Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/23/2006

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Die Sitzung ist eröffnet. Ich begrüße Sie alle sehr herzlich zur Fortsetzung unserer Beratungen zum Bundeshaushalt 2007. ({0}) Zunächst möchte ich einige Vorbemerkungen machen. Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführten Überweisungen im vereinfachten Verfahren zu erweitern: ZP 1 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren ({1}) a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler, Monika Grütters, Eckart von Klaeden, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Monika Griefahn, Petra Hinz ({2}), Lothar Mark, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Stärkung des Goethe-Instituts durch neues Konzept - Drucksache 16/3502 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({3}) Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Grietje Bettin, Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Verbraucher beim Telemediengesetz nicht übergehen - Drucksache 16/3499 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({4}) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz Ausschuss für Kultur und Medien c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marieluise Beck ({5}), Rainder Steenblock, Volker Beck ({6}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Eine europäische Perspektive für das Kosovo - Drucksache 16/3520 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({7}) Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 2003 bis 2006 ({8}) - Drucksache 16/1020 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss ({9}) Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Außerdem mache ich auf nachträgliche Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam: Der in der 57. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe ({10}) zur Mitberatung überwiesen werden. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder ({11}) - Drucksache 16/2950 überwiesen: Innenausschuss ({12}) Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO Der in der 64. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Haushaltsausschuss ({13}) gemäß § 96 GO überwiesen werden. Redetext Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und des Finanzausgleichsgesetzes - Drucksache 16/3269 überwiesen: Ausschuss für Arbeit und Soziales ({14}) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO Die in der 57. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesenen nachfolgenden Anträge sollen zusätzlich dem Sportausschuss ({15}), dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({16}) sowie dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ({17}) zur Mitberatung überwiesen werden. Antrag der Abgeordneten Christoph Waitz, Hans-Joachim Otto ({18}), Jens Ackermann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Für einen zukunftsfähigen europäischen Rechtsrahmen audiovisueller Mediendienste - den Beratungsprozess der EU-Fernsehrichtlinie aktiv begleiten - Drucksache 16/2675 überwiesen: Ausschuss für Kultur und Medien ({19}) Sportausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Antrag der Abgeordneten Grietje Bettin, Dr. Uschi Eid, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Für eine verbraucherfreundliche und Qualität sichernde EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste - Drucksache 16/2977 überwiesen: Ausschuss für Kultur und Medien ({20}) Sportausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Der in der 63. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Sportausschuss ({21}) zur Mitberatung überwiesen werden. Antrag der Abgeordneten Reinhard Grindel, Wolfgang Börnsen ({22}), Peter Albach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Jörg Tauss, Monika Griefahn, Martin Dörmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Die Schaffung eines kohärenten europäischen Rechtsrahmens für audiovisuelle Dienste zu einem Schwerpunkt deutscher Medien- und Kommunikationspolitik in Europa machen - Drucksache 16/3297 überwiesen: Ausschuss für Kultur und Medien ({23}) Sportausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Sind Sie damit einverstanden? - Ich sehe keinen Wi- derspruch. Dann können wir so verfahren. Wir setzen nun die Haushaltsberatungen - Tagesord- nungspunkt I - fort: a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2007 ({24}) - Drucksachen 16/2300, 16/2302 - b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses ({25}) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Finanzplan des Bundes 2006 bis 2010 - Drucksachen 16/2301, 16/2302, 16/3126 Berichterstattung: Abgeordnete Steffen Kampeter Carsten Schneider ({26}) Dr. Gesine Lötzsch Ich rufe Tagesordnungspunkt I.12 auf: Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und Soziales - Drucksachen 16/3111, 16/3123 Berichterstattung: Abgeordnete Waltraud Lehn Dr. Claudia Winterstein Dr. Gesine Lötzsch Zu dem Einzelplan liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir später namentlich abstimmen werden. Außerdem liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre dazu keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Dr. Claudia Winterstein das Wort. ({27})

Dr. Claudia Winterstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Etat des Arbeitsministers ist der größte Einzeletat und umfasst 124,4 Milliarden Euro. Das sind 5 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2006. Der Haushalt des Arbeitsministers leistet also keinen Beitrag zur Konsolidierung, im Gegenteil. Dieser Etat ist auch das größte Risiko für den Bundeshaushalt 2007. ({0}) Denn Sie, Herr Minister, wiederholen im Etat 2007 Fehler, die Sie schon im Jahr 2006 gemacht haben. Sie arbeiten mit geschönten Zahlen. Sie haben in den Haushaltsplanberatungen 2006 immer wieder behauptet, 24,4 Milliarden Euro für das Arbeitslosengeld II würden ausreichen. Wir haben Sie damals gewarnt, dass der Haushaltsansatz bei weitem nicht reichen wird. Nun stellen wir fest: Wir hatten Recht, die Zahlen waren geschönt. Die Kosten werden nämlich bei mindestens 26,4 Milliarden Euro liegen, das sind 2 Milliarden Euro mehr. Jetzt, für 2007, behaupten Sie, 21,4 Milliarden Euro würden für das Arbeitslosengeld II ausreichen. Wir warnen Sie: Es wird wieder nicht reichen. Diese Zahlen sind ebenfalls geschönt. Es wird erheblich teurer. ({1}) Auch in anderen Bereichen haben die Zahlen 2006 nicht gestimmt und stimmen 2007 wieder nicht. Was mussten wir uns für Beschimpfungen anhören, als wir Ihnen in den Beratungen 2006 erklärten, dass der Titel „Leistungen zur Eingliederung in Arbeit“ mit 6,5 Milliarden Euro zu hoch angesetzt ist! Auch Sie hätten schon damals erkennen können, dass eine so hohe Summe für Fördermaßnahmen bei den Langzeitarbeitslosen nicht sinnvoll ausgegeben werden kann. Stattdessen haben Sie uns vorgeworfen, wir wollten gezielt zulasten der Arbeitslosen sparen. ({2}) Dass diese Vorwürfe nicht zutreffen, beweisen die Zahlen. Bis zum 31. Oktober sind 3,3 Milliarden Euro abgeflossen. Hochgerechnet auf das ganze Jahr werden es also etwa 4 Milliarden Euro sein. Sie haben aber 6,5 Milliarden Euro angesetzt. Beim Haushalt 2007 spielen Sie dennoch das gleiche Spiel und setzen wieder 6,5 Milliarden Euro im Haushalt an. ({3}) Herr Minister, die Lösung der Probleme besteht nicht darin, beim Eingliederungstitel möglichst viel Geld zu verteilen; nötig sind vielmehr Reformen am Arbeitsmarkt und eine Straffung der Arbeitsmarktinstrumente. ({4}) Der Bundesrechnungshof hat erst gerade wieder aufgezeigt, wie viel hier im Argen liegt. Er hat sich den Vollzug von Hartz IV angeschaut und beispielsweise festgestellt, dass die Förderungsvoraussetzungen bei einem Viertel der 1-Euro-Jobs überhaupt nicht vorliegen und bei weiteren 50 Prozent die Förderfähigkeit zweifelhaft ist. Sie haben zwar viele Expertenrunden tagen lassen, Konsequenzen daraus sind aber nicht bekannt. Bekannt ist hingegen, dass es erheblichen Streit in der Koalition gibt: Die CDU spricht sich gegen Mindestlöhne und für Kombilöhne aus, die SPD macht es umgekehrt. Derzeit versucht wieder eine Arbeitsgruppe, völlig unvereinbare Konzepte der beiden Koalitionspartner unter einen Hut zu bringen. ({5}) Was dabei herauskommt, kann man bei der so genannten Gesundheitsreform sehen, nämlich nichts Gutes. Die „Süddeutsche Zeitung“ hat das „die nächste Nicht-Reform“ genannt. Herr Minister, im Zusammenhang mit Ihrem Haushalt haben Sie stolz darauf verwiesen, der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung würde nun um insgesamt 2,3 Prozentpunkte sinken. Der Ordnung halber muss man aber hinzufügen, dass 1,3 Prozentpunkte davon mit Ihrem Etat überhaupt nichts zu tun haben. Diese Senkung wird allein aus den Mitteln der Beitragszahler finanziert, die zu viel gezahlt haben. ({6}) Im Übrigen bleibt es trotz dieser Senkung bei dem, was die „FAZ“ am 8. November 2006 kurz und, wie ich finde, sehr treffend formuliert hat: Der Staat wird … den Bürgern nach dem Jahreswechsel - also 2007 … mehr und nicht weniger Geld aus der Tasche ziehen, weil die Steuererhöhungen größer sind als die aufgepeppte Beitragsentlastung. Herr Minister, auch bei Ihrem Umgang mit den aktuellen Arbeitsmarktdaten kehren Sie unliebsame Zahlen unter den Tisch. Es ist nämlich nur die halbe Wahrheit, wenn Sie darauf verweisen, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen gegenüber dem Vorjahr gesunken ist. Zur ganzen Wahrheit gehört, dass die Zahl der Arbeitslosengeld-II-Empfänger gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist; denn man muss all diejenigen hinzuzählen, die einen 1-Euro-Job haben, die an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen, die zum Beispiel wegen Kinderbetreuung dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, und diejenigen, die zusätzlich zu ihrem Lohn Arbeitslosengeld II erhalten. Insgesamt erhielten in Deutschland im Oktober 2006 über 5 Millionen Menschen Arbeitslosengeld II. Das sind 187 000 Menschen mehr als im Oktober des letzten Jahres. Das müssen Sie aus Ihrem Etat bezahlen. Gesunkene statistische Arbeitslosenzahlen helfen Ihnen dabei überhaupt nicht weiter. ({7}) Herr Müntefering, es scheint Ihr Arbeitsstil zu sein, unangenehme Zahlen erst in allerletzter Minute auf den Tisch zu legen. Wir wussten doch schon lange, dass der Aussteuerungsbetrag nicht in der im Entwurf veranschlagten Höhe fließen würde. Aber nicht einmal in dem Berichterstattergespräch sind Sie von Ihrem unseriösen Zahlenwerk abgewichen. Erst drei Tage vor der abschließenden Sitzung im Haushaltsausschuss haben Sie die Zahlen korrigiert: von den illusorischen 5,1 Milliarden Euro auf 4 Milliarden Euro. Das ist wahrscheinlich immer noch zu hoch; denn wir wissen jetzt, dass dieser Betrag 2006 bei 3,3 Milliarden Euro liegt. Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit kommen bei Ihnen erst an sehr später Stelle. ({8}) Dieser Etat enthält unrealistische Ansätze und ist deshalb ein Risiko für die Finanzen des Bundes 2007 insgesamt. Das könnte anders aussehen. In dem liberalen Sparbuch, das die FDP auch in diesem Jahr wieder vorgelegt hat, haben wir für den Etat des Arbeitsministers ein Sparvolumen von insgesamt knapp 3,6 Milliarden Euro ausgewiesen. Unsere Kürzungsvorschläge betreffen beispielsweise die Ressortforschung, die Initiative „Neue Qualität der Arbeit“, die Verwaltungskosten für die Umsetzung von Hartz IV und den Eingliederungstitel. Einen Kürzungsvorschlag will ich hier gesondert erwähnen. Herr Müntefering, Sie planen 30 neue Stellen, um die Optionskommunen und die Arbeitsgemeinschaften stärker kontrollieren zu können. Wir lehnen das ab. Wir sind der Meinung, dass Neueinstellungen hier nicht zu vertreten sind, wenn gleichzeitig etwa bei der Telekom Menschen teuer in die Frühpension geschickt werden. Meine Damen und Herren von der Koalition, schon bei den Beratungen für den Haushalt 2006 haben Sie unsere Sparvorschläge in Bausch und Bogen abgelehnt. ({9}) Aber wie sieht jetzt die Realität aus? Der Haushaltsvollzug hat uns und unsere Anträge bestätigt. Etliche Etats werden nach dem aktuellen Stand unseren Kürzungsvorschlägen entsprechen oder sogar noch darunter liegen. Herr Müntefering, in der ersten Lesung zu diesem Etat haben Sie gesagt: Wir wollen den Haushalt konsolidieren. Dazu muss auch dieser Einzelplan seinen Teil beitragen. Dieses Versprechen haben Sie nicht erfüllt. ({10})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort hat nun die Kollegin Waltraud Lehn für die SPD-Fraktion. ({0})

Waltraud Lehn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002719, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Politik bestimmt sehr weitgehend den Alltag der Menschen in unserem Land. Der Einzelplan, über den wir heute reden, tut das in ganz besonderer Weise, weil er sich mit der Rente beschäftigt, weil er sich mit der Situation auf dem Arbeitsmarkt beschäftigt, weil er sich mit der Kriegsopferfürsorge und dem ganzen sozialen Feld, das die Lebenswirklichkeit von Menschen ausmacht, auseinander setzt und hier Rahmenbedingungen setzt. Frau Kollegin Winterstein, manchmal ist die Politik sehr alltäglich. Ich sage zu Ihnen persönlich, aber auch zur FDP im Allgemeinen: Sie erinnern mich an meine Tante Käthe. ({0}) Tante Käthe kam zum ersten Geburtstag meines Sohnes. Alle dort waren guter Stimmung; es ging auch allen ganz ordentlich. Was macht Tante Käthe? Tante Käthe erzählt, dass ihre Tochter im Alter von fünf Jahren bei einer Geburtstagsfeier beinahe ertrunken wäre. ({1}) Ein anderes Beispiel: Tante Käthe ist auf einer Familienfeier. Die Sonne scheint, allen ist warm und alle sind zufrieden. Was macht Tante Käthe? Tante Käthe erzählt, wie schrecklich Gewitter sind. ({2}) Tante Käthe war der Schrecken der Familie, ein Stimmungskiller und ein Nährer von Angst, obwohl wir alle dies nicht wollten. Im Übrigen hat sie überhaupt nichts verändert, auch nichts zum Besseren. Frau Kollegin Winterstein, ich will Sie nicht mit Tante Käthe gleichsetzen; gleichwohl ist aufgrund Ihres Verhaltens die Erinnerung an Tante Käthe ausgesprochen präsent. ({3}) Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, wie man sich auf Situationen einstellen kann. Ich könnte hier jetzt sagen: Sie haben völlig Recht, es geht abwärts. ({4}) Es geht wirklich abwärts. Es geht abwärts mit der Zahl der Arbeitslosen. ({5}) Es geht abwärts mit den Beiträgen zur Sozialversicherung. Es geht abwärts mit der Neuverschuldung. Erinnern wir uns einmal: Als ich vor wenigen Monaten hier stand, konnte ich noch nicht verkünden, dass 500 000 Menschen mehr in Beschäftigung und weniger arbeitslos sind. Die Arbeitslosenquote liegt erstmals seit fünf Jahren wieder unter 10 Prozent. Noch erfreulicher ist, dass dieser Rückgang vor allem durch ein starkes Wachstum sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zustande kommt. ({6}) Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass dieser Aufschwung bei den Langzeitarbeitslosen angekommen ist. Es sind bald schon 100 000 ehemalige Langzeitarbeitslose, die endlich wieder eine Perspektive bekommen haben. Wir können nach einem Jahr großer Koalition mit Recht sagen: Wir haben den Arbeitsmarkt durch mutige Schritte vorangebracht. ({7}) Die Verbesserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt hat geringere Ausgaben und höhere Einnahmen zur Folge. Das macht sich natürlich insbesondere bei der Bundesagentur für Arbeit bemerkbar. Sie wird in diesem Jahr einen Überschuss von mehr als 10 Milliarden Euro erwirtschaften. Deswegen können wir es uns leisten, den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung stärker als geplant zu senken. Wir geben den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in diesem Land etwas von ihrem schwer verdienten Geld zurück. Ich finde, das gehört sich so. ({8}) - Da Sie sich noch immer nicht beruhigen können, sage ich Ihnen: Wenn Sie darauf hinweisen, dass es abwärts geht, haben Sie Recht. Es geht abwärts, beispielsweise mit der Neuverschuldung. ({9}) Noch vor wenigen Monaten sind wir davon ausgegangen, dass wir in diesem Jahr eine Neuverschuldung in Höhe von 36 Milliarden Euro benötigen werden, um die Ausgaben schultern zu können. Nun wissen wir, dass wir in diesem Jahr „nur“ 30 Milliarden Euro brauchen. ({10}) Im nächsten Jahr werden es dann weniger als 20 Milliarden Euro sein. ({11}) - Natürlich ist das immer noch zu viel. Auch ich würde mir wünschen, dass keine Neuverschuldung notwendig wäre oder wir sogar ein Plus zu verzeichnen hätten, das wir zum Abbau der Schulden verwenden könnten. Aber ich sage Ihnen: Machen wir doch bitte einen Schritt nach dem anderen. Man muss den Erfolg, den man nachweislich hat, ({12}) zunächst einmal benennen und sich dann überlegen, wie man diesen Erfolg ausbauen kann. Wer so schnell läuft, wie er kann, der wird verdammt schnell müde und erreicht das Ziel nicht. Besser ist es, sich die Kraft auf die gesamte Strecke einzuteilen. Dann kommt man dem Ziel langsam immer näher. ({13}) Nun möchte ich etwas zur Rente sagen. Das Verhältnis von Beitragszahlern und Beitragsempfängern, also das Verhältnis von Beschäftigten auf der einen Seite und Rentnerinnen und Rentnern auf der anderen Seite, wird uns in Zukunft vor große Herausforderungen stellen. Wer will das schon bezweifeln? Daran ändert auch das derzeitige Beschäftigungswachstum nichts Wesentliches. ({14}) Die große Koalition wird angesichts der bergigen Landschaft, in der wir uns bewegen, darauf Acht geben, dass wir immer genug Schwung haben, um all die Berge, die auf unserem Weg liegen, überwinden zu können. Deswegen haben wir auch im Hinblick auf die Rente wichtige Änderungen vorgenommen. Natürlich hätten wir einen Anstieg des Beitrags zur Rentenversicherung auf nur 19,7 Prozent beschließen können. Für uns ist aber langfristiges Handeln im Sinne von Verlässlichkeit und Stabilität über dieses Jahrzehnt hinaus wichtig. Durch die beschlossene Erhöhung des Beitrags zur Rentenversicherung auf 19,9 Prozent gewährleisten wir diese Stabilität. Dadurch sichern wir die Liquidität der Rentenversicherung. Wir sorgen dafür, dass die gesetzliche Schwankungsreserve stabil bleibt, und verhindern, dass laufende Rentenzahlungen etwa durch Darlehen des Bundes gestützt werden müssen. Das schafft für die 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner in diesem Land Verlässlichkeit. Nun möchte ich noch etwas zum schwierigen Thema Rente mit 67 sagen. Kein Mensch hat Spaß daran, wenn die Lebensarbeitszeit erhöht wird. Kein Mensch findet es toll, dass die Menschen zukünftig länger arbeiten müssen. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Zahl derjenigen, die dem Arbeitsmarkt in Zukunft zur Verfügung stehen, immer geringer wird. Die Zahl der Menschen, die in das Erwerbsleben eintreten, geht immer weiter zurück, während sich die Zahl derjenigen, die aus dem Erwerbsleben ausscheiden und die Gott sei Dank eine immer höhere Lebenserwartung haben - sie steigt stetig -, erhöht. Auch das Leben im Alter muss finanziert werden. Unser System ist nicht darauf angelegt, dass man 30 oder 40 Jahre lang arbeitet und anschließend 30 Jahre lang Rente bezieht. Das kann nicht funktionieren. Wer soll das denn bezahlen? Von daher glaube ich, dass es gut und richtig ist, diese Last gerecht zu verteilen. Deswegen müssen wir eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit ins Auge fassen. Nun bin ich außerordentlich froh, dass nach dem Entwurf, der zur Beratung vorliegt, derjenige, der 45 Jahre gearbeitet hat, weiter mit 65 Jahren ohne Abschlag in Rente gehen kann. ({15}) - Ich finde, dass auch Frauen ausreichend und gut berücksichtigt sind, weil Kindererziehungszeiten angerechnet werden. Frauen sind in ihrer Erwerbsbiografie ja nicht per se in einer schlechteren Situation, sondern dann, wenn sie Kinder bekommen und erzogen haben. ({16}) Das wird im Entwurf berücksichtigt und ich finde es auch gut, dass das so ist. Die Verlängerung der Lebensarbeitszeit bleibt allerdings theoretisch, wenn die Menschen nicht tatsächlich länger beschäftigt sind. Im Augenblick stehen weniger als 45 Prozent der Menschen im Alter von 55 plus überhaupt noch im Erwerbsleben. Unser Ziel ist es, dass in absehbarer Zeit, nämlich bis 2010, zumindest 50 Prozent der Menschen im Alter von 55 plus einen Job haben. Eine ganz wichtige Etappe auf diesem Weg ist die Initiative „50 plus“, mit der wir ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf den Weg bringen, um die Beschäftigung Älterer zu fördern. Mit speziellen Lohnzuschüssen wollen wir zum Beispiel erreichen, dass ältere Empfänger von Arbeitslosengeld I auch eine Beschäftigung annehmen können, die geringer vergütet wird als ihre letzte. ({17}) Das heißt nicht, dass sie für einen Appel und ein Ei arbeiten sollen oder dass wir hier einen Ausbeutungsbereich für Arbeitgeber schaffen wollten. Deswegen darf man in diesem Zusammenhang die Diskussion über Mindestlöhne auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Ein Alter über 50 ist derzeit ein deutliches Vermittlungshemmnis. Dass dies so ist, das müssen wir erkennen. ({18}) Dass dies so bleibt, werden wir jedoch nicht tatenlos hinnehmen. Auch die Entwicklung bei den unter 25-Jährigen ist oft ein Problem gewesen. Wir investieren weiter in diesen Bereich, wir investieren erfolgreich in diesen Bereich, und die Zahl der Betroffenen geht deutlich zurück. Wir stellen über 100 Millionen Euro für die Einstiegsqualifizierung von Jugendlichen zur Verfügung. Wir investieren 200 Millionen Euro in den Beschäftigungspakt für arbeitslose Ältere. Wir stellen den Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen insgesamt 10 Milliarden Euro zur Verfügung. Ich sage eins zum Schluss: Nun ist es an den Städten und Gemeinden, an den Argen genauso wie an den Optionskommunen, dieses Geld sinnvoll einzusetzen. Ich finde, es ist ein Hohn für die heute Arbeitslosen, zu wissen, dass auch in diesem Jahr relativ hohe Summen nicht verausgabt werden. Das ist im Land insgesamt sicherlich unterschiedlich. Aber ich finde, es kann nicht sein, dass die Bereitschaft vor Ort darüber entscheidet, ob jemand eine Chance bekommt. ({19}) Ich glaube, wir sind als Gesetzgeber aufgerufen, dafür zu sorgen, dass die Mittel wirtschaftlich und effizient tatsächlich eingesetzt werden. Vielen Dank. ({20})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Kornelia Möller für die Fraktion Die Linke. ({0})

