weil dies richtig ist, ist es notwendig, dass wir nicht nur die gesundheitliche Krise bekämpfen, sondern auch die wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen, die damit verbunden sind. Dazu kann man hier eines ganz eindeutig sagen: Deutschland hat mit den Programmen, die wir in diesem Jahr auf den Weg gebracht haben, dazu beigetragen, dass wir mit den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Coronakrise viel besser fertiggeworden sind, als viele vorhergesagt haben. ({6}) Wenn Sie sich die ökonomischen Daten anschauen, die wir heute feststellen können, ({7}) dann sehen Sie, dass sie viel besser sind als alle Prognosen vorher. Die wirtschaftliche Entwicklung ist besser; in vielen Bereichen sind wir sogar auf das Vorkrisenniveau vorangeschritten. ({8}) Wir haben trotz des gegenwärtigen partiellen Lockdowns eine Situation, in der Branchen und Unternehmen tatsächlich wieder zurechtkommen. ({9}) Die Beschäftigung hat sich besser entwickelt, als es alle vorhergesehen haben, ({10}) und die Vorhersagen für die künftige Zeit sind genauso. Deutschland hat mit seiner massiven fiskalischen Antwort dazu beigetragen, ({11}) dass wir auch ökonomisch und sozial durch diese Krise kommen. ({12}) Wir werden für diese Reaktion auch international gelobt. Das, was der Internationale Währungsfonds dazu sagt, was die OECD dazu sagt, ({13}) was die Europäische Union dazu sagt, was die Europäische Zentralbank dazu sagt, was die große Mehrheit der Ökonominnen und Ökonomen in diesem Land und international zur Krisenbekämpfungspolitik der Bundesrepublik Deutschland sagt, lautet: Das ist der Goldstandard, ({14}) so muss man es machen, wenn man eine so große Krise bekämpfen will. – Wir haben diesen Weg eingeschlagen und werden ihn auch fortführen. ({15}) Mit diesem Haushalt nehmen wir sehr viele Schulden auf. Das ist so. Und ich will als Bundesminister der Finanzen sagen: Das empfinde ich trotz der Wichtigkeit dieser Entscheidung in keiner Minute als etwas, das einem leichtfallen kann. Man muss es sich, auch wenn man so viel Geld mobilisiert, sehr genau überlegen. ({16}) Ich bin deshalb nicht nur den Kolleginnen und Kollegen in der Bundesregierung, sondern auch dem Bundestag und dem Haushaltsausschuss sehr dankbar, dass wir gemeinsam viel Geld mobilisieren, aber gleichzeitig nicht alles finanzieren, was irgendjemand bei dieser Gelegenheit sich so ausgedacht hat. ({17}) Denn gerade wenn man in der Lage ist, viel Geld einzusetzen, weil das zur Krisenbekämpfung notwendig ist, muss man genau hinschauen, was man im Einzelnen tut. Und das ist auch gemacht worden. Deshalb: Danke an den Haushaltsausschuss, Danke an den Bundestag für die Beschlüsse, die Sie sich hier vorgenommen haben. Ich glaube, es ist so, dass wir vor der Krise eine solide Haushaltspolitik gemacht haben, ({18}) die dazu geführt hat, dass wir Ende des letzten Jahres alle Stabilitätskriterien Europas eingehalten haben, und dass wir auch jetzt eine solide Haushaltspolitik machen, weil wir viel Geld einsetzen, aber wohlüberlegt und für einen guten Zweck, nämlich um durch die Krise zu kommen. ({19}) Ganz klar ist, dass wir uns natürlich auch mit der Frage auseinandersetzen müssen: Was kommt danach? Und damit es noch mal gesagt ist: Die Bundesregierung wird sich im März nächsten Jahres über Eckwerte für den Bundeshaushalt verständigen. Es wird einen Haushaltsentwurf der Bundesregierung für das Jahr 2022 geben, und auch die Finanzplanung für die gesamte nächste Legislaturperiode wird konzipiert werden müssen. Es wird also kein Drum-Herumreden bei der Frage geben können, wie wir mit den Konsequenzen der Krise, wenn wir sie dann überwunden haben, werden umgehen können. ({20}) Deshalb will ich Ihnen meine Sicht der Dinge sagen. Eines ist ganz klar: Wir können und müssen – erstens – auf alle Fälle darauf setzen, dass unsere Wirtschaft in Deutschland wächst. Das ist das, was uns schon mal gelungen ist. Nach der letzten Krise haben wir es nämlich tatsächlich geschafft, dass sich die vielen zusätzlichen Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung relativiert haben, weil wir es hinbekommen haben, dass Deutschlands Wirtschaft gewachsen ist, ({21}) und wir hatten deshalb am Ende des letzten Jahres nur 60 Prozent Staatsverschuldung. ({22}) Aber damals, nach der Krise, waren es über 80 Prozent Staatsverschuldung. Jetzt werden es knapp über 70 Prozent sein. Und deshalb ist es sehr plausibel, dass wir das schaffen können, ({23}) Das gilt insbesondere, wenn wir – zweitens – auf die richtigen Zukunftsfragen setzen. Und deshalb will ich ausdrücklich auch an dieser Stelle sagen: Was wir für die Zukunft brauchen, sind Investitionen in die richtige Entwicklung. Wir müssen dafür sorgen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze, die dazugehören, gelingt, ({24}) damit wir eine CO2-neutrale Wirtschaft haben. ({25}) Wir müssen dafür Sorge tragen, ({26}) dass das klappt mit dem industriellen Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft, damit wir eine CO2-neutrale Wirtschaft haben, ({27}) und wir müssen dafür sorgen, dass es mit technologischem und digitalem Fortschritt klappt, damit in Deutschland in 10, 20 Jahren und auch in 30 Jahren noch Unternehmen und Arbeitsplätze existieren, die auf Weltniveau mitspielen. ({28}) Alles das wird mit diesem Haushalt auch auf den Weg gebracht. Natürlich wird man sich – drittens – auch über die Frage unterhalten müssen: Wie soll das eigentlich mit der sozialen Gerechtigkeit bei der Bewältigung von Krisenlasten gehen? Und da will ich gar keinen Zweifel daran lassen: Aus meiner sicheren Überzeugung ist es so, dass man es natürlich nicht hinbekommen wird, die Kosten dieser Krise zu bewältigen, wenn man, wie einige es hier vorschlagen, Steuersenkungen für Milliardäre und Spitzenverdiener ({29}) und Steuersenkungen für sehr reiche, leistungsfähige Unternehmen vorschlägt. ({30}) Das ist nicht der Weg, wie man Krisenfolgen bewältigen kann. Und natürlich – auch das will ich gerne sagen – wird es darum gehen, auch dafür Sorge zu tragen, dass unser Steuersystem fair und gerecht ist, zu einer ordentlichen Bilanz beiträgt und dafür sorgt, dass diejenigen, die sehr viel leisten können, einen größeren Beitrag leisten als diejenigen, die weniger leisten können. ({31}) Das heißt, es gibt eine klare Antwort auf die Herausforderungen: Wir werden aus dieser Krise herauswachsen. Wir werden dafür sorgen, dass wir die Zukunft mit den richtigen Investitionen gewinnen, und wir werden dafür Sorge tragen, dass dieses Land fair und gerecht ist. Das ist die Aufgabe für die Zukunft. ({32})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Bundesfinanzminister, ich habe Ihnen eine Mund-und-Nase-Bedeckung bringen lassen, weil die Regeln in diesem Hause auch für Nichtmitglieder des Hauses so sind, dass sie, wenn sie nicht an einem Platz sitzen, eine Mund-und-Nase-Bedeckung tragen müssen. Ich bitte Sie, das in der Zukunft zu beachten. ({0}) Nächster Redner ist der Kollege Dr. Bruno Hollnagel, AfD. ({1})

Dr. Bruno Hollnagel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004760, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Haushalt spiegelt eine neue Normalität wider, eine Normalität, die erschreckend ist. Euro-Krisen, Staatsschuldenkrisen, Haushaltskrisen, Bankenkrisen, Wirtschaftskrisen und Lockdown-Krise – alles steuert auf einen Kollaps hin. Die Lösung der Regierung: Planwirtschaft, gigantische Neuverschuldung, Enteignung der Steuerzahler, Haftungsgemeinschaften, die die Probleme verschleiern statt lösen, meine Damen und Herren. ({0}) Deutschland hat den Point of no Return längst überschritten. Deutschlands Nachhaltigkeitslücke beträgt 13,8 Billionen Euro. Das sind circa 400 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das sind ungedeckte Verpflichtungen im Umfang von circa 38 Bundeshaushalten. Das ist unbezahlbar, das ist unverantwortlich, das ist das Ergebnis einer verfehlten Politik, meine Damen und Herren. ({1}) Wir haben mittlerweile anarchistische Zustände. Verträge werden nicht eingehalten: nicht der Maastricht-Vertrag, nicht der EU-Vertrag, nicht der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der unter anderem eine maximale Verschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vorschreibt. Auch Italien bricht den Stabilitäts- und Wachstumspakt, lebt über seine Verhältnisse, verschuldet sich maßlos und fordert wegen der hohen Verschuldung Coronahilfen und wird auch noch mit Geldgeschenken belohnt. Meine Damen und Herren, die EU beschenkt Vertragsbrecher, und Deutschland haftet dafür. Das ist unerträglich. ({2}) Für den Wiederaufbaufonds will die EU 750 Milliarden Euro Schulden aufnehmen. Das widerspricht dem Verschuldungsverbot gemäß Artikel 311 AEU-Vertrag. Außerdem: Hilfen innerhalb der EU sind nur bei Naturkatastrophen in einzelnen Staaten zulässig. Ein solcher Sachverhalt liegt aber nicht vor. Folglich verstößt Next Generation EU auch gegen die No-bailout-Klausel in Artikel 122 AEUV. Von den 750 Milliarden Euro sollen 390 Milliarden Euro verschenkt werden. Der italienische Außenminister würde Mittel aus dem Fonds nutzen, um die italienischen Steuern zu senken. Da Deutschland für die Schulden des Fonds mithaftet, würde das bedeuten: Auf dem Rücken der deutschen Steuerzahler erhalten die Italiener eine Steuerreduzierung. ({3}) Die Regierung Merkel fordert einerseits Nachtragshaushalte und neue Steuern, andererseits macht sie Geldgeschenke und verdoppelt die EU-Beiträge. Sie macht die EU zu einem Selbstbedienungsladen ohne Kassen, und Deutschland soll der Hauptlieferant sein. Das ist unerträglich. Damit muss Schluss sein. ({4}) Vor Kurzem war zu lesen, dass Staats- und Bankbilanzen nur noch durch Zentralbankinterventionen stabil gehalten werden können und dass das europäische Bankensystem auf faulen Krediten in Höhe von 1,4 Billionen Euro sitzt. Der ESM reicht zur Absicherung nicht annährend aus. Meine Damen und Herren, fällt ein Dominostein, werden die Ketten der Gemeinschaftshaftung uns alle mit in den Abgrund reißen. Jeder Haushaltsplan ist dann absolute Makulatur. Die Haftungsunion wird teuer für uns, wenn wir die Schulden anderer Staaten mittragen müssen. Und da wollen Sie, Herr Minister Scholz, Deutschland eine Vermögensabgabe aufdrücken? Warum fordern Sie das nicht von den reicheren Franzosen und Italienern? Das Medianvermögen der Italiener und Franzosen ist circa dreimal so groß wie das der Deutschen. Warum sollen wir eigentlich immer bezahlen? ({5}) Hören Sie auf, über den „Corona-Nothaushalt“ eine Transferunion einzuführen. Die Zukunft unseres Landes haben Sie längst verspielt. Es ist Zeit für Alternativen, und meine Idee ist: die Alternative für Deutschland. Schönen Dank. ({6})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Andreas Jung, CDU/CSU, ist der nächste Redner. ({0})

Andreas Jung (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003780, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in dieser Debatte von Herrn Dürr gesagt worden: Viele Menschen in Deutschland machen sich wegen der hohen Verschuldung Sorgen. Ich will ganz deutlich sagen: Wir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, gehören dazu; auch wir machen uns Sorgen. Natürlich treibt uns das um. Wir wissen, dass es viele Milliarden sind, die wir jetzt als Schulden aufnehmen und die wir zurückzahlen müssen. All das wissen wir, all die Sorgen teilen wir. Aber ich will Ihnen genauso deutlich sagen: Wir tun das nicht leichtfertig. Wir tun das deshalb, weil wir in einer Krise ungekannten Ausmaßes sind, weil Corona uns alle handgreiflich trifft, weil es Menschenleben gefährdet, weil es die Gesundheit gefährdet, weil es das Zusammenleben, das gesellschaftliche Leben gefährdet, weil es unser Land ins Mark trifft. Und deshalb, Herr Boehringer, gehen Ihre Vergleiche fehl. Sie haben Krisen und Grippen aufgezählt, die wir durchlebt und durchlitten haben – ja, das ist wahr –; aber solange ich denken kann, hat uns nichts so beschäftigt und nichts so betroffen wie Corona. Deshalb besteht kein Zweifel, dass wir in einer Notsituation sind, die gebietet, jetzt die Notklausel der Schuldenbremse in Anspruch zu nehmen. ({0}) Ich will Ihnen versichern, dass eine sorgfältige Abwägung dahintersteht, wofür wir das Geld ausgeben, das wir als Schulden aufnehmen. Wir geben es primär dafür aus, Menschen zu schützen, die Gesundheit zu schützen, das Gesundheitswesen zu stärken und die Situation in den Krankenhäusern zu verbessern, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass wir gemeinsam gesund durch die Krise kommen. Dazu gehört die Finanzierung von Schutzausrüstung, von Masken für Pflegekräfte und für besonders Schutzbedürftige. Dazu gehört, dass wir als Bund uns bereit erklären, die Impfstoffe zu finanzieren. All das tun wir, um Menschenleben zu schützen. Ich will ganz energisch widersprechen, wenn behauptet wird, uns würde es nur um Gesundheitsschutz gehen und nicht um die Wirtschaft. Das ist doch völlig daneben. Wenn es uns nicht gelingt, diese Pandemie in den Griff zu bekommen, wenn es uns nicht gelingt, die Gesundheitsfrage zu klären, dann wird auch die Wirtschaft dauerhaft Schaden nehmen. Es trifft unser Land im Ganzen. Alles Auseinanderdividieren, alles Spalten führt in die falsche Richtung. Es geht darum, dass wir als Gesellschaft gemeinsam eine starke Antwort geben. ({1}) Dem, Frau Lötzsch, dienen doch gerade unsere Sozialgarantien. Den sozialen Anspruch haben wir in den letzten Haushalten und in diesem Haushalt verankert. Wir sagen: Es darf niemand überfordert werden. Auch wenn die Ausgaben jetzt höher und die Einnahmen geringer sind, sollen die Sozialkosten nicht steigen. Es sollen die Energiekosten nicht steigen. Auch hier sagen wir: Niemand darf überfordert werden. Es geht um soziale Sensibilität. Deshalb ist der vorgelegte Haushalt ein sozialer Haushalt. Mit diesem Haushalt bekennen wir uns auch dazu: Wenn die Maßnahmen weitergehen, dann werden wir die Betriebe, die hart getroffen sind, die ihrer Arbeit nicht nachgehen können und damit einen Solidarbeitrag für uns alle übernehmen, länger unterstützen. Das ist richtig. Dazu bekennen wir uns. Dafür gibt es die entsprechenden Programme. Die Mittel müssen ankommen, und dafür schaffen wir mit diesem Haushalt die Grundlage. Warum tun wir das? Wir tun das aus der Überzeugung heraus, dass es Betriebe trifft, die mit ihrer Wertschöpfung für unseren Erfolg sorgen, die Ausbildungs- und Arbeitsplätze schaffen; das ist unsere Überzeugung. Herr Bundesfinanzminister, ich will es deutlich sagen: Das gilt in der Krise, und das muss auch nach der Krise gelten. Deshalb wäre es ganz falsch, nach dem Motto vorzugehen, dass wir die, die wir jetzt stützen, danach stutzen. ({2}) Deshalb werden wir jeder Initiative, bei Familienbetrieben nach der Krise zuzulangen, eine klare Absage erteilen. Wir haben einen Kompass, der klar den Weg zeigt. ({3}) Herr Kindler, Sie haben in Ihrer Rede den Eindruck erweckt, Geld sei ein unbegrenzt verfügbares Gut, das gebe es wie Sand am Meer. ({4}) Das ist leider nicht wahr. Unsere Möglichkeiten sind umfangreich, und wir gehen mit diesem Haushalt weit. Ich will dazu sagen: Natürlich haben wir geschluckt, als, nachdem im Regierungsentwurf zunächst 96 Milliarden Euro Schulden vorgesehen waren, die Summe auf 160 Milliarden Euro und schließlich auf 180 Milliarden Euro stieg. Wir haben abgewägt, uns dann aber entschieden, diesen Weg mitzugehen. Wir haben gesagt: Lieber jetzt ein Nachschlag als danach ein Nachtrag. ({5}) Lieber jetzt die Voraussetzungen schaffen, als nachher nachbessern. Damit ist auch klar, dass das, was jetzt vorliegt, der Rahmen ist, in dem sich die Programme einzuordnen haben. Das ist der Maßstab der Möglichkeiten. ({6}) – Sie fragen: Schließen Sie es aus? – Ich will es so sagen: Wir legen allergrößten Wert darauf, dass das, was wir jetzt vorlegen, der Rahmen ist, in den sich alles einfügt. Die Länder werden ihren Beitrag leisten, die Kommunen werden ihren Beitrag leisten. Wir sind überzeugt, dass wir mit dem, was wir zusammen aufbringen, die Voraussetzung schaffen, um diese Krise entschlossen zu bekämpfen. ({7}) Klar ist: Unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Für uns ist auch klar, Herr Kindler: Wir wollen im Jahr 2022 zur Schuldenbremse zurückkommen. Wir setzen darauf, dass es gelingt, im nächsten Jahr aus der Krise herauszukommen. Für uns gilt selbstverständlich der Grundsatz, dass wir in guten Zeiten mit dem Geld, das wir haben, auskommen müssen. Und wir sind der Überzeugung, dass wir das in guten Zeiten auch können, und zwar ohne Steuererhöhungen und mit Investitionsaufwuchs. Wir haben in den Haushalten dieses und des kommenden Jahres mehr Investitionen als vor der Krise. ({8}) Das werden wir beibehalten. Das ist notwendig für Klimaschutz und Klimaneutralität und für die Digitalisierung. Die Mittel müssen abfließen; auch dafür müssen wir gemeinsam die Voraussetzungen schaffen. Das ist zusammenzubringen; das ist ein Gebot der Nachhaltigkeit. Wir würden unserer Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen nicht gerecht werden, wenn wir das über den Haufen würfen. – Sie schütteln jetzt den Kopf. Aber wir haben das doch mal gemeinsam beschlossen. Jetzt sagen die Linken: Schuldenbremse abschaffen. ({9}) Sie von den Grünen nennen es: Schuldenbremse reformieren. ({10}) Sie beide verbindet, dass Sie sie nicht mehr anwenden wollen, sondern auch in guten Zeiten mehr Geld ausgeben wollen, als wir haben. Das ist mit uns nicht zu machen. Wir wollen zurück zur Schuldenbremse. Das ist ein Gebot der Nachhaltigkeit. ({11}) Das ist unsere Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen. ({12}) – Der erste Halbsatz war richtig: Ich weiß besser, was Nachhaltigkeit ist. Das ist wohl wahr. Zur Nachhaltigkeit gehört für uns auch, dass wir diese Schulden nicht, wie es gerade aus den Reihen der Grünen vorgeschlagen wurde, über Jahrzehnte zurückzahlen. ({13}) Wir wollen das Versprechen der Schuldenbremse erneuern: Das, was wir jetzt zusätzlich aufnehmen, werden wir in dieser Generation zurückzahlen. Ja, wir nehmen mehr Schulden auf, und ja, die Last wird dadurch größer; aber die Dauer der Rückzahlung wird nicht verlängert, die 20 Jahre werden beibehalten. Auch das ist ein Gebot der Nachhaltigkeit. Auch das entspricht unserer Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen. Wir nehmen jetzt viele Schulden auf, aber wir werden sie auch wieder abtragen. ({14}) – Lieber Toni Hofreiter, in diesem Entwurf bildet sich eine Priorität bei Klimaschutz und Klimaneutralität ab. Das sieht man an der Wasserstoffstrategie, dem Energie- und Klimafonds, den zusätzlichen Milliarden für Gebäudesanierung und nachhaltige Mobilität und an den Investitionen in viele technologische Innovationen, die uns im Bereich Klimaschutz voranbringen. Deshalb ist dies für uns ein Haushalt, der eine Herausforderung darstellt, den wir am Ende aber verantworten können. Herzlichen Dank. ({15})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Otto Fricke, FDP. ({0})

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Geschätzter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt ist das Schicksalsbuch der Nation. ({0}) Es ist gegenwärtig ein schwieriges Schicksal, dem wir gegenüberstehen. Es ist unsere Aufgabe, uns gegen dieses vermeintliche Schicksal mit guter Haushaltspolitik zu wenden. ({1}) Meine Damen und Herren, für die FDP-Fraktion besteht keinerlei Zweifel, dass wir uns im verfassungsrechtlichen Sinne für das Jahr 2021 in einer Notsituation befinden; denn die steigenden Zahlen im Lockdown im November und Dezember erfordern eine Reaktion des Staates. Hier besteht aber ein Unterschied zwischen meiner Fraktion und der Großen Koalition. Bei der Großen Koalition herrscht anscheinend insbesondere ein Missverständnis vor. Sie glaubt an das Motto: Ich stelle mit der Kanzlermehrheit die Notsituation fest, und dann darf ich so viel Geld ausgeben, wie ich will. – Das, Herr Finanzminister, ist eben nicht Sinn der Feststellung einer solchen Notsituation. Es wäre Ihre Aufgabe, diesem Geldverteilen entgegenzutreten. ({2}) Das wäre ein Stemmen gegen das Schicksal. Herr Finanzminister, ich kann Sie nur fragen: Wo haben Sie das getan? Wo haben Sie denn mal Nein gesagt? Sie haben eben in Ihrer Rede gesagt: Dann muss man auch mal an bestimmten Stellen Nein sagen. – Überall war Ratlosigkeit in den Augen zu erkennen und Schweigen zu vernehmen. Wann haben Sie denn mal dem Genossen Heil, der schräg hinter Ihnen sitzt, gesagt: „Lieber Hubertus, pass mal auf, wir sind in einem Jahr, das schwierig ist, und wir stehen vor einem Jahr, das schwierig wird; lass uns über neue soziale Leistungen bitte erst reden, wenn wir wieder in normalen Zeiten sind“? Das haben Sie ihm nicht gesagt. Wann haben Sie das der Genossin Lambrecht gesagt? Wann haben Sie das dem Genossen – nein, der ist kein Genosse –, dem Kollegen Altmaier gesagt? ({3}) Das haben Sie nicht getan. Sie haben es einfach nicht gemacht. Der Kollege Altmaier hat alle möglichen Vorschläge gemacht. Ich bin mal gespannt, was passiert, wenn die Geschichtsschreiber herausbekommen, wer auf diese wahnsinnig verrückte Geldausgabeidee gekommen ist, 70 Prozent vom Umsatz des Vorjahresmonats als Entschädigung zu zahlen. ({4}) Sie haben nie Nein gesagt, und das hätten Sie machen müssen, um einen vernünftigen Haushalt und eine vernünftige Schuldenbremse zu haben. ({5}) Dass es anders geht, hat meine Fraktion – das hat manche Kolleginnen und Kollegen sehr genervt – mit 527 Änderungsanträgen gezeigt. Das waren Kürzungsanträge, aber auch Ausgabeanträge, wenn es um notwendige Ausgaben für etwas Schützenswertes ging. Darüber kann man streiten. Aber das wäre eigentlich Ihre Aufgabe gewesen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Das waren die teuersten Haushaltsberatungen, die ich seit 2002 erlebt habe. Ich weiß genau, lieber Ecki, dass es gerade in der CDU/CSU immer wieder Wünsche gab, es anders zu machen. Ich hatte auch nach den großen Ankündigungen des Fraktionsvorsitzenden vor dieser Bereinigungssitzung gesagt: Boah, jetzt wird da Stopp gemacht. Da wird Nein gesagt. Da wird gekürzt. Da wird was zurückgeführt. – Ganz ehrlich? Bei einer um etwa 83 Milliarden Euro gestiegenen Neuverschuldung – von 96,2 Milliarden auf 179,8 Milliarden Euro – kann man sagen, dass die 64 Beratungstage vom Kabinettsbeschluss bis zur Bereinigungssitzung den Steuerzahler 1,3 Milliarden Euro pro Tag kosten. ({6}) Ist das wirklich nachhaltiges Haushalten? Ist das ein Stemmen gegen ein Haushaltsschicksal, das da droht? – Nein, für mich ist das einfach nur die Vorankündigung von Wahlkampfzeiten, in denen man bei allen Wünschen und allen Begehrlichkeiten sagt: Ja, bekommst du, ja, kriegst du. ({7}) Du weißt ja: Du hast einen Finanzminister, der Kanzlerkandidat, aber sicherlich kein Haushaltsminister ist. ({8}) Meine Damen und Herren, dabei wäre es einfach gewesen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir alle wissen doch, dass die Wirtschaft auch in den Monaten Januar bis Juni 2021 noch nicht auf ein Normalmaß kommen wird und damit auch die Verwaltung nicht. Warum steigen dann aber die Kosten für Kongresse? Warum steigen die Kosten für Dienstreisen? Warum werden an allen Stellen die Mittel für das tägliche Geschäft der Bundesregierung, Ihrer Beamten, Ihrer Mitarbeiter aufgebläht, obwohl wir wissen, dass es anders kommen wird? Das zeigt: Hier wird nur dafür gesorgt, dass jeder nach außen gut dasteht, aber der Kern, nämlich dafür zu sorgen, dass es nach der Krise vorangeht, ist nicht da. Ich möchte zum Schluss sagen: Ihre Rede, Herr Finanzminister – ich hoffe, dass das morgen bei der Bundeskanzlerin anders sein wird –, hat sich fast die ganze Zeit nur damit beschäftigt, was Sie alles gemacht haben und wie gut das vermeintlich war und wie toll der Wirtschaftsminister das dann doch nicht gemacht hat, weil die Gelder nicht abgeflossen sind und die Software nicht da war. Ich vermute, wenn die Software dann irgendwann da ist, wird festgestellt, dass die Hardware nicht zur Software passt; irgend so was wird uns wahrscheinlich auch noch passieren. Sie haben immer nur auf die Vergangenheit geschaut. Selbst wenn nach der Wahl definitiv jemand anders auf dem Stuhl der Bundeskanzlerin und auch auf Ihrem Stuhl sitzen wird, ist es Aufgabe dieser Bundesregierung, in die Zukunft zu gucken, das heißt, sich mit den drei wesentlichen Aufgaben unseres Landes auseinanderzusetzen: Demografie, Digitalisierung und insbesondere Nachhaltigkeit. Das findet sich in diesem Haushalt nicht. Einem solchen Haushalt kann meine Fraktion auf keinen Fall zustimmen. Er ist nicht zukunftsgerichtet, er ist vergangenheitsgerichtet. Ich erwarte, dass wir das Schicksalsbuch nicht als Geschichtsbuch sehen, sondern als Blick in die Zukunft, teilweise sogar gerne als Utopie. Das wäre es gewesen. Diese Chance haben Sie vertan. Herzlichen Dank. ({9})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Fabio De Masi, Die Linke. ({0})

Fabio De Masi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004817, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich stelle für meine Fraktion fest: Es war selbstverständlich richtig, in der Krise viele Milliarden Euro in die Hand zu nehmen, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu schützen, weil die Krise teurer geworden wäre, wenn Unternehmen gestorben wären, wenn Arbeitsplätze vernichtet worden wären und wenn in der Folge auch die Steuereinnahmen eingebrochen wären. ({0}) Die Menschen in Deutschland fragen sich: Was hat diese Regierung denn im Sommer gemacht? Die Milliarden waren schon auf dem Konto der Lufthansa, bevor der Beschluss hier gefasst wurde, und das, obwohl dort Arbeitsplätze abgebaut werden. Aber die Novemberhilfe heißt jetzt Januarhilfe oder Zu-spät-Hilfe. Warum hat die Regierung denn gepennt und die Software nicht vorbereitet, meine Damen und Herren? ({1}) Das ist unverantwortlich, weil man mit den Existenzen von Menschen spielt. Auch die Überbrückungshilfen wurden gar nicht in vollem Umfang abgerufen, weil die Voraussetzungen dafür eben nichts mit der Realität von Selbstständigen zu tun haben. Eines ist völlig unverständlich: Es gibt ja auch Krisengewinner; denken wir an Amazon. Die machen Gewinne, wenn die Geschäfte wieder zumachen müssen und viele Leute im Internet bestellen. Warum hat diese Regierung verhindert, dass Multis wie Amazon für jedes Land klarmachen müssen, wie hoch ihre Gewinne und bezahlten Steuern sind? Das wäre das Mindeste gewesen. Das hat diese Regierung in Brüssel blockiert. ({2}) Ich will hier nur sagen, weil über die Schuldenbremse gesprochen wird: Wenn man wirklich zur Schuldenbremse zurückkehren will, ist das eine völlig verrückte Idee; denn dann bremst man die Wirtschaft von 100 auf null runter. Die Schuldenbremse hat doch nicht die Schulden gebremst; sie bremst die Investitionen. Wir verdanken den Abbau der öffentlichen Verschuldung in den letzten Jahren doch nicht der Schuldenbremse, sondern den niedrigen Zinsen. Die Quote der Zinskosten zum Schuldendienst betrug vor der letzten großen Finanzkrise 14,2 Prozent; heute liegt sie bei 1,9 Prozent. Wir sparen dieses Jahr 11 Milliarden im Haushalt durch die Negativzinsen. Und die Schuldenstandsquote ist geringer als nach der letzten Finanzkrise. Deswegen hat der Finanzminister recht, wenn er sagt: Wir müssen langfristig aus den Schulden herauswachsen. – Dann muss man aber auch bei den Tilgungsfristen ansetzen. 20 Jahre sind hier verabredet. In Nordrhein-Westfalen – übrigens CDU-regiert, habe ich gehört – sind es 50 Jahre. Das müssen wir auch hier machen, damit wir langfristig aus diesen Schulden herauswachsen können. ({3}) Es gab in der Vergangenheit Kriegsanleihen; die wurden über 100 Jahre bedient. Ich will Ihnen einmal vorlesen, verehrte Kollegen von der Union, was Herr Professor Rürup – das war einer der Verteidiger der Schuldenbremse – im „Handelsblatt“ dazu geschrieben hat: Die Regeln der Schuldenbremse sind für die heutige Zeit falsch konzipiert. Statt diese Vorschrift trickreich zu umgehen, sollte sie ehrlich infrage gestellt werden. Unsere Rede, meine Damen und Herren. ({4}) Wenn man zur Schuldenbremse zurückkehren will, dann muss man die zentrale Frage in diesem Land beantworten: Wer macht den Abwasch? Wo sollen die Steuern erhöht oder die Ausgaben reduziert werden? Wer diese Frage nicht beantwortet, der soll sich bei der Bundestagswahl erst gar nicht mit seinen Wahlplakaten blicken lassen! Sind es wieder diejenigen, die den Laden am Laufen gehalten haben in der Intensivpflege oder als Lagerarbeiter, die die Rechnung bezahlen sollen? Nein, meine Fraktion ist der Meinung: Die Multimillionäre und Milliardäre in diesem Land, die Krisengewinner, dürfen sich nicht nur fragen, was dieses Land für sie tun kann, sondern müssen sich endlich auch fragen, was sie für dieses Land tun können. ({5}) Da sind sie alle angesprochen, auch diejenigen, die immer großzügig Spenden an die ein oder andere Partei verteilen, die Quandts und die Klattens oder die neue Mittelschicht von Herrn Merz. Der könnte sich auch mal fragen, was er denn gemacht hat zum Beispiel bei Cum/Ex; da war er Aufsichtsrat bei der HSBC. Wo war der Kritiker der Vermögensteuer da, der liebe Herr Merz? Ich will es hier noch einmal sagen: Ich begrüße natürlich, wenn der Finanzminister durch uns jetzt ein paar Denkanstöße bekommen hat und bei „Hart aber fair“ eine Vermögensteuer fordert. Es reicht aber nicht, sie bei „Hart aber fair“ zu fordern. Man muss sie hier beschließen, im Bundestag. Das ist die zentrale Frage. ({6}) Weil ein Redner der AfD davon fantasiert hat, dass in Italien die Steuern gesenkt würden, und mich dabei angeguckt hat, will ich zum Schluss nur einmal sagen: Ich als Deutsch-Italiener gehöre zu den wenigen Bundestagsabgeordneten, die ihre Steuererklärung im Netz veröffentlichen, die höhere Steuern für sich selbst fordern und ihre Steuern in Deutschland zahlen. Das ist ein Unterschied zu den Hobbypatrioten von der AfD; die zahlen die Steuern in der Schweiz. Vielen Dank. ({7})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Ekin Deligöz, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Ekin Deligöz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003068, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, wir stellen einen Haushalt auf in einer ungewöhnlichen Zeit, unter ungewöhnlichen Umständen. Ja, noch nie wurde einem Haushalt so viel Beachtung geschenkt wie in diesem Jahr, und noch nie wurde damit auch so viel Hoffnung verbunden. Ich kann Ihnen jetzt aber schon sagen: „Noch nie wird so viel Enttäuschung damit verbunden sein“, und ich will Ihnen auch sagen, warum. Sie machen sicherlich das Notwendige – auch das Richtige –; aber es fehlt die Vision, es fehlen die Ziele, Sie sagen nicht, wie es weitergehen wird. Sie wissen noch nicht einmal, wie dieses Jahr aussehen soll, geschweige denn nächstes Jahr. Das ist es, was die Menschen in diesem Land am meisten enttäuschen wird. Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele. Ganz viele Redner der Koalition haben gesagt, was für tolle Dinge sie in Sachen Zukunftsinvestitionen machen. Da frage ich mich: Warum fließen dann die Mittel nicht ab? Sie produzieren eine Überschrift nach der anderen. Wenn es aber dann um die Umsetzung geht, versagen Sie. ({0}) Warum sind die Mittel gesperrt? Warum fließen die KI-Mittel nicht? Was ist mit der Wasserstofftechnologie, bei der niemand etwas mitkriegt, dass es Mittel dafür gibt? Was ist mit dem Ausbau der Ganztagsschulen und der Digitalisierung in den Schulen? Warum ist der Mittelabfluss so gering? Das sind doch Fragen, die Sie sich stellen müssen. ({1}) Sie wissen das auch. Nicht umsonst haben Sie in der Bereinigungssitzung eine Sperre nach der anderen verfügt, insbesondere beim Haushalt von Frau Karliczek. Sie trauen der Ministerin selber nicht zu, dass sie in der Lage ist, die Mittel auszugeben; ({2}) Sie wollen im Haushalt eine stärkere Kontrolle. Aber Ihre Innovationspolitik ist: viel Überschrift, nichts dahinter. ({3}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Sache ist mir bei der Debatte auch aufgefallen. Ich finde es sehr spannend, wenn die FDP hier davon redet, dass sie 500 Änderungsanträge gestellt hat. Da muss ich schon schmunzeln. Vor zwei Wochen gab es hier eine Debatte um den Ausbau der Ganztagsschulen, und da hat der Kollege Seestern-Pauly hier ganz laut gefordert – übrigens auch in einem Antrag an einer anderen Stelle –, dass es mehr Mittel für den Ganztagsschulausbau und eine Betreuungsgarantie braucht. Am gleichen Tag in einem anderen Raum hat die gleiche Fraktion zwei Anträge eingereicht, nach denen alle Ganztagsschulmittel im Einzelplan 17 und 30 gestrichen werden sollen. ({4}) Die rechte Hand weiß nicht, was die linke Hand macht. So definieren Sie Ihre 500 Änderungsanträge. ({5}) Sie müssen sich schon einmal klar werden, was Sie eigentlich wollen. Im Plenum fordern, aber im Ausschuss streichen! Ja, für uns Grüne gibt es tatsächlich eine Idee, eine Vision, weil wir wissen, dass wir die Herausforderung der Pandemie angehen müssen. Ehrlich gesagt, finde ich es sehr zynisch, die Pandemie hier kleinzureden. Ich denke mir jedes Mal: Was denken eigentlich die Menschen, die drüben in der Charité liegen? Was denken eigentlich die Familien, die Angst haben, ihre Angehörigen zu verlieren? Deshalb ist das Kleinreden der Pandemie falsch. Aber nach der Pandemie – besser wäre gewesen, schon vor der Pandemie – müssen wir die eigentlichen Fragen, die sich nach wie vor stellen, lösen. Unsere Prioritäten sind: Klimakrise überwinden, Klimaschutz voranbringen und soziale Gerechtigkeit in diesem Land voranbringen. Ihre Antwort ist immer noch, Plastik in diesem Land zu bezuschussen und schmutzigen Diesel zu subventionieren. Das sind keine zukunftsträchtigen Antworten. Auch Kinderarmut ist eine offene Wunde in Ihrer Sozialpolitik; auch da machen Sie nichts. ({6}) Herr Minister, nicht nur ankündigen, sondern umsetzen, nicht nur Wahlkampf machen, sondern auch Minister sein – das ist unsere Forderung. ({7})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Hans Michelbach, CDU/CSU, ist der nächste Redner. ({0})

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt 2021 ist in einem Umfang von der Coronapandemie bestimmt, der vor einigen Monaten noch undenkbar war. Wir belasten die Zukunft mit weiteren Schulden in Höhe von 180 Milliarden Euro. Das ist mehr als schmerzhaft; denn mit dieser finanziellen Bürde wird eine ganze Generation in der Zukunft zu kämpfen haben. Aber, meine Damen und Herren, diese weitere erhebliche Schuldenaufnahme ist leider unausweichlich, ({0}) um den Zusammenbruch von Unternehmen und Arbeitsmarkt auf breiter Front zu verhindern. Und bislang ist uns das ja auch im Wesentlichen gelungen. ({1}) Die Maßnahmen wirken. ({2}) Dieser Kraftakt ist aber nur möglich, weil wir, CDU und CSU, den Kurs der wirtschaftlichen und finanziellen Vernunft in den vergangenen Jahren stets beharrlich gegen alle Begehrlichkeiten verteidigt haben, meine Damen und Herren. ({3}) Die Schuldenbremse und die Politik der schwarzen Null haben die Spielräume geschaffen, die wir heute als Krisenabwehr zur Verfügung haben – das ist die Wahrheit –, ({4}) nach dem Grundsatz: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. ({5}) Meine Damen und Herren, dieser Haushalt enthält die notwendigen Mittel, um Unternehmen, Soloselbstständige und Kulturschaffende zu unterstützen. Allerdings müssen die Finanzmittel auch schnell bei den Betroffenen ankommen. Ich höre, dass inzwischen 140 000 Anträge auf Novemberhilfe gestellt wurden und in über 110 000 Fällen bereits Zahlungen erfolgt sind. ({6}) Das ist ein guter Auftakt. Das ist ein Zeichen gegen die Unsicherheiten, meine Damen und Herren, und darauf kommt es letzten Endes an. Meine Damen und Herren, ich danke den Kolleginnen und Kollegen im Finanzausschuss dafür, dass dieser Haushalt auch den Steuerzahlern und den Familien durch die überproportionale Anhebung des steuerfreien Existenzminimums, die Erhöhung des Kindergeldes, die neuerliche Kappung der kalten Progression, eine steuerliche Homeoffice-Pauschale von 600 Euro jährlich, die uns wichtig war, und nicht zuletzt die Verdoppelung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende zugutekommt. Darüber hinaus stützen wir das Ehrenamt und entlasten weite Teile der Bevölkerung beim Soli. Das sind Impulse für neues Wachstum. Das sind zielführende Krisenhilfen mit der Ordnungspolitik der sozialen Marktwirtschaft. ({7}) Es ist über die Maßen bedauerlich, dass die Ausweitung des Verlustrücktrags und eine steuerliche Verbesserung bei thesaurierten Gewinnen bisher am Widerstand des Koalitionspartners gescheitert sind. Unternehmen müssen zur Schaffung von Liquidität Gewinne aus der Vergangenheit mit Verlusten aus dem Coronajahr verrechnen können. Die derzeitige Beschränkung ist krisenverschärfend. Es braucht Liquidität in den Unternehmen. Der Verlustrücktrag kostet den Staat unter dem Strich nichts. Er wird nur mit Steuerzahlungen der Vergangenheit verrechnet. Wir müssen jetzt die Weichen richtig stellen; darauf kommt es an. Wir müssen 2022 die Schuldenbremse wieder einhalten, wir müssen die Wachstumskräfte der Wirtschaft fördern. Herr Bundesfinanzminister, lassen Sie Ihre Bazooka in Zukunft im Schrank. Wir brauchen erfolgreiche chirurgische Eingriffe für die Sicherung von Unternehmen und der Arbeitsplätze. Das ist mit der Ordnungspolitik der sozialen Marktwirtschaft am besten zu erreichen. ({8}) Mancher hat in den vergangenen Zeiten den Eindruck erweckt, Deutschland sei geradezu ein Schlaraffenland, in dem man einfach nur den Mund aufmachen muss, um zu fordern. Das wird sich erkennbar ändern müssen. Wir haben nicht für alles Geld, und der Haushaltsausschuss ist das Maß aller Dinge. ({9}) Parlament und Regierung müssen künftig sehr genau abwägen, was noch finanzierbar ist und was nicht. Wem jetzt nichts Besseres einfällt, als mit einer Neidkampagne nach Steuer- und Abgabenerhöhungen, nach Vermögensabgabe und Vermögensteuer oder nach einer dauerhaften Aussetzung der Schuldenbremse zu rufen, wird die konjunkturellen Bremsspuren deutlich über das Ende der Pandemie hinaus verlängern. Das ist absolut kontraproduktiv. ({10}) Neid hat noch nie etwas erreicht, sondern die Gesellschaft gespalten, und das können wir uns in dieser Zeit der Pandemie überhaupt nicht leisten. ({11}) Wir haben dank der Aussicht auf Impfstoffe die Chance, die Pandemiekrise im nächsten Jahr hinter uns zu lassen. Es gilt deshalb, alle Kräfte auf den Re-Start zu konzentrieren – nicht durch noch mehr Staatswirtschaft, nicht durch mehr Staatsdirigismus, sondern in den ordnungspolitischen Leitplanken der sozialen Marktwirtschaft. Das ist der richtige Weg – nicht die Angstmacherei der AfD, nicht Steuererhöhungen, wie sie hier von den Linken angekündigt wurden, nicht der Hinweis auf den Verlust an Nachhaltigkeit, mit dem die Grünen die Schuldenbremse aushebeln wollen, nicht der Weg in die Spaltung der Gesellschaft. Unser Modell der sozialen Marktwirtschaft, mit dem wir Anreize, Wachstum und Arbeitsplätze schaffen und die Unternehmen in die Lage versetzen, mehr zu investieren: Das ist das Konzept für die Zukunft und die Lösung nach dieser Pandemiekrise, und dafür müssen wir gemeinsam arbeiten. Herzlichen Dank. ({12})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Cansel Kiziltepe, SPD. ({0})

Cansel Kiziltepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004328, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Haushaltsdebatte sprechen wir viel darüber, was wir mit den Steuergeldern machen, und dabei dürfen wir nicht vergessen: Dieses Geld kommt von Millionen von ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. ({0}) Sie stehen jeden Tag auf, arbeiten hart und schaffen damit die Grundlage sowohl für ihr Leben als auch für unsere Gesellschaft. Ihnen gebührt unser Dank. ({1}) Danke dafür, dass die Kindergärten und Schulen gebaut und finanziert werden können, dass an den Universitäten gelehrt und geforscht werden kann, dass unsere Straßen sicher und sauber sein können, dass die Digitalisierung vorangetrieben werden kann. Danke dafür, dass wir gute Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft schaffen können, dass Menschen in Not geholfen werden kann und dass der Kampf gegen Corona und den Klimawandel bezahlt werden kann. Ohne die vielen ehrlichen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wäre all dies nicht möglich. ({2}) Doch es gibt auch die anderen, diejenigen, die versuchen, sich um jeden Steuercent zu drücken, und nicht davor zurückschrecken, auch die Grenze der Legalität zu überschreiten. Wer die Früchte dieses Landes ernten will, muss zu dieser Gesellschaft auch beitragen. Das haben die Ehrlichen verdient. Dafür setzen wir uns als SPD-Bundestagsfraktion ein. ({3}) Ehrlichkeit ist gut für uns alle. Sie muss sich für jeden persönlich lohnen. Deswegen unterstützen wir bei den Coronahilfen auch die umsatzbezogenen Instrumente. ({4}) Damit wird nämlich jenen geholfen, die ihre Umsätze korrekt angegeben haben. ({5}) Die Ehrlichen haben es verdient, dass ihnen in schlechten Zeiten unter die Arme gegriffen wird. ({6}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen mit diesem Haushalt auch noch stärker gegen Schwarzarbeit vorgehen und Missbrauch von Sozialleistungen verhindern. Wir wollen faire und gerechte Arbeitsbedingungen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Ausbeutung schützen. Es ist eben ein Haushalt der Ehrlichen. Er belohnt die Ehrlichen, und er erschwert das Leben der Unehrlichen. ({7}) Ehrlich wäre es auch, Steuerschlupflöcher endlich zu schließen. ({8}) Viel zu lange müssen wir uns schon anschauen, wie sich Investoren mit Share Deals um die Grunderwerbsteuer winden, während einfache Wohnungskäuferinnen und ‑käufer ihren Beitrag leisten. Ich hoffe inständig, dass sich diese Einsicht auch bei unserem Koalitionspartner noch durchsetzt. ({9}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist wichtig und richtig, dass wir auf die Coronakrise mit einem Wumms, mit einer Bazooka, reagieren. Wir dürfen unseren Kindern keine Ruinen hinterlassen. Wir müssen Arbeitsplätze sichern, weiter und mehr investieren und die sozialökologische Transformation vorantreiben. Krisen sind Zeiten von Verantwortung, und die zeigen wir mit diesem Haushalt. ({10}) Eines will ich auch ganz deutlich sagen: Wer in diesen Zeiten massive Steuersenkungen fordert, wie die FDP, der will keine Verantwortung übernehmen, ({11}) sondern die öffentlichen Haushalte gegen die Wand fahren. Als ich heute Morgen aufgestanden bin, musste ich im Radio den Kollegen Otto Fricke von der FDP-Fraktion hören –

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Cansel Kiziltepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004328, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

– einen Moment; ich bringe den Satz noch zu Ende, dann gerne –, wie er die Streichung der Grundrente – zulasten der Ärmsten – gefordert hat, statt über solide Staatseinnahmen nachzudenken. ({0}) Das ist zynisch, und das werden wir nicht zulassen. ({1})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Jetzt gestatten Sie dem Kollegen Fricke eine Zwischenfrage?

Cansel Kiziltepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004328, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Herr Kollege Fricke.

Otto Fricke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Kollegin, bei so vielen Falschbehauptungen fange ich mal Stück für Stück an. Erstens. Jemand, der hier sagt, dass sich Ehrlichkeit lohnen muss, sollte seinen eigenen Moralkompass hinterfragen. Zweitens. Ich habe nicht gesagt, dass die Grundrente gestrichen werden muss. Wenn Sie ehrlich und fair gewesen wären – Ehrlichkeit ist ja Ihr Thema –, hätten Sie gesagt: Der Kollege Fricke hat gesagt, dass man in Notzeiten eine solche Frage wie die einer Grundrente verschieben sollte, damit denen, die auf Hilfen angewiesen sind, genügend Geld gegeben werden kann. ({0}) Drittens, Frau Kollegin, darf ich Sie darauf hinweisen, dass sich die FDP-Bundestagsfraktion mit ihrer Basisrente gerade um diese Gruppe kümmert. Jetzt haben Sie gesagt, dass man mit Steuersenkungen ja alles kaputtsparen würde. Das sagen Sie einer Fraktion, die selber anerkennt, dass eine Notsituation besteht. Jetzt frage ich Sie: Trifft es zu, dass Sie einer Fraktion angehören, die im Haushalt 2021 Steuersenkungen in zweistelliger Milliardenhöhe anstrebt – ja oder nein? Und wenn Sie sagen, dass Steuersenkungen falsch sind: Wollen Sie dann damit sagen, dass Sie diese Steuersenkungen und gleichzeitig auch noch die Steuersenkungen für Familien mit Kindern nur machen, weil die böse CDU da ist? Oder ist das einfach etwas unehrlich gewesen? ({1})

Cansel Kiziltepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004328, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Fricke, vielen Dank für Ihre Frage. – Ich hätte mir heute Morgen gewünscht, zu hören, dass Sie sich dafür aussprechen, die Teilabschaffung des Solis aufgrund der Notlage, die wir hier in Deutschland gerade haben, zu verschieben. ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine Haushalts- und Fiskalpolitik, ({1}) die uns durch die Krise bringt und die Weichen von morgen stellt. Wir brauchen keine Steuersenkungen für die Superreichen. Wir brauchen eine Lastenverteilung, in der stärkere Schultern – Vorbild kann von mir aus die Adenauer-Abgabe sein – mehr tragen. Vielleicht sollten die Kollegen von der CDU/CSU auch mal in ihren Geschichtsbüchern rumkramen. Das lohnt sich auf jeden Fall. Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den Weichenstellungen von morgen würde es aber auch gehören, Artikel 3 des Grundgesetzes endlich umfassend im Haushalt zu würdigen. Die Gleichstellung von Mann und Frau muss auch im Haushalt vorangetrieben werden. Und ja, sehr geehrte Herren im Saal: Bei der geschlechtergerechten Haushaltsplanung besteht noch erheblicher Diskussionsbedarf. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({2})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Voraussichtlich letzter Redner in dieser Aussprache ist der Kollege Markus Uhl, CDU/CSU. ({0})

Markus Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004645, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Schluss dieser Debatte möchte ich einmal kurz zusammenfassen ({0}) und auf ein paar ausgewählte Punkte eingehen. Heute vor elf Tagen ging gegen 4.30 Uhr die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses zur Finalisierung des Bundeshaushaltes 2021 zu Ende. Im Vergleich zu den Vorjahren, wo wir zwar müde, aber doch eher positiv gestimmt waren, weil da unterm Strich eben eine schwarze Null stand, war das dieses Mal doch ein Ende mit gemischten Gefühlen: einerseits zwar müde, aber auch erleichtert, dass 17,5 Stunden Sitzung zu Ende gingen und der Haushalt 2021 mit einem Volumen von fast einer halben Billion Euro unter Dach und Fach ist; andererseits aber die Erkenntnis, dass die Nettokreditaufnahme durch die Beschlüsse, die wir in der Sitzung auf Bitten der Bundesregierung getroffen haben, um 83,6 Milliarden Euro auf insgesamt 179,8 Milliarden Euro gestiegen ist. Damit steigt die gesamtstaatliche Schuldenbestandsquote von 60 Prozent Ende 2019 auf über 71 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Daher überschreiten wir die auch nach der Schuldenbremse maximal zulässige Nettokreditaufnahme erneut, weshalb wir auch gleich gemäß Artikel 115 Absatz 2 des Grundgesetzes erneut über eine Ausnahme von der Kreditobergrenze abstimmen. Wir haben es heute schon mehrfach gehört: Zweifelsohne liegt eine außergewöhnliche Notsituation vor, die sich der Kontrolle des Staates entzieht und eben die staatliche Finanzlage auch erheblich beeinträchtigt. Das sind natürlich keine leichten Entscheidungen. Aber die fortdauernde Coronapandemie erfordert es eben, dass wir handeln; handeln, um die Gesundheit der Menschen zu schützen, um die Wirtschaft zu stabilisieren, um Arbeitsplätze zu erhalten und gleichzeitig in die Zukunft zu investieren. ({1}) Meine Damen und Herren, deshalb ist es richtig, dass der Bund in diesem Jahr rund 400 Milliarden Euro für Wirtschaftshilfen und Konjunkturpakete in die Hand nimmt und dass wir das im nächsten Jahr mit über 140 Milliarden Euro erneut tun. Wir wenden über 35 Milliarden Euro für unsere Gesundheit auf. Dazu gehören die Zuschüsse zum Gesundheitsfonds, die vergünstigte Abgabe von FFP2-Masken, die Beschaffung von Impfstoffen und die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Aber – das ist ganz besonders wichtig – wir investieren auch in die Zukunft, in die Köpfe, in Bildung und in die Wissenschaft. Deshalb ist es gut und es ist richtig, dass der Haushalt des Bundesforschungsministeriums mit nun fast 21 Milliarden Euro Rekordniveau erreicht. Wir sichern die Ausbildungen von jungen Menschen mit 150 Millionen Euro im nächsten Jahr und mit 200 Millionen Euro im übernächsten Jahr. Wir führen eine digitale Bildungsoffensive in Höhe von 90 Millionen Euro durch. Es wurde schon angesprochen: Wir ermöglichen neue Fraunhofer-Institute für Smart Farming und biogene Wertschöpfung, zur Stärkung der Immunforschung und ein Fraunhofer-Zentrum für die öffentliche Sicherheit. Die aktuelle Pandemie zeigt, wie wichtig die Arbeit an Wirkstoffen zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten ist. Wir können in diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, zu Recht stolz auf unseren Forschungsstandort und auf unsere Unternehmen hier in Deutschland sein, die weltweit führend bei der Entwicklung des Impfstoffes sind. Neben der Gefahr durch Viren sind es auch antimikrobielle Resistenzen, die eine der drängendsten Zukunftsherausforderungen im Bereich der globalen Gesundheit sind. Antibiotika zählen zu den wichtigsten medizinischen Errungenschaften und sind in der modernen Medizin unverzichtbar. ({2}) Deshalb ist es richtig, dass wir ein Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland haben, wo die Wissenschaftler nach Substanzen und Strategien suchen, um der zunehmenden Ausbreitung dieser resistenten Erreger entgegenzuwirken. Mit dem Haushalt 2021 ermöglichen wir nun, zu erforschen, ob es mikrobielle Organismen gibt, die Menschen besiedeln und die als potenzielle Quelle neuer Wirkstoffe infrage kommen. Wir ermöglichen hiermit den Ausbau dieses Forschungsinstitutes. Das ist, glaube ich, gut angelegtes Geld: gut für unsere Wissenschaft, gut für unsere Gesundheit. Vielen Dank an die Kolleginnen und Kollegen, die das ermöglicht haben. ({3}) Meine Damen und Herren, ich komme aus einem Wahlkreis, der stark von der Automobilzulieferindustrie geprägt ist. Da stehen ganz große Herausforderungen, eine große Transformation in Richtung klimaneutrale Mobilität bevor. Deshalb ist es auch ein gutes Zeichen, dass die Ergebnisse des Automobilgipfels der Bundesregierung im Haushalt mit einem Zukunftsfonds für die Automobilindustrie in Höhe von insgesamt 1 Milliarde Euro abgebildet wurden. Ich freue mich auch als Mitglied der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung, dass wir in Fragestellungen der grenzüberschreitenden Mobilität ganz konkret werden: Wir geben 3,5 Millionen Euro für Machbarkeitsstudien aus, um diese grenzüberschreitende Mobilität zu ermöglichen und auszubauen. Das ist eine kleine Summe im Vergleich zu den Riesensummen auf der anderen Seite, aber ich glaube, auch darin liegt extrem viel Potenzial. Meine Damen und Herren, Sie sehen, der Haushalt 2021 ist ein Krisenhaushalt, aber er ist auch ein echter Zukunftshaushalt, den wir uns leisten können, weil wir in der Vergangenheit solide gewirtschaftet und unseren Haushalt solide geführt haben. Aber: Die Schulden von heute belasten die zukünftigen Haushalte immens. Wir erwarten, bis zum Jahr 2042 jährlich zusätzliche zweistellige Milliardenbeträge zu tilgen. Die Herausforderung für die Zukunft liegt eben darin, die Belastungen für die kommende Generation in Grenzen zu halten. Das ist unsere Verantwortung gegenüber kommenden Generationen. Deshalb lege ich hier ein klares Bekenntnis zur Schuldenbremse ab. Die Konsolidierung wird zukünftig eine große Kraftanstrengung sein. Notwendig ist eine gemeinsame und fair verteilte Kraftanstrengung zwischen Bund und den Ländern. Dafür brauchen wir natürlich eine starke Wirtschaft, die wächst, Entlastungen für die Menschen durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlages für die allermeisten; das ermöglicht Wachstum. Wir brauchen Ausgabendisziplin. Wir brauchen eine klare Priorisierung und sicher keine Steuererhöhung. Vielen Dank. ({4})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Damit schließe ich die Aussprache.