Kornelia Möller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003811, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kommen wir jetzt nach Tante Käthes Märchenstunde wieder zu unserem Thema. ({0}) - Nein, Herr Brandner, das überlasse ich gerne Ihnen; das können Sie besser als ich. Circa 2,9 Millionen Menschen sind langzeitarbeitslos in diesem Land. Statt ihnen eine Perspektive zu geben, lobte Frau Merkel in ihrer gestrigen Rede ausdrücklich die Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung. ({1}) Mein Fraktionskollege Gregor Gysi erklärte ihr und Ihnen gestern, dass die Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland schon jetzt um 5 Prozent unter dem EUDurchschnitt liegen. ({2}) - Nein, auch das können Sie besser, Herr Kollege: Sie erzählen uns ständig, die Erde sei eine Scheibe. ({3}) Frau Merkel, ich sage Ihnen: Bei der derzeitigen Situation ist es geradezu verantwortungslos, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung weiter zu senken; ({4}) denn das geht gerade zulasten langzeitarbeitsloser Menschen. Da Sie die Langzeitarbeitslosigkeit augenscheinlich ausgeblendet haben, wundert es nicht, dass in Ihrem Haushaltsentwurf ein Konzept zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit und vor allem der Langzeitarbeitslosigkeit fehlt. Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie kommentieren lediglich die Entwicklung, dass trotz Ihrer schlechten Arbeitsmarktpolitik in diesem Jahr allein aus konjunkturellen Gründen und auch nur zeitweilig mehr Arbeitsplätze entstanden sind. In den ostdeutschen Ländern beträgt die Arbeitslosigkeit durchschnittlich 15,7 Prozent. In den westdeutschen Ländern beträgt die Arbeitslosigkeit durchschnittlich 8,2 Prozent. Trotzdem ist die Koalition nicht in der Lage, auf die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern gesondert einzugehen. Statt guter Konzepte finde ich in Ihrem Gesetzentwurf, dass Sie die Eingliederungsleistungen mit einem einseitigen Deckungsvermerk versehen haben. Das bedeutet, dass die Finanzierung der Erwerbslosigkeit auch im nächsten Jahr Vorrang vor einer aktiven Arbeitsmarktpolitik und vor der Finanzierung von Arbeit erhalten soll. So sieht schwarz-rote Politik aus. Sie sind ignorant und beratungsresistent. ({5}) Reicht es Ihnen nicht, dass die Argen, die eine aktive Arbeitsmarktpolitik umsetzen wollten, durch die Haushaltssperre in diesem Jahr bis in die Handlungsunfähigkeit getrieben wurden? Brauchen Sie wirklich eine Neuauflage im nächsten Jahr? Kommen wir jetzt zur christlich-sozialen Rosstäuscherei der Herren Rüttgers, Stoiber, Söder und Co. Wir, die Linke, haben Ihnen in unserem Rahmenantrag zur Überwindung von Hartz IV bereits Anfang dieses Jahres ein Konzept vorgelegt, mit dem vorgesehen ist, die Bezugsdauer des ALG I zu verlängern, ohne andere arbeitslose Menschen dafür die Zeche zahlen zu lassen, wie das die christlich-sozialen Linksblinker vorschlagen. Nach Schätzung des BMAS kostet unser Vorschlag 2,5 Milliarden Euro. Er soll durch eine entsprechende Verringerung des Aussteuerungsbeitrages gegenfinanziert werden. Einen gesonderten Antrag werden wir Ihnen vorlegen. Nun zur SPD. Die CDU/CSU schickt sich an, Sie links zu überholen, und Kurt Beck sagt: Basta, mit uns gibt es keine Verlängerung der Bezugsdauer des ALG I! Er begründet das damit - welche Überraschung -, dass angeblich kein Geld da ist. Wenn Geld dafür ausgegeben wird, die Arbeitsplatzvernichtung von Großunternehmen, zum Beispiel von Siemens, zu subventionieren, dann fehlt das Geld natürlich an anderer Stelle, wie hier, bei arbeitslosen Menschen und beim Kampf gegen die Armut. ({6}) Die BA freut sich über mehr als 10 Milliarden Euro Überschüsse. Die SPD will das Geld aber nicht dafür einsetzen, die Situation langzeitarbeitsloser Menschen zu verbessern. Das ist weder sozial noch gerecht. Meine Damen und Herren Sozialdemokraten, seien Sie also konsequent und streichen Sie endlich das „S“ aus Ihrem Parteikürzel. ({7}) Wer es wie wir ernst mit den Menschen meint ({8}) - ganz genau, Sie können es nicht leiden, dass wir das immer wieder sagen, weil Sie die Menschen längst aufgegeben haben, für die Sie eigentlich in den Bundestag gewählt wurden -, ({9}) muss einen Teil der Überschüsse der BA für folgende Programme einsetzen: Erstens. Wir schließen uns der Forderung des DGB an und fordern ein Sofortprogramm, mit dem 650 Millionen Euro als Anschubfinanzierung bereitgestellt werden, ({10}) um für circa 50 000 Jugendliche Ausbildungsplätze zu schaffen. ({11}) Zugegeben: Angesichts der aktuellen Situation - ungefähr 140 000 Ausbildungsplätze fehlen - ist das ein Notprogramm. Meine Damen und Herren der Koalition, es ist aber ein Notprogramm, das nötig ist, weil Sie nach wie vor auf einen erfolglosen Ausbildungspakt setzen. Auch hier zeigt sich Schwarz-Rot beratungsresistent. Wir sagen Ja zur Umlagefinanzierung - ohne Wenn und Aber. Trotzdem darf man junge Menschen nicht im Regen stehen lassen. 50 000 Ausbildungsplätze bedeuten eine Perspektive für 50 000 junge Menschen. Wir legen einen entsprechenden Antrag vor. Zweitens fordern wir, einen Teil der BA-Überschüsse für eine Anschubfinanzierung zu verwenden, um unseren Antrag auf eine Ausweitung und eine neue Qualität öffentlich finanzierter Beschäftigung umzusetzen. ({12}) 500 000 Menschen bekämen so wieder sozialversicherungspflichtige Arbeit - und zwar mindestens zu einem Mindestlohn von 8 Euro - und damit eine Zukunft, eine Zukunft, die sie mit Hartz IV und den 1-Euro-Jobs nicht haben. Unser Land braucht öffentlich geförderte Beschäftigung. Darin sind sich auch die großen Sozialverbände und der DGB einig, wie aus deren gemeinsamen Erklärung vom 16. November 2006 hervorgeht. Die Ignoranz der Bundesregierung kann man nur so werten, dass Schwarz-Rot offenbar einen festen Sockel an langzeitarbeitslosen Menschen will, um auch künftig die Löhne und Gehälter zu drücken. ({13}) Den Beginn haben Sie schon gemacht. Sie haben ein Heer von 1-Euro-Jobbern geschaffen, mit denen Sie auch noch die Statistik verfälschen. Die Zeit reicht leider nicht, um noch auf die Praxis einzugehen. Deshalb komme ich zum Schluss und gebe Herrn Straubinger das zu hören, worauf er immer wartet - gell, Herr Straubinger, darin sind wir beide uns mittlerweile einig -: Hartz IV ist ein schlechtes Gesetz. Hartz IV muss weg. ({14})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort hat nun der Kollege Hans-Joachim Fuchtel für die CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Hans Joachim Fuchtel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000616, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Auch wenn es die Opposition nicht wahrhaben möchte: In Deutschland geht es bergauf. ({0}) Das ist nicht allein das Verdienst der Regierung, sondern auch der deutschen Wirtschaft, die sich mehr und mehr als fähig erweist, sich auf die Herausforderungen der Globalisierung einzustellen, und der Tarifpartner, die den Ernst der Stunde erkannt haben. Dafür möchte ich mich bei dieser Gelegenheit bedanken. Ein Verdienst der Bundesregierung ist es allerdings, dass wieder mehr Vertrauen in die Politik entstanden ist. ({1}) - Woran ich das ablese? Wenn 500 000 Menschen weniger arbeitslos sind, dann ist das ein erfreuliches Zeichen. Das entspricht der Zahl der Menschen, die in Stuttgart oder Dresden leben. Das ist doch weitaus mehr, als man dieser Regierung im ersten Jahr zugetraut hätte. ({2}) Das ist ein positives Zeichen, das gerade Sie anerkennen sollten. ({3}) Dass fast 100 000 Menschen wieder den Weg vom zweiten in den ersten Arbeitsmarkt gefunden haben, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sich etwas zum Guten bewegt. Wir wollen schließlich den ersten Arbeitsmarkt stärken. Das gelingt zunehmend. Auch das ist ein positives Zeichen, das Sie anerkennen sollten, statt alles mies zu machen. Sie helfen niemand, wenn Sie immer alles negativ darstellen. ({4}) Wir entlasten die Arbeitnehmer und Arbeitgeber stärker, als versprochen wurde. Mit 17 Milliarden Euro ist die Entlastung höher als das Volumen des Landeshaushalts von Sachsen. Dass den Arbeitnehmern und Arbeitgebern wieder mehr zur Verfügung steht, wird sich ebenfalls auf den Konsum und die Konjunktur auswirken. Dabei hat der Einzelne die Möglichkeit, selber zu entscheiden, wie er mit seinen Konsumwünschen und seinem Konsumverhalten disponiert. Für uns als Union ist klar, dass Überschüsse im Bereich der Bundesanstalt zu Beitragsreduzierungen führen müssen. Das ist ein wichtiger Hinweis. Das haben wir eingehalten und das wollen wir fortführen. ({5}) Wichtig ist auch, die Beteiligung von jungen und älteren Menschen am Erwerbsleben näher zu beleuchten. Die Erwerbsquote der über 55-Jährigen lag im Jahr 2000 bei 37 Prozent. Im zweiten Halbjahr 2006 liegt sie bei 48,3 Prozent. Das Ziel muss sein, sie im nächsten Jahr auf 50 Prozent zu bringen; das wäre hervorragend. Das zeigt - genauso wie unsere Haushaltsansätze -, dass wir uns um die Gruppen bemühen, die in besonderem Maße der Unterstützung bedürfen. Wir lassen sie nicht im Stich; dazu stehen wir. Dafür haben wir entsprechende Programme aufgelegt und stellen wir Steuergelder in ausreichendem Maße zur Verfügung, sodass der Minister die notwendigen Umsetzungen vornehmen kann. ({6}) Wir wollen weiterhin den Zugang zum ersten Arbeitsmarkt erleichtern. Deswegen muss der Kombilohn kommen, damit der Übergang in diesen Arbeitsmarkt gelingt. Er darf aber nicht mehr kosten, als wir momentan für die Arbeitslosigkeit ausgeben. Das ist eine wichtige Bedingung. Angesichts der Art und Weise, wie wir das angehen, bin ich optimistisch, dass wir es schaffen werden. Wir wollen vielen Menschen den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt ermöglichen und ihn so weiter beleben; darauf setzen wir. Das ist besser, als am zweiten Arbeitsmarkt herumzudoktern. ({7}) Ein Wort zur Bundesagentur für Arbeit. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Spitze der Bundesagentur für Arbeit hervorragende Arbeit geleistet hat, und mich bei Herrn Weise bedanken, der den Mut hatte, auch unbequeme Entscheidungen zu treffen. ({8}) Wir werden die Bundesagentur für Arbeit unterstützen, wenn es darum geht, die Organisationsreform voranzutreiben. ({9}) Wir sollten aber darauf achten, dass die künftige Ausgestaltung dieses Verwaltungskörpers nicht zu einer Konzentration in den großen Städten führt. Der ländliche Raum ist genauso geeignet wie die großen Städte. Das sage ich ganz deutlich in Richtung Nürnberg. Daran sollte sich die Organisationsreform orientieren. Wir wollen das Dickicht der Förderinstrumente lichten. Weniger wird mehr sein. ({10}) Auch hier kann man entbürokratisieren. ({11}) Das große Risiko für den Haushalt des Bundesarbeitsministers stellt das ALG II dar. Hier handelt es sich um einen Schätzansatz. Die Haushaltspolitiker wissen, dass Schätzansätze schwieriger zu erfassen sind als Investitionsansätze. Wir werden daher nie eine punktgenaue Landung schaffen. Aber wir sind fest entschlossen, durch einen harten Kurs darauf hinzuwirken, dass die in den Haushalt eingestellten Mittel ausreichen. ({12}) Herr Minister, Sie haben uns erklärt, dass Sie mehr Stellen brauchen, um mehr Kontrolle auszuüben. Sie haben mir persönlich erklärt, dass Sie keine Stellen frei haben, um diese Aufgabe wahrzunehmen. Wenn dem so ist - es geht hier um 21,4 Milliarden Euro -, dann bekommen Sie als Vizekanzler und Arbeitsminister der großen Koalition aus den Reihen der Haushälter die Zusage von 30 Stellen; das ist ganz klar. Aber Sie tragen dann auch die Verantwortung, ({13}) mit diesen Stellen darauf hinzuwirken, dass die festgestellten Auswüchse beseitigt werden, dass mit dem Geld sparsam umgegangen wird und dass alles getan wird, die Haushaltsansätze zu erreichen. Wir statten Sie mit den Instrumenten aus, die notwendig sind, um diese große Aufgabe zu bewältigen. Ich denke, wir sind auf dem Weg, dies in den Griff zu bekommen. ({14}) Zur Rente. Wir stehen voll zu einer maßvollen Rentenerhöhung, wenn es gleichzeitig gelingt, eine Schwankungsreserve aufzubauen. ({15}) Wir müssen darauf hinwirken, dass die Erhöhung der Beiträge dazu führt, dass eine Schwankungsreserve entsteht. Damit schaffen wir mehr Sicherheit in dem System und bringen die Rente endlich aus der Diskussion. Das muss unbedingt erfolgen. ({16}) Wir stehen dazu, dass man dann, wenn man 45 Jahre im Erwerbsleben gestanden hat, eine volle Rente erhalten soll. Das gebietet der Respekt vor einer langen Erwerbsbiografie. ({17}) Ich möchte noch etwas zu einem Thema sagen, zu dem sonst nichts gesagt wird, zum Bundessozialgericht. Wir haben darauf hingewirkt, dass das Bundessozialgericht endlich erneuert wird. Auch wenn es sparsam zugehen muss, darf die Rechtspflege nicht zu kurz kommen. ({18}) Wir sind dafür, dass dort ein weiterer Senat eingerichtet wird. Es kann nicht sein, dass der Bürger grundsätzlich ein Jahr auf sein Recht warten muss. Es darf auch kürzer sein. Der Bürger gibt genügend Geld für diesen Staat aus. Deshalb muss er wenigstens in absehbarer Zeit zu seinem Recht kommen. Das wird in diesem Haushalt endlich geregelt. ({19}) Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass es unter Haushältern eine Mehrheit dafür gibt, dass mehr Personal nach Berlin zieht. Der Bundesarbeitsminister hat derzeit 989 Stellen, davon zwei Drittel in Bonn und ein Drittel in Berlin. Es wird an den Haushältern nicht scheitern, wenn man sich hier auf einen neuen Weg begibt. Vielleicht gibt es noch eine Föderalismusreform 1a, in deren Rahmen man so etwas beschließen könnte. ({20}) Ich möchte noch ein Letztes ansprechen. Ein neuer Gedanke ist der Investivlohn. Ich möchte die Bundeskanzlerin ausdrücklich auffordern, diesen Gedanken weiter zu entwickeln. Es ist an der Zeit, dass man die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland stärker am Produktivkapital beteiligt. Wir sollten uns auf den Weg machen und gemeinsam nach Lösungen suchen. ({21}) Das wird ein wichtiger Beitrag sein, um die soziale Marktwirtschaft weiterzuführen. Wenn dies gelingt, dann haben wir mehr erreicht, als in der Koalitionsvereinbarung zu diesem Thema steht. Auch die Gewerkschaften haben bereits erklärt, dass sie zu Gesprächen bereit sind. Bitte legen Sie Konzepte vor! Wir werden gerne in die Gespräche gehen. In dem Sinne herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({22})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist nun die Kollegin Anja Hajduk für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen. ({0})

Anja Hajduk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003547, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Das hat nur etwas mit Kombinieren zu tun, Kollege Binding. - Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit dem Etat des Arbeits- und Sozialministeriums von Minister Müntefering beraten wir den größten Etat, der gut 124 Milliarden Euro umfasst. Er ist während der Haushaltsberatungen etwas angewachsen, weil Risiken abge6630 deckt werden mussten, zum Beispiel die Kosten für die Unterkunft. Es gab ein ziemliches politisches Tauziehen zwischen Bund, Ländern und Kommunen wegen der Frage, wer denn wie viel zu bezahlen habe. Ich will an dieser Stelle für Bündnis 90/Die Grünen sagen: Wir sind bereit, diesen Kompromiss mitzutragen, weil auch wir die finanziellen Nöte der Kommunen kennen. Ich sage Ihnen aber auch: Da ist wieder ein typisch kompliziertes Machwerk entstanden. Das politische Tauziehen prägt das Ergebnis; es ist keine rationale und transparente Lösung. Ich glaube, das ist keine Dauerlösung. Spätestens wenn wir die Hartz-IV-Gesetzgebung evaluiert haben, wird man das noch einmal untersuchen müssen. ({0}) Das ist aber keine Kritik an der Höhe des Ansatzes. Ich wollte das nur zur Sache bemerkt haben. Eine Differenz zwischen uns betrifft die Aufwendungen für das Arbeitslosengeld II. Sie haben dafür 21,4 Milliarden Euro vorgesehen. Die Kollegin Winterstein hat schon sehr plausibel gemacht, dass das weniger als in diesem Jahr ist. Das könnte man noch akzeptieren. Aber dass es so viel weniger ist, ist unplausibel. Ich habe Sie, Herr Müntefering, und die großen Fraktionen so verstanden, dass Sie davon ausgehen, dass für das Arbeitslosengeld II 21,4 Milliarden Euro nicht ausreichen und Sie deshalb 1 Milliarde Euro von den Geldern für die Eingliederungsleistungen dafür zur Verfügung stellen wollen. Da haben wir eine grundsätzliche Differenz. Denn wir glauben, wenn man letztendlich die Kosten für das Arbeitslosengeld II senken will, dann muss die Vermittlungstätigkeit der Bundesagentur ausgebaut und gestärkt werden. Es ist kein Erfolg, wenn bei den Eingliederungsleistungen weniger ausgegeben wird. Das zu glauben, ist ein grundsätzlicher Irrtum. ({1}) Ich finde, es ist auch eine Täuschung, nur diesen Deckungsvermerk stehen zu lassen. Sie hätten stattdessen ehrlich sagen sollen, auf 5,5 Milliarden Euro abzusenken bei der Hilfe zur Eingliederung und 1 Milliarde Euro - wahrscheinlich braucht man sogar 1,5 Milliarden Euro beim Arbeitslosengeld II draufzulegen. Dies findet allerdings ausdrücklich nicht unsere Unterstützung. Das möchte ich ganz deutlich sagen. ({2}) Unsere Botschaft heißt: Fördern muss endlich in der gebotenen Intensität und Qualität kommen. Wir sind bereit, von den Menschen etwas zu fordern; daher muss die Politik für das Fördern mehr tun. Da setzen Sie leider einen Kontrapunkt. ({3}) Ich möchte auch eine zweite Differenz benennen. Wir sind nicht damit einverstanden, dass Sie einen großen Sparbeitrag für den Haushalt erbringen, indem Sie die Rentenversicherung mit 2 Milliarden Euro belasten, weil Sie die Rentenversicherungsbeiträge für die Arbeitslosengeld-II-Bezieher von 78 auf 45 Euro senken. Man kann jetzt sagen: Das ist doch schon alt. - Ja, das stimmt. Wir kennen diese Absicht aus der Koalitionsvereinbarung. Im nächsten Haushalt wird sie als Sparposten wirksam, aber das ist ein Verschiebebahnhof zulasten der Rentenversicherung. Es ist offenkundig: Dass der Rentenbeitragssatz im nächsten Jahr auf 19,9 Prozent steigen muss, hat ursächlich mit genau dieser Entscheidung zu tun. Auch da haben wir eine grundsätzliche Differenz zu Ihrem Politikansatz in diesem Haushalt. ({4}) Ich komme jetzt auf das heiß diskutierte Thema Arbeitslosengeld und dessen Bezugsdauer. Ich muss ganz deutlich sagen: Die Politik, die Herr Rüttgers hier betreibt, ist unfair und ungerecht, weil sie Menschen, die eine lange Beschäftigung hatten, gegen Jüngere ausspielt, die mit gebrochenen Erwerbsbiografien kämpfen müssen und in ihrem jüngeren Lebensalter gegebenenfalls auch viel Sicherheit brauchen, weil sie beispielsweise kleine Kinder haben. Diese Staffelung - wer lange eingezahlt hat, soll auch länger Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben - spielt Gruppen gegeneinander aus. Das ist kein gerechter Vorschlag. Ich finde ihn nicht sozial ausgewogen. ({5}) Viel schlimmer daran ist aber, mit welcher Bewusstheit Herr Rüttgers perfide argumentiert. Ich erinnere, er hat auch schon einmal „Kinder statt Inder“ gesagt, das war genauso perfide. Perfide ist, dass er mit den Ängsten von Leuten vor dem sozialen Abstieg spielt und das dann mit einer Gerechtigkeitsphilosophie ummäntelt. Damit richtet er etwas an, von dem ich sage: Er fordert etwas, was nicht der Sozialstaat der Zukunft sein wird. Vielmehr ist das das Sozialstaatsverständnis der Vergangenheit. ({6}) Dazu sage ich Ihnen eines, Frau Merkel - vielleicht überraschen Sie uns auch; ich lasse mich gern von Ihnen positiv überraschen -: Sie können an dieser Stelle nicht augenzwinkernd hinnehmen, dass am nächsten Wochenende auf Ihrem Parteitag dieser Antrag beschlossen wird. Die deutsche Bevölkerung kann erwarten, dass eine Kanzlerin Führung zeigt und nicht sagt: In meiner Partei, in der ich Vorsitzende bin, wird etwas beschlossen, was ich dann als Kanzlerin nicht umsetzen werde. - Sie müssten dann auch den Mumm haben, zu sagen: Das, was Rot-Grün unter der Führung von Gerhard Schröder entschieden hat, den Bezug von Arbeitslosengeld auf zwölf bzw. 18 Monate zu begrenzen - 18 Monate sind ja immerhin schon eine Entlastung für die 55-Jährigen und Älteren -, finde ich grundfalsch. - Wenn Sie das nicht akzeptieren, dann stellen Sie sich hier hin und sagen das. Wenn Sie aber im Grunde damit einverstanden sind, dann müssen Sie auf dem Parteitag Führung zeigen und in der CDU dafür werben, dass diese Rüttgers-Perfidie nicht weiter gespielt wird. Denn sie weist nicht in den Sozialstaat der Zukunft, sondern gaukelt den Leuten vermeintliche Sicherheiten vor. Wir brauchen Aktivierung auch im Alter; wir brauchen keine Frühverrentungsmodelle, wie wir sie früher zugelassen haben. ({7}) - Ich freue mich auch über den Beifall aus den Reihen der SPD. ({8}) Ich will ganz deutlich sagen: Diese Rüttgers-Politik, dieses Werben um ältere Wähler, seine Art von Gerechtigkeitsphilosophie, die zulasten der Jüngeren geht, passt nicht zu Ihrer Argumentation für die Rente mit 67; sie steht im krassen Widerspruch dazu. Diesen Widerspruch müssen Sie auflösen. Durch das Rüttgers-Gerechtigkeitsmodell werden Anreize zur Schaffung von Vorruhestandsregelungen geschaffen. Von solchen Regelungen müssen wir aber wegkommen, wenn wir Vertrauen dafür schaffen wollen, dass auch Ältere aktiv am Arbeitsleben teilnehmen sollen. ({9}) Nur wenn das geschieht, wird die Rente mit 67 kein Rentenkürzungsprogramm, sondern ein Programm, durch das der Lebensstandard in Zukunft stabilisiert wird. ({10}) Letzter Punkt. Herr Müntefering, Sie waren hinsichtlich der Rente mit 67 immer sehr taff. Folglich haben Sie keine Kritik von uns erhalten. Als es darum ging, den Post- und Telekommunikationsnachfolgeunternehmen ein Frühverrentungsmodell zu gönnen, haben Sie in diesem Herbst beschlossen: Bis 2010 können die Postnachfolgeunternehmen 15 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den vorzeitigen Ruhestand schicken. Das ist allerdings ein jüngstes Armutszeugnis und ein Widerspruch in Ihrer Politik. ({11})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Für die Bundesregierung hat nun Herr Bundesminister Franz Müntefering das Wort. ({0})

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Haushalt ist kein Selbstzweck. Durch den Haushalt soll das unterstützt werden, was die Politik sich für das nächste Jahr vornimmt. Vor allen Dingen darüber will ich sprechen. Was nehmen wir uns für das Jahr 2007 vor? Werden die angestrebten Ziele durch den von uns vorgelegten Haushalt unterstützt? Wir wollen weiter dafür kämpfen, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland sinkt, dass die Menschen Arbeit haben, dass mehr Menschen in Arbeit sind. Das ist das Ziel Nummer eins im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik. ({0}) Wir sind da in diesem Jahr ein ganzes Stück vorangekommen und wir wollen diesen Weg weitergehen. Auch wenn es bereits viele Male gesagt worden ist: Das 25-Milliarden-Euro-Programm, das diese Bundesregierung aufgelegt hat, hilft und es wird im nächsten Jahr fortgeführt. Es ist kein Zufall, dass das Handwerk, die kleinen und mittleren Unternehmen gut ausgelastet sind. Die Zunahme an Beschäftigung im Verlauf des letzten Jahres erklärt sich in etwa so: Bei den ganz großen Firmen sind - leider - etwa 100 000 Arbeitsplätze verloren gegangen; das war mit manchen Komplikationen verbunden. Bei den kleinen Unternehmen sind 550 000 bis 580 000 neue Arbeitsplätze entstanden. So wird es auch im kommenden Jahr sein. Wir müssen diesen Weg weitergehen. Wir müssen etwas dafür tun, dass die Wettbewerbsfähigkeit und die Investitionsfähigkeit des Handwerks, der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland gestützt werden. Auf diese Art und Weise kann die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland erhöht werden. Das heißt, Menschen, die auf der Straße sind, kommen in Arbeit. Ich wiederhole: Diesen Weg gehen wir auch im nächsten Jahr weiter. ({1}) Es gibt 471 000 Arbeitslose weniger als vor einem Jahr. Übrigens sind 101 000 junge Menschen unter 25 weniger arbeitslos. Die Fortsetzung des Ausbildungspakts bleibt ein ganz wichtiger Punkt. Wir werden im Frühjahr ausführlich darüber zu sprechen haben, wie wir dafür sorgen können, dass die Bugwelle bei den jungen Leuten weiter reduziert werden kann. Diese Koalition will in dieser Legislaturperiode erreichen - das ist eine Herausforderung für das Land und für die Politik -, dass diese Bugwelle deutlich kleiner wird. Wir wollen 2009 so weit sein, dass kein junger Mann und keine junge Frau von der Schulbank in die Arbeitslosigkeit geht. Auch dieses Ziel verbinden wir mit diesem Haushalt. ({2}) Beim Arbeitslosengeld I hat es in diesem Jahr eine gute Entwicklung gegeben. Anfang des Jahres lautete die Einschätzung, es werde Überschüsse in Höhe von 1,8 Milliarden Euro geben. Jetzt zeigt sich, es werden voraussichtlich 9,5 bis 9,8 Milliarden Euro sein. Wir haben uns über die Entwicklung in den nächsten Jahren sehr genau informiert. Die Bundesanstalt für Arbeit hat seit 1988 in jedem Jahr Zuschüsse des Bundes bekommen; in diesem Jahr hat sie zum ersten Mal keine erhalten. All diejenigen, die sagen: „Man muss das Geld zurückgeben“, frage ich: Was ist mit den 40 Milliarden Euro, die wir dieser Einrichtung in den letzten Jahren aus dem Haushalt haben zukommen lassen? Nun wissen wir verbindlich: Die Bundesagentur wird bis zum Jahr 2010 keinen Zuschuss des Bundes und auch kein Darlehen mehr brauchen. Die Bundesagentur hat den Posten für Eingliederung, also für die aktive Arbeitsmarktpolitik, erhöht. Ich wiederhole: Wir wissen, dass ihr bis 2010 hinreichend Geld für die von ihr zu erfüllenden Aufgaben zur Verfügung stehen wird. Sie wird kein zusätzliches Geld des Bundes brauchen. Vor diesem Hintergrund haben wir entschieden: Wir senken den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung auf 4,2 Prozent. Das ist verantwortliche Politik. Den Weg werden wir in das nächste Jahr hinein auch so weitergehen und der BA sagen: Macht die Arbeit weiter! Die BA - das ist eben schon angesprochen worden, ich glaube, von Herrn Fuchtel, von anderen auch - hat sich in den letzten zwei Jahren gut entwickelt. Es war eine ganz komplizierte Sache, eine so große Organisation mit solch einer Tradition, mit hunderttausend Leuten stärker auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts einzustellen. Ich sage: Respekt denen, die da die Arbeit zu verantworten haben. Das heißt nicht, dass man mit allem einverstanden ist. Ich bin dafür, dass wir immer hart messen und kontrollieren: Was läuft da? Das alles kann auch noch besser werden. Aber ich sage deutlich: Die BA ist in einer guten Verfasstheit. Wir wollen weiter gut zusammenarbeiten und dafür sorgen, dass wir den Weg weitergehen können. Bei den Lohnnebenkosten - das will ich doch noch sagen, weil darüber viel gesprochen wird - erreichen wir im nächsten Jahr, im Jahr 2007, dass der Arbeitgeberanteil unter 20 Prozent sinkt. Wir als Koalition haben immer versprochen: Wir nehmen die 40 Prozent ins Visier. - Wenn man sich den Teil anschaut, der paritätisch finanziert ist, stellt man fest: Man ist unter 20 Prozent für die Arbeitgeber. Das war immer mit dem Ziel „40 Prozent“ verbunden. Das erreichen wir. Das ist sicherlich ein Pluspunkt. Das muss jetzt aber auch dazu führen, dass das von den Arbeitgebern gewürdigt wird, dass Reaktionen kommen und zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. ({3}) Zum Bereich Arbeitslosengeld II/Langzeitarbeitslosigkeit. Das ist sicherlich der komplizierteste Bereich für die Arbeit des kommenden Jahres. Es ist wahr, dass mehr Menschen Arbeitslosengeld II erhalten. Es ist aber nicht richtig, dass die Zahl der Bedarfsgemeinschaften steigt. ({4}) Frau Kollegin Winterstein, Sie haben im Ausschuss eine Information dazu erbeten. Die haben Sie auch bekommen; die haben natürlich alle bekommen. Die hätte man einfach einmal vorlesen sollen. Danach ist es nämlich so, dass von Mai bis Oktober des vergangenen Jahres die Zahl der Bedarfsgemeinschaften um 200 000 gestiegen ist, dass sie von Mai bis Oktober dieses Jahres aber um 300 000 gesunken ist. Wenn wir beim Arbeitslosengeld II im Augenblick mehr auszahlen, hängt das damit zusammen, dass eine immer größere Zahl von Menschen, die vollzeitbeschäftigt oder teilzeitbeschäftigt sind, ergänzend Arbeitslosengeld II bekommt; inzwischen übrigens auch rund 50 000 Selbstständige. Das ist ein Punkt, den ich hier nicht vertiefen will, über den wir im Augenblick aber sprechen: Kann das eigentlich so sein? Was kann man dagegen tun, dass Menschen, die vollzeitbeschäftigt sind, in die Arbeitsagentur, in die Arge kommen und sagen: „Jetzt brauchen wir ergänzend Arbeitslosengeld II“? Da stimmt doch offensichtlich mit der Höhe der Löhne, mit der Höhe der Bezahlung etwas nicht. ({5}) Deshalb müssen wir an der Stelle in der Koalition für ein Stückchen mehr Klarheit sorgen. Wir sind mitten in der Debatte. Da spielen der Mindestlohn, der tarifliche oder der gesetzliche, und der Kombilohn eine Rolle. Wir müssen uns damit auseinander setzen. Es kann nicht normal sein, dass in einem Land mit einem Wohlstandsniveau, wie wir es haben, eine immer größere Zahl von Menschen von der Arbeit nicht leben kann. ({6}) Wer seine Arbeit macht, wer seine Pflicht tut, wer jeden Tag jobben geht, auch wenn er es manchmal vielleicht nicht gern tut, der muss dafür auch so viel Geld bekommen, dass er in der Regel sich und seine Familie davon ernähren kann. Das muss das Ziel in einer mitteleuropäischen Wohlstandsregion wie Deutschland sein; überhaupt keine Frage. Darüber werden wir zu sprechen haben. ({7}) Wie viel Geld geben wir aus? Für den Bereich Arbeitsmarkt sind es etwa 42 Milliarden Euro. Es sind 21,4 Milliarden Euro für das eigentliche Arbeitslosengeld II, 10 Milliarden Euro für die Eingliederung, 4,3 Milliarden Euro für den Bereich KdU, 6,5 Milliarden Euro aus der Mehrwertsteuer. Das ist alles Geld, das aus der Bundeskasse dahin fließt. Nun gebe ich gern zu: Man kann sich lange darüber unterhalten, ob bei den 21,4 Milliarden Euro oder an anderer Stelle etwas erhöht und dafür an anderer Stelle etwas gesenkt werden müsste. Ich verspreche hier nur: Wir werden mit diesem Geld im Jahr 2007 auskommen. Es wird darauf ankommen, im Laufe des Jahres die Instrumente so einzusetzen, dass dies erreicht wird. Es gibt dazu einige Diskussionen, die wir zu Ergebnissen führen werden. Im Übrigen ist es auch in diesem Jahr schon so gelaufen. Wir haben einen Teil des Eingliederungstitels genommen und für die Zahlung von Arbeitslosengeld II eingesetzt. Das ist von Ihnen, Frau Hajduk, kritisiert worden. Aber ich sage Ihnen: Auch in diesem Jahr werden die Argen und die zkTs wieder unter dem Betrag bleiben, sodass etwas übrig bleiben wird. ({8}) Man muss realistisch sein: Im vergangenen Jahr standen 6,5 Milliarden Euro zur Verfügung; davon wurden 3,5 Milliarden Euro ausgegeben. - In diesem Jahr stehen etwa 5,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Ich sage Ihnen voraus: Davon wird etwas übrig bleiben, und zwar in erheblichem Ausmaß. ({9}) Sie können mich natürlich kritisieren; das hat Frau Winterstein ja auch getan. Im Verlauf des Jahres werden wir dann sehen, wo wir die Ausgaben zu hoch und wo wir sie zu niedrig angesetzt haben. Jedenfalls werden wir das Geld, das uns in diesem Haushalt dafür zur Verfügung steht, vernünftig einsetzen. Zugleich werden wir die Ansätze einhalten und an der Stelle nicht mehr ausgeben. ({10}) Lassen Sie mich ein paar Worte zum Bereich der Alterssicherung sagen: In den nächsten Tagen und Wochen werden wir darüber noch ausführlicher zu diskutieren haben. Wir machen hier drei Maßnahmen parallel: Der Gesetzentwurf zur Rente mit 67 wird jetzt in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. In den nächsten Wochen und Monaten wird in diesem Hohen Haus über all die Konsequenzen, die damit verbunden sind, zu sprechen sein. Im Jahre 2029 - so weit planen wir - wird das Zeitfenster für den Renteneintritt zwischen 63 und 67 Jahren liegen; jetzt liegt es zwischen 60 und 65 Jahren. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass in unserer Gesellschaft, nachdem im Jahre 1960 noch durchschnittlich zehn Jahre lang Rente gezahlt wurde, nun mittlerweile 17 Jahre lang Rente gezahlt wird und es im Jahre 2030 durchschnittlich 20 Jahre sein würden, kann man, wie ich glaube, eine schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters verantworten. Wir begleiten dies aber durch zwei weitere Maßnahmen. Eine dieser Maßnahmen ist die Initiative „50 plus“. Mittlerweile haben wir 80 000 ältere Arbeitslose weniger als noch vor einem Jahr. Das ist kein schlechtes Resultat. Wir werden mithilfe von Kombilöhnen, Eingliederungszuschüssen und Weiterbildungsangeboten versuchen, dafür zu sorgen, dass sich die Situation für ältere Arbeitslose weiterhin so positiv entwickelt. Die Menschen sollen nicht mehr mit 50, 55 oder 58 Jahren aus dem Arbeitsleben verdrängt werden, sondern sie sollen eine echte Chance auf Arbeit haben. So beantworten wir die Frage der Konsequenzen eines höheren Renteneintrittsalters für ältere Menschen. Wir wollen, dass diese ihre Arbeit behalten oder wieder Arbeit finden. ({11}) Dafür investieren wir das Geld. Das ist ein vernünftiger Weg für die Zukunft. Ergänzend stoßen wir eine Debatte über die Altersvorsorge an. Die gesetzliche Rente bleibt zwar das Kernstück der Alterssicherung, aber sie muss ergänzt werden um eine private Vorsorge in Form von betrieblicher Altersvorsorge, Riesterrente oder Rüruprente. Etwa 20 Millionen Menschen nehmen schon in unterschiedlichster Weise diese Systeme wahr, aber diese Art der Vorsorge muss zu einer Selbstverständlichkeit in Deutschland werden. Die ganze Debatte über die Beteiligung der Arbeitnehmer an Gewinn und Kapital muss auf die Forderung konzentriert werden: Organisiert eine vernünftige Altersvorsorge und fangt damit rechtzeitig an! Wir haben dafür gesorgt, dass Insolvenzsicherheit gegeben ist. Keiner, der in das System einer Betriebsrente einzahlt, muss Angst haben, dass seine Ansprüche verloren gehen, sollte der Betrieb Pleite gehen. Auch die Portabilität ist gegeben; das heißt, die Ansprüche können mitgenommen werden. Es muss zu einer Selbstverständlichkeit für die junge Generation in Deutschland werden, dass jemand, sobald er eine Beschäftigung aufnimmt, neben der gesetzlichen Rente in ein Altersvorsorgesystem einzahlt. Wir unterstützen staatlicherseits die Menschen in dem Maße, in dem es uns möglich ist, diesen Weg zu gehen, und machen da eine ganze Menge. So wollen wir Familien mit heranwachsenden Kindern durch Verbesserungen bei der Riesterrente noch stärker unterstützen. Es ist eine gute Idee für die Altersvorsorge, den Kinderzuschlag für diejenigen, die in die Riesterrente einzahlen und heranwachsende Kinder haben, noch zu erhöhen. Das ist eine familienpolitisch vernünftige Maßnahme, die zugleich auch der Altersvorsorge dient. Außerdem wollen wir die Riesterrente um eine Wohneigentums- bzw. Wohnrechtskomponente ergänzen. Das heißt, ein Teil des Geldes, das man ansparen will, soll dafür eingesetzt werden können, dass man eine Wohnung kauft oder Wohnrecht erwirbt, um im Alter günstige Wohnbedingungen zu haben. Wer also neben der gesetzlichen Rente auf betriebliche Altersvorsorge, Riester- oder Rüruprente setzt, der kann davon ausgehen, dass er gute Voraussetzungen schafft, um auch im Alter finanziell gut ausgestattet zu sein. Gerade die junge Generation erwartet, dass dafür gesorgt wird. Zwei letzte Punkte zu Europa. Wir werden 2007 die EU-Ratspräsidentschaft für ein halbes Jahr und die G-8Präsidentschaft für das ganze Jahr haben. Die Erwartungen an Deutschland sind groß. Deshalb dürfen unsere Anforderungen an uns selbst nicht zu schmal bleiben. Wir werden auch die Idee des Sozialmodells Europa forcieren. Das beinhaltet vor allen Dingen die Idee der guten Arbeit. Wir wollen in unserem Land, aber auch in Europa und darüber hinaus für alles werben, was mit Arbeitsschutz, altersgerechter Arbeit, Arbeitsrecht, der Möglichkeit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sich als Vertreter ihrer Interessen vernünftig zu treffen und gemeinsam gute Politik zu machen, wie wir das von der Tarifpolitik in Deutschland kennen, sowie mit existenzsichernden Löhnen zusammenhängt. Das wollen wir zum Gegenstand der Debatte machen. Das ist in Europa und auch für uns ein wichtiges Thema. Wir sind weit hinter dem zurück, was in anderen Ländern Beschlusslage zu tariflichen und gesetzlichen Mindestlöhnen ist. ({12}) Wir werden in Europa auch - das ist der letzte Punkt über Chancengleichheit zu sprechen haben, vor allem deshalb, weil Deutschland, was die Chancen der jungen Frauengeneration angeht, weit hinter dem zurückliegt, was in anderen Ländern in Europa üblich ist. Wir brauchen die Kreativität und Fähigkeiten dieser Frauengeneration - auch aus volkswirtschaftlichen Gründen. Aber vor allem wollen wir im Interesse des Rechts jedes einzelnen Menschen, am Arbeitsmarkt und im Beruf erfolgreich zu sein, handeln. Deshalb bleibt die Idee der Chancengleichheit im nächsten Jahr in Europa auch unter dem Gesichtspunkt von Arbeit und Sozialpolitik ganz wichtig. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ({13})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächster Redner ist nun der Herr Kollege Heinrich Kolb für die FDP-Fraktion. ({0})