Volker Münz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004835, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Herr Präsident! Sehr geehrter Minister Altmaier! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Land befindet sich in der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit. Die von der Bundesregierung mutwillig mitverursachte Strukturkrise wichtiger Industriebereiche wie der Energieversorgung und der Automobilbranche hat schon vor Corona begonnen. Jetzt zwingt die Bundesregierung mit ihren Lockdown-Maßnahmen, die das private und gesellschaftliche Leben sowie die Wirtschaft erheblich einschränken, die ganze Volkswirtschaft zusätzlich in die Knie. Die Zwangsmaßnahmen sind unverhältnismäßig, meine Damen und Herren. ({0}) Meine Fraktion stimmt gegen die Feststellung einer Notsituation nach Artikel 115 Grundgesetz aufgrund einer vermeintlich epidemischen Lage und damit gegen die Aussetzung der Schuldenbremse. Damit werden nämlich bei Ausgaben und Verschuldung alle Schleusen geöffnet, als ob es kein Morgen gäbe. ({1}) Der Bundesrechnungshof hat recht mit seiner Kritik, dass die „unzureichende Tragfähigkeit der Bundesfinanzen schonungslos“ zutage tritt. Die immense Neuverschuldung des Bundes von insgesamt 400 Milliarden Euro im laufenden und im nächsten Jahr bürdet den Bürgern große Lasten auf, die unsere Kinder noch werden abtragen müssen. ({2}) Steuererhöhungen werden die zwangsläufige Folge davon sein. Staatlich geförderte Insolvenzverschleppung und die auf Pump finanzierten Konjunkturprogramme und die Übernahmen von Unternehmen durch den Bund können langfristig keine Lösung sein, meine Damen und Herren. ({3}) Zu den teuren Beschlüssen vor Corona, insbesondere dem Kohleausstieg, kommen jetzt die teuren Hilfsmaßnahmen wegen des Lockdowns hinzu. Die horrende Neuverschuldung des Staates wird durch die Negativzinspolitik und den Ankauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank ermöglicht. Geldschöpfung ersetzt aber keine Wertschöpfung, meine Damen und Herren. Gerade jetzt in der Krise wäre es wichtig, die Wirtschaft nicht noch zusätzlich unter Druck zu setzen. Doch das Gegenteil passiert. Die Bundesregierung hält an der groß angelegten Transformation der Wirtschaft fest. ({4}) Deutschland hat aufgrund der Energiewende schon jetzt die höchsten Strompreise in Europa. Daran werden auch die 10 Milliarden Euro des Bundes zur Verhinderung des Anstiegs der EEG-Umlage und eine weitere Milliarde Euro für die stromintensive Industrie nichts ändern. Das Abschalten der Kern- und Kohlekraftwerke vernichtet Volksvermögen in gigantischem Ausmaß. Für Entschädigungen an die Kraftwerksbetreiber kommt selbstverständlich der Steuerzahler auf. Die Abschaltung des erst vor fünf Jahren in Betrieb genommenen modernen Kohlekraftwerks in Hamburg-Moorburg zum Ende dieses Jahres ist doch ein Irrsinn, meine Damen und Herren. ({5}) Jetzt wäre es richtig, die Laufzeiten der noch laufenden Kernkraftwerke über das Jahr 2022 hinaus zu verlängern ({6}) und den Kohleausstieg zu stoppen oder zumindest ein Moratorium einzuführen. Die Versorgungssicherheit ist gefährdet. Wie die Bundesregierung den Ausstieg aus der Kernenergie, den Ausstieg aus der Kohleverstromung und gleichzeitig die Umstellung des gesamten Verkehrs auf strombetriebene Fahrzeuge bewerkstelligen will, ist bis heute nicht einmal annähernd überzeugend geklärt. ({7}) Nachdem in der Stromversorgung schon Planwirtschaft herrscht, wird auch in der Automobilindustrie die Markwirtschaft abgeschafft. ({8}) Statt horrender Subventionen von bis zu 6 000 Euro staatlicher Prämie pro Elektroauto, statt technisch nicht erfüllbarer Grenzwerte und anderer Reglementierung sollte eine Technologieoffenheit herrschen und der Markt wieder wirken können. ({9}) Planwirtschaft ging noch nie gut, meine Damen und Herren. ({10}) Herr Bundesminister, stoppen Sie außerdem die EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen, damit sie nicht nach der Bundeswehr auch noch die deutsche Automobilindustrie zerstört. ({11}) Die von ihr forcierte Abgasnorm Euro 7 würde das Aus für den Verbrennungsmotor ab 2025 bedeuten; dies würde 100 000 Arbeitsplätze vernichten. Ich appelliere an die Bundesregierung: Hören Sie auf, Experimente zu wagen! ({12}) Kehren Sie zurück zu Vernunft und Augenmaß in der Industrie- und Energiepolitik sowie bei den Coronamaßnahmen! Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({13})

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001938

Nächster Redner ist der Kollege Andreas Mattfeldt, CDU/CSU. ({0})

Andreas Mattfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004108, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor wir in die Feinheiten des diesjährigen Haushaltes einsteigen, möchte ich mich als Hauptberichterstatter für den Einzelplan des Wirtschaftsministeriums und des Energie- und Klimafonds ganz herzlich bei Ihnen, Herr Minister Altmaier, bei Ihrer Staatssekretärin Claudia Dörr-Voß und natürlich dem gesamten Haushaltsreferat mit Stephanie Wilpert an der Spitze für eine außergewöhnlich gute Zusammenarbeit bedanken. ({0}) Mein Dank gilt aber ganz besonders auch meinen Mitberichterstattern über alle Fraktionsgrenzen hinweg, mit denen ich über viele Wochen in intensiven Beratungen diesen Haushalt aufgestellt habe. Ich bedauere bereits heute, dass mein langjähriger Freund Thomas Jurk, dass Anja Hajduk und dass Heidrun Bluhm-Förster, weil sie für den kommenden Bundestag nicht kandidieren wollen, naturgemäß dieser besonderen Berichterstatterrunde nicht wieder angehören können. Euch dreien ganz besonders meine Anerkennung für die hervorragende fachliche Zusammenarbeit. Aber – ich darf das sagen – auch das Menschliche kam bei uns nicht zu kurz. Herzlichen Dank für eure Arbeit! ({1}) Meine Damen und Herren, diese Haushaltsberatungen – das darf ich nach zwölf Haushaltsaufstellungen sagen – hatten es mehr als in sich und zählten für mich zu den schwersten in den vergangenen Legislaturperioden. Die Herausforderung, die Gesamtsumme des Einzelplanes in Höhe von 10,4 Milliarden Euro zielführend und immer mit Blick auf die Krisenbewältigung dieser Tage aufzustellen, war enorm, dies auch vor dem Hintergrund, Herr Altmaier, dass die im Einzelplan 60 etatisierten Coronawirtschaftshilfen ebenfalls durch Ihr Haus bearbeitet werden müssen. Das ist in diesem Jahr eine extreme Besonderheit, und – ich darf das, glaube ich, für alle sagen – das brauchen wir weiß Gott nicht jedes Jahr. Meine Damen und Herren, es galt und es gilt, die Bewältigung der durch die Coronamaßnahmen eingetretenen wirtschaftlichen Verwerfungen abzufedern. Das war und ist – das spüren wir in diesen Tagen doch alle jeden Tag – alles andere als einfach. Ich möchte aber betonen, dass diese Regierungskoalition, vielfach – und das erkenne ich ohne Wenn und Aber an – auch mit Teilen der Opposition, alles erdenklich Mögliche gemacht hat, um diese Krise für die Menschen in unserem Land, so gut es geht, zu bewältigen. Dass dabei auch Fehler passieren, ich glaube, das ist uns allen auch klar. Doch ein Zögern oder ein Nichthandeln der Politik hätte zu brutalsten Verwerfungen im wirtschaftlichen Leben und infolgedessen auch im sozialen Miteinander in unserer Gesellschaft geführt. Ich bin dankbar, dass eine ganz große Mehrheit in diesem Haus bei sonst unterschiedlichen Auffassungen dies ähnlich sieht wie ich. ({2}) Meine Damen und Herren, auf keinen Fall dürfen wir aber wegen Corona die wichtigen Ziele der vergangenen Jahre wie die Energiewende, die Digitalisierung, die Start-up-Förderung, Wasserstofftechnologien, Elektromobilität oder auch die Transformation von Schlüsselindustrien aus dem Auge verlieren. Nur wenn es uns gelingt, dass unsere Volkswirtschaft bei diesen Technologien weiterhin weltweit führend mitspielt, werden wir unseren Wohlstand und unsere soziale Sicherung in uns bekannter Weise aufrechterhalten können. Dieser Haushalt – darauf bin ich stolz – hat diese Ziele in keiner Weise aus dem Auge verloren, und er trägt diesen Zielen Rechnung. Für die Energiewende und damit die Einhaltung der ehrgeizig gesteckten Klimaziele haben wir zahlreiche Haushaltstitel in diesem Einzelplan bereitgestellt. Hinzu kommt aber auch der Energie- und Klimafonds mit einem mittlerweile aufgelaufenen Ausgabenvolumen von 26,5 Milliarden Euro. Der Energie- und Klimafonds – das wissen wir – wird von mehreren Ministerien bewirtschaftet. Allerdings kommt Ihrem Haus, Herr Minister Altmaier, hier die Hauptverantwortung zu; denn 85 Prozent des gesamten EKF-Volumens werden bei Ihnen bearbeitet. Diese Mittel, Herr Minister, stellen eine erhebliche Plafonderhöhung für die Aufgaben Ihres Hauses dar. Ich hätte – das darf ich sagen – nichts dagegen, wenn auch die aufgelaufenen Reste in diesem Kapitel zügiger als in den vergangenen Jahren abgearbeitet werden. Meine Damen und Herren, wir haben als Parlamentarier zahlreiche Veränderungen am Haushalt vorgenommen, die ich leider zeitlich nicht alle nennen kann. Aber zum Beispiel wurde von uns das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand um 77 Millionen Euro auf 636 Millionen Euro erhöht. Wir haben 200 Millionen Euro mehr für die Luft- und Raumfahrt bereitgestellt, wir werden den Bau von LNG-Bunkerschiffen in unseren Häfen mit 136 Millionen Euro massiv unterstützen, und wir haben die Mittel für die Deutsche Zentrale für Tourismus und auch für unsere Auslandshandelskammern erheblich erhöht. Gerade mit dem letzten Titel wollen wir nach dem Ende der Pandemie den Mittelstand beim Export massiv unterstützen, damit wir hier wieder durchstarten können. Darüber hinaus bauen wir mit 334 Millionen Euro eine solide Pandemievorsorge auf, die dann Material und Testausstattungen sichert. Ich meine, das kann sich mehr als sehen lassen. Auch der Titel des Ostbeauftragten hat erneut mehr Geld bekommen. Ich meine, gerade auf unsere Leistung beim Aufbau Ost können alle Menschen in unserem Land mehr als stolz sein. Übrigens sprechen wir seit dem vergangenen Jahr – ein Stück weit auf meine Anregung hin – nicht mehr über reine Osttitel, wir sprechen nicht mehr über eine reine Ostbindung im Haushalt, sondern wir fördern heute strukturschwache Gebiete in Ost-, West-, Nord- und Süddeutschland; denn es gehört zur Wahrheit dazu – das ist ja das Glück –, dass sich zahlreiche Regionen im Osten unserer Republik fantastisch entwickelt haben. Leider gehört zur Wahrheit aber auch dazu, dass heute in anderen Teilen unseres Landes Regionen eine besondere Aufmerksamkeit verdienen, die wir bislang hier vielleicht ein Stück weit vernachlässigt haben. Deshalb darf man sicherlich die Frage stellen, ob es nicht klüger ist, anstelle eines reinen Ostbeauftragten heute einen Beauftragten für strukturschwache Regionen zu benennen. Ich stelle das nach 30 Jahren deutscher Einheit gerne einmal zur Diskussion. ({3}) Meine Damen und Herren, nach der Verabschiedung dieses Haushaltes haben wir und natürlich vor allen Dingen das Ministerium, Herr Altmaier, weiterhin viel zu tun; wir haben aber auch viel umzusetzen. Lassen Sie uns über die unterschiedlichen Lösungen für die Probleme unseres Landes – ich schaue einfach mal auch auf die rechte Seite des Hauses – lautstark, aber mit Würde und Anstand streiten. Das haben wir in Deutschland, auch unter ganz unterschiedlichen Mehrheitskonstellationen, eigentlich immer ganz gut hinbekommen. Ich sage auch ganz deutlich: Eine derartige, einmalige Verschuldung wie in diesem Jahr ist nur möglich gewesen, weil wir in den vergangenen Jahren – übrigens, Otto Fricke, ihr wart seit 2009 auch dabei – sehr verantwortlich Haushaltspolitik betrieben haben. Das bedeutet aber auch, dass wir im kommenden Jahr nach der Bewältigung der Coronakrise wieder zur bewährten, zur ausgeglichenen Haushaltspolitik zurückkehren müssen, und auf die zukünftigen Haushälter wird es dann, in welch einer Regierungskoalition auch immer, mehr denn je ankommen. Bereits heute ist es kein Geheimnis, dass wir zahlreiche Wünsche der Menschen in unserem Land, der Fachpolitiker auch hier aus dem Plenum, der Verbände, seien sie auch noch so nachvollziehbar, nicht mehr wie in den vergangenen Jahren werden erfüllen können. Vermutlich – einige hören das in diesem Hause nicht so gerne – werden wir sogar Einsparungen vornehmen müssen. Meine Damen und Herren, keine Frage, dieser Haushalt ist ein besonderer Haushalt, und er hat es in sich. Er ist aber gerade mit Blick auf die Zukunft aufgestellt worden. Er ist noch verantwortbar, und er verdient unsere Zustimmung. Herzlichen Dank. ({4})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Kollege Mattfeldt. – Der nächste Redner für die Fraktion der FDP ist der Kollege Karsten Klein. ({0})

Karsten Klein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004780, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister Altmaier! Ich will mich zunächst natürlich dem Dank von unserem Hauptberichterstatter, Andreas Mattfeldt, anschließen. Aber diese Haushaltsberatungen, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben auch wieder gezeigt: Die Wirksamkeit von Wirtschaftspolitik bestimmt sich in der Krise nach Schnelligkeit, Verlässlichkeit und Treffsicherheit. Und wenn diese Krise noch mal eins gezeigt hat, dann ist es, dass staatliches Handeln in allererster Hinsicht nicht schnell ist. Das Konjunkturprogramm dieser Bundesregierung – vor einem halben Jahr beschlossen, mit einem Volumen von 61 Milliarden Euro, über 60 Maßnahmen – ist in großen Teilen bisher nicht wirksam. Herr Minister, der Einzelplan Ihres Hauses ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Die Zukunftsprogramme für die Automobilindustrie und die Luftfahrt: 600 Millionen Euro stehen dafür in Ihrem Einzelplan; kein einziger Euro wird in diesem Jahr aus diesem Programm verausgabt. Der Blick in die Zukunft kann uns auch nicht optimistischer machen. Das Luftfahrtprogramm ist bisher weder von der EU genehmigt noch notifiziert. Welche Mittel sollen denn dann nächstes Jahr abfließen? Deshalb, Herr Minister, möchte ich für uns noch mal festhalten: Wenn ein Dreivierteljahr nach Krisenbeginn viele Maßnahmen der Bundesregierung nicht wirksam sind, dann ist das das Gegenteil von schneller Krisenpolitik. ({0}) Schnell werden wir in dieser Krise sein, wenn wir auf die Menschen in diesem Land setzen. Und die Menschen werden schnell handeln, wenn sie Handlungsspielräume und Zuversicht haben. Den Unternehmerinnen und Unternehmern eröffnen wir Handlungsspielräume, wenn wir sie mit Liquidität ausstatten oder ihnen Liquidität belassen. Dafür haben wir Freien Demokraten vor einem Dreivierteljahr ein hervorragendes und wirksames Instrument vorgeschlagen: die negative Gewinnsteuer. Die Verluste aus 2020 und 2021 werden mit den Gewinnen der Vorjahre verrechnet, um zu einer Steuererstattung im Heute und Jetzt zu kommen. Das ist schnelle und wirksame Krisenpolitik. ({1}) Herr Minister, jetzt haben wir wahrgenommen, dass aus Teilen der Unionsfraktion und auch bei Ihnen Bewegung ins Spiel gekommen ist, dass Sie sich auf unsere Vorschläge der negativen Gewinnsteuer zubewegen. Aber da gilt der alte Satz, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wer die Lippen spitzt, der muss auch pfeifen. – Deshalb erwarte ich von der Union, dass sie diese Woche unserem Antrag auf Einführung einer negativen Gewinnsteuer zustimmt. ({2}) Die negative Gewinnsteuer wäre auch ein verlässliches Instrument, ein Ausdruck von Verlässlichkeit in dieser Krise; denn sie atmet mit der Krisenentwicklung mit: je höher die Verluste, umso höher die mögliche Rückzahlung von Steuern. Es müssen aber auch die Politik und das Handeln der Bundesregierung in dieser Krise an Verlässlichkeit gemessen werden. Wie werden Entwicklungen in der Krise antizipiert, Herr Minister? Wird in Szenarien gedacht? Da sind wir beim Thema „zweite Welle“. Viele Wissenschaftler haben vor der Sommerpause Politikerinnen und Politiker aller Couleur darauf hingewiesen, dass wir mit einer zweiten Krise im Herbst rechnen müssen. Da ist es für uns Freie Demokraten unerklärlich und für die von Schließung Betroffenen schmerzlich, dass Sie, Herr Minister, in dem Moment, wo Sie den Menschen die Novemberhilfe versprechen, kein Konzept in der Schublade haben, ({3}) dass die Antragsstellung erst Ende November möglich ist, dass die Auszahlung der Novemberhilfe zum Großteil erst im nächsten Jahr stattfinden wird. Das ist das Gegenteil von verlässlicher Krisenpolitik, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. ({4}) Die Novemberhilfe ist auch ein Beispiel dafür, dass viele Maßnahmen der Bundesregierung nicht treffsicher sind. Das IW Köln hat vor einigen Tagen noch mal darauf hingewiesen: Ein Drittel der November- und Dezemberhilfen sind nicht treffsicher, weil eine Überkompensation droht. Treffsicherheit ist aber ein wichtiges Merkmal in dieser Krise. Und gleichzeitig wird vielen mittelbar Betroffenen im Einzelhandel überhaupt kein Zugang zu Hilfen eröffnet, weil die Überbrückungshilfen nicht greifen. Da passt doch etwas nicht zusammen in Ihrer Krisenpolitik, Herr Minister. An die Adresse der Sozialdemokraten möchte ich richten: Keine Frage, Ihre Vorschläge zur Vermögensteuer und zum Coronasoli treffen – sie treffen den deutschen Mittelstand in dieser Krisenzeit, wo wir von diesen Menschen erwarten, dass sie dieses Land wieder aufbauen. Und Sie wollen denen das Geld wegnehmen? Das ist doch grotesk und kein Beispiel von verlässlicher Krisenpolitik. ({5}) Nicht treffsichere Maßnahmen tragen aber auch nicht zur wirtschaftlichen Erholung bei, sind nicht geeignet, Wachstumsimpulse zu setzen. Wir Freien Demokraten haben auch hier Vorschläge gemacht: Wachstumsimpulse und Hilfen mit mehr Volumen als von dieser Bundesregierung vorgesehen. Deshalb wäre es wichtig, dass Sie unseren Vorschlägen zustimmen. Herr Präsident, ich komme zum Schluss und möchte noch mal zusammenfassen. Für uns Freie Demokraten ist das magische Wort 2021 und 2022 „Wachstum“. Ihre Wirtschaftspolitik, Herr Minister, ist weder schnell noch verlässlich noch treffsicher. Deshalb möchte ich einen Appell an Sie richten: Die Soloselbstständigen und die Unternehmen fühlen sich von dieser Bundesregierung verlassen. Sie bangen um ihre Existenzen. Hilfen dürfen nicht nur versprochen werden, sie müssen auch ausgezahlt werden. Wirtschaftspolitik darf nicht abwarten, sie muss zupacken. Deshalb, Herr Minister, möchte ich Sie auffordern: Nehmen Sie sich unserer Vorschläge an! Setzen Sie sie um! Stimmen Sie den Freien Demokraten in dieser Woche zu – besser spät als nie. ({6})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Maske aufsetzen, bitte, Herr Kollege. – Jetzt hat das Wort für die Fraktion der SPD der Kollege Sören Bartol. ({0})

Sören Bartol (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003496, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gesellschaftlich und wirtschaftlich geht ein schweres Jahr zu Ende. Auch wenn in absehbarer Zeit Impfstoffe zugelassen werden, sind wir doch von Normalität weit entfernt. Diese Pandemie trifft uns nicht nur menschlich, sondern auch wirtschaftlich. Unsere Wirtschaft hat sich immer wieder als krisenfest bewährt. Aber wir müssen uns darauf einstellen, dass diese Krise in den kommenden Jahren auch wirtschaftlich deutliche Spuren hinterlassen wird. Unsere Aufgabe ist es also, auf der einen Seite Unternehmen und Beschäftigten Sicherheit zu geben und auf der anderen Seite Zukunftsoptionen zu schaffen, Innovationen anzustoßen und dadurch auch morgen und übermorgen Wachstums- und Wettbewerbschancen zu ermöglichen. Wir wollen und wir können aus dieser Krise gestärkt hervorgehen, und genau dafür steht dieser Haushalt. ({0}) Sehr geehrte Damen und Herren, in dieser außergewöhnlichen Situation spielt der Staat gerade auch in der Wirtschaft eine omnipräsente Rolle. Aufgabe der kommenden Jahre wird sein, das wieder auf ein vernünftiges Maß zurückzufahren. In jedem Fall aber brauchen wir immer einen handlungsfähigen Staat, der Märkte gestaltet und Partner der Wirtschaft ist. Darüber, dass in einigen Debatten der letzten Wochen anklang, wir sollten das staatliche Engagement schnell und am besten noch hinter das Niveau vor der Krise zurückfahren, Steuern senken und Regeln abbauen, kann ich nur den Kopf schütteln. Ja, wir brauchen eine neue Dynamik, aber wir brauchen sie mit Sicherheit nicht zugunsten einiger weniger. Dazu gehört im Übrigen auch, dass wir ehrlich sagen, wer am Ende die Kosten stemmen muss, nämlich wir alle. Wir haben in den letzten Monaten viel getan, um Unternehmen und Selbstständigen über die Krise zu helfen. Wir haben mit den Überbrückungshilfen, den November- und Dezemberhilfen erreicht, dass sich Wirtschaft, Kultur und Vereine stabilisieren und dass wir so Arbeitsplätze erhalten. Lieber Minister Altmaier, die Unternehmerinnen und Unternehmer warten jetzt auf ihr Geld. Ich würde schon um etwas mehr Tempo bei der Auszahlung bitten. ({1}) 39,5 Milliarden Euro stehen 2021 für Überbrückungs- und Soforthilfe zur Verfügung. Die Staatsverschuldung steigt dadurch in zwei Jahren um insgesamt circa 400 Milliarden Euro. Nach der Krise wird sich die Verschuldungsquote in Deutschland mit über 70 Prozent zwar noch in einem vertretbaren Rahmen bewegen, aber klar ist: Wir können es uns nicht leisten, für Spitzeneinkommen Steuern zu senken. Was wir brauchen, ist eine Steuersenkung für mittlere und kleine Einkommen. Starke Schultern können mehr schultern. Es geht also am Ende auch um Gerechtigkeit. ({2}) Meine Damen und Herren, ja, wir brauchen eine neue wirtschaftliche Dynamik. Aber die erreichen wir nicht durch die alten Rezepte des „Weniger-ist-Mehr“, sondern durch gezielte Investitionen und einen klaren staatlichen Mitgestaltungswillen. Deshalb erhöhen wir die Förderung mittelständischer Unternehmen, investieren in Weiterbildung und Qualifizierung, in Forschung und Entwicklung. Wir wollen, dass sich Klimapolitik und Digitalisierung für die deutschen Unternehmen und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer rechnen. Wir sehen, dass Länder mit einer leistungsfähigen Industrie besser durch die Krise kommen. Deshalb investieren wir massiv in den Strukturwandel und die Modernisierung unserer Wirtschaft. Wir können mit den richtigen Investitionen nicht nur die globalen Herausforderungen lösen helfen, sondern auch den Standort Deutschland nachhaltig stärken. ({3}) Ein konkretes Beispiel ist die Automobilindustrie. Mit dem Konjunkturpaket und den zusätzlichen Mitteln im Haushalt 2021 stärken wir Herstellern und Zulieferern im Strukturwandel mit insgesamt mehr als 10 Milliarden Euro den Rücken. Insbesondere die beim letzten Autogipfel vereinbarte Milliarde für den Zukunftsfonds Automobilindustrie und vor allen Dingen die regionalen Transformationsfonds sind gut angelegtes Geld. ({4}) Unsere Unternehmen sollen nach der Krise etwas in der Hand haben, womit sie international gut dastehen und sich nicht verstecken müssen. Dazu gehört auch der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft. Das ist für eine nachhaltige Stahl- und Chemieproduktion entscheidend. Bis 2024 stellen wir dafür 6,8 Milliarden Euro bereit. Voraussetzung für den Erfolg dieser Investition ist allerdings, dass wir die erneuerbaren Energien schneller und ambitionierter ausbauen. ({5}) Wir wollen die Wirtschaft bei den Energiekosten entlasten. Deshalb sind wir dafür, die EEG-Umlage schrittweise abzuschaffen. ({6}) Aber all das macht nur Sinn, wenn wir beim Ausbau der Erneuerbaren noch mal einen Gang hochschalten. Sehr geehrte Damen und Herren, mit diesem Haushalt lösen wir den Anspruch ein, stabil durch die Krise zu kommen und zugleich das Fundament für eine nachhaltige, ökologische und soziale Aspekte verbindende Wirtschaftspolitik zu legen. Mit diesem Haushalt helfen wir Tausenden Unternehmen und ihren Beschäftigten durch die Krise und investieren zugleich in unsere Zukunft. Vielen Dank. ({7})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Die Abgeordnete Heidrun Bluhm-Förster hat das Wort für die Fraktion Die Linke. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister! Die wirtschaftliche Entwicklung erfüllt viele Menschen gegenwärtig mit Sorge, wobei sich die Befürchtungen aber ungleich verteilen. Die Regierung fürchtet die einbrechende Konjunktur, die Großkonzerne fürchten geschmälerte Renditen, kleine und mittelständische Betriebe rückläufige bis existenzbedrohende Auftragslagen, und die arbeitende Bevölkerung fürchtet schlicht das Wegfallen von Arbeitsplätzen und Einkommen. Wir haben in diesem Jahr schon zwei Nachtragshaushalte erlebt, die vor allem Abfederungsmaßnahmen auf Schuldenbasis beinhalten. Weitere werden wahrscheinlich folgen müssen, wenn die Coronakrise weiter anhält. Spätestens jetzt wäre es aber an der Zeit, die Haushaltspolitik so auszurichten, dass mittel- und langfristig der notwendige sozialökologische Umbau der Gesellschaft in Angriff genommen wird. ({0}) Es wäre auch Zeit zum Umdenken in der Frage, wie wir menschliches Leben im Verhältnis zu den sogenannten Systembedürfnissen eines globalisierten Kapitalismus bewerten. Es wäre auch an der Zeit, darüber nachzudenken, ob nicht ein Herunterschrauben des ökonomischen Harakiri-Wachstums für die Klimafrage von erholsamer Bedeutung wäre. Meine Damen und Herren, ich habe mich in den letzten Monaten zuweilen gefragt, wie die Regierung die derzeitige finanzielle Situation in Zukunft abbilden bzw. strategisch bewältigen will. Dafür gibt es ja eigentlich nur drei Wege: Schuldenabbau durch Abbau von Sozialleistungen für die Bürgerinnen und Bürger, Inflation bei der Gemeinschaftswährung europaweit oder Schuldenstreichung durch Abschreiben. Wie Sie wissen, sind bei dem hohen Produktivitätsniveau in der Euro-Zone alle drei Wege gangbar. Es lässt sich aber aus meiner Sicht unschwer erkennen, welche der Möglichkeiten die richtige wäre, nämlich die der Abschreibung. Statt das Ganze aber mit einem strategischen Gesamtplan für die Wiederbelebung und Aufrechterhaltung wirtschaftspolitischer Kernbereiche zu verbinden oder nachhaltige Entwicklungen großflächig zu fördern, rennt das Wirtschaftsministerium den Problemen hinterher. Dies wird auch mit diesem Etat noch mal deutlich. Aber wen wundert es, nachdem auch Minister Altmaier noch Mitte Oktober davon ausging, dass es keinen zweiten Lockdown geben wird, und er damals in der Haushaltsberatung ausdrückte, dass wir bereits glimpflich aus der Krise gekommen wären. Genauso realitätsfremd sieht auch dieser Einzelplan 09 aus: Fortschreibungen hier, Anpassungen da, keine Innovation und letztlich auch keine Ansätze für eine nachhaltige Wirtschaftssteuerung. Das Merkwürdige ist, dass der gesamte Haushalt für 2021 so tut, als ob es Corona gar nicht gäbe. Man hätte erwarten müssen, dass sich notwendige Umverteilungen jetzt schon in den Einzelplänen niederschlagen. Aber das wollen Sie, meine Damen und Herren, offensichtlich in die nächste Regierung verschieben. Meine Großmutter hat immer gesagt: Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. – Diesen Spruch kennt dieses Ministerium offensichtlich nicht. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Missverhältnis im Etat für Wirtschaft und Energie ist vielfältig, und ich möchte drei kleine Punkte herausgreifen: Erstens. Es ist für meine Fraktion völlig unverständlich, warum bei Förderprojekten für die KMU nicht vorsorglich bedeutend mehr Mittel eingesetzt werden, um zukünftige Produktions- und Lieferengpässe frühzeitig abzufangen, während den großen Energiekonzernen für den Ausstieg aus der Kohleverstromung Entschädigungsgelder in Milliardenhöhe gezahlt werden. Für 2020 und 2021 sind das insgesamt 1,2 Milliarden Euro, die den Haushalt belasten. Dieses Geld brauchen wir woanders. Im Verhältnis zu Coronageschädigten in den Bereichen Soloselbstständige und Kleinbetriebe ist das nicht nur ungerecht, sondern auch wirtschaftspolitisch haltlos; denn für die Liquidität der Konzerne kann auch ohne Entschädigung auf einen soliden Kapitalstock zurückgegriffen werden, ({2}) während Selbstständige und KMU oft von der Hand in den Mund leben. Die Linke fordert, dass die Entschädigungszahlungen gestoppt und die Mittel schneller in die Strukturförderung umgeleitet werden, zum Beispiel in ländliche Räume und in Industrieansiedlungen in den ostdeutschen Bundesländern, zum Beispiel in der Lausitz. ({3}) Zweitens ist vonseiten der gesamtwirtschaftlichen Ertragslage aus ernsthaft zu überlegen, ob Deutschland weiterhin beträchtliche Summen in die Luft- und Raumfahrt investieren will, ohne dass wir hier in den letzten Jahren sichtbare Erfolge erzielt hätten. In der Luft- und Raumfahrttechnologie geben weiterhin Russland, die USA und nunmehr auch vermehrt China den Ton an, und diese vergrößern die Konkurrenzabstände zu den ESA-Unternehmungen immer weiter. Wir füttern faktisch die staatsnahen Monopolisten auf Pump durch den Staat und sehen uns dann Ergebnissen gegenüber, die weit davon entfernt sind, irgendwie konkurrenzfähig zu sein. Wenn diese Staatsmonopolisten selbst von ihrer Leistung überzeugt wären, könnten sie auch Banken überzeugen, um dafür eigene Kredite aufzunehmen, genau so wie das auch jeder kleine Unternehmer tun muss. Dieses Geld ist aus unserer Sicht falsch angelegt. ({4}) Drittens. Es gibt mittlerweile auch eine Schieflage im Föderalismus. Wenn der Finanzbericht des BMF schon klarmacht, dass die Länder seit 2020 mehr Geld einnehmen als der Bund, dann dürften die Länder – auch wenn sie im Föderalismus bestimmen, wo es langgeht – am Ende nicht das Geld vom Bund haben wollen. Die Linke muss also feststellen, dass der Haushalt des Wirtschaftsministeriums für das Jahr 2021 all das, was wir als Linke fordern, nicht leistet. Deswegen wird unsere Fraktion diesem Haushalt nicht zustimmen. ({5})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zurück zu Zusatzpunkt 1. Die Zeit für die namentliche Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDP ist jetzt gleich vorbei. Ich darf fragen: Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis wird Ihnen später bekannt gegeben. Die nächste Rednerin ist die Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir über den Etat des Wirtschaftsministeriums reden, dann ist das normalerweise ein Etat von rund 10 Milliarden Euro. Dieses Jahr, im Jahr 2020, und auch im nächsten Jahr, in 2021, ist wegen der Coronapandemie fünfmal so viel geplant – nicht im Wirtschaftshaushalt selber, aber wenn wir die Wirtschaftshilfen dazunehmen. Deswegen hat die Wirtschaftspolitik in der Tat im Zentrum unserer jetzigen Haushaltsberatungen gestanden; denn die Wirtschaftshilfen im Zuge der Coronapandemie sind enorm groß und müssen es auch sein. Herr Minister, ja, im November musste erneut schnell gehandelt werden. Ich spreche jetzt über die Wirtschaftshilfen. So kam es zu der Idee, 75 Prozent des Umsatzes zu erstatten. Das wollen Sie jetzt auch im Dezember so machen. Erst haben Sie und der Finanzminister gedacht, das kostet vielleicht ungefähr zweimal 7 Milliarden bis 10 Milliarden Euro. Mittlerweile gehen auch Sie davon aus, dass das eher doppelt so viel sein wird. Wir als Grüne sind mit vielen Ökonomen und auch mit vielen Kollegen hier im Hause der Auffassung, dass es klüger wäre, mindestens ab Januar, wenn nicht schon vorher, gegebenenfalls 100 Prozent der Betriebskosten zu erstatten, anstatt den Umsatz als Maßstab zu nehmen. Das wäre ein besserer und zielgerichteter Maßstab. Ich kann Sie nur auffordern: Machen Sie da endlich mit! ({0}) Ich will Ihnen auch sagen: Wir Grünen werden nicht aufhören, zusätzlich einen Unternehmerlohn für Soloselbstständige zu fordern, ({1}) weil das eine sichere direkte Zusage ist. Es kann Ihnen doch nicht gleichgültig sein, dass trotz dieser bis zu 50 Milliarden Euro pro Jahr, die wir wirklich bereit sind zu zahlen, unglaublich viele Leute diese Wirtschaftshilfen als Enttäuschung erleben. ({2}) Diese Enttäuschung muss eine Aufforderung sein, es endlich besser zu machen. Das sagen wir seit Wochen und nicht erst seit gestern. ({3}) Insofern, Herr Minister, bin ich natürlich froh, dass Sie und, ich glaube, auch Frau Merkel und Herr Braun sich in diesen Tagen – ich glaube, seit gestern oder vorgestern – endlich positiv über solch ein Betriebskostenmodell geäußert haben. Herr Scholz ist da immer noch skeptisch. Das bedauere ich. Eigentlich kann man sich nur noch fragen: Warum heißen die Novemberhilfen bei Ihnen eigentlich noch „Novemberhilfen“? – Wir wissen seit gestern: Sie werden frühestens jetzt, im Dezember, bearbeitet und sowieso erst im Januar ausgezahlt. Auch das müssen Sie sich mal vor Augen führen. Insofern kann ich nur sagen: Herr Altmaier, Sie können nicht zufrieden sein, wenn bei der hohen Betroffenheit, die Sie selber annehmen, erst 318 Millionen Euro als Abschläge ausgezahlt sind. Sie müssen sich da wirklich auf den Weg machen, und hören Sie da ruhig mal auf die Opposition! ({4}) Mein zweiter Punkt, Herr Minister, bezieht sich darauf, dass das Projekt eines nationalen Lieferkettengesetzes wegen Uneinigkeit in der Koalition auf Eis liegt. Wir hören, Herr Altmaier, dass Sie befürchten, dass es eine zu große Belastung für die Unternehmen sei. Ich möchte Ihnen dazu Folgendes sagen: Es geht bei dem Lieferkettengesetz nicht um die Einschränkung von gutem, wirtschaftlichem, unternehmerischem, verantwortlichem Handeln. Damit haben wir es jetzt als einem Folgeproblem der Pandemie zu tun. Das Lieferkettengesetz hat eine ganz andere Zielsetzung: Es geht darum, dass sich in einer sozialen Marktwirtschaft Kundinnen und Kunden, Verbraucherinnen und Verbraucher und die Gesellschaft überhaupt darauf verlassen können, dass Profite nicht durch Kinderarbeit oder Ausbeutung erzeugt werden. Und das ist doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit. ({5}) Ich sage Ihnen: Wenn jetzt vor dem Hintergrund der Pandemie kein Lieferkettengesetz kommt, weil einige sagen: „Stopp! Keine Belastungen für die Wirtschaft!“, dann finde ich das verantwortungslos und auch kurzsichtig. ({6}) Insofern bin ich froh, dass letzte Woche die EU-Staaten einen Ratsbeschluss gefasst haben. Es muss ein europäisches Sorgfaltspflichtengesetz geben, und da muss doch eigentlich Deutschland mit einem eigenen nationalen Vorschlag vorangehen und mitmachen. Ich finde, bei diesem globalen Großthema – das ist ja gerade auch für einen Wirtschaftsminister ein Großthema – sollten wir klug vorangehen. Das fordern mittlerweile auch viele Unternehmen, die nämlich befürchten, dass sie, wenn kein Lieferkettengesetz kommt, mit eigenen hohen und guten Maßstäben einen Wettbewerbsnachteil haben.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Also, zeigen Sie uns, wie es gehen kann. Lassen Sie sich an dieser Stelle auch mal von der Opposition inspirieren. Vielen Dank. ({0})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Jetzt spricht der Minister. Das Wort hat der Bundesminister Peter Altmaier. ({0})

Peter Altmaier (Minister:in)

Politiker ID: 11002617

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist in intensiven Verhandlungen, in vielen Nachtsitzungen mit den Berichterstattern, den Mitgliedern des Haushaltsausschusses gelungen – das sage ich ganz ausdrücklich und in vollem Bewusstsein dessen, was viele mittelständische Unternehmerinnen und Unternehmer, aber auch viele Beschäftigte an Sorgen um Arbeitsplätze, um die Zukunft ihres Unternehmens, um die eigene Zukunft in diesen Tagen durchmachen –, einen Haushalt für das Bundeswirtschaftsministerium zustande zu bringen, der in schwerer Zeit durch gute Arbeit aller Beteiligten ermöglicht wurde. Ich will mich bedanken, vorweg natürlich bei meinen Haushältern, bei Andreas Mattfeldt und bei Thomas Jurk, aber – ich habe gehört, dass einige ausscheiden werden – darüber hinaus auch bei allen anderen, bei Volker Münz, bei Karsten Klein, bei Heidrun Bluhm-Förster und auch bei Anja Hajduk. Wir haben in sehr sachlicher Art und Weise über diese Themen gesprochen, viel sachlicher, als manch emotionaler Beitrag es eigentlich durchscheinen lässt. Und ja, es ging uns in den letzten acht Monaten darum, die Substanz unserer Volkswirtschaft und auch ein Stück unserer gewachsenen Identität – lokal, regional, bundesweit – zu erhalten. Es ging uns darum, dafür zu sorgen, dass die Pandemie nicht dazu führt, dass Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und Hunderttausende von selbstständigen Unternehmerinnen und Unternehmern von einem Tag auf den anderen vor dem Nichts stehen. Ja, und wo gehandelt wird, werden auch Fehler gemacht. Selbstverständlich gibt es viele, die sich die Fragen stellen: Warum erfüllt mein Unternehmen diese Voraussetzungen nicht? Warum bekommen die Kollegen und die Mitbewerber rechts und links von mir Zugang zur Soforthilfe, zur Überbrückungshilfe, zur Novemberhilfe und ich nicht, weil eine Voraussetzung nicht erfüllt ist? – Aber wenn Sie es mit 3 Millionen Berechtigten, mit Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu tun haben, können Sie eine absolute Einzelfallgerechtigkeit niemals garantieren. Trotzdem müssen Sie versuchen, jedem Einzelnen, so gut es geht, gerecht zu werden; das ist unsere Pflicht als Gesetzgeber, als Haushaltsgesetzgeber und auch als Bundesregierung. ({0}) Lieber Herr Klein, Sie haben über die Novemberhilfen gesprochen. Ich will Ihnen eines sagen: Das ist etwas, was wir in 70 Jahren noch nie gemacht haben: dass wir Umsatzausfälle erstatten, und zwar wohlgemerkt so, dass der Bundesrechnungshof und auch andere keinen Grund haben, uns zu kritisieren. Wir haben über die Frage „Wie kriegen wir dieses Geld möglichst schnell zu den Betroffenen?“ mit den Bundesländern und innerhalb der Bundesregierung diskutiert. Ich kann Ihnen sagen: Es gab keine einzige Institution in dieser Republik, die sich zugetraut hat, diese Gelder innerhalb von wenigen Tagen an den Mann und an die Frau zu bringen, einfach weil es nicht möglich war. Ihre Partei, lieber Kollege Klein, stellt doch drei Wirtschaftsminister in dieser Republik: ({1}) in Rheinland-Pfalz, in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein. Ich sage Ihnen: Auch diese Bundesländer sahen sich nicht imstande, diese Bundeshilfen zu administrieren und auszuzahlen, so wie es im Normalfall üblich ist. ({2}) Wir haben das übernommen, und zwar ohne irgendjemand zu kritisieren. Wenn Sie dann sagen, liebe Frau Hajduk, manches hätte früher geschehen können und könnte schneller gehen, dann sagen Sie doch wenigstens dazu, dass wir seit dem 25. November rund 151 000 Anträge für die Novemberhilfe entgegengenommen haben – eine Hilfe, die wir Anfang November beschlossen haben, die mit den Ländern vereinbart werden musste, die in der Bundesregierung koordiniert werden musste – und dass in rund 118 000 Fällen – Ihre Zahl war nicht mehr aktuell – Abschlagszahlungen geleistet worden sind, in einer Größenordnung von bis zu 10 000 Euro pro betroffenem Unternehmen. Ja, und ich weiß, wie schwer es die Soloselbstständigen haben. Natürlich stehen viele vor dem Problem, dass ihnen Kostenerstattung allein nicht hilft. Und natürlich ist es so, dass bei allem, was wir gemacht haben, in den ersten Monaten wenig Konkretes möglich war, außer dem Verweis auf die Grundsicherung. Aber wir haben bei der Novemberhilfe immerhin rund 30 000 Anträge von Soloselbstständigen bekommen, und die sind praktisch zu 95 Prozent mit Abschlagszahlungen bis zu 5 000 Euro ausgezahlt worden. Ich finde: Wenn etwas gut läuft, dann kann man das auch mal zum Ausdruck bringen und sagen; denn das dient der Akzeptanz unserer politischen Arbeit, und zwar über alle Parteigrenzen hinweg. ({3}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist uns gelungen, in acht Monaten zu erreichen, dass die größte Wirtschaftskrise dieser Republik nach dem Krieg mit minus 9,8 Prozent Wirtschaftseinbruch im zweiten Quartal im dritten Quartal zu einem erheblichen Teil wieder ausgeglichen worden ist. Wir hatten laut Statistischem Bundesamt im dritten Quartal ein Wachstum von 8,5 Prozent gegenüber dem zweiten Quartal. Das ist das klassische „V“ der Ökonomen. Wenn man nicht verhindern kann, dass es runtergeht, muss man mithelfen, dass es schnell wieder nach oben geht, damit Arbeitsplätze gesichert werden können. In den meisten Ländern um uns herum ist der Einbruch doppelt so stark und die Erholung nur halb so groß.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen?

Peter Altmaier (Minister:in)

Politiker ID: 11002617

Ja, gerne.

Dr. Julia Verlinden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004429, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie sprachen gerade von einer Wirtschaftskrise, in der wir uns befinden. Diese Wirtschaftskrise führt dazu, dass die Börsenstrompreise in den Keller gegangen sind. Das wissen Sie; Sie sind ja auch Energieminister. Am 28. Oktober hatten wir hier eine Regierungsbefragung. Vielleicht erinnern Sie sich an die Frage, die ich Ihnen damals gestellt habe. Ich habe Sie gefragt, was Sie mit den Pionierwindenergieanlagen vorhaben, die an den Standorten, an denen sie gerade stehen, nicht repowert werden können, also nicht durch größere Windenergieanlagen ersetzt werden können, was Sie für diese Windenergieanlagen tun, die aufgrund der aktuellen, und zwar coronabedingt, niedrigen Börsenstrompreise vor der Abschaltung stehen. Die Antwort, die Sie mir damals gegeben haben, ist im Protokoll nachzulesen. Sie sprachen davon, dass Sie mir zusagen würden, eine passgenaue Lösung in Ihrem Hause zu erarbeiten. Vor Ende des Jahres würde diese in Kraft treten. – Jetzt haben wir schon fortgeschrittenen Dezember, und ich frage mich: Wo ist denn diese Lösung? Können Sie mir zusagen, Herr Minister, dass Sie uns am Dienstag im Wirtschafts- und Energieausschuss, wo wir auch über das Erneuerbare-Energien-Gesetz sprechen werden, allerspätestens eine passgenaue Lösung präsentieren werden, über die wir dann beraten können? Und wenn das nicht der Fall sein sollte, wenn Sie mir das nicht zusagen können, sehen Sie es dann so wie ich, dass Sie persönlich und Ihr Haus dafür verantwortlich sind, wenn wir im nächsten Quartal in Deutschland weniger Windenergieanlagen am Netz haben als dieses Quartal? ({0})

Peter Altmaier (Minister:in)

Politiker ID: 11002617

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin, Sie haben jetzt fast so lange geredet, wie meine ganze Redezeit bemessen war. ({0}) Ich will aber Ihre Frage gerne beantworten. Der Deutsche Bundestag wird in der nächsten Woche, so hoffe ich jedenfalls, über die Reform des EEG entscheiden. Wir haben in einer Formulierungshilfe, die das Bundeskabinett beschlossen hat, auch das Problem der Einbrüche des Börsenstrompreises aufgrund der Coronapandemie im ersten und zweiten Halbjahr 2020 und die damit verbundenen Auswirkungen angesprochen. Ich kann der Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers und des Bundesgesetzgebers nicht vorgreifen. Aber ich habe ein hohes Vertrauen in die Abgeordneten dieses Hauses, zu denen Sie ja auch gehören, dass eine solche Lösung, eine Minimallösung, für diejenigen, die aufgrund der Börsenstrompreise sich im Moment nicht erträglich refinanzieren können, gefunden werden kann. Im Übrigen stellt sich die Frage, wie man dauerhaft mit denen umgeht, die nicht repowert werden können. Da ziehen wir allerdings marktwirtschaftliche Lösungen vor. Es gibt marktwirtschaftliche Angebote, die dazu beitragen können, dass diesen Windrädern noch ein langes Leben beschieden ist und sie viel für das Gelingen des Klimaschutzes in Deutschland erreichen können. ({1}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden bei aller Konzentration auf das, was notwendig ist, um in dieser Krise zu helfen, um Schlimmeres zu vermeiden, um die Menschen, die betroffen sind, mit ihren Problemen nicht alleine zu lassen, die Zukunftsaufgaben nicht aus dem Blick verlieren. Deshalb werden wir dafür sorgen, dass die erneuerbaren Energien auch in Zukunft in großem Stile in Deutschland ausgebaut werden. Wir werden dafür sorgen, dass wir unsere ehrgeizigen Klimaziele – Klimaneutralität bis spätestens 2050, der Green Deal der Europäischen Union – so umsetzen, dass es für das Klima, die Umwelt, aber auch für die Wirtschaft eine Perspektive für die Zukunft gibt. Wir möchten nämlich unsere Klimaziele nicht dadurch erreichen, dass wir unsere Industrien, die CO2-intensiv sind, aus Deutschland vertreiben und anderswo in der Welt dann mit weniger Umweltauflagen mehr CO2 in die Atmosphäre gepustet wird. Wir möchten erreichen, dass wir den Klimaschutz einen guten Schritt voranbringen, dass wir unsere Klimaziele einhalten und dass wir trotzdem ein leistungsfähiges, ein wettbewerbsfähiges, erfolgreiches Land auch in wirtschaftlicher Hinsicht bleiben. Gestatten Sie mir, als letzten Punkt das, was in den letzten Stunden auch in den Zeitungen zu lesen war, anzusprechen. Es wird ab und an von verschiedenen Parteien in diesem Hause – ich spreche da keine bestimmte an – immer wieder über die Einführung neuer Steuern, über Steuererhöhungen und über was nicht alles diskutiert. Ich habe mir das in den letzten Jahren mal angeschaut und habe festgestellt: Das hat selten in irgendwelchen Wahlen und Abstimmungen zu einem positiven Effekt geführt; denn die Wählerinnen und Wähler sind, wie ich glaube, einfach klüger. Ich bin überzeugt: In der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit bedeutet das Thema Steuererhöhungen keine Erleichterung für die Staatsfinanzierung, sondern eine Erschwernis. ({2}) Ich bin überzeugt, dass wir den Menschen nicht nur mit Subventionen und mit Hilfsleistungen helfen müssen, sondern mit der Perspektive, dass sie ihre unternehmerische Tätigkeit, wenn die Krise vorbei ist, fortsetzen können und dafür auch belohnt werden, indem sie die Möglichkeit haben, ihr Unternehmen zu entwickeln. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein allerletzter Punkt. Wir haben bei den Zukunftsaufgaben wichtige Beschlüsse gefasst, um die Automobilindustrie – davon hängt auch die Stahlindustrie zum großen Teil ab – nach vorne zu bringen und die Krise zu überwinden. Wir werden die Autozulieferer und die Automobilproduzenten nicht im Stich lassen. Wir haben Großes erreicht beim Übergang zu Elektromobilität. Wir behandeln dieses Thema technologieoffen und freuen uns doch über jedes Elektroauto, das neu zugelassen wird. Wir werden erreichen, dass in Deutschland Stahl produziert werden kann, der das Klima nicht belastet, und wir werden erreichen können, dass die Chemieindustrie, mit der ich im engen Dialog bin, ihre CO2-Emissionen stark herunterfährt. Das alles ist möglich, wenn wir eine starke Volkswirtschaft sind. Deshalb: Lassen Sie uns die ideologischen Grenzen sprengen und überwinden! Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass wir eines der erfolgreichsten Länder in wirtschaftlicher Hinsicht bleiben! Das kommt allen zugute. Vielen Dank. ({3})

Steffen Kotré (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004791, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister Altmaier, darf ich Sie beim Wort nehmen? Keine Steuererhöhungen mit Ihnen? Habe ich das so richtig verstanden? – Ja. Sehr schön, sehr gut. Das ist, glaube ich, auch der richtige Weg. Noch mal zu der Bemerkung, dass sinkende Strompreise ein Problem wären. Das sind sie nicht. Es ist kein Problem, wenn die Börsenpreise sinken. Das ist nur dann ein Problem, wenn wir uns in einer Planwirtschaft befinden. Leider befinden wir uns in einer Planwirtschaft, ({0}) und da mag das durchaus ein Problem sein, weil ja alles miteinander verknüpft ist. Dann muss man hier und dort daran drehen, statt den Markt einzusetzen und die Marktmechanismen wirken zu lassen. Wenn sich Preise für die Konsumenten verringern, dann ist das nur gut, meine Damen und Herren. ({1}) Das Unternehmen Tesla baut gerade in Brandenburg ein Werk, und es baut auf dem Werksgelände gleich auch noch die Stromversorgung mit auf. Es wird ein Erdgaskraftwerk dort miterrichtet. Warum? Weil sich dieses Unternehmen nicht mehr auf die deutsche Stromversorgung verlassen kann. Leider ist das so. Die Energiewende zerstört hier gerade unsere gesicherte Stromversorgung, und das ist ein Armutszeugnis, meine Damen und Herren. ({2}) Der Chef des Unternehmens Tesla, Herr Elon Musk, ist darüber hinaus ein Realist. ({3}) – Musk, jawohl; entschuldigen Sie bitte. – Er hat sich für die zukunftsweisende Kernenergie ausgesprochen. Er macht in E-Mobilität, weiß aber ganz genau, dass Erneuerbare allein nicht reichen. Deshalb spricht er richtigerweise davon, dass wir Kernenergie brauchen. Damit hat er natürlich recht, meine Damen und Herren. Energie trägt zu unserem Fortschritt bei. Der Fortschritt in der Energiegewinnung liegt darin, den Flächenverbrauch bei der Energiegewinnung pro Energieeinheit zu verringern und den Erntefaktor ständig zu erhöhen. Das wird also die Intensität erhöhen. Das kriegen wir nur mit moderner Energiegewinnung hin, also nur mit Kernkraft, meine Damen und Herren. Die Folge dessen, dass wir immer bessere Energieerzeugungssysteme haben, ist unter anderem auch, neben anderen Aspekten, dass die Energie auch in Ländern der Dritten Welt preiswert ist. Wir schlagen leider gerade den anderen Weg ein: Unsere Energie wird immer teurer. Aber in Afrika zum Beispiel ist das ein Faktor für die Menschen. Nicht allein deshalb nimmt dort die Anzahl der Leute, die in extremer Armut leben, ab. Eben auch wegen preiswerter Energie, die diejenigen, die die Energiewende hier voranbringen wollen, ihnen vorenthalten wollen. ({4}) Liebe Freunde, ({5}) im Haushalt lesen wir ständig von der Subvention von E-Mobilität. Aber was bedeutet „die Subvention von E-Mobilität“? Das bedeutet: die Subvention von Konsum. Wenn jemand ein E-Auto fahren möchte, dann sei ihm das vergönnt. Aber wenn wir sein Kaufinteresse jetzt auch noch damit stützen, dass wir ihm Geld geben, dann widerspricht das der Marktwirtschaft, meine Damen und Herren. Nein, wir sollten stattdessen Förderung fordern. Wir sollten stattdessen Subventionen in zukunftsfähige Energiekonzepte fordern und unser Geld dort gut anlegen. Das kann nur die Kernenergie sein. ({6}) Die Russen haben Schiffe mit Kernkraftwerken, die sie überallhin bringen können. ({7}) Die Chinesen haben die Kernfusion für zehn Sekunden hinbekommen. Wir werden technologisch leider abgehängt, und das spiegelt sich leider in diesem Haushalt wider: dass er nicht zukunftsweisend ist. Insofern müssen wir ihn leider ablehnen.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Kommen Sie bitte zum Ende.