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Müntefering hat den Vorschlag gemacht, dass wir uns auf das konzentrieren, was, auch durch den Haushalt unterstützt, im nächsten Jahr geschehen soll. Ich bin gern bereit, Ihrem Vorschlag zu folgen, will den Blick aber gleichwohl noch einmal auf die Entwicklung in diesem Jahr lenken; denn, Herr Minister Müntefering, auch wenn sich die Stimmung am Arbeitsmarkt etwas aufgehellt hat, warne ich davor, in Euphorie zu verfallen. Das haben Sie hier nicht getan, aber einige Kollegen von der Koalition neigen dazu. Dazu besteht jedoch wirklich kein Anlass. Ich will das konkret belegen und beziehe mich dabei auf die jahresdurchschnittlichen Zahlen des Sachverständigenrates in seinem aktuellen Gutachten. Die besonders Interessierten können das gerne auf Seite 358 nachvollziehen. Nach den Zahlen des Sachverständigenrates ist die Zahl der registrierten Arbeitslosen in 2006 um 329 000 zurückgegangen. Das ist uneingeschränkt erfreulich; Frau Kollegin Lehn, da stimme ich Ihnen zu. ({0}) Nun könnte man denken, der Abbau von Arbeitslosigkeit und der Aufbau von Beschäftigung seien kommunizierende Röhren, wenn die Arbeitslosigkeit zurückgehe, müsse sich auch bei der Erwerbstätigkeit, bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung eine entsprechende Bewegung ergeben. Aber weit gefehlt; dem ist keineswegs so. Darüber, Herr Minister Müntefering, sollten Sie zumindest einmal nachdenken. Auch ist es lohnend, nach den Ursachen zu forschen. Zwar steigt die Zahl der Erwerbstätigen bei einem Rückgang der Zahl der Arbeitslosen um 329 000 immerhin noch um 220 000 an; darin ist jedoch die Zunahme der Zahl der ausschließlich geringfügig Beschäftigten in der Größenordnung von circa 90 000 enthalten. Viel beunruhigender finde ich aber, Herr Minister, dass der Zuwachs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, also der Basis der Finanzierung unserer sozialen Sicherungssysteme, in 2006 jahresdurchschnittlich gerade einmal 90 000 beträgt. Ein Zuwachs um 90 000, nachdem wir in den Jahren 2003, 2004 und 2005 in der Summe 1,4 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse verloren haben! Herr Minister, das ist - bei aller Freude über die Trendumkehr - eine immer noch ausgesprochen magere arbeitsmarktpolitische Bilanz eines Jahres, ({1}) in dem wir rund 2,3 bis 2,5 Prozent Wirtschaftswachstum hatten, also eine unerwartet günstige Entwicklung. Deswegen gibt es keinen Grund zur Selbstzufriedenheit und auch keinen Grund, die Hände in den Schoß zu legen. ({2}) Dies gilt umso mehr, als abzusehen ist, dass wir das Wirtschaftswachstum des Jahres 2006 im kommenden Jahr nicht erreichen werden. Der Sachverständige Professor Gustav Horn - er gehörte bis vor kurzem dem DIW an; er ist dort nicht mehr, weil er anscheinend mit unliebsamen Kommentaren aufgefallen ist - hat in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu Beginn dieser Woche als Einzelsachverständiger der Koalition darauf hingewiesen, dass der negative Impuls, der sich aus der saldierten Wirkung von Mehrwertsteuererhöhung und Veränderung der Beitragssätze in der Sozialversicherung ergibt, zu einem Wachstumsverlust von über 1 Prozent des Inlandsproduktes führt. Das Wachstum, das er bei einer ungestörten konjunkturellen Entwicklung auch im nächsten Jahr bei 2,5 Prozent plus x gesehen hätte, landet aber im nächsten Jahr bei 1,5 Prozent minus x. Professor Horn sagte weiter: Wenn wir im kommenden Jahr eine Wachstumsentwicklung von 1,5 Prozent minus x haben, heißt das, dass wir unter die Beschäftigungsschwelle sinken werden. Er weist weiter darauf hin, dass sich die positive Beschäftigungsentwicklung insbesondere bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen im Verlauf des nächsten Jahres wieder umkehren wird und dass als Folge neue Belastungen der Sozialversicherungen entstehen würden. Das, Herr Minister Müntefering, müssen Sie sich für das nächste Jahr ins Stammbuch schreiben lassen. ({3}) - Eine Zwischenfrage des Kollegen Weiß lasse ich gerne zu, Frau Präsidentin.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Dann Herr Kollege Weiß, bitte sehr.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Kolb, bei Ihren Ausführungen, die Sie soeben gemacht haben, habe ich mich gefragt, ob die von Frau Kollegin Lehn erwähnte Tante Käthe vielleicht in Ihrer Person gerade am Rednerpult steht. ({0}) Zahlenspiele hin oder her: Das bemerkenswerte Faktum am deutschen Arbeitsmarkt ist doch, dass in Deutschland seit dem Jahr 2001 bis in dieses Jahr hinein Jahr für Jahr und Monat für Monat ein Verlust an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung zu beobachten war. Aber in diesem Jahr gibt es zum ersten Mal eine Trendumkehr. Es ist richtig, dass dieser Prozess langsam verläuft. Aber es geht mit der Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen stetig aufwärts; mehr Menschen zahlen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge. Ich finde, diese bemerkenswerte Trendumkehr ist eine gute Botschaft. Das sollte auch einmal die FDP anerkennen. ({1})

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Weiß, ich bedanke mich ausdrücklich für die Frage nach Tante Käthe. Ich weiß allerdings nicht, ob ihr Bruder Heinrich hieß. Vielleicht ist Tante Käthe in ihren jungen Jahren - das sollte man vielleicht einmal in Erwägung ziehen, Frau Kollegin Lehn - Seglerin gewesen. Jeder Segler ist gut beraten, den Himmel auch dann nach heranziehenden Gewitterfronten zu beobachten, wenn eitel Sonnenschein herrscht. ({0}) Herr Weiß, ich möchte von folgendem Vorkommnis berichten: Bei einem Sommerfest des HDE vor zwei oder drei Jahren, das in Berlin in der Straße Am Weidendamm stattfand, herrschte drückende Hitze bei strahlend blauem Himmel. Aber von fern zog ein schwarzer Streifen am Horizont heran. Zunächst passierte nichts; es fiel erst einmal kein Regentropfen. Die Mehrzahl der Gäste blieb gelassen. Aber die Segler unter den Gästen ahnten schon, was da kommen würde. Die Front zog über den Ort des Sommerfestes und dann brach es schlagartig herein. Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben Spanferkel durch die Luft fliegen sehen. - Sie müssen sich also schon den Ratschlag gefallen lassen, dass es, wenn man Naturgewalten ausgesetzt ist, notwendig ist, Blicke immer wieder gen Himmel zu richten. Nun zum zweiten Teil Ihrer Frage. Es ist eine Trendumkehr, die allerdings erst im zweiten Quartal eingesetzt hat. Es ist saisonal durchaus nicht unüblich, dass es in den Sommer- und Herbstmonaten eine erfreuliche Entwicklung gibt. Deswegen habe ich bewusst die durchschnittlichen Jahreszahlen genannt. Aber angesichts der Tatsache, dass in den letzten drei Jahren, also in den Jahren 2003, 2004 und 2005, 1,4 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren gingen, kann ein Zuwachs von 90 000 wahrlich kein Anlass sein, Entwarnung zu geben. ({1}) Es beunruhigt uns schon, dass Sie jetzt dazu neigen, die Hände in den Schoß zu legen, ({2}) nach dem Motto, es gebe keinen Handlungsbedarf mehr, alles sei auf einem guten Wege. Ich sehe diese Gefahr; das will ich gleich anhand von Beispielen erläutern. Die Frage ist damit, denke ich, beantwortet. Zunächst will ich aber auf ein Faktum hinweisen, das wir auch nicht vernachlässigen dürfen: Ein genauerer Blick auf die Entwicklung der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung zeigt, Herr Kollege Weiß, dass es einen - leider intakten - Trend zum Rückgang der Vollzeitbeschäftigung bei einem gleichzeitigen Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung gibt. Darin sind die Minijobs nicht eingeschlossen. Man kann es auch deutlicher formulieren: Ein nicht unwesentlicher Teil des Anstiegs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung resultiert daraus, dass Vollzeitbeschäftigung durch Teilzeitbeschäftigung ersetzt wird. Das Arbeitsvolumen bleibt aber laut Sachverständigenrat, Herr Minister Müntefering, trotz Wirtschaftsaufschwungs in 2006 nahezu unverändert bei knapp 57 Millionen Arbeitsstunden. Das ist ein entscheidender Punkt, den wir im Auge behalten müssen. Warum sage ich das hier? Weil diese Entwicklung dazu führt, dass trotz eines vergleichsweise kräftigen Wachstums in diesem Jahr die Entwicklung der Einnahmen der Sozialversicherung, bereinigt um die Wirkung des Vorziehens der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge, sehr bescheiden bleibt. Ich will das am Beispiel der Rentenversicherung erläutern. Dort sind die Beiträge, wenn man die Mehreinnahmen aus dem 13. Monatsbeitrag in Höhe von 10,5 Milliarden Euro herausrechnet, bei einem Gesamtvolumen von 154 Milliarden Euro gerade einmal um 770 Millionen Euro gestiegen. Das ist ein Plus von 0,5 Prozent bei einem Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent. Das ist nicht gerade berauschend, wie Sie mir sicherlich zustimmen werden. In den anderen Zweigen der Sozialversicherung sieht es ähnlich aus. Anders ausgedrückt: Die Entspannung in den Kassen der Sozialversicherung, die Sie glauben feststellen zu können, ist fast gänzlich auf den Effekt des 13. Monatsbeitrags zurückzuführen. Ihr Plan war, den mittelständischen Unternehmen in unserem Lande 20 Milliarden Euro aus den Taschen zu ziehen. Am Ende sind es 22 Milliarden Euro geworden, 10 Prozent mehr. Das ist ein Geldsegen, der Sie zwar erfreuen mag, der aber die Wirtschaft in unserem Lande belastet. Das dürfen Sie bitte schön den Menschen in unserem Lande nicht ernsthaft als einen Erfolg Ihrer Arbeit verkaufen. ({3}) Der Sachverständigenrat hat Recht, wenn er ausdrücklich ermahnt, die erfreuliche Belebung auf dem Arbeitsmarkt dürfe nicht zu einem Erlahmen der Reformanstrengungen führen. Aber genau das zeichnet sich ab. Änderungen beim Kündigungsschutz bekommen Sie nicht zustande. Dabei muss es Sie, Herr Minister Müntefering, doch nachdenklich stimmen, dass die größte Bewegung auf dem Arbeitsmarkt bei den Minijobs - ich habe es schon gesagt, es ist in 2006 ein Plus von 90 000 festzustellen - und der Zeitarbeit - hier ist in 2005 ein Plus von 60 000 und in 2006 ein wohl noch höheres festzustellen - stattfindet. Der Mittelstand, den Sie nicht müde werden als Jobmotor zu loben, würde gerne mehr Beschäftigte dauerhaft in den eigenen Unternehmen einstellen. Aber Sie verhindern das, weil Sie sich hinter ideologischen Kopfbrettern verstecken. Insbesondere für die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen ist es wichtig, dass es zu Veränderungen beim Kündigungsschutz kommt. Wann kapieren Sie endlich, dass das, was Arbeitsplatzbesitzern nützt, denjenigen schadet, die gerne auf den ersten Arbeitsmarkt zurückkehren würden? ({4}) Ich finde es unsäglich, wenn jetzt der Wirtschaftsminister nach dem Muster eines türkischen Basars antritt: Ich stimme beim Mindestlohn zu, wenn ihr beim Kündigungsschutzgesetz etwas tut. - Wo leben wir eigentlich? Wenn der Kündigungsschutz ein Problem ist - ich bin davon überzeugt -, dann muss diese Regierung ohne Kompensationsgeschäfte handeln. Das ist ein Auftrag, den die große Koalition zu erledigen hat. ({5}) Zum Schluss möchte ich feststellen, dass Sie, Herr Minister, dabei sind, einen Paradigmenwechsel bei den Lohnnebenkosten zu vollziehen. Im Koalitionsvertrag las sich das noch recht klar: CDU, CSU und SPD stellen sicher, dass die Lohnzusatzkosten ({6}) dauerhaft unter 40 % gesenkt werden. ({7}) Sie werden am Ende dieses Jahres aber immer noch bei 42 Prozent und in 2007 bei 40,6 Prozent liegen, weil Sie bestehende Spielräume zur Absenkung der Gesamtbelastung nicht genutzt haben. Jetzt deuten Sie das Ganze um, indem Sie sagen, das beziehe sich auf den Arbeitgeberanteil von 20 Prozent. Davon war im Koalitionsvertrag keine Rede. Wir werden Ihnen nicht durchgehen lassen, dass Sie hier ähnlich handeln wie bei der Gesundheitsreform, bei der Sie argumentieren: Es wird erstmals nicht zu einer Belastung der Kranken kommen. - Es mag ja sein, dass Sie die Zuzahlungen nicht erhöhen und die Leistungen nicht kürzen. Aber am Ende erhöhen Sie die Beiträge massiv. Das, was Sie hier betreiben, ist eine Form der Volksverdummung. Die Menschen in unserem Lande haben dies längst durchschaut. Dies ist eine Ursache dafür, dass Sie in den Umfragewerten deutlich zurückfallen. ({8}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie die rhetorischen Tricks, machen Sie sich lieber an die Arbeit! Es gibt viel zu tun: beim Kündigungsschutz, beim Tarifvertragsgesetz und bei der Generalrevision des SGB II. Fangen Sie endlich an! Der schöne Sommer und der schöne Herbst 2006 sind vorbei. Es könnte sein - denken Sie an Tante Käthe -, dass Sie sich dann sehr warm anziehen müssen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun hat das Wort die Kollegin Ilse Falk für die CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Ilse Falk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000513, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist schon viel zu den Schwerpunkten des Einzelplans für Arbeit und Soziales gesagt worden. Zu den richtigen Ansätzen lässt sich sehr viel sagen; zu den vermeintlich falschen Ansätzen wird versucht, vieles zu sagen. Die FDP wird gar nicht müde, immer wieder alle ihre Bedenken vorzutragen. Ich kann mich aber nicht des Eindrucks erwehren, dass die FDP, wenn sie an der Koalition beteiligt wäre, ganz anders reden würde. ({0}) Ich erinnere mich nämlich, dass sie kleine Erfolge gut anerkennen und verkaufen konnte. Ich will die Geschichte, die sich heute offensichtlich durch die Debatte zieht - angefangen bei Tante Käthe; jetzt sind wir bei den Seglern -, gerne erweitern. Herr Kolb, Sie haben Pech gehabt. Es gibt nämlich noch weitere Aspekte beim Segeln. Ich weiß das, da ich selber segle. Es ist nicht nur so, dass wir den Himmel aufmerksam danach beobachten, ob Unwetter aufziehen, um rechtzeitig die Segel einzuziehen und das Unwetter abzuwettern. Darüber hinaus beobachten wir auch sehr genau, wann Wind aufkommt. Dann setzen wir die Segel, nehmen volle Fahrt auf und nutzen den Wind und jede Gutwetterlage, um voranzukommen und Strecke zu machen. Genau das tun auch die Regierung und die Koalition. Auf diesem Kurs wollen wir mit voller Fahrt weitersegeln. ({1}) Zurück zum Haushalt des Arbeits- und Sozialministeriums. Es handelt sich hierbei um den größten Einzeletat des Bundeshaushalts. Wir geben gewaltige Milliardenbeträge für die Sozialpolitik aus. Wir wissen, dass die Beitrags- und Steuerzahler diese Beträge finanzieren; wir stehen diesen Menschen gegenüber deshalb in besonderer Verantwortung. Es ist erfreulich, dass wir nach einem Jahr großer Koalition unseren Mitbürgern erste sichtbare Erfolge vermelden können. Die Konjunktur läuft gut; das kann man gar nicht oft genug sagen. Es gibt berechtigte Hoffnungen, dass dieser Trend auch 2007 anhalten wird. Die gute Konjunktur im Zusammenspiel mit den von der großen Koalition in Angriff genommenen Maßnahmen hat sich positiv auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt. Ich verstehe, dass Sie das immer wieder kleinreden wollen, aber die Fakten sprechen nun einmal eine eindeutige Sprache. Die Koalition ist die schwierigen Aufgaben im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik beherzt angegangen und hat bereits eine ganze Reihe von in der Koalitionsvereinbarung vorgesehenen Maßnahmen umgesetzt. Wir sind gut im Plan, werden uns aber natürlich nicht auf den ersten Erfolgen ausruhen, sondern auf dem eingeschlagenen Weg weiter voranschreiten. Obwohl die Zahl der Arbeitslosen erfreulicherweise abnimmt und die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und die der offenen Stellen - das ist ebenso erfreulich - zunimmt, erleben wir im direkten Gespräch in unseren Wahlkreisen, dass ein Großteil der Menschen von Zukunftsängsten geplagt wird. Statt Zuversicht und Optimismus, zu denen die guten Daten Anlass gäben, wachsen Ängste vor Arbeitslosigkeit und in Arbeitslosigkeit. Angst vor Armut, Ausgrenzung, Krankheit und schlechter gesundheitlicher Versorgung werden einerseits in unverantwortlicher Weise geschürt, andererseits aber auch real empfunden. Die Angst, als Versager abgestempelt zu werden - auch von der eigenen Familie - und die gesellschaftliche Anerkennung zu verlieren, lähmen eigene Kräfte. Berichte über diejenigen, die sich jeder Verantwortung entziehen, die keine Bemühungen erkennen lassen, Arbeitsangebote anzunehmen und einzig Aktivitäten entwickeln, wenn es darum geht, den Sozialstaat abzuzocken, verstärken die Ängste, weil wir den Druck auf diese erhöhen müssen und das auch tun werden. Trotz gewaltiger finanzieller Anstrengungen wird unsere Politik von denen, die sie betrifft, immer häufiger als unsozial empfunden, während die anderen, die diese Leistungen mit ihren Steuern und Abgaben erst ermöglichen, unter der immer größeren Last stöhnen. Sprüche wie „Die Armen werden immer ärmer, die Reichen immer reicher“ oder „Kalter Neokapitalismus gegen soziale Hängematte“ verschärfen die gesellschaftlichen Konflikte und befördern soziale Abgrenzungen und Ausgrenzungen. Ich habe die Sorge, dass uns Verallgemeinerungen und Vorurteile die Menschen, für die wir Politik machen, immer mehr aus dem Blick geraten lassen. In dem Bemühen, Entscheidungen nachweisbar zielgenau und damit gerecht zu gestalten, stellen wir immer mehr Vorschriften und Regelungen auf, die uns den Wald vor lauter Bäumen bzw. die Menschen vor lauter Bürokratie nicht mehr sehen lassen. Deswegen will ich diese Debatte nutzen, um den Blick deutlicher auf diejenigen zu richten, die von Arbeitslosigkeit und damit von Arbeitsmarktpolitik betroffen sind. Bis heute ist es uns nicht wirklich gelungen, allen die Sinnhaftigkeit der Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe, die Idee des Förderns und Forderns, als Chance zu vermitteln. An den geschaffenen Strukturen kann es eigentlich nicht liegen. Sie ermöglichen Sicherheit und materielles Auskommen, nicht üppig, wenn ich an den allein stehenden ALG-II-Empfänger denke, aber gut auskömmlich, zum Beispiel für Familien. Eine Familie mit drei Kindern erhält zum Beispiel 1 660 Euro netto plus Krankenversicherung, ohne Zuschlag und Erziehungs- bzw. Elterngeld. Das will mit einem Vollzeitjob erst einmal verdient werden. ({2}) Meine Sorge gilt daher weniger einer möglichen Unterversorgung. Ich frage mich vielmehr, wie wir die Menschen zu mehr Eigeninitiative ermutigen und sie aus freiwilliger oder unfreiwilliger Isolation herausbringen können. Menschen wollen arbeiten. Deshalb kann es nicht darum gehen, Arbeitslose immer besser zu verwalten. Wir sind viel zu lange davon ausgegangen, dass mehr Geld, das heißt eine bessere Versorgung, die beste Antwort ist; damit haben wir den Begriff des Sozialen verknüpft. Das verkauft sich natürlich leichter. Ist den Menschen aber wirklich geholfen, wenn wir die Versorgung über das Eigentliche, über die Vermittlung in Arbeit, stellen? Jeder hat doch den Wunsch, nützlich zu sein - jedenfalls fast jeder. Das vorrangige Ziel muss also weiterhin sein, Menschen Arbeit zu geben. Wer Arbeit hat, steht mitten in der Gesellschaft, gehört dazu. Politik kann keine Arbeitsplätze schaffen; das ist eine Binsenweisheit. Mit guten Rahmenbedingungen und einer wachstumsorientierten Politik kann sie aber sehr wohl die Voraussetzungen dafür schaffen, dass sich Unternehmen erfolgreich am Markt behaupten und Arbeitskräfte einstellen. Wir müssen sicherlich noch eine ganze Menge verbessern, damit das geschieht und damit Unternehmen und Arbeitsuchende noch besser zueinander finden. Wir sind dabei. In der Arbeitsmarktpolitik müssen wir aber auch dafür sorgen, dass diejenigen, die es schwerer haben als andere, eine Chance bekommen. Das gilt zum Beispiel für ältere Menschen, die nach wie vor viel zu früh aus dem Erwerbsleben verdrängt werden, sowie für junge Menschen oder für Menschen mit Handicaps, die häufig gar keine Chance haben, in den Arbeitsmarkt hineinzukommen. Mit der Initiative „50 plus“ oder mit Kombilohnmodellen für unter 25-Jährige können wir diejenigen unterstützen, die bereit sind, sich fortzubilden, neue Aufgaben zu übernehmen, gegebenenfalls auch zu schlechteren Konditionen zu arbeiten. Wir müssen darauf achten, dass das in der Bevölkerung tief verankerte Prinzip, dass sich Leistung lohnen muss, im Handeln der Politik seinen Ausdruck findet. Anreize müssen so gesetzt sein, dass die Arbeit vor der Transferleistung steht. ({3}) Dieses Prinzip liegt unzweifelhaft dem Leitgedanken von Hartz IV, dem Fördern und Fordern, zugrunde. Bereits Ludwig Erhard hat vor dem Wahn des Überversorgungsstaates gewarnt. Auf Hartz IV übertragen, bedeutet das, dass der Staat zwar die Aufgabe hat, das Existenzminimum zu sichern, seine Transferleistungen aber so ausgestalten muss, dass sie nicht kontraproduktiv wirken. ({4}) Unzweifelhaft wirkt Hartz IV individuell sehr verschieden. Es gibt Menschen, die nach langen Jahren der Berufstätigkeit unverschuldet arbeitslos werden und vor der Situation stehen, ihr Vermögen einsetzen zu müssen, bevor sie staatliche Transferleistungen erhalten. Wenn wir dies zu Recht im Interesse derjenigen erwarten, die mit ihren Steuergeldern diese staatlichen Leistungen finanzieren, dann müssen wir aber auch darauf achten, dass keine Situationen eintreten, in denen der Verbleib in der Transferleistung aus Sicht des Betroffenen die ökonomisch sinnvollste Lösung ist, weil er auf dem Arbeitsmarkt kein vergleichbares Einkommen erzielen kann. ({5}) Was ist aber nun mit denjenigen, die sich verzweifelt um Arbeit bemühen und keine bekommen? Sind sie Versager? Werden sie tatsächlich ausgegrenzt und sind weniger wert? Ich finde, ihnen muss unsere besondere Aufmerksamkeit gelten. Ihretwegen müssen wir über die unterschiedlichen Formen von Arbeit reden, um ihnen - auch in anderen Arbeitsfeldern - Perspektiven zu geben. An erster Stelle steht natürlich immer die Erwerbsarbeit, die mit Lohn oder Gehalt entgolten wird und deshalb einen klar messbaren Gegenwert hat. Es gibt aber auch wichtige Aufgaben in der Gesellschaft und für die Gemeinschaft, die ehrenamtlich erfüllt werden, deren Gegenwert - zum Beispiel bei Arbeitslosigkeit - die Grundversorgung sein kann, auf jeden Fall aber Anerkennung und menschliche Nähe. Außerdem denke ich - wie sollte es anders sein - an die Familienarbeit, nicht nur in der jungen Familie, sondern gerade auch in der Fürsorge für diejenigen, die nicht mehr so gut für sich selber sorgen können. Jede Art von Arbeit ist ein wichtiger Beitrag für unsere Gemeinschaft. Jede Arbeit kann Menschen Lebensmut, ein besseres Selbstwertgefühl, Selbstbestätigung und damit Lebenssinn geben. ({6}) Ich denke, wir müssen viel mehr darüber reden, dass Arbeit in allen Bereichen Freude macht und gegenseitige Anerkennung verdient, ob bezahlte oder unbezahlte, ob im so genannten 1-Euro-Job oder einem, der der Ergänzung durch Transferleistungen bedarf. Vielleicht sollten wir auch einmal kritisch über unsere Wortwahl nachdenken. Wenn wir zum Beispiel von zumutbarer Arbeit sprechen, vermittelt das den Eindruck, Arbeit sei eine Zumutung. Menschen erfahren Anerkennung in der Familie, in der Nachbarschaft, im Freundeskreis und am Arbeitsplatz genauso wie durch gemeinnützige Arbeit. Eines ist allen gemeinsam: Sie erfahren Anerkennung durch Menschen. Damit das gelingen kann, bedarf es einiger Voraussetzungen. Ich freue mich deshalb, dass sich die Koalition und die Bundesregierung ihrer Verantwortung bewusst sind und die Menschen in ihren Lebenszusammenhängen in den Blick nehmen. ({7}) Wir fordern den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Wir stärken die Familien und trauen Menschen etwas zu. Wir haben Vertrauen in ihre Fähigkeiten. Die Vermittlung von Lebenskompetenzen und die Eröffnung von Bildungschancen für alle Altersgruppen sind uns ebenso wichtig wie die Stärkung des Bewusstseins ethischer Verantwortung von Führungseliten. Unser Ziel muss es sein, die Leistung des Einzelnen und die Erfahrung gemeinsamer Leistung als Freude zu vermitteln. Es ist nicht einzusehen, warum wir die Begeisterung und Freude über die Fußballweltmeisterschaft nicht in eine gemeinsame, fröhliche Kraftanstrengung für unser Land verwandeln können. Lassen Sie uns daran gemeinsam arbeiten. Segeln wir los! ({8})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Kipping für die Fraktion Die Linke. ({0})