Steffen Kotré (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004791, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Unser Vorschlag ist, Deutschland zukunftsfest zu machen, technologiefest zu machen und auch wieder in die Kernenergie, in die Forschung zu investieren. Danke schön. ({0})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Maske aufsetzen, Herr Kollege. In der Hand halten hilft nicht. ({0}) Der nächste Redner ist der Kollege Thomas Jurk, SPD-Fraktion. ({1})

Thomas Jurk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004318, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister! Das Debattenthema ist der Einzelplan 09 des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Gleichwohl ist deutlich geworden: Es geht natürlich auch um die Wirtschaftshilfen, die wir coronabedingt zahlen müssen. Ich werde in meiner Rede darauf eingehen. Mein geschätzter Kollege, Hauptberichterstatter und Freund Andreas Mattfeldt hat schon darauf hingewiesen, dass wir uns die Beratung nicht leicht gemacht haben. Wir haben gründlich diskutiert. Es gab verschiedene Themen, die wir gemeinsam bewegt haben. Deshalb bedanke ich mich auch dafür, dass wir 60 Änderungsanträge gemeinsam gestellt haben, die diesen Haushalt verbessert haben. Ich will darauf kurz eingehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir nehmen mit diesem Haushalt Geld in die Hand für zukunftsfähige Arbeitsplätze, Innovation und auch den klassischen Mittelstand. Ich will mal sagen, wie zügig man handeln kann. So wurde die Umsetzung des Automobilgipfels vom 17. November 2020 und der damit verbundene Zukunftsfonds Automobilindustrie umgehend im Haushalt verankert. Allein hierfür stellen wir im nächsten Jahr 50 Millionen Euro bereit, zusätzlich 950 Millionen Euro in Form von Verpflichtungsermächtigungen. Was mir besonders wichtig ist, was auch demografisch wichtig ist, ist unser Mittelstand. Rund 24 Millionen Euro stellen wir zusätzlich bereit für die Programme zur beruflichen Bildung im Handwerk. Gerade der Handwerksnachwuchs sollte uns in Coronazeiten am Herzen liegen. ({0}) Der Einzelplan 60 wird zum Teil auch bewirtschaftet vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Dort ist eine Vielzahl von Projekten verankert. Deshalb ist es richtig, dass jetzt auch das Bundeswirtschaftsministerium von den Maßnahmen zur Förderung von Digitalisierung, künstlicher Intelligenz und Quanten- und Kommunikationstechnologie profitieren wird. Ein wichtiges Thema bei den Beratungen war die Zukunft des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand, kurz: ZIM. Das Programm hat gerade dem Mittelstand immer viel geholfen. Es wurde in guten Zeiten manchmal weniger nachgefragt; aber gerade jetzt erkennen viele Unternehmen, wie wichtig es ist, in dieser Krise nach vorne zu denken, innovativ tätig zu werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Ansatz für dieses Programm auf rund 620 Millionen Euro erhöht haben. Das ist ein klares Signal an den Mittelstand: Hier soll mehr getan werden. ({1}) Was mich in diesem Zusammenhang außerdem sehr freut – Andreas Mattfeldt ist in seiner Rede darauf eingegangen –, ist dabei die Rolle der strukturschwachen Räume. Wir haben festgelegt, dass rund 55 Prozent der Mittel – das deckt sich in etwa mit dem, was in der Vergangenheit abgeflossen ist – in diese Regionen fließt. Ich denke, das ist auch ein Bekenntnis dazu, dass Investitionsförderung in strukturschwachen Räumen diesen Regionen besonders helfen soll. ({2}) Beim Investitionszuschussprogramm für den digitalen Mittelstand, auch bekannt unter dem Titel „Digital Jetzt“, stehen aus den Mitteln des Zukunftspaketes in den nächsten vier Jahren jährlich zusätzlich 71 Millionen Euro zur Verfügung. Das heißt, zusätzlich zu den bereits vorhandenen 57 Millionen Euro können wir insgesamt 128 Millionen Euro im nächsten Jahr ausgeben. Darüber hinaus wurden die Ergebnisse der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ mit dem Bundeswettbewerb „Zukunft Region“ umgesetzt. Hier geht es darum, dass die Regionen im Wettbewerb stehen und sich vergleichen können, sodass wir mit diesem Programm, das über Mittel in Höhe von 4,4 Millionen Euro verfügt, auch Strukturschwächen überwinden können. Natürlich – jetzt rennt mir die Redezeit davon – ist es bei Corona manchmal so, dass man durch die tagesaktuellen Ereignisse gehetzt ist. Wir haben über die Wirtschaftshilfen lange diskutiert. Wir wissen auch, Herr Minister, Sie sind damit – mit den Überbrückungshilfen I bis III – nicht immer ganz zufrieden gewesen. Ich will dazu gar nicht weiter ausführen. Wichtig ist, dass es funktioniert, dass die Gelder bei denen ankommen, die davon unmittelbar betroffen sind. ({3}) Deshalb habe ich die klare Erwartung, dass uns das gemeinsam gelingen mag, weil es die Menschen verdient haben. Last, but not least – das wollte ich mir eigentlich aufheben –: Wir haben auch in diesem Haushalt einen wichtigen Punkt, nämlich den Strukturwandel in den Kohleregionen, nicht vergessen. Es wird unter anderem weitere Ansiedlungen von Behördenarbeitsplätzen, beispielsweise in der Lausitz, geben. 260 neue Arbeitsplätze bei der BAFA und bei der Bundesnetzagentur sind ein deutliches Zeichen, dass wir es mit dem Strukturwandel ernst meinen. ({4})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Als Nächstes hat das Wort der Abgeordnete Michael Theurer, FDP-Fraktion. ({0})

Michael Theurer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004914, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Bundeswirtschaftsminister Altmaier, Sie haben gebeten, dass wir von der FDP-Opposition Sie loben. Jetzt haben wir ja Adventszeit, und in der Adventszeit geht es auch darum, Wünsche zu erfüllen. Deshalb möchte ich an der Stelle sagen: Ja, wir loben Sie dafür, dass Sie sich jetzt auch, wie die FDP, die das in die Debatte eingebracht hat, für einen steuerlichen Verlustrücktrag aussprechen. Das ist die beste Maßnahme, um dringend notwendige Liquidität in die Unternehmen zu pumpen. ({0}) Herr Minister Altmaier, wir loben Sie dafür, dass Sie sich dafür ausgesprochen haben, den Soli komplett abzuschaffen; denn entgegen der Meinung einiger hier im Hause, auch Ihres Koalitionspartners, ist der Solidaritätszuschlag ungerecht, er ist leistungsfeindlich, und er trifft, wenn er jetzt nicht komplett abgeschafft wird, insbesondere 3 Millionen Personengesellschaften und Familienunternehmen, also den Mittelstand. Wir loben Sie dafür, dass Sie sich dafür aussprechen, Herr Minister. ({1}) Meine Damen und Herren, Herr Minister, wir loben Sie auch dafür, dass Sie sich für ein Belastungsmoratorium einsetzen und ausgesprochen haben. Wir als Freie Demokraten haben 55 konkrete Entfesselungsmaßnahmen vorgelegt, die man einfach umsetzen könnte. ({2}) Die CDU-Mittelstandsvereinigung – aber da möchte ich dem Kollegen Linnemann nicht vorgreifen – hat kritisch angemerkt, dass man 55 Verstöße gegen das Belastungsmoratorium in der Bundesregierung vorzuweisen habe. Deshalb, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Minister, wenn Sie Jubelstürme, Jubelchöre und Lobeshymnen erwarten, dann bekommen Sie die von der FDP erst dann, wenn Sie das, was Sie sagen, auch endlich machen. ({3}) Mit dem Machen, da hapert es ja so ein bisschen. Nehmen wir mal die Novemberhilfen. Ich finde es an der Stelle dann doch schofel, wie Sie sich hierhinstellen. Denn es stehen Millionen von Unternehmerinnen und Unternehmern, Soloselbstständigen, Freelancern, die sich jetzt Monat für Monat durchgekämpft haben, mit dem Rücken zur Wand. Hier einfach so lapidar zu sagen: „Wir wollen etwas machen, aber das Geld kommt halt nicht an“, und die Verantwortung dann auf die Bundesländer zu schieben, da machen Sie es sich zu einfach. ({4}) Denn die Bundesländer haben gefordert, die Abschlagszahlungen auf 500 000 Euro zu erhöhen; aber Sie als Bundesregierung machen es nicht. Die Bundesländer warten darauf, dass Sie endlich die Plattform programmiert bekommen, sodass die Anträge digital abgearbeitet werden können. Herr Minister, das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Es ist verheerend, wenn die Hilfe erst ankommt, wenn die Unternehmen längst in der Insolvenz sind. Die Hilfe muss jetzt unbürokratisch fließen. Was Sie machen, ist zu spät, zu wenig und zu bürokratisch. ({5}) Wir befürchten, dass breite Teile des Mittelstandes Gefahr laufen, hinweggefegt zu werden. Wir befürchten, dass nach den Infektionswellen die Insolvenzwellen drohen. Gastronomie, Hotellerie, Veranstaltungswirtschaft, Kultur, sie alle sind in akuter Gefahr. Dauerhafter Schaden zeichnet sich hier ab. Wenn Sie in der Debatte darauf verweisen, dass der Koalitionspartner SPD Sie daran gehindert hätte, erfolgreich zu werden, dann fordern wir Sie auf, das zu machen, was Sie selbst direkt in der Hand haben. Es gibt für alles und jedes einen Gipfel: einen Autogipfel, einen Zulieferergipfel. Aber einen großen Wirtschaftsgipfel, auf dem man über die notwendigen Maßnahmen spricht – den kann man auch digital abhalten –, den gibt es nicht. Vor allen Dingen gibt es im Bundeskanzleramt immer noch kein Wirtschaftskabinett. Es gibt ein Klimaschutzkabinett, es gibt ein Coronakabinett, aber ein Wirtschaftskabinett gibt es nicht. Deshalb verpuffen Ihre Vorschläge, die Sie als Bundeswirtschaftsminister machen, dann irgendwo im Bermudadreieck zwischen Ihnen, der Bundeskanzlerin und dem Bundesfinanzminister Scholz. Das muss endlich aufhören, meine Damen und Herren. ({6}) Sämtliche Vorschläge, die Deutschlands Zukunftsfähigkeit helfen würden, gehen so verloren. Das ist fatal. Wirtschaft, Wohlstand, Arbeitsplätze sind der CDU/CSU egal. Die wollen nur die Kanzlerin stellen. Der SPD geht es offensichtlich vor allen Dingen darum, zu verteilen. ({7}) Herr Scholz hat sich gestern bei „Hart aber fair“ wieder für die Vermögensteuer eingesetzt. ({8}) Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck: Niemand in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt den Bundeswirtschaftsminister bei seinen sinnvollen Forderungen, vielleicht von Carsten Linnemann einmal abgesehen. Wir sagen an der Stelle: Am Anfang war das Wort, aber dann folgt die Tat. – Deshalb: Sie müssen das, was Sie hier ankündigen, endlich auch umsetzen. Bei dieser konkreten Hilfe für Mittelstand, Wirtschaft und Arbeitsplätze haben Sie die volle Unterstützung der Freien Demokraten. ({9})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der nächste Redner ist für die Fraktion Die Linke der Abgeordnete Thomas Lutze. ({0})

Thomas Lutze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004103, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Peter Altmaier, fangen wir mal ganz oben an, bei der Lufthansa: Über 8 Milliarden Euro hat der Bundestag bewilligt, um dieses Unternehmen zu retten, und das war auch richtig. Wir haben aber immer gefordert, dass die Rettung an die Verpflichtung gebunden sein muss, die Arbeitsplätze zu sichern. ({0}) Die Mehrheit des Bundestages hielt das für nicht notwendig. Und nun? Rund 30 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren ihren Job, teilweise sogar durch betriebsbedingte Kündigungen, und das trotz staatlicher Rettung und Beteiligung des Bundes. Ihnen, Herr Altmaier, und Ihrer Regierung sind die Aktionäre wichtiger als die Beschäftigten. Das ist eine Schande. ({1}) Zentrales Projekt Ihrer Wirtschaftspolitik ist die Rettung von Unternehmen in der Coronakrise. Hier wird viel Geld in die Hand genommen, vor allem auch um kleine und mittlere Unternehmen zu retten. Auch hier stehen Hunderttausende Jobs und berufliche Existenzen auf dem Spiel. Und was läuft in Altmaiers Ministerium? Erst am 25. November konnten die Betroffenen die sogenannten Novemberhilfen beantragen, und das auch nur als Vorschussleistung. Die Software sei nicht fertig, so Altmaier damals. Ist das wirklich Ihr Ernst gewesen? In einem der am höchsten entwickelten Länder der Welt bekommt ein Schlüsselministerium die Software nicht zum Laufen. Das ist auch eine Schande. ({2}) Und bitte sagen Sie nicht, Sie hätten nicht gewusst, was uns bevorsteht mit der zweiten Welle. Sie haben einfach den kompletten Sommer und den Frühherbst verschlafen, Herr Altmaier. Noch kreativer ist aber Ihr Vorschlag, die Sonntagsöffnungen im Einzelhandel auszuweiten: das würde den Ansturm der Kundinnen und Kunden entzerren und somit einen Beitrag zum Coronaschutz leisten. Haben Sie eigentlich eine Vorstellung, was das konkret bedeutet? Stellen Sie sich bitte mal vor: Eine Mutter von zwei Kindern muss mitten in der Adventszeit sonntags in Ihrer Heimatstadt Saarlouis beim Pieper zum Geschenkeverkaufen hinter die Kasse. – Das ist nicht ansatzweise christlich, Herr Altmaier. Das ist auch eine Schande. ({3}) Eine echte Strategie in der Debatte um die Zukunft der Arbeitsplätze in der Automobilindustrie fehlt Ihnen auch. Gerade bei uns im Saarland ist diese Branche nach dem Wegfall des Bergbaus die einzige industrielle Säule auf dem Arbeitsmarkt. Ich glaube nicht, dass dies allein die Frage des Pkw-Antriebs ist. Sie deklarieren den Elektromotor als das Zukunftsprojekt. Ich finde, ein Elektro-SUV mit über 2 Tonnen Gewicht ist reine Energieverschwendung. ({4}) Die Umstellung der Motorisierung auf Elektromobilität hat einen deutlichen höheren Energieverbrauch zur Folge. Können und wollen wir uns das leisten? Oder ist es nicht viel sinnvoller, öffentliche Mobilitätsprojekte stärker zu fördern, und zwar flächendeckend und zu deutlich reduzierten Fahrpreisen? Bleibt aber die Frage – und das ist die entscheidende Frage – nach den Jobs in der Automobilindustrie. Anstatt der Produktion von Automobilen hinterherzulaufen, die in der Regel so mobil sind, dass sie am Tag im Durchschnitt 23 Stunden stehen, brauchen wir industrielle Kerne mit neuen und innovativen Produkten. Doch da fehlt es in Ihrem Ministerium an jedweder Konzeption, weil Ihnen – und das ist die Ursache dafür – die Jobs egal sind. Hauptursache dafür ist, dass Ihnen der Profit und die Börsenwerte wichtiger sind als die Jobs. Auch das, finde ich, ist eine Schande. Vielen Dank und herzlich Glück auf! ({5})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Abgeordnete Ingrid Nestle. ({0})

Ingrid Nestle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004119, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Soeben sagten Sie, Kollege Mattfeldt, dieser Haushalt würde den energie- und klimapolitischen Zielen gerecht, weil im Energie- und Klimafonds ja eine ganze Menge Geld sei. ({0}) - „Durch und durch“. Sie bestätigen es noch mal mit vollem Nachdruck. – Ja, in dem Energie- und Klimafonds ist eine ganze Menge Geld. Aber Geld ausgeben ist eben nicht alles. Erstens. Es kommt darauf an, dass das Geld, das man als „für das Klima“ deklariert, natürlich auch tatsächlich dem Klimaschutz dient. Wir kennen das ja schon aus dem Konjunkturpaket, das angeblich auch sehr grün war. Wenn man genauer hinguckt, sieht man, dass da Sachen drin sind wie: Dem öffentlichen Personennahverkehr wird ein Teil der coronabedingten Verluste ersetzt. – Ein Teil! Der öffentliche Personennahverkehr steht hinterher schlechter da als vorher, und Sie deklarieren das als: Der Klimaschutz kommt voran. – Das finde ich sehr gewagt. ({1}) Aber auch in dem von Ihnen eben benannten Energie- und Klimafonds sind viele Hundert Millionen Euro drin für die Strompreiskompensation der Industrie. ({2}) Das ist okay; das kann man machen. Aber als Klimaschutz bezeichnen kann man das, glaube ich, nicht. ({3}) Zweitens. Es kommt eben nicht nur darauf an, dass das Geld, das man für den Klimaschutz deklariert, auch für den Klimaschutz ist, sondern es kommt auch darauf an, dass man die rechtlichen Rahmenbedingungen insgesamt so gestaltet, dass das Geld auch tatsächlich wirken kann. Aber das funktioniert leider an ganz vielen Stellen nicht. Ich nenne konkrete Beispiele: Wir alle wollen das Thema Wasserstoff voranbringen. Es sind in diesem Haushalt – teilweise in diesem Haushalt, teilweise in anderen Haushalten verteilt – 9 Milliarden Euro für Wasserstoff vorgesehen. Das ist eine feine Sache. Diese 9 Milliarden Euro können aber nur eine Erfolgsgeschichte werden, wenn auch die Rahmenbedingungen am Strommarkt stimmen. Da stricken Sie jetzt parallel an neuen Regeln für das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Nicht nur, dass Sie zwei fast identische Regeln einbringen wollen – das ist das Gegenteil von Klarheit und von „einfach anzuwenden“ –, nein, Sie verweigern auch die entscheidende Weichenstellung, nämlich dafür zu sorgen, dass der Wasserstoff tatsächlich dann produziert wird, wenn der Strommix in Deutschland CO2-arm ist. Bei Ihnen kann dann, wenn Kohlestrom dominiert und ein großer CO2-Fußabdruck im Strombereich zu finden ist, Wasserstoff hergestellt und subventioniert werden, den Sie hinterher als grün deklarieren. Das ist eine Mogelpackung, und das ist eben gerade kein Klimaschutz. ({4}) Richtig deutlich wird das, wenn man dann eben noch sieht, dass Sie den Ausbau der erneuerbaren Energien, der ja Grundlage dafür ist, dass es funktionieren kann mit dem grünen Wasserstoff, eben gerade nicht voranbringen, Herr Minister. Da muss ich meinem Kollegen, Herrn Theurer, wirklich zustimmen: ({5}) Eine stimmige Geschichte wird das nur, wenn Sie das, was Sie sagen, auch machen. Sie haben gerade wieder gesagt: Ja, die Erneuerbaren werden zügig ausgebaut. – Sie haben das schon ganz oft gesagt, und Sie haben sich zu Klimaschutzzielen bekannt, die gesteigert werden sollen, die hochgesetzt werden müssen. Aber gerade jetzt arbeiten die Regierungsfraktionen an dem Entwurf einer Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, und Sie haben hier einen Entwurf eingebracht, der bedeutet, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien zurückgeht, anstatt hochzugehen, ({6}) der sogar trotz EEG noch zurückgeht. Der Minister hat vorgeschlagen, 2022 und 2023 weniger Erneuerbare zuzubauen als noch in 2021, und das ist schon weniger als das, was wir bis vor Kurzem hatten, nämlich bevor Sie Energieminister waren. Das ist das Gegenteil dessen, was Sie hier erzählen, und das bedeutet, dass das Steuergeld, das Sie hier ausgeben, eben genau nicht die Wirkung entfalten kann, die es entfalten sollte. ({7}) Dabei wäre dieses Thema die Chance, etwas zusammenzubringen, was wir hier auch mehrmals gehört haben: Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien werden die Börsenstrompreise und damit die Strompreise für die Industrie gesenkt, was Sie fördern, und der Klimaschutz wird erreicht. Deshalb ist es so schade, dass Sie das hier an dieser Stelle nicht hinbekommen. Deswegen bitte ich Sie sehr: Achten Sie darauf, dass die Rahmenbedingungen für den Klimaschutz insgesamt stimmen, damit Sie nicht doppelt und dreimal so viel abreißen durch Fehleinstellungen im EEG, wie Sie hier mit Haushaltsmitteln mühsam aufbauen. Herzlichen Dank. ({8})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Als Nächstes erteile ich das Wort dem Kollegen Carsten Linnemann, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Carsten Linnemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004098, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Lockdown“, „Coronapandemie“ und „Novemberhilfen“ – das sind die Wörter des Jahres. Ich würde mich freuen, wenn im nächsten Jahr, wenn wir uns hier wiedertreffen, die Wörter des Jahres „Aufbruch“, „Neustart“ und „Entfesselung“ sind. Um das zu schaffen, müssen wir uns von den alten Strukturen verabschieden – wir dürfen sie nicht zementieren – und müssen wir Wachstumskräfte entfesseln. Drei Punkte sind meines Erachtens für diesen Weg entscheidend: Erstens: die Hilfen. Sie müssen zielgerichtet sein. Wir brauchen uns nicht verstecken. Das, was wir hier im Deutschen Bundestag gemacht haben, ist beispiellos. Wir geben mehr Geld für die Wirtschaft, für die Unternehmen, für die Beschäftigten aus als alle anderen europäischen Länder zusammen. Gleichzeitig muss man sagen: Das Kurzarbeitergeld ist ein Instrument, um das uns die Welt beneidet; das ist richtig. Die Soforthilfen waren richtig, die Überbrückungshilfen waren richtig, und jetzt kommen die Novemberhilfen und die Dezemberhilfen. Zur Wahrheit gehört auch – und darüber haben wir in unserer Fraktion gesprochen, sehr offen und ehrlich –, dass ein Staat diese Novemberhilfen und Dezemberhilfen nicht in den Januar, nicht in den Februar, nicht in den März überführen kann. Ein Staat kann nicht auf Dauer Umsätze zu 75 Prozent ausgleichen. Auch das ist die Wahrheit; auch das muss man aussprechen. ({0}) Deswegen brauchen wir dieses Überbrückungshilfeprogramm. Dass das Überbrückungshilfeprogramm III so aussieht, wie es aussieht, haben wir vor allen Dingen dem Minister Peter Altmaier zu verdanken. Es sind signifikante Änderungen. Wir gehen mit den Fixkosten viel großzügiger um als in der Vergangenheit, und es werden Stellschrauben gedreht, die genau da ansetzen, wo wir die Probleme hatten. Ich denke beispielsweise an das Thema Abschreibungen: Wie viele Zuschriften haben wir bekommen, dass Abschreibungen so gesehen werden sollten wie Kosten? Ich denke beispielsweise an das Thema Modernisierungsinvestitionen, auch im Bereich Hygiene: Wie viele Zuschriften haben wir bekommen, dass man die Kosten auch anrechnen können sollte, damit es Zuschüsse gibt? Ich denke beispielsweise an den bekannten Deckel von höchstens 50 000 Euro Zuschüssen im Monat: Wie viele Hoteliers haben uns angerufen und gesagt: „Das ist zu wenig“? Ich denke beispielsweise an die Veranstalter. Wir hatten die Veranstalter hier in Berlin. Da haben wir gesagt: Die Mitarbeiterschwelle, die Schwelle von 249 Mitarbeitern, muss weg, damit gerade größere Veranstalter – es sind 30 bis 40 in Deutschland, die übrigens Zehntausende an Soloselbstständigen sozusagen mit beschäftigen – jetzt von diesem Programm mit erfasst werden. – Lieber Peter Altmaier, das ist auch dein Verdienst. Vielen Dank für das neue Überbrückungshilfeprogramm III! Das ist genau der richtige Weg. ({1}) Der Kollege Theurer hat recht – man muss es auch in so einer Debatte mal offen aussprechen –, auch Peter Altmaier hat in diesem Punkt recht, nämlich beim Thema „Verlustverrechnung, Verlustrücktrag“. Das hört sich sehr technisch an, ist aber eigentlich ganz einfach: Wir ermöglichen, dass die Firmen in Deutschland die Verluste, die sie heute machen, mit den Gewinnen aus der Vergangenheit, nicht nur des letzten Jahres oder der letzten zwei Jahre, sondern der letzten drei, fünf oder noch mehr Jahre, verrechnen können. Das ist genau der richtige Schritt. ({2}) Das betrifft genau die richtigen Unternehmen. Das betrifft genau die Unternehmen, die bereits vor der Krise erfolgreich waren und die wir unterstützen müssen. ({3}) – Peter Altmaier ist auch der Ansicht; mit dem Koalitionspartner müssen wir noch reden. ({4}) Wir sind ja guter Dinge. Der Kollege Sören Bartol lacht mich auch an und sieht das bestimmt genauso. Darüber müssen wir reden. ({5}) Es ist wichtig, dass wir uns in diesem Punkt einigen. Der zweite Punkt. Ja – auch das hat der Kollege Theurer angesprochen –, wir werden Insolvenzen sehen. In diesem Jahr sind weniger Insolvenzen aufgelaufen als im letzten Jahr, ohne Corona. Aber bitte lasst uns doch dafür kämpfen, dass wir jetzt das neue Restrukturierungsverfahren bekommen. Auch die Gläubiger müssen doch ein Interesse daran haben. Wenn es beispielweise um ein Einzelhandelsunternehmen in der Einkaufsstraße einer Stadt geht, dann müssen doch auch die Gläubiger, wenn sie etwa Eigentümer der entsprechenden Immobilie sind, ein Interesse daran haben, dass man sich an einen Tisch setzt und an einer Lösung arbeitet. Denn wenn es dieses Einzelhandelsgeschäft nicht mehr gibt, dann verödet irgendwann die Innenstadt, dann gibt es gar keine Läden mehr, und dann bekommt auch der Gläubiger, der Eigentümer nichts. Deshalb plädiere ich dafür, dass wir das neue Restrukturierungsverfahren bekommen, bei dem man sich an einen Tisch setzt, ohne wirklich einzugreifen.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der SPD-Fraktion?

Dr. Carsten Linnemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004098, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja gerne. Obwohl: Meine Zeit ist jetzt schon überschritten, Herr Präsident.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Das ist Glück für Sie. ({0})

Dr. Carsten Linnemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004098, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist Glück für mich. Okay, herzlichen Dank. ({0})

Mahmut Özdemir (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004368, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage gestatten. – Sie haben ja gerade Herrn Olaf Altmaier – Verzeihung! –, Herrn Minister Altmaier für seine Wirtschaftspolitik und die Überbrückungshilfen und dafür gelobt, dass er was für die Wirtschaft tut. Deshalb meine Frage: Was tut die Union, was tun die Wirtschaftspolitiker der Union und was tut Herr Altmaier für die Stahlindustrie? ({0})

Dr. Carsten Linnemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004098, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Stahlindustrie ist in einem extremen Transformationsprozess, gerade wenn ich an das Thema Energie denke. Wir werden im Bereich Wasserstoff – um nur einen Bereich zu nennen – alles dafür tun, dass auch die Stahlindustrie in Deutschland unterstützt wird, dass sie die Transformation in das neue Energiezeitalter schafft. ({0}) Dieses Land muss und soll klimaneutral arbeiten; auch die Gesellschaft muss so aufgestellt sein. Dafür braucht die Wirtschaft Unterstützung. Genau dafür sorgt Peter Altmaier, und das ist auch richtig so. ({1}) – Vielen Dank. – Jetzt habe ich noch eine halbe Minute.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Absolut.

Dr. Carsten Linnemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004098, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank. – Die Zwischenfrage war aber nicht abgesprochen. Der dritte und letzte Punkt ist, dass wir die Steine aus dem Weg räumen müssen. Wir brauchen Entfesselung. All das, was die Kolleginnen und Kollegen gesagt haben, ist völlig richtig. Wir brauchen Risikokapital, wir müssen die Gründer unterstützen, damit sie sich nicht mit Auflagen und Vorschriften beschäftigen, sondern mit ihrem Geschäftsmodell, und vieles mehr. Ich möchte eigentlich – und das ist mein Wunsch –, dass unternehmerischer Erfolg in Deutschland nicht damit zusammenhängt, ob man Internet hat, ob man die Genehmigung einer Behörde bekommt – oder welche Bürokratie auch immer –, ({0}) sondern dass unternehmerischer Erfolg in Deutschland damit zusammenhängt, ob man eine zündende Idee hat, ob man Mut und Risikobereitschaft hat. ({1}) Das sind meines Erachtens die Zutaten, die es für einen erfolgreichen Weg, für eine Langfriststrategie braucht – Zutaten für Neustart und Aufbruch. Vielen Dank. ({2})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Der Abgeordnete Leif-Erik Holm hat das Wort für die Fraktion der AfD. ({0})

Leif Erik Holm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004761, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Bürger! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Linnemann, das waren hervorragende Punkte, die Sie hier angebracht haben. Aber ich möchte an eines erinnern: Sie stellen als tragende Fraktion diese Regierung. Setzen Sie es endlich um! Genau das, was Sie gesagt haben, brauchen wir; aber diese Bundesregierung liefert nicht. ({0}) Unsere Wirtschaft ächzt unter dem neuen Lockdown, der sich „Lockdown light“ nennt. Es gibt ja mittlerweile sogar schon Stimmen, die sich dafür aussprechen, das Ganze zu verschärfen – sie kommen vorwiegend von südlich des Weißwurstäquators –, und das halten wir für unverantwortlich. Schon jetzt ist eine große Pleitewelle absehbar. Wir werden Hunderttausende, wenn nicht Millionen neue Arbeitslose bekommen. Die Verschuldung nimmt ungeahnte Ausmaße an. Das können wir nicht auf Dauer fortsetzen. ({1}) Wir können nicht Milliarden-Hilfspakete noch und nöcher auflegen. Sie funktionieren ja nicht mal; auch das ist angesprochen worden. Wir haben die Novemberhilfen, und die Bescheidung dauert bis ins nächste Jahr hinein. Die Software kommt im nächsten Jahr. Und da können Sie, Herr Minister, doch nicht behaupten, dass es gut liefe. ({2}) Es läuft nicht gut in dieser Corona-Lockdown-Krise. ({3}) Dann koppeln Sie die Hilfen auch noch an den Umsatz: 75 Prozent des Vorjahresumsatzes sollen die Firmen bekommen. Darüber lacht mittlerweile ganz Deutschland. Da muss man – ganz ehrlich – mitlachen. Bei einer 75-prozentigen Umsatzerstattung hat zumindest jemand mit relativ geringen Fixkosten am Ende mehr übrig als vorher. Herr Minister Altmaier, Sie und Ihr Kollege Scholz haben hier eine echte Peinlichkeit geliefert. ({4}) Haben Sie denn in Ihren Ministerien niemanden mehr, der mal in der freien Wirtschaft war? Hilfen müssen natürlich an Fixkosten gebunden sein. Und wir brauchen zielführendere Instrumente; auch das hat Herr Linnemann schon angesprochen. Ja, wann kommen sie denn endlich, die Verlustrückträge auch in die Vorjahre vor 2019? Das wäre ein zielführendes Instrument. Wenn Sie, Herr Minister Altmaier, das mittlerweile auch so sehen, dann setzen Sie es in dieser Bundesregierung doch bitte endlich durch. Stattdessen reden Sie weiter übers Klima, ({5}) über den Green Deal und über Taxonomie, also grüne Wirtschaftslenkung in sowjetischem Maßstab. ({6}) Sie wollen mehrere Milliarden in E-Autos stecken, die ohne Prämie kein Mensch kaufen will, weil sie völlig unpraktikabel sind. Sie erhöhen im Namen des Klimas die Spritpreise und im Januar die Heizkosten; die Mehrwertsteuer steigt wieder auf 19 Prozent. Halten Sie das wirklich für eine sinnvolle Politik in einer Zeit, in der Millionen Unternehmer und ihre Mitarbeiter ums Überleben kämpfen? – Wir jedenfalls nicht. ({7}) Besser noch: Jetzt denkt die SPD – die gerade besonders laut ruft, Herr Gremmels; ich bin ja schon dankbar, wenn Sie hier im Plenum sitzen; dann können Sie wenigstens nicht weiter daran arbeiten – sogar über einen Coronasoli nach. ({8}) Das wäre der völlig falsche Weg. Niemals einen Coronasoli! Denn der hilft uns, bei Gott, in dieser Phase überhaupt nicht. ({9}) Was wir brauchen, sind zielgerichtete, funktionierende Hilfen, verbesserte Rahmenbedingungen. Ein Ende des Lockdowns ist auch sehr wichtig. Das Strangulieren der Wirtschaft muss endlich aufhören. Wir müssen unsere Risikogruppen schützen – ja, das ist richtig –, wir müssen das Virus in Schach halten – ohne Frage –, ({10}) wir müssen unsere Senioren und auch diejenigen mit Vorerkrankungen schützen, aber lassen wir unsere Wirtschaft endlich wieder arbeiten. Wir brauchen diese Wirtschaft für unseren Wohlstand. Damit wir unsere Risikogruppen schützen können, brauchen wir eine funktionierende Wirtschaft; denn – das steht doch völlig außer Frage – ohne die Wirtschaft haben wir die Mittel dafür nicht. Vielen Dank. ({11})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Jetzt hat das Wort für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Bernd Westphal. ({0})

Bernd Westphal (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004442, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die diesjährige Debatte zum Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums ist natürlich auch geprägt von den Coronawirtschaftshilfen. Wir haben in Deutschland mit den Hilfen ein einzigartiges System entwickelt und es damit geschafft, unsere Wirtschaft zu stärken. Das hat sich bewährt. Auch international gibt es in der Bewertung gute Kritik dafür. Wir haben mit Finanzminister Olaf Scholz und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zwei engagierte Minister, die mit dem Kurzarbeitergeld zur Beschäftigungssicherung und mit den Finanzhilfen den Unternehmen zielgerichtet geholfen haben. ({0}) Ganz zentral sind das Konjunkturpaket vom Frühsommer zu nennen, aber auch Klimaschutz, Energiewende und das, was mit dem europäischen Green Deal auf den Weg gebracht worden ist. Alles das sind enorme Anstrengungen und Aufgaben für unsere Wirtschaft. Das muss organisiert werden. Treibhausgasneutralität bis 2050 ist ein Ziel, aber die Frage ist, wie wir das erreichen können. Es ist nicht damit getan, Kraftwerke abzuschalten oder einen Wettbewerb um die besten und höchsten Klimaziele zu führen, sondern es geht darum, dass man einen klaren und vor allen Dingen sozialverträglichen Kurs einschlägt. Niemand soll sich vor den Veränderungen fürchten müssen. Wir haben Perspektiven für neue Arbeits- und Ausbildungsplätze, vor allen Dingen auch in Regionen, wo Strukturwandel notwendig ist. Das geht am besten Hand in Hand mit den kommunalen Akteuren, mit den Sozialpartnern, mit Gewerkschaften und Betriebsräten, meine Damen und Herren. ({1}) Wir investieren 62 Milliarden Euro in die Zukunft unseres Landes. Das sind 12,4 Prozent; eine Investitionsquote von enormer Höhe. Das hat nichts von Kaputtsparen. Vielmehr werden wir mit diesen Investitionen in klimaschonende Zukunftstechnologien eine gesunde wirtschaftliche Basis für zukünftige Generationen schaffen und vor allen Dingen den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. So werden zum Beispiel zusätzliche Mittel in die Wasserstofftechnologie fließen. Die SPD möchte, dass unser Land einen Leitmarkt für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft bildet. Unsere Unternehmen sollen eine Vorreiterrolle einnehmen. ({2}) Dazu braucht es jetzt einen industriellen Hochlauf für Elektrolysekapazitäten. Die Lernkurve können wir sehr gut nutzen, um die Technologie international zu vermarkten. Wir wollen mit der Wasserstoffproduktion unsere Industrien stärken, zum Beispiel die Stahlindustrie und die chemische Industrie. Gleichzeitig wollen wir durch internationale Energiepartnerschaften den Energieimport in Form von Wasserstoff fördern. Wir haben die Priorität in den Bereichen Elektromobilität und Ladeinfrastruktur gesetzt. Wir haben mit elektrisch-synthetisch hergestellten Kraftstoffen die Chance, sie in Pkws im Bestand, in Flugzeugen, im Schwerlastverkehr und in anderen Bereichen sinnvoll ergänzend einzusetzen. Auch die Digitalisierung könnte helfen, eine ganze Reihe von Zukunftsproblemen zu lösen. Viele deutsche Unternehmen spüren den Veränderungsdruck. Sie haben sich auf den Weg gemacht, diese Investitionen zu tätigen – das sieht man zum Beispiel an der Produktion von Elektroautos in Deutschland –, aber wir brauchen, was die Wasserstofftechnologie angeht, in der Stahl- und Chemieindustrie, aber vielleicht auch in der Batterieproduktion Impulse, diese wichtige Technologie in Deutschland zu nutzen. ({3}) Die Dekarbonisierung der Wirtschaft ist neben den Coronawirtschaftshilfen unser zentrales Thema. Es geht bei den Themen um unsere Zukunft und die unserer Kinder und Enkelkinder. Die Klimaneutralität bis 2050 ist ökologisch und sozial richtig, aber vor allen Dingen auch wirtschaftlich vernünftig. Lassen Sie uns daher gemeinsam an Lösungen arbeiten. Ich glaube, dass der Haushalt durch sein Volumen ganz gewiss eine ganze Menge Perspektiven eröffnet, die wir politisch gestalten können. Vielen Dank. ({4})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Kollege Westphal. – Der nächste Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer. ({0})

Dr. Joachim Pfeiffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Haushalte 2020 und 2021 sind in jeglicher Hinsicht wirklich außergewöhnlich, sowohl was die Dimension als auch was die Struktur anbelangt. Corona hat nicht nur Deutschland, sondern die ganze Welt im Griff. Das gilt nicht nur für Gesundheitsfragen und die vielfältigen gesellschaftspolitischen und gesellschaftlichen Auswirkungen, sondern insbesondere auch – und deshalb debattieren wir heute darüber – für Wirtschaft, Finanzen und Haushalt. Die Dimension: 1 000 Milliarden Euro in den Jahren 2020 und 2021, mehr als jemals in der Geschichte der Bundesrepublik ausgegeben wurde. Davon basieren 400 Milliarden Euro auf Verschuldung – 400 Milliarden Euro! –, also 40 Prozent. Ich glaube, das macht die Dimension und die Herausforderung deutlich, vor der wir stehen. Aus meiner Sicht bedarf es kurz-, mittel- und langfristiger Antworten und Reaktionen. Kurzfristig – darüber wurde und wird auch heute hier heftig debattiert – gibt es die verschiedenen Coronahilfen für Unternehmen. Wenn man der Debatte folgt, dann könnte man den Eindruck haben, als wäre da bisher nichts passiert, als wäre nichts auf die Piste gekommen; das Gegenteil ist der Fall, Peter Altmaier. 71 Milliarden Euro an Coronahilfen sind bis zum 1. Dezember gezahlt worden: Soforthilfen für die Unternehmen im Frühjahr, Mittel aus der Überbrückungshilfe I oder Bürgschaften und Mittel aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Allein über 45 Milliarden Euro sind durch die KfW-Sonderprogramme direkt an Unternehmen geflossen, die durch die Krise unverschuldet in Not geraten sind, und das, obwohl ihr Geschäftsmodell eigentlich erfolgreich war und ist, aber quasi durch Berufsverbote und die Einschränkungen im Gesundheits- und Gesellschaftsbereich schlicht nicht aufrechterhalten werden kann, zum Beispiel im Messebau, bei Schaustellern und vielen anderen. Wir haben ausdifferenziert und differenzieren weiter aus, um den Unternehmen zu helfen, um ihnen eine Brücke zu bauen, damit sie nach der Pandemie – und wir hoffen in der Tat, Carsten Linnemann, dass es nächstes Jahr durch Impfstoffe, Medikamente und Tests spätestens nach dem ersten Halbjahr besser wird – wieder anknüpfen können und die Brücke die andere Seite erreicht. Dass wir hier richtig liegen, testieren wir uns nicht nur selber, sondern das testiert uns ganz aktuell auch die OECD, die sagt, dass Deutschland mit seinem Instrumentarium, mit seinem Ansatz absolut richtig handelt und im Vergleich zu allen anderen Ländern mit am besten durch die Krise kommt. ({0}) Mittelfristig ist natürlich in der Tat einiges zu tun. Da will ich schon sagen: Das Belastungsmoratorium, auf das sich der Koalitionsausschuss verständigt hat, ist einzuhalten. Ihnen, Frau Hajduk, muss ich widersprechen: Ein Lieferkettengesetz, das wir allein national beschließen, das hilft uns, glaube ich, nicht. Das wäre zu kurz gesprungen. ({1}) Natürlich macht es Sinn, sich positiv zu differenzieren. Aber ich möchte darauf verweisen, welche Erfahrungen andere mit einem solchen Vorgehen gemacht haben: Die Amerikaner beispielsweise haben den sogenannten Dodd-Frank Act erlassen, bei dem es unter anderem darum ging, dass Unternehmen die Herkunft der verwendeten Metalle nachweisen sollten, um sicherzustellen, dass sie nicht aus Krisenregionen in Afrika stammen. Davon sind sie relativ schnell wieder abgekommen. Im Übrigen haben auch relativ viele karitative Organisationen vor Ort gesagt, dass das der falsche Ansatz ist. Denn was war die Folge dieses Erlasses? Die amerikanischen Unternehmen haben sich komplett zurückgezogen. Nicht nur die Unternehmen, die, wie Sie sagten, mit Kinderarbeit oder Blutdiamanten zu tun hatten, sondern auch die Unternehmen, die regulär vor Ort agiert und die Arbeitsbedingungen eingehalten haben, haben sich zurückgezogen. Deshalb war der Schaden hinterher viel größer, und die dadurch entstandene Lücke wurde von anderen gefüllt, die nicht immer entsprechend handelten. Insofern: So einfach, wie Sie das darstellen, ist es nicht. ({2}) Ich glaube, wir brauchen da mindestens europäische Lösungen, und die müssen auch in das internationale System passen. ({3}) Wir brauchen Entbürokratisierung; das Stichwort „entfesseln“ ist gefallen. Wir haben über 40 Vorschläge gemacht, die wir jetzt mit dem Koalitionspartner diskutieren. Ich hoffe wirklich sehr, dass Olaf Scholz – eben wurde er als „Olaf Altmaier“ angesprochen – und die SPD jetzt endlich in die Puschen kommen. ({4}) Wir sind bereit. Die Kommission ist hochrangig besetzt. Es geht um viel: von der Flexibilisierung der Arbeitszeit über Minijobfragen, Digitalisierung gesamter Prozesse sowie Beschleunigung von Planungen, die auch digitalisiert werden müssen, bis hin zu Erleichterungen für junge Unternehmen im Vergabeverfahren. Ich glaube, etwas Neues ausprobieren, jetzt in der Coronakrise, das fördert die Modernisierung. Wir brauchen aber auch langfristige Lösungen. Ich sage: Mehr Schumpeter wagen! Die kreative Kraft der Zerstörung wirkt auch hier. Wir können nicht nur einfrieren. Deshalb brauchen wir die Innovationsförderung; ZIM ist angesprochen worden. Wiederum hat der Deutsche Bundestag hier draufgesattelt, Herr Jurk, um 77 Millionen auf 636 Millionen Euro; das sind sogar mehr als die von Ihnen genannten 620 Millionen Euro. Energieforschung und Luftfahrtforschung: Bis Mitte der 20er-Jahre werden wir das erste Wasserstoffflugzeug in die Luft bringen. Da werden wir entsprechende Hilfen bereitstellen. Wir brauchen eine Transformation in der Automobilindustrie, aber auch synthetische Kraftstoffe. Wer es mit der Dekarbonisierung ernst meint, der muss jetzt synthetische Kraftstoffe einsetzen, die ja schon im Bestand sind. Ich hoffe, dass unser Koalitionspartner, dass die SPD-Fraktion das Ministerium zur Einhaltung des Koalitionsvertrages auffordert. ({5}) Das Thema Wasserstoff ist angesprochen worden. Den Handel hat noch keiner angesprochen; das will ich abschließend tun. Ohne freien Handel wird das alles nichts. Wir sind davon abhängig wie kein anderes Land. Deshalb müssen wir CETA ratifizieren. Wir müssen ein verlässlicher Partner sein. 20 Jahre Zusammenarbeit mit Mercosur dürfen nicht enden. Wir müssen vielmehr mithelfen, dass entsprechende Rahmenbedingungen gesetzt werden; ({6}) sonst setzen sie andere Akteure auf der Welt.

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Herr Kollege.

Dr. Joachim Pfeiffer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003608, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Lassen Sie uns also anpacken, damit wir im nächsten Jahr dort anknüpfen können, wo wir letztes Jahr endeten. Vielen Dank. ({0})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Für die Fraktion der SPD hat das Wort die Kollegin Gabriele Katzmarek. ({0})

Gabriele Katzmarek (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004325, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die SPD hat klare wirtschaftspolitische Positionen. ({0}) Wir wollen die Wirtschaft, die Industrie aktiv gestalten. Ein Schlüssel für den Erfolg unserer Wirtschaft sind Investitionen: Investitionen in Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Investitionen in zukunftsfähige Branchen. ({1}) Es gibt viele Beispiele, die zeigen, wie notwendig eine aktive Wirtschaftspolitik ist. Nur auf den Markt zu setzen, reicht nicht. Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen und, wo notwendig, aktiv eingreifen. Das zeigt sich gerade in der jetzigen Coronakrise. Ohne staatliche Hilfen würden CureVac, BioNTech und IDT Biologika vielleicht chinesische oder amerikanische Hände haben. Ohne staatliche Hilfe und Anschub wären wir vielleicht immer noch auf Schutzmasken insbesondere aus Asien angewiesen. ({2}) Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen und mich bei den Unternehmen und den Beschäftigten bedanken, die zu Beginn der Coronapandemie innerhalb sehr kurzer Zeit ihre Produktion auf- und umgebaut haben, damit Schutzausrüstungen und Desinfektionsmittel zur Verfügung stehen. ({3}) Die Coronakrise hat uns eines sehr deutlich vor Augen geführt: Wir müssen uns mehr um die Entwicklung der industriellen Gesundheitswirtschaft kümmern, und zwar dauerhaft. Ohne sie hätten wir keine Masken, keine Beatmungsgeräte, keine Medikamente und in den nächsten Wochen vielleicht noch keinen Impfstoff gegen das Virus. Die industrielle Gesundheitswirtschaft in Deutschland mit circa 1 Million Arbeitsplätzen hat in den vergangenen zehn Jahren überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze geschaffen. Es gibt keine andere Branche in Deutschland, in der mehr geforscht wird als in der Gesundheitswirtschaft. Es gibt drei wichtige Gründe, warum wir die Branche mehr in den Fokus nehmen müssen: erstens die Gesundheitsversorgung der Bürgerinnen und Bürger, zweitens die Innovationsfähigkeit mit starkem Entwicklungspotenzial und drittens die damit einhergehenden, ich sage mal, in der Regel sehr gut bezahlten Arbeitsplätze. Genau deshalb ist das eine Frage, die nicht allein das Gesundheitsministerium und das Forschungsministerium beschäftigen muss, sondern insbesondere auch das Wirtschaftsministerium. Herr Altmaier, ich verstehe nicht, warum der industriellen Gesundheitswirtschaft in der dauerhaften Betrachtungsweise hinsichtlich dessen, was dort unternommen werden kann und muss, so wenig Bedeutung beigemessen wird. Ich war schon sehr verwundert, dass in der von Ihnen im letzten Jahr vorgelegten Industriestrategie die industrielle Gesundheitswirtschaft nicht als Schlüsselindustrie genannt worden ist. Aus meiner Sicht ist es spätestens jetzt Zeit, eine Industriestrategie 2.0 der Bundesregierung, des Wirtschaftsministeriums aufzulegen. Herr Altmaier, Sie hatten zu Beginn der Coronakrise gesagt, dass wir bestimmte Produkte und Arzneimittel in der Zukunft wieder in Deutschland herstellen sollten. Das sehe ich genauso. Dazu bedarf es aber einer Strategie, bis wann und wie wir das erreichen wollen. ({4}) Mit der Forschungsförderung, dem Innovationsprogramm ZIM, der Förderung der industriellen Gesundheitswirtschaft und der Gemeinschaftsförderung setzen wir richtige Maßstäbe, um unsere Zukunft zu gestalten. Aber ich sage Ihnen auch: Wir brauchen auch in der Gesundheitswirtschaft klare und deutliche Strukturen. Wir müssen bestimmen, was notwendig ist. Wir brauchen mehr Unterstützung und passgenaue Förderung durch den Staat; denn was wir dort haben, sind innovative Unternehmen, qualifizierte Fachkräfte, gute Forscherinnen und Forscher. Lassen Sie uns das nutzen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Corona hat mehr denn je gezeigt: Wir brauchen einen starken, wir brauchen einen aktiven Staat. Der vor uns liegende Haushalt bildet das mit seinen Weichenstellungen ab. Und wenn wir jetzt noch ein bisschen mehr in die Gesundheitswirtschaft hineingeben, glaube ich, sind wir auf einem guten Weg, Herr Altmaier. Ich glaube, wir können das in der nächsten Zeit sehr gut mal im Wirtschaftsausschuss diskutieren. Herzlichen Dank. ({5})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Das ist ein guter Plan, vielen Dank. ({0}) Der nächste Redner ist der Kollege Hansjörg Durz, CDU/CSU. ({1})

Hansjörg Durz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Haushaltsentwurf für das Jahr 2021, den die Bundesregierung im September in dieses Parlament eingebracht hat, war ein sehr viel anderer als der, den wir heute diskutieren. Doch der Lockdown von Teilen der Wirtschaft hinterlässt auch im Haushalt tiefe Spuren. Deshalb debattieren und verabschieden wir heute einen Haushalt, der im Laufe der parlamentarischen Beratungen auf der Ausgabenseite um 85 Milliarden Euro angewachsen ist. Die Situation, die wir zu bewältigen haben, ist nicht weniger als eine Jahrhundertkrise. Deshalb sind auch die Finanzmittel, die wir aufwenden müssen, von historischer Dimension. Der wesentliche Teil der neuen Schulden dient dazu, all jene Unternehmen und Soloselbstständigen zu unterstützen, denen zur Bekämpfung der Pandemie der Geschäftsbetrieb untersagt wurde oder die mit erheblichen Umsatzausfällen zu kämpfen haben. Diese Unternehmen, ja, diese Existenzen zu retten, das ist das einzig Richtige. Es ist Teil sozialer Marktwirtschaft; denn die Wirtschaftsstrukturen, die wir mit diesen Geldern bewahren, werden nach der Krise wieder ihren Teil zum Wohlstand beitragen. Teil sozialer Marktwirtschaft ist aber auch, die Grenzen staatlichen Handelns anzuerkennen. Ludwig Erhard fasste dies einst so zusammen: Kein Staat kann seinen Bürgern mehr geben, als er ihnen vorher abgenommen hat … Genau deshalb brauchen wir schon heute eine Strategie, um aus den Schulden auch wieder herauszuwachsen. ({0}) Es gibt politische Kräfte in diesem Haus, die in Umverteilung eine Lösung sehen. ({1}) Dieser Haushalt trägt jedoch einen Teil zu einer Alternativlösung bei, und die ist deutlich besser. Denn wir müssen diese Krise nutzen, um als Gesellschaft und als Wirtschaftsstandort gestärkt aus ihr hervorzugehen, und das bekommt man nicht mit Reichensteuer und Vermögensabgaben hin, ({2}) sondern mit Investitionen in Innovationen; nur so schafft man nachhaltig Wohlstand für morgen. ({3}) In den parlamentarischen Beratungen wurden die Ausgaben für Investitionen um 6 Milliarden Euro erhöht. Es ist wichtig, dass wir in Krisenzeiten nicht nur wirtschaftliche Strukturen erhalten, sondern auch ermöglichen, dass aus diesen Strukturen Fortschritt erwachsen kann. Deshalb unterstützt dieser Haushalt nicht nur das ökonomische Rückgrat dieser Republik, er setzt auch die Segel in Richtung Zukunft, in Richtung digitaler Zukunft. Meine Damen und Herren, es gibt drei Felder, auf denen das Rennen in der digitalen Welt entschieden wird: Das ist Hardware, das ist Software, und es sind vor allem auch Standards. Dieser Haushalt bringt das Land in allen drei Bereichen ein deutliches Stück nach vorne. Wir unterstützen die Entwicklung der Hardware durch unsere Industrie. Computerchips sind die Grundlage, vom Smartphone bis zur digital vernetzten Fabrik. Damit Europa in diesem Feld nicht zum Spielball der Supermächte USA und China avanciert, benötigen wir hier mehr Kompetenzen. Bereits vergangene Förderprojekte der Bundesregierung haben gezeigt, wie bedeutend Investitionen in Zukunftstechnologien sein können. Nicht Alphabet und Alibaba, sondern Trumpf und Zeiss haben nach jahrelanger Forschung die Technologie entwickelt, die morgen schon jeder von uns in der Tasche tragen wird, Hightech made in Germany – übrigens ausgezeichnet mit dem Deutschen Zukunftspreis 2020. ({4}) Es ist die Aufgabe der Politik, Rahmenbedingungen zu schaffen, damit solche Geschichten viel häufiger Schule machen. Dazu wird das Investitionsprogramm der Bundesregierung seinen Teil beitragen. Während Die Linke diesen Familienunternehmen lieber das Geld weggenommen hätte, geben wir noch welches zu den Fördergeldern dazu. Wären wir dem Ansatz von linker Seite in der Vergangenheit gefolgt, dann hätte vielleicht kurzfristig der eine oder andere etwas mehr in der Tasche gehabt – allerdings wären wir dann auch noch Jäger und Sammler statt Gründer und Ingenieure. ({5}) Gerade darum geht es beim nächsten Punkt: der Software; sie ist nichts anderes als in Code gegossene Idee der Zukunft. Dieser Haushalt öffnet die Tür zu einem 10-Milliarden-Euro-Zukunftsfonds zur Unterstützung von Start-ups und Gründern. Mit diesem Geld werden wir Mittel in doppelter Höhe von Investoren anwerben. Deutschland wird damit zur Ideenschmiede auch im digitalen Feld. Doch damit diese Ideen funktionieren, braucht es einheitliche Standards in der digitalen Welt; sie sind nichts anderes als die Spielregeln auf dem digitalen Spielplatz. Dabei wollen wir künftig sicherstellen, dass europäische Werte diese Regeln prägen und nicht Kapitalinteressen von Unternehmen oder Überwachungsfantasien von Staaten. Weitere Ideen wie Gaia-X oder Open RAN sind auch im Haushalt enthalten. Bewährtes erhalten, Neues schaffen – es ist dieser Zweiklang, mit dem dieser Haushalt den Wohlstand von morgen sichert. Vielen Dank. ({6})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank, Hansjörg Durz. – Die letzte Rednerin zum Einzelplan 09 ist die Kollegin Gabriele Hiller-Ohm, SPD-Fraktion. ({0})

Gabriele Hiller-Ohm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003556, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben ja schon deutlich gemacht, vor welch große, starke Herausforderungen uns die Pandemie stellt. Werfen wir einen Blick auf den Tourismus. Diese Branche, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist besonders schlimm von der Krise betroffen. Reiseeinschränkungen und der Lockdown im Gastgewerbe sind ein harter Schlag für die Betriebe und natürlich auch für die 3 Millionen Beschäftigten, die im Tourismus arbeiten. Kurzarbeit hat sich deshalb gerade auch in der personalintensiven Tourismusbranche bewährt. Entlassungen und Abwanderungen in andere Branchen konnten so verhindert werden. Dafür Danke, Hubertus Heil und Olaf Scholz! Das ist ein wirklich gutes, wirksames Instrument. ({0}) Wichtig, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist aber auch, dass wir eine soziale Absicherung für die über 7 Millionen Minijobberinnen und Minijobber finden. Corona hat gezeigt, wie schutzlos sie in einer Krise sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Tourismus ist ein wichtiger Wirtschafts- und Beschäftigungsmotor. Mit fast 4 Prozent trägt er zum Bruttoinlandsprodukt bei und ist so ein echtes, aber leider oft unterschätztes Schwergewicht. Deswegen ist es notwendig, diesen Bereich zu stützen und fit zu machen für die Zeit nach Corona. Ich freue mich deshalb, dass wir kommendes Jahr 10 Millionen Euro mehr für die Deutsche Zentrale für Tourismus haben. Damit werben wir im Ausland für Urlaub in Deutschland. Somit kann die DZT dazu beitragen, dass der Tourismus in Deutschland wieder auf die Beine kommt. Danke dafür! ({1}) Ganz zentral für Beschäftigte wie Unternehmen werden auch im nächsten Jahr die Überbrückungshilfen sein. Sie halten die Branche über Wasser, die unverschuldet in die Krise geraten ist. Sie sind ein ganz, ganz wichtiges Hilfsinstrument. Liebe Kolleginnen und Kollegen, spätestens in diesem Jahr ist uns allen deutlich geworden, wie wichtig der Tourismus für Wirtschaft und Beschäftigung, aber auch für jeden Einzelnen und jede Einzelne von uns in Deutschland und in der Welt ist. Mit dem Haushalt 2021 geben wir ihm eine gute, eine realistische Zukunftsperspektive. Danke schön. ({2})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache.

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD sieht sich in vielen Politikfeldern in die Rolle der Fundamentalopposition gedrängt. Tatsächlich sind wir aber eine Rationalopposition. ({0}) Das beinhaltet den Vorwurf, die Regierung sei weit von Rationalität, von Vernunft und von Berechenbarkeit abgewichen. ({1}) Ja, das ist so. So ist es im Umwelthaushalt, und so ist es auch bei den dramatischen Wendeentscheidungen der Kanzlerin Angela Merkel. Aber nicht nur die Wendeentscheidungen der Kanzlerin sind von großer Bedeutung und haben äußerst schwerwiegende Konsequenzen. Nein, es gibt kleine, symbolische Gesten. Sie sagen mehr als viele, geschwurbelte Worte. Eine solche Geste war etwa die Fahnenentsorgung durch Kanzlerin Merkel am Tag des Wahlsieges. Mehrere hochrangige Persönlichkeiten stehen auf der Bühne, ein nichtsahnender Generalsekretär will seine rührend reine Freude über den Wahlsieg mit dem Schwenken einer kleinen Deutschlandflagge zum Ausdruck bringen. ({2}) – Entsorgung einer Deutschlandflagge, Herr Kollege! – Mit zielgerichteter Schnelligkeit entreißt die Kanzlerin dem verdatterten Generalsekretär die kleine Fahne und entsorgt sie. In keinem anderen Land der Welt ist solch ein Vorgang vorstellbar, meine Damen und Herren, – ({3})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Herr Kollege, kommen Sie zum Thema. ({0})

Martin Hohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003152, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

– jedenfalls nicht ohne unverzüglichen Rücktritt der Täterin oder des Täters. Was besagt diese Symbolik? ({0}) Sie ist die Grundhaltung der Merkel’schen Politik. ({1}) Ich komme hier auf die Wenden der Kanzlerin zurück: Wehrpflicht, Atomausstieg, Euro-Krise, Flüchtlingskrise, Ehe für alle. Da mussten die Unionsmitglieder schon sehen, wie sie hinterherkamen – und nicht nur sie. ({2}) Welches Grundmuster lag diesen Wendeentscheidungen zugrunde? Sie kamen überraschend, unvorbereitet und zum Nachteil von Deutschland. Der Nachteil für Deutschland zeigt sich auch in diesem Einzelplan. ({3}) Dieser Haushalt ({4}) ist Ausdruck der Klimaideologie. ({5}) Damit Sie mich nicht bewusst falsch verstehen und unter die sogenannten Klimaleugner einordnen: ({6}) Selbstverständlich lässt sich eine moderate Erwärmung in den letzten Jahrzehnten beobachten. ({7}) Sie kann und soll nicht wegdiskutiert werden, ({8}) aber das Aktionsprogramm Klimaschutz der Bundesregierung kann daran, so auch der Bundesrechnungshof, nichts ändern. ({9}) Die horrenden Klimasummen gehören stattdessen in den Umweltschutz und in den Naturschutz, Frau Ministerin. Wir müssen unsere Umwelt hier vor Ort, in Deutschland, in unserer Heimat, auf diese Warmzeit gestaltend vorbereiten. Hierfür muss das Geld ausgegeben werden. ({10}) Mehr als die Hälfte der Programmausgaben fließt also in den Klimaschutz. Für den Klimaschutz inklusive Energie- und Klimafonds sind 1,6 Milliarden Euro vorgesehen. Weit abgeschlagen dahinter rangieren die Ausgaben für Umweltschutz mit 237 Millionen Euro und für Naturschutz in Höhe von 166 Millionen Euro. Umwelt- und Naturschutz machen also nur rund 10 Prozent der Ihnen, Frau Ministerin, zur Verfügung stehenden Mittel aus. Ich sage Ihnen, Frau Ministerin: Kümmern Sie sich um Deutschlands Wälder, Fluren und die Gewässer und nicht um heiße Luft, die angeblich zu viel CO2 enthält! ({11}) Zur gegenwärtigen Gesamtproblematik noch eine abschließende Bemerkung; ({12}) sie stammt aus dem Buch der Psalmen, genauer gesagt, aus Psalm 90. ({13}) Dort heißt es in der ausdrucksstarken Lutherübersetzung: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ Klug werden und klug handeln: Das wünsche ich uns allen. ({14}) Danke schön. ({15})

Dr. Hans Peter Friedrich (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003124

Herr Kollege Hohmann, bitte die Mund-Nase-Bedeckung aufsetzen! – Sehr gut. Das Wort hat die Bundesministerin. Frau Ministerin, bitte schön. ({0})

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, es ist allen klar, dass die aktuelle Krise uns alle herausfordert – alle Menschen weltweit und natürlich auch in Deutschland. Was wir jetzt mehr denn je brauchen, ist wirklich aktives Handeln einer Regierung – so wie die Bundesregierung es tut. Das tun wir im internationalen Konzert. Es passt ganz wunderbar, dass mit einem Präsidenten Joe Biden internationale Zusammenarbeit und engagierter Klimaschutz wieder in das Weiße Haus zurückkehren werden. ({0}) Damit kehrt auch die Chance zurück, dass sich bald wieder die ganze Welt dem Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet fühlt. Donald Trump hat den Kampf gegen den Klimawandel nicht aufhalten können. Keine seiner Reden, kein Tweet haben verhindern können, dass auch in den USA die erneuerbaren Energien die Kohle beim Energieverbrauch überholt haben. Auch die hier im Parlament, die immer noch meinen: „Den menschengemachten Klimawandel gibt es nicht“, werden uns nicht daran hindern, dass wir CO2 reduzieren, dass wir eine treibhausgasneutrale Gesellschaft erreichen und dass wir uns an den unvermeidlichen Klimawandel anpassen werden. ({1}) Meine Damen und Herren, weltweit verpflichten sich immer mehr Länder, klimaneutral zu werden – so wie wir das getan haben. Und auch die EU und die Bundesregierung treiben den Wandel aus dem fossilen Energiezeitalter in das erneuerbare voran. Wir nutzen unsere Konjunkturprogramme, um gestärkt aus der Krise zu kommen. Das war bei anderen Krisen auch schon mal anders. Deswegen, finde ich, ist es eine großartige Leistung, dass wir das Management raus aus der Krise mit den Klimaschutzverbänden gemeinsam gestalten. Mit dem Einzelplan 16 kann die Umweltpolitik jetzt so handeln, wie es von ihr erwartet wird. Dafür stehen 2021 als Ergebnis der Beratungen hier im Parlament rund 2,7 Milliarden Euro zur Verfügung. Dank Ihrer aller Unterstützung investieren wir noch stärker als bisher in den Kampf gegen den Meeresmüll, in das Bundesprogramm Biologische Vielfalt und in das Renaturierungsprogramm „Blaues Band Deutschland“. ({2}) Aber wir handeln auch da, wo es von der Umweltpolitik nicht unbedingt erwartet wird – auch das will ich hier nennen –: Wir unterstützen die weitere Entwicklung der Elektromobilität, zum Beispiel soziale Dienste beim Umstieg auf eine Elektroflotte mit dem schönen Programm „Sozial & Mobil“. Wir unterstützen die chemische Industrie, die große Mengen an erneuerbarem Strom, Wärme und Grünem Wasserstoff benötigt. Wir haben jetzt die eigene Plattform Chemistry4Climate gegründet. Wir unterstützen die Zement- und Kalkindustrie dabei, die Kreislaufführung von CO2 umzusetzen. Wir unterstützen die Stahlindustrie bei der Umstellung auf Grünen Wasserstoff. Ich durfte gerade erst letzte Woche einen ersten Förderbescheid an ein Stahlwerk in Salzgitter übergeben, das künftig den ersten CO2-freien Stahl produzieren wird. Hier sieht man ganz konkret, wie die Dekarbonisierung der Industrie vorankommt mit dem Förderprogramm, das das Parlament auf den Weg gebracht hat. Wir werden bis 2024 für dieses Thema rund 2 Milliarden Euro ausgeben können, die im Energie- und Klimafonds zur Verfügung stehen. Man sieht an diesem Stahlwerk in Salzgitter, dass es da zu einer wirklichen Zeitenwende kommt, dass wir zukunftsträchtige Technologien fördern, dass wir zeigen, welch innovatives Potenzial wir in der Industrie in der Bundesrepublik haben und wie die Schaffung von hochqualifizierten Arbeitsplätzen vorangeht. Wir reden eben nicht nur von Transformation, wir unterstützen ganz konkret die Unternehmen und die Industrie dabei, ihre Produktionsprozesse klimaneutral zu machen. ({3})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Frau Ministerin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hoffmann, FDP-Fraktion?

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Gerne.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank.

Dr. Christoph Hoffmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, herzlichen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade über Förderung von Elektromobilität gesprochen. In Baden-Württemberg haben wir eine – das betrifft die Monate September, Oktober, November, Dezember – E-Mobilitätsförderung. Sie können für ein Auto einen Leasingvertrag über drei Jahre abschließen und bekommen im Endeffekt noch Geld zurück. Das Auto ist sozusagen drei Jahre für Sie kostenlos, und Sie bekommen noch 800 Euro zurück. Halten Sie das für richtig?