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wo viel Licht ist, da ist auch Schatten. Wer hier nur über eitel Sonnenschein berichtet, der zeigt, dass leider immer noch gilt, was Brecht einst schrieb: Die im Dunkeln sieht man nicht. Wie man mit 345 Euro über die Runden kommen soll, können sicherlich nur die wenigsten von uns nachempfinden. ({0}) Stellen Sie sich vor, Sie müssen zum Zahnarzt und eine neue Zahnfüllung ist notwendig. Die gibt es heute nicht zum Nulltarif. Für uns wäre eine solche Behandlung sicherlich nicht angenehm, aber zumindest finanziell kein Problem. Für Arbeitslosengeld-II-Bezieher hingegen ist eine solche Zahnbehandlung ein enormes finanzielles Problem. Versuchen Sie einmal, von monatlich 345 Euro die entsprechende Summe beiseite zu legen. Die Erwerbslose Anja F. zum Beispiel konnte sich die notwendige Zahnbehandlung nur leisten, indem sie wochenlang extrem beim Essen sparte und eigentlich nur von Brot und Butter lebte. Die Probleme, die mit einem Leben in Armut verbunden sind, sind vielfältig. Ich nenne ein weiteres Beispiel. Vor mehreren Wochen berichtete mir die 23-jährige Kati K. aus Chemnitz von folgendem Problem: Nach ihrer Ausbildung hat sie sich ein ums andere Mal beworben. Da sie aber keinen Führerschein hat, wollte sie niemand einstellen. Nun befindet sie sich in einem Teufelskreis: ohne Führerschein keine Arbeit, ohne Arbeit aber kein Geld und ohne Geld kein Führerschein. Sie fragte mich: Wie soll ich aus diesem Teufelskreis herauskommen? Meine Damen und Herren, was antwortet man einer jungen Frau, die in dieser Situation ist? Solche und ähnliche Fälle kennt sicherlich jeder von uns aus dem eigenen Wahlkreis. Ich glaube, der Umgang damit fällt niemandem richtig leicht. Aber ich frage mich: Wie kompliziert muss diese Situation insbesondere für Sie sein? Denn Sie müssen den Leuten erklären, dass Ihrer Meinung nach 345 Euro im Monat ausreichend sind. Sie müssen den Leuten erklären, warum Sie immer wieder gegen eine Erhöhung der Regelsätze stimmen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass Sie sich dabei gut fühlen. Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie die vielen Betroffenen, von denen Sie in Ihrem Wahlkreis erfahren, in dem Moment vergessen, in dem Sie durch die Pforte des Bundestages gehen. ({1}) Deswegen appelliere ich an Sie: Stellen wir heute genug Geld in den Haushalt ein, um eine Erhöhung der Regelsätze auf mindestens 420 Euro zu ermöglichen! ({2}) Wie Sie wissen, bin ich der Überzeugung: Das, was wir eigentlich brauchen, ist eine soziale Grundsicherung, die jedem Menschen ein Leben jenseits von Armut ermöglicht. 420 Euro sind wirklich das Mindeste, was ein Mensch im Monat braucht. Einige von Ihnen werden einwenden, unsere Forderung sei erstens populistisch und zweitens nicht finanzierbar. Den Vorwurf des Populismus kennen wir; er ist nicht besonders originell. ({3}) Interessanter hingegen ist die Frage der Finanzierbarkeit. Der Bundesrechnungshof hat erst vor kurzem kritisiert, dass nur 15 Prozent der Einkommensmillionäre überhaupt überprüft werden, und das, obwohl jede Überprüfung für den Staat Mehreinnahmen in Höhe von mehr als 100 000 Euro bringt. So großzügig und nachsichtig sind wir, wenn es um die wirklich Reichen in diesem Land geht. ({4}) Können Sie den Leuten angesichts solcher Meldungen eigentlich noch in die Augen schauen, wenn Sie behaupten, dass eine Erhöhung des Regelsatzes beim Arbeitslosengeld II nicht finanzierbar ist? Wenn wir als Linksfraktion mehr Geld für die Armen fordern, dann sagen Sie immer, das sei nicht finanzierbar. Gleichzeitig arbeiten Sie jedoch an einer Unternehmensteuerreform, die unseren Staat in Zukunft jedes Jahr 10 Milliarden Euro kosten wird. ({5}) Was heißt das? Das bedeutet, dass wir uns in Zukunft jedes Jahr Geschenke an die Unternehmen in einer Größenordnung von 10 Milliarden Euro leisten. An dieser Stelle haben Sie allerdings noch nie die Frage gestellt: Wie soll man die Unternehmensteuerreform finanzieren? Ich schlage Ihnen vor: Verzichten wir auf die Unternehmensteuerreform - sie führt sowieso nicht zu mehr Arbeitsplätzen - und finanzieren wir mit dem dadurch frei werdenden Geld die Aufstockung der Regelsätze beim Arbeitslosengeld II. ({6}) Vielleicht werden einige von Ihnen gegen unsere Forderung einwenden, man könne die Regelsätze nicht anheben, weil sich die Leute dann in der Arbeitslosigkeit einrichten. ({7}) Ich allerdings denke: Solange wir als Bundespolitiker nicht in der Lage sind, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass jeder, der verzweifelt einen Arbeitsplatz sucht, einen Arbeitsplatz bekommt, dürfen wir nicht mit dem Finger auf Leute zeigen, die vielleicht resigniert haben, weil sie sich schon oft erfolglos beworben haben. ({8}) Da ich aber glaube, dass Sie tatsächlich der Überzeugung sind, die Leute würden es genießen, den ganzen Tag Feierabend zu haben, möchte ich Sie mit der Aussage einer jungen Erwerbslosen konfrontieren. Sie sagte: Das glaubt uns Arbeitslosen zwar niemand, aber keinen Job zu haben, ist verdammt anstrengend. Man will raus aus dieser Situation, kann es aber nicht. Man spürt, was die anderen über einen denken, und das tut weh. Wer einen Job hat, hat wenigstens irgendwann Feierabend. Wer aber verzweifelt einen Job sucht, der wird diesen Druck nie los. In dieser Situation hat man faktisch niemals Feierabend. ({9}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass Sie Anträgen der Linksfraktion eher selten zustimmen. Aber ich finde, in diesem Fall sollten Sie einmal über Ihren Schatten springen. Wenn Sie dem Änderungsantrag meiner Fraktion, mehr Geld für das Arbeitslosengeld II in den Haushalt einzustellen, heute zustimmen, dann machen Sie das nicht, weil Sie uns einen Gefallen tun wollen. Wenn wir heute die Voraussetzungen für eine Anhebung der Regelsätze beim Arbeitslosengeld II schaffen, dann tun wir das nur, um die Arbeitslosigkeit und Armut für Menschen wie Anja F. und Kati K. etwas erträglicher zu machen. Es geht nicht um Luxus. Es geht nur darum, die Situation für die Betroffenen etwas erträglicher zu gestalten. Dazu sollten wir alle gemeinsam Ja sagen. Besten Dank. ({10})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort hat nun die Kollegin Dr. Thea Dückert für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Lehn, ich will Ihnen zum Anfang meiner Rede mitteilen: Meine Tante heißt nicht Käthe, sondern Gerda. Deswegen kann ich hier ganz neidlos feststellen: Ja, es ist richtig, dass die Situation in diesem Jahr besser ist als vor einem Jahr, ({0}) dass die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse zugenommen hat und dass sich die Situation bei der Bundesagentur für Arbeit, wie Herr Müntefering zu Recht bemerkt hat, schon seit zwei Jahren zunehmend entspannt hat. Der Abbau der Arbeitslosigkeit ist gut für die Betroffenen. Die Entspannung bei der Bundesagentur für Arbeit hat aber sicherlich auch etwas mit den schwierigen Reformen der letzten Jahre, den Hartz-Reformen, zu tun. ({1}) Man sollte aber auch feststellen, dass Sie dazu neigen, diesen Aufschwung als Alibi fürs Nichtstun zu benutzen. Mit der beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung beschwören Sie die große Gefahr einer Delle in der Konjunkturkurve herauf, die Sie zu verantworten haben werden. Zudem wird dann möglicherweise auch die Beschäftigungsschwelle wieder sinken, worauf Herr Kolb zu Recht hingewiesen hat. Das ist eine vertane Chance für Deutschland. ({2}) Ich weiß, dass Sie so etwas nicht gerne hören - das ist ja klar -, weder die Kritik vom Sachverständigenrat noch die Kritik aus der Opposition. Vielleicht sollten Sie im Nebel des Eigenlobs und vielleicht auch des Hochmutes zumindest darauf hören, was die Wählerinnen und Wähler sagen: Die große Koalition befindet sich im Stimmungstief. Vor einem Jahr haben 60 Prozent der Wählerinnen und Wähler gesagt: Eine große Koalition ist gut. Heute sagen das gerade einmal 36 Prozent. Das ist kein Zeugnis von der Zunahme von Vertrauen, sondern von dem Verspielen von Vertrauen in diesem Land. ({3}) Sie reden sich hier vieles schön; doch Sie setzen sich mit den realen Problemen nicht auseinander. Deshalb verwundert die Enttäuschung der Wählerinnen und Wähler nicht. In der Arbeitsmarktpolitik haben wir einen weiteren Geburtstag zu feiern: den Geburtstag einer Arbeitsgruppe, die sich seit einem Jahr mit der Arbeitsmarktpolitik beschäftigt. Vorgelegt hat sie noch nichts. Ich verstehe das auch. Denn diese Arbeitsgruppe hat genau das zu bewältigen, was der Sachverständigenrat mit „widerstreitenden Interessen“ beschreibt. Was wird denn kommen? Sie, Herr Minister, sprachen vom Mindestlohn. Ich kann Sie da nur unterstützen. ({4}) Was wird kommen? Der Mindestlohn von flächendeckend 7,50 Euro, den die Gewerkschaften fordern, oder der branchenbezogene Mindestlohn, den wir vernünftig finden, oder gar keiner, wie es Ihr Koalitionspartner will? Was wird denn für die Geringqualifizierten mit niedrigem Einkommen kommen? Ein Kombilohn, flächendeckend? Wissen Sie, Herr Müntefering, wovor ich Angst habe? Dass Sie in diesem Konflikt der widerstreitenden Interessen, bei dem die Ansätze der Sozial- und der Arbeitsmarktpolitik nicht zusammenpassen, über diese Arbeitsgruppe letzten Endes so etwas wie ein Gesundheitsfondue vorbereiten. Sie verschleiern die Gefährlichkeit der Problematik, die man hier zu lösen hat. Mit den Konzepten, die Ihr Koalitionspartner präsentiert, laufen Sie Gefahr, ein Lohndumping zu finanzieren. Unser Problem in Deutschland ist nicht die Lohnhöhe, sondern sind die Lohnnebenkosten. ({5}) Deswegen: Nehmen Sie das, was erwirtschaftet ist, zur Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung! Konzentrieren Sie es auf die Bezieher kleiner, niedriger Einkommen! Setzen Sie das Progressivmodell um, das wir Ihnen vorschlagen. Denn durch die Senkung der Beiträge für Bezieher kleiner Einkommen und damit der Lohnnebenkosten erzielt man den größten Beschäftigungseffekt. ({6}) Im gesamten Bereich der Arbeitsmarktpolitik bleiben Sie Antworten schuldig, obwohl Sie im Moment große Reformchancen haben. Was machen Sie stattdessen? Frau Hajduk hat darauf hingewiesen: Sie führen hier eine unselige Debatte. Sie ist unselig vor dem Hintergrund, dass wir in Deutschland eine Fortführung der Sozialreformen brauchen, bei denen der Generationenkonflikt und die demografische Entwicklung wirklich berücksichtigt werden. Sie lassen Robin Rüttgers durch die Lande reiten ({7}) und verbreiten hier ein Modell, das letzten Endes nicht zur Verankerung von mehr Gerechtigkeit, sondern erstens zur Aushöhlung der sozialen Sicherungssysteme - ich spreche hiermit die Arbeitslosenversicherung an, die eine Risikoversicherung darstellt - und zweitens zu Regelungen führen wird, die gegen die Jungen, die Frauen und die Menschen aus den neuen Bundesländern gerichtet sind. ({8}) Das ist das Gegenteil von Gerechtigkeit und einer klugen Arbeitsmarktpolitik, mit der Konzepte gegen und nicht für die Frühverrentung entwickelt werden müssen. Im Übrigen empfehle ich Ihnen, die sehr interessante Rede von Herrn Köhler zum Sozialstaat nachzulesen. Dann werden Ihnen vielleicht einige Schuppen von den Augen fallen. ({9}) Herr Müntefering, zum Abschluss möchte ich noch zwei Dinge erwähnen, die mich aufgrund Ihrer sozialdemokratischen Brille sehr gewundert haben: Erster Punkt. Herr Glos hat gesagt, die Glaubwürdigkeit der Regierung werde daran gemessen, ob die Sozialabgaben unter 40 Prozent sinken. Im nächsten Jahr werden sie wahrscheinlich bei 40,6 Prozent liegen. Diese Hürde wird also deutlich gerissen. So viel zur Glaubwürdigkeit. Herr Müntefering, interessant ist aber, dass ein sozialdemokratischer Arbeitsminister hier stolz darauf verweist, dass die Arbeitnehmer den größeren Batzen dieser 40,6 Prozent zu tragen haben werden und dass der Anteil der Arbeitgeber bei unter 20 Prozent liegen wird. Das verwundert mich sehr. Zweiter Punkt. Sie haben offensichtlich vergessen, wie die Überschrift einer guten Arbeitsmarktreform lauten muss. Es muss nämlich einen Gleichklang zwischen Fördern und Fordern geben. Sie haben hier stolz darauf verwiesen, dass im Eingliederungstitel veranschlagte Mittel nicht nur gesperrt, sondern ganz eingespart werden, dass also das Fördern zu kurz kommt und diese Mittel für die Langzeitarbeitslosen nicht ausgegeben werden. Ich möchte insbesondere Sie Sozialdemokraten an eine Sache erinnern: Es war immer richtig, als Ziel zu formulieren, ({10}) Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren zu wollen. Deswegen ist es grottenfalsch, dass Sie den Eingliederungstitel mit diesem Haushalt nicht zum Fördern nutzen, sondern für passive Leistungen nutzbar machen. Kehren Sie an dieser Stelle um und unterstützen Sie unseren Antrag, mit dem wir genau den anderen Weg gehen wollen, nämlich das Fördern von Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen. ({11})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

Dr. Thea Dückert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003071, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich komme zum Schluss. - Wenn Sie dies beherzigen und nicht auch noch die Zuverdienstmöglichkeiten streichen, dann werden Sie, Herr Müntefering, mehr Arbeit schaffen und nicht zum König der Schwarzarbeit werden. ({0})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Das Wort hat nun der Kollege Max Straubinger für die Fraktion der CDU/CSU. ({0})

Max Straubinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002812, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass wir heute bei der Beratung des Haushalts des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales feststellen können, dass die soziale Sicherung der Menschen bei dieser Bundesregierung unter Angela Merkel und Franz Müntefering in guten Händen liegt. ({0}) Der heute zu beratende Einzelplan hat den größten Anteil am Gesamthaushalt. Ich glaube, bei dieser Gelegenheit sollte man durchaus auch vermerken, dass Sozialpolitik in Deutschland nicht nur mit dem Haushalt dieses Ministeriums, sondern auch mit dem Haushalt des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und mit dem Haushalt des Ministeriums für Gesundheit betrieben wird. Das bedeutet, dass der sozialen Sicherung der Menschen in Deutschland auf unterschiedlichste Art und Weise über 50 Prozent der 270 Milliarden Euro zugute kommen. Dies ist meines Erachtens eine großartige und gute Nachricht, die vor allen Dingen durch die gute gemeinsame Politik der CDU/CSU und der SPD untermauert wird. Wenn wir uns heute über viele gute Zahlen freuen können - was die Oppositionsparteien als Schönreden bezeichnen, weil sie sich über positive Zahlen offensichtlich nicht freuen können; ({1}) dabei kann nicht alles in einem Jahr erreicht werden, was im Regierungsprogramm auf vier Jahre angelegt ist -, so bedeutet dies für die Menschen in Deutschland auch, dass sie mit Mut und Zuversicht in die Zukunft blicken können, weil es mehr Arbeit geben wird. Die wirtschaftliche Lage und die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben sich unter dieser Regierung verbessert und werden sich noch weiter verbessern, wozu auch dieser Bundeshaushalt und insbesondere der Haushalt für Arbeit und Soziales beitragen wird. Deshalb ist es für mich durchaus bemerkenswert, dass wir mit den Arbeitsmarktreformen, die wir im vergangenen Jahr eingeleitet haben - dazu zählen das SGB-IIFortentwicklungsgesetz, die Änderungen der Hartz-IVGesetze und dergleichen mehr -, positive Wegmarken für mehr Arbeit und Beschäftigung und bessere Zukunftschancen der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland gesetzt haben. ({2}) Das heißt aber nicht - Bundesminister Franz Müntefering hat bereits darauf hingewiesen -, dass wir uns auf den Erfolgen ausruhen sollten; wir müssen vielmehr neue Aufgaben angehen. Besonders entscheidend bei den Arbeitsmarktreformen ist, dass Menschen wieder in Arbeit kommen. Einen Teil der von den beiden Koalitionsfraktionen getragenen Regelungen werden wir überprüfen und sicherlich ändern müssen, weil viele ALG-IIEmpfänger für sich entschieden haben, dass das ALG II für ihr persönliches Auskommen ausreichend ist, wenn sie noch ein bisschen hinzuverdienen. Es muss aber die umgekehrte Reihenfolge gelten: Zuerst kommt die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger, selbst für Arbeit und Brot zu sorgen. Erst dann kommt die soziale Unterstützung in unserem Land. Das bedeutet, dass wir im Bereich der Hinzuverdienstregelungen neue Wege beschreiten müssen. ({3}) Dieser Haushalt ist auch hinsichtlich der Unterstützung für die Kommunen - darüber freue ich mich besonders, weil ich auch Kommunalpolitiker bin - etwas Besonderes. Dass der Bund die Kommunen mit 4,3 Milliarden Euro für Kosten der Unterkunft unterstützt, bedeutet letztlich, dass die Haushalte in unseren Kommunen wieder zukunftsfest gestaltet werden können ({4}) - das gilt jedenfalls für die bayerischen Kommunen, lieber Kollege Kampeter - und damit die kommunalen Haushalte in die Lage versetzt werden, Zukunftsaufgaben wahrzunehmen und Zukunftsinvestitionen zu tätigen, die mehr Arbeit und Beschäftigung für die Menschen in Deutschland bedeuten. ({5}) Unter diesem Gesichtspunkt schätze ich die Unterstützung des Bundes hoch ein. Ich glaube, das ist ein Erfolg für alle Kommunalpolitiker in unserem Lande und vor allen Dingen auch für die Bundestagsabgeordneten, die sich besonders der Kommunalpolitik annehmen und ihr verpflichtet fühlen. Gleichwohl gibt es in diesem Bereich auch eine zukünftige Verantwortung für den Bund und den Bundeshaushalt. Was die Entwicklung bei der Grundsicherung angeht - seit 2003 hat die Zahl der Fälle um 43 Prozent zugenommen; die Unterstützungsleistungen im Bereich der Kosten der Unterkunft sind aber seitdem unverändert geblieben -, ist es aufgrund der getroffenen Vereinbarungen durchaus auch die Aufgabe der Bundesregierung, Herr Bundesminister, zusätzliche Unterstützung bei der Wahrnehmung der kommunalen Aufgaben zu leisten. Ich bin überzeugt, dass wir zu verantwortungsvollen Lösungen kommen werden. Ein Bereich, der sicherlich auch zukünftig große Bedeutung hat, ist die Rentenpolitik. Eines der großen und wichtigen Ziele in der Rentenpolitik dieser großen Koalition ist die Verlässlichkeit, damit sich die Bürgerinnen und Bürger auf die Rentenzahlungen und auch auf die Höhe der Renten verlassen können. Wir sorgen dafür, dass die Renten nicht gekürzt werden. Ich danke dem Bundesminister, dass wir heuer das Gesetz verabschiedet haben, das den Rentnern und Rentnerinnen Sicherheit bietet. Darüber hinaus schaffen wir mit der geplanten Anhebung des Beitragssatzes in der Rentenversicherung auf 19,9 Prozent Planungssicherheit bis 2010 insbesondere für die Betriebe. ({6}) Es ist entscheidend, das Projekt „Rente mit 67“ mit Fortune anzugehen. Sicherlich sehen die Bürgerinnen und Bürger darin eine Belastung. Aber wir müssen der demografischen Entwicklung positiv gegenüberstehen. Wenn die Lebenserwartung in Deutschland ständig steigt, dann ist das positiv für die Menschen in unserem Land und ein Zeichen für Leistungsfähigkeit. Das beste Beispiel dafür ist unser Bundesminister Franz Müntefering, der nächstes Jahr, wenn er 67 wird, nicht in Rente gehen wird, sondern die Bundesregierung weiterhin tatkräftig unterstützen wird. ({7}) Wenn wir bis 2029 das Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre anheben, betreiben wir eine verantwortungsbewusste Politik gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern. Sie können sich aufgrund dieses langen Übergangszeitraums mit Zusatzversorgungen wie Riesterrente, betrieblicher Altersvorsorge und Rüruprente darauf einstellen. Eine unserer Aufgaben ist aber auch, bewusst zu machen, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr für die Absicherung von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit aufwenden müssen. Das müssen wir vielleicht stärker in das Blickfeld rücken, wenn es darum geht, die privaten Sicherungssysteme zu stärken. Vielfach wurde insbesondere von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, zum Ausdruck gebracht, dass die sozialen Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger angeblich zu gering seien. Sie haben den Änderungsantrag gestellt, das Arbeitslosengeld II auf 420 Euro zu erhöhen, nach dem Motto „Wer bietet mehr? Wer ist der Sozialste in unserem Land?“. ({8}) Das darf nicht so stehen bleiben. Wir betreiben - das ist das Entscheidende - eine Sozialpolitik nach der Leistungsfähigkeit unserer Bürgerinnen und Bürger, die tagtäglich die Beiträge bzw. die Steuermittel zu erarbeiten haben. Hier dürfen wir die Generationengerechtigkeit nicht aus den Augen verlieren. ({9}) Es ist sicherlich einfach, mehr Leistungen zu versprechen und die Kosten den zukünftigen Generationen aufzubürden. Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, Ihre Politik würde letztendlich dazu führen, dass die Belastungen in die Zukunft verschoben werden. Unsere Kinder sollen nach Ihren Vorstellungen für die Lasten zahlen, die wir ihnen heute auferlegen. Das ist keine verantwortungsbewusste Politik im Sinne der Generationengerechtigkeit. ({10}) Sie fordern zudem eine Aussetzung der geplanten Unternehmensteuerreform. Dies ist nichts anderes, als ob man einem Bauern empfehlen würde, sein Saatgut zu verbrauchen; denn die Unternehmensteuerreform, die der Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland dient, ist letztendlich die Saat dafür, dass wir mehr Arbeitsplätze in unserem Land haben und damit den Menschen mehr Zukunftschancen geben und - darauf aufbauend - soziale Sicherheit für die Menschen schaffen, die sich selbst nicht helfen können. In diesem Sinne werden wir unsere Arbeit fortsetzen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({11})

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000825

Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Klaus Brandner für die SPD-Fraktion. ({0})