Not found (Minister:in)

Verehrter Abgeordneter! Erst mal herzlichen Dank für die Frage. – Ich habe hier gerade von meinem Programm „Sozial & Mobil“ gesprochen. Dieses Programm ist absolut notwendig und wichtig. Gerade die Pflegedienste, die sozialen Dienste haben ja oft kurze Wege in den Gemeinden, in den Städten zurückzulegen. Sie darin zu unterstützen, dass sie sich Elektrofahrzeuge anschaffen können, ist sehr sinnvoll. Es ist im Pflegesatz nämlich normalerweise nicht vorgesehen, dass solche Autos angeschafft werden, dass Ladesäulen aufgebaut werden. Wir werden die Elektromobilität aber nur nach vorne bringen, wenn wir sie am Anfang wirklich fördern und unterstützen. Man sieht doch, dass wir in 2020 eine Zeitenwende eingeläutet haben: Die Elektromobilität kommt nach vorne, es werden mehr E-Autos angemeldet. Das ist genau der richtige Weg. ({0}) Das gibt mir die Gelegenheit, zu sagen, dass wir hier nicht nur reden, sondern dass meinem Reden ganz eindeutig auch entsprechende Taten folgen. Das sieht man übrigens am CO2-Preis. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich am Anfang belächelt wurde, als ich gesagt habe, dass wir einen CO2-Preis einführen werden. Jetzt haben wir ihn eingeführt. Dadurch werden die Kosten für das Tanken, für das Heizen im nächsten Jahr steigen. Deswegen fördern wir auch die klimafreundlichen Alternativen wie das Elektroauto durch die Umweltprämie. Wir fördern moderne Heizsysteme durch ein Austauschprogramm. Wir unterstützen ganz konkret die Kommunen bei der Umstellung ihrer Busflotte. Wir schaffen Entlastung. Wir senken die EEG-Umlage. ({1}) Wir entlasten Pendlerinnen und Pendler. Wir schaffen einen Ausgleich für die Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Die Mieterinnen und Mieter erwarten zudem, dass es eine faire Regelung gibt, um die CO2-Kosten zwischen Mietern und Vermietern gerecht aufzuteilen. Mieterinnen und Mieter können nicht über ihre Heizsysteme entscheiden. Deswegen muss es da zwischen Mietern und Vermietern eine Aufteilung der Kosten geben. Ich habe dazu zusammen mit dem Bundesfinanzminister und der Justizministerin einen Vorschlag gemacht. Ich hoffe sehr, dass sich da nun endlich auch der Koalitionspartner konstruktiv einbringt. ({2}) Meine Damen und Herren, wenn wir über politische Ziele reden, die wie in der Klimapolitik im Jahre 2030 oder 2050 liegen, dann ist es ganz wichtig, dass sich alle Beteiligten darauf verlassen können, dass sie verlässlich planen können. Das haben wir mit dem Atomausstieg und dem Kohleausstieg geschafft. ({3}) Das schaffen wir jetzt mit den Mitteln für die Strukturstärkung in den Kohleregionen. Das erreichen wir mit dem Klimapaket, mit dem Klimaschutzgesetz. Das schaffen wir, weil wir Wirtschaft und Gesellschaft im Transformationsprozess unterstützen und weil wir die klimafreundlichen Alternativen stärken. Das Klimapaket schafft hier eindeutig Klarheit, welche Investitionen sich künftig rechnen. Das wird übrigens in der Wirtschaft genau verstanden. ({4}) Wenn zum Beispiel Allianz Global Investors von seinen Unternehmensbeteiligungen verlangt, sich nachhaltig aufzustellen, oder wenn große Autohersteller zunehmend auf Elektromobilität setzen, dann sind das genau die Weichenstellungen, ({5}) die wir hier gemeinsam auslösen wollen. ({6}) Noch kraftvoller geht das natürlich, wenn wir das in Deutschland nicht alleine machen, sondern mit unseren europäischen Nachbarinnen und Nachbarn. Deswegen ist es so wichtig, dass der Europäische Rat übermorgen eine mutige Entscheidung zum Klimaziel für 2030 trifft. ({7}) Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, der Einzelplan 16 macht Hoffnung. Er schafft Verlässlichkeit und ist die Grundlage für gute Umweltpolitik. Ich möchte mich noch mal ausdrücklich bei den Obleuten bedanken, bei den Berichterstatterinnen und Berichterstattern, die alle diesen guten Haushalt überhaupt erst möglich gemacht haben. Ganz, ganz herzlichen Dank. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Ministerin Schulze. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulla Ihnen, FDP-Fraktion. ({0})

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst auch von mir ein Dank an alle Mitberichterstatter und auch an Ihr Haus, Frau Ministerin, für die Zusammenarbeit. Für das Bundesumweltministerium stehen in 2021 insgesamt rund 2,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Daneben gibt es aber den Energie- und Klimafonds, den EKF, als zentrales Instrument zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen. Dieser ist mittlerweile fast so groß wie der Verteidigungshaushalt. Die Nationale Wasserstoffstrategie ist ein Beispiel für ein Projekt im EKF. Zur ersten Lesung im September waren die dafür vorgesehenen 1,7 Milliarden Euro noch gesperrt, weil die vier beteiligten Bundesministerien, darunter auch das BMU, sich über eine Verteilung der Gelder nicht einigen konnten. Jetzt gibt es eine Einigung: 400 Millionen Euro werden für nächstes Jahr verplant; 1,3 Milliarden Euro gehen gleich wieder in die Rücklage des EKF. Bei solch einer Zukunftstechnologie, Frau Ministerin, muss es doch zügiger vorangehen. Aber es ist wie mit vielen der Coronahilfen: Viel Geld wird ins Schaufenster gestellt, aber nur wenig fließt ab! – Das halten wir nicht für verlässlich, Frau Ministerin. ({0}) Den Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD bin ich dankbar, dass sie einige wichtige Vorschläge im Ausschuss vorgelegt haben: Eine Ökobilanz von Getränkeverpackungen muss endlich her. Das Parlament hatte dies bereits im vergangenen Jahr so beschlossen; diesen Beschluss haben Sie nicht umgesetzt. Der Ausschuss hat diese Forderung auch mit unserer Stimme noch mal bekräftigt. Ebenso müssen Sie endlich mehr Transparenz bei den Kosten Ihrer Projektträger schaffen. Das ist bislang weitgehend undurchsichtig, und da muss aufgeräumt werden. ({1}) Gut finden wir an dem Haushalt auch, dass die Digitalisierung vorangetrieben werden soll. Gern hätten wir Freie Demokraten noch mehr Akzente im Haushalt gesetzt: mit solider Haushaltsführung und Einsparung bei oder durch Streichung wirklich schlecht laufender Förderprogramme, die es nämlich gibt, mit mehr Mitteln für den Bereich der Anpassung an den Klimawandel oder mit der Initiierung von zukunftsweisenden Forschungsprojekten, zum Beispiel den sogenannten Lärmblitzern im Straßenverkehr. Damit konnten wir uns leider nicht durchsetzen. Weil ich eine große Anhängerin der Klimaanpassung bin, freue ich mich aber, dass durch die Kollegen von der Koalition erstmalig Mittel unter anderem für Investitionen in die klimawandelgerechte Wasserversorgung eingestellt wurden; davon wird auch eine kleine Talsperre in meinem Heimatland Niedersachsen profitieren dürfen. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor etwa vier Wochen hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, die Atomgesetz-Novelle von 2018 sei formal nie in Kraft getreten. Das war ein Fehler Ihres Hauses, Frau Ministerin. Das bedeutet, es dürfte sehr teuer werden für den Steuerzahler. ({3}) Dafür ist bislang keine Vorsorge in der Finanzplanung getroffen. Wir sind gespannt, aber auch besorgt, an welcher Stelle im Haushalt dafür gestrichen werden muss. Weitere schwer zu kalkulierende Kostenrisiken gibt es im Etat des Umweltministeriums zusätzlich. Immerhin sind hier die gesamten Kosten für die End- und Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle veranschlagt. Der Endlagersuchprozess hat gerade erst begonnen. Ob am Ende die Mittel des Entsorgungsfonds KENFO reichen werden, werden wir erst in Jahrzehnten wissen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir Freie Demokraten kritisieren ein Weiter-so. „Immer mehr“ wurde hier zur Maxime der Haushaltspolitik. Subventionen wurden kaum angetastet, Einsparvorschläge kaum umgesetzt. Uns Freien Demokraten fehlt die Vision für die Zukunft, der Mut zur Technologieoffenheit in Ihrem Haus, Frau Ministerin. Wie sagte Magellan, der große Seefahrer: „Wer an der Küste bleibt, kann keine neuen Ozeane entdecken“? ({4}) Als Freie Demokraten werden wir dieser Ausgaben- und Verschuldungspolitik zulasten kommender Generationen nicht zustimmen und diesen Haushalt ablehnen. Vielen Dank. ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Ihnen. – Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Ingo Gädechens, Schleswig-Holstein, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Ingo Gädechens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004036, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Es ist immer schön, einen Schleswig-Holsteiner im Nacken sitzen zu haben, wenn man hier am Rednerpult steht. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bemerkenswerte Haushaltsberatungen liegen hinter uns, nicht nur weil dies die letzten Haushaltsberatungen in dieser Legislaturperiode sind, sondern auch weil die Coronapandemie wirklich alles überschattet hat. Das gilt nicht nur für den täglichen Umgang hier im Plenarsaal. Es ist auch ungewöhnlich, in großen Sitzungssälen Berichterstattergespräche zu führen. Das ist alles andere als normal. Wir haben aber die Auswirkungen der Pandemie in ganz krasser Weise auf den Gesamthaushalt gesehen, mit Auswirkungen natürlich auch auf diesen Einzelplan. Konnten wir in den vergangenen Jahren viel über die schwarze Null diskutieren und ausgeglichene Haushalte vorlegen, sind wir jetzt innerhalb kürzester Zeit bei einer Rekordverschuldung angekommen. Es geht nicht anders; wir haben das schon heute Morgen in der Debatte gehört. Darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, galt es in diesen Beratungen noch viel stärker als bisher, jeden einzelnen Euro umzudrehen und zu prüfen, ob er wirklich an der richtigen Stelle ausgegeben wird. Wie Sie den Beschlussempfehlungen des Haushaltsausschusses entnehmen können, haben wir dies sehr intensiv beraten. An vielen größeren und kleineren Schrauben haben wir gedreht, um dem Umweltetat, wie wir Norddeutsche so schön sagen, den letzten Schliff zu geben. Das ist uns gelungen. Natürlich kann ich hier nicht jede Einzelheit erneut ansprechen. Persönlich möchte ich aber auf drei Entwicklungen eingehen, die mir in den Beratungen sehr am Herzen lagen. Erstens: Naturschutz stärken. Bei einem Blick auf den Umweltetat und ergänzend auch auf den sogenannten Energie- und Klimafonds ist mir zunehmend aufgefallen, dass in den vergangenen Jahren der Klimaschutz – sicherlich zu Recht – große Aufmerksamkeit und damit auch finanzielle Mittel in großem Umfang erhalten hat. Demgegenüber habe ich zunehmend den Eindruck, dass die bedeutsame Aufgabe des Naturschutzes nicht gleichrangig behandelt wurde. ({0}) Wie Sie den Änderungsanträgen entnehmen können, haben wir Haushälter deshalb insbesondere beim Naturschutz deutlich nachgebessert und eine CDU/CSU-Schippe draufgelegt. Am auffälligsten ist hier das Bundesprogramm Biologische Vielfalt. In Zeiten einer zunehmenden Krise der Biodiversität konnte ich nicht nachvollziehen, weshalb der Ansatz für dieses wichtige Programm im Regierungsentwurf geringer ausfallen sollte. Daher ist es uns richtigerweise gelungen, dass wir hier 7,2 Millionen Euro zusätzliche Mittel eingeplant haben, um das Programm langfristig auf einem Niveau von 45 Millionen Euro zu verstetigen. Mit dieser Entscheidung machen wir deutlich, dass wir unsere Anstrengungen gegen den Biodiversitätsverlust noch verstärken müssen und verstärken werden. ({1}) Daneben haben wir aber auch bei anderen Programmen im Bereich des Naturschutzes Verbesserungen erzielen können. So haben wir – wie schon in den vergangenen Jahren – die finanzielle Ausstattung des Programms „Blaues Band Deutschland“ deutlich erhöht. Hier geht es um die Renaturierung von Auen und damit um die Wiederherstellung wertvoller ökologischer Lebensräume. Auch für die sogenannten Erprobungs- und Entwicklungsvorhaben auf dem Gebiet des Naturschutzes haben wir zusätzliches Geld bereitgestellt. Auch das unterstreicht: Der Naturschutz hat für uns eine hohe Priorität, die wir eben auch in ganz konkrete Haushaltszahlen gegossen haben. ({2}) Zweitens. Aufklärung über das neue Mobilfunknetz 5 G – ein für mich wichtiges Thema in den Betrachtungen und in den Diskussionen manchmal gar nicht so sehr beleuchtet. Jedenfalls ist uns in den vergangenen Wochen deutlich vor Augen geführt worden, wie viel Unheil wenige Menschen anrichten können, wenn sie gezielt falsche Informationen verbreiten. Wir alle können ein Lied davon singen, wie mühselig es ist, einmal in Umlauf gebrachte Fake News wieder einzufangen. Eine Gefahr in diesem Zusammenhang sehe ich auch beim Ausbau des neuen Mobilfunknetzes 5 G. Diese neue Technologie wird uns in vielen Bereichen einen wichtigen Vorsprung verschaffen. ({3}) Aber wir wissen auch, dass sich diesbezüglich zunehmend Ängste und Sorgen verbreiten. Aus diesem Grund begrüße ich sehr, dass das Bundesamt für Strahlenschutz ein eigenes 5-G-Zentrum eingerichtet hat. Das im vollen Wortlaut genannte „Kompetenzzentrum Elektromagnetische Felder“ hat dabei die Aufgabe, möglichst frühzeitig auf einer wissenschaftlichen Grundlage über die Auswirkungen von Technologien wie 5 G auf den Menschen aufzuklären. Gleich am Anfang anzusetzen und sofort mit wissenschaftlichen Fakten an eine Sache heranzugehen, noch bevor Verschwörungstheorien und Falschinformationen um sich greifen können, ist für mich ein wichtiger und richtiger Ansatz. Daher habe ich mich sehr dafür eingesetzt, diese Arbeit personell und finanziell zu stärken, und das ist auch gelungen. ({4}) Drittens. Letzter Schwerpunkt in meiner Rede soll die Ökobilanz von Getränkeverpackungen sein. ({5}) Dieser Punkt ist ein Anliegen, das schon in den letzten Haushaltsberatungen eine Rolle gespielt hat. Damals hat der Haushaltsausschuss die Erwartungen geäußert, dass das Umweltministerium bereits in diesem Jahr eine Ökobilanz von Getränkeverpackungen in Auftrag geben sollte. Das Ziel meiner Fraktion war damit, ideologische Verhärtungen zu überwinden. Wir wollen herausfinden, an welchen ökologischen Schrauben wir drehen müssen, um Getränkeverpackungen noch umweltschonender zu gestalten. Weil wir mit den bisherigen Ergebnissen, Frau Ministerin, nicht ganz zufrieden waren, ({6}) haben wir im Haushaltsausschuss unsere Erwartungen noch einmal etwas präziser aufgeschrieben und Ihnen, Frau Ministerin, mit auf den Weg gegeben. Ich hoffe, dass damit die Wichtigkeit dieses Vorhabens deutlich geworden ist, und erwarte, dass wir hier jetzt endlich schneller vorankommen. Meine Damen und Herren, eingangs habe ich schon darauf hingewiesen, dass dies die letzten regulären Haushaltsberatungen in der laufenden Wahlperiode sind. Für mich persönlich war es der vierte Haushalt, den ich als Berichterstatter für den Bereich „Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit“ begleiten durfte. Wir alle wissen, dass sich das Karussell nach der kommenden Bundestagswahl weiterdrehen wird. Niemand weiß heute, ob und wer für welches Thema beim nächsten Bundeshaushalt zuständig sein wird. Daher möchte ich diese Gelegenheit nutzen, um mich sehr herzlich für die konstruktive Zusammenarbeit der letzten Jahre zu bedanken. Dieser Dank gilt insbesondere allen Berichterstatterinnen und Berichterstattern aller Fraktionen im Haushaltsausschuss – auch wenn der Kollege Hohmann heute eine Menge Unsinn erzählt hat –, aber natürlich auch Ihnen, Frau Ministerin, und vor allen Dingen Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die immer wieder gefordert waren, die parlamentarischen Beschlüsse – mal mehr, mal weniger – mühsam umzusetzen. ({7}) Danken möchte ich aber natürlich auch dem Bundesrechnungshof, der immer wieder wertvolle Fragen aufwirft und uns ebenfalls wertvolle Hinweise gibt, und nicht zuletzt der Arbeitsgruppe Umwelt meiner Fraktion, mit der ich mich in den vergangenen Jahren in einem sehr positiven Sinn intensiv und konstruktiv austauschen konnte. Keine Bereinigungssitzung ohne Überraschungen. Frau Ministerin Schulze war sicherlich auch überrascht, dass auf einmal 5 Millionen Euro auftauchten, um unsere Tierheime im Jahr 2021 zu unterstützen. Warum das jetzt im Bundesumweltministerium gelandet ist, weiß ich nicht so ganz genau; aber es ist dort sicherlich gut gelandet. Es passt gerade so schön, dass auch die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Hagedorn hier sitzt, die das ja pressewirksam begrüßt hat. Sie haben alles begrüßt, was für Schleswig-Holstein relevant war. Wenn Sie in Ihren Pressemitteilungen demnächst enden: „Ich danke meinem CDU-Kollegen Ingo Gädechens, der als einziges ordentliches Mitglied im Haushaltsausschuss dafür gesorgt hat“, dann sind Ihre Pressemitteilungen vollständig. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Gädechens, für die Danksagung.

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, diese Koalition verabschiedet sich aus dieser Legislatur bei Klima-, Umwelt- und Naturschutz erneut mit einem Haushalt, der als Weiter-so-Haushalt bezeichnet werden muss, auch wenn in der Bereinigungssitzung, wie Ingo Gädechens das eben hier sehr fleißig vorgetragen hat, doch so einiges noch zum Positiven gewendet werden konnte. Inzwischen fordert aber die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland, dass sich schnell vieles ändern muss. Meine seit Jahren an dieser Stelle formulierten Appelle, dazu endlich Wirtschafts-, Umwelt- und Landwirtschaftspolitik nicht nur zusammenzudenken, sondern auch haushalterisch zusammenzuführen, werden auch in diesem Jahr ein frommer Wunsch bleiben. Wir sagen: Die Klimakrise voll anzuerkennen, bedeutet, alles, was technisch möglich, volkswirtschaftlich verkraftbar, strukturpolitisch sinnvoll und auf soziale Weise machbar erscheint, sofort zu tun. ({0}) Stattdessen bleibt der Umweltetat weiterhin das Stiefkind der Koalition mit 0,65 Prozent des Gesamtetats. Die Vorlage für das Jahr 2021 ist aus unserer Sicht ebenfalls nur wenig ambitioniert. Die Bundesrepublik Deutschland verspielt leider ihre selbsterklärte Vorreiterrolle beim Klima- wie auch beim Umweltschutz. Vor allem haben wir während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hier leider nicht wirklich was vorgelegt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, aus Sicht der Linken möchten wir auf zwei wesentliche Punkte hinweisen: Zum einen. Seit Jahren erklären Sie uns, verehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank, dass Sie für die Umwelt nicht nur Geld aus dem Umweltressort selbst, sondern auch aus anderen Töpfen ausgeben wollen, so zum Beispiel aus dem Energie- und Klimafonds im Einzelplan 60, der Allgemeinen Finanzverwaltung. Der wird von Jahr zu Jahr immer größer – zurzeit sagenhafte 42,6 Milliarden Euro stark –, fristet ein Dasein als gigantisches Bürokratiemonster und verkommt zu einer undurchsichtigen Aufsparungsinstanz – aber wofür eigentlich? ({1}) Die Linke ist seit Langem der Überzeugung, dass der EKF aufgelöst werden muss, um den Hauptanteil der Mittel dem Umweltministerium für wichtige Zukunftsprojekte bereitzustellen, zum Beispiel für das Klimaschutzprogramm bis 2030 und vor allem für den Klimaschutzplan bis 2050, den wir uns vorgenommen haben. ({2}) Dazu müssten allerdings Sie, Frau Ministerin, in Ihrem letzten Jahr aus Ihrem Sachwalterstatus aussteigen und stärker zur aktiven Gestalterin werden. ({3}) Zum anderen. 2020 endet als ein Jahr der Ratlosigkeit in Sachen gesamtstaatlicher Verantwortung in der Umweltpolitik. Der Föderalismus, so historisch gerechtfertigt wie politisch begründbar er bei anderen Themen auch zu sein scheint: Beim Krisenmanagement bewährt er sich leider nur bedingt. Es kann doch nicht sein, dass Umweltprojekte, die in allen Ländern greifen müssen, in den Ausführungsbestimmungen zu 16 unterschiedlichen Varianten führen oder eben auch zu keiner, wenn die Länder politisch andere Prioritäten setzen. Es bedarf ganzheitlicher Programme, die für alle Bundesländer gleich gelten. Die Umweltpolitik muss zu einer gesamtstaatlichen, also zu einer Bundesaufgabe werden. Nur so können Nachhaltigkeit gesichert und eine wirkungsvolle Umweltstrategie aufgestellt werden, die dann auch wirklich Wirkung zeigt. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den Details des Einzelplanes 16 sind meiner Meinung nach zumindest noch zwei Aspekte zu erörtern: Erstens werden – was wir Linke begrüßen – deutlich mehr finanzielle Mittel für den Kampf gegen die Vermüllung der Meere zur Verfügung gestellt. Immerhin wurden in der Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss zur Verstetigung der 15 Millionen Euro auch hier noch einmal 10 Millionen Euro zusätzlich bewilligt. Das sind Ansätze für eine tragfähige Umweltpolitik, aber eben nur Ansätze. Zweitens aber scheint sich das Kompetenzgerangel und ‑geschiebe zwischen den Ministerien fortzusetzen, und zwar auf Kosten von Umwelt- und Naturschutz. Wie wollen wir den Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass der Insektenschutz, der ein brennendes Thema für das gesamte Ökosystem und auch für die Bürgerinnen und Bürger wichtig ist, im Umweltetat keine eigene Haushaltsstelle mehr hat? Versteckt im Bundesprogramm Biologische Vielfalt und bei Weitem nicht ausfinanziert: Beim Insektenschutz – wie auf anderen Baustellen schon lange – ist es angezeigt, ressortübergreifend zu handeln und eine wirksame Rettungsbasis für bedrohte Populationen zu entwickeln. ({5}) Weil der Mittelansatz aber gleich bleibt, auch im Bundesprogramm Biologische Vielfalt, ist der Titel wohl versteckt worden. Einen interdisziplinären Ansatz gibt es, aber auch deshalb, weil Teile des Insektenschutzes beim BMEL angesiedelt sind. Ob der gelingt, bleibt abzuwarten. Es bleibt auch abzuwarten, was die Landwirtschaft daraus macht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Umwelt- und Klimaschutz sind wichtige Aufgaben, die anzugehen unsere Bürgerinnen und Bürger von uns erwarten. Ich möchte noch ein paar Sekunden verwenden, um mich als Hauptberichterstatterin für diesen Einzelplan sehr, sehr herzlich bei allen Kolleginnen und Kollegen, beim Ministerium und bei der Ministerin für die sehr fairen und konstruktiven Gespräche, die wir geführt haben, zu bedanken, und würde mir wünschen, dass der Stellenwert der Umweltpolitik in den nächsten Jahren deutlich erhöht wird. ({6}) Jedenfalls wird meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger für diesen Etat das vehement einfordern. Das kann ich Ihnen heute schon versprechen. Danke schön. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Bluhm-Förster. – Nächster Redner ist der Kollege Sven-Christian Kindler, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Samstag, dem 12. Dezember, wird das Pariser Klimaabkommen fünf Jahre alt. Es ist der breit angelegte internationale Konsens, damit unsere Kinder und unsere Enkel auch in 50 Jahren noch eine Zukunft auf diesem Planeten haben. Das ist das zentrale Prinzip von Generationengerechtigkeit. Wir brauchen endlich auch eine Bundesregierung, die dieses Abkommen ernst nimmt und danach handelt. ({0}) Denn die Klimakrise findet ja nicht nur weit entfernt statt, sondern sie findet auch hier konkret in Deutschland statt. Wir haben dieses Jahr, 2020, den dritten Dürresommer erlebt. ({1}) Das hat fatale Folgen für die Äcker in Deutschland. Es gibt ein brutales Waldsterben in Deutschland. Das ist erst der sanfte Anfang der Klimakrise. Wenn wir jetzt nicht handeln und die Klimakrise weiter eskaliert, wird der größte Teil der Erde in ein paar Jahrzehnten wahrscheinlich unbewohnbar sein für Milliarden von Menschen. Das Leben von Milliarden von Menschen ist in Gefahr. Wir können jetzt noch handeln; wir haben jetzt noch die Zeit, zu handeln. Aber das Zeitfenster schließt sich. Wir müssen die nächsten zehn Jahre nutzen, um diese Katastrophe abzuwenden und Klimaschutz in Deutschland und in Europa endlich konsequent umzusetzen. Und wir brauchen eine Bundesregierung, die dafür auch einsteht. ({2}) Wenn man sich zum Beispiel diesen Bundeshaushalt anguckt, sieht man, dass jedes Jahr über 50 Milliarden Euro an umwelt- und klimaschädlichen Subventionen verbrannt werden – das sagt Ihr eigenes Umweltbundesamt, Frau Ministerin Schulze –, zum Beispiel für den schmutzigen Diesel, ({3}) für Lkw, für die Flugindustrie, für die Plastikproduktion. Die Bundesregierung hat keinen konkreten Plan und keinen konkreten Willen, dies wirklich abzubauen. Dieses Geld fehlt uns nachher für den öffentlichen Nahverkehr, für saubere Busse. Dieses Geld fehlt für die Bahn. Dieses Geld fehlt für Gebäudesanierung. Ich habe Sie, Frau Ministerin, in den Haushaltsberatungen gefragt, was Sie konkret machen wollen, damit dies geändert wird, damit man endlich klimaschädliche Subventionen abbaut. Darauf hatten Sie keine konkrete Antwort, was ja leider nicht verwunderlich ist; denn die Bundesregierung will da konkret nichts machen. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis mit Blick sowohl auf den Haushalt als auch auf den Klimaschutz. ({4}) Nicht nur beim Klimaschutz, auch beim Umwelt- und Naturschutz sieht es düster aus, vor allem wenn wir uns in diesem Haushalt die Perspektive für die nächsten Jahre angucken. Wenn man zum Beispiel auf die Finanzplanung bis 2024 blickt, dann sieht man, dass im Bereich der klassischen Umweltpolitik und des Naturschutzes die Ausgaben runtergehen werden. Beim Naturschutz sollen die Ausgaben bis 2024 um 8 Prozent sinken, bei der klassischen Umweltpolitik sogar um 20 Prozent. Ich finde, das ist angesichts des großen Artensterbens, der Plastikvermüllung und weiterer großer Umweltkrisen ein Offenbarungseid, den die Bundesregierung mit dieser Finanzplanung hier vorgelegt hat. ({5}) Dabei kann man Naturschutz und Klimaschutz ja auch ganz konkret zusammendenken. Wir wissen, technische Lösungen sind extrem wichtig beim Klimaschutz; aber wir dürfen uns nicht alleine nur darauf fokussieren. Wir brauchen auch natürliche Lösungen, sogenannte Nature-based Solutions, um wirksamen Klimaschutz betreiben und unsere Natur schützen zu können. Wälder, Moore, Ökosysteme – sie speichern extrem viel an CO2-Emissionen, die wir Menschen produzieren. Die Hälfte aller CO2-Emissionen wird weltweit durch Ökosysteme absorbiert. Deswegen sagen wir klar: Wir wollen, dass beim Energie- und Klimafonds zukünftig 10 Prozent aller Ausgaben für solche naturverträglichen, naturnahen Lösungen beim Klimaschutz reserviert werden. ({6}) Frau Schulze, Sie sind jetzt seit gut zweieinhalb Jahren Umweltministerin. In den vergangenen Jahren haben wir viele große Ankündigungen von Ihnen gehört, aus denen leider selten etwas geworden ist. Nun haben Sie darauf verwiesen, dass Klimaschutz natürlich eine Querschnittsaufgabe im Kabinett ist. Es ist ja so weit auch verständlich, dass Sie nicht für alle Häuser nachher die Politik bestimmen können. Aber wir erwarten schon, dass Sie kämpfen und sich einbringen, wenn es um konkrete Klimaschutzfragen geht. ({7}) Dann frage ich mich eben schon: Wo war Ihre Stimme, wo war Ihr Gewicht in dieser Bundesregierung, als konkret über Milliardenhilfen für fossile Großkonzerne verhandelt wurde, als es zum Beispiel um die Lufthansa oder um TUI ging? Wo war da Ihre umweltpolitische Stimme? ({8}) Bei der Air France hat man konkrete umweltpolitische und klimapolitische Vorgaben gemacht. Das hat man bei der Lufthansa nicht getan. Das war ein konkretes Versagen der Bundesregierung. ({9}) Sie haben Europa angesprochen. Wo waren Sie eigentlich, als Frau Klöckner in Brüssel den Mehrjährigen Finanzrahmen für die europäischen Agrargelder verhandelt hat, wo es sogar einen Rückschritt gibt in Bezug auf die Umwelt- und Klimapolitik, wo vor allen Dingen Großgrundbesitzer bevorteilt werden ohne ökologische Bindung? Auch da haben Sie versagt, auch da ist die Bundesregierung nachher völlig hinter dem zurückgeblieben, was wir angesichts von Artensterben und Klimakrise brauchen. ({10}) Ich glaube Ihnen ja, dass Sie persönlich Klima- und Umweltschutz ernst nehmen und er Ihnen am Herzen liegt, Frau Schulze. Aber das Problem ist, dass Sie sich in der Bundesregierung am Ende gegen Herrn Scheuer, Herrn Altmaier und Frau Klöckner häufig nicht durchsetzen können. ({11}) Das liegt nicht nur an Ihnen, das liegt natürlich an der mangelnden Unterstützung der SPD insgesamt. Wenn Ihr eigener Vizekanzler Olaf Scholz Sie im Regen stehen lässt bei vielen Fragen, insbesondere beim Abbau der umweltschädlichen Subventionen, ist er kein Partner für Sie, und dann sieht man, wie gering der Stellenwert der Umwelt- und Klimapolitik in dieser Bundesregierung, aber auch beim SPD-Teil der Bundesregierung ist. Wir sagen konkret: Das muss sich ändern. Deutschland war mal Vorreiter beim Klimaschutz. Mittlerweile sind wir unterhalb des europäischen Durchschnitts.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Schluss.

Sven Christian Kindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004070, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wir brauchen endlich eine Bundesregierung, die den Klimaschutz zur Toppriorität macht. Vielen Dank. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Kindler.

Michael Thews (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004424, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach Artikel 110 des Grundgesetzes hat der Deutsche Bundestag das Budgetrecht. Kein Haushaltsplan kann in Kraft treten, ohne dass das Parlament dem zustimmt. Und auch in diesem besonderen Jahr haben wir unser Recht wahrgenommen, den Haushaltsplan der Bundesregierung im parlamentarischen Verfahren heute zu diskutieren und noch abzuändern. Das Struck’sche Gesetz gilt also auch hier: Alles kommt anders aus dem Parlament raus, als es reingegangen ist. Auch in diesen schwierigen Zeiten, die wir momentan haben, können Biodiversität, Klimaschutz, Gewässerschutz und die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft nicht warten. Wir brauchen hier Investitionen; denn wir haben nur diese eine Welt und müssen sie schützen. ({0}) Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es gibt im Haushaltsplan des Bundesumweltministeriums einige Titel, bei denen wir eine Aufstockung erreichen können. Das findet ja immer in den Verhandlungen der Haushälter statt. Deswegen möchte ich hier, an dieser Stelle, unserem Parteikollegen Metin Hakverdi und dem Berichterstatter der Union, Ingo Gädechens, noch mal außerordentlich danken; denn am Ende muss dort eine Entscheidung, eine Einigung erreicht werden. Auf zwei Titel, bei denen wir das erreicht haben, möchte ich noch mal besonders eingehen, weil sie mir am Herzen liegen. Zum einen konnten wir erreichen, dass das Bundesprogramm „Blaues Band“ mehr Mittel bekommt. Das Programm wird für das Jahr 2021 mit 3 Millionen Euro mehr und damit mit insgesamt 10 Millionen Euro gefördert. Bis 2025 wird es mit insgesamt 13,9 Millionen Euro und damit mit 9,8 Millionen Euro mehr gefördert. ({1}) Das Bundesprogramm „Blaues Band Deutschland“ wurde am 1. Februar 2017 im Kabinett beschlossen. Es ist gerade mal vier Jahre alt. Dabei geht es um die Renaturierung von Fließgewässern und Auen. Deutschland verfügt über ein über Jahrhunderte aufgebautes Netz von Wasserstraßen und Flussläufen, die zur wirtschaftlichen Nutzung ausgebaut und begradigt wurden. Aber die Anforderungen an die Wasserstraßen in Deutschland haben sich in den letzten Jahren geändert. Heute werden Güter über ein sogenanntes Kernnetz, die größeren Flüsse, transportiert, und es gibt ein Nebennetz von Wasserstraßen mit einer Länge von 2 800 Kilometern, die jetzt nicht mehr für den Güterverkehr genutzt werden. Auch an den Hauptwasserstraßen gibt es Abschnitte, die ebenfalls nicht mehr so eingesetzt werden. Damit entsteht die Möglichkeit – und aus meiner Sicht auch die Notwendigkeit –, diese Fließgewässer und Auen zu renaturieren. Denn wir brauchen die Auen und Ufer, um die negativen Folgen des weltweiten wirtschaftlichen Wachstums bewältigen zu können. Die Folge des Wachstums ist der Klimawandel. Moore und nasse Flussniederungen können Treibhausgase zurückhalten. Sie tragen somit aktiv zum Klimaschutz bei. ({2}) Flussauen bieten einen natürlichen Hochwasserschutz und helfen so, die Folgen von Starkregenereignissen abzumildern. Der Klimawandel stellt eine große Bedrohung für die biologische Vielfalt dar. Deshalb ist es unsere Aufgabe, Biotope wie Flussauen, die zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa gehören, zu renaturieren und zu schützen. Naturnahe Auen sorgen für eine bessere Wasserqualität von Bächen und Flüssen, weil sie die Nährstoffe aus der Landwirtschaft, die dort ausgeschwemmt werden, zurückhalten und abbauen. Was ebenfalls nicht zu unterschätzen ist: Sie bringen den Menschen auch Erholung. Eine Umfrage zum Naturbewusstsein hat ergeben, dass 93 Prozent der Befragten naturnahe Fließgewässer den begradigten Bächen und Flüssen vorziehen. Ich kann das für meinen Wahlkreis bestätigen: Wenn man sich die Lippe näher anschaut, dann bieten gerade die naturnahen Gebiete den höchsten Erholungswert und natürlich auch den höchsten Wert für die Umwelt. Genauso können und müssen wir es uns leisten, in Entwicklungs- und Schwellenländern Unterstützung zu geben beim Kampf gegen Umweltzerstörung und Klimawandel. Bei dem zweiten Titel, den ich erwähnen will, geht es um den Kampf gegen den Plastikmüll in den Weltmeeren. Man kann es nicht oft genug sagen: Jedes Jahr werden rund 8 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Meere gespült. Die Verschmutzung der Meere ist eines der drängendsten Umweltprobleme unserer Zeit. Hier stocken wir im nächsten Jahr die Mittel noch einmal um 10 Millionen Euro auf 25 Millionen Euro auf und bis 2025 um 18,1 Millionen Euro, also auf 30,1 Millionen Euro. Ich finde, das ist eine gute Entscheidung. ({3}) Mit diesen Geldern fördern wir ganz konkrete Projekte, um den Eintrag von Plastikmüll möglichst schon an der Quelle zu verhindern. Wir unterstützen verschiedene Projekte in Vietnam, in Indien und in der Karibik, mit denen Abfall- und Kreislaufmanagementsysteme aufgebaut werden. Über diese Voraussetzungen verfügen wir hier in Deutschland schon lange, und wir können damit, weil wir Weltspitze in diesem Bereich sind, im Ausland wirklich helfen. Mit einem Projekt in Indien wird beispielsweise die Regulierungsbehörde dabei unterstützt, die Mengen des Meeresmülls zu erfassen, die Eintragswege von Plastikmüll überhaupt erst einmal aufzudecken und Systeme zu implementieren, die die Herstellerverantwortung ernst nehmen. Dort wird also auf lange Zeit hin eine Finanzierung von Entsorgungssystemen geschaffen. Das ist nachhaltig, und das ist genau der richtige Weg. ({4}) Ich halte den Ansatz des Umweltministeriums bei diesen Projekten für genau richtig. Es gilt, zum einen an ausgewählten Orten mit den Fachleuten des Ministeriums, die tief in der Materie stecken, die Projekte mit Modellcharakter anzustoßen, zum anderen aber auch eigene Investitionen in den Zielregionen anzuschieben. Das führt nach meiner Überzeugung zu einer nachhaltigen Lösung vor Ort. ({5}) Im vergangenen Sommer hat das Umweltministerium wieder einen Aufruf gestartet, Projekte für den Kampf gegen Plastikmüll einzureichen, die unter genau diesem Titel gefördert werden. Nachhaltiges Handeln für heute und morgen, für uns und für die kommenden Generationen – diese Verantwortung nehmen wir mit diesem Haushalt sehr ernst. Danke. ({6})

Karsten Hilse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004752, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Landsleute! Der vorliegende Haushaltsentwurf und die Haushaltsdebatte unterscheiden sich in mancher Hinsicht von denen der vergangenen Jahre: ein massiver Schuldenaufbau in einem in den letzten Jahren nicht mehr dagewesenen Ausmaß; Milliarden Euro werden geparkt, um das Volk noch bis zu den Bundestagswahlen – falls sie denn stattfinden – beruhigen zu können. War man in den letzten Jahren noch bemüht, das Verschleudern von Milliarden Euro der deutschen Steuerzahler zu verschleiern und den Bürgern Sparsamkeit vorzugaukeln, schmeißt man heute das Geld für jedermann sichtbar zum Fenster hinaus. ({0}) Sprach in der letzten Legislaturperiode mit Frau Hendricks noch eine Umweltministerin, die zwar ideologisch verblendet war, aber wenigstens noch Fachwissen hatte, müssen wir uns in dieser Legislaturperiode Reden anhören, die anscheinend aus einer Phrasendreschmaschine gefallen sind, bejubelt von den Genossen, die aufgrund der infantilen und inhaltslosen Reden der Kanzlerin offensichtlich keine Ansprüche mehr an Gehalt stellen. ({1}) Wichtig scheint in der heutigen Zeit nur noch zu sein, die Menschen in Angst und Panik zu versetzen, um alle möglichen sinnlosen Ausgaben und die mutwillige Zerstörung unserer wirtschaftlichen Grundlagen zu begründen. ({2}) Da das Ende der Welt durch das Klimafegefeuer noch in weiter Ferne zu liegen scheint, musste ein Katalysator her, mit dem man die Große Transformation beschleunigen kann. Schon zu Beginn der zur Pandemie ausgerufenen Politikkrise machten NGOs wie Agora deutlich, wohin die Reise gehen soll: die Zerstörung aller Wirtschaftszweige, die man nicht klimaneutral wieder aufbauen kann. ({3}) Bei dieser Gelegenheit könnte man, wie in der DDR nach dem Krieg, gleich mal die großen Konzerne teilverstaatlichen – siehe Lufthansa –, bevor man sie zur Bedeutungslosigkeit zusammenschrumpft und dann komplett übernehmen kann. Der Abbau von 50 000 Stellen ist bereits angekündigt. Egal – Flugzeuge sind eh Teufelszeug, die die allgegenwärtige und immer schlimmer werdende Klimakrise verschärfen. Die Klimakrise existiert zwar nur in den Köpfen einiger Fantasten wie Greta und Co sowie ihrer Stichwortgeber, sogenannter Klimawissenschaftler, der Homöopathen unter den Wissenschaftlern, wie sie der Kabarettist Vince Ebert mal so treffend bezeichnete. ({4}) Aber wenn man eine Lüge ständig wiederholt, wird sie eben zur Wahrheit; das wussten schon Demagogen in finstersten Zeiten. Hat man die Menschen vor Corona mit täglichen Horrornachrichten über eine angebliche Steigerung der Anzahl von Extremwettern, Hurrikans und über einen rasant steigenden Meeresspiegel – die offiziellen Statistiken beweisen das Gegenteil – malträtiert, ({5}) so sind es heute Inzidenzwerte, die den Menschen Angst einflößen und die Alternativlosigkeit der Maßnahmen begründen sollen, die unsere Freiheit in einem seit 1949 nie dagewesenen Maße aushebeln. ({6}) Hat man die Menschen erst einmal in diese Art von Schockstarre versetzt, kann man all die Maßnahmen, die man sonst mühsam erklären müsste, einfach so durchwinken und dafür sogar noch Schulden aufnehmen, als gäbe es kein Morgen. All das ist natürlich zum Wohle der Bürger, die vergessen sollen, dass die Schulden von heute die Steuern von morgen sind. Direkt und indirekt sollen fast 27 Milliarden Euro für die Klimarettung ausgegeben werden, knapp 11 Milliarden Euro für die Übernahme eines Teils der Förderung für das untaugliche EEG und weitere knapp 16 Milliarden Euro, die in den verschiedenen Ressortplänen versteckt sind, plus 2,7 Milliarden Euro beim BMZ, um Klimaschutz und Klimaneutralität zu erreichen. Dabei ist jedem Menschen, der klar im Kopf ist, weil er keine ideologische Brille trägt, bewusst, dass all diese Klimamaßnahmen dem Klima nichts nützen. Natürlich profitieren einige wenige davon: die raffgierigen EEG-Dauersubventionsempfänger aus der Wind- und Solarbranche; die zahlreichen Klimamanager, die sonst niemand bräuchte; die in ihrer Mehrzahl korrupten Politiker in den Entwicklungsländern, die so tun, als würden sie sich für das Klima interessieren. Nicht zu vergessen sind hier die zahlreichen Klimaforschungsinstitute und NGOs mit ihren Bataillonen grüner Fußtruppen, die – bildlich gesprochen – auch mal über Leichen gehen, wenn sie den „Hambi“ oder den „Danni“ retten. Doch das Klima hat davon nichts. Sollte Ihre Hypothese stimmen – für die es keinen einzigen wissenschaftlichen Beweis gibt – und verschwände Deutschland in Jahresfrist komplett von der Klimalandkarte, würde sich die globale Mitteltemperatur um ganze 0,000653° Celsius weniger erhöhen. „Das ist weniger, als die Katze unterm Schwanz trägt“, hätte meine Oma gesagt. Sie appellierte immer an die Vernunft der Menschen, und für Ihre Fantastereien hätte sie nur ein müdes Lächeln übrig. Ausgelacht hätte sie Sie bei dem Gedanken, dass Sie einer Frau hinterhertrotten, die noch vor zwölf Jahren sagte – ich zitiere aus der „FAZ“ mit Ihrer Genehmigung –: Deutschland mache sich „lächerlich“, wenn es sich dadurch ein „gutes Gewissen“ machen wolle, dass Atom- und Kohlekraftwerke stillgelegt würden, und gleichzeitig Strom, der aus denselben Energieträgern erzeugt worden sei, aus den Nachbarländern importiert werde. Zitat Ende. ({7}) Also, selbst laut unserer Gott-Kanzlerin machen Sie sich hier alle lächerlich, und da bin ich mit ihr ausnahmsweise mal einer Meinung. Wir fordern deshalb, den Energie- und Klimafonds aufzulösen und die Erhebung von Einnahmen aus jedweder CO2-Bepreisung, welche aktuell zur Finanzierung dieses Fonds genutzt werden, zu unterlassen. Da wir natürlich den Klimawandel – wie es einige von Ihnen, die entweder schwerhörig oder schwer von Kapee sind, behaupten – nicht leugnen, ({8}) fordern wir, wie übrigens seit 2018, die Einrichtung eines Klimawandelfolgen-Anpassungsfonds, der die nächsten Generationen in die Lage versetzt, auf eventuelle negative Auswirkungen des natürlichen Klimawandels zu reagieren. ({9}) Und für alle Quer- und Klardenker: Wir sehen uns am Samstag für Frieden, Freiheit und Demokratie. ({10})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Hilse. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Dr. Georg Nüßlein, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Hilse, wenn Sie von „schämen“ reden, dann empfehle ich Ihnen dringend, noch mal Ihre Rede anzuhören. ({0}) Das macht Sinn. Ich bin seit 2002 im Deutschen Bundestag, aber eine solche Ansammlung von Unverschämtheiten, von Ignoranz, von Unanständigkeiten, ({1}) eine solche Hetztirade zu einem Thema, das uns allen miteinander eigentlich wichtig sein sollte, habe ich noch nie gehört. ({2}) Man kann unterschiedlicher Auffassung sein; aber was Sie gerade in herabwürdigender Weise zu allen hier im Haus, zu vielen Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere denjenigen, die erneuerbare Energien betreiben, gesagt haben, macht einen fassungslos, vollständig fassungslos. ({3}) Was und wie Sie es vortragen, ist auch gegenüber dem Haus hier unangemessen. ({4}) Nun kann man sagen: Den Klimawandel gibt es nicht. – Das ist Ihre Position. ({5}) – Dann präzisiere ich und sage, dass Sie behaupten, den menschgemachten Klimawandel gibt es nicht. Sie sind zufrieden mit der Präzision? – Sehr schön, wunderbar. Das können Sie so sehen. Die Mehrheit hier im Haus sieht das allerdings durchaus anders. Ich möchte an dieser Stelle eines ganz besonders unterstreichen: Es ist uns in dieser Legislatur gelungen, Maßnahmen für den Klimaschutz zu beschließen, die nicht in hohem Maße abhängig von der Frage sind: Geht es der Wirtschaft gut, oder geht es ihr schlecht? Ich hatte die Sorge, dass dann, wenn es nicht mehr so läuft wie im letzten Jahr – das ist gerade mal ein Jahr her –, plötzlich all die Dinge, die wir beschließen, infrage gestellt werden. Darum war es aus Sicht der Unionsfraktion wichtig und richtig, dass wir eben nicht mit Zwang, nicht mit ordnungspolitischen Maßnahmen Klimaschutz voranbringen. Vielmehr haben wir gesagt: Lasst uns einen Klimaschutz machen, der technologieoffen ist, der marktwirtschaftlich orientiert ist und bei dem wir insbesondere auf Forschung, Entwicklung und Technologie setzen. – Das ist das Entscheidende. ({6}) Wir werden uns nach dieser Krise über die Frage unterhalten müssen, wie wir die Konjunktur wieder in Gang bringen, und dabei spielt natürlich der Klimaschutz eine wichtige Rolle; denn dieses Thema – etliche Kollegen haben es vorhin ja beschrieben – bewegt die ganze Welt. Und unsere Idee, meine Damen und Herren, ist, dass wir als Deutschland die Technologien dafür liefern werden, und darauf bereiten wir uns vor. ({7}) Deshalb machen die von Ihnen vorhin gegeißelten Milliardeninvestitionen Sinn. Natürlich haben wir uns auch Gedanken über die soziale Dimension gemacht; die Umweltministerin hat vorhin das Thema „Vermieter, Mieter“ angesprochen. Ich glaube nicht, dass Umverteilung die Lösung ist. Vielmehr sind Anreize, zum Beispiel die Heizung auszutauschen, der richtige Weg an dieser Stelle. Aber wir sehen natürlich die Problematik. Wir machen uns Gedanken über das Verhältnis Stadt/Land; darum hat mich die Rede von Herrn Kindler vorhin ein bisschen erschreckt, weil er offenkundig nur die Stadtperspektive vorgetragen hat, nämlich nur den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und sonst nichts. Wir machen uns natürlich auch Gedanken über die Frage, wie unsere Mobilität auch über Grenzen hinweg erhalten bleibt. Ich teile in keiner Weise das, was vorhin der Kollege Kindler zum Thema „Lufthansa“ gesagt hat. Das ist nicht unsere Politik; das ist beim besten Willen nicht unser Weg. ({8}) – So, jetzt quaken Sie doch nicht immer dazwischen. Hören Sie zu, da lernen Sie was bei der Gelegenheit. Das macht Sinn. ({9}) Zur EU. Die Diskussion, ob man das Klimaschutzziel der Europäischen Union anheben sollte, wurde von verschiedenen Seiten schon angesprochen. Das scheint offenbar Common Sense zu sein. Wir nehmen das zur Kenntnis, weisen als Union aber ausdrücklich auf die Schwierigkeiten gerade auch für unsere Wirtschaft und auf die Risiken für den letzten verbliebenen Industriestaat in Europa hin. Deshalb: Wenn man auf 55 Prozent kommen möchte, dann brauchen wir innerhalb der EU-Staaten eine andere Form der Lastenverteilung. Es kann nicht sein, dass Deutschland überbordend diese Last trägt und wir am Schluss zu einer Deindustrialisierung unseres Landes kommen. Das ist ganz entscheidend; denn es geht uns beim Klimaschutz ja nicht darum, Industrien zu verlagern, damit die nationale Statistik stimmt, sondern es geht uns darum, dafür zu sorgen, dass sich diese Industrien CO2-orientiert fortentwickeln können, dass sie Rohstoffe einsparen. Und mindestens auf dieses Argument des Rohstoffsparens könnte sich aus meiner Sicht auch die AfD einlassen. ({10}) – Natürlich machen wir das. Ich habe vorhin von Technologieoffenheit gesprochen. Dieses Thema beschäftigt mich momentan ganz massiv; deshalb spreche ich an dieser Stelle die Ministerin noch mal ausdrücklich an. Das, was Sie mit der THG-Quote erreichen wollen, ist unterambitioniert. Wir wollen da mehr machen, wir brauchen mehr moderne Biokraftstoffe; denn im Jahr 2030 wird es auch 40 Millionen andere Kraftfahrzeuge geben, und die müssen mit etwas betrieben werden. Wir wollen das möglichst CO2-orientiert voranbringen. Deshalb die dringende Bitte: Wir werden dieser Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinien der EU, so wie Sie sie vorschlagen, nur dann zustimmen, wenn wir hier ambitionierter sind, wenn wir hier auf mehr Klimaschutz, gerade auch bei den Verbrennungsmotoren, setzen. Das ist uns wichtig. Das ist uns ein Anliegen, weil es hier um Technologieoffenheit, aber auch um Zukunft der Mobilität geht, meine Damen und Herren. ({11}) Ich sage Ihnen auch: Ich verfolge mit großer Sorge, was im Hinblick auf die Euro-7-Abgasnorm diskutiert wird. Das scheint mir der Versuch zu sein, den Verbrennungsmotor endgültig aus dem Rennen zu kegeln. ({12}) Das sehen wir mit Sorge; denn es besteht an dieser Stelle keine Notwendigkeit. Da geht es nicht um Klimaschutz, da geht es um ganz andere Dinge, und die lehnen wir ganz explizit ab. ({13}) – Sie werden sehen. Nun hatten die Vorredner auch recht, die gesagt haben: Es geht bei der Umweltpolitik nicht nur um das Thema Klimaschutz. – Ich unterstreiche all das, was zum Thema „Biodiversität und Naturschutz“ gesagt wurde. Das ist mir persönlich ein Herzensanliegen; das sage ich ganz offen. Ich sehe mit Wohlwollen, wie wir die Themen Insektenschutz und Auenrenaturierung mit diesem Haushalt voranbringen, will aber darauf hinweisen, dass hierbei der deutsche Wald eine besondere Rolle spielen muss. Wir geben eine Menge Geld für den Waldumbau aus und müssen uns stärker auf die Frage fokussieren: Wie sehen denn dort eigentlich die Lebensräume für die Tiere aus? Das ist ganz entscheidend. Da geht es nicht nur um Wild, aber es geht auch um Wild; es geht aber auch um all die anderen Tierarten, denen man einen Lebensraum bieten muss. Deshalb müssen wir auch da ambitionierter werden. Beispielsweise sollte es bei der Novelle des Bundesjagdgesetzes nicht nur darum gehen, Lebensraumanalysen zu erstellen, sondern es sollte auch darum gehen, diesen Lebensraum positiv für die Tiere zu verändern. ({14}) Zum Thema Kreislaufwirtschaft. Da gibt es eine Menge an Symbolpolitik, zum Beispiel das Verbot bestimmter Einwegplastikprodukte. Nun ist bekanntermaßen Symbolpolitik auch immer entscheidend und wichtig – muss man natürlich machen –; ({15}) aber mir geht es mehr darum, das Thema jenseits der Symbole und der Verbote wirklich voranzubringen, indem wir mehr Rezyklate einsetzen. Wir müssen diese Rezyklat-Senken identifizieren, und das BMU, meine Damen und Herren, muss hier dringend Branchendialoge organisieren. In einer Zeit billigen Öls kommen wir in die Situation, am Schluss Recyclingmaterialien nicht einsetzen zu können. Das, muss ich sagen, ist bedauerlich. Ich will auch noch mal unterstreichen, was vorhin zum Thema „Einweg/Mehrweg“ gesagt wurde. Ich glaube, der richtige Weg ist, jenseits aller Ökobilanzen von allem das Beste und das Zweckmäßige einzusetzen, dann kommen wir umweltpolitisch, pragmatisch und sinnvoll voran. Das ist ein Anliegen der Union, und ich bitte herzlich um Unterstützung bei solcher Gelegenheit. Vielen herzlichen Dank. ({16})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Nüßlein. Herr Kollege Grundmann, zunächst einmal möchte ich Sie dafür ausdrücklich loben, dass Sie vorbildlich – im Gegensatz zu anderen Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Fraktionen – zum Telefonieren mit dem Handy den Plenarsaal verlassen haben. Allerdings muss ich Sie im Rahmen meiner pädagogischen Aufklärungspflicht darauf hinweisen, dass das Handy selbst kein Mund-Nase-Schutz ist. ({0}) Nächste Rednerin ist die Kollegin Judith Skudelny, FDP-Fraktion. ({1})

Judith Skudelny (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004159, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Kollegin Ulla Ihnen hat das Zahlenmaterial dieses kommenden Haushaltes, des letzten Haushaltes dieser Regierung, sehr genau beleuchtet. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um mal zu schauen, was wir eigentlich mit dem Geld der Haushalte der vergangenen Jahre gemacht haben und was wir jetzt mit dem Geld des kommenden Haushaltes inhaltlich machen werden. Ich muss leider sagen: Meine Analyse dessen, was mit dem Geld gemacht worden ist, lautet: Es wurde unwirksam eingesetzt. Die Politik der Bundesregierung ist unkooperativ und vor allem technologiefeindlich. ({0}) Das werde ich jetzt an drei Beispielen klarmachen. Ihre Klimapolitik ist unwirksam. Das Klima schützt man, indem man verhindert, dass CO2 in die Atmosphäre entweicht. Sie haben mit Ihrer CO2-Steuer den CO2-Ausstoß einfach nur teuer gemacht. Damit wird kein einziges Kilogramm CO2 gespart. Ihre Politik hilft dem Klima nicht, ist teuer und schadet der Wirtschaft. ({1}) Das Wirksamste, was Sie für den Klimaschutz getan haben, ist, den Lockdown zu beschließen. Das ist wiederum eine wirtschaftspolitisch schwierige Maßnahme; sie dient auch nicht zwingend eins zu eins dem Umweltschutz. Es wäre besser gewesen, einen nationalen CO2-Handel zu implementieren, der dann auf die europäische Ebene ausgeweitet werden könnte. Das würde eine Explosion der Innovation bringen. Wir brauchen Technik, die global angewandt werden kann, und wir müssen so viel CO2 sparen, wie es für den Euro möglich ist. In beiden Punkten haben Sie leider versagt; da könnten Sie besser werden. ({2}) Ihre Klimapolitik ist unkooperativ. Das sieht man im Bereich des Insektenschutzes. Umweltpolitik ist immer ein Querschnittsthema. Umweltpolitik muss immer mit der Wirtschaft und mit der Landwirtschaft zusammenarbeiten, muss in vielen Feldern unterschiedliche Argumente abwägen und in eine Balance bringen. Wichtig wäre dies auch im Bereich der Umwelt- und Landwirtschaftspolitik. Was aber sehen wir da? Die Umweltministerin und die Landwirtschaftsministerin liefern sich öffentliche Debatten. Während der letzten drei Jahre wurde ein Insektenschutz-Gesetz immer wieder angekündigt; sie konnten sich aber nicht mal mehr auf ein Feigenblatt des kleinsten gemeinsamen Nenners einigen. Das ist ein Armutszeugnis für die Bundesregierung, und das ist vor allem ein Armutszeugnis für die Insekten- und Artenschutzpolitik in Deutschland. ({3}) Ihre Klimapolitik ist technologiefeindlich. Meine Damen und Herren, ich möchte hier mal ein großes Plädoyer für die synthetischen Kraftstoffe, für die strombasierten Antriebsstoffe halten. Diese haben das Potenzial, die Luft sauberer zu machen. Sie haben das Potenzial, das Klima zu schützen. Bereits hergestellte Fahrzeuge können mit synthetischen Kraftstoffen länger genutzt und gefahren werden. Es gibt nichts Nachhaltigeres, als langlebige Dieselfahrzeuge klimaneutral weiter zu nutzen. ({4}) Aber anstatt sich dafür einzusetzen, bekämpft das Umweltministerium die Zulassung dieser Kraftstoffe und benachteiligt sie in mannigfaltiger Form. Bei der Luftreinhaltung haben sie 2018 keinerlei Anwendung gefunden. Beim Klimaschutz auf europäischer Ebene gibt es keine Anrechnung auf die Flottengrenzwerte. Bei der Zulassung 2019 hat die Umweltministerin verhindert, dass synthetische Kraftstoffe im Individualverkehr angewandt werden. Und jetzt bei der RED-II-Richtlinie setzen Sie wieder einfach nur auf Elektromobilität. Wenn wir nicht technologieoffen agieren, dann erweisen wir nicht nur dem Klimaschutz, sondern auch der Umweltpolitik insgesamt einen Bärendienst. Lassen wir unsere Ingenieurinnen und Ingenieure gute Arbeit leisten und unsere Umwelt schützen, anstatt ihnen die falschen Lösungen planwirtschaftlich zu diktieren. ({5}) Klimaneutrale Kraftstoffe, chemisches Recycling, moderne Pflanzenschutzmittel und Produktionsmethoden – es gibt viele Dinge, bei denen wir Luft nach oben haben. Frau Ministerin, Ihnen läuft die Zeit davon. Nutzen Sie die letzten Monate Ihrer Regentschaft, ({6}) um eine viel bessere Umweltpolitik mit unserem Geld zu machen als in der Vergangenheit! An dieser Stelle möchte ich noch ein persönliches Plädoyer abgeben. Wir sind ein Parlament. Wir tragen die Entscheidung. Wenn wir dem Umweltministerium Geld zur Verfügung stellen, weil wir für unsere Entscheidungsgrundlage Informationen brauchen, dann erwarten wir, dass die Umweltministerin diese auch aufbereitet. ({7}) Im letzten Umwelthaushalt haben wir Gelder zur Verfügung gestellt, um eine Ökobilanz zu erstellen, damit wir nicht auf Basis gefühlter Wahrheiten agieren – oder populistisch, wie es der Kollege gesagt hat –, sondern damit wir echte, bodenständige, funktionierende, wirksame Umweltpolitik machen. Die Umweltministerin hat ein Jahr lang ignoriert, dass dieses Parlament wollte, dass das Geld dafür eingesetzt wird. Frau Ministerin, Sie haben noch einmal das Geld bekommen. Sie haben von Ihrer Regierung, von Ihrem Parlament eine Frist gesetzt bekommen. Setzen Sie den Auftrag um! Nehmen Sie die parlamentarische Demokratie ernst, und legen Sie die Umweltbilanzen vor! ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Skudelny. – Als nächster Redner erhält das Wort der Kollege Ralph Lenkert, Fraktion Die Linke. ({0})

Ralph Lenkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004091, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! In diesem Haushalt gibt es erstaunlicherweise so gut wie nichts zu Deutschlands Wasserhaushalt, und das ist in Anbetracht der Klimaänderungen zumindest fahrlässig. ({0}) Wie soll die Trinkwasserversorgung bei sinkenden Pegeln von Flüssen und Grundwasser zukünftig sicher sein? Woher kommt das Wasser für Industrie und Landwirtschaft in zukünftigen Dürrephasen? Wie erhalten wir Fische, Amphibien, Eisvögel und Insekten am Leben angesichts von austrocknenden Flüssen und Seen? Noch einmal: Zum Thema Wassermanagement fand ich nichts im Haushalt. ({1}) Entschuldigung, fast nichts: 10 Millionen Euro für die Vernetzung von Gewässern im Maßnahmenplan „Blaues Band Deutschland“, homöopathische 900 000 Euro im Forschungshaushalt zur Erforschung von wasserwirtschaftlicher Planung und Hochwasserschutz, aber immerhin 100 Millionen Euro in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ für Hochwasservorbeugung und Umgang mit Niedrigwasser. Darüber war ich erfreut. Vielen Dank. ({2}) Und ich suchte weiter: Gelder, um Starkregen zur Bewässerung von Städten zu nutzen, Maßnahmen, um Hochwasser zu nutzen, um stillgelegte Tagebaue zu fluten, Wassermanagementmaßnahmen, um sinkende Grundwasserpegel wieder anzuheben, Pilotprojekte für Melioration, Be- und Entwässerung von Ackerböden. Kolleginnen und Kollegen, Sie ahnen es sicherlich: Ich fand nichts. – Und das ist grob fahrlässig. ({3}) Ich kenne Ihren Einwand: Wassermanagement ist Ländersache. – Ja, und die Länder kämpfen. Die rot-rot-grüne Landesregierung in Thüringen versucht, stillgelegte Wasserspeicher wieder in Betrieb zu nehmen, soweit dies finanziell möglich ist. In Unterfranken und in der Oberlausitz sinken die Grundwasserpegel. Kreise und Kommunen bohren die Brunnen tiefer; das ist keine Dauerlösung. Bei Frankfurt/Oder ist das Trinkwasser für 65 000 Bürgerinnen und Bürger gefährdet, weil durch die Abwässer der Braunkohlenförderung zu viel Sulfat in der Spree ist. 10 Millionen Euro kostet die Aufbereitung des Wassers, aber die Braunkohletagebaubetreiber sind nicht beteiligt. Unfassbar! ({4}) Millionen Menschen in Berlin, an Rhein und Ruhr bekommen ihr Trinkwasser aus Uferfiltrat. Kraftwerke und Industrie brauchen Brauchwasser aus unseren Flüssen. Steht das in zehn Jahren noch ausreichend zur Verfügung? Für uns als Linke ist Wassermanagement eine gesamtdeutsche Aufgabe, die unverzüglich anzufangen ist. ({5}) In einem ersten Schritt fordern wir 50 Millionen Euro für unsere Flüsse, damit sie durchgängiger sind und Wanderfischarten eine Chance haben. Ja, der Bund muss da vorangehen und etwa bei Bundeswasserstraßen Querbauwerke zurückbauen. Der Bund muss mehr forschen, damit beim zukünftigen Wasserangebot genügend Wasser in einer Kaskadennutzung für alle Bereiche zur Verfügung steht. Wenn Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt bei der Bewirtschaftung der Oberläufe der Flüsse keine Hilfe erhalten, kommt irgendwann in Niedersachsen und Schleswig-Holstein kein Elbewasser mehr an. Noch einmal: Damit auch bei langen Dürrephasen für die Menschen genügend Trinkwasser zur Verfügung steht, damit kritische Infrastrukturen mit Wasser versorgt werden, fordert Die Linke eine Nutzungskaskade für Wasserentnahmen. Wir brauchen eine enge Zusammenarbeit von Bund und Ländern. ({6}) Kolleginnen und Kollegen, die Regendefizite 2018, 2019, 2020 in großen Teilen Deutschlands warnen uns. Maßnahmen zum Wassermanagement brauchen Zeit. Wir müssen jetzt anfangen und investieren. Aber in diesem Umwelthaushalt ist nichts Zukunftsweisendes zu finden. Er ist so staubig wie ein ausgetrocknetes Flussbett. Vielen Dank. ({7})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Lenkert. – Ich glaube, es war der Kollege Houben, der glaubte, das Handy sei eine Maske. Nächster Redner ist der Kollege Gerhard Zickenheiner, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Gerhard Zickenheiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004946, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie haben es nicht leicht in diesem Kabinett. Sie halten hier den Kopf dafür hin, dass mit Ihrem Budget die Ziele des Ministeriums für Umwelt nicht zu erreichen sind. ({0}) Dabei verweisen die 0,6 Prozent des Gesamthaushaltes für Ihr Haus schon darauf, dass es die Bundesregierung ist, die die Klima- und Umweltkrise als größte Gefahr der Menschheit zwar formal anerkennt, aber mit dem Haushalt in keiner Form im nötigen Umfang angeht. ({1}) Droht die Lufthansa abzustürzen, dann versucht die Regierung, dies mit allen Kräften zu verhindern, übrigens mit dem Dreifachen Ihres Jahresbudgets. Gleichzeitig geht ein großer Teil unserer flugfähigen Biomasse in Form von Insekten und Vögeln vor die Hunde, obwohl diese bekanntlich die weitaus größere Relevanz für die Überlebensfähigkeit unserer Bevölkerung hat. Es geschieht nichts, was nach Meinung der Fachleute auch nur annähernd in der Lage ist, das ernsthaft zu verhindern. Klima, Fauna, Luftqualität etc. dito. Diese Regierung hat es mit diesem Haushalt auch für das letzte Jahr der Legislaturperiode verpasst, die Zukunft dieses Landes in die Hand zu nehmen und angemessen auf die Bedrohungslage durch die Klimakrise, das Artensterben und den Biodiversitätsverlust zu reagieren. Stattdessen müssen Sie Symbolpolitik fahren und Plastiktüten verbieten, aber nur die mitteldicken mit 15 bis 50 Mikrometern, weil die Industrie und der Koalitionspartner sonst erschrecken könnten. ({2}) Dementsprechend kann die Perspektive nur mager sein. In Form des Plastiktütenscheinangriffes heißt das: Die restlichen 99 Prozent des deutschen Kunststoffverbrauches bleiben davon unberührt. Viel stärker aber als dieses Scheingefecht gegen den Plastikverbrauch sorgt mich die Umsetzung des eh schon ambitionslosen Klimaschutzgesetzes. Frau Ministerin, Sie schreiben auf Ihrer Website: „Dass Deutschland seine Klimaziel verfehlt, darf sich nicht wiederholen.“ Wir haben kürzlich die einfache Frage an die Bundesregierung gestellt, wer diese Klimaschutzmaßnahmen eigentlich umsetzen soll.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der SPD-Fraktion?

Gerhard Zickenheiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004946, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein. – Wer dämmt die Häuser? Wer plant die Radwege? Wer baut die Netze? – und so weiter. Und in der Antwort auf unsere Frage ging dann das Gestottere los. Detaillierte Zahlen – Fehlanzeige, aber für fast alle Bereiche wie Bau, Forst etc. wurde für Planung sowie Umsetzung bescheinigt, dass bereits seit Jahren ein enormer Mangel an Fachkräften besteht. Vom Fachkräftemangel hat man ja schon einmal etwas gehört, aber bei dem Erstellen des Gesetzes hat das anscheinend niemand bedacht. Dabei addieren sich drei Faktoren auf fatale Weise zusammen. Erstens sind alle benötigten Berufsgruppen schon jetzt Mangelware. Zweitens brauchen wir aufgrund des Klimaschutzgesetzes zusätzliche Fachkräfte. Und drittens kommen noch die ebenfalls bekannten demografisch bedingten Rückgänge bei den Erwerbstätigen in den kommenden Jahren verschärfend hinzu. Es gibt nicht einmal eine Studie, geschweige denn eine wissenschaftliche Aufarbeitung zur Frage, wie es um die Deckung des Personalbedarfs Ihres Klimapaketes bestellt ist, obwohl klar ist, dass Ihr Klimaschutzgesetz von vornherein zum Scheitern verurteilt ist, wenn die Fachleute fehlen. ({0}) Diese fundamentale Grundlage herbeizuschaffen, müsste sogar mit Ihrem Etat und dem der beteiligten Ministerien noch zu schaffen sein. Gehen Sie diese Aufgabe endlich an, und reagieren Sie auf die Ergebnisse, die Sie dann haben werden. ({1}) Dass Deutschland seine Klimaziele verfehlt, darf sich nicht wiederholen. Daran werden nicht nur wir Sie messen. Danke. ({2})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Herzlichen Dank, Herr Kollege. – Die SPD-Fraktion hat um eine Kurzintervention gebeten, die ich erlaube, obwohl der nächste Redner auch von der SPD kommt. – Sie, Herr Zickenheiner, können zu Ihrem Platz gehen. – Bitte, Herr Kollege, Sie haben das Wort.

Dr. Martin Rosemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004389, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident, vielen Dank, dass Sie die Kurzintervention ermöglichen. Herr Kollege Zickenheiner, schade dass Sie die Zwischenfrage nicht zugelassen haben. Ich habe gesehen: Sie kommen aus Lörrach und damit wie ich aus Baden-Württemberg. Sie haben jetzt fünf Minuten lang vor allem die Bundesregierung, die Bundesumweltministerin, kritisiert ({0}) – dann waren es vier Minuten, hat ja gereicht –, die Bundesregierung würde die Klimaziele nicht erreichen, sie sei zu wenig ambitioniert. Herr Zickenheiner, ich möchte Sie einmal fragen: Wie erklären Sie sich dann eigentlich, dass Baden-Württemberg, wo die Grünen seit 2011 regieren, den Ministerpräsidenten und den Umweltminister stellen, bei Erreichung der Klimaziele deutlich hinter dem Bund liegt ({1}) und dass Baden-Württemberg bei den eigenen Klimazielen viel weniger ambitioniert ist als der Bund? Wie erklären Sie denn das? Dort, wo die Grünen regieren, versagen sie doch beim Klimaschutz, und hier blasen sie die Backen auf. Was sagen Sie denn dazu? ({2})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Kollege Zickenheiner, Sie können Herrn Dr. Rosemann antworten, wenn Sie möchten. ({0})

Gerhard Zickenheiner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004946, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Kollege, ich darf darauf hinweisen: Wir sitzen hier im Bundestag und nicht im Landtag. Sie wissen, was Landesrecht ist und was Bundesrecht ist. Und dann schauen Sie sich bitte einmal seriös an, was in Baden-Württemberg in den letzten Jahren rauskam. Dann werden Sie feststellen, dass es einfach so nicht richtig ist. ({0})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Gut. – Der Befragte antwortet immer so, wie er es für richtig hält, ob uns das gefällt oder auch nicht. Nächster Redner ist der Kollege Carsten Träger, SPD-Fraktion. ({0})

Carsten Träger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004426, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Das ist natürlich die eine Erklärung, dass der Befragte so antwortet, wie er es für richtig hält, die andere ist: Er weiß einfach keine bessere Antwort. ({0}) Sie haben schon gewusst, warum Sie die Zwischenfrage nicht zugelassen haben, Herr Zickenheiner. Bei allem Verständnis dafür, dass wir eine Oppositionsrolle oder eine Koalitionsrolle einnehmen, und bei allem Verständnis dafür, dass wir so langsam, aber sicher auf ein Bundestagswahljahr zulaufen, sind solche Vorwürfe, wie Sie sie hier erhoben haben, abgelesen haben, ein Griff in die grüne Mottenkiste. Sie können nicht allen Ernstes behaupten, wenn Sie sich eines anderen Politikstils befleißigen als die Herren hier vom rechten Rand, dass beim Klimaschutz in dieser Regierungsperiode nichts erledigt worden wäre. Ich erinnere daran: Es gibt ein Klimaschutzgesetz, es gibt den Braunkohleausstieg, es gibt einen CO2-Preis, es gibt ein Klimapaket. All das mag Ihnen nicht genug sein, das können Sie gerne vortragen, aber dass überhaupt nichts passiert wäre, das ist eine Formulierung, die ich schon von Ihrem Bundesgeschäftsführer gehört habe und die Sie jetzt hier ohne jede Reflektion wiedergeben. Das finde ich der Diskussion, die wir hier führen, nicht angemessen. ({1}) Kommen wir zum eigentlichen Thema, zum Einzelplan 16 dieses Haushalts. Es ist richtig: Wir haben eine enorme Schuldenaufnahme in diesem Gesamthaushalt zu tätigen. Aber es wird wohl niemand ernsthaft in Abrede stellen, dass wir uns in einer nie dagewesenen Notlage befinden, außer Herr Hilse vielleicht, der ja irgendwie – es ist schwer nachzuvollziehen – Corona, Klima und alle möglichen Verschwörungstheorien, die sonst noch im Netz unterwegs sind, mit Copy-and-paste zusammengefügt hat, dazu noch eine gehörige Portion Unverschämtheiten und Beleidigungen an alle Abgeordneten und an alle Regierungsmitglieder dazugemischt hat, und fertig war die Haushaltsrede. Niemand wird ernsthaft in Abrede stellen, dass wir uns in einer Notlage befinden. Deswegen ist es richtig, dass wir alle miteinander viel Geld in die Hand nehmen, um den Menschen in Not unter die Arme zu greifen, um ihnen in einer beispiellosen Bedrohungslage zu helfen, um sowohl Gesundheit und Leben zu schützen sowie die wirtschaftlichen und sozialen Folgen so weit wie möglich abzufedern. Wir haben daneben auch noch andere Krisen, die wir eindämmen, zurückdrängen und bekämpfen müssen. Die eine – die Klimakrise – ist schon ausführlich von meinen Vorrednern gewürdigt worden: Der Klimawandel muss eingedämmt und zurückgedrängt werden. Die Folgen müssen bewältigt werden. Das andere Thema ist der beispiellose Rückgang der Artenvielfalt in Deutschland. Das ist eine Krise, die nicht so oft im Vordergrund steht, die aber erstens kurzfristige Wirkung zeigt und zweitens auch in ihrer Bedeutung nicht minder schwergewichtig ist. Deswegen freue ich mich, dass die Frau Landwirtschaftsministerin mittlerweile da ist. Frau Klöckner, ich kann es Ihnen nicht ersparen, ich möchte Sie auch an dieser Stelle heute wieder auffordern: Bitte lösen Sie die Bremse beim Thema Insektenschutz. ({2}) Wir haben im Koalitionsvertrag eine entsprechende Vereinbarung getroffen, dass wir diese Krise angehen wollen. ({3}) Schon im Sommer 2018, vor mehr als zwei Jahren, haben Sie im Kabinett die nötigen Grundsatzbeschlüsse gefasst, mit denen Ihnen und der Umweltministerin jeweils ein Päckchen Hausaufgaben mitgegeben wurde. Ich bin dankbar, dass Frau Schulze ihre Hausaufgaben gemacht hat ({4}) und einen Entwurf für ein Insektenschutz-Gesetz vorgelegt hat, der das Parlament leider noch nicht erreicht hat, ({5}) weil dies – das ist der Punkt, der Ihnen wehtun wird – vom Landwirtschaftsministerium blockiert wird. Der zweite Punkt – und das ist noch viel schlimmer – ist, dass Sie beim Aktionsprogramm Insektenschutz Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Sie haben noch nicht einmal Gesetzentwürfe vorgelegt. Es wird langsam allerhöchste Zeit, damit wir das Problem noch gemeinsam bewältigen können. Deswegen meine herzliche Bitte an dieser Stelle: Lösen Sie die Bremse, und sorgen Sie dafür, dass das gesamte Aktionsprogramm Insektenschutz oder wenigstens die Teile des Umweltministeriums sehr bald das Parlament erreichen, damit wir sie hier debattieren und dann auch beschließen können. ({6}) Es freut mich, dass wenigstens das Parlament seine Hausaufgaben machen konnte. Wir haben die Mittel für das Bundesprogramm „Biologische Vielfalt“ kräftig aufgestockt. Herr Gädechens, Sie haben vorhin gesagt, dass nur die CDU/CSU das vorangetrieben hat. Einigen wir uns darauf: Wir haben es gemeinsam hingekriegt. ({7}) Ich freue mich, dass es jetzt 45 Millionen Euro sind. 2013 waren es noch 15 Millionen Euro, und es gab viele Fragezeichen, ob die Mittel überhaupt abfließen. Mittlerweile sind es 45 Millionen Euro, die Mittel fließen gut ab, und deswegen stehen sogar 20 Millionen Euro zusätzlich für die Zukunft in Rede. Das ist, finde ich, eine gute Entscheidung im Rahmen dieses Haushalts. Eine weitere gute Entscheidung – auch sie hat mit Artenschutz zu tun – ist, dass wir beim Thema Wolf noch mal 300 000 Euro für Forschungsprogramme bereitstellen, um die Detailfrage zu klären: Wie kann man Herdenschutz auf Deichen und auf Almen besser organisieren? Wir haben hier in diesem Haus schon oft über das Thema Wolf debattiert. Ich freue mich, dass er wieder da ist; eine in Deutschland heimische Art ist zurückgekehrt. Aber natürlich gibt es auch Probleme im Zusammenhang mit der Rückkehr des Wolfes. Die Lösung dieser Probleme besteht nicht darin, dass wir den Wolf wieder ausrotten, sondern darin, dass wir guten Herdenschutz betreiben. Ich freue mich, dass es dazu positive Nachrichten aus Sachsen gibt, wo das schon besser funktioniert als in den letzten Jahren. Das ist der Beweis dafür: Wenn wir Herdenschutz ordentlich betreiben, dann wird er in Zukunft auch besser funktionieren. Deswegen ist es gut, dass wir dieses Forschungsprojekt aufgesetzt haben. ({8}) Ich schließe mit einem Dank an die Tierschützer in Deutschland, an die Tierschutzvereine und an den Deutschen Tierschutzbund. Auch sie sind von der Coronakrise betroffen. Die Ehrenamtlichen können nicht mehr so arbeiten wie gewohnt; die Einnahmen sind weggebrochen. Wir alle wissen, dass Tiere treue und wichtige Begleiter für die Menschen in dieser Krise sind. Deswegen ist es richtig, dass wir hier 5 Millionen Euro bereitstellen, um die Krisenfolgen abzustellen. Herzlichen Dank für diesen Haushaltsentwurf! Vielen Dank. ({9})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Träger. – Ich muss mich korrigieren: Es war vorhin nicht der Kollege Houben aus der FDP-Fraktion, sondern der Kollege Busen, der glaubte, dass ein Handy ein Mundschutz sei. Nächster Redner ist der Kollege Dr. Klaus-Peter Schulze, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Klaus Peter Schulze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004406, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Bevor ich zum Thema komme, möchte ich noch mal kurz auf das eingehen, was der erste Redner, Herr Hohmann, uns hier vorgetragen hat. Er hat von „heißer Luft“ gesprochen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass es einen engen Zusammenhang zwischen Lufttemperatur und Photosyntheseleistung gibt – den kennen Sie vielleicht nicht –: Wenn die Temperatur dauerhaft über 25 Grad beträgt, wird die Photosynthese eingestellt, also die Grundlage allen Lebens auf dieser Erde. Daran sollte man sich bei allen unterschiedlichen Auffassungen zum Klimathema zurückerinnern – neunte Klasse, zweites Halbjahr. ({0}) Gestatten Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass ich meine Rede mit einem Projekt aus meinem Wahlkreis beginne; es kommen noch zwei weitere. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den beiden Haushältern von der CDU/CSU und von der SPD dafür bedanken, dass das Bundesamt für Strahlenschutz – eine Außenstelle wird ja in Cottbus angesiedelt – personell verstärkt wird. Hier wird die Bundesregierung also das Versprechen im Zusammenhang mit dem Strukturwandel halten und die entsprechenden Stellen schaffen. Diese neue Außenstelle des Bundesamtes wird sich auch mit dem Thema Insektenschutz zu befassen haben. Es gibt mittlerweile wissenschaftliche Untersuchungen, die davon ausgehen, dass magnetische Felder auch einen Einfluss auf die Fortpflanzungstätigkeit und auf den Stoffwechsel von Insekten haben; dazu gibt es eine ganze Reihe von Studien. Deshalb haben wir an dieser Stelle sozusagen etwas für die Insektenforschung getan. Das Thema Auenrenaturierung haben zwei Kollegen hier schon sehr intensiv angesprochen. Ich bin zwar froh, dass wir die finanziellen Mittel dafür aufstocken konnten, möchte an dieser Stelle aber darauf hinweisen, dass das alles nicht so einfach wird. Die Widerstände von Bürgerinitiativen und anderen gegen solche Maßnahmen sind ungebrochen. Da kann ich ein gutes Beispiel nennen. Wir hatten die Gelegenheit, uns mit der Parlamentarischen Gruppe „Frei fließende Flüsse“ im vergangenen September – Frau Kollegin Lemke war mit dabei; sie hat es eigentlich organisiert – an der Unteren Havel ein Paradebeispiel dafür anzuschauen, wie man die Bevölkerung mit einbezieht, Akzeptanz gewinnt und ein ganz tolles Projekt umsetzt. Ich möchte mich an dieser Stelle auch beim Projektträger NABU ganz herzlich bedanken, dass er das mit großem Enthusiasmus über viele Jahre vorantreibt. Das ist ein gutes Beispiel in Deutschland. ({1}) Das Thema Biodiversität ist ebenfalls schon genannt worden. Der Rückgang der Artenvielfalt ist ein Thema, das uns alle berührt. Ich freue mich, dass es jetzt auch die Haushälter erreicht hat und diese sich sehr stark dafür eingesetzt haben. Ich glaube, wir konnten den verfehlten Ansatz des Umweltministeriums deutlich verbessern. Danke dafür! ({2}) Wenn man über Biodiversität spricht, dann muss man auch einmal auf die Teichwirtschaften schauen. Es gibt 25 000 Hektar davon in Deutschland; 1 600 Hektar liegen in meinem Wahlkreis. Sie sind akut gefährdet, und zwar nicht nur, weil wir weniger Niederschläge haben, sondern – wie bei mir in der Region – auch durch den Kohleausstieg, weil das gehobene Grubenwasser fehlen wird; Herr Lenkert ist auf diese Problematik schon eingegangen. ({3}) Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass unser damaliger Umweltminister Klaus Töpfer bereits Anfang der 90er-Jahre ein entsprechendes Projekt aufgelegt hat und im Juli 1994 hier im Deutschen Bundestag – nicht hier, sondern in Bonn – dieses Thema debattiert wurde. Es gibt dazu eine dicke Drucksache, und ich hätte eigentlich erwartet, dass man am Tag des Beschlusses zum Kohleausstieg, am 3. Juli 2020, nachdem man 25 Jahre lang über dieses Thema debattiert hat, eine Unterlage mit einreicht und sagt: So werden wir das Thema Wasserhaushalt in den Griff bekommen. – Das ist leider nicht geschehen. Ich bedanke mich ein zweites Mal bei den Kollegen Gädechens und Hakverdi dafür, dass sie bereits im vergangenen Jahr 400 000 Euro für die Forschung eingestellt haben, und beim Umweltministerium dafür, dass der Auftrag am 30. September erteilt wurde. Auch mit dem Haushalt 2021 stehen weitere 200 000 Euro zur Verfügung. Ich prognostiziere: Das wird nicht reichen. Es werden in den nächsten Jahren weitere Mittel bereitgestellt werden müssen. Wie auch in den vergangenen Jahren werden wir trotz der angespannten Haushaltssituation NGOs, die vor allen Dingen im Bereich Naturschutz unterwegs sind, unterstützen. Ich möchte an dieser Stelle noch mal daran erinnern, dass der Naturschutz größtenteils von Ehrenamtlichen getragen wird. Ohne die kleine finanzielle Unterstützung, die wir aus dem Haushalt geben, wäre deren Arbeit sicherlich noch schwerer. Aber ich muss feststellen, dass es auch NGOs gibt, die Steuermittel über den Bundeshaushalt erhalten, aber mit Fehlmeldungen, Fake News und Unwahrheiten die Bevölkerung verunsichern. Ich komme letztmalig in meiner Rede an dieser Stelle auf meinen Wahlkreis zurück. Im Zusammenhang mit dem Kohleausstieg müssen neue Kapazitäten zur Beseitigung von Abfällen, sprich: Verbrennungsanlagen, errichtet werden; denn etwa 1,5 Millionen Tonnen Abfälle, die in Deutschland anfallen, werden in Kohlekraftwerken mit verbrannt. Es gibt Unternehmen, die solche Anlagen jetzt errichten wollen, und das ruft die Deutsche Umwelthilfe auf den Plan. Sie stellt sich in öffentlichen Bürgerversammlungen hin und sagt erstens: Brauchen wir nicht. – Falsch! In einer Anhörung des Wirtschaftsausschusses haben die kommunalen Spitzenverbände gesagt, dass wir neue Verbrennungsanlagen brauchen. Zweitens sagt die Deutsche Umwelthilfe: Die Verbrennungsanlage steht auf der grünen Wiese. – Falsch! Sie stünde im Industriegebiet. Drittens sagt sie: Man kann die Wärme nicht verwenden. – Auch falsch! Damit würden über 600 Wohnungen in Peitz sowie kommunale Einrichtungen versorgt; auch die Fernwärmeversorgung von Cottbus wäre sichergestellt. Ich bin der Auffassung: Wer mit solchen falschen Meldungen die Bevölkerung verunsichert, Briefe schreibt und dann noch sagt: „Bitte schickt das den Genehmigungsbehörden zu“, der dürfte aus meiner Sicht keine Steuermittel erhalten. Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Schulze. – Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Rüdiger Kruse, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Rüdiger Kruse (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004083, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Hohmann, Sie haben am Ende Ihrer Rede Psalm 90 angeführt – das ist ein Klagepsalm – und Vers 12 vorgetragen. In diesem Vers beklagt derjenige, der ihn vorträgt, den Mangel an Klugheit bei ihm selbst und in seiner Gruppe. ({0}) Das war ein sehr wohl gewählter Vers. Nun ist es Wesen dieses Klageverses, dass in ihm, so schlimm es auch sein mag, was der Petent vorträgt und beklagt, immer die Hoffnung auf Erlösung mitschwingt. ({1}) Es ist ja das Versprechen, das uns in der Bibel gemacht wird, dass man, wenn man in Demut umkehrt, dann auch Hilfe erfährt. ({2}) Wir alle haben die Hoffnung, dass dies auch Ihnen widerfährt. ({3}) So individuell und richtig dieser Vortrag war, sollten wir natürlich alle beherzigen, dass es ein weiter Weg zu wahrer Klugheit ist und dass wir nur in Demut darum bitten können. Vor zehn Jahren hat die UN das Recht auf Zugang zu sauberem Wasser zum Menschenrecht erklärt. Vor fünf Jahren – es ist schon angeführt worden – ist in Paris das Klimaschutzabkommen beschlossen worden. Und im September hat der Deutsche Bundestag auf Initiative der Koalitionsfraktionen beschlossen, dass Nachhaltigkeit Leitlinie unserer Politik sein soll. Natürlich hat das Recht auf sauberes Wasser als einzelnes Ziel – es ist eines der 17 Nachhaltigkeitsziele, genauso wie Klimaschutz eines ist – schon immer Verbindungen zu anderen Zielen gehabt, zum Beispiel zum Ziel „Gesundheit und Wohlergehen“. Es ist nicht vorstellbar, dass man gesund lebt, wenn das Wasser nicht in Ordnung ist. Und beim Klimaschutz gibt es natürlich die Verbindung zum Bereich „Saubere Energien“, aber auch zum Bereich „Industrie, Innovation und Infrastruktur“. Die Vernetzung der Einzelziele zu bedenken, ist die Leistung, die wir im September vollbracht haben, indem wir gesagt haben: Nicht die Einzelziele sind es, die uns nach vorne bringen; vielmehr müssen wir die Gesamtheit der Ziele beachten. In den Haushaltsberatungen tritt natürlich gerade bei diesem Haushalt immer wieder das Missverständnis auf, dass alles, was Umwelt betrifft, im Haushalt des Umweltministeriums geklärt werden müsste. Nein! In der vorhergehenden Debatte zum Haushalt des Wirtschaftsministeriums ging es um unwahrscheinlich viele Dinge, die, wenn man sie richtig macht, einen sehr guten Einfluss auf die Umwelt haben, aber wehe, man macht sie falsch, einen sehr negativen Einfluss auf die Umwelt haben. ({4}) Deswegen, Herr Kindler, ist es eben so wichtig, dass wir die Gesamtheit der Ziele sehen. Nun kann man natürlich sagen: Wo ist denn jetzt nach dem Reden und dem Beschluss im September der Ausfluss dessen, wo ist das Handeln? Ich will gar nicht auf einzelne Maßnahmen eingehen. Dieses Jahr war ja voll von Nachhaltigkeitsprogrammen. Erinnern Sie sich an den Sommer: Allein der Startschuss für die Wasserstoffstrategie ist mit einer solchen Kraft erfolgt. Wir haben ja mit unserem Partner Frankreich ein weiteres Land, das fast in derselben Höhe in die gleiche Richtung investiert. Das ist also eine gewaltige Entwicklung, die wir in diesem Krisenjahr auf den Weg gebracht haben. Es gibt eine ganz kleine Stellgröße, die wir mit unserem Beschluss ändern: Wir werden beim Normenkontrollrat vier Stellen einrichten. Sie wissen in etwa, über wie viele Hundert Stellen wir hier abschließend beschließen werden. Darunter sind vier Stellen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung – das sind vier Stellen, die unsere Arbeit definitiv verändern werden. Das haben wir gemacht, weil wir wollen, dass wir für unsere Beratungen eine Vorlage haben, ähnlich einem Berichterstattungssystem, wie man es von Firmen kennt, mit der wir Eckwerte dafür bekommen, inwiefern unsere Strategie umgesetzt wurde, ob wir den richtigen Kurs gewählt haben. Das haben wir bisher nicht. Wir haben beim Thema Haushalt – und Sie wissen, dass ich das in den letzten Debatten auch immer angeführt habe – gewisse Indikatoren wie Mittelabfluss, Verschuldungsrate, Verpflichtungsermächtigung, mittelfristige Finanzplanung; aber wir wissen nicht, wie sich unsere Maßnahmen auf die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele ausgewirkt haben. Mit dieser Entscheidung holen wir uns als Parlament die Möglichkeit ins Haus, in den Haushaltsberatungen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das bedeutet, dass wir zum Abschluss – das ist ja der letzte Haushalt, den wir in dieser Legislatur beschließen – eine Weichenstellung für die nächsten Jahre vorgenommen haben, für eine lange Phase der Transformation. Das ist es, was wir hier jetzt einleiten. Man kann natürlich zurückblicken und sagen: Vor zehn Jahren ist das Grundrecht auf sauberes Wasser beschlossen worden. Zehn Jahre sind in einem Menschenleben schon eine lange Zeit. – Auch da gilt ja der Appell, dass wir bedenken müssen, dass wir sterblich sind. Das heißt, unsere Zeit ist endlich. Wenn es also Herausforderungen gibt, die in der Endlichkeit dieser Zeit zu lösen sind, dann muss man sich diesen zügig stellen. Das, glaube ich, haben wir in dieser Legislatur zum Schluss geschafft. Die Tatsache, dass der Bundestag zwei Tage nur über Nachhaltigkeit diskutiert hat – es war übrigens das erste Mal, dass das Parlament entschieden hat, Debattentage zu einem einzigen Thema anzusetzen –, findet ihre Berechtigung darin, dass wir auch entsprechende Beschlüsse fassen, nicht nur im Einzelnen, indem wir konkret im Haushalt Maßnahmen angestoßen haben, die die Zukunftsfähigkeit dieses Landes steigern, sondern auch in der Form, dass wir uns ein Berichterstattungsprinzip geben, dass wir uns die Möglichkeit verschaffen, zu kontrollieren, ob unsere Vorhaben, unsere Zielsetzungen tatsächlich in jedem Jahr mit jedem Schritt in den Haushaltsberatungen erreicht werden. Das ist ein großer Erfolg von uns allen und ein Indiz dafür, dass wir auch in dieser Legislatur ein Stück weit klüger geworden sind. Herzlichen Dank. ({5})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Kruse. – Damit beende ich die Aussprache zu diesem Einzelplan.

Dr. Birgit Malsack-Winkemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004813, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Es ist wie eh und je: Während die Bauern in Deutschland kaum mehr wissen, wie sie aufgrund der ruinösen Milch-, Butter- und Fleischpreise über die Runden kommen, genehmigen sich das BMEL und seine Institute alle Jahre wieder höhere Geldspritzen vom Steuerzahler und wissen oft gar nicht mehr, wie sie das Geld ausgeben sollen. Deshalb steigen die Ausgabereste gerade in diesem Ministerium stetig an und erreichten mit knapp 612 Millionen Euro in diesem Jahr einen vorläufigen Höhepunkt. Zum näheren Verständnis: Übertragbare Ausgabereste stehen auch für das Jahr nach der Zuteilung zur Verfügung, und der Clou daran ist: Diese Reste müssen im Haushaltsplan des nächstfolgenden Jahres nicht gesondert ausgewiesen werden. Undurchsichtigkeit und Intransparenz des Haushaltsplans sind daher die Folge. Manche sprechen deshalb sogar von schwarzen Kassen. ({0}) Zusätzlich zu diesen, nennen wir es einmal: „verborgenen Geldern“ kommen die offiziellen jährlichen Erhöhungen des Etats, allein von 2018 bis 2021 von 6 Milliarden Euro auf 7,7 Milliarden Euro, also innerhalb von drei Jahren um satte 28 Prozent, wobei die Etatsteigerung von 2019 bis 2021 jährlich 11 bzw. 10 Prozent betrug. Welcher Arbeitnehmer kann eine Steigerung von jährlichen 11 bzw. 10 Prozent bei seinem Lohn bejubeln? Und wohlgemerkt: Die „verborgenen Gelder“ über die Ausgabereste sind hierbei noch nicht einmal berücksichtigt! Besonders abstoßend tat sich das Max-Rubner-Institut hervor. Dieses zeichnete sich dadurch aus, dass es aus nicht benötigten Forschungsmitteln der EU zwei Töpfe einrichtete, die der Verfügung des Präsidenten und der Verwaltung unterstanden. Diese Töpfe hatten zwischenzeitlich ein Volumen von 1,2 Millionen Euro angesammelt, die man irgendwie loswerden musste. Was geschah? Das Max-Rubner-Institut zahlte hieraus Ausgaben für Repräsentation, interne Feierlichkeiten, Geschenke, Tagungen und Dienstreisen. Der Präsident genehmigte sich also mit nicht ausgegebenen Forschungsmitteln einen, nennen wir es einfach: „Repräsentationsfonds“, der den ihm hierfür offiziell zugewiesenen Betrag um ein Vielfaches überstieg – und das alles, während unsere Bauern um ihr Überleben kämpfen, weil sie einem ruinösen Preisdruck auf ihre Waren ausgesetzt sind. Dabei brauchen wir gerade unsere Bauern, um unsere Ernährung in Deutschland sicherzustellen. ({1}) Sie glauben es nicht? Nun, was könnte denn passieren, wenn diese Regierung nach dem gegenwärtigen zweiten faktischen Lockdown einen dritten, vierten oder gar fünften Lockdown ausruft – angeblich, selbstverständlich, um die Gesundheit und das Leben unserer Bevölkerung zu schützen? Glauben Sie wirklich, dass es dann noch Kiwis aus Neuseeland oder Orangen aus Israel gibt? Nein, schauen Sie sich in den Supermärkten um. Denn dann stellen Sie fest, wie wenig einheimische Produkte in den Regalen stehen. Stellen Sie sich weiter vor, dass die Lieferketten durch diese Lockdowns unterbrochen werden. Nur eine Unterbrechung an einer Stelle der Kette reicht. ({2}) Jetzt denken Sie vielleicht, Frau Klöckner habe für diesen Fall sicher vorgesorgt. Pustekuchen! Das BMEL betreibt eine Ernährungsnotfallvorsorge. Dies ist eine Notfallbevorratung, bei der das BMEL ausschließlich zur Weiterverarbeitung vorgesehene Lebensmittel wie Mehl und Zucker an verschiedenen Standorten in Deutschland in unterschiedlich großen Mengen lagert. Und es ist nicht zu glauben: In der Vergangenheit wurde die eingelagerte Ware, für die seit 2012 jährlich zwischen 13 und 21 Millionen Euro ausgegeben wird, wegen angeblich knapper Haushaltsmittel nicht im erforderlichen Umfang turnusmäßig umgewälzt und verkauft. Kurz gesagt: Der Notvorrat ist alt und muss nächstes Jahr zum großen Teil verkauft, besser gesagt: verschleudert werden. ({3}) Der Bundesrechnungshof hat als Ergebnis festgestellt, dass eine sachgerechte Bevorratung der Bevölkerung nicht sichergestellt ist. Wenn die bestehenden Vorräte gleichmäßig auf die gesamte Bevölkerung verteilt würden, entfielen auf jeden Einwohner – und jetzt halten Sie sich alle fest – Vorräte im Wert von 3,25 Euro, die zudem aufwendig weiterverarbeitet werden müssten. Frau Klöckner, mit dieser Art der Notfallreserve haben Sie für den Fall eines wirklichen Notfalls den Grundstein für Hungersnot und Bürgerkrieg gelegt. ({4})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Christian Haase, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Christian Haase (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004286, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beschließen in dieser Woche den Bundeshaushalt 2021. Es ist kein Haushalt wie jeder andere. Die Coronakrise stellt uns in den nächsten Jahren vor Herausforderungen, die weit über die der Finanzkrise vor einem Jahrzehnt hinausgehen. Auch wenn alle staatlichen Ebenen davon betroffen sind, trifft es – aus finanzieller Sicht – den Bund besonders schwer. Allein die Tilgung der aufgenommenen hohen Kredite ist eine große Vorbelastung für zukünftige Haushalte und schränkt politische Gestaltungsspielräume ein. Gleichzeitig erholen sich die erwarteten Steuereinnahmen auf der Bundesebene am langsamsten, sodass wir weitere Coronahilfsmaßnahmen im neuen Jahr unter dem Stichwort „Lastenverteilung zwischen Bund und Ländern“ neu justieren müssen. ({0}) Meine Damen und Herren, schauen wir auf unseren Haushalt. Die Coronakrise hat auch die Landwirtschaftsbranche stark unter Druck gesetzt. Zurzeit trifft es die Schweinehalter besonders hart. Das Ganze findet vor dem Hintergrund vielfältiger, immer rasanter werdender Veränderungsprozesse in der Landwirtschaft statt. Zu nennen sind der europäische und internationale Wettbewerb, die steigenden Anforderungen im Natur- und Landschaftsschutz, die Auswirkungen des Klimawandels, die weltweit steigende Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Lebensmitteln, Herausforderungen durch Tierkrankheiten, gestiegene gesellschaftliche Anforderungen im Umgang mit Nutztieren und dem Tierwohl und letztlich die Wettbewerbsstellung im Lebensmittelmarkt. Zudem assoziieren viele, auch Fraktionen in unserem Hause, die Landwirtschaft mit Tierquälerei und Umweltsündern oder Leuten, die nachts auf Feldern arbeiten, um absichtlich die Bevölkerung zu stören. Was ist die Antwort darauf? Man hat manchmal den Eindruck, dass einige Politikerinnen und Politiker die Landwirtschaft in Deutschland beenden wollen. ({1}) Das ist nicht meine Antwort. Das ist nicht die Antwort von CDU und CSU. ({2}) An einer Antwort müssen aber alle mitwirken. Die Bäuerinnen und Bauern sind bereit, auf aktuelle Herausforderungen zu reagieren. Nach wie vor reizt junge Menschen der verantwortungsvolle Umgang mit Tieren und Pflanzen, das hautnahe Erleben der Jahreszeiten und die Eigenständigkeit. Das ist gut so. Wir brauchen aber auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Offenheit für eine moderne, innovative und digitalisierte Landwirtschaft. Und Politik? Sie muss die Enden zusammenbringen, das heißt, Zielkonflikte lösen. Sie muss Veränderungsprozesse auf wissenschaftlicher Basis vorantreiben, Umstellungsprozesse flankieren und Rahmenbedingungen im Bereich des Tierschutzes, bei der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU oder bei der Düngung setzen. Was muss Politik noch? Sie muss Mut machen und nicht entmutigen, wenn wir in Deutschland eine Landwirtschaft haben wollen. ({3}) All das finden Sie im eingebrachten Haushalt des BMEL, sodass wir im parlamentarischen Verfahren nur marginale Ergänzungen vornehmen mussten. Der Schwerpunkt lag in der personellen Flankierung der Politikansätze. Ich will auf einige Punkte eingehen. Beispiel Digitalisierung. Bauernregeln waren gestern. Algorithmen und Hightech bestimmen heute schon die Arbeit auf den Feldern. Diese Entwicklung wollen wir weiter unterstützen; denn die Digitalisierung ermöglicht nicht nur mehr Effizienz und Wirtschaftlichkeit, sondern auch einen ressourcenschonenden Einsatz. Das schont Böden und das Trinkwasser. Im vorliegenden Haushalt sind insgesamt 63 Millionen Euro für die Förderung der Digitalisierung vorgesehen. Nun gibt es einen Schulterschluss mit dem Bundesforschungsministerium. Wir stellen über 40 Millionen Euro über fünf Jahre für den Aufbau eines Fraunhofer-Zentrums für Biogene Wertschöpfung und Smart Farming mit Standorten in Mecklenburg-Vorpommern und Bayern bereit. ({4}) Was soll da konkret passieren? Ich will Ihnen drei Beispiele nennen. Erstens. Der Anbau von Russischem Löwenzahn für die Gewinnung von Kautschuk ist ein gutes Beispiel für eine lokale Spezialkultur, die nicht mit den verfügbaren Ansätzen kultiviert werden kann. Die Herausforderung ist hier, dass der Löwenzahn, der sonst bekämpft wird, in diesem Fall die Nutzpflanze ist. Zweitens. Wir forschen zur Messbarkeit von Tierwohl. Über eine Videoüberwachung und die Erfassung von Vitaldaten mithilfe intelligenter Sensorik direkt am Tier können zuverlässige Aussagen zum Gesundheits- und Stresszustand gemacht werden. Drittens. Es wird ein automatisiertes Gewächshaus mit modernster Technologie entstehen. Dies bietet die einzigartige Möglichkeit, sowohl neue Agrartechnologien als auch neue Sorten unter Laborbedingungen zu testen. Damit lassen sich Pflanzenarten züchten, die gegen veränderte klimatische Bedingungen resilient sind. Mit so vielen innovativen Ideen will und wird Deutschland als Spitzenreiter auf dem Gebiet moderner Landwirtschaft glänzen. Meine Damen und Herren, sicherlich haben Sie in der letzten Woche und auch heute die Protestaktionen der Landwirte gegen die Preispolitik des Handels verfolgt. Sie zeigen, wie wichtig der Vorstoß unserer Ministerin Julia Klöckner zur Umsetzung der UTP-Richtlinie war. Wir verbieten damit unlautere Handelspraktiken. Wir unterstützen dies und stellen sechs neue Stellen zur Umsetzung und Überwachung der Einhaltung der Regeln bereit. 300 000 Euro stellen wir für ein Kompetenzzentrum für Weidetierhaltung zur Verfügung, um mit den Weidetierhaltern Antworten auf die Folgen der weiterhin rasanten Ausbreitung des Wolfes in Deutschland zu finden. Meine Damen und Herren, wichtig sind mir auch unsere Bundesforschungsinstitute, die die wissenschaftliche Vorarbeit leisten. Auch hier sorgen wir mit deutlichen Stellenaufwüchsen für noch mehr Expertise. Im Julius-Kühn-Institut wird zum Beispiel ein Institut für Waldgesundheit eingerichtet. Im Thünen-Institut stärken wir das Kompetenzzentrum Holzherkünfte. Der so beliebte Weihnachtsschmuck – die meisten werden ihn gerade zu Hause aufgestellt haben – ist häufig aus Holz, kommt aber in der Regel aus dem Ausland. Das Kompetenzzentrum in Hamburg arbeitet an verbesserten Methoden zur Bestimmung von Holzarten. So können wir falsche Angaben bei Holzimporten aufdecken und dem Handel mit illegal eingeschlagenem Holz einen Riegel vorschieben. ({5}) Mit zusätzlichen Stellen setzen wir zudem den Aufbau der Institute für Wirtschaft bzw. Lebensqualität im ländlichen Raum fort. „Ländlicher Raum“ ist im Übrigen ein gutes Stichwort. Im parlamentarischen Verfahren haben wir das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung um weitere 5 Millionen Euro verstärkt. ({6}) Zum Abschluss möchte ich noch auf das Thema Wald zu sprechen kommen. Wir alle wissen, wie stark die Wälder in den letzten Jahren gelitten haben: Sturm, Dürre, Schädlinge. Die Förderprogramme für den Wald, etwa in der GAK, sind sehr stark nachgefragt. Wir müssen andauernd Mittel umschichten, damit noch mehr Mittel fließen können. Das zeigt, wie groß die Not im Wald tatsächlich ist. Dabei ist der Wald doch der Schlüsselfaktor für unsere Klimapolitik. Daher haben wir die Mittel für die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe und den Waldklimafonds im parlamentarischen Verfahren noch einmal erhöht. ({7}) Meine Damen und Herren, dieser Haushalt weist in die Zukunft und ist durch die Anhebungen wieder ein Rekordhaushalt: 7,7 Milliarden Euro. Lassen Sie mich aber anmerken, dass wir nicht damit rechnen können, dass das so weitergeht. Wir werden uns in den nächsten Jahren als Bund auf unsere Aufgabenkompetenzen und ‑verantwortungen konzentrieren müssen. Wünsche nach immer neuen Bundesprogrammen werden nicht erfüllbar sein. Eines ist aber auch in Zukunft sicher: CDU und CSU stehen an der Seite der Bauern, Fischer und Waldbesitzer in Deutschland. Schönen Dank. ({8})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Herr Kollege Haase. – Als nächste Rednerin erhält das Wort die Kollegin Ulla Ihnen, FDP-Fraktion. ({0})

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im November 2019, als wir hier den Haushalt für 2020 beraten haben, demonstrierten nur wenige Meter entfernt Tausende Landwirte. Und auch während der heutigen Beratung machen Landwirte bundesweit mit Protesten auf ihre dramatische Situation aufmerksam. Wir müssen uns also fragen: Ist der Haushalt 2021 Ausdruck einer Politik, die mit den Landwirten gemacht wird, die Wertschätzung und verlässliche Bedingungen für die Landwirte bedeutet? Der Haushalt umfasst insgesamt 7,7 Milliarden Euro. Das ist viel Geld, aber Quantität ersetzt eben noch lange nicht Qualität. ({0}) Zwar gibt es jetzt die sogenannte Bauernmilliarde, dazu ein Stallumbauprogramm mit einem Volumen von insgesamt 300 Millionen Euro; aber die Landwirte sind nicht auf die Straße gegangen, um mehr Förderanträge zu stellen. ({1}) Am Horizont steht schon das Insektenschutz-Gesetz – das war ja bereits Thema, auch bei Frau Ministerin Schulze –, und damit drohen weitere Auflagen und Ertragseinbußen für die Landwirte. Wenn wir zukünftig in Deutschland noch eine leistungsfähige Landwirtschaft haben wollen, dann, so denken wir Freien Demokraten, müssen wir von einer Politik wegkommen, die immer neue Auflagen verhängt und so keine verlässlichen Produktionsbedingungen mehr bietet. Frau Ministerin, Sie haben in Ihrer Amtszeit ja durchaus einiges angepackt. Aber was, zum Beispiel, bleibt von Ihrer EU-Ratspräsidentschaft? Es gibt noch immer keine einheitlichen EU-weiten Produktionsstandards für unsere Landwirte. Was ist mit dem Subventionsabbau? Was ist mit dem Tierwohllabel, Ihrem Prestigeprojekt? Es steckt fest und könnte am Ende doch nicht kommen. Doch insgesamt wurden in dieser Wahlperiode bereits über 70 Millionen Euro dafür verplant. Und was ist mit der Afrikanischen Schweinepest? Den geplanten Schutzzaun haben Sie dieses Jahr nicht verwirklichen können, und genau dort, wo er geplant war, kam die ASP nach Deutschland. Jetzt sind Zigtausende Schweinehalter betroffen. Wir als Freie Demokraten haben im Haushaltsverfahren Anträge zur ASP gestellt. Leider wurden sie abgelehnt. Frau Ministerin, für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, GAK, stehen im Jahr 2021 gut 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung. Ein großer Teil der Mittel bleibt jedes Jahr ungenutzt. – Wollen Sie sich weiter unterhalten, Frau Ministerin, oder hören Sie mir zu? ({2}) – Vielen Dank. – Und nicht nur bei der GAK haben Sie große Probleme mit dem Mittelabfluss. Die Ausgabereste in Ihrem Ressort sind enorm. Problematisch ist auch, was und wie innerhalb der GAK gefördert wird; darauf hat uns der Bundesrechnungshof hingewiesen. Bereits vier Ministerien befassen sich mit der Elektromobilität, und nun ist auch Ihr Haus noch in die zweckfremde Förderung von Ladeinfrastruktur über die GAK verwickelt. Frau Ministerin, Deiche sind die Seismografen für eine gute Nutzung der GAK, nicht Ladesäulen. Im Haushalt wurden die Fördermittel für den Wald aufgestockt; der Kollege Haase hat darauf hingewiesen. Insgesamt stehen 700 Millionen Euro für 2020 und 2021 zur Verfügung. Das ist gut, aber auch nur dann, wenn das Geld für den Wald aus allen Fördertöpfen und Titeln schnell abfließt. Um dem Wald und den Waldbauern zu helfen, hatten wir Freie Demokraten beantragt, der Bund solle Schadholz ankaufen. Diese wirklich naheliegende Lösung ist leider abgelehnt worden. Zusammengefasst: Wir Freien Demokraten lehnen den Haushalt ab, weil er aus unserer Sicht falsche Prioritäten setzt. Aus unserer Sicht fehlt der Plan für eine gute Zukunft unserer Landwirte, der zukunftsweisende Gestaltungswille. Dieser Haushalt ist alles: ein bisschen international, ein bisschen digital, ein bisschen punktuell, ein bisschen strukturell und insgesamt aus unserer Sicht ein bisschen ziellos. Frau Ministerin, schon Laotse hat gesagt: Wer kein Ziel hat, kann auch keines erreichen. Herzlichen Dank. ({3})

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Vielen Dank, Frau Kollegin Ihnen. – Karneval fällt ja aus dieses Jahr; aber ich kann aus eigener Anschauung bestätigen, dass „Ritterin Julia“ multitaskingfähig ist, ({0}) wie die meisten Frauen, die ich kenne – im Gegensatz zu Männern. ({1})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ja, sehr wahr.

Wolfgang Kubicki (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001235

Ist klar, Frau Präsidentin Roth. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Susanne Mittag, SPD-Fraktion. ({0})

Susanne Mittag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004355, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

So, wen spreche ich denn jetzt an?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Mich, also „Frau Präsidentin“!

Susanne Mittag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004355, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit einem Gesamtvolumen von 7,66 Milliarden Euro ist der Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft so groß wie noch nie. Insbesondere die Unterstützung der Forstwirtschaft macht einen großen Anteil des Gesamtvolumens aus. Aber als größter Posten sind Ausgaben für die landwirtschaftliche Sozialpolitik in Höhe von 4,2 Milliarden Euro fest eingeplant. Damit steht für die eigentlichen, gestalterischen Aufgaben ein eher kleiner Teil des gesamten Etats zur Verfügung. Die Möglichkeiten, denke ich, sind dafür aber gut genutzt. Und so freut es mich, dass mehr für Gesundheit – es mag ja überraschend sein, aber es heißt „Ernährung und Landwirtschaft“ –, also für Mensch und Tier, getan wird: Zum einen werden 15 Millionen Euro für Maßnahmen zur Förderung ausgewogener Ernährung zur Verfügung gestellt, sodass gesundes Frühstück in Kitas und Schulen sowie Projekte der Tafeln finanziert werden können. Aber natürlich liegt mein Blick als Tierschutzbeauftragte besonders bei dem Thema Tier. Die kommenden Monate und Jahre werden für die zukünftige Ausrichtung der Nutztierhaltung in Deutschland ganz entscheidend sein. Auch dazu trägt dieser Haushalt bei. ({0}) Es herrscht hochgradig Handlungsbedarf im Bereich Tierwohl in der gesamten Nutztierhaltung, aber auch wegen des Beitrags der Nutztierhaltung zum Klimaschutzprogramm und auch zu einer planungssicheren Zukunft der Landwirte. Wichtige Forschungsergebnisse und damit Handlungsempfehlungen – das ist teilweise schon erwähnt worden – liefern uns die bundeseigenen Forschungseinrichtungen Friedrich-Loeffler- und Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut, die auch im kommenden Jahr finanziell wieder gut ausgestattet werden, besonders in heutigen Zeiten, wo Zoonosen und Viren – die Themen sind wirklich nah dran – mehr als aktuell sind. Die Erkenntnisse müssen dann aber auch von der Politik aufgenommen und politisch umgesetzt werden. Die Bundesforschungsinstitute beschäftigen sich auch mit Fragen, wie sich unsere Gesellschaft die Tierhaltung vorstellt und wie Tierhaltungssysteme zukünftig aussehen müssen, um dem Tierwohl und dem Klimaschutz gerecht zu werden. Mit dem beschlossenen Klimaschutzprogramm 2030 hat sich das Bundeslandwirtschaftsministerium verpflichtet – das gilt natürlich auch in der Tierhaltung –, CO2, Methan und Lachgas einzusparen. Das geht nur mit modernen Ställen, mit einem guten Außenklimamanagement, Luft, Licht, geringerer Besatzdichte und Tiergesundheitsdatenbanken. Ein Schritt möglicher Verbesserungen im Stallbau ist zum Beispiel das Bundesprogramm Nutztierhaltung, das mit 38 Millionen Euro ausgestattet ist. Daraus sollen unter anderem die Ställe der Zukunft, besonders im Bereich Rind und Geflügel, finanziert werden. Die Zukunft der Tierhaltung und dazugehörige Ställe hängen ganz entscheidend von den Ergebnissen der Arbeitsgruppen der Borchert-Kommission ab, die zum Jahresanfang vorliegen sollen, um noch vor Ende der Wahlperiode – jawohl, ich bin optimistisch – die Umsetzung eines verpflichtenden Tierwohllabels für alle drei Nutztierarten zu verwirklichen. Da ist noch Luft nach oben. ({1}) Viel Zeit bleibt da nicht. Wie anfällig unser System der Nutztierhaltung ist, haben die Coronapandemie mit ihren Auswirkungen auf die Schlachtindustrie – ist auch schon erwähnt worden – und die Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest, kurz ASP, gezeigt. Die Vogelgrippe lauert im Übrigen auch schon. In Sachen ASP werden im Bundeshaushalt übrigens immer noch ausreichend Gelder vorgehalten, um jederzeit weitere notwendige Maßnahmen ergreifen zu können. Aber Verbesserungen nicht nur bei Schwein, Rind und Geflügel sind notwendig, Unterstützung wird es im kommenden Jahr auch wieder für die Weidetierhaltung – ist schon erwähnt worden – geben, vor allem aus der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“. Daraus soll auch Regionalisierung von Schlachthöfen gefördert werden. Ich denke, die Einsicht in diese Notwendigkeit ist inzwischen auch überall angekommen. 750 000 Euro gibt es für die Unterstützung der Wanderschäfer beim Schutz der Schafe vor dem Wolf. Eine breitere Aufstellung wäre auch schön gewesen, aber das ist immerhin etwas. Und 300 000 Euro gibt es für das Kompetenzzentrum Weidetierhaltung und Wolf; mein Kollege Carsten Träger hat es schon erwähnt, Herr Haase auch. Trotzdem sind die kleinen Weidetiere bei Förderungen immer noch massiv benachteiligt und müssen in Zukunft stärker unterstützt werden. Sie haben eine wichtige ökologische Funktion, sind beliebt – werden gern gesehen, werden aber auch gern gegessen –; aber für den Halter sind sie wirtschaftlich gesehen absolut katastrophal. Im Etat geht es aber nicht nur um Nutztiere. Einen kleinen Posten wird es in diesem Jahr neu im Haushalt geben: So soll es zukünftig möglich sein, aus dem Bereich für Digitalisierung in der Landwirtschaft die Anschaffung von Drohnen mit Infrarotsensor zu fördern. Damit können zum Beispiel Hegeringe vor der Mahd nach Rehkitzen suchen und diese auch finden. ({2}) Damit können später – im Rahmen des Klimawandels – auch Brandherde im Wald ausgemacht werden. Bei allen technischen Gerätschaften am Mäher ist die Effizienz von Drohen unübertroffen. Sie sind zum Beispiel auch geeignet, Wildschweine in ASP-Sperrgebieten ausfindig zu machen. Eine coronabedingte Besonderheit gibt es in diesem Jahr in diesem Haushalt: Mit 5 Millionen Euro soll den knapp 600 Tierheimen in Deutschland geholfen werden. Das ist sehr außergewöhnlich. Aber ich freue mich sehr, dass wir den engagierten Betreibern und Unterstützern von Tierheimen mit dieser finanziellen Förderung zeigen können, dass wir ihren Beitrag zum Tierschutz und letztendlich auch für die Menschen wertschätzen. ({3}) Sie haben keine finanziellen Puffer. Wir haben viel diskutiert, und die Haushälter haben eine kreative Lösung gefunden; das hat mein Kollege Carsten Träger auch schon gesagt. Und, jawohl, Landwirtschaft und Umwelt können auch zusammenarbeiten. Das hat hier super geklappt. Ich möchte dafür auch unserem SPD-Haushälter Uli Freese dafür danken, dass er das mit reinverhandelt hat. ({4}) Zum Schluss kümmern wir uns aber auch um die ganz Kleinen: 35 Millionen Euro gehen in den Insektenschutz. Deren Wichtigkeit dürfte hier auch nicht mehr strittig sein. Ich denke, das ist alles in allem ein Haushaltspaket, das in die richtige Richtung weist, gute Ansätze zeigt, aber auch zeigt, dass das erforderliche Invest in die ernährungs- und landwirtschaftliche Zukunft in den nächsten Jahren noch ganz erheblich sein wird. Herzlichen Dank. ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Susanne Mittag. Einen schönen Tag von mir Ihnen, liebe Kollegen und Kolleginnen! – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Heidrun Bluhm-Förster. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin! Die Kollegin Mittag vor mir hat es bereits ausgeführt: Der Haushalt des Einzelplans 10 ist leicht aufgewachsen, aber vor allem bei der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. In den anderen Bereichen hat der Haushalt sich nicht wesentlich verändert, außer beim Wald; dazu wird aber meine Kollegin Frau Tackmann nachher noch etwas sagen. Wir haben aber auch keine gravierenden Kürzungen. Insofern ist die Frage: Ist das nun gut, oder ist das schlecht? Gut ist, dass wir am Ende der Woche einen Haushalt für diesen Einzelplan haben werden. Nicht so gut ist, dass es nicht gelungen ist, ihn mit der Landwirtschaft und mit der Umwelt so abzustimmen, dass wir alle gemeinsam mit diesem Etat dann auch zufrieden wären. ({0}) Um sozial, ökologisch und ökonomisch eine nachhaltige Wirkung vor allem für die ländlichen Räume zu erreichen, müssen auch hier alle an einem Strang ziehen. Auch das läuft aus unserer Sicht noch nicht so gut. Jüngste Pressestimmen zum Dritten Bericht der Bundesregierung zur Entwicklung der ländlichen Räume gehen in eine deutliche Richtung. Zum Beispiel sagt die „Hessische Allgemeine“ zu diesem Bericht: Förderprogramme zur Unterstützung ländlicher Regionen gibt es mehr als genug. … An Geld mangelt es nicht. Trotzdem kann von einer Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse keine Rede sein. … Der Fehler scheint im System zu liegen. … So wichtig zweckgebundene Förderprogramme von EU und Bund und Ländern auch sind, gehen sie häufig an den spezifischen Bedürfnissen vor Ort vorbei. Der „Tagesspiegel“ hält fest, dass „viel Geld“ „ungenutzt liegenbleibe. … Unter anderem, weil die Förderkriterien des Bundes und einiger Länderprogramme nicht wirklich zusammenpassen“. Und auch das Berlin-Institut stellt fest: An dem Anspruch, regionale Lebensbedingungen und Teilhabechancen in eine ausgewogene Balance zu bringen und sie damit unabhängiger vom konkreten Wohnort und Lebensmittelpunkt der Bevölkerung zu machen, ist die Mehrzahl der Förderprogramme trotz der bislang guten finanziellen Rahmenbedingungen gescheitert. Die Konsequenz ist also klar, meine Damen und Herren: Kein Unternehmen wird sich in einer Region niederlassen, in der das Internet langsam und die Infrastruktur lückenhaft ist. Darüber hinaus sind Kommunen immer mehr von Fördermitteln als Finanzierungsinstrument für kommunale Investitionen abhängig: Mittlerweile sind 27 Prozent aller Kommunen in Deutschland nicht mehr aus eigener Kraft in der Lage, zu investieren. 2016 waren es nur 17 Prozent, was auch schon schlimm genug war. Ohne Fördermittel von EU und Bund oder auch von den Ländern geht also schon lange nichts mehr. Darüber hinaus mangelt es den Gemeinden mittlerweile auch an ausreichenden Kompetenzen, ihre Belange selbst in die Hand zu nehmen. Solange sich daran nichts ändert und solange die Kommunen das auch für sich nicht im ländlichen Raum klären können, bleiben sie weiter am Tropf der Länder und sind von kommunaler Selbstverwaltung Galaxien entfernt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 23. November 2020 erreichte uns alle der Bericht des Bundesrechnungshofes zur Mittelverwendung des BMEL. Insbesondere haben sie die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ untersucht. Um es vorwegzunehmen: Dieser Bericht ist verheerend. Dass die GAK einen dringenden Reformbedarf hat, das sagen nicht nur die Länder, auch meine Fraktion hat das seit vielen Jahren hier immer wieder vorgetragen. ({1}) Im Bericht des Bundesrechnungshofes heißt es unter vielem anderem, dass das BMEL seine Aufgabe weitgehend auf die Zuweisung von Mitteln an die Länder beschränkt, ohne innerhalb des Rahmenplanes deren wirtschaftliche Verwendung vorzugeben. Darüber hinaus habe es das BMEL versäumt, Ziele hinreichend zu definieren oder Indikatoren zu bilden, womit es unmöglich werde, Rechenschaft darüber abzulegen, ob die Förderung notwendig oder wirtschaftlich war. Damit seien Fehlentwicklungen nicht rechtzeitig erkennbar, und auf zukünftige Förderentscheidungen könne nicht geschlussfolgert werden. Und: Die Mittelverwendung werde auch nicht kontrolliert. So bewältigen wir die Unterschiede zwischen Stadt und Land, zwischen strukturstarken und strukturschwachen Gebieten leider nicht. Länger werdende Wege zum Krankenhaus, absehbarer Hausärztemangel, mangelnde Alternativen zum privaten Pkw statt ÖPNV, das immer noch nicht flächendeckend verfügbare Breitband, der Abbau von Nahversorgungsstrukturen, Kitas und Schulen, kommunale Verwaltungen sind überbelastet: All das ist längst bekannte Traurigkeit. Dabei sind Lösungen nicht schwer zu finden; denn die in den ländlichen Räumen selbst Lebenden wissen vor Ort am besten, was ihnen fehlt. ({2}) Förderprogramme müssen endlich vereinheitlicht werden, Programmkonkurrenzen müssen vermieden werden, und insgesamt muss auch ein Überblick hergestellt werden, damit die Antragstellung nicht zu einer Herkulesaufgabe mit ungewissem Ausgang wird oder gar zu Rückforderungen von ausgereichten Fördermitteln führt. Aber Letzteres kann ja nach dem Bericht des Bundesrechnungshofes kaum passieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein wichtiger Ansatz, um Klimaschutz, Gesundheit und soziale Sicherheit zu verbinden, ist eine beitragsfreie und nachhaltige Schul- und Kitaverpflegung für alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland. ({3}) Wir haben diesen Vorschlag in unseren Entschließungsantrag noch mal aufgenommen. Wenn Sie das bewerkstelligen wollen, können Sie unserem Antrag folgen. Wir können Ihrem Haushalt insgesamt allerdings nicht folgen, und deshalb werden wir ihn ablehnen. Danke schön. ({4})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Heidrun Bluhm-Förster. Wo ist die Maske? Nicht vergessen. Das gilt für alle. – Nächster Redner: für Bündnis 90/Die Grünen Dr. Tobias Lindner. ({0})