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der heutigen Debatte muss offenbar jeder den Namen seiner Tante mitteilen. Meine Tante hieß Elli. Sie hätte sich sehr gefreut, wenn sie die Daten, über die wir heute sprechen, zur Kenntnis genommen hätte: ({0}) zurückgehende Arbeitslosigkeit, höhere Steuereinnahmen, ein gutes wirtschaftliches Wachstum, Zunahme der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Der Bundesminister Müntefering und andere haben auf diese guten Daten und Nachrichten hingewiesen. ({1}) - Herr Kolb, wir haben entsprechende Erfolge aufzuweisen. Das sollten Sie sich merken. Wir reden heute nichts schön, sondern wir sagen ganz deutlich, wie die Verhältnisse sind und wo wir noch Bedarf sehen, etwas zu ändern. Wir ruhen uns nicht aus. Wir freuen uns natürlich, dass wir endlich einen Haushalt haben, der nicht auf Kante genäht ist. Das ist gerade für die Sozialversicherung wichtig, die in unserem Haushalt den größten Ausgabeposten darstellt. Deshalb sage ich ganz deutlich mit Richtung auf die FDP: Der Haushalt ist kein Haushalt der Risiken, sondern ein Haushalt der Chancen. Die Rentenversicherung hat Mehreinnahmen aufgrund höherer Einkommen. Sie könnten noch höher sein, Herr Kolb, wenn Leute wie Sie nicht dauernd sagen würden, die Löhne in diesem Land seien zu hoch. Die Rentenversicherung hat auch deshalb Mehreinnahmen, weil die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist. ({2}) Die Arbeitslosenversicherung verzeichnet ebenfalls höhere Einnahmen, weil die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist und die Löhne gestiegen sind. Wir haben deutlich weniger Ausgaben, weil weniger für den Bezug von Arbeitslosengeld ausgegeben werden musste. Insgesamt gesehen haben wir also eine überaus positive Situation, die das Ergebnis einer verlässlichen Politik ist und die deutlich macht, dass sich die Reformen, die mit Mut angegangen worden sind und die in die Zukunft gerichtet sind, ausgezahlt haben. ({3}) Das kann uns freuen, weil sich damit Kontinuität auszahlt. Ich bin froh darüber, dass die Verunsicherung in den sozialen Sicherungssystemen endlich beendet ist. Stabilität und Vertrauen sind die Basis für mehr Sicherheit und das brauchen wir. ({4}) Die Sozialabgaben sind - Herr Kolb, da sollten Sie sich an Ihre eigene Nase fassen - während der Zeit, als Sie mitregiert haben, deutlich in die Höhe geschossen. ({5}) Sie haben allen Grund dazu, ganz still zu sein, sich hinzusetzen und zuzuhören. ({6}) - Nein, Herr Kolb, ich möchte den Sachverhalt vortragen. ({7}) - Gar nicht schade, Sie hatten Gelegenheit genug, zu dem Thema zu sprechen. - Die Senkung der Sozialabgaben auf 40 Prozent, die wir in unserem Koalitionsvertrag angestrebt haben, ist erreicht. Im nächsten Jahr wird der Rentenversicherungsbeitrag bei 19,9 Prozent ({8}) und der Arbeitslosenversicherungsbeitrag bei 4,2 Prozent liegen. Selbst dann, wenn eine Erhöhung des Beitrags zur gesetzlichen Krankenversicherung um 0,6 Prozentpunkte einkalkuliert wird, bleiben wir unter 40 Prozent. Ich beispielsweise bin gesetzlich krankenversichert bei der IKK, einer handwerklichen Krankenversicherung. Ich werde einen Beitrag von 13,9 Prozent zahlen müssen und zusätzlich 1,7 Prozent für die Pflegeversicherung. In der Summe komme ich damit auf 39,7 Prozent. Das ist weniger als 40 Prozent, was keiner in diesem Hause bestreiten kann. Insofern sind wir ein entscheidendes Stück vorangekommen. Das ist ein wichtiges Signal und das bedeutet auch, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land mehr Geld in ihren Taschen haben. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. ({9}) Ich möchte in diesem Zusammenhang betonen, dass auch bei einer Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung um 2,3 Prozentpunkte die Finanzierung der Bundesagentur für Arbeit aus unserer Sicht längerfristig gesichert ist. Die Bundesagentur für Arbeit verzeichnet einen Überschuss von über 10 Milliarden Euro. Herr Kolb hat gerade gesagt - da sieht man, wie er in der Debatte mit Daten umgeht -, dieser Überschuss sei nur wegen des gravierenden Vorzieheffekts zustande gekommen. ({10}) 3,4 Milliarden Euro gründen sich auf den Vorzieheffekt, da hat er Recht. Der Überschuss aber wird mehr als 10 Milliarden Euro betragen. Für jeden ist offensichtlich, was mehr Gewicht hat. Der Überschuss ist so bedeutend, dass auch Herr Kolb wissen sollte: Hier ist ein guter Weg beschritten worden; die Arbeitslosenversicherung wird langfristig entlastet. Das ist eine Gewähr für eine langfristige Beitragssatzsenkung. Das ist ein Erfolg für die Bundesagentur für Arbeit. An dieser Stelle möchte ich ganz deutlich sagen, dass ich dabei nicht nur dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur danken möchte. Ich glaube, wir haben allen Grund, für diesen erfolgreichen Umbau der Bundesagentur für Arbeit den Mitarbeitern, dem Vorstand, dem Personalrat - allen aus diesem Haus, die mitgeholfen haben, eine fast totgesagte Mammutbehörde zu einer modernen leistungsfähigen Dienstleistungseinrichtung umzubauen -, einen großen Dank auszusprechen. Nur mit ihrer Mithilfe ist es gelungen, dass die Bundesagentur wieder in einem guten Licht dasteht und auf einem guten Weg ist, Dienstleistungen für diejenigen zeitnah und qualifiziert zur Verfügung zu stellen, die dieser Dienstleistung bedürfen. ({11}) In dem Zusammenhang möchte ich einen kritischen Hinweis anbringen: Die Bundesagentur hat ohne Frage auch einen sozialpolitischen Auftrag. Dieser zeigt sich insbesondere in der Qualifizierung der Langzeitarbeitslosen. Ja, wir sind für mehr Effizienz, aber über dem betriebswirtschaftlichen Denken darf nicht der sozialpolitische Auftrag der Bundesagentur vernachlässigt werden. Beitragssatzsenkungen dürfen nicht zulasten der Weiterbildung gehen. Wir sind deshalb ganz deutlich der Meinung, dass hier noch ein Stück nachgesteuert werden muss. Als Gesetzgeber können wir durch eine bessere Systematisierung des Aussteuerungsbetrages unseren Beitrag leisten. Denn die Forderung muss sein: Wir müssen mehr Anreize für mehr Weiterbildung setzen. Wir jedenfalls wollen den Aussteuerungsbetrag qualitativ weiterentwickeln. Wir wollen, dass potenzielle Langzeitarbeitslose - ich spreche hier ganz bewusst nicht von Betreuungskunden, sondern von potenziellen Langzeitarbeitslosen - frühzeitig längerfristige Maßnahmen erhalten können. Meine Damen und Herren, dieser Vorschlag ist wichtig, weil er zu einer besseren Vernetzung von Arbeitslosenversicherung und Grundsicherung zugunsten der Arbeitsuchenden beiträgt. Ich meine konkret, der Bund sollte bei den Teilnehmern von Umschulungen im Rahmen der Förderung beruflicher Weiterbildung auf die Zahlung des Aussteuerungsbetrages immer dann verzichten, wenn es um eine komplett abgeschlossene Weiterbildungsmaßnahme geht. Ich finde, das wäre zeitgemäß und angebracht. ({12}) Die Chancen potenzieller Arbeitsloser auf dem Arbeitsmarkt sind natürlich umso besser, je früher sie in eine gute Ausbildung oder eine gute Qualifizierung kommen. In diesem Zusammenhang hat Kollegin Falk das Stichwort „Arbeitsmarkt für Leistungsgeminderte“ gebracht; manche sprechen auch vom dritten Arbeitsmarkt. Ich möchte bewusst nicht vom dritten Arbeitsmarkt sprechen, weil das Bild des dritten Arbeitsmarktes diese Personengruppe, die wir auch mit den besten arbeitsmarktpolitischen Instrumenten zurzeit nicht erreichen, nichts anderes als stigmatisieren würde. Ich sage deshalb ganz offen: Wir brauchen eine Jobperspektive, wir brauchen Arbeit für Langzeitarbeitslose ohne Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt. Das ist eine Angelegenheit, der wir uns jetzt annehmen, weil es ein Herzensanliegen von uns ist. Ich habe dieses Thema systematisch angesprochen, weil ich davon überzeugt bin, dass wir nicht hinnehmen dürfen, dass der Personenkreis, der ohne eine gesonderte Aktivität keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat, einfach links liegen gelassen wird. Wir müssen für diesen Personenkreis Chancen organisieren. ({13}) Wer damit begonnen hat - wir haben damit systematisch begonnen, ({14}) andere haben anschließend unsere Anträge abgeschrieben -, ({15}) ist mir völlig wurscht. Wir meinen, es sollte ein Rennen um die bessere Perspektive stattfinden. Wichtig ist, dass sich auf diesem Gebiet etwas tut. Der Bundesminister hat das in der entsprechenden Arbeitsgruppe zum Thema gemacht. Ich bin davon überzeugt, dass wir eine angemessene Lösung finden werden. Meine Damen und Herren, nun zu der Debatte über die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes. Ich meine, wir müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Ich finde, Frau Falk hat dazu mit eindrucksvollen Worten die Thematik noch einmal aus einer anderen Sicht beleuchtet. Sie hat davon gesprochen, welche Ängste und Sorgen um den Arbeitsplatz bei vielen Älteren einfach vorhanden sind. Sie hat auch Recht, dass wir hierfür nachhaltige Konzepte brauchen, keine Vorschläge, die diese Zukunftsängste der Menschen noch mehr schüren. Was wir schon gar nicht brauchen, sind Vorschläge, die die Gesellschaft spalten. ({16}) Ein Spalten in Jung und Alt, in gute und schlechte Arbeitslose, in Ost und West, in Menschen mit gebrochenen Erwerbsbiografien und ohne gebrochene Erwerbsbiografien, das brauchen wir nicht. Was wir brauchen, ist ein solidarisches Miteinander und kein Gegeneinander. Deswegen lehnen wir die Vorschläge nach Aufspaltung der Arbeitslosenversicherung in eine Ansparversicherung ab. ({17}) Wenn in diesem Zusammenhang von Verunsicherung die Rede ist, will ich klar sagen: Diese Verunsicherung ist durch die Globalisierung - ich verweise auf die gesamte bisherige Arbeitsmarktsituation - real vorhanden. Ich glaube nicht, dass wir den Menschen die Angst vor dieser Verunsicherung dadurch nehmen, dass wir für weniger Kündigungsschutz, weniger Betriebsräte, weniger Mitbestimmung und mehr betriebliche Bündnisse sorgen. Wir nehmen den Menschen die Angst, wenn wir es schaffen, ihnen eine berufliche Perspektive zu geben. Das muss unser Ziel sein. ({18}) Man darf es wohl als einen ganz besonderen Vorgang bezeichnen, wenn sich der Bundespräsident in eine so aktuelle Angelegenheit einmischt. Da, wo er Recht hat, hat er nun einmal Recht. Er hat festgestellt, das Arbeitslosengeld sei eine Risikoversicherung und damit „ein Bollwerk gegen Notfälle“. ({19}) Der Bundespräsident sagte weiter: Der Vorschlag, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes nach Einzahlungszeit zu staffeln, schwächt das Versicherungsprinzip und damit eine zentrale zivilisatorische und soziale Errungenschaft zur Schaffung von Sicherheit in modernen Gesellschaften. Dies ist eine im Kern völlig korrekte Aussage, der wir uns voll anschließen können. ({20}) Er fügt hinzu: Wir müssen uns auf die eigentliche Hauptaufgabe konzentrieren: Arbeit schaffen, das ist die wichtigste Form sozialer Gerechtigkeit. Das kann man, so meine ich, nur unterstreichen. ({21}) Mir tun diejenigen Leid, die in dieser Situation im Geleitzug von einigen, die Sozialspaltung und Populismus betreiben, ihr Süppchen kochen wollen. Ich bin noch nie vor der Verantwortung weggelaufen und sage ganz deutlich: Wir haben eine Risikoversicherung, die im Falle eines Arbeitsplatzverlustes eine umfassende Leistung darstellt. Diese Leistung sollten wir den Jüngeren und denen, die größeren Risiken ausgesetzt sind, nicht einfach nehmen oder kürzen. Da können wir nicht mitmachen. Deshalb lehnen wir eine solche Regelung eindeutig ab. Wir bevorzugen eine nachhaltige und verlässliche Politik anstelle eines einfachen Sozialpopulismus.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Brandner, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir müssen erkennen, wie wir mit den Ängsten der Menschen am besten umgehen. Das ist nicht durch einzelne Maßnahmen, zum Beispiel mit der Verlängerung der Bezugsdauer um sechs Monate, getan. Was wir dringend brauchen, ist mehr Beschäftigung, insbesondere für die Älteren. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen Kolb.

Dr. Heinrich L. Kolb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001171, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Brandner, ich hatte mich zu einer Zwischenfrage gemeldet - Sie haben sie leider nicht zugelassen -, weil ich die Frage nach Ihrer Glaubwürdigkeit stellen wollte. Was die Zukunft der Rentenversicherungsbeiträge anbelangt, sind Sie ganz eindeutig in der Verantwortung. Auch heute haben Sie wieder gesagt: Der Beitragssatz in der Rentenversicherung steigt auf 19,9 Prozent und das war’s; es werden mittelfristig keine weiteren Erhöhungen erforderlich sein. Wer soll Ihnen das glauben? Sie haben bei der Verabschiedung des Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetzes im Jahre 2004 gesagt: Der Rentenversicherungsbeitrag wird bis zum Jahre 2010 bei 18,6 Prozent verharren. - Im Sommer 2005, als es um die Einführung des 13. Monatsbeitrages ging, haben Sie gesagt: Es wird 2006/2007 bei einem Beitrag von 19,5 Prozent bleiben können; danach werden es 19,6 Prozent sein. Jetzt erhöhen Sie trotz guter Kassenlage der Rentenversicherung den Beitragssatz auf 19,9 Prozent. Wer soll Ihnen glauben, dass es in absehbarer Zeit nicht zu weiteren Erhöhungen kommt, zumal im Rentenversicherungsbericht 2006 vier von neun beschriebenen Szenarien für die Entwicklung bis 2010 von der Notwendigkeit einer weiteren Beitragserhöhung ausgehen? Der zweite Punkt, den ich Ihnen ins Stammbuch schreiben muss: Sie bereiten hier einen Paradigmenwechsel vor. Sie wollen von der Politik der Senkung der Lohnnebenkosten Abstand nehmen. Klartext: Das war’s. Mit weniger als 20 Prozent für die Arbeitgeber soll es sein Bewenden haben, weiterer Handlungsbedarf besteht nicht. Dazu muss man Ihnen sagen: Hier verstoßen Sie klar gegen Ihren Koalitionsvertrag, in dem es heißt: dauerhafte Senkung der Lohnnebenkosten - in Klammern steht da: Sozialversicherungsbeiträge - unter 40 Prozent! Zu den Sozialversicherungsbeiträgen muss man alles zählen; das ist nicht, wie Sie uns neulich im Ausschuss erzählen wollten, unter Ausschluss des Pflegeversicherungsbeitrags und unter Vernachlässigung des Zusatzbeitrags, den die Arbeitnehmer zur Krankenversicherung allein zu zahlen haben, zu verstehen. Das können Sie doch einräumen. Geben Sie hier wenigstens offen zu, dass Sie diesen Paradigmenwechsel betreiben, und reden Sie nicht um den heißen Brei herum! ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Brandner, bitte. ({0})

Klaus Brandner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003053, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Was Herr Kolb gerade gesagt hat, ist ein typisches Beispiel von Tante Käthe. Im Grunde genommen ist es so, dass das, was wir erreicht haben - aus unserer Sicht ist das natürlich eine Freude; Sie macht das eher besorgt -, Ihnen nicht vergönnt war. Sie haben während Ihrer Mitregierungszeit die Sozialversicherungsbeiträge regelmäßig ganz erheblich erhöht. Sie haben die Sozialkassen zur Finanzierung der deutschen Einheit missbraucht, insbesondere was die Rentenversicherung betrifft. Schließlich waren Sie bei einer Quote von über 42 Prozent. Wir sind jetzt dabei, genau das zurückzuentwickeln, und trotzdem nörgeln Sie herum. Über die Höhe des Sozialversicherungsbeitrags werden wir immer streiten können. Der erste Punkt für Sozialdemokraten ist: Welche Leistungen müssen wir zur Verfügung stellen? Wir wollen die notwendigen Leistungen zur Verfügung stellen. Es kann durchaus sein, dass es eine Zeit gibt, in der die Sozialversicherungsbeiträge verändert werden müssen, weil Aufgabenstellungen auftreten, die am sinnvollsten darüber finanziert werden. Den Beitragssatz haben wir nie zum Fetisch erklärt. Aber wir sind jetzt in der Lage, etwas Gutes zu tun. Anstatt mitzuhelfen und das Erreichen dessen, was Sie sich immer vorgenommen, aber nicht erreicht haben, zu begrüßen, nörgeln Sie herum. Das finden wir nicht in Ordnung und das sagen wir Ihnen auch so deutlich. ({0}) Nun zur Rentenversicherung. Die Situation ist momentan so günstig - auch Sie wissen das -, dass wir den Beitragssatz zur Rentenversicherung gar nicht auf 19,9 Prozent erhöhen müssten. Sie haben im Ausschuss seitens des Staatssekretärs aufgrund der Berechnungen der Deutschen Rentenversicherung dazu klare Aussagen erhalten. Richtig ist aber auch, dass wir auf Sicherheit setzen, dass wir, wie ich es gesagt habe, die Sozialversicherung nicht auf Kante nähen wollen und dass wir Debatten, die Sie sonst führen würden, nämlich mit dem Ziel, weitere Sozialleistungen zurückzuschrauben, nicht zulassen wollen. Deshalb haben wir auf Sicherheit gebaut. Das ist mit der Festlegung dieses Beitragssatzes geschehen. Bei dem, was mittelfristig zu übersehen ist, wird der Beitragssatz bei 19,9 Prozent bleiben. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Wolfgang Meckelburg, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als letzter Redner zum Einzelplan 11 - Arbeit und Soziales - und vor einer namentlichen Abstimmung ist es nicht ganz so einfach, den Sack noch einmal zuzubinden. Ich möchte zunächst den Verwandtensack zubinden, nachdem Frau Kollegin Lehn die Tante Käthe und der Kollege Brandner die Tante Elli erwähnt haben. Es gibt einen Spruch, der da heißt: Eine Tante, die etwas mitbringt, ist immer besser als eine Tante, die nur Klavier spielt. - Diese Bundesregierung spielt nicht Klavier. Nach einem Jahr bringt sie etwas mit. ({0}) Der Einzelplan 11 - Arbeit und Soziales - hat eine besondere Bedeutung, und zwar vom Volumen her - er ist der größte des Gesamtetats mit fast 50 Prozent der Ausgaben -, aber auch von den Themenfeldern her. Es sind nämlich die Themen Arbeitsmarkt, Arbeitslosigkeit und Rente, die die Menschen in diesem Land bewegen. Deswegen ist dies auch der Platz, wo sich vor allem die Opposition tummelt. Lassen Sie mich zum Schluss drei Schwerpunkte setzen. Ich möchte Ihnen zunächst einmal sagen, was die Bundesregierung statt des Klavierspielens mitbringt, und danach möchte ich noch zwei Bemerkungen zur Opposition machen. Was wir in einem Jahr geschafft haben, ist viel mehr als das, was die Menschen erwartet haben. Wir sind in einem Jahr riesige Schritte vorangekommen. Erstens. Erstmals seit November 2002, also seit langer Zeit, liegt die Arbeitslosenquote wieder unter 10 Prozent. ({1}) Zweitens. Bei der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verzeichnen wir erstmals seit September 2000, also erstmals seit sechs Jahren, wieder einen Aufwärtstrend. Statt Monat für Monat weniger sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gibt es nun eine Trendwende: Es gibt nämlich ein Plus von 250 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. ({2}) Drittens. Mit dem prognostizierten Wirtschaftswachstum erleben wir den stärksten Konjunkturaufschwung seit sechs Jahren und haben mit einer Neuverschuldung von 19,5 Milliarden Euro den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung erreicht. Viertens senken wir den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 4,2 Prozent. Indem wir so die Belastung des Faktors Arbeit senken, führen wir die Belastung auf ein Niveau zurück, das es zuletzt in den 80erJahren gab. Das sind die riesigen Entwicklungen, die diese Bundesregierung seit ihrem Amtsantritt vor einem Jahr angestoßen hat. ({3}) Wir machen aber auch weiter: Es gibt viele Themen, die zurzeit intern intensiv beraten werden. Wir wollen nämlich keine Schnellschüsse machen. Minister Müntefering hat heute Morgen die Themen genannt, an denen wir arbeiten. Deswegen erspare ich mir hier eine Aufzählung. Stattdessen möchte ich ein paar kritische Bemerkungen zu dem eher populistischen und einfachen Auftreten der Oppositionsfraktionen hier im Bundestag machen. Ich fange mit den Hauptmatadoren der PDS an, die hier ständig auftreten, nämlich Gysi und Lafontaine. Herr Gysi und Herr Lafontaine hatten politische Gestaltungsämter inne. Sie hätten also etwas bewegen können, weil sie in ein politisches Amt gewählt waren. Aber als sie die konkrete Möglichkeit dazu hatten, haben sie kalte Füße bekommen und sind abgehauen. ({4}) Vor diesem Hintergrund stelle ich mir die Frage, warum Sie hier Woche für Woche als sozialistisches Doppelpackkombinat auftreten und der Menschheit glorreich alles Mögliche versprechen. Sie hatten die Möglichkeit, haben sie aber nicht genutzt. Nun wollen Sie uns zurückführen zu Zuständen, wie sie zum Teil in der DDR bestanden, die wir aber nicht wollen. Das sage ich mit aller Deutlichkeit. ({5}) Das, was die Opposition hier immer wieder vorträgt, ähnelt stark einer Populismusolympiade: möglichst noch mehr ausgeben und so viel wie möglich von dem eingenommenen Geld den Bürgern zurückgeben - besser, schneller, höher -, anstatt sich zu fragen, wie man die Probleme der Menschen lösen kann! ({6}) Ich mache es Ihnen einmal an einigen Beispielen deutlich, warum Sie das mit Ihren Vorschlägen auch gar nicht schaffen können. Ihr Vorschlag, den Regelsatz für das Arbeitslosengeld II von 345 auf 420 Euro zu erhöhen, hört sich zwar sehr schön an, aber mit einem solchen Vorhaben ziehen Sie Mauern um den Arbeitsmarkt herum, weil nämlich dann viele, die einen so hohen Satz bekommen, kein Interesse mehr haben, eine Arbeit aufzunehmen. Das ist eine Tatsache. Wenn Sie die bestreiten, leben Sie an der Realität vorbei. ({7})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kipping?