Dr. Tobias Lindner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004217, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, an Herausforderungen hat es im Bereich „Ernährung und Landwirtschaft“ in den letzten drei Jahren dieser Legislaturperiode wahrlich nicht gemangelt. Da können wir über das Bienensterben, über drei Dürresommer, über das Tierwohl, über den Verbraucherschutz, über gesunde Ernährung und über Schulernährung sprechen. Frau Ministerin Klöckner, wenn man in Ihren Haushaltsplan hineinschaut, dann finden sich diese Begriffe teilweise durchaus auch als Überschriften von Kapiteln oder Titeln wieder. Wenn man sich aber die Frage stellt: „Sind das denn wirklich Antworten auf diese Herausforderungen?“ – es wäre gerade jetzt, in dieser Situation, Zeit für Antworten –, dann muss man sagen: Sie geben mit diesem Haushaltsplan keine oder nur sehr kleine Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit. ({0}) Es ist in der Debatte schon angesprochen worden: Ihr Ministerium ist bei einer Sache, nämlich beim schlechten Abfluss der Haushaltsmittel, fast Spitzenreiter. Man könnte auch sagen: In diesem Haushaltsplan tauchen große Zahlen auf, aber wenn man sich dann anschaut, wer das Geld tatsächlich verwendet und für was es verwendet wird – das Stichwort „GAK“ ist an dieser Stelle schon gefallen –, dann sieht es durchaus dürftig und überschaubar aus. An anderer Stelle, beim Thema Ernährung, setzen Sie auf das Prinzip Freiwilligkeit. Es ist gut, dass wir jetzt mit dem Nutri-Score eine Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln haben, die rechtssicher verwendet werden kann, aber Sie bleiben bei der Selbstverpflichtung. Sie bleiben beim Prinzip Freiwilligkeit für Unternehmen, die Produkte anbieten, die eben nicht gut für die Gesundheit sind und von denen man nicht zu viel essen sollte. Gerade über diese bräuchten die Verbraucherinnen und Verbraucher aber Informationen an der Ladentheke, um wirklich eine transparente und auch selbstbewusste Entscheidung treffen zu können. Ich sage Ihnen eines: Eine freiwillige Basis beim Thema „Nährwertampel für Lebensmittel“ öffnet dem Missbrauch und der Umgehung Tür und Tor. ({1}) Wenn wir über das Tierwohllabel sprechen, dann erinnert mich das ein bisschen an „Dinner for One“. Jedes Jahr in dieser Legislaturperiode diskutieren wir in den Haushaltsberatungen das Thema Tierwohllabel. Ich kenne niemanden hier im Haus, der ein solches Label schlecht findet; alle finden das irgendwie gut. Aber ganz im Ernst: Wann kommt es denn nun endlich? Und auch hier wieder: Eine freiwillige Basis an dieser Stelle wird Produzenten, die unter schlechten Haltungsbedingungen produzieren, natürlich die Möglichkeit für eine Umgehung eröffnen. Das kann nicht Sinn und Zweck eines Tierwohllabels sein. ({2}) Das Einzige, was wir feststellen können, wenn wir uns das Label anschauen, ist, dass bereits 50 Millionen Euro Steuergelder verausgabt worden sind – für eine Sache, von der ich gespannt bin, wie oft wir noch darüber reden. Am Ende des Tages kommt dann immer das liebe Argument: Es muss EU-rechtskonform sein. – Ja, natürlich muss es EU-rechtskonform sein. Nur, die Bundesregierung hätte jetzt, während der Ratspräsidentschaft, erstens einige Monate Zeit gehabt, sich dafür einzusetzen, und zweitens: Wenn man kreativ an die Sache herangeht, das diskriminierungsfrei gestaltet und die niedrigste gesetzlich erlaubte Stufe der Haltung durch so ein Label abbildet, dann kann man das sehr wohl EU-rechtskonform umsetzen. Wo ein Wille ist, ist an dieser Stelle auch ein rechtskonformer Weg. ({3}) Ich will ja nicht nur schimpfen, sondern zumindest zwei Themen nennen, die Sie aufgegriffen haben, die wir Grüne auch seit Jahren fordern. Sie haben jetzt in diesem Haushaltsplan ein Stallumbauprogramm drin. Das ist erst einmal eine gute Idee. Wenn wir von Bäuerinnen und Bauern erwarten, dass unter besseren Haltungsbedingungen produziert wird, dann brauchen wir am Ende des Tages natürlich auch Unterstützung, dann brauchen wir Mittel dafür. Dagegen habe ich nichts; das haben wir Grüne seit Jahren gefordert. Die Mittel dafür sollten ursprünglich nur für ein Jahr bereitstehen. Sieht man nun in Ihren Haushaltsplan, dann stellt man fest, dass Sie das dankenswerterweise so umgebaut haben, dass das für zwei Jahre zur Verfügung steht. Für den Umbau eines Stalles braucht man eine Finanzierung und auch Baufirmen. Jeder von uns, der das Baurecht und die Genehmigungsdauern kennt, wird, wie ich, große Zweifel daran haben, dass diese Herkulesaufgabe in zwei Jahren wirklich zu bewältigen ist. An dieser Stelle springen Sie, ehrlich gesagt, mit diesem Stallumbauprogramm zu kurz. ({4}) Das Gleiche lässt sich zum Konjunkturpaket Wald auch sagen. Auch hier bräuchte man eine Mehrjährigkeit. Probleme, die über Jahre hinweg beim Wald aufgewachsen sind, wird man nicht in ein oder zwei Jahren lösen können. Insgesamt kann man über diesen Haushalt sagen: Er mag nette Überschriften enthalten, aber Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet er nicht. Herzlichen Dank fürs Zuhören. ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr. Tobias Lindner. – Nächste Rednerin für die Bundesregierung: Ministerin Julia Klöckner. ({0})

Julia Klöckner (Minister:in)

Politiker ID: 11003566

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! „Wo ein Wille ist, ist an dieser Stelle auch ein rechtkonformer Weg“: Ich muss sagen, das ist eine sehr kreative Interpretation, Herr Kollege Lindner. Ich glaube kaum, dass Sie vor einem deutschen Gericht oder vor dem EuGH damit durchkämen. ({0}) Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Solche Debatten sind auch für Nicht-Agrarpolitiker wie Sie eine Chance, dazuzulernen. ({1}) Deshalb bin ich ganz dankbar, dass Sie vor mir geredet haben, weil Sie jetzt wirklich die Chance haben, lieber Herr Lindner, sich ein bisschen auch ins EU-Recht zumindest hineinzufühlen, auch wenn Sie es nicht verstehen wollen. ({2}) EU-Recht hat nichts mit Kreativität zu tun, sondern mit rechtlicher Verlässlichkeit. ({3}) Es ist hochinteressant, dass Sie uns jetzt anraten – das muss man sich erst mal vorstellen –, man solle doch das Tierwohlkennzeichen auf so niedriger Stufe ansetzen – also keinen Anspruch an das Tierwohl haben –, dass man irgendein Tierwohlkennzeichen hat, mit dem man in Europa durchkommt. Das hilft nur dann, wenn man formal Politik machen will, aber nicht, wenn man fürs Tierwohl etwas erreichen will. ({4}) Das sind die Grünen: Sie sind immer wieder zu einer neuen Argumentation bereit, je nachdem, wie man es gerade braucht. Herr Lindner, gerne erkläre ich Ihnen noch etwas zum Nutri-Score – man merkt, dass Europa nicht tagtäglich Ihre Ebene ist –: Es ist schon so, dass weder Frankreich noch Belgien noch andere Länder, die den Nutri-Score nutzen, ihn verpflichtend vorschreiben dürfen, weil der europarechtliche Rahmen nicht gegeben ist. Wenn die Grünen jetzt glauben, dass in Europa das Mehrheitsprinzip nicht mehr gelten soll, sondern nur die Deutschen Rechte haben dürfen – ich warne vor solch einer Haltung –, dann kann man natürlich Ihre Argumentation bemühen und sagen: Weil Deutschland es will, muss ganz Europa das so tun, und abgestimmt wird nicht. – Also, das ist typisch Grün: Man ist so lange für Demokratie, bis die eigene Haltung zum Tragen kommt, und dann sind alle anderen hinfällig. – Davor warne ich, weil es auch mal in eine andere Richtung gehen könnte. ({5}) Dann will ich kurz – ich meine, Sie haben mir so eine schöne Vorlage gegeben, worüber ich mich wirklich sehr freue – noch etwas zur GAK sagen. Herr Lindner kommt aus dem wunderschönen Bundesland Rheinland-Pfalz. Jetzt muss ich sagen: Es gibt Bundesländer, die auch wunderschön sind: Bayern schöpft die GAK-Mittel aus; die wissen, was sie wollen. Ihr Bundesland, mein Bundesland aber, wo Ihre Grünen mit an der Regierung sind, lässt Gelder beim Bund liegen, nämlich von der GAK, und zwar mehrere Millionen Euro. – Also, das müssen Sie nicht mir zum Vorwurf machen. Reden Sie mal mit Ihren Grünen in Ihrem Land, lieber Herr Lindner. ({6}) Wenn man sich diese Debatte anhört – Herr Lindner hat es angedeutet –, dann hört man darin schon zwei Richtungen. Es gibt die eine Richtung, die nach vorne geht, und es gibt die Richtung, wofür die Grünen stehen, die rückwärtsgerichtet ist, mit der simplen Gleichung: Kleine Ställe, kleine Höfe sind besser. Das ist eine ganz klare, simple Gleichung: je technikferner, desto ursprünglicher. Und was kleiner, besser und technikferner ist, das ist dann auch moralisch erhabener, und das soll dann auch nachhaltiger sein. – Ich muss Ihnen, Herr Lindner, und auch den Grünen sagen, dass Ihr Leitbild von romantischen Bauernhöfen weder nachhaltig noch ein Zukunftsversprechen für die junge Generation unter den Landwirten ist. ({7}) Denn eines ist auch klar: Wir können gerne mit Ihnen zurückschauen. Vor 500 Jahren gab es kleine Ställe, gab es viele kleine Höfe. Ja, da gab es wenige Tiere in den Ställen; aber die Ställe waren klein, in der Tat, dunkel, wenig durchlüftet, und mit Tierwohl hatte das kaum etwas zu tun. Das war auch eine Zeit, in der Hunger und Armut zum Alltag gehörten. Deshalb sage ich: Wir machen ein anderes Angebot an die junge Generation. Wir schauen nicht nostalgisch zurück, wir schauen nach vorne. Wir machen klar: Ökologie, Ökonomie und die soziale Frage gehören zusammen, sind nicht gegeneinander zu denken, weil in Landwirtschaft auch der Begriff „Wirtschaft“ steckt. ({8}) Denn von diesem Beruf müssen Menschen leben, sowohl diejenigen, die ihn ausüben, aber auch die anderen, die von den Produkten leben, und das sind wir alle, wir Verbraucherinnen und Verbraucher. Deshalb übernimmt moderne Agrar- und Ernährungspolitik Verantwortung für die 80 Millionen Menschen, über die Sie hier überhaupt nicht gesprochen haben. ({9}) Sie haben über eines hier überhaupt nicht gesprochen: über das Thema Ernährungssicherung. Es ist auch ein Ausdruck von Hochmut, als Selbstverständlichkeit zu betrachten, dass Regale einfach immer nur voll sind. Deshalb betone ich: Das ist nicht selbstverständlich. ({10}) Erst wenn die Ernährung gesichert ist, können wir gemeinsam die Ziele verfolgen: die Biodiversität erhalten, die Klimawirkung weiter reduzieren – nicht gegeneinander, sondern zusammen. Denn unsere Bauern haben Fairness verdient, Fairness im Umgang, darin, wie sie angesprochen werden, dass sie nicht in Gute und Schlechte unterteilt werden. Sie haben aber auch Fairness vom Handel verdient. Deshalb war es gut und richtig, dass wir gemeinsam auf gesetzlicher Ebene eine Regelung gegen unlautere Handelspraktiken getroffen haben. Ich bin zuversichtlich, dass wir unter der Moderation unseres Ministeriums einen Verhaltenskodex zwischen Handel und den Bauern hinbekommen. ({11}) Denn am Ende wäre es vielleicht gar nicht schlecht für die Verbraucher, wenn sie auf den Verpackungen erkennen könnten, welcher Anteil des Verkaufspreises, des Erlöses, wirklich den Bäuerinnen und Bauern zugutekommt. ({12}) Deshalb sage ich auch sehr klar Danke schön an den Haushaltsausschuss, an die Große Koalition. Ich will an Frau Mittag als Vorrednerin auch Danke sagen – Sie haben es in Details dargestellt; deshalb will ich gar nicht exakt hineingehen – und vor allen Dingen an Christian Haase, der sich intensiv in die Themen nicht nur einarbeitet, sondern sie lebt und kennt und sie mit den ländlichen Räumen verbindet; denn wir bringen ländliche Räume voran. Uns geht es um die Lebensqualität in den ländlichen Räumen. Sie sind nicht die Kompensationsorte für die Wünsche der städtischen Bevölkerung. Das ist uns wichtig, deutlich zu machen. ({13}) Deshalb, sehr geehrte Damen und Herren, Folgendes: Dieser Haushalt der Großen Koalition gibt Antworten. Er polarisiert nicht weiter, wie das andere für ihr Weltbild tun, sondern er zeigt Lösungen auf. Um diese Lösungen umzusetzen, treibe ich Digitalisierung im Stall und Hightech auf dem Acker voran. Das ist kein Selbstzweck, sondern hilft, wichtige Ziele zu erreichen: Umwelt- und Klimaschutz sowie Tierschutz, aber gleichzeitig auch Einkommens- und Ernährungssicherung. Das ist nicht nachgeordnet, sondern das muss gleichzeitig gedacht, gleichzeitig geplant und auch gleichzeitig erzielt werden. ({14}) Digitalisierung hilft, unsere natürlichen Ressourcen zu schonen, aber ist auch im Verbraucherinteresse. Digitalisierung erleichtert die harte Arbeit bäuerlicher Familien. Digitalisierung ist eine Investition ins Weitermachen, in eine zukunftsfähige Landwirtschaft, in die nächste Generation. Deshalb sage ich: Bauern machen Klimaschutz. Dazu versetzen wir sie in die Lage, und deshalb gestalten wir mit ihnen zusammen einen Umbauprozess. Sie bauen ihre Ställe um. Das geht aber nicht per Knopfdruck und nicht so, als wenn man sich etwas zu Weihnachten wünscht. Das sind Menschen, die ihre Ställe umbauen, die ein Interesse an ihren Tieren haben. Wir sehen: Es hat noch nie eine so verdichtete, eine so klare Politik gegeben, wie wir in dieser Legislatur machen, um eindeutig einen nachhaltigen Umbau beim Ackerbau – Stichwort: Ackerbaustrategie – und bei der Tierhaltung – Stichwort: Borchert-Kommission – hinzubekommen, um am Ende das Ganze mit finanzieller Unterstützung und Innovation zu hinterlegen. Deshalb: Dieser Haushalt ist gelungen, und zwar weil wir für soziale Fairness sorgen. Frau Ihnen, Sie haben es zwar hier nicht erwähnt, aber im Ausschuss haben Sie einen Antrag gestellt. 4,2 Milliarden Euro geben wir für die soziale Sicherung der Bauern aus; die FDP will das abschaffen. Das ist eine Entsolidarisierung mit dem bäuerlichen Berufsstand. ({15}) Auch das will ich sehr klar und deutlich machen. Mir ist wichtig, dass Landwirte auch abgesichert sind. ({16}) Der Wald ist erwähnt worden. Wir haben das größte Umbauprogramm mit Zertifizierung für nachhaltige Wälder in der Geschichte unserer Bundesrepublik gestartet, und wir sorgen dafür, dass wir mit der sogenannten Zukunfts- und Investitionsmilliarde das fördern, was am Ende eine Win-win-Situation ist. Das heißt: nur Maschinen, die weniger Pflanzenschutzmittel und weniger Düngemittel brauchen, aber dem Landwirt den Ertrag sichern. Das sind Lösungen, nicht entweder/oder, nicht gegeneinander, nicht gut oder schlecht, sondern für die Zukunft, für die junge Generation. Dazu brauchen wir die Förderung der ländlichen Räume. Es gibt über 40 Modellprojekte hin zu einer modernen Mobilität in den ländlichen Räumen. Sie kommt den Menschen dort zugute, sie kommt den Landwirten dort zugute und zeigt Bleibeperspektiven auf. Darum geht es uns. Darum geht es uns auch bei der Frage der Ernährung. Deshalb haben wir einen besonderen Blick auf Kinder, auf Senioren.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin, erlauben Sie eine – –

Julia Klöckner (Minister:in)

Politiker ID: 11003566

Wir verstetigen die Investitionen, und deshalb sage ich allen, die uns unterstützt haben, herzlichen Dank.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Erlauben Sie noch eine Zwischenfrage von Frau Ihnen?

Julia Klöckner (Minister:in)

Politiker ID: 11003566

Ja.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Ihnen.

Ulla Ihnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004765, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Ministerin, Sie haben eben behauptet, die FDP habe in den Haushaltsberatungen einen Antrag gestellt, die gesamte landwirtschaftliche Sozialversicherung abzuschaffen. Da ich diesen Antrag nicht kenne, wäre ich sehr dankbar, wenn Sie ihn mir zuschickten, und dann können wir uns ja darüber unterhalten, wo Sie sich vielleicht in angemessener Form entschuldigen. – Danke schön. ({0})

Julia Klöckner (Minister:in)

Politiker ID: 11003566

Darf ich antworten?

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ja, klar.

Julia Klöckner (Minister:in)

Politiker ID: 11003566

Liebe Frau Ihnen, wir beide wissen, dass Sie von der Eigenständigkeit der landwirtschaftlichen Sozialversicherung nicht viel halten, und wir zwei kennen uns auch von der Arbeit in den Ausschüssen. Regelmäßig, so auch dieses Mal, haben Sie wieder dafür plädiert, dass die Eigenständigkeit der landwirtschaftlichen Sozialversicherung keine Zukunft hat. ({0}) Deshalb will ich Ihnen sagen, dass wir als Christdemokraten uns dafür einsetzen, dass Bauern bei Krankheit, bei Unfällen und auch im Alter abgesichert werden. ({1}) Deshalb haben wir nicht gekürzt, so wie es die FDP will, sondern wir haben in die landwirtschaftlichen Krankenkassen sogar noch 30 Millionen Euro hineingegeben. Da gibt es eben auch Unterschiede: Sie legen Ihren Schwerpunkt auf etwas anderes; wir legen ihn darauf, Familien in sozial schwierigen Fällen oder Situationen zu unterstützen. So kann man Politik unterschiedlich machen. Ich habe betont: Wir geben ein klares Bekenntnis für die Bauernfamilien ab. ({2})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Julia Klöckner. ({0}) – Herr Dr. Hocker ist ja gleich noch dran. Jetzt nicht; es kommt noch jemand dazwischen. – Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Wilhelm von Gottberg. ({1})

Wilhelm Gottberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004730, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Frau Ministerin Klöckner! Meine Damen und Herren! Mit einem Aufwuchs um 9 Prozent leistet auch der Agrarhaushalt seinen Beitrag zum hohen Defizit des Gesamthaushaltes 2021 – leider. In der Debatte zur Düngeverordnung hat der geschätzte Kollege Johannes Röring ausgeführt, die Arbeitsgruppe Landwirtschaft seiner Fraktion werde von der AfD geringgeschätzt. Dabei seien seine Kollegen in der Arbeitsgruppe „echte Fachleute“, „Bauern, die ihr Handwerk verstehen“. Und dann in Richtung AfD: „Und Sie sind Schaumschläger.“ Echo aus der CDU/CSU-Fraktion: Die können nichts anderes! – Ich werde nicht mit Polemik antworten. Klar ist: Ein hervorragender landwirtschaftlicher Betriebsleiter ist noch lange kein exzellenter Parlamentarier. Offensichtlich sind die haushaltspolitischen Grundsätze für die selbsternannten „echten Fachleute“ Schall und Rauch. Andernfalls hätten sie für eine Korrektur bei dem inflationären Stellenaufwuchs im Teilhaushalt 10 sorgen müssen. Stellenaufwuchs im Agrarministerium in 2020 und 2021: 137 Stellen. In den nachgeordneten Instituten sind es 350 Stellen. Im Verantwortungsbereich des Ministeriums ist das also ein Aufwuchs um 487 Stellen in den letzten beiden Jahren. Sparsamkeit, meine Damen und Herren, geht anders. ({0}) Sie sollten sich Wilhelm Brese zum Vorbild nehmen, ehemaliger CDU-MdB von 1949 bis 1969, ({1}) Bauer aus dem Kreis Celle, 20 Jahre Mitglied im Haushaltsausschuss. Er hat nicht zugelassen, dass Steuergeld für Nichtigkeiten ausgegeben wurde. 1955 hat er als Einzelner einen Antrag ins Parlament eingebracht, zukünftig jede vierte freiwerdende Stelle im öffentlichen Dienst unbesetzt zu lassen. Der Antrag ging durch, und Brese war bei seiner Fraktion unten durch. Als Brese 1969 den Bundestag verließ, war eine Haushaltsrücklage in Höhe von 20 Milliarden D-Mark vorhanden. Dies gelang, obwohl drückende Finanzlasten aufgrund des Wiederaufbaus und der schweren Erblast der beiden verlorenen Kriege bedient werden mussten. Das Ministerium alimentiert auch selbstständige Organisationen, soweit diese der Landwirtschaft zuzuordnen sind. Der Zuschuss für das Biomasseforschungszentrum wurde gegenüber 2020 um 30 Prozent gekürzt. Gut so! Leider nur ein Einzelfall. Bei der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe gibt es 70 Prozent Aufwuchs gegenüber dem Planansatz von 2020. Auf Seite 97 des Plans finden wir zwei exotische Organisationen, die ich bereits bei der vorjährigen Debatte über den Haushaltsplan als Beispiele für reine Steuergeldverschwendung genannt habe: die Internationale Walfangkommission und die Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis. Der Walfang ist nicht Sache Deutschlands, und um die Erhaltung der Meeresschätze in der Antarktis sollen sich die Anrainerstaaten kümmern. Schließlich: Die Ministerkonferenz zum Schutz der Wälder in Europa erhält aus dem Agrarhaushalt 600 000 Euro. Und dafür sollen wir die Hand heben? ({2}) Eine Zumutung! Der voluminöse Teilhaushalt 10 mit seinen Förderprogrammen, mit GAP und GAK, mit Sonderrahmenplänen und den landespolitischen Ergänzungsprogrammen ist für die meisten landwirtschaftlichen Betriebsleiter kaum schlüssig zu begreifen. Einige Details: Erstens: die Bauernmilliarde, zugesagt zu Beginn dieses Jahres, um die demonstrierenden Bauern beim Vollzug der Düngeverordnung ein wenig zu besänftigen, verteilt auf vier Jahre. Tatsächlich kommt bei den Bauern nur eine Dreiviertelmilliarde an, der Rest versickert – Gießkannenprinzip. Zweitens. Ausweislich des Entwurfs kommen 160 Millionen Euro aus dem Einzelplan 60 – Allgemeine Finanzverwaltung. Verwendungszweck: sieben Einzelmaßnahmen mit Schwerpunkt ökologischer Landbau und Moorbödenkultivierung. Meine Damen und Herren, das kann auch in die Nachcoronazeit verschoben werden. Drittens. Das Klimaschutzprogramm 2030, Dürrehilfe für den Wald: 800 Millionen Euro, davon 253 Millionen Euro von den Ländern, und das verteilt auf vier Jahre – also pro Jahr etwa 200 Millionen Euro, wenn denn die Länder mitfinanzieren. Dem derzeitigen katastrophalen Zustand des Waldes hilft das nur wenig. Die Experten Schirmbeck und von der Marwitz haben bereits im April 2019 festgestellt, dass der Wald ein Sofortprogramm in Höhe von 2,3 Milliarden Euro benötigt. Wo bleibt ein großzügiges Aufforstungsprogramm für 300 000 Hektar Kahlfläche? Viertens. In der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, GAK, finden wir das Bundesprogramm Ländliche Entwicklung, BULE. Bei BULE sind dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Ein Beispiel, und dies ist beileibe kein Einzelfall: Eine Laienschauspieltruppe bekam in diesem Jahr aus dem Bundesprogramm BULE 100 000 Euro für das Theaterprojekt „Bauern, Hippies, Feuerwehr! – Ein Landkreis macht Theater“, und dies in einer Zeit, in der viele Milchbauern, die Schweinemäster, die Kartoffelbauern und die Forstbetriebe wegen totalen Preisverfalls vor dem Aus ihrer Existenzen stehen. Marktpreisstützungsmaßnahmen sind angesagt, aber nicht die Förderung von Laienschauspielern und sonstigen Nichtigkeiten. ({3}) Die gesamte Förderpraxis des Agrarhaushaltes gehört auf den Prüfstand, ausgenommen die erste Säule der GAP. Sie ist eine Lebensversicherung für die landwirtschaftlichen Betriebe.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Denken Sie an Ihre Redezeit, bitte. Sie sind deutlich drüber.

Wilhelm Gottberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004730, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Ich komme zum Ende. – Das Geld zur Linderung der Coronaprobleme muss vorrangig durch Einsparungen und Umschichtungen im Haushalt gewonnen werden. Ich bedanke mich. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke schön, Kollege von Gottberg. – Nächste Rednerin: für die SPD-Fraktion Nezahat Baradari. ({0})

Nezahat Baradari (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004947, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bitte erlauben Sie mir zu Anfang eine Bemerkung. Herr Kollege von Gottberg, wir befinden uns im 21. Jahrhundert, und heute ist der 8. Dezember 2020. Es gibt keine D-Mark mehr; wir haben inzwischen den Euro. ({0}) Wie meine Kollegin Susanne Mittag schon erwähnte: Mit 7,66 Milliarden Euro für das Jahr 2021 ist der Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ein Rekordhaushalt. Seit der Wiedervereinigung ist das der größte Haushalt in der Geschichte des Ministeriums. Das ist auch gut so. Denn nicht nur die Coronapandemie, sondern auch der Klimawandel, das Insektensterben und die Schäden in unseren Wäldern erfordern umfassende Maßnahmen, die einer ausreichenden Finanzierung bedürfen. Besonders für mich als Kinder- und Jugendärztin mit der Zusatzbezeichnung Ernährungsmedizin sind es jedoch nicht nur die großen agrarpolitischen Fragen, die diesen Haushalt besonders wichtig machen. Zu den zentralen Aufgaben des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft gehört auch der gesundheitliche Verbraucherschutz, der hier leider viel zu selten thematisiert wird. Denn so wie die Gesundheit unserer Wälder wichtig für uns ist, ist die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger und unserer Kinder nicht minder wichtig. ({1}) Dieser Gesundheitsschutz darf nicht erst im Krankheitsfall beginnen. Erstens. Unsere Kinder brauchen die Sicherstellung einer guten und gesunden Ernährung, insbesondere in Kitas und Schulen. Diese muss für jede Familie erschwinglich sein. Die Nahrungsmittel müssen den höchsten Sicherheitsanforderungen entsprechen, streng geprüft sein und bedenkenlos konsumiert werden können. Bereits in der ersten Lesung dieses Haushaltsentwurfs vor einigen Wochen machte ich daher auf die Gefahr durch Hormongifte, sogenannte endokrine Disruptoren, aufmerksam. Diese Chemikalien werden oftmals als Weichmacher im Plastik eingesetzt und stellen eine ernstzunehmende Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier dar. Besonders Kinder sind gefährdet. Der Kinder-Umwelt-Survey hat gezeigt, dass sich in allen der insgesamt 600 untersuchten Blut- und Urinproben Abbauprodukte von gefährlichen endokrinen Disruptoren befanden. Diese Stoffe können Krebserkrankungen auslösen, die Fruchtbarkeit hemmen und Verhaltensstörungen von Kindern verursachen. Leider wissen wir immer noch viel zu wenig über die genauen Wirkungsweisen dieser Stoffe und kommen bei der politischen Regulierung kaum voran. Vielen Menschen sind die Gefahren, die von Hormongiften ausgehen, schlichtweg nicht bekannt, auch wenn es Apps gibt wie ToxFox vom BUND. Daher muss unser Ziel sein, dass belastete Produkte gar nicht erst in die Supermarktregale gelangen. ({2}) Daher begrüße ich sehr, dass – zweitens – im Haushalt nun eine Studie verankert ist, mit der die Wirkung von Hormongiften genau untersucht wird; denn nur, wenn wir hier Mittel in die Hand nehmen und Forschung ermöglichen, können wir die Sicherheit und die Gesundheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern wirksam schützen und unserer Fürsorgepflicht als Gesetzgeber nachkommen. Ein dritter wichtiger Aspekt, welcher sich erfreulicherweise im Haushalt wiederfindet, ist die Erforschung der Sicherheit von Tätowiermitteln. Auch hierbei handelt es sich um ein Thema, welches insbesondere junge Menschen betrifft. Knapp die Hälfte aller 20- bis 30-Jährigen in Deutschland trägt mindestens ein Tattoo auf der Haut. Ich habe mich in den vergangenen Monaten intensiv mit Tätowierern und mit Wissenschaftlern über diese Thematik ausgetauscht. Klar wurde dabei: Tattoos sind dabei nicht bloß Modeaccessoire oder ein vergänglicher Trend. Tattoos sind für ihre Trägerinnen und Träger nicht selten Ausdruck ihrer Persönlichkeit oder die dauerhafte Visualisierung besonderer Erinnerungen. Tattoos können vielen Menschen helfen, wenn es darum geht, traumatische Ereignisse zu verarbeiten. Und auch medizinisch können Tattoos durchaus sinnvoll sei. Sie können Narben überdecken, zum Beispiel nach einer Brustoperation, oder Borderlinepatienten dabei helfen, selbstverletzendes Verhalten abzulegen. Was den meisten dabei jedoch nicht bekannt ist: Tattoofarben können eine ernste Gefahr für den menschlichen Körper darstellen. Dabei geht es nicht nur um die akuten Nebenwirkungen wie Rötungen, Schwellungen oder allergische Reaktionen, sondern um mögliche langfristige Folgen. Pigmente aus Tattoofarben können aus der Haut direkt in die Lymphknoten wandern und sich dort ansammeln und somit in den Körper gelangen. Gesundheitliche Gefahren, besonders langfristige, sind indes nicht ausreichend erforscht. Die in Deutschland geltende Tätowiermittel-Verordnung greift bisher leider zu kurz. Hier sind nur besonders gefährliche Stoffe verboten. Viele potenziell gefährliche Stoffe und Pigmente fliegen immer noch unter dem Radar. Umso mehr freue ich mich, dass auch Mittel für eine Forschungsstudie zu Tattoofarben im Haushalt verankert werden konnten. Wir brauchen eine Positivliste; denn diese Positivliste würde für mehr Sicherheit für Verbraucherinnen und Verbraucher und für die vielen Tattoostudios in Deutschland sorgen. ({3}) Als SPD-Bundestagsfraktion setzen wir uns auch mit diesem Haushalt für konsequenten Verbraucherschutz, Schutz für Kinder und Schutz für Tiere ein. Zum Schluss möchte ich mich bei allen Abgeordneten bedanken, die in den Haushaltsverhandlungen waren, und insbesondere bei meinem Kollegen Ulrich Freese. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({4})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Nezahat Baradari. – Wir haben uns auch gerade unterhalten, wer wohl im Bundestag Tattoos hat; das wollen wir jetzt wissen. ({0}) Herr Dr. Hocker, jetzt sind Sie gefordert. Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Dr. Gero Hocker. ({1})

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich werde weniger über Tattoos sprechen, sondern eher auf die Rede der Ministerin von eben Bezug nehmen; das erwarten Sie wahrscheinlich auch schon, Frau Ministerin. Denn Sie haben erklärt, dass die FDP in den Haushaltsberatungen beantragt habe, dass die Zuschüsse für die soziale Sicherung der Landwirte abgeschafft werden sollen. Ich sage Ihnen: Das ist die Unwahrheit! Ich kann die Forderung von Frau Ihnen nur wiederholen, dass Sie uns bitte bis zum Freitag, wenn die Abschlussabstimmung stattfindet, diesen Antrag einmal vorlegen. Er existiert nicht, und deswegen werden Sie damit nicht erfolgreich sein. Wahr ist aber, Frau Ministerin, dass Sie selber im Thüringer Landtagswahlkampf im Herbst 2019 angedroht haben, dass etwaige Strafzahlungen bei Nichteinhaltung der Düngeverordnung mit den freiwilligen Leistungen zur Rentenversicherung der Landwirte verrechnet werden könnten. Das ist Ihr Fehler gewesen, verehrte Frau Ministerin, und Sie wollen einfach von sich auf andere ablenken. ({0}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, vor einem Jahr haben in Deutschland die größten Bauernproteste stattgefunden, die es in unserem Land seit 1949 jemals gegeben hat. Die Hoffnungen damals sind groß gewesen, dass sich in den kommenden zwölf Monaten die Situation der Bäuerinnen und Bauern in Deutschland tatsächlich verbessern würde. Es hat viele runde Tische gegeben; es hat viele Diskussionsprozesse und Dialogprozesse gegeben, die angestrebt wurden. Es gab damals und es gibt heute eine große Geschlossenheit innerhalb der Branche. Es hat viele Beteuerungen der Politik gegeben, und es hat eine Zeit der EU-Ratspräsidentschaft von Deutschland gegeben. Das alles hat Hoffnungen genährt. Zwölf Monate später, meine sehr verehrten Damen und Herren, demonstrieren Landwirte wieder, oder lassen Sie mich sagen: immer noch, und zwar aus einem einzigen Grunde: weil sie das Gefühl haben, dass in den letzten zwölf Monaten nichts, aber auch wirklich gar nichts von den Forderungen, die damals formuliert wurden, in konkrete Gesetzesinitiativen umgesetzt wurde, und das machen wir Ihnen zum Vorwurf, verehrte Frau Ministerin. ({1}) Wenn andere Branchen, wenn einzelne Betriebe zur Zeit von Corona oder auch bei anderen Anlässen in Schieflage geraten, in prekäre Verhältnisse abdriften, dann gibt es, sagen wir mal, häufig ähnliche Reflexe von der Politik. Da wird erst Verständnis und Betroffenheit zum Ausdruck gebracht, und danach werden häufig umfängliche Millionen- und Milliardenprogramme auf den Weg gebracht. Bei den Landwirten wurde vor knapp einem Jahr eine Bauernmilliarde ins Spiel gebracht, die sie besänftigen sollte, und jetzt lockt der Lebensmitteleinzelhandel mit 50 Millionen Euro, um Landwirte zu besänftigen. Man kann stolz sein auf die Landwirte in Deutschland, die sich davon eben nicht besänftigen lassen, weil sie als Unternehmer wissen, dass es nichts hilft, ihnen einmalig ein paar Scheine in die Hemdtasche zu stecken, sondern dass es darauf ankommt, dass selbstständige Unternehmer in der Situation sind, faire Rahmenbedingungen vorzufinden, damit sie ihre Betriebe tatsächlich fortführen können. Das ist unsere verdammte Aufgabe, das ist die Aufgabe von Politik, endlich dafür zu sorgen, statt irgendwelche Almosen zu verteilen, verehrte Kolleginnen und Kollegen. ({2}) Verehrte Frau Ministerin, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft läuft in wenigen Tagen aus. Sie wäre die ideale Gelegenheit gewesen, für etwas zu kämpfen, was wirklich dazu beigetragen hätte, dass Boden, Luft, Wasser und auch das Tierwohl, und zwar europaweit, geschützt werden würden, indem Sie nämlich innerhalb dieser Amtszeit dafür gerungen, gekämpft, gestritten hätten, dass es zumindest innerhalb Europas endlich eine Angleichung von Wettbewerbsstandards gibt. Denn was wir gegenwärtig erleben, ist, dass es diese einheitlichen Wettbewerbsstandards in einem europäischen Binnenmarkt eben nicht gibt. Ganz im Gegenteil: Der süd- oder der osteuropäische Berufskollege des deutschen Landwirts produziert zu niedrigeren Standards, und das führt dazu, dass auf den Tellern von Verbrauchern in diesem Binnenmarkt und in Deutschland Produkte landen, die zu Standards erzeugt wurden, verehrte Kolleginnen und Kollegen, die man einem deutschen Landwirt niemals zugestehen würde. Damit erweist man dem Tierwohl und der Wasser-, Boden- und Luftqualität in Europa einen Bärendienst, verehrte Kolleginnen und Kollegen. ({3}) Sie haben ausführlich über Fairness gesprochen, die man Landwirten entgegenbringen müsste, Frau Ministerin. Zu Fairness würde dazugehören, dass hier in diesem Hohen Hause Politiker tatsächlich auch mal den Rücken gerade machen und auch zu unpopulären Botschaften stehen. Eine dieser unpopulären Botschaften ist, dass es nicht sein kann, dass Verbraucher, wenn am Sonntagmorgen ein Umfrageinstitut anruft, zu 90 Prozent erklären, sie wären ja gerne bereit, einen höheren Preis für Lebensmittel zu bezahlen, wenn denn auch hohe Standards bei der Produktion eingehalten werden, es gleichzeitig aber nur 10 Prozent der Menschen sind, die tatsächlich zu höherpreisigen Lebensmitteln greifen. Da ist es auch Aufgabe der Politik, unpopuläre Botschaften zu verkünden und auch den Verbraucher mit in die Pflicht zu nehmen, nämlich dass diese Bigotterie nicht funktioniert. Wer hohe Standards fordert, verehrte Kolleginnen und Kollegen, der muss auch bereit sein, dafür einen angemessenen Preis zu bezahlen. Und ganz offenbar bedarf es einer kleineren Fraktion in diesem Hohen Hause, die diese unpopulären Botschaften tatsächlich auch formuliert, verehrte Kolleginnen und Kollegen. ({4})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Unpopulär ist auch, dass Sie jetzt sofort zum Schluss kommen müssen.

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das ist mein letzter Satz, verehrte Frau Präsidentin. – Ich bin der festen Überzeugung, dass es Landwirten darüber hinaus besser gehen würde, wenn Politik etwas, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein müsste, wieder mehr Raum verschafft, nämlich dass politische Entscheidungen auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen zustande kommen. Wenn ich sehe, wie fadenscheinig und wie lückenhaft die Anfrage, die wir ans Umweltministerium formuliert haben, –

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Kollege.

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

– beantwortet wurde, dann habe ich meinen Zweifel, dass diese Bundesregierung tatsächlich nach wissenschaftlichen Grundlagen entscheidet. Vielen Dank. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Herr Kollege, Sie reden über Fairness. Dann müssen Sie jetzt wirklich aufhören.

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich bin fertig, Frau Präsidentin.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Ja, gut; aber so nicht. – Danke schön. Das war Dr. Hocker. Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Artur Auernhammer – aus Bayern. ({0})

Artur Auernhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003706, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Geschätzte Frau Präsidentin, ich komme aus Franken.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Und Sie tragen eine bayerische Maske? Na gut, das ist ein anderes Thema.

Artur Auernhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003706, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn wir die bayerischen Staatsgrenzen überschreiten, sind wir Bayern geschlossen, auch im Deutschen Bundestag. ({0})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Na ja; das wäre aber was Neues.

Artur Auernhammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003706, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Werte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie so oft hat uns die Rede von Gero Hocker nicht vom Hocker gehauen; ({0}) weil wir diese Rhetorik langsam gewohnt sind. ({1}) Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht um einen Haushalt für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Höhe von fast 7,7 Milliarden Euro. Wenn wir über diesen Haushalt beraten, dann beraten wir auch über die deutschen Bauernhöfe, über die deutschen Bäuerinnen und Bauern. Da gibt es den Milcherzeuger in Garmisch-Partenkirchen, der sein Jungvieh oben am Kreuzeck hat, um dort für Wanderer und Skifahrer die Flächen freizuhalten. Da gibt es den Schafhalter in Niedersachsen, der mit seiner Schafherde die Deiche freihält und vielleicht Angst vorm Wolf hat. Und da gibt es die Freunde in Sachsen-Anhalt mit Feldstücken so groß wie meine Gemarkung zu Hause. Diese Vielfalt, die wir in der deutschen Landwirtschaft haben, muss sich auch in diesem Bundeshaushalt widerspiegeln. Dass wir gerade in Süddeutschland sehr viele kleine Betriebe haben, ist eine besondere Herausforderung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, alle deutschen Bäuerinnen und Bauern haben auch eine Aufgabe: die 83 Millionen deutschen Einwohner mit gesunden, nachhaltigen Lebensmitteln zu ernähren. Das sollte man stärker in den Vordergrund stellen. ({2}) Wenn in diesen Tagen die Bauern wieder vor den Auslieferungslagern des LEHs demonstrieren – fast hätte ich gesagt: zu Recht – und so mancher LEH-Marktbeteiligter versucht, sich mit einer Einmalzahlung irgendwie freizukaufen, dann muss ich schon sagen: Da müssen wir eine Verhandlungsebene auf Augenhöhe schaffen, damit hier vernünftige und bessere Preise für unsere Bäuerinnen und Bauern erreicht werden. Dazu ist die angesprochene UTP-Richtlinie ein wichtiges Signal, und das wollen wir gerne unterstützen. ({3}) Unterstützen wollen wir auch unsere heimische Landwirtschaft, wenn es darum geht, die Herausforderungen der Düngeverordnung zu bewältigen. Wir haben unterschiedliche Betriebe und unterschiedliche Anforderungen. Da bin ich dankbar, dass wir für die nächsten vier Jahre fast 1 Milliarde Euro im Bundeshaushalt haben. Das ist auch ein Verdienst vom CSU-Parteivorsitzenden Markus Söder in den Koalitionsverhandlungen. ({4}) Ich freue mich darauf, dass wir das Geld zielgerichtet einsetzen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wichtig ist auch, dass wir zukunftsorientiert handeln, dass wir nach vorne schauen. Und – lieber Rainer Spiering, pass jetzt auf! – wenn wir nach vorne blicken, ist die Digitalisierung ein großes Thema auch für unsere Land- und Ernährungswirtschaft. Ich bin froh, dass in diesem Bundeshaushalt Geld in die Hand genommen wird und investiert wird, zum Beispiel bei der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Die liegt zufälligerweise bei mir im Wahlkreis; wo sonst als in Franken ist digitale Traktorentechnologie anzusiedeln? Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht darum, dass wir das, was wir in Forschung und Entwicklung in Deutschland auf den Weg bringen, auch auf die Felder, in die Ställe bringen. Wir müssen das transformieren. Wir müssen hier nach vorne schauen und unsere Landwirtschaft modern aufstellen. Die Situation im Schweinesektor kann ich hier nicht unangesprochen lassen. Wir haben hier schon öfter darüber diskutiert. Die Probleme haben in erster Linie unsere Zuchtsauenhalter, die keine Absatzmöglichkeiten für ihre Ferkel mehr haben. Deshalb sind wir alle gefordert, hier in den nächsten Tagen und Wochen entsprechende Beschlüsse zu fassen. Ich bin dankbar, dass wir in dem Arbeitsschutzgesetz, das jetzt auf dem Weg ist, auch ein Signal an die Metzgerschaft senden, damit hier ein direkter Vermarktungsweg ermöglicht wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir ist auch wichtig, dass wir in dieser Debatte das Thema Wald ansprechen. Wir haben sehr viel Geld in die Hand genommen, um den Wald umzubauen, den Wald klimatolerant zu machen. Wir müssen auch das Bauen mit Holz noch stärker unterstützen. Wir müssen noch mehr in die Forschung investieren, um herauszufinden, wo wir welche Pflanzen überhaupt noch zu pflanzen haben. Und wir müssen bei der anstehenden Novelle des Bundesjagdgesetzes über das Verhältnis von Wald und Wild reden. Da, glaube ich, sind wir sehr konstruktiv unterwegs. Ich als Sportpolitiker kann hier nicht über einen Haushalt fürs Ernährungsministerium reden, ohne das Thema „Ernährung und Bewegung“ anzusprechen. Ja, es ist richtig: Wir haben jetzt den Nutri-Score. Wir haben jetzt eine freiwillige Deklaration der Inhaltsstoffe. Aber die Deklaration ist das eine. Wir müssen auch dafür sorgen, dass sich unsere Bevölkerung, die Menschen in unserem Land auch wieder richtig bewegen, wieder richtig Sport treiben. Das ist die wichtigste und richtigste Kombination: Sport und Ernährung. Zum Schluss möchte ich mich ganz herzlich bei den Haushältern für die Beratungen zum Agrarhaushalt bedanken, namentlich bei unserem Christan Haase. Ich bedanke mich besonders herzlich, wenn ihr auch bei den nächsten Haushaltsberatungen unseren Etat so intensiv berücksichtigt. Vielen Dank. ({5})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Artur Auernhammer. – Nächste Rednerin: für die Fraktion Die Linke Dr. Kirsten Tackmann. ({0})

Dr. Kirsten Tackmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003853, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Etat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft geht es um 7,7 Milliarden Euro. Das ist viel Geld. Es wird aber auch dringend gebraucht; denn es brennt an allen Ecken: Afrikanische Schweinepest, Coronapandemie, Vogelgrippe, Missernte, Insektenschwund, Tierwohldefizite, sterbende Wälder, Küstenfischerei am Limit, Agrarbetriebe geben auf. Einige Probleme greift der Agraretat in der Tat auf, hoffentlich nicht zu spät. Aber als Ausbilderin von Rettungshundeteams habe ich ja gelernt, dass man kleine Fortschritte mit Lob verstärken muss. ({0}) Also: Ja, es ist gut, dass es nun ein Kompetenzzentrum für Weidetierhaltung geben soll. Ich fordere das als Herdenschutzzentrum schon seit 2011. Aber ehrlich gesagt: Angesichts der mickrigen Finanzierung ist das ja wohl eher ein Alibiprojekt. Da muss die Koalition wirklich eine Schippe drauflegen. ({1}) Eine Soforthilfe für die gestressten Wälder hat Die Linke sehr früh gefordert. Nun kommt Geld, aber ziemlich schleppend. Und es erreicht vermutlich nicht die Klein- und Kleinstwaldbesitzenden. Aber ohne schnelle Hilfe werden gerade diese ihren Wald verkaufen müssen – leider eben nicht an die Nachbarschaft im Dorf, sondern an Leute mit viel Geld. Damit wird auch der Wald zum Spekulationsobjekt, und das geht so nicht. ({2}) Deshalb müssen die Waldhilfen dort ankommen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Aber nicht alle Probleme lassen sich mit Geld lösen, auch nicht mit sehr viel Geld und schon gar nicht, wenn es in den falschen Taschen landet. Bei strukturellen oder sehr lange ausgesessenen Problemen funktioniert die Magie der großen Zahlen nicht. Wer zum Beispiel duldet, dass die Landwirtschaft in der Lebensmittellieferkette am Katzentisch sitzt, statt auf Augenhöhe zu verhandeln, nimmt doch billigend in Kauf, dass keine kostendeckenden Erzeugerpreise bezahlt werden – nicht mal für Standards, die längst gesellschaftlich hinterfragt werden. Natürlich ist es richtig, wenn auch aus dem Agraretat Unterstützung geleistet wird für den Umbau der Tierhaltung, für die Umsetzung der Düngeverordnung, für die Ackerbaustrategie, für Insektenschutz usw. usf. Und ja, das Geld wird da dringend gebraucht. Aber warum sollen das eigentlich nur die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bezahlen? Wer profitiert denn von dem falschen System der Dumpingpreise und Dumpingstandards? Das sind doch vor allem die Konzernzentralen von Supermarktketten, Schlachthöfen, Molkereien und Chemieriesen. Wenn die einfach so weitermachen können, profitieren sie auch noch von den Fördermitteln, die für höhere Standards ausgereicht werden – übrigens inklusive der Pandemiegewinne, über deren Abschöpfung man auch mal diskutieren muss. ({3}) Aber wehe, die Ministerin wagt es, das Problem mal vorsichtig anzusprechen: Dann hagelt es gleich Beschwerden bei der Kanzlerin. Ich finde das einfach nur absurd. ({4}) Ja, viele Agrarbetriebe haben sich auf dieses üble Spiel eingelassen – zu lange –; aber jetzt protestieren sie Gott sei Dank an den richtigen Türen. ({5}) Sie brauchen keine Almosen, sondern sie brauchen faire Bezahlung, und die Reparatur von Systemfehlern müssen die zahlen, die vorher davon profitiert haben. Punkt! ({6}) Dabei geht es übrigens nicht zwingend um höhere Lebensmittelpreise, sondern es geht um faire Gewinnverteilung entlang der Lieferkette und um das Ende von Konzernübermacht. Wenn jetzt sogar die FDP das Kartellrecht einfordert, dann ist es wirklich höchste Zeit. ({7}) Übrigens geht es selbst beim Klimaschutz um Soziales; denn höhere Ernterisiken bedeuten eben auch höhere Einkommensrisiken für die Landwirtschaft. Das Ende des Liedes ist wirklich bitter. Obwohl die Hälfte des Agraretats des Bundes in die landwirtschaftliche Sozialversicherung geht, droht vielen Landwirtinnen und Landwirten Altersarmut, so besagt es eine aktuelle Studie. Eine faire Bezahlung ist deshalb zwingend für die Lösung dieses Problems. ({8}) Abschließend sei gesagt: Die Zeche dürfen nicht wieder die ohnehin schmalen Geldbeutel zahlen, sondern das müssen die richtig dicken Geldsäcke. Vielen Dank. ({9})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Dr. Kirsten Tackmann. – Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Rainer Spiering. ({0})

Rainer Spiering (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004410, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an das anknüpfen, was Dr. Kirsten Tackmann gesagt hat, und die Frage aufwerfen: Diskutieren wir hier nicht vielleicht ein wenig das Falsche? Wir müssen bei der Diskussion die gesamte Produktionskette im Auge behalten, und die geht los mit der Urproduktion, über die landwirtschaftliche Veredelung bis in die Betriebe hinein. Nur wenn wir die gesamte Lieferkette betrachten, erhalten wir auch eine Bewertung. In dem Moment, wo wir die Landwirtschaft aus der Diskussion herausnehmen – wie wir das hier so gerne machen –, geben wir ihr in der Lieferkette nicht die Kraft, die sie eigentlich braucht, um sich dort zu behaupten. Deswegen halte ich es für ganz, ganz wichtig, die Landwirtschaft als einen integralen Teil der Lieferkette mit allen Rechten und Pflichten zu sehen. ({0}) Ich bin mir übrigens nicht ganz sicher, ob rund um diesen Haushalt nicht gerade ein Gesetz geschrieben wird, das für den Bereich Ernährung und Landwirtschaft sehr viel wichtiger ist als dieser Haushalt. Ich zitiere aus dem Entwurf eines Gesetzes der Bundesregierung zur Verbesserung des Vollzugs im Arbeitsschutz, wie wir ihn heute im Ausschuss beraten haben: … im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Sie tragen zur Erreichung der Ziele … bei: Dauerhaftes, inklusives und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern. Das ist, wie ich finde, ein zentrales Gesetz, das den Bereich der Ernährung und Landwirtschaft in Deutschland nachhaltig stärken wird. Herzlichen Dank an Hubertus Heil und herzlichen Dank an alle Koalitionäre, die es mitgeschrieben haben! ({1}) Ich will übrigens auch allen, die starke Vertreter der bäuerlichen Veredelungswirtschaft sind, sagen, was meiner Ansicht nach passieren wird: Zwangsläufig werden durch Lohnsteigerungen auch Umwälzungen auf den Fleischpreis stattfinden müssen, und die wird man nicht wegdrücken können. Die wird man auch nicht den Bauern in die Schuhe schieben können. Wenn der Markt anerkennt, dass gute Produkte ihren Wert haben, dann werden, angetrieben durch dieses Gesetz, auch höhere Preise in der Fleischwirtschaft generiert werden können. Das ist meine große Hoffnung, und deswegen sage ich: Das ist ein guter Tag für Deutschland – ein gutes Gesetz. ({2}) Das Augenmerk, das wir auf die Landwirtschaft legen, wird genau durch diese Branche verfälscht. Wenn man den Blick auf Schlachthöfe richtet, die 25 000 bis 30 000 Tiere am Tag schlachten, dann impliziert man den Blick auf das Produkt, und ein Bild setzt sich fest. Selbst der bestarbeitende Viehbetrieb kann sich aus diesem Bild nicht herausnehmen. Deswegen müssen wir das Gesamtbild verbessern, um so auch die Situation der Kolleginnen und Kollegen – sowohl in der Landwirtschaft als auch in den Veredelungsbetrieben und in den Schlachtbetrieben – nachhaltig zu verbessern. ({3}) Was ist die Schlussfolgerung? Eine solche ziehe ich heute übrigens jenseits des Ernährungsministeriums. Entwicklungsminister Müller sagt, extensive Landwirtschaft fördere Virusübertragung, und fordert einen Einfuhrstopp für Soja- und Palmöl. Das hat ein CSU-Minister gesagt! Wenn ich das zu Ende denke, dann heißt das, dass natürlich die komplette Produktions- und Lieferkette bei erheblichen Teilen der Viehzucht gravierend verändert wird. Das hat auch Auswirkungen auf unsere eigene Produktion. In dem Zusammenhang kann die Stärkung des Ökolandbaus – an dieser Stelle ein Dank an Isabel Mackensen und an den Kollegen Haase, die sich intensiv darum gekümmert haben, dass wir das im Haushalt so gut fördern konnten – eine massive Hilfe darstellen. Hier wäre auch die Umstellung auf die eigene Eiweißproduktion zu nennen. Das alles können wir durch diesen Haushalt leisten, und ich glaube, das tun wir auch. Insofern haben zwei andere Ministerien hier eine ganz gute Schlagzahl vorgelegt, um die Verhältnisse in unserem Land nachhaltig zu verbessern. ({4}) Heute hat uns alle ein Schreiben der LFD, einer großen Erzeugergesellschaft in den neuen Bundesländern, erreicht. Ich fand es für einen Ferkelaufzüchter schon bemerkenswert, was dieser von uns einforderte: Kapazitätsabbau durch Ausstiegsprämien, Stärkung der Regionalisierung und Sicherstellung einheitlicher und tierwohlgerechter Haltungsbedingungen bei Importtieren. Dem ist nur zuzustimmen, aber wir müssen es dann auch tun, und zwar gemeinsam. Diese Diskussion über die Einhaltung der drei genannten Kriterien sollten wir führen. Dann werden wir eine veränderte Landwirtschaft mit einem – hoffentlich – richtig guten Image nach draußen haben, in Übereinstimmung mit einer Bevölkerung, die diese Produkte gerade über unsere bäuerlichen Betriebe gerne kauft und bereit ist, einen angemessenen Preis dafür zu bezahlen. Aber dann muss die Lieferkette im Ganzen stimmen, und dafür lassen Sie uns streiten. ({5}) Heute Morgen habe ich eine Nachricht gelesen, die mich wirklich sehr gefreut hat. Über den Ticker kam die Meldung: Fraunhofer-Zentrum in Triesdorf gegründet. Der Bund steuert 40 Millionen Euro über die nächsten fünf Jahre hinzu. – Geforscht wird zu einem Thema, für das ich wirklich brenne: die Digitalisierung, und zwar in zwei Forschungsrichtungen, die ich auch toll finde: zum einen biogene Züchtungen – also keine Genschere, sondern Züchtungen über Algorithmen, was ich schon seit längerer Zeit predige – und zum anderen Smart Farming. Dann habe ich zu meiner großen Überraschung gelesen, dass das Ganze im Haushaltsausschuss mithilfe eines Kollegen auf den Weg gebracht worden ist, der hier sitzt und dem ich an dieser Stelle dafür danken möchte: Artur, das habt ihr gut gemacht! Das ist der richtige Ansatz. ({6}) Leider konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Artur Auernhammer das ziemlich allein bewerkstelligt hat, ohne das BMEL. Aber Artur, das musst du klären. Auf jeden Fall freue ich mich riesig darüber, dass wir jetzt in der gesamten Bandbreite tatsächlich 109 Millionen Euro für diesen Bereich zur Verfügung gestellt bekommen haben. Herr Haase, wenn ich an die Koalitionsverhandlungen denke und daran, wie schwierig es war, die ersten 10 Millionen Euro dafür von den Haushältern zu erstreiten, dann, finde ich, sind heute die 109 Millionen Euro ein richtig gutes Zeichen. Herzlichen Dank dafür, dass das geklappt hat. ({7}) Stichwort „Wald“: Ich habe es hier in einer meiner letzten Reden schon gesagt: Der Wald ist eine der großen CO2-Senken, und vor allen Dingen ist Holz mit langfristiger Wirkung und Nutzung eine CO2-Senke. Wir haben leider – ich bedauere das – nur 100 Millionen Euro aus dem Gesamtpaket bekommen für die Umwidmung des Naturstoffes Baum/Holz in die Holzwirtschaft. Herr Kollege Haase, ich würde mich riesig freuen, wenn Sie es begleiten würden, dass wir in dem Bereich der Holzwirtschaft – das umfasst die Zimmereien, die Schreinereien, die Bautechniken, die Erzeugung von neuen Isolierstoffen – viel nachhaltiger würden und der daran hängenden Wirtschaft einen richtigen Schub geben könnten. Das ist mit dem Geld möglich. Ich glaube, dann hätten wir mit diesem Haushalt auch etwas Gutes erreicht. Herzlichen Dank. ({8})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Rainer Spiering. – Nächster Redner: für Bündnis 90/Die Grünen Harald Ebner. ({0})

Harald Ebner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004215, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin, Ihrer Rede hat noch das Stichwort „Bullerbü“ gefehlt; ich füge es an dieser Stelle noch hinzu, einfach damit die Buzzword-Liste komplett ist. Aber trotzdem: Sie sind tatsächlich nicht zu beneiden. Die Aufgaben im Agrarbereich, die stapeln sich, ein Protest jagt den anderen, und Sie gründen eine Kommission nach der anderen. Bei so vielen Kommissionen kann man dann schon mal den Überblick verlieren, Frau Ministerin. Vielleicht haben Sie auch deshalb die für die europäische Agrarpolitik maßgebliche Kommission, die EU-Kommission, ein bisschen aus dem Blick verloren. Genau die stellt Ihrer Politik nämlich ein Armutszeugnis aus. Der Kommissionsvizepräsident bescheinigt Ihnen, dass Sie mit Ihren Ratsvorschlägen zur Gemeinsamen Agrarpolitik – ich zitiere – „festhalten an einer Agrarpolitik, die nicht nachhaltig ist“ und dass Sie damit nichts zur Bekämpfung der Klimakrise und des Artensterbens geliefert haben. Da hilft auch alles Schönreden nichts, Frau Ministerin. ({0}) Auf die existenziellen Herausforderungen – Klimakrise, Artensterben – bleiben Sie damit tatsächlich jede Antwort schuldig. Sie verspotten sogar noch die Ziele der EU-Kommission, die Farm-to-Fork-Strategie, als unrealistische Visionen, statt zu deren Erreichung beizutragen. Genau diese ignorante und störrische Haltung ist doch genau das Desaströse in der CDU/CSU-Agrarpolitik. Sie verweigern jeden notwendigen Umbau so lange, bis die Betriebe den Anschluss verloren haben. Das ist für Umwelt und Klima eine Katastrophe, aber auch für die Bauernfamilien; denn das ist das Gegenteil von Planungssicherheit. ({1}) Was für die Gemeinsame Agrarpolitik gilt, gilt leider auch für den Haushalt: Nichts geliefert. Sie schütten ein Füllhorn nach dem anderen aus, aber ohne jedes Konzept. Inhaltlich umgesetzt haben Sie schrecklich wenig. Sie reden von Ackerbaustrategie. Ja, aber wo ist sie denn? Da ist doch gar nichts passiert. Sie reden von Tierwohl. Ihre Haushälter sagen: Nö, finanzieren wir nicht. – Also, bis heute ist nichts passiert. Beispiel Pestizide: Im Koalitionsvertrag haben Sie den Glyphosatausstieg versprochen. Passiert ist bis heute – nichts, null, nada. Noch nicht mal das Glyphosatverbot für Privatanwender wurde erlassen, obwohl Sie es seit über zweieinhalb Jahren angekündigt haben. Das ist doch ein Offenbarungseid, Frau Ministerin. ({2}) Jetzt wollen Sie auch noch mithilfe der Kanzlerin das Insektenschutz-Gesetz blockieren. Wo bleiben die vom Kabinett schon längst beschlossenen Pestizidbeschränkungen für sensible Schutzgebiete, und wo bleibt der überfällige Kurswechsel hin zur Forschungsförderung von Pflanzenschutzmethoden ohne Gift? Das Einzige, was Sie hier bislang zustande gebracht haben, ist – festhalten! – ein Bundeswettbewerb für insektenfreundliche Landwirtschaft. Was für eine Blamage! ({3}) Sie haben von Lebensgrundlagen gesprochen, aber ohne Lebensgrundlagen keine Grundlagen zum Leben, Frau Ministerin. Diese Missachtung jeder wissenschaftlichen Erkenntnis zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen, die muss endlich ein Ende haben, auch in der Waldpolitik; sie wurde schon ein paarmal angesprochen. Hier treiben Sie die konzeptionslose Gießkannenförderung wirklich auf die Spitze. Sie verschenken eine halbe Milliarde Euro als Flächenprämie an die Waldbesitzinnen und Waldbesitzer. ({4}) Statt die Jahrhundertaufgabe Waldumbau voranzutreiben, blasen Sie hier wirklich Geld ohne Wirkung raus. ({5}) Sie halten nicht nur bei der GAP an Überkommenem fest, Sie führen es beim Wald auch noch neu ein. ({6}) Flacher kann eine Lernkurve nun wirklich nicht sein. Ihr Haushalt ist ein Spiegelbild Ihrer Politik: Vier Jahre lang zu viel Geld für zu wenig Zukunft. Schöne Worte und viel Geld sind noch lange keine Agrarpolitik. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Danke schön. ({7})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Harald Ebner. – Die letzte Rednerin in dieser Debatte: Gitta Connemann für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Haben Sie schon mal ein Ferkel aufgezogen? ({0}) – Der Kollege Hermann Färber kann diese Frage mit Ja beantworten. Damit weiß er auch: Von der Trächtigkeit bis zum Verkauf dauert es 190 Tage. Das sind 190 Tage Fürsorge, Arbeit und Kosten. Wissen Sie, was aktuell für ein Ferkel bezahlt wird? 200 Euro? 100 Euro? ({1}) – Nein. – Ich sage es Ihnen: Aktuell werden pro Ferkel 22 Euro bezahlt. Von diesen 22 Euro bleiben dem Ferkelerzeuger genau 0 Cent. ({2}) Er bringt jeden Tag Geld mit, wenn er in den Stall geht. Von Mindestlohn kann er nur träumen. Seine Realität wird bestimmt durch ruinöse Preise, durch Kosten für Stallumbauten, und das nach der Düngeverordnung. Das ist einfach zu viel. Ein junger Landwirt sagte mir jetzt: An keiner Stelle sieht man den Weg. – Die Folgen: Die Ställe bleiben leer. Beim Sozialdienst läuft das Telefon heiß. Insolvenzen sind kein Fremdwort mehr. Dabei legen wir heute einen Rekordhaushalt vor. Noch nie gab es so viel Geld: von Tierwohl bis zur Sozialversicherung. Wir puffern zum Beispiel die Auswirkungen der Düngeverordnung mit immerhin 1 Milliarde Euro ab. Respekt, liebe Julia Klöckner, und danke, lieber Christian Haase, übrigens auch für die Mittel für den Wald! ({3}) Wir nennen das nicht „verpuffen“, lieber Harald Ebner. Wir nennen das Hilfe für die Waldbauern, die diese dringend brauchen. ({4}) Aber wir sind weiter gefordert. Wir brauchen ein Nothilfeprogramm für die Sauenhalter: schnell, direkt, unmittelbar, als Zuschuss, nicht als Darlehen. Die Ferkelerzeuger sind nämlich das schwächste Glied. Aber auch andere Landwirte wissen nicht mehr weiter: Milchbauern, Putenmäster, Obstbauern; dabei ist es übrigens egal, ob öko oder konventionell. Viele verzweifeln; zur wirtschaftlichen Misere kommt nämlich die gesellschaftliche Ächtung hinzu. Diese Landwirte stehen mit dem Rücken an der Wand; denn Strukturen versagen. Erstens. Auch in der Politik gilt: Bevor wir andere zur Verantwortung ziehen, sollten wir uns selbst an die Nase fassen; denn wir tragen politische Verantwortung und schaffen immer neue Vorgaben. ({5}) Dabei wissen wir: Jede Auflage beschleunigt den Strukturwandel. Eine Politik für bäuerliche Familienbetriebe muss maßhalten und sich darauf beschränken, einen fairen Rahmen, einen Korridor zu setzen, in dem Landwirte sich auch bewegen können. Das gibt Flexibilität, das schafft Planungssicherheit, die ersehnt wird, und das zeigt am Ende auch Zukunftsperspektiven. Dazu gehört aber Vertrauen. Genau dieses Vertrauen zeigt einer nicht: der Entwurf für ein Insektenschutz-Gesetz von Ministerin Schulze. Über die mangelnde Fachlichkeit dieses Entwurfs will ich hier gar nicht sprechen. Wer Insektenschutz ernst meint, darf Lichtverschmutzung, Versiegelung und Co nicht aussparen, wie das BMU es tut. ({6}) Dieser Entwurf kennt nur einen Sündenbock, und das ist die Landwirtschaft. Aber wer sind denn die Umwelt- und Klimapraktiker? Das sind doch unsere Bäuerinnen und Bauern, und ihnen wird gedroht: mit einer Enteignung durch die Hintertür. Deshalb sind wir dir, liebe Julia Klöckner, dankbar, dass du gegenüber dem Bundesumweltministerium auch ein faires Miteinander einforderst. Denn was wäre die Konsequenz des Entwurfs? 1,6 Millionen Hektar dürften nicht mehr bewirtschaftet werden, und das alles ohne Ausgleich. Eigentumsschutz, Klimaschutz, Artenschutz gehen anders, nämlich nur mit der Landwirtschaft. ({7}) Miteinander statt gegeneinander – genau das lebt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, das übrigens über den GAK-Sonderrahmenplan 85 Millionen Euro für den Insektenschutz bereitstellt. Das ist der richtige Weg. Zweitens. Die Strukturen versagen auch im Lebensmittelhandel. Dort fehlt von Fairness bisher jede Spur. Damit meine ich übrigens nicht den Händler vor Ort; es geht um die großen Konzerne. Mit 85 Prozent Marktanteil sind Edeka, Rewe, Lidl und Aldi so mächtig, dass sie Bedingungen und Preise diktieren können, und sie tun es gnadenlos. Wer nicht mitzieht, geht unter. Sie spielen schon heute heimisches Obst und Gemüse gegen Auslandsware aus. Der Grundsatz müsste heißen: Unsere Lebensmittel von unseren Bauern. Die großen Vier beschwören aktuell in ganzseitigen Anzeigen eine faire Partnerschaft mit den Erzeugern. Das ist übrigens nur eine Reaktion auf die Streiks der Bäuerinnen und Bauern und auf das anstehende Verbot unlauterer Handelspraktiken. Julia Klöckner hat den Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Gut so! Nun ist der Deutsche Bundestag dran – wir. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion empfehle ich Ihnen, liebe Big Four: Nicht nur über Fairness reden, sondern Fairness leben! ({8}) Unsere Bäuerinnen und Bauern haben einen fairen Preis verdient. Sonst steuern wir nach, und zwar hart; denn Lebensmittel sind mehr wert. Drittens. Verbraucherinnen und Verbraucher fordern immer höhere Standards. Eingekauft wird aber leider häufig immer noch nach dem Motto „Geiz ist geil“. Über Tierwohl, Klimaschutz etc. wird aber auch an der Ladenkasse oder im Restaurant entschieden. Regionalität und Qualität haben ihren Preis und sind es wert. Eine nationale Marketingagentur, lieber Christian Haase, könnte heimische Produkte noch bekannter machen – dafür hast du jetzt einen Titel für die Machbarkeitsstudie geschaffen; dafür vielen Dank –: ({9}) „Gutes aus deutschen Landen. Unsere Lebensmittel von unseren Bauern.“ – Um die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage zu versetzen, die richtige Wahl treffen zu können, wollen wir als CDU und CSU deshalb auch eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel in ganz Europa; denn die Menschen haben ein Recht darauf, zu wissen, wo ihr Essen herkommt. Meine Damen und Herren, ich könnte jetzt auch die Verantwortung der Medien, der NGOs und von kirchlichen Organisationen ansprechen.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Frau Kollegin Connemann, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder ‑bemerkung von Dr. Hocker?

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, gerne.

Dr. Gero Clemens Hocker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, verehrte Frau Präsidentin. Vielen Dank, verehrte, liebe Gitta Connemann, dass diese Zwischenfrage zugelassen wird. – Frau Connemann, Sie haben eben von mangelnder Fairness den Landwirten gegenüber gesprochen. Sie haben davon gesprochen, dass Landwirte keinen Weg in der Zukunft sehen. Jetzt habe ich mir das eben noch mal vergegenwärtigt und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass das Landwirtschaftsministerium seit 2005 entweder in Händen der CDU oder der CSU ist. ({0}) Können Sie mir vor dem Hintergrund dieser Tatsache erklären, warum gerade Sie davon sprechen, dass Landwirte in Deutschland keinen Weg mehr sehen? Ist das ein Eingeständnis des eigenen Politikversagens? ({1})

Gitta Connemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003514, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, ist es nicht, lieber Kollege Hocker. Sie haben übrigens vergessen, zu erwähnen, dass es auch eine Legislaturperiode gab, in der die FDP Mitverantwortung getragen hat, ({0}) auch ganz wesentlich Verantwortung getragen hat, nämlich im Wirtschaftsministerium. Ich will nicht wissen, wie die Situation für Bäuerinnen und Bauern in diesem Land aussehen würde, wenn die CDU/CSU in diesem Bereich nicht Verantwortung getragen hätte; denn eines erleben wir immer und immer wieder, übrigens leider auch seitens der FDP: dass Sie in Reden, auch in Beiträgen im Internet die großen Partner der Bäuerinnen und Bauern sind. Aber wenn es darum geht, zu ihnen zu stehen, übrigens zum Beispiel bei dem Thema Direktzahlung oder aber bei dem Thema landwirtschaftliche Unfallversicherung, das die Ministerin vorhin angesprochen hat, dann gehört zur Wahrheit dazu, dass Sie im Haushaltsausschuss den Antrag gestellt hatten, den bisherigen Zuschuss von 180 Millionen auf 100 Millionen Euro herunterzusetzen. Das ist die Wahrheit, und das sollten Sie Ihren Bäuerinnen und Bauern auch sagen. ({1}) Gut, dass es die CDU/CSU gibt, die immer noch uneingeschränkt an der Seite der Bäuerinnen und Bauern in Deutschland steht – anders als andere, die eben keine Verantwortung übernehmen. Ich hätte hier über NGOs, über Medien, über kirchliche Organisationen sprechen können. Ich könnte über Halbwissen, Skandalisierung und leider auch über Doppelmoral sprechen. Nur zu rufen „Wir haben es satt!“, macht niemanden satt; das ist keine Lösung. Aber genau diese brauchen unsere Bäuerinnen und Bauern; denn sie versorgen Deutschland, und das wollen sie übrigens auch in Zukunft tun. Es gibt eine starke junge Generation, die die Höfe übernehmen will; sie kann es, und sie will es. Übrigens hat mir der Jungbauer nach unserem Gespräch noch einmal geschrieben. Er kam gerade aus dem Stall, kurz vor Mitternacht, weil seine Sauen abgeferkelt hatten – keine Arbeitszeitbegrenzung –, und er schrieb mir: Vielleicht klang ich sehr negativ, aber ich bin leidenschaftlicher Landwirt, und ich will es bleiben. – Meine Damen und Herren, das liegt auch in unserer Hand. Wir haben dafür mit diesem Haushalt die Vorlage gemacht. Bitte stimmen Sie diesem zu! Vielen Dank. ({2})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Gitta Connemann. – Damit schließe ich die Aussprache.

Dr. Götz Frömming (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004722, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Ministerin! Wenn wir über Bildung und Forschung sprechen, sollten wir nicht nur über Geld reden, sondern auch über Werte. ({0}) Die Ermordung des französischen Geschichtslehrers Samuel Paty war ein Angriff auch auf unsere Werte, ein Angriff auf Bildung, Menschenwürde, ({1}) Abendland, Aufklärung und Humanismus. ({2}) Am vergangenen Sonntag wurde der Täter in Tschetschenien beerdigt. Wer nun erwartet hat, dass das eine stille, verschämte Feier im kleinen Kreis war, sah sich getäuscht. Hunderte feierten den Täter und verhöhnten das Opfer. Inzwischen soll sogar eine Straße nach ihm benannt worden sein. Gleichzeitig nehmen wir zur Kenntnis, dass leider nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland, mitten in Berlin, das Opfer verhöhnt wurde und die Tat verharmlost worden ist. Nach und nach wird auch deutlich, dass die Schweigeminute, die an vielen Schulen dankenswerterweise durchgeführt worden ist, viel öfter, als bisher geahnt, gestört worden ist. Meine Damen und Herren, all das ist beschämend und ist eine Schande für Europa. ({3}) Meine Damen und Herren, wir haben ein gewaltiges Problem an unseren Schulen, und es wird sicherlich nicht kleiner, wenn man es vertuscht und verharmlost. Schulen und Schulbehörden haben in der Vergangenheit viel zu oft weggesehen. In Hamburg hat übrigens erst eine Anfrage der CDU-Fraktion dazu geführt, dass die Schulbehörde bekannt gab, wie muslimische Schüler die Schweigeminute gestört und Verständnis für den islamischen Terrorismus geäußert haben. Woher kommt das eigentlich, meine Damen und Herren, dass Staat und Gesellschaft hier so kläglich versagen, obwohl Sie doch sonst gegen den Extremismus ständig kämpfen und sich diesen Kampf groß auf die Fahnen geschrieben haben? Meine Damen und Herren, offenbar wird hier mit zweierlei Maß gemessen. Die gleichen Leute, die sonst nicht müde werden, zu betonen, dass es doch keine Unterschiede gebe zwischen länger und kürzer hier Lebenden, machen dann plötzlich einen Unterschied. Wenn Christian und Johanna auf Abwege geraten, dann funktionieren die Frühwarnsysteme und Schule und Gesellschaft, und das ist auch gut so. Wenn aber Mohammed oder Hatice sich radikalisieren, dann wird das mit Blick auf ihre Herkunft, Kultur und Religion relativiert und damit verharmlost, meine Damen und Herren. ({4}) Wenn muslimische Kinder in der Schule aus der Spur laufen, dann darf uns das auch nicht kaltlassen, dann müssen wir genauso reagieren; wir müssen sie einfangen und erziehen wie alle anderen. Die Schule hat hier einen Erziehungsauftrag, meine Damen und Herren, übrigens nicht der Staat für erwachsene Bürger, sondern die Lehrer für minderjährige Schüler. ({5}) Während Programme gegen rechts mit Milliarden gefördert werden – auch da haben Sie eine ordentliche Schippe draufgelegt –, sehen wir doch, dass hier viel zu wenig getan wird. Still und heimlich konnte sich der radikale Islamismus in Schulen, Hochschulen und Moscheen weitgehend ungehindert ausbreiten. Wir wissen übrigens noch viel zu wenig darüber. Deshalb wird die AfD-Fraktion demnächst einen Antrag einbringen, der eine bundesweite Studie zur Erforschung dieses Phänomens fordern wird. Lassen Sie mich abschließend noch ganz kurz drei Punkte erwähnen, die Ihnen zeigen, dass wir im Ausschuss natürlich konstruktiv mitarbeiten und nicht, wie Sie das häufig behaupten, nur Polemik betreiben. ({6}) Erstens. Wir haben sehr früh die steuerliche Forschungsförderung gefordert. Wir waren die erste Fraktion, die Sie daran erinnert hat, dass wir das in dieser Legislaturperiode umsetzen sollten. ({7}) Sie haben es in Ihrem Koalitionsvertrag stehen, haben aber nichts gemacht. Zweitens haben wir daran erinnert, dass wir die Grundlagenforschung zur Kernenergie stärken müssen. ({8}) Wir haben schließlich einen Antrag eingebracht, um die nationale pharmazeutische Forschung zu stärken. Auch das haben Sie bisher zu wenig berücksichtigt. Hier sind wir allerdings der Bundesregierung dankbar, dass sie dort tatsächlich eine Erhöhung vorgenommen hat. Insofern ist nicht alles schlecht am Haushalt. Die Höhe stimmt. Von der Zielsetzung her hätten wir uns etwas mehr für Naturwissenschaft und weniger für ideologische Projekte gewünscht. Vielen Dank. ({9})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Danke schön, Dr. Frömming. – Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Kerstin Radomski. ({0})

Kerstin Radomski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004382, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir über den Bereich „Bildung und Forschung“ des Bundeshaushalts 2021 debattieren, dann müssen wir uns eines vor Augen führen – und das passt ganz gut zu meinem Vorredner –: Der Einzelplan 30 bildet die Zukunftschancen und Möglichkeiten Deutschlands ab. Mit 20,8 Milliarden Euro investiert der Bund für das Jahr 2021 die höchste jemals für diesen Bereich zur Verfügung gestellte Summe. Der Titel des Ministeriums – „für Bildung und Forschung“ – ist jedoch für die Öffentlichkeit oft irreführend. Und auch wir als Parlamentarier scheinen immer öfter aus den Augen zu verlieren, welche Aufgaben dem Bund in diesem Bereich zugesprochen werden. Grob gesagt sind drei Viertel des Einzelplans im Bereich des Wissenschaftssystems und der Forschung veranschlagt und nur ein Viertel im Bildungswesen. Die berechtigte Frage eines Bürgers und auch mancher Kollegen könnte nun sein: Ist Bildung nicht die Zukunftsinvestition schlechthin, und warum investiert der Bund in diesem Bereich nicht viel mehr? ({0}) Die Kompetenz des Bundes ist aber verfassungsmäßig begrenzt. ({1}) Bildung ist im föderalen System Aufgabe der Länder. Deren Aufgabe ist es, diesen wichtigen Zukunftsbereich sowohl inhaltlich als auch finanziell zu gestalten und zu fördern. ({2}) Die allermeisten Länder kommen diesem Auftrag auch gut nach. Natürlich gibt es immer Unterschiede, aber diese sind in der föderalen Struktur auch gewollt. ({3}) In den letzten Jahren haben wir uns als Bund im Bereich des Bildungswesens immer stärker finanziell engagiert. So ist zum Beispiel die Übernahme der Kosten des BAföG der größte Posten. Wir fördern als Bund auch die berufliche Bildung, etwa bei den überbetrieblichen Bildungsstätten, und das Aufstiegs-BAföG für Auszubildende. Auch in die Alphabetisierung investieren wir jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag. ({4}) Dieser dient nicht dazu, Alphabetisierung bei Schulkindern zu unterstützen, sondern das richtet sich an Berufstätige oder Erwachsene. Anhand der Alphabetisierung kann man gut erläutern, was der Bund in der letzten Zeit sehr häufig macht. Wir helfen immer dann, wenn wir feststellen, dass es Schwierigkeiten im Bildungswesen gibt. Gelder für die Alphabetisierung zur Verfügung zu stellen, ist wirklich richtig. Die Frage ist aber: Warum verlassen immer noch Schüler nach der 10. Klasse unser Schulsystem, ohne gefestigte Deutschkenntnisse zu besitzen? ({5}) Diese Frage muss aber in den Landesparlamenten gestellt und auch dort beantwortet werden. Kommen wir aber zum Bereich des Wissenschaftssystems und der Forschung, in den ein Großteil des Geldes, das das Parlament zur Verfügung stellt, reingeht. Der Bund fördert eine breite Palette von Wissenschaftsdisziplinen: Quantentechnologie, künstliche Intelligenz, Wasserstofftechnologie, Polarforschung, Impfstoffforschung, Bioökonomie – Frau Christmann –, Materialforschung, und das geht bis zur Erforschung des Universums. Wenn man das in einem Satz zusammenfassen will, könnte man sagen: Von den Quanten über die Zelle bis zu den Sternen fördern wir Wissenschaft in Deutschland. ({6}) Wir fördern dabei grob gesagt über zwei Wege: die institutionelle und die projektbezogene Förderung. Bei der institutionellen Förderung unterstützen wir die großen außeruniversitären Forschungsgesellschaften als verlässlicher Partner dauerhaft finanziell. Gleichzeitig werden über die Projektfördermittel einzelne Vorhaben finanziell und zeitlich begrenzt gefördert; man könnte auch sagen: angereizt. Man kann sich das Ganze wie einen Baum vorstellen: Der Stamm mit einigen Verästelungen wird mit Mineralstoffen, Wasser und Sonnenlicht grundversorgt. Aber immer wieder zeigen sich neue Knospen, die aus der Wissenschaftsvielfalt entstehen. Die Aufgabe der Politik ist es nun, gemeinsam mit der Wissenschaft abzuwägen, ob die Förderung einer einzelnen Knospe oder eines Bereiches über das Grundmaß hinaus sinnvoll und geboten ist. Für nächstes Jahr haben wir zum Beispiel die Demenzforschung als einen solchen Bereich identifiziert, den wir zusätzlich mit 5 Millionen Euro Projektfördermitteln finanziell unterstützen. So können mit zeitlich und finanziell begrenzten Ressourcen neue Forschungsbereiche angeregt werden, die sich irgendwann zu tragenden Ästen des Wissenschaftsbaumes entwickeln. Was Wissenschaft, Politik und Gesellschaft aber vermeiden müssen, ist, dem Irrglauben zu verfallen, man könnte in einen Baum unendlich Löcher bohren und einfach Äste hineinstecken, die dann anwachsen müssen und Teil des Ganzen werden. So etwas könnte tatsächlich im Einzelfall klappen, aber nicht dauerhaft und immer. Wenn Wissenschaftler der Politik gefallen wollen und politische Schlagwörter benutzen, um Forschungsgelder abzugreifen, und Politiker von Forschern ideologiegetriebene Forschung erwarten, wird es dagegen langfristig schwierig für beide Seiten und dient nicht dem Wohl unseres Landes. Natürlich haben wir als Parlament in diesen Haushaltsberatungen auch eigene Akzente gesetzt – über den Regierungsentwurf hinaus. Wir investieren in Therapeutika gegen Covid-19  50 Millionen Euro über drei Jahre. Auch wenn die Medien derzeit gerne über Impfstoffe berichten und darüber, ab wann diese zur Verfügung stehen müssen: Wir als Politik wollen auch Optionen schaffen für Menschen, die sich nicht impfen lassen können. Wir fördern die Fortführung eines Forschungsnetzwerkes der über 36 Universitätsklinika, die patientenorientierte Forschung betreiben und sich hoffentlich in Zukunft nicht nur mit Corona beschäftigen, sondern andere Volkskrankheiten beachten. Außerdem möchte ich die Fraunhofer-Immunforschung erwähnen. An bundesweit vier Standorten wird die Erforschung und Therapie von Immunerkrankungen nachhaltig gestärkt. Weitere Beispiele für angewandte Forschung sind das Fraunhofer-Zentrum für Biogene Wertschöpfung und Smart Farming sowie das Fraunhofer-Zentrum für Öffentliche Sicherheit in Berlin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Grundlagenforschung ist wichtig. In diesem Bereich investieren wir 70 Millionen Euro in die Wirkstoffforschung. Es geht da zum Beispiel um neue Antibiotika. Ich komme zu dem Ergebnis, dass wir gut aufgestellt in das kommende Jahr gehen. Mein Dank gilt allen Beteiligten, vor allen Dingen den Mitberichterstattern, für die kollegiale Zusammenarbeit. Mein besonderer Dank gilt meinem Kollegen Swen Schulz, ({7}) der zum letzten Mal bei den Verhandlungen mit dabei war. Lieber Swen, wir haben deine Verlässlichkeit immer sehr geschätzt; ich glaube, da kann ich für alle Kollegen sprechen. ({8}) Mein Dank gilt ebenso Ministerin Anja Karliczek und ihrem Haus. Erwähnen möchte ich natürlich auch die Mitarbeiter der Arbeitsgruppen, der Büros und des Haushaltssekretariats. Danke für die gute Zusammenarbeit! Ich wünsche Ihnen allen ein schönes Restjahr und danke für die Aufmerksamkeit. ({9})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Kerstin Radomski. – Nächste Rednerin: für die FDP-Fraktion Bettina Stark-Watzinger. ({0})

Bettina Stark-Watzinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004902, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kerstin Radomski, heute ist der Tag der Bildung, und heute kam eine neue Studie heraus, nach der ein Viertel der Viertklässler, also ein signifikanter Teil, nur rudimentäre Kenntnisse in Mathematik hat. Deswegen: Ja, Bildung in der Schule ist eigentlich Ländersache, ({0}) aber wir haben eine Grundgesetzänderung vorgenommen und haben uns dazu entschieden, an bestimmten Stellen auch als Bund aktiv zu werden. Wir beschließen heute einen Haushalt von 21 Milliarden Euro. Zwischen der Einbringung und dem Ende der Bereinigungssitzung sind 500 Millionen Euro dazugekommen. Das hört sich erst mal toll an, aber am Gesamtetat macht dieser Haushalt 4 Prozent aus. 52 Prozent gehen in den Sozialetat, 4 Prozent in Bildung und Forschung. In Anlehnung an John F. Kennedy sage ich jetzt einfach mal: Es gibt nur eines, was teurer ist als Bildung und Innovation, nämlich keine Bildung und Innovation. ({1}) Die aktuelle bildungspolitische Forschung zeigt das auch. Wenn wir die Bildungsleistung in unserem Land um 25 PISA-Punkte erhöhen würden, könnte unser Bruttoinlandsprodukt auf 15 Billionen Euro, also auf das Fünffache des tatsächlichen Bruttoinlandsprodukts, steigen. Ich denke, das ist ein Anstieg, den auch der Wirtschaftsminister im Augenblick gerne sehen würde. Doch Bildung ist nicht nur eine Frage des wachsenden Wohlstands in einer Gesellschaft; sie ist auch eine Frage der Gerechtigkeit, meine Damen und Herren. Und da sieht es in diesem reichen Land doch sehr arm aus. Schauen wir uns die Bildungsgerechtigkeit und soziale Mobilität an: Nur 21 von 100 Kindern aus Nichtakademikerhaushalten gehen an die Universität, 8 schließen ein Masterstudium ab. In Deutschland braucht es zwei bis vier Generationen, bis Kinder aus einkommensschwachen Familien ein Durchschnittseinkommen erzielen können. ({2}) Aufstiegschancen werden nicht durch staatliche Umverteilung im Sozialministerium geschaffen. Sie werden dort geschaffen, wo der Mensch das Handwerkszeug an die Hand bekommt, um aus eigener Leistung zu wachsen, nämlich durch Bildung, meine Damen und Herren. Dafür zu sorgen, ist auch Ihre Aufgabe, Frau Ministerin. ({3}) Und Sie brauchen sich gar nicht aufzuregen: In skandinavischen Ländern – dort zeigt es sich – ist Bildung ein viel integralerer Bestandteil von Sozialpolitik. Bildungspolitik wird dort für den Statuserwerb und nicht nur für den Statuserhalt gemacht. Das muss unser Vorbild sein. Ich möchte ein konkretes Beispiel nennen. Ein Drittel der Abiturienten, die nicht studieren, geben fehlende finanzielle Voraussetzungen als Grund dafür an, dass sie nicht studieren. Das ist für uns Freie Demokraten ein unerträglicher Zustand. ({4}) Es gibt in diesem Haus, von der Union bis zu den Linken, einen parteiübergreifenden Konsens, dass hier etwas getan werden muss; aber es passiert nichts. Wir haben das elternunabhängige BAföG vorgelegt, ({5}) ein Konzept, das junge Menschen unabhängig davon macht, aus welcher Situation sie kommen, und sie in die Lage versetzt, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Das ist unser Vorschlag, um die soziale Mobilität in unserem Land zu erhöhen. Von Ihnen, liebe Union, gibt es zu diesem Thema nichts. Sie verwalten den Status quo und akzeptieren diese Ungerechtigkeit stillschweigend. Das müssen wir ändern! ({6}) Stillstand bei der Digitalisierung; Rückschritte sehen wir durch Corona. Es wird Sie nicht überraschen, dass ich Ihnen sage: Nie war digitale Bildung so wichtig wie heute. „… wir machen jetzt Nägeln mit Köpfen“, haben Sie, Frau Ministerin, 2018 hier im Plenum gesagt. Und: „... was im Kinderzimmer Standard ist, muss es im Klassenzimmer doch erst recht sein.“ Realitätscheck in meinem Heimatland Hessen: Für die geplante Anschaffung von Dienstlaptops für alle Lehrer – so hat es Ihr Parteikollege Herr Lorz, der hessische Kultusminister, gesagt – werde wahrscheinlich Ende des Jahres der Startschuss fallen. Fast ein Jahr nach Beginn der Coronakrise! ({7}) Es werde an einer Verwaltungsvereinbarung gearbeitet. Es sei voraussichtlich nur noch eine Frage von Wochen, und im Laufe des nächsten Jahres – mehr als ein Jahr nach Corona! – könnten diese Laptops dann verteilt werden. Wann kommen die Laptops, liebe Frau Ministerin? Ich bitte Sie: Geben Sie uns jetzt mal einen Zeitplan. ({8}) Ja, die Kooperation zwischen Bund und Land ist nicht trivial, aber wir haben in unserem Land schon ganz andere Probleme gelöst. Sie stellen in vielen Ländern die Landesregierungen. Also: Packen Sie es an! Der DigitalPakt muss in dieser Legislaturperiode noch richtig zum Laufen kommen. Wir haben kein finanzielles Problem; wir haben ein Umsetzungsproblem – der Bundesrechnungshof hat dazu viele Berichte auf den Tisch gelegt –: Bei Forschung und Innovation fließen die Mittel nicht ab; für eine Wasserstoffunion ist bisher noch kein einziger Vertrag abgeschlossen. Für uns Freie Demokraten gilt: Wie sozial ein Staat ist, zeigt sich nicht im Sozialetat, sondern in den Chancen, die er bietet. Und es gilt: Ein Land, das in Innovation, in Forschung investiert, investiert in die eigene Zukunft. Wir haben unsere Konzepte vorgelegt. Dem Haushalt werden wir nicht zustimmen. ({9})

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Vielen Dank, Bettina Stark-Watzinger. – Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Swen Schulz. ({0})

Swen Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ausnahmsweise zitiere ich mich eingangs selbst. ({0}) – Ja, wer kluge Sachen sagt, der darf auch zitiert werden.

Claudia Roth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003212

Mit Erlaubnis der Präsidentin. ({0})

Swen Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. ({0}) Ich habe nämlich meinen Redebeitrag in der ersten Lesung des Haushalts 2021 so begonnen: Es gibt letztlich nur einen Weg, mit der Pandemie fertigzuwerden: mit einem Impfstoff. Und den bekommen wir nur, wenn die Forschung erfolgreich ist. Ebendiese Forschung unterstützen wir massiv. Ende des Zitats vom 1. Oktober. ({1}) Nun liegen die ersten Forschungsergebnisse vor. Das Unternehmen BioNTech hat einen vielversprechenden Impfstoff entwickelt und dafür viel Förderung vom BMBF erhalten. Diese beherzte und kräftige Förderung hat das Ergebnis mindestens begünstigt. ({2}) Das zeigt, wie wichtig und erfolgreich unsere Politik ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({3}) Nun konnte ich das bei der ersten Lesung natürlich nicht wissen. Was ich allerdings für die parlamentarischen Beratungen schon im Sinn hatte, war, dass wir den Entwurf der Bundesregierung noch etwas verbessern können. Aber ganz ehrlich: Was wir dann tatsächlich gemeinsam geschafft haben, hat sogar mich überrascht. Wir haben für die nächsten Jahre sage und schreibe über 1,2 Milliarden Euro mehr für Bildung und Forschung vorgesehen – über 1,2 Milliarden Euro für die Zukunft, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({4}) Was haben wir im Einzelnen beschlossen? Die Gesundheitsforschung wird weiter massiv und verstärkt unterstützt: erstens durch das Netzwerk Universitätsmedizin, mit dem wir über die Pandemie hinaus die Zusammenarbeit der Uniklinika in Deutschland auf ein neues Niveau heben und thematisch verbreitern, zweitens durch zusätzliche Forschungsmittel für Covid-19-Medikamente – denn mit dem Impfstoff alleine wird es nicht getan sein; es müssen wohl auf längere Sicht Erkrankte behandelt werden – und drittens durch neue Institute für Immunologieforschung an verschiedenen Standorten in Deutschland. Darüber hinaus spannen wir den Rettungsschirm für Ausbildungsplätze weiter auf und geben mehr Geld dafür, und wir stärken die Nothilfe für Studierende. Angesichts der weiterhin angespannten Lage ist beides gleich wichtig, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({5}) Die gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie sind natürlich von großer Bedeutung. Darum stellen wir mehr Mittel für deren sozialwissenschaftliche Erforschung bereit. Mit diesen Maßnahmen, meine sehr verehrten Damen und Herren, bekämpfen wir die Pandemie und ihre Auswirkungen nach Kräften, auch und gerade mit Bildung und Forschung. Wir kümmern uns aber auch um Themen, die gar nichts mit Corona zu tun haben. So stocken wir die Mittel für die Demenzforschung auf, womit wir einen weiteren Baustein zur Bekämpfung dieser Krankheit setzen wollen, die so viele betrifft und die so viel Leid bringt. Wir stärken einmal mehr die Alphabetisierung, damit Menschen ein Angebot erhalten, um Lesen und Schreiben zu erlernen. Wir wollen, dass die Betroffenen besser am gemeinsamen Leben teilhaben können und Chancen erhalten. Die öffentliche Sicherheit wollen wir mit einem neuen Fraunhofer-Institut auch von der technologischen Seite her verbessern, sei es mit Blick auf die Datensicherheit und Kommunikation oder zum Beispiel, wenn es um Gefahren durch Drohnen geht. Den Tierschutz wollen wir durch die Verbesserung der Forschung für Alternativen zu Tierversuchen unterstützen. Ich weiß, dass das vielen Bürgerinnen und Bürgern wichtig ist. Deswegen ist es gut, dass wir hier einen Schritt weiter vorankommen. ({6}) Last, not least: Die digitale Bildung fördern wir mit erheblichen zusätzlichen Mitteln, weil es da schmerzliche Defizite gibt, wie wir gerade in dieser Zeit immer wieder sehen. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind nur Stichworte aus den Haushaltsberatungen. Ich könnte noch viele weitere Themen ansprechen, die alle wichtig und im Haushaltsplan verankert sind – von Klima und Energie über angewandte Forschung bis zu der beruflichen Bildung und der Hightech-Strategie –, aber ich habe hier nur ein paar Minuten Zeit. Ich will noch auf zwei Grundsatzfragen eingehen, die sich auch in diesem Etat wiederfinden: zum einen das Bund-Länder-Verhältnis und zum anderen die Frage nach der Rolle des Deutschen Bundestages. Der Hochschulpakt ist eine seit Jahren erfolgreiche Bund-Länder-Kooperation. Aber leider wurden über 3 Milliarden Euro bislang nicht für die Studierenden eingesetzt, sondern gebunkert. Wir haben darum beschlossen, 15 Prozent der Mittel zu sperren, und geben gleichzeitig die Perspektive, dass das Geld freigegeben wird, wenn es zweckgemäß eingesetzt wird. Das ist meiner Meinung nach ausgesprochen maßvoll; denn im Umkehrschluss bedeutet das ja auch, dass 85 Prozent der Mittel weiterhin auf jeden Fall fließen. Trotzdem: Als Haushaltsgesetzgeber haben wir damit – wenn ich es richtig sehe, zum ersten Mal – in eine solche Bund-Länder-Vereinbarung eingegriffen, aber nicht, damit der Bund weniger zahlen muss und die Länder mehr zahlen müssen, sondern, um sicherzustellen, dass der Hochschulpakt auch überall wirkt. Wir wollen, dass das Geld tatsächlich für Studienplätze und bessere Lehre eingesetzt wird, meine sehr verehrten Damen und Herren. ({8}) Bei diesen Bund-Länder-Vereinbarungen stellt sich auch die Parlamentsfrage. Sie werden nämlich von den Landesregierungen und der Bundesregierung geschlossen, nach vertraulichen Gesprächen. Es sind eben Verwaltungsvereinbarungen, teils mit großer Bedeutung, gerne langjährig und viele Milliarden Euro schwer, aber ohne dass der Bundestag gefragt, geschweige denn angemessen einbezogen wird. Dabei kann man ja durchaus diskutieren: Wie ist die Ausgestaltung? Wie viel Geld ist von wem wofür vorgesehen? Welche Ziele bekommen welches Gewicht, wie wird kontrolliert, was passiert, wenn die Ziele nicht erreicht werden? All das wird von den Regierungen verhandelt, und der Deutsche Bundestag wird rausgehalten. Wir sollen nur hinterher brav das Geld dafür bereitstellen. Das geht so nicht, Kolleginnen und Kollegen, ({9}) das kann so nicht bleiben. Darum haben wir nun ein Stoppschild aufgestellt: Wir wollen künftig einbezogen werden und unsere Ansichten einbringen. Politik kann nur dann Akzeptanz erwarten, wenn alle wichtigen Fragen parlamentarisch diskutiert und die verschiedenen Argumente öffentlich ausgetauscht werden. ({10}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich könnte jetzt noch ein bisschen über Differenzen innerhalb der Koalition sprechen, ({11}) etwa was das Thema „Hilfe für Schüler und Studierende“ und die SPD-Forderung nach einem besseren BAföG-Konzept anbetrifft. ({12}) Aber meine Redezeit ist fast erschöpft. Außerdem freue ich mich viel zu sehr über das Erreichte. Schließen möchte ich darum mit meinem herzlichen Dank an alle, die mitgewirkt haben: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundesregierung und auch hier im Deutschen Bundestag sowie die Kolleginnen und Kollegen. Ein besonderer Dank gilt natürlich meiner liebsten Kollegin Kerstin Radomski, die die Fackel weitertragen wird, ({13}) sowie unseren Sprechern Ecki Rehberg und Dennis Rohde, ohne die das Ergebnis nicht möglich gewesen wäre. Herzlichen Dank. ({14})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch für die Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 21. September fand im Bundeskanzleramt ein Bildungsgipfel statt. Auf diesem Gipfel beschworen die Kanzlerin und auch die Ministerin, Frau Karliczek, die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern für die Bildung. Aus dieser Beschwörung lassen wir Sie auch nicht mehr heraus, meine Damen und Herren. ({0}) Die Pandemie hat doch gezeigt, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ist. Aber was ist Ihnen eingefallen? Frau Karliczek, Sie sagen: Masken auf in der Schule, dicke Pullover anziehen. – Und unsere Kanzlerin hat heute den Vogel abgeschossen und hat den Kindern empfohlen, sie sollten in der Schule, wenn ihnen kalt ist, doch mal in die Hände klatschen und dicke Pullover anziehen und Kniebeugen machen. Ich finde, so kann man mit unserem Bildungssystem nicht umgehen, meine Damen und Herren. ({1}) Es ist schon gesagt worden: Es ist viel Geld zur Verfügung gestellt worden. Frau Karliczek, Sie haben vom Bundestag 5 Milliarden Euro für den DigitalPakt bekommen, und Sie schaffen es nicht, das Geld sinnvoll in die Schulen zu bringen. Das ist ein Armutszeugnis. So darf das nicht weitergehen. ({2}) Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat den Zugang zu Lernmitteln untersucht. Das Ergebnis ist eindeutig: Während des Lockdowns im Frühjahr erhielten 36 Prozent der Gymnasien entsprechenden Fernunterricht, aber nur 25 Prozent der Haupt‑, Real- und Gesamtschulen. ({3}) Und nach dem Lockdown wurde die digitale Kluft noch größer. Kinder in Privatschulen hatten übrigens in der Zeit der Schulschließung häufiger Videounterricht als Kinder in öffentlichen Schulen. Das bestätigt: Die Digitalisierung der Schulen kommt nicht nur langsam voran, sondern die digitale Spaltung und die soziale Spaltung gehen auch miteinander einher. Das sind unhaltbare Zustände. So darf das nicht weitergehen, meine Damen und Herren. ({4}) Ich frage Sie auch: Warum gelingt es der Bundesregierung und den Ministerpräsidenten nicht, den Unterricht in kleineren Gruppen zu organisieren und so Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler zu schützen? Wir haben Ihnen ja bereits in der vergangenen Sitzungswoche Vorschläge unterbreitet. Es gibt geschlossene Kinos, Theater und Konzertsäle. Warum werden diese nicht für den Schulunterricht genutzt? Es gibt Angebote von Jugendherbergen. Sie werden ausgeschlagen. Das kann doch wohl nicht wahr sein! Ich sage Ihnen: Es gibt auch viele Lehramtsstudentinnen und ‑studenten, die bereit wären, die Lehrerinnen und Lehrer zu unterstützen. Medizinstudenten haben sich im ersten Lockdown in den Krankenhäusern gemeldet. Warum soll das nicht auch mit Lehramtsstudenten möglich sein? Sie sind dazu bereit, meine Damen und Herren. ({5}) In Ihrem Geschäftsbereich, Frau Ministerin, befindet sich eines der größten Wissenschaftssysteme der Welt. Ich bin mir sicher, dass Hunderte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler freiwillig bereit wären, unseren Schulen bei der Digitalisierung zu helfen. Waren wir nicht das Land der Ideen, oder war das nur eine PR-Aktion? Meine Damen und Herren, hier muss es besser gehen, und Sie dürfen die Schulen nicht weiter hängen lassen. ({6}) Sie lassen aber nicht nur die Schulen hängen; Sie lassen auch die Hochschulen hängen. Nach Angaben des Deutschen Studentenwerkes leben 200 000 Studierende in struktureller Armut. Das ist doch eine Verschwendung von Potenzial. Das können wir uns nicht leisten. ({7}) Darum fordern wir als Linke endlich eine Studienfinanzierung, die jungen Menschen ermöglicht, ohne finanzielle Sorgen zu studieren. Das ist machbar, das ist finanzierbar – man muss es nur wollen. ({8}) Die soziale Spaltung in unserem Bildungs- und Wissenschaftssystem fängt in der Schule an und setzt sich bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fort. Viele von ihnen leben in prekären Verhältnissen; Arbeitsverträge sind zeitlich kurz begrenzt, sodass sie nur von der Hand in den Mund leben. Darum fordern wir als Linke einen Fonds von 3,4 Milliarden Euro für die Schaffung von Dauerstellen und verlässlichen Berufswegen. ({9}) Ich denke, diesem Antrag sollten Sie zustimmen. ({10}) Meine Damen und Herren, die prekäre Beschäftigung führt natürlich dazu, dass die Hochschulen gezwungen werden, Geld aus der Wirtschaft einzuwerben. Und immer mehr Konzerne wie Amazon, Facebook und Google versuchen, mit finanziellen Mitteln die Hochschulen von sich abhängig zu machen und die Forschung in ihrem Profitinteresse zu beeinflussen. Noch schlimmer ist es, dass sie darauf bestehen, dass viele Forschungsergebnisse geheim bleiben. Wir sagen: Das ist ein Angriff auf unser Grundgesetz. Dort heißt es in Artikel 5 Absatz 3: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Und diese Freiheit wird von Konzernen unterlaufen. Es darf nicht sein, dass Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Wissenschaft finanzieren und nichts darüber erfahren, was an Forschungsergebnissen herauskommt. Wir müssen hier gründlich umsteuern, damit wir die Vorgaben unseres Grundgesetzes erfüllen. Vielen Dank. ({11})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Margit Stumpp für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Margit Stumpp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004909, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit diesem Haushalt enttäuscht die Bundesbildungsministerin zum wiederholten Mal in Sachen Bildungsaufbruch. Anzeichen dafür sind ebenso wenig zu erkennen wie eine Bereitschaft des Bundes, endlich tatkräftig in gute Bildung und Chancengerechtigkeit zu investieren. Anstatt endlich beherzt an den Stellen anzusetzen, wo die Not am größten ist, und zu verhindern, dass das Ungleichgewicht bei Bildungschancen und Abschlüssen noch größer wird, halten Sie, Frau Ministerin, an ihren wenig engagierten, wenig praxisbezogenen und deswegen auch reichlich unwirksamen Maßnahmen fest. Daran hat auch die Krise nichts geändert. Im Gegenteil: Trotz des langen Sommers und der Gewissheit einer zweiten Pandemiewelle hat sich die Lage an Schulen wenig verändert. Wir zeigen mit unserem Entschließungsantrag, wo wir von Bundesseite kurzfristig und dennoch nachhaltig dazu beitragen können, auch in der Pandemie das Recht auf Bildung zu sichern. ({0}) Die bisherigen Infektionsschutzkonzepte reichen vielerorts nicht mehr aus, um die Infektionszahlen an Schulen einzudämmen. Wir brauchen zusätzliche Maßnahmen. Wenn wir Präsenzunterricht so lange wie möglich aufrechterhalten wollen, muss die Raumsituation schnell und wirksam verbessert werden. ({1}) Umfangreiche bauliche Maßnahmen, die bei vielen maroden Schulen schon lange und zwingend notwendig sind, sind wegen der Vorlaufzeiten und vor allem auch der finanziellen Lage vieler Kommunen nicht umsetzbar. Deshalb fordern wir 500 Millionen Euro für ein Förderprogramm „Mobile Luftreinigungsgeräte für Schulen“ ausschließlich für finanzschwache Kommunen. Denn es gibt inzwischen gut geeignete Geräte, die die Virenlast nachweislich senken und damit auch für ein vernünftiges Lernklima sorgen können. Es ist auch kaum zu erwarten, dass der fachgerechte Einsatz und der jährliche Tausch eines Filters gerade das Personal überfordert, dem seit Jahren die Pflege der Schul-IT zugetraut wird; zumal es auch noch Schulen geben soll, an denen sich Hausmeister/-innen um diese Arbeiten kümmern. ({2}) Der Verteilungsschlüssel soll sich an der Einwohnerzahl, dem Kassenkreditbestand und der Arbeitslosenzahl orientieren, damit das Geld dort ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird. ({3}) Präsenzunterricht muss Priorität haben; da sind wir uns einig. Präsenzunterricht heißt aber nicht zwingend, die komplette Stundentafel im ganzen Klassenverbund auf Biegen und Brechen zu erfüllen. Bei steigenden Inzidenzzahlen wäre eine sinnvolle Kombination von Präsenz- und Fernunterricht zielführender. Dies entspräche auch den Empfehlungen der führenden Virologinnen und Virologen, etwa des RKI. Wer fragt, warum dem so lange nicht nachgekommen wurde, muss die Realität in den Schulen betrachten. Seit dem Sommer gibt es kaum einen Nachholeffekt an den Schulen, die bisher nicht oder wenig digitalisiert waren. Das ist ein Skandal. ({4}) Die dringend notwendige Basisdigitalisierung von Schulen, die in Bezug auf Digitalität noch ganz am Anfang stehen, wurde sträflich versäumt. Doch anstatt umgehend ein Förderprogramm „Basisdigitalisierung für Schulen“ aufzusetzen, hat man erst nach Monaten die Investitionsbremse Medienentwicklungsplan gelockert. Nur gelockert wohlgemerkt, nicht abgeschafft. Das hat Gründe, nützt aber gerade den Schulen, die sich mühsam über Möglichkeiten und Angebote informieren und im Nachgang jede Entscheidung doch wieder einordnen müssen, herzlich wenig. Deswegen untermauern wir mit unserem Antrag die Forderung, eine Bundeszentrale für digitale und Medienbildung einzurichten. Sie soll niedrigschwellig Zugang zu wichtigen Informationen bieten, sowohl in Bezug auf Technik als auch auf Organisation und Pädagogik, für Pädagoginnen und Pädagogen sowie Schulträger, aber auch für alle Interessierten. Mein dritter Punkt adressiert die Ungerechtigkeit im Bildungswesen, die durch die Schulschließungen im Frühjahr noch zugenommen hat. Denn oft besuchen gerade die Kinder mit den größten Problemen Schulen, die sowohl materiell als auch personell am schlechtesten für das Auffangen dieser Kinder gerüstet sind. Ein Förderprogramm für Schulen in benachteiligten Regionen und Quartieren soll gezielt die Schulen unterstützen, die vor den größten Herausforderungen und Problemlagen stehen. ({5}) Auf Grundlage sozialer Indikatoren bekommen diese Schulen zusätzliche Ressourcen. So entkoppeln wir Bildungserfolg von der sozialen Herkunft und gehen einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu mehr Teilhabe und mehr Bildungsgerechtigkeit. ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Bundesministerin Anja Karliczek. ({0})

Anja Karliczek (Minister:in)

Politiker ID: 11004323

Liebe Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Stärke unserer Forschung gibt uns in diesen schwierigen Zeiten Grund zu Hoffnung und Zuversicht. Das gilt für die Impfstoffforschung, das gilt aber auch für den Forschungsstandort Deutschland und seine Strahlkraft in der Welt. Gestern Abend hat Emmanuelle Charpentier den Chemienobelpreis erhalten. Sie hat sich bereits vor Jahren für das Forschen in Deutschland entschieden, und sie hat gemeinsam mit ihrer Kollegin Doudna die Genschere CRISPR/Cas9 entwickelt, eine bahnbrechende Innovation mit enormem Potenzial – nicht nur in der Medizin, sondern auch in der Pflanzenzüchtung. Ich hoffe, liebe Grüne, dass der Nobelpreis auch Sie beflügelt und Sie endlich mithelfen, dieser Innovation auch in Deutschland und in Europa Flügel zu verleihen. ({0}) In München steht – zur Stunde – die nächste Nobelpreisverleihung an. Gerne hätte ich Professor Reinhard Genzel persönlich gratuliert. Deswegen jetzt auf diesem Wege: Lieber Herr Professor Genzel, meinen herzlichsten Glückwunsch zum Physiknobelpreis! Wir verneigen uns vor Ihrer Forscherleistung. ({1}) Nobelpreise stehen für exzellente individuelle Forschungsleistungen. Sie zeichnen aber auch den Forschungsstandort aus, der sie ermöglicht. Und unser Innovationsland ist solch ein Möglichmacher. Die exzellenten Rahmenbedingungen sind das Ergebnis klarer Prioritätensetzung. Seit 2005. Seit der Kanzlerschaft von Angela Merkel. ({2}) Deutschland ist ein „science powerhouse“; so nennt es der aktuelle Nature Index. Ich will – exemplarisch – dafür die Pakte nennen. Schon heute können unsere Forschungsorganisationen auf ein jährliches Plus von 3 Prozent ihrer Budgets bis 2030 bauen. Wo sonst auf der Welt gibt es eine so auskömmliche und langfristige finanzielle Sicherheit für die Wissenschaft? ({3}) Unsere Zukunft hängt an exzellenter Forschung und an guter Bildung; das haben meine Vorredner erwähnt, das ist Common Sense in diesem Haus, und dafür steht der Haushalt 2021 mit 20,8 Milliarden Euro. Und ja, liebe Kritiker, es stimmt: Wir haben in der Krise viel Geld in die Coronaforschung investiert. Aber damit werden Sie diesen Rekordhaushalt trotzdem nicht kleinrechnen; denn auch dieser Haushalt wächst ohne Coronamehrausgaben in der Substanz. Dafür darf ich an dieser Stelle den Haushältern der Koalition ganz herzlich danken, umso mehr, weil sie gerade in schwierigen Zeiten Kurs auf Forschung, Innovation und Bildung halten; denn es geht um unsere Wettbewerbsfähigkeit, es geht um unseren Wohlstand, und es geht um die Zukunft unserer Kinder und Enkelkinder. Vier Themen möchte ich bei diesem Haushalt besonders ansprechen: Das erste Thema ist gerade schon erwähnt worden: digitale Bildung. Kritik daran, wo Deutschland in der digitalen Bildung steht, kann ich verstehen. Aber die Bundesregierung zu beschimpfen, liebe Frau Lötzsch, das ist billig und Ihrer eigentlich unwürdig; denn Sie wissen es besser, wer welche Aufgabe zu erfüllen hat. Und in Richtung FDP, liebe Frau Stark-Watzinger, darf ich sagen: Die FDP stellt sogar eine Kultusministerin. ({4}) Außerdem sollten Sie bei allem Ärger nicht übersehen, was in den letzten Monaten vorangegangen ist. Bund und Länder arbeiten nämlich sehr konstruktiv zusammen, und der Bund hilft, wo er kann: Wir stellen mittlerweile 6,5 Milliarden Euro für den DigitalPakt Schule bereit; wir bezahlen digitale Endgeräte für Schülerinnen und Schüler; wir bezahlen Laptops für Lehrerinnen und Lehrer; ({5}) wir finanzieren den Aufbau der Administratorensysteme in den Ländern. All das – eigentlich originäre Länder- oder Kommunalaufgaben – übernimmt der Bund, weil das außergewöhnliche Zeiten sind und weil es zügig vorangehen soll. ({6}) Wir wollen die Aufbruchstimmung in den Schulen nutzen, ({7}) um langfristig gute digitale Bildung in den Schulalltag zu bringen; denn digitale Bildung erschöpft sich nicht in Technik. Corona hat uns nur deutlich vor Augen geführt, dass selbst eine technische Mindestausstattung eben nicht überall verfügbar war. Aber gute digitale Bildung bedeutet viel mehr, nämlich jedem Kind einen individuellen Lernpfad zu ermöglichen, auf Teamarbeit zu setzen, Netzwerke zu schaffen über Schul- und Ländergrenzen hinaus. ({8}) An zwei Punkten bin ich bei Ihnen: Schülerinnen und Schüler haben das Recht, nach bestem Wissen gefördert zu werden, und Lehrerinnen und Lehrer dürfen eine Weiterbildung erwarten, die sie diese Aufgabe auch meistern lässt. ({9}) Deshalb hilft der Bund auch hier: mit Bildungskompetenzzentren. Wir werden künftig die Lehrerweiterbildung Hand in Hand mit den Erkenntnissen aus der Bildungsforschung weiterentwickeln. ({10}) Ein zweites großes Thema ist Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Seit Beginn der Pandemie wird weniger darüber debattiert. Doch nur weil Klimaschutz und Nachhaltigkeit seltener die Schlagzeilen beherrschen, ist es kühn, lieber Kai Gehring, zu behaupten, es passiere nichts. Die größte Arktisexpedition aller Zeiten wurde zur Hälfte aus Deutschland finanziert. Wo waren Sie, als die „Polarstern“ im Oktober zurückgekehrt ist? ({11}) Die Auswertung der Klimadaten aus dem Eis zum Beispiel wird unsere Forscher noch Jahre beschäftigen. Aktuell fördern wir mit weiteren 10 Millionen Euro, dass dieser Datenschatz zügig in Handlungswissen übersetzt wird. ({12}) Aber wir machen noch mehr: Wir finanzieren mit 9 Milliarden Euro den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft. Wir forschen an synthetischen Kraftstoffen. Wir fördern die Entwicklung einer echten Kreislaufwirtschaft – von der Batterie bis hin zu neuen Materialien für unseren Alltag. ({13}) Wir haben unsere Fördermittel von 2 auf 4 Milliarden in diesem Bereich glatt verdoppelt! Damit bin ich beim dritten Schwerpunkt: Schlüsseltechnologien der Zukunft. Wir müssen im internationalen Wettbewerb um diese Technologien vorne mitspielen. Wir wollen sie entwickeln und mit ihnen Geld verdienen; daran hängt unser Wohlstand. Wir reden oft über die Frage: Wie wollen wir leben? Ich finde, wir sollten genauso oft darüber reden: Wovon wollen wir eigentlich künftig leben? Die künstliche Intelligenz dringt aktuell in die Bereiche vor, in denen wir traditionell stark sind. In den Quantentechnologien ist die Spitzenposition in der Entwicklung noch offen. Und auch die Kommunikationssysteme, namentlich 6 G und Open RAN, entwickeln sich rasant. In all diesen Zukunftsfeldern positionieren wir uns mit dem Ziel, die Weltspitze zu erobern. ({14}) Die Europäische Union muss im 21. Jahrhundert in der freien Welt mehr Verantwortung übernehmen. Nur wenn wir technologisch souverän sind, sitzen wir am Ruder. Nur dann können wir weltweit Standards setzen. Deutschland kann seinen Beitrag leisten; denn Deutschland ist ein starkes Innovationsland. Und deshalb müssen Wirtschaft, Wissenschaft und staatliches Handeln Hand in Hand gehen, um in diesem Transformationsprozess die Zukunftstechnologien aktiv mitzugestalten. Lieber Kollege Sattelberger, mit Miesepeterei hat noch niemand den Aufbruch in eine neue Zeit geschafft. Das klappt nur mit Mut und Zuversicht. ({15}) Mut und Zuversicht – dafür steht in diesen Tagen unsere Gesundheitsforschung. Der erste zugelassene Impfstoff ist in Deutschland entwickelt worden. Gibt es einen besseren Beweis für die Leistungsfähigkeit unseres Forschungsstandorts? Aber natürlich ist Corona mit dem Impfstoff nicht weg. Deswegen bauen wir auch die Medikamentenforschung gegen Covid-19 noch einmal aus. Auch das Nationale Forschungsnetzwerk der Universitätsmedizin ist mehrfach angesprochen worden. Wir haben es in der Pandemie ins Leben gerufen, aber es wird auch in Zukunft gebraucht, für weitere Forschungsfragen, für andere Krankheitsbilder. Bei wem wirkt welches Medikament am besten? Welche Therapien schlagen an? Diese Informationen werden zwischen Unikliniken von München bis Greifswald geteilt, und dieses geteilte Wissen rettet Leben. Die Pandemie hat eines überdeutlich gezeigt: Die Zukunft liegt im Netzwerk. Nur so werden die Ideen von Einzelnen für alle nutzbar. Nur so werden wir die Krise überwinden, und nur so werden wir auch in Zukunft stark sein. Wir wollen stärker aus dieser Krise herauskommen, als wir in sie hineingegangen sind. Mit dem Haushalt 2021 sind die Segel gesetzt, dank einer exzellenten Zusammenarbeit mit dem Parlament. Ich will namentlich unsere Haushälter erwähnen: Eckhardt Rehberg, Dennis Rohde, Kerstin Radomski und Swen Schulz. Swen Schulz, auch von meiner Seite ganz herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit, aber auch allen anderen herzlichen Dank. Den einen oder anderen sehe ich ja dann noch mal wieder. ({16})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Marcus Bühl für die AfD-Fraktion. ({0})

Marcus Bühl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004687, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Zuschauer an den Bildschirmen! ({0}) Nach der Bereinigungssitzung liegt der Haushaltsansatz für das Forschungs- und Bildungsministerium bei über 20 Milliarden Euro. ({1}) Nun bedeutet viel nicht zwangsläufig, dass es viel bringt. In den letzten Wochen wurde über den DigitalPakt Schule und Endgeräte für Lehrer gesprochen. Abgesehen davon, dass die Mittel schleppend abgerufen werden, da die Durchführungsvorschriften schwierig sind: Tablets sind nicht die Antwort auf die Herausforderungen, denen sich Schulen und Bildungseinrichtungen derzeit stellen müssen. ({2}) Die immer neuen Bildungsexperimente der Länder kosten viel Geld und verunsichern Schüler, Eltern und Lehrer. ({3}) Wir setzen uns für Stabilität in der Wissensaneignung und Entwicklung ein. ({4}) Notwendige Sanierungen der Schulgebäude oder massiver Lehrermangel in Bundesländern wie meinem Heimatland Thüringen spiegeln den Alltag in unserem Bildungswesen wider. Hierfür ist nicht der Bund zusätzlich in die Pflicht zu nehmen, sondern es wäre die Kernaufgabe der Bundesländer, ihre Schulen so auszustatten, dass sie gut gerüstet in das 21. Jahrhundert starten können. ({5}) An dieser Stelle stellt sich die Frage, wofür die altparteiengeführten Bundesländer die Steuereinnahmen der vergangenen Jahre denn verwendet haben. Die letzten Monate haben deutlich gezeigt, dass die Länder über Jahrzehnte Modernisierung und Instandhaltung von Schulgebäuden vernachlässigt haben. Dadurch ist ein milliardenhoher Investitionsstau bundesweit aufgelaufen. Außerdem sind in den vergangenen Jahren die Bundesländer mit dem Hochschulpakt entscheidend durch den Bund entlastet worden; insgesamt 20 Milliarden Euro umfasste diese Bundeshilfe. Aber was ist damit geschehen? Berichten des Bundesrechnungshofes zufolge haben sich intransparente Strukturen gebildet, Mittel wurden in Einzelfällen zweckentfremdet ausgegeben, zum Beispiel für den Hochschulbau, oder es wurden Ausgabereste für die Zukunft gebildet. So kann man mit dem Geld unserer Steuerzahler nicht umgehen. ({6}) Aus unserer Sicht kommt die Förderung der beruflichen Bildung im Haushalt zu kurz. Wir als AfD-Fraktion setzen uns für eine Aufwertung der beruflichen Bildung und des Handwerks ein. ({7}) Wir können stolz auf unsere Handwerker und Industriearbeiter sein, die deutsche Wertarbeit weltweit bekannt gemacht haben. Sie gehören gefördert und unterstützt. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({8})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Bärbel Bas für die SPD-Fraktion. ({0})

Bärbel Bas (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004006, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Swen Schulz hat es gerade schon angesprochen und viele Vorredner auch: Ja, es stimmt, wir haben natürlich in diesem Jahr im Bereich der Forschung einen Schwerpunkt bei der Bekämpfung der Pandemie gesetzt. Ich will noch einmal daran erinnern: Ganz früh, Anfang des Jahres, haben viele Experten gesagt: Wer weiß, ob wir überhaupt einen Impfstoff bekommen? Das kann Jahre dauern. – Und jetzt haben wir den Erfolg da, wir stehen kurz davor, dass auch die Europäische Arzneimittel-Agentur, wahrscheinlich zum Ende des Jahres, den Impfstoff tatsächlich zulassen kann. Deutschland hat daran, wie ich finde, einen sehr, sehr großen Anteil, und das ist zu begrüßen. Ich bedanke mich auch bei den Kollegen im Haushaltsausschuss, dass sie die Forschungsmittel dafür freigeräumt haben; das war ein wichtiger und richtiger Schritt. ({0}) Ich will die Summen gerne noch einmal nennen: Für die Impfstoffentwicklung – auch international – haben wir 230 Millionen Euro investiert, in CEPI, damit viele Wissenschaftler – auch das international – sich austauschen, weiterforschen. Wir haben 750 Millionen Euro in die klinische Impfstoffentwicklung sowie die Ausweitung der Herstellungs- und Abfüllkapazitäten investiert. Das sind wichtige Schritte, um am Ende dann auch Betriebsstätten – übrigens auch in Deutschland – damit zu unterstützen. Auch das war für uns ein ganz wichtiger Punkt. ({1}) Fast 90 Projekte zu Covid-19 in verschiedenen Forschungsbereichen haben wir mit insgesamt 45 Millionen Euro im Jahr 2020 gefördert und werden wir auch im Jahr 2021 fördern. Dazu gehören eben auch Forschungsprojekte zu ethischen, rechtlichen und auch sozioökonomischen Folgen der Pandemie. Auch das ist ein Punkt, den wir erforschen müssen: Nicht nur der Impfstoff ist wichtig, sondern auch die Folgen einer Pandemie in der Gesellschaft müssen erforscht werden. ({2}) Viele mögen den Eindruck haben, jetzt haben wir alles Geld in der Gesundheitsforschung nur für die Pandemie, für einen Impfstoff, investiert. Dem ist nicht so; das ist vorhin auch schon kurz angesprochen worden. Wir geben auch 35 Millionen Euro jährlich für die Forschung zu Antibiotikaresistenzen. Es wird zunehmend zu einer großen Gefahr, dass wir keine Antibiotika oder kaum noch Antibiotika haben, die helfen. Deshalb ist genau dieser Schwerpunkt wichtig; denn viele Menschen versterben eben auch an diesen resistenten Keimen. Wer das selbst schon einmal erlebt hat – jemand liegt im Krankenhaus, hat eine Infektion, und es gibt keine Hilfe mehr –, der weiß, dass dieser Punkt elementar wichtig ist. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir hier jährlich 35 Millionen Euro investieren. ({3}) Wir haben weitere Projekte – sie sollen in dieser Haushaltsdebatte nicht untergehen –, die zur Prävention, Diagnose und auch Therapie von Krebserkrankungen wichtig sind. 62 Millionen Euro stellen wir hierfür zur Verfügung, auch für das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen. Die Ausschreibung für die Standorte läuft. Ein wichtiger Punkt für uns ist neben den Konzeptvorschlägen, die es gibt, der Aufbau eines Deutschen Zentrums für Kinder- und Jugendgesundheit bzw. eines Deutschen Zentrums für Psychische Gesundheit. Da sind die Ausschreibungen ebenfalls erfolgt. Auch das sind wichtige Elemente im Bereich der Gesundheit. ({4}) Hinzu kommt die Demenzforschung; auch das ist etwas, was die Gesellschaft braucht. Das haben wir jetzt angelegt. Da können wir sicherlich noch mehr tun; aber es ist auf den Weg gebracht. Auch dafür herzlichen Dank an alle, die sich daran beteiligt haben! Wir haben eine Nationale Demenzstrategie. Es ist jetzt auch wichtig, dass wir hier die Forschung vorantreiben. Nicht unterschlagen will ich auch das Universitäre Herzzentrum hier in Berlin, das wir mit 100 Millionen Euro sichern. Auch das ist ein ganz wichtiger Punkt. Bis zum Jahr 2028 können wir hier diese Förderung möglich machen. Auch dafür herzlichen Dank! ({5}) Insgesamt wird deutlich, dass wir in diesem und auch in den nächsten Haushaltsjahren den Fokus sehr stark auf die Gesundheitsforschung gelegt haben. Das ist, weil ich in erster Linie Gesundheitspolitikerin bin, für mich ein wichtiger Punkt. Die Kollegen werden die anderen Punkte sicherlich gleich noch ansprechen. Ich bedanke mich, wie gesagt, bei allen Haushälterinnen und Haushältern, die dafür gesorgt haben. Diesem Haushalt kann man zustimmen. Er setzt richtige Schwerpunkte in diesem Jahr. Herzlichen Dank dafür! ({6})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat Dr. Thomas Sattelberger für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. h. c. Thomas Sattelberger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004869, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Schwülstige, ja güldene Worte, liebe Frau Karliczek, aber haushaltspolitisch dünnes Blattgold! Nach Jahren der Stagnation sind Ihre 20,8 Milliarden Euro für 2021 zwar rekordhoch, aber in Relation zum Wachstum des Bundeshaushalts ein Klacks, ein Trostpreis im Vergleich zu anderen Ressorts. Vielleicht aber auch ganz gut, liebe Frau Karliczek, dass Sie nicht noch mehr Geld zum Ausgeben haben: Output, Outcome und Impact interessieren Sie ja nicht so sehr. ({0}) Brandaktuelles Hochschulbarometer, wenige Tage alt: An den Fachhochschulen bricht die Zufriedenheit mit den Rahmenbedingungen massiv ein und erst recht an den staatlichen Universitäten ohne Exzellenzstrategie. Mehr als die Hälfte der hochschulischen Forscherinnen und Forscher empfinden die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Arbeit als massiv rückläufig. Impact des Ungleichgewichts in der Forschungsförderung! Und der Tiefpunkt, Frau Karliczek: Sie werfen 400 zusätzliche Millionen für anwendungsorientierte Forschung in den Rachen der Außeruniversitären, und die Hochschulen schauen in die Röhre. ({1}) Exzellenz? Bitte. Aber nicht zugunsten einer Zweiklassengesellschaft Hochschulen versus Außeruniversitäre. Dass das ein freier Demokrat Ihnen erklären muss, Frau Karliczek! Fast die Hälfte der Wissenschaftler sehen die Coronaauswirkungen auf die Lehre als problematisch an, ({2}) fast 60 Prozent als negativ für Transfer und Forschungskooperation. Und die Koalition sperrt sich immer noch gegen einen Digitalpakt Hochschule und gegen die Gründung einer Deutschen Transfergemeinschaft. „Herr, lass Hirn regnen!“, möchte man rufen. ({3}) Aber zumindest was Union und SPD betrifft, erhört er mich leider nicht. ({4}) So bleibt nur die irdische Maßnahme des Aktenstudiums. In Ihrem Positionspapier für eine Digitale Bildungsoffensive Schulen, liebe Unionschristen, lesen Sie Ihrer ambitionslosen Ministerin ja kräftig die Leviten ({5}) und ziehen Anja Karliczek jeglichen Speck unter dem Sessel weg. ({6}) Toll, was Sie da fordern! Eine Unbedenklichkeitsprüfung für digitale Lehrmittel, ({7}) die Einbindung innovativer EdTechs, ({8}) eine Whitelist für Tools und für Apps. ({9}) Nur, das steht ja alles schon in unserem Antrag vom Juni, den Sie im Oktober abgelehnt haben. Und jetzt schreiben Sie ab, ({10}) Sie Copycats! ({11}) Wenn der Herr schon kein Hirn regnen lässt, gut, dass Sie immerhin als Manna unser liberales Gedankengut haben. ({12}) Bitte weiter so bei unseren Änderungsanträgen zum Haushalt; wir helfen gerne mit. ({13}) Auch das Thema „Luftfilter an den Schulen“ haben Sie den ganzen Sommer verpennt. ({14}) So viel Wind, wie Sie jetzt machen, da könnte man meinen, Sie verwechseln Luftfilter mit dem päpstlichen Flabellum aus Pfauenfedern, das die Häupter früherer Pontifexe gekühlt hat. ({15}) So liest man auf der CDU/CSU-Homepage: „Wirksam filtern statt frieren“. ({16}) Dabei ist die Realität vieler Schüler genau umgekehrt: Wirksam frieren statt filtern. ({17}) Und Kniebeugen und Händeklatschen – da hat die Kanzlerin wirklich tolle Rezepte heute. Vorher hat Spahn das Thema Masken verschlafen – und die Gesundheitsämter die Digitalisierung – und jetzt die Antikörperschnelltests. Jetzt sind wir im Lockdown – vielleicht verschärft – und haben keinen Plan für danach. Das versuchen Sie hinter Ihren rhetorischen Pfauenfedern zu verstecken. Stimmen Sie lieber unseren Änderungsanträgen zu! Streichungen und Aufwuchs sind gut begründet: von der Exzellenz über berufliche Bildung und Midlife-BAföG bis hin zum Gentechnikfonds, zur Transfergemeinschaft und natürlich zu Luftfiltern. Lesen, beipflichten und dann endlich mal machen! Ran an den Speck: Das gilt übrigens nicht nur für Sie, sondern auch für die Frau Karliczek. Danke schön. ({18})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege Albert Rupprecht für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Albert Rupprecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003620, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Sattelberger, Sie werden immer mehr eine Parodie Ihrer selbst. ({0}) Ich denke mir immer – mit allem Respekt –: Der Mann kann eigentlich wirklich was. Der hat Ideen, der ist auch scharf im Denken, aber immer, wenn es um die Abzweigung geht, ob Sie jetzt ernsthaft bleiben oder Klamauk machen, damit Sie in den Zeitungen Überschriften produzieren, entscheiden Sie sich für den zweiten Weg. – Es ist schade. ({1}) Die Frau Deligöz hat noch vor Kurzem hier gesessen; ich wollte sie ansprechen. Ich mache es trotzdem. Sie hat nämlich heute Vormittag in der Debatte einen bemerkenswerten Satz, an uns gerichtet, geprägt – ich zitiere –: Sie machen das Notwendige – auch das Richtige –; aber Sie haben keine Vision, Sie haben keine Ziele ... Zunächst wollte ich mich bei ihr ganz herzlich bedanken. Ich neige das Haupt vor der Aussage, dass wir das Notwendige und das Richtige machen. ({2}) – Nein, das war in der Generaldebatte. Sie ist für unseren Bereich zuständig und hat das durchaus auf diesen Bereich bezogen formuliert. – Ich möchte aber auch auf den Punkt eingehen, den sie darüber hinaus gesagt hat, nämlich, wir hätten keine Vision und keine Ziele. ({3}) Ich möchte ein paar Bausteine dieser Vision nennen – die Ministerin hat angesprochen, dass wir seit 2005 die Verantwortung hier haben –: Es wäre eben nicht ohne unser Zutun möglich gewesen, dass Professor Drosten mit seinem Team in der Charité den PCR-Test, der weltweit Maßstäbe setzt, entwickelt. Es wäre eben nicht ohne unser Zutun möglich gewesen, dass das deutsche Unternehmen BioNTech als Erstes weltweit die Zulassung für einen Coronaimpfstoff erhält. ({4}) Es wäre auch nicht ohne unser Zutun gelungen, dass die Nobelpreisträgerin Charpentier Angebote, die sie weltweit hatte, ausschlägt und sich für den Standort Deutschland entscheidet. Sie hat nämlich in einem Interview 2014 gesagt – ich zitiere –: Da war schon klar, dass aus der Crispr-Sache etwas Großes werden wird, und dazu brauchte ich eine langfristige Forschungsmöglichkeit. Die Helmholtz-Gemeinschaft und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung boten mir eine Unterstützung an, die besser war als alle anderen Angebote. Es war unser Beitrag, 2008 die AvH-Professoren in Deutschland zu konzipieren und einzuführen. Deswegen forscht sie auch heute noch am Standort Deutschland. ({5}) Wir hatten 2005 eine Vision, wie wir das deutsche Wissenschaftssystem verändern wollen, und auch der Haushalt 2021 ist hier ein weiterer Baustein. Ich nenne einige der zentralen Leitbilder, die wir seit 2005 – seit inzwischen 15 Jahren – leben: Exzellenz, Internationalisierung, Verlässlichkeit und Langfristigkeit, Bund-Länder-Pakte, die die Strukturen nachhaltig verändern, und natürlich auch mehr Geld ins System, mehr Geld für die Breite und die Spitze unserer Wissenschaft, das heißt Priorität für Forschung und Bildung in unseren Haushalten. Zu den Leitbildern im Einzelnen: Leitbild 1: Exzellenz. Deutschland war vormals die führende Wissenschaftsnation, und es waren die Nazis, die diese Wissenschaftskultur, diese Exzellenz, letztendlich zertrümmert haben mit dem Ergebnis, dass exzellente Wissenschaftler Deutschland verlassen haben. Es war im Nachkriegsdeutschland keine Selbstverständlichkeit, dass der Begriff „Exzellenz“ gelebt wurde. Ganz im Gegenteil: Er ist bis heute umstritten. Wir haben trotzdem 2005 – gemeinsam mit der SPD übrigens – beschlossen, dass wir die Exzellenzinitiative einführen. Wir haben klar gesagt, dass wir zu diesem Exzellenzprinzip stehen, ({6}) weil wir der festen Überzeugung sind, dass es eine wissenschaftliche Verantwortungselite in unserem Land braucht. Wir brauchen die Breite, aber wir brauchen auch die Spitze in der Wissenschaft. Diese Exzellenzinitiative hat zu einer Aufbruchstimmung in Deutschland geführt, und die Universitätslandschaft – schauen Sie sich die TU, die LMU und viele andere an – hat sich substanziell, nachhaltig verändert. Diese Exzellenzinitiative hat die deutschen Universitäten wachgerüttelt, aufgerüttelt und substanziell verändert. Leitbild 2: Internationalität. Die Zahlen sprechen für sich: Die Ausgaben des Forschungsministeriums für internationale Vorhaben sind seit 2009 um 72 Prozent gestiegen. ({7}) Die Zahl der deutschen Studierenden im Ausland hat sich seit 2005 verdoppelt, die Anzahl der Studierenden aus dem Ausland in Deutschland ist seit 2009 um 66 Prozent gestiegen, und die Zahl der ausländischen Professoren, die in Deutschland tätig sind, ist zwischen 2012 und 2018 um 21 Prozent gestiegen. Man sieht eindeutig: Deutschland ist hoch attraktiv für ausländische Wissenschaftler, und die deutsche Wissenschaft ist weltoffen und international vernetzt. ({8}) Leitbild 3: strukturbildende Pakte. Wir haben eine Vielzahl von Bund-Länder-Pakten ins Leben gerufen, die die Wissenschaftsarchitektur im Land substanziell verändert haben und auch heute noch verändern. Die wichtigsten: Pakt für Forschung und Innovation, Exzellenzinitiative – später Exzellenzstrategie –, Hochschulpakt, Innovative Hochschule, Qualitätspakt Lehre, Professorinnenprogramm, Programm „Forschung an Fachhochschulen“, Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, DigitalPakt usw. Allein für den DigitalPakt, über den wir heute schon diskutiert haben, stehen 6,5 Milliarden Euro im Haushalt. Zum Pakt für Forschung und Innovation – die Ministerin hat es zu Recht angesprochen –: Wo sonst auf der Welt gibt es Derartiges, dass die außeruniversitären Forschungseinrichtungen für zehn Jahre einen Zuwachs garantiert bekommen, das heißt, 120 Milliarden Euro für diese zehn Jahre garantiert bekommen? Und das ist nur die Grundfinanzierung. Das heißt nicht, dass durch die Projektfinanzierung nicht noch zusätzliches Geld darüber hinaus hinzukommt. Das ist ein sicherer, verlässlicher Aufwuchs, der eine super Grundlage für die Arbeit der außeruniversitären Wissenschaftler bietet. Als Gegenleistung erwarten wir von den Wissenschaftlern top wissenschaftliche Leistungen, und, Herr Sattelberger, ganz intensiv fordern wir ein, dass die Transferleistungen massiv zunehmen. Leitbild 4: mehr Geld, Priorität bei Forschung und Bildung im Haushalt. Nur noch wenige Zahlen: Wir haben die Forschungsausgaben seit 2005 von 7 Milliarden Euro auf 20,8 Milliarden Euro gesteigert. Das ist eine Steigerung um 170 Prozent. Aber auch im internationalen Kontext ist das klasse. Bei der Diskussion, welchen Anteil des Bruttoinlandsproduktes wir für Forschung und Entwicklung ausgeben, messen wir uns oft an den USA. Wie schauten die Zahlen in den vergangenen zehn Jahren aus? Die USA haben in den vergangenen Jahren bei der Steigerung der Ausgaben, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, eine Stagnation zu verzeichnen. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren eine Steigerung um 19 Prozent erreicht. 2018 haben wir 3,13 Prozent des BIPs für Forschung und Entwicklung ausgegeben. ({9}) Die USA liegen mit 2,83 Prozent inzwischen ganz klar hinter uns. ({10}) – Das ist verständlich; das ist ein wesentlich größeres Land, würde ich sagen. Sehr geehrte Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Frau Deligöz ist leider immer noch nicht da; ich spreche sie trotzdem noch mal an. Wenn Sie behaupten, wir hätten keine Vision, dann müssen Sie sich vergegenwärtigen, welche Leitbilder wir seit 2005 gelebt haben, welche Ziele wir angestrebt haben und welche finanziellen Mittel wir zur Verfügung gestellt haben. Was haben wir damit erreicht? – Genau das, was wir wollten. Das ist unsere Vision. Die Grünen verstehen Vision so, dass sie der Wissenschaft sagen, was sie tun oder lassen soll: ({11}) Kernforschung ist Teufelszeug, aus der Fusionsforschung müssen wir aussteigen, Forschung zu Sonnenkollektoren soll gefördert werden. Das ist nicht unser Verständnis; das ist auch nicht unsere Vision. Ganz im Gegenteil! Die Grundlage für Topwissenschaft in unserem Land ist nach unserem Wissenschaftsverständnis: Wissenschaft braucht Freiheit. ({12}) Deswegen zum Abschluss: Das ist im Kern einer der wichtigsten Bausteine, Frau Ministerin, den wir in den letzten 15 Jahren beschlossen haben, mit tiefer Überzeugung. Und es war nicht einfach, weil viele Haushaltspolitiker gesagt haben: Das könnt ihr nicht machen. – Dennoch haben wir eine singuläre Konstruktion für die Wissenschaft in unserem Land geschaffen, indem wir im Jahr 2012 das Wissenschaftsfreiheitsgesetz beschlossen haben. Das ist ein Meilenstein, absolut singulär im Bundeshaushalt, weil wir der festen Überzeugung sind, dass die Wissenschaft diese Freiheit verdient, ({13}) und wir anders als die Grünen die Vision von Wissenschaft in Freiheit und nicht die Vorstellung ideologiegetriebener Wissenschaft haben. Ein herzliches Dankeschön. ({14})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat die Kollegin Nicole Gohlke für die Fraktion Die Linke. ({0})

Nicole Gohlke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004041, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Bildungspolitik geht es im Kern um die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben wollen. Es geht um die Fragen, wie gerecht es in einer Gesellschaft zugeht und ob alle Menschen die gleichen Chancen haben. Und die Wahrheit ist: Die Chancen sind höchst ungleich verteilt; es geht nicht gerecht zu in unserer Gesellschaft. Kinder aus armen Familien haben zum Beispiel dreimal schlechtere Chancen, aufs Gymnasium zu kommen, als die Kinder aus finanziell gut gestellten Elternhäusern. Die Wahrheit ist, dass das Bildungssystem in Deutschland bestehende Privilegien und Benachteiligungen reproduziert. Das ist die Situation, und das zu verändern, wäre jetzt die Aufgabe von Politik. ({0}) Das Virus hat die ungleichen Bedingungen ja noch mal ungleicher gemacht. Das gilt zum Beispiel fürs Homeschooling, das benachteiligte Kinder noch weiter benachteiligt, weil es natürlich einen Unterschied macht, ob es einen guten Laptop und einen eigenen ruhigen Arbeitsplatz gibt und ob die Eltern bei den Aufgaben vielleicht helfen können. ({1}) Das gilt auch fürs Studium, weil es natürlich auch da einen Unterschied macht, ob man sich die Miete vom Mund absparen muss oder ob die Eltern Geld zuschießen können. Der Aufgabe, diese ungleichen Bedingungen auszugleichen, sie gerechter zu machen, wird diese Regierung nicht gerecht, und das ist absolut unverantwortlich. ({2}) 20,8 Milliarden Euro umfasst der Bildungshaushalt, für den sich die Große Koalition hier ja ziemlich abfeiert. Aber zum Gesamtbild gehört auch, dass diese Regierung mehr als doppelt so viel Geld wie in die Bildung in Militär und Aufrüstung steckt, nämlich 47 Milliarden Euro. ({3}) Dass Sie allein für die Rettung der Lufthansa 9 Milliarden Euro lockergemacht haben, also fast so viel wie die Hälfte des gesamten Bildungshaushaltes! Das steht doch alles in überhaupt keinem Verhältnis mehr zueinander! ({4}) Diese Zahlen sprechen Bände über die Politik der Großen Koalition. Spätestens jetzt wäre doch der Moment gekommen, dafür zu sorgen, dass Geld ins Bildungssystem fließt, und zwar besonders dahin, wo es am meisten gebraucht wird. Warum machen Sie nicht endlich einmal die Bildung zur Chefsache in diesem Land? Das wäre doch Ihre Aufgabe! ({5}) Wir brauchen Geld für die bauliche Sanierung der Schulen. Es lassen sich ja noch nicht mal an jeder Schule in Deutschland die Fenster zum Lüften öffnen. Es braucht mehr Geld für Luftfilteranlagen und Laptops, und es fehlen an allen Ecken und Enden Lehrerinnen und Lehrer. ({6}) Deswegen: Legen Sie ein Programm für zusätzliche Lehramtsstudienplätze auf! Geben Sie mehr Geld und dauerhaft Geld in den DigitalPakt! Bauen Sie die Schulsozialarbeit auf, und stellen Sie eine gute Verpflegung an Kitas und Schulen sicher! ({7}) Denn damit bekämpft man die soziale Spaltung. ({8}) – Gehen Sie das endlich mal an, statt sich ständig hinter dem Bildungsföderalismus zu verstecken. ({9}) – Sie verstecken sich dahinter. An all diesen Stellen, die ich gerade genannt habe, könnte der Bund helfen, und das wäre dringend notwendig. ({10}) Und es ist höchste Zeit, sich darum zu kümmern, dass ein Studium nicht nur Kindern aus wohlhabenden Elternhäusern möglich ist. Die Zahlen sind schlecht. Heute studieren wieder weniger Kinder aus Arbeiterfamilien als noch vor 20 oder vor 30 Jahren. ({11}) Das ist natürlich auch kein Wunder; denn genau diese jungen Menschen, die kämpfen, um sich ein Studium zu finanzieren, lassen Sie im Regen stehen: Fast 50 000 Anträge auf Coronaüberbrückungshilfe haben Sie mit der Begründung abgelehnt, die Studierenden hätten sich ja schon vor der Pandemie in einer akuten Notlage befunden. ({12}) Das ist absurd. Das ist absurd und zynisch. ({13}) Und statt endlich das BAföG zu reformieren, streichen Sie es in Ihrem Haushalt auch noch weiter zusammen. – Die Linke fordert ein existenzsicherndes BAföG und die Öffnung des BAföG; das wäre jetzt die richtige Maßnahme. ({14}) Kolleginnen und Kollegen, die Bildungspolitik hat einen anderen und einen größeren Stellenwert in unserer Gesellschaft verdient, als die Große Koalition ihr hier einräumt. Spätestens jetzt gilt es, das Bildungssystem zum Hebel für soziale Gerechtigkeit zu machen. Vielen Dank. ({15})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Markus Paschke das Wort. ({0})

Markus Paschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004371, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland hat auf dem Weg zu einer Reduzierung der Tierversuche einen wichtigen Schritt gemacht: Der Bund wird die konzeptionelle Entwicklung einer nationalen Plattform für tierversuchsfreie Alternativmethoden mit 3 Millionen Euro fördern. Dafür haben wir als Sozialdemokraten uns eingesetzt, das hat der Haushaltsausschuss jetzt beschlossen, und das ist eine gute Nachricht. ({0}) Ich danke ganz ausdrücklich unseren Haushältern, die sich dafür auch sehr stark eingesetzt haben. In den letzten Jahren rückte das Tierwohl zu Recht immer weiter in den Fokus der Öffentlichkeit. Der Umgang mit Tieren in allen Lebensbereichen ist eine zutiefst politische und auch moralische Frage geworden, und wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen auch in der Forschung die Weichen für die Zukunft stellen. Auf der einen Seite sind wir uns in unserer Gesellschaft alle einig, dass Tierversuche eine besondere Rechtfertigung brauchen und diese auf ein unumgängliches Minimum in der wissenschaftlichen Praxis reduziert werden sollen. Auf der anderen Seite gibt es – das zeigt die andauernde Coronapandemie sehr deutlich – ein besonderes öffentliches Interesse an getesteten und für sicher befundenen Medikamenten, Impfstoffen und auch Chemikalien. Im Sinne des Wissenschaftsstandortes Deutschland erkennen wir an, dass Tierversuche ein wichtiges und zurzeit noch ein unverzichtbares Erkenntnismittel in der biologischen und medizinischen Forschung sind. Tierversuche dürfen aber wirklich nur dann zum Einsatz kommen, wenn es um die Untersuchung komplexer Phänomene geht, die anders nicht erfasst werden können; das heißt, es muss das letzte Mittel sein. Als Sozialdemokraten haben wir das Ziel einer dauerhaften und nachhaltigen Reduktion von Tierversuchen auf ein notwendiges Mindestmaß. Wir wollen die Entwicklung tierversuchsfreier Alternativmethoden fördern. Es gibt viele innovative Beispiele, um Tierversuche erfolgreich und langfristig zu reduzieren, um das Leiden von Tieren zu minimieren. Häufig fehlen aber noch die notwendigen Schritte, um diese Methoden in die praktische Anwendung zu überführen, sie zu validieren und auch in den Prüfgremien für Medikamente und Chemikalien als Alternativen zu den bisherigen Tierversuchen anzuerkennen. Deutschland kann hier ein internationales Vorbild werden. Dazu müssen wir eine enge Kooperation zwischen den beteiligten Forschungsorganisationen, den Industriepartnern und den Zulassungsbehörden erreichen. Forschung und Innovation sind immer dann erfolgreich, wenn wir Spitzenforschung und anwendungsorientierte Forschung nicht trennen, sondern zusammenbringen. Wir wollen zielgerichtet die Weiterentwicklung alternativer Methoden fördern. Dafür wird die nationale Plattform die Grundlagen schaffen. Ich finde, es ist ein wichtiges Signal, dass wir auch in diesen schwierigen Zeiten Konzepte für die Zukunft entwickeln. Vielen Dank. ({1})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Dr. Anna Christmann das Wort. ({0})

Dr. Anna Christmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004694, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Rupprecht, ich wollte an Sie anschließen. Für mich war es schon bemerkenswert, wie Sie von Visionen in der Wissenschaft sprechen konnten, dann aber die ganze Zeit über die Vergangenheit geredet haben. ({0}) Sie haben offenbar nichts mehr vor im Bereich der Wissenschaft. Das ist ziemlich fatal; denn wir reden heute hier hoffentlich über die Dinge, die in der Zukunft passieren sollen. Dafür sind jetzt 20,8 Milliarden Euro im Haushalt vorgesehen. Das ist Geld, das wir in der Tat dringend brauchen. Wie dringend, das haben wir ja gerade in diesem Jahr gesehen: Plötzlich schreien alle nach den Prognosen zur Entwicklung der Pandemie. Alle wollen dringend einen Impfstoff haben. Analysen der Bildungsforschung zu den Schulschließungen sind gefragt. Viele Menschen merken: Wir brauchen eine starke Wissenschaft, um gerade auf die unvorhersehbaren Herausforderungen gut vorbereitet zu sein. ({1}) Ich bin daher ganz froh, Frau Ministerin, dass sich Ihre Prognose vom Anfang Ihrer Amtszeit nicht bewahrheitet hat. Sie haben ja gesagt, die Zeit der Aufwüchse sei vorbei. Die Größe der Herausforderung hat Sie da aber offensichtlich eingeholt; denn wir brauchen die Investitionen in die Wissenschaft. Es ist also gut, dass der Wissenschaftsetat wächst, obwohl Sie dafür nicht besonders gekämpft haben. ({2}) Das heißt aber leider auch, dass Sie den Entwicklungen allgemein oft hinterherlaufen, und das ist fatal. Erstes Beispiel dafür: die Digitalisierung der Hochschulen. Wir haben gesehen, dass da jetzt viel durch Engagement der Lehrenden lief, dass es digitale Veranstaltungen gab. Aber solches Krisenmanagement ersetzt natürlich keine verlässliche digitale Infrastruktur, die die Hochschulen dringend brauchen. Führen Sie endlich eine Digitalpauschale ein, die nicht nur von uns, sondern auch von der Hochschulrektorenkonferenz und der Expertenkommission Forschung und Innovation gefordert wird. Packen Sie das endlich an! ({3}) Zweites Beispiel: die Wissenschaftskommunikation. Auch da hat die Wirklichkeit Sie überholt, Frau Karliczek. Sie riefen am Anfang Ihrer Amtszeit, die Wissenschaft müsse sich besser erklären. Heute erklärt sich die Wissenschaft jeden Tag in Talkshows, in Politrunden. Wir wissen alle, was ein R-Wert ist und was Aerosole sind. Nur, was Ihr großer Wurf in der Wissenschaftskommunikation ist, das wissen wir immer noch nicht. ({4}) Hier braucht es endlich ein umfassendes Konzept für starke Orte der Wissenschaftskommunikation und 20 statt 2 zusätzliche Millionen, wie sie jetzt vom Haushaltsausschuss beschlossen wurden. Das ist zu wenig. Drittes Beispiel: Gründungsförderung. Wir brauchen endlich einen Aufbruch für eine gründungsfreundliche Wissenschaft. Aber die EXIST-Mittel stagnieren vor sich hin; da ist überhaupt keine Bewegung drin. Deswegen haben wir eine dringende Erhöhung beantragt. Auch ein Update bei den Rahmenbedingungen ist dringend fällig; denn die völlig überzogenen Lizenzgebühren und festen Patentvergütungen sind einfach nicht unterstützend für Ausgründungen. Es braucht die stille Beteiligung im einstelligen Bereich als neuen Ausgründungsstandard. So geht Gründungsförderung in der Wissenschaft. ({5}) Ich möchte auch noch die sozialen Innovationen erwähnen, die Sie ebenfalls sträflich vernachlässigen. Auch die EFI-Kommission hat sie in ihrem Gutachten dieses Jahr erwähnt. Es braucht einen breiteren Innovationsbegriff, der gerade auch die sozialen Innovationen umfasst. Als Grüne fordern wir schon länger eine Innovationsstiftung, gerade auch für soziale Innovationen. Von Ihnen ist da gar nichts zu sehen, Frau Karliczek. Zum Schluss vielleicht noch das leidige Thema der angeblichen Milliarden für künstliche Intelligenz, die ja dann auch immer nur so ein paar Millionen sind. Zu allem Überfluss hat Ihnen da jetzt der Haushaltsausschuss sogar noch die Mittel gesperrt, weil noch gar kein Gesamtkonzept vorliegt. Dabei wäre eine Stärkung der KI-Mittel gerade für eine europäische KI so wichtig. Wir haben 130 Millionen Euro für AI made in Europe beantragt, waren damit aber leider nicht erfolgreich. So bleibt es ein hohles Schlagwort, wenn Sie sagen, Sie seien jetzt auch für AI made in Europe. Das muss mit Leben erfüllt werden. Sie waren auch bei diesem Thema „europäische künstliche Intelligenz“ nicht die Erste, sondern mal wieder eher die Letzte. Unsere Wissenschaft hätte da ein bisschen mehr Weitsicht verdient. Ich würde mir wünschen, dass Sie sich hierhinstellen und sagen: Mir reicht das alles nicht, ich möchte mehr erreichen für die Wissenschaft. – So müssen wir diese Rolle übernehmen.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Frau Kollegin Christmann.

Dr. Anna Christmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004694, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Denn dringend notwendig ist es. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun Tankred Schipanski das Wort. ({0})

Tankred Schipanski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der letzte Redner der Union. Ich darf zusammenfassen, ein bisschen aufräumen und vor allen Dingen richtigstellen. Ich als Medienanwalt glaube, es passt der Begriff der sogenannten Eindrucksrichtigstellung, nachdem ich diese Debatte heute hier verfolgt habe. ({0}) Die FDP offenbart wieder ihre Schwäche für Zahlen. 20,8 Milliarden Euro, ein Rekordhaushalt, liebe Kolleginnen und Kollegen; eine Zwei mit zehn Nullen. Kollege Rupprecht hat den Aufwuchs genannt: Seit 2005, seit dem Amtsantritt von Angela Merkel, hat sich das Volumen mehr als verdoppelt. Da von einem „Klacks“ zu sprechen, ist, glaube ich, falsch. Das ist ein Zeichen für die richtige Schwerpunktsetzung für Bildung und Forschung in dieser Koalition. ({1}) Die FDP, liebe Kolleginnen und Kollegen, argumentiert neuerdings wie die Linken. Sie kennt keine Zuständigkeiten, keine Verfassung; Fortschritte und Fakten werden ausgeblendet. Das gleiche falsche Lied zum DigitalPakt Schule hören wir hier zum zigsten Mal. Wenn man hier etwas Falsches sagt, wird es durch Wiederholungen nicht richtiger, liebe Kolleginnen und Kollegen. ({2}) – Zur Linken komme ich. Bei dem Vorwurf der strukturellen Armut bei Schülern und Studenten werden wieder Fakten ausgeblendet. Googeln Sie einfach mal bei YouTube: Stefan Kaufmann, Thema Studierendenhilfen. Da sehen Sie in einem schönen Video zusammengefasst, wie wir unseren Studierenden in dieser schwierigen Situation helfen, nämlich sehr erfolgreich. Mit diesem Haushalt stocken wir die Hilfen noch mal auf. Lieber Stefan Kaufmann, vielen Dank für deine Arbeit in diesem Bereich! ({3}) Liebe Kollegen der Opposition, hören Sie doch auf, hier ständig ein Zerrbild zu zeichnen. Ich will Ihnen mal sagen: Deutschland ist Innovationsland. Gehen Sie mal auf die Seite des BMBF; da finden Sie ein entsprechendes Faktenblatt. Zum Impfstoff wurde heute viel gesagt. Zum PCR-Test, der hier an der Charité von Professor Drosten entwickelt wurde, wurde viel gesagt. Das CISPA, unser IT-Sicherheitsinstitut, das Helmholtz-Zentrum in Saarbrücken, liegt auf Platz eins beim Thema Cybersicherheit. Wir gehen weiter: Der Supercomputer in Jülich ist Nummer eins in Europa. Wir gehen weiter zum Thema Patente: 2017 wurden 398 weltmarktrelevante Patente pro 1 Million Einwohner angemeldet, das ist doppelt so viel wie in den USA. Wir sind im Innovationsranking auf Platz eins gerückt; wir haben Südkorea faktisch von Platz eins vertrieben. Die Ministerin hat es angesprochen: Die größte Arktisexpedition aller Zeiten, MOSAiC, wurde von uns aus gestartet. Die Nobelpreisträger wurden genannt. Reden Sie doch diesen Forschungsstandort nicht immer schlecht! ({4}) Wir setzen richtige Schwerpunkte bei den Aufwüchsen. Die Wissenschaftskommunikation wurde genannt. Ich finde es gut, dass der Haushaltsausschuss die Mittel dafür noch mal aufgestockt hat. Ich finde das sehr richtig; das ist auch ausreichend. Wir haben in der Koalition einen sehr guten Antrag dazu geschrieben. Gleiches gilt für die Berufsorientierung. Hier wurde auch noch mal nachgebessert; auch das ist ein toller Antrag. Danke an Stephan Albani und Yvonne Magwas, die daran federführend gearbeitet haben. Wir haben den Aufwuchs bei den KI-Mitteln. Wir sind bei der Quantentechnologie weit vorne. Auch dort sind wir überall auf dem Weg zur Weltspitze. Das ist eben genau das Gegenteilige dessen, was die Kollegin Christmann hier angesprochen hat. Blicken wir auf die Bereinigungssitzung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das war natürlich ein Glückstag für Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Brandenburg und Berlin: zwei neue Fraunhofer-Institute, ein neues Fraunhofer-Cluster. Im Saarland kommt noch der Ausbau eines Helmholtz-Instituts dazu. Wir haben es beim letzten Haushalt mit Blick auf Sachsen bereits erlebt, als dort wegen Mitteln für Fraunhofer- und Helmholtz-Institute die Sektkorken geknallt haben. Ich mahne an dieser Stelle ausdrücklich an, dass wir schon wieder zu einem geordneten Verfahren zurückfinden müssen, wie wir Forschungsinstitute in dieser Republik einrichten. ({5}) Forschungsinstitute müssen wissenschaftsgeleitet im Dialog mit den Stakeholdern und im Dialog mit den Fachpolitikern eingerichtet werden. ({6}) Richtig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, die starke Beteiligung des Parlamentes bei dieser Frage. Daher bin ich dem Haushaltsausschuss für seine Maßgabebeschlüsse außerordentlich dankbar. Es wird keine Bund-Länder-Vereinbarungen ohne Parlamentsbeteiligung mehr geben. Es gibt mehr Kontrolle durch dieses Parlament bei den Bund-Länder-Vereinbarungen; Kollege Schulz hat das exzellent dargestellt. Es gibt keine Vereinbarung mehr nach Artikel 91b Grundgesetz, ohne dass dieses Parlament hier beteiligt wird. Ich finde auch richtig, liebe Frau Kollegin Christmann, dass die Millionen für KI, die wir den Hochschulen geben wollen, gesperrt sind, weil wir als Parlamentarier erst mal das Konzept sehen wollen, daran mitwirken wollen, bevor wir den Ländern Geld geben. ({7}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Sperre auf die 90 Millionen Euro, die die Bildungsplattformen und die digitalen Bildungskompetenzzentren betrifft, ist richtig. Wir packen diese Mittel drauf. Die Union hat hier einen sehr guten Vorschlag erarbeitet. Kollege Sattelberger hat ihn zitiert. Aber, Kollege Sattelberger, das haben wir mit Sicherheit getan, ohne einen FDP-Antrag zu lesen, ohne Pfauenfedern, ohne himmlisch Manna und ohne Speck. ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ungleichgewicht zwischen der universitären Forschung und der außeruniversitären Forschung müssen wir bremsen; das ist ein richtiger Hinweis. Das machen wir nur schon seit vielen, vielen Jahren. Ich denke hier an den Artikel 91b des Grundgesetzes, das Kooperationsgebot, die vielen Bund-Länder-Vereinbarungen, die wir hier schließen. Schauen Sie doch mal direkt in den Haushalt, was die Fachhochschulen betrifft: noch mal Sondergelder, noch mal Sonderprogramme und der ganz wichtige Haushaltsvermerk bei der DFG, dass jetzt auch entsprechende Mittel an die Fachhochschulen für die Forschung fließen müssen. Ich komme zum Schluss. Alles in allem: ein sehr, sehr guter Haushalt. Es wäre am heutigen Tag der Bildung ein richtiges Signal aller Kolleginnen Kollegen in diesem Hause, diesem Haushalt entsprechend zuzustimmen. Vielen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Marc Jongen für die AfD-Fraktion. ({0})

Dr. Marc Jongen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004768, Fraktion: Alternative für Deutschland (AfD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bildung, auch universitäre, ist Ländersache. Aber dem Bund obliegt die Rahmengesetzgebung, und er gibt mit Hochschulpakt, Exzellenzstrategie und anderen Förderprogrammen mehr forschungspolitische Leitlinien vor. Insofern ist es durchaus ein Vorfall von bundespolitischer Relevanz, wenn die Frankfurter Direktorin des Forschungszentrums Globaler Islam, Susanne Schröter, von Studenten heftigst angegangen wurde, nachdem sie im Mai letzten Jahres eine Podiumsdiskussion initiiert hatte mit dem Titel „Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung?“. Man unterstellte ihr antimuslimische Ressentiments und islamophoben Rassismus und forderte ihre Entlassung. Sie sprach von Rufmord; die Veranstaltung musste unter Polizeischutz stattfinden. In einer Studie, die in diesem Oktober publiziert wurde, haben nun zwei Forscher den Stand der Meinungsfreiheit an deutschen Universitäten empirisch untersucht. Und zwar befragten sie just die Studenten der Sozialwissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt: Unsere Umfrageergebnisse zeigen, – schreiben die Forscher – dass sich Studierende häufig sprachlich angegriffen fühlen und dass – und jetzt kommt es – sich ein beträchtlicher Anteil für die Einschränkung der Meinungsfreiheit ausspricht. ({0}) Auch finden wir Hinweise für Konformitätsdruck … Linksgerichtete Studierende sind weniger bereit, umstrittene Standpunkte zu Themen wie Gender, Einwanderung oder sexuelle und ethnische Minderheiten zu tolerieren. Studierende rechts der Mitte neigen eher dazu, sich selbst zu zensieren. ({1}) In Zahlen – hören Sie bitte mal zu –: Nur 44 bis 69 Prozent der Befragten sind dafür, ({2}) dass nichtkonforme Personen an der Universität überhaupt sprechen dürfen, und dass diese Personen an der Universität unterrichten dürfen, befürworten nur 17 bis 36 Prozent. Meine Damen und Herren, diese Zahlen sind erschreckend. ({3}) Und es wäre doch naiv und heuchlerisch, anzunehmen, es handele sich um Einzelfälle oder um ein innerstudentisches Problem. Die Zerstörung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit ist vielmehr das Ergebnis einer langjährigen tendenziösen Wissenschaftspolitik. Das Problem hat systemische Ausmaße erreicht, meine Damen und Herren. ({4}) So wie in den Medien im sogenannten Haltungsjournalismus nicht mehr zwischen Berichterstattung und Meinung unterschieden wird, so machen sich auch an den Universitäten immer mehr Studiengänge breit, die nicht mehr vom politischen Aktivismus zu unterscheiden sind. Gender Studies, Postcolonial Studies, Critical Whiteness Studies – die Namen sagen es bereits: All diese „Studies“ sind keine ergebnisoffenen wissenschaftlichen Studiengänge wie Germanistik, Philosophie oder Volkswirtschaftslehre, sondern Agendawissenschaften, die ein ideologisches Programm vorantreiben. ({5}) Statt um Erkenntnis geht es ihnen um Moral und vor allem um Macht. Andersdenkende werden ausgegrenzt und mundtot gemacht; ihre Karrieren werden zerstört. ({6}) In Frankreich gab es letztes Jahr diesen dramatischen „Appell der 80“ von 80 namhaften französischen Intellektuellen. Sie sprechen unumwunden von intellektuellem Terrorismus. Und der Medienwissenschaftler Norbert Bolz geht für Deutschland so weit, festzustellen: Die Geisteswissenschaften sind verloren. – Damit dürfen wir uns nicht abfinden, meine Damen und Herren. Diesen Trend müssen wir dringend umdrehen. ({7}) Wenn ich immer wieder höre, das sei gar nicht Aufgabe der Politik, sie dürfe sich nicht in die Wissenschaftsfreiheit einmischen, so ist das pure Heuchelei. Mit Programmen wie jetzt den „Strategien zur Durchsetzung von Chancengleichheit“ beispielsweise, wofür Sie wieder 34 Millionen Euro ausgeben wollen, und mit dem Gender-Mainstreaming fördern Sie doch die wissenschaftsfeindliche Mentalität systematisch. Über 300 Genderprofessuren gibt es bereits in Deutschland. Wir fordern die restlose Streichung dieses Haushaltspostens. Das würde der Wissenschaftsfreiheit unmittelbar zugutekommen. ({8}) Und wir wollen weniger Geld für Wissenschaftskommunikation, weil die unter diesen ideologisierten klimatischen Bedingungen auf Propaganda für politisch korrekte Themen wie Klimaschutz hinausläuft. Dafür wollen wir mehr Geld für anwendungsorientierte Forschung, für den Ingenieursnachwuchs; der ist wirklich wichtig für unser Land. Daher können wir bei einigen guten Ansätzen diesem Haushalt leider doch nicht zustimmen. Vielen Dank. ({9})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Das Wort hat der Kollege René Röspel für die SPD-Fraktion. ({0})

René Röspel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003210, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! So eine Haushaltsdebatte ist ja auch immer eine Möglichkeit, sich inhaltlich darzustellen und Vorschläge zu unterbreiten. Ich will ausdrücklich sagen, dass ich eine Reihe von Anträgen aus der Opposition, der demokratischen jedenfalls, inhaltlich interessant finde und auch durchaus unterstützenswert gefunden hätte. Aber zur Haushaltsdebatte gehört auch immer, dass man die finanziellen Enden tatsächlich zusammenkriegt, und das sehe ich an vielen Stellen eben nicht. Deswegen können wir den Oppositionsanträgen auch nicht zustimmen. Ein besonderes Exemplar unseriöser Finanzierung, wenn ich das so sagen darf, finden wir tatsächlich bei der FDP. ({0}) Es gibt von der FDP den Vorschlag – das hören wir in allen Debatten –, dass sie den Solidaritätszuschlag für die Superreichen streichen will; das sind 10 Milliarden Euro. Wie sie das finanzieren will, das wird nicht begründet. ({1}) Allerdings hören wir immer öfter, dass der Sozialhaushalt in Deutschland offenbar zu hoch sei. Und wenn man in die Vorlagen zu den Haushaltsberatungen reinguckt – und ich habe sehr wohl gerade Ihre Rede gehört, was bildungspolitische Anforderungen anbelangt –, dann stellt man fest, dass die FDP zum Beispiel die Streichung von 500 Millionen Euro für Ganztagsbetreuung vorschlägt. Da will ich ausdrücklich sagen: Wer solche Vorschläge macht, scheint offenbar mit einer guten Abgeordnetendiät in einem schönen Stadtteil zu wohnen und kennt die tatsächlichen Probleme in anderen Stadtteilen nicht. Deswegen halten wir es ausdrücklich für sinnvoll, es nicht den Ländern zu überlassen – – ({2})

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Herr Röspel, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?

René Röspel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003210, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. Gerne.

Bettina Stark-Watzinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11004902, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lieber Herr Röspel, Sie haben eben einen Antrag der FDP angesprochen. Ist Ihnen bewusst, dass im Haushalt im Sondervermögen Ganztagsbetreuung 750 Millionen Euro liegen, denen auch wir zugestimmt haben? Ist Ihnen bewusst, dass in diesem Jahr kein Euro abgeflossen ist? Ist Ihnen bewusst, dass erst jetzt die Gesetzgebung stattfindet, dass im nächsten Jahr, bis die Vereinbarungen geschlossen sind, kaum ein Euro abfließen wird? Halten Sie es nicht auch für sinnvoll, in einer Krise jetzt erst mal mit Blick auf Haushaltswahrheit und mit Blick auf Sparsamkeit das zu nutzen, was an Rücklagen da ist, und wenn der Bedarf wieder da ist, dann wieder Geld zu beantragen, statt es in Sondervermögen zu parken? 750 Millionen Euro liegen dort – von der FDP unterstützt, Herr Röspel! ({0})

René Röspel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003210, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn Sie das so im Streichungsantrag begründet hätten, dann könnten wir ja noch darüber sprechen. ({0}) Aber lesen Sie die Begründung dieses Streichungsantrags zu den 500 Millionen Euro. Dort steht ausdrücklich, dass Sie nicht die Notwendigkeit sehen, dass sich der Bund in diesem Bereich beteiligt, und dass das Ländersache ist. ({1}) Diese Argumentation heißt: Sie wollen die 500 Millionen Euro, egal ob sie abfließen oder nicht, zur Verfügung stellen. Das heißt, offenbar ist Ihnen nicht bewusst, was Sie als Begründung geschrieben haben. Sie hätten Ihren Antrag anders begründen müssen. Aber da steht klar drin: Diese 500 Millionen Euro sind nicht in der Zuständigkeit des Bundes, das müssen die Länder machen, und zu häufig gibt es eine Vermischung zwischen den föderalen Zuständigkeiten. – Deswegen kann ich das nur so verstehen – und jeder andere sicherlich auch –, dass Sie diese 500 Millionen Euro nicht zur Verfügung stellen wollen. ({2}) Gut. Dann kriege ich heute Mittag einen Antrag von der FDP auf den Tisch gelegt, wo es um den Gentechnikfonds geht. Da steht drin, man solle sich konsequent auf die Systeme der Marktwirtschaft, des Unternehmertums und der Forschungsfreiheit konzentrieren. Das finde ich dann allerdings schon spannend. Wenn man sich die weiteren Anträge der FDP im Ausschuss – jedenfalls im Bildungs- und Forschungsausschuss – im Hinblick auf Forschungsfreiheit anguckt, dann stellt man fest, dass Kürzungsvorschläge ausgerechnet in den Bereichen gemacht werden, wo es Forschungsfreiheit gibt, nämlich DFG, Fraunhofer und andere Bereiche. Das sind all die Bereiche, wo es nicht darum geht, eine bestimmte Forschungsrichtung zu stützen, sondern wo es allein um exzellente Forschungsanträge aus allen Themenbereichen geht, also darum, Forschungsfreiheit par excellence umzusetzen. Da schlagen Sie Kürzungen vor. Zum Stichwort – das fand ich spannend bei Ihrem Antrag – „Gentechnikfonds“ sagen Sie, wir müssen konsequent Marktwirtschaft und Unternehmertum stützen. Die Forderung dieses Antrags heißt: Unternehmertum ist wichtig; aber Staat, gib mal bitte 150 Millionen Euro Staatsknete für diesen Fonds. – Das, finde ich, hat alles nichts mit Marktwirtschaft und Unternehmertum zu tun. Da sind Sie als FDP eben nicht auf der richtigen Spur. ({3}) Noch schlimmer betreibt es die AfD. Ich habe in dieser Debatte niemanden gehört, der in irgendeiner Form die Wissenschaftsfreiheit oder Forschungsfreiheit einschränken oder bestimmte Themen verbieten will – mit Ausnahme der Partei der AfD. Sobald Sie Gender- oder Klimaforschung hören, geht bei Ihnen offenbar die Hasslampe an, ({4}) und Sie sagen: Das muss sofort verboten werden. – Das ist alles andere als Forschungsfreiheit. Sie sind es, die genau diese Themen immer wieder behandeln unter dem Stichwort „Das wollen wir nicht“, „Das darf nicht sein“ und „Das ist ideologisch“. Das ist tatsächlich ein Angriff auf die Forschungsfreiheit. ({5}) Ich bin sehr froh, dass diese Forschung auch dazu beiträgt, dass Jungen und Mädchen selbstbewusster sind. Ich bin sehr froh, dass meine Tochter Randi eine starke, selbstbewusste Frau wird. Und ich bin sehr froh, dass ihre Brüder Tobias und Daniel auch noch gut finden, dass sie eine starke, selbstbewusste Frau wird. ({6}) Noch schlimmer ist: Wenn es nach der AfD gegangen wäre, hätten wir im zweiten Jahr 500 Millionen Euro weniger für BAföG zur Verfügung. Das würde bedeuten, dass gerade in dieser Situation rund 200 000 Schüler und Studierende aus Arbeiterfamilien es noch schwieriger hätten, sich ein Studium oder den Besuch eines Gymnasiums zu leisten. Das, meine Damen und Herren von der AfD, ist genau das, was wir nicht wollen. Wir als SPD setzen eine andere Politik dagegen. Wir haben nämlich 200 Millionen Euro zusätzlich für eine Nothilfe für Studierende zur Verfügung gestellt. ({7}) – Sie können mir keine Lüge vorwerfen. Das haben Sie beantragt! ({8}) – Ach, hören Sie auf. Eine Lüge ist übrigens ein schwerer Vorwurf.

Petra Pau (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003206

Kollege Röspel.

René Röspel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003210, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das ist der Antrag 19(18)36a und b, den Sie beim letzten Mal gestellt haben. Das ist belegt im Ausschuss. Das kann jeder nachlesen, auch in Ihrem Videopodcast. ({0}) Ich finde, dieser Haushalt ist gut. Wir arbeiten daran, dass der nächste noch besser wird. Vielen Dank. ({1})