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, gerne. ({0}) - Das muss sein.

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Wie erklären Sie, wenn Sie tatsächlich der Überzeugung sind, dass jemand, der 420 Euro im Monat bekommt, nicht mehr bereit ist, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, den Umstand, dass es trotz des derzeit niedrigen Arbeitslosengeld-II-Satzes schon 900 000 Aufstocker gibt, also Leute, die zum Teil sogar Vollzeit arbeiten, obwohl ihr Verdienst geringer ist als der Arbeitslosengeld-II-Satz?

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Liebe Frau Kipping, mit Ihrer Frage setzen Sie das kleine Welttheater der Katja Kipping fort, das Sie eben schon in Ihrer Rede aufgeführt haben. Sie müssen nur einmal ernsthaft über das hinausdenken, was Sie gerade gesagt haben: Wenn der Satz tatsächlich auf 420 Euro angehoben würde, dann würde das dazu führen, dass auch die Zahl der Aufstocker noch einmal deutlich höher würde. Mit jeder Erhöhung würde sich natürlich auch die Zahl derjenigen vermehren, die Anspruch auf Sozialleistungen hätten. ({0}) Weil Sie das nicht vertreten wollen, machen Sie einen zweiten Quatsch, indem Sie die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von 8 Euro fordern. ({1}) Das ist die Antwort, die die Linken immer geben; völlig klar. Sie belasten die Wirtschaft und sorgen so dafür, dass durch diese Belastung keiner mehr Arbeitsplätze schafft und dadurch die Arbeitslosigkeit steigt. Das ist der völlig falsche Weg. Das können Sie noch so häufig erzählen; es ist bewiesen, dass das nicht läuft. Es geht nicht um mehr Sozialleistungen für die Menschen, sondern die Frage muss lauten: Wie können wir Arbeitsplätze schaffen, die dazu führen, dass die Menschen in den ersten Arbeitsmarkt hinein- und aus der Grundsicherung herauskommen? Das ist die Kernfrage und vor dieser drücken Sie sich. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zusatzfrage der Kollegin Kipping?

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir führen dieses leninistisch-marxistische Seminar vielleicht besser im Ausschuss weiter. Ich finde, die Kollegen haben einen Anspruch darauf, gleich zur Abstimmung zu kommen. ({0}) Lassen Sie mich zwei, drei kritische Sätze zur FDP sagen. Auch das muss sein. Was die FDP hier in den letzten Wochen vorgetragen hat, war ({1}) die Forderung nach einer möglichst spitzen Abrechnung bei den Sozialversicherungsbeiträgen. Sie wollen, dass die Rentenversicherungsbeiträge im nächsten Jahr nicht auf 19,9 Prozent erhöht werden, sondern, weil wir mehr nicht brauchen, nur auf 19,7 Prozent. Sie nehmen in Kauf, dass die Beiträge im darauf folgenden Jahr auf 20 und mehr Prozent steigen. Zu den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen haben Sie einen Antrag eingebracht, in dem Sie - genau wie in Ihren Beiträgen an diesem Pult - eine Senkung über die von uns vorgesehene hinaus, von 6,5 auf 4,2 Prozent, gefordert haben. Sie wollen also auch hier spitz abrechnen, selbst auf die Gefahr hin, dass das zu gut berechnet ist und im darauf folgenden Jahr wieder zu einer Erhöhung führt. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, das ist eine Politik, die nichts mit Verlässlichkeit und Beständigkeit zu tun hat. Das ist eine liberale Achterbahnfahrt, mal rauf, mal runter. Was wir brauchen, sind Verlässlichkeit und Beständigkeit. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass ein Beitrag über einen längeren Zeitraum stabil bleibt. Eine solche Politik machen wir. ({2}) Zur Mehrwertsteuer. Inzwischen glaubt kein Mensch mehr, dass Sie ohne eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auskommen würden, wenn Sie all die Vorschläge, die Sie machen, realisieren müssten. ({3}) Bei den Arbeitslosenversicherungsbeiträgen - das ist in der Anhörung am Montag bestätigt worden - kämen Sie ohne die Zuführung des Geldes aus 1 Prozentpunkt Mehrwertsteuererhöhung nicht einmal zu der Senkung, die jetzt vorgesehen ist. Also, bleiben Sie ehrlich und kehren Sie auf den Pfad der liberalen Tugenden zurück, statt den Weg des Populismus zu gehen! ({4}) Ein letzter Satz zu den Grünen - zu Ihnen fällt mir nicht so viel ein, auch wenn man natürlich auch über Sie lange sprechen könnte -: Was mich wirklich stört, ist, dass Ihre Debatten rückwärts gewandt sind. Sie sind die Verteidiger von Rot-Grün. Ich weiß nicht, ob Sie nicht gemerkt haben, dass die SPD längst mit einem neuen Partner sehr zufrieden ist und neue und gute Politik macht. ({5}) Weil das so ist, machen wir auf diesem Weg weiter. Ich hoffe, dass das zweite Jahr ein ebenso erfolgreiches wird wie das erste. Herzlichen Dank. ({6})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort zu einer Kurzintervention gebe ich zuerst der Kollegin Kipping und anschließend dem Kollegen Dr. Gregor Gysi. - Herr Kollege Meckelburg, ich denke, Sie können dann auf beide antworten. Bitte schön, Frau Kipping.

Katja Kipping (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003786, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich möchte gerne einen Irrtum von Herrn Meckelburg aufklären. Wenn ich ihn hier mit Zahlen aus der Realität konfrontiere, dann hat das relativ wenig mit Marxismus zu tun - abgesehen davon, dass es vielleicht auch Herrn Meckelburg nicht schaden würde, dort nachzulesen. Es stünde uns gut zu Gesicht, wenn wir nicht nur im Fachausschuss, sondern auch hier neben der betriebswirtschaftlichen Brille manchmal auch die volkswirtschaftliche Brille aufsetzten. ({0}) Zum Zweiten möchte ich mich bei Herrn Meckelburg bedanken; denn je mehr Sie über Menschen berichten, die, obwohl sie Vollzeit arbeiten, in extremer Armut leben, umso mehr reift in der Bevölkerung das Wissen darum, wie notwendig es ist, innerhalb des Lohngefüges ein letztes Sicherheitsnetz zu schaffen. Ich danke Ihnen deswegen für dieses vielleicht nicht ganz überzeugende, aber immerhin einen Anfang darstellende Plädoyer für einen gesetzlich garantierten Mindestlohn. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Gysi, bitte.

Dr. Gregor Gysi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000756, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Lieber Herr Kollege Oberstudienrat Meckelburg, ({0}) Sie haben mir vorgeworfen, dass ich erstens zurückgetreten bin und dass ich zweitens zusammen mit Oskar Lafontaine jede Woche hier dasselbe erzähle, wobei Sie nicht verstünden, warum. Gestatten Sie mir dazu drei kurze Bemerkungen. Erstens. Die Berliner CDU hat damals meinen Rücktritt gefordert. Ich entnehme Ihrer Äußerung, dass es falsch ist, auf die CDU zu hören. ({1}) Zweitens. Dem Beifall der Unionsfraktion, den es bei Ihrer Kritik an meinem Rücktritt gab, entnehme ich, dass Sie sich wünschen, dass ich immer noch Bürgermeister und Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen in Berlin wäre. Das nehme ich interessiert zur Kenntnis. ({2}) Drittens. Ich kann Ihnen erklären, warum Oskar Lafontaine und ich hier jede Woche dasselbe sagen: Sie haben es nämlich immer noch nicht verstanden. Wir machen so lange weiter, bis das der Fall ist. Danke. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege Meckelburg, bitte.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich erspare mir, auf den ersten Beitrag von Frau Katja Kipping zu antworten. Denn auf das, was Tante Katja mit ihrer rosaroten Brille gesagt hat, muss ich nicht noch einmal eingehen. ({0}) Zu Ihren Ausführungen, Herr Rechtsanwalt und Oberlehrer Gysi, ({1}) will ich Folgendes sagen. Ich weiß seit heute - Sie haben es gerade gesagt -, dass Sie auf Ratschläge der CDU/ CSU hören. Das finde ich gut. Es schafft die Basis für eine inhaltliche Auseinandersetzung. Vielleicht können wir Sie an manchen Stellen davon überzeugen, dass Sie sich stärker auf die politischen Sachfelder und weniger auf die ideologischen Felder konzentrieren sollten. Zu dem, was Sie ansonsten noch zur Begründung Ihres Verhaltens gesagt haben: Die Menschen haben schon den Eindruck, dass Lafontaine und Gysi abgehauen sind, als sie die Möglichkeit hatten, politisch zu gestalten. Dieser Eindruck bleibt; den können Sie nicht wegkriegen. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 11, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst namentlich abstimmen. Wir kommen zum Änderungsantrag auf Drucksache 16/3467. Die Fraktion Die Linke verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? ({0}) - Dann bitte schnell zu den Urnen. - Ich frage noch ein- mal: Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh- lung zu beginnen. Wir kommen nun zum Änderungsantrag auf Druck- sache 16/3468. Auch hier hat die Fraktion Die Linke na- mentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schrift- führerinnen und Schriftführer, die Plätze einzunehmen. Sind die Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. - Die Urne vorne am Präsidenten- pult ist defekt. Ich bitte die Kollegen, an die anderen Ur- nen zu gehen. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme in der zweiten namentlichen Abstimmung noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin- nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.1) Bis zum Vorliegen der Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen unterbreche ich die Sitzung. ({1})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift- führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim- mung über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/3467 bekannt: Abgegebene Stimmen 555. Mit Ja haben gestimmt 51, mit Nein ha- ben gestimmt 504. Der Änderungsantrag ist damit abge- lehnt. 1) Ergebnis Seite 6652 A Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 554; davon ja: 51 nein: 503 Ja DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Dr. Lothar Bisky Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dagdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Heike Hänsel Hans-Kurt Hill Inge Höger-Neuling Dr. Barbara Höll Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Monika Knoche Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Kornelia Möller Kersten Naumann Wolfgang Nešković Dr. Norman Paech Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer ({0}) ({1}) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann fraktionslos Gert Winkelmeier Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Thomas Bareiß Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({2}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Clemens Binninger Carl-Eduard von Bismarck Renate Blank Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({3}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Maria Eichhorn Georg Fahrenschon Dr. Hans Georg Faust Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({4}) Dirk Fischer ({5}) Dr. Maria Flachsbarth Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({6}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({7}) Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({8}) Volker Kauder Eckart von Klaeden Julia Klöckner Jens Koeppen Kristina Köhler ({9}) Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Johann-Henrich Krummacher Dr. Hermann Kues Dr. Karl Lamers ({10}) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Stephan Mayer ({11}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer ({12}) Maria Michalk Hans Michelbach Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Carsten Müller ({13}) Stefan Müller ({14}) Bernward Müller ({15}) Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Bernd Neumann ({16}) Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({17}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({18}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({19}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Bernd Schmidbauer Andreas Schmidt ({20}) Ingo Schmitt ({21}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Thomas Strobl ({22}) Michael Stübgen Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({23}) Gerald Weiß ({24}) Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Willy Wimmer ({25}) Elisabeth WinkelmeierBecker Matthias Wissmann Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr ({26}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({27}) Volker Blumentritt Kurt Bodewig Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Willi Brase Bernhard Brinkmann ({28}) Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Gernot Erler Petra Ernstberger Elke Ferner Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf ({29}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({30}) Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({31}) Iris Hoffmann ({32}) Frank Hofmann ({33}) Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Johannes Jung ({34}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({35}) Dr. Karl Lauterbach Helga Lopez Gabriele Lösekrug-Möller Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel ({36}) Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({37}) Michael Müller ({38}) Gesine Multhaupt Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Thomas Oppermann Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Christoph Pries Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche ({39}) Maik Reichel Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Sönke Rix Karin Roth ({40}) Michael Roth ({41}) Ortwin Runde Anton Schaaf Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder Ulla Schmidt ({42}) Silvia Schmidt ({43}) Renate Schmidt ({44}) Heinz Schmitt ({45}) Carsten Schneider ({46}) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz ({47}) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Andreas Steppuhn Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jella Teuchner Jörn Thießen Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({48}) Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Heidi Wright Uta Zapf Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Dr. Karl Addicks Christian Ahrendt Daniel Bahr ({49}) Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({50}) Dr. Wolfgang Gerhardt Miriam Gruß Joachim Günther ({51}) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Michael Link ({52}) Markus Löning Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Hans-Joachim Otto ({53}) Cornelia Pieper Jörg Rohde Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Florian Toncar Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Christoph Waitz Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({54}) Martin Zeil BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck ({55}) Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Hans Josef Fell Kai Gehring Britta Haßelmann Priska Hinz ({56}) Dr. Anton Hofreiter Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Fritz Kuhn Renate Künast Undine Kurth ({57}) Markus Kurth Monika Lazar Dr. Reinhard Loske Jerzy Montag Kerstin Müller ({58}) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Brigitte Pothmer Claudia Roth ({59}) Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({60}) Das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/3468 lautet: Abgegebene Stimmen 543. Mit Ja haben gestimmt 49, mit Nein haben gestimmt 494. Der Änderungsantrag ist deshalb ebenfalls abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 543; davon ja: 49 nein: 494 Ja DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Dietmar Bartsch Dr. Lothar Bisky Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dagdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Wolfgang Gehrcke Diana Golze Heike Hänsel Hans-Kurt Hill Inge Höger-Neuling Dr. Barbara Höll Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Monika Knoche Katrin Kunert Oskar Lafontaine Michael Leutert Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Kornelia Möller Kersten Naumann Wolfgang Nešković Dr. Norman Paech Bodo Ramelow Elke Reinke Paul Schäfer ({61}) ({62}) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Frank Spieth Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann fraktionslos Gert Winkelmeier Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Thomas Bareiß Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({63}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Clemens Binninger Carl-Eduard von Bismarck Renate Blank Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({64}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Maria Eichhorn Georg Fahrenschon Dr. Hans Georg Faust Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({65}) Dirk Fischer ({66}) Dr. Maria Flachsbarth Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({67}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Michael Glos Dr. Reinhard Göhner Josef Göppel Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({68}) Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({69}) Volker Kauder Eckart von Klaeden Julia Klöckner Jens Koeppen Kristina Köhler ({70}) Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Johann-Henrich Krummacher Dr. Hermann Kues Dr. Karl Lamers ({71}) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Stephan Mayer ({72}) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Laurenz Meyer ({73}) Maria Michalk Hans Michelbach Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Carsten Müller ({74}) Stefan Müller ({75}) Bernward Müller ({76}) Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Bernd Neumann ({77}) Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ruprecht Polenz Daniela Raab Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Katherina Reiche ({78}) Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({79}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({80}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Bernd Schmidbauer Andreas Schmidt ({81}) Ingo Schmitt ({82}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Gero Storjohann Andreas Storm Thomas Strobl ({83}) Michael Stübgen Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({84}) Gerald Weiß ({85}) Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Willy Wimmer ({86}) Matthias Wissmann Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({87}) Volker Blumentritt Kurt Bodewig Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Willi Brase Bernhard Brinkmann ({88}) Edelgard Bulmahn Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Garrelt Duin Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Petra Ernstberger Elke Ferner Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf ({89}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({90}) Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({91}) Iris Hoffmann ({92}) Frank Hofmann ({93}) Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Johannes Jung ({94}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kelber Christian Kleiminger Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({95}) Dr. Karl Lauterbach Helga Lopez Gabriele Lösekrug-Möller Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel ({96}) Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({97}) Michael Müller ({98}) Gesine Multhaupt Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Thomas Oppermann Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Christoph Pries Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Steffen Reiche ({99}) Maik Reichel Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Sönke Rix Karin Roth ({100}) Michael Roth ({101}) Ortwin Runde Anton Schaaf Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder Ulla Schmidt ({102}) Silvia Schmidt ({103}) Renate Schmidt ({104}) Heinz Schmitt ({105}) Carsten Schneider ({106}) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz ({107}) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Andreas Steppuhn Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner Dr. Rainer Tabillion Jella Teuchner Jörn Thießen Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({108}) Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Heidi Wright Uta Zapf Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Dr. Karl Addicks Christian Ahrendt Daniel Bahr ({109}) Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({110}) Dr. Wolfgang Gerhardt Miriam Gruß Joachim Günther ({111}) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Michael Link ({112}) Markus Löning Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Hans-Joachim Otto ({113}) Cornelia Pieper Jörg Rohde Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Florian Toncar Christoph Waitz Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({114}) Martin Zeil BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck ({115}) Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Hans Josef Fell Kai Gehring Britta Haßelmann Priska Hinz ({116}) Dr. Anton Hofreiter Ute Koczy Sylvia Kotting-Uhl Renate Künast Undine Kurth ({117}) Markus Kurth Monika Lazar Dr. Reinhard Loske Jerzy Montag Kerstin Müller ({118}) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Brigitte Pothmer Claudia Roth ({119}) Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({120}) Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 11 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 11 ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der Opposition angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.13 auf: Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern - Drucksachen 16/3106, 16/3123 Berichterstattung: Abgeordnete Bettina Hagedorn Norbert Barthle Roland Claus Alexander Bonde Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Außerdem liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP sowie der Fraktion Die Linke vor, über die wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Gisela Piltz, FDP-Fraktion. ({121})

Gisela Piltz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003667, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Körper, wenn ich Ihnen eine Freude machen darf, immer gerne. - Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der letzten Beratungen des Einzelplans 06 möchte ich etwas Nettes sagen. Ich möchte mich bei den Haushältern, beim Bundesinnenminister, aber auch bei Ihren Beamten und Ihrem Haus bedanken. Ich weiß, ich habe Sie oft mit meinen Fragen herausgefordert. ({0}) Sie haben sich immer alle Mühe gegeben, sie zu beantworten. Das geschah nicht immer zu meiner Zufriedenheit; das liegt aber wahrscheinlich in der Natur der Sache. Trotzdem gilt mein herzlicher Dank allen Beteiligten. Sie werden es nicht anders vermuten: Das waren mehr oder weniger die letzten netten Worte, die ich heute finden kann. ({1}) Im Sommer habe ich mit der mir eigenen Nettigkeit einer Oppositionspolitikerin die Politik im Innenbereich der großen Koalition als Dreiklang bezeichnet: mehr Ankündigungen als Taten, Zerstrittenheit in den meisten Themen und Fortsetzung des Abbaus der Bürgerrechte. Das kann ich heute immer noch unterstreichen. Es hat sich aus meiner Sicht nicht erledigt. Ich habe festgestellt, dass ein neuer Dreiklang hinzugekommen ist, Herr Innenminister, der Folgendes beinhaltet: am Haushalt vorbei, ({2}) an den Betroffenen und am Parlament vorbei, allein gelassen und allein entscheiden. ({3}) Zuerst zum Punkt: alleine entscheiden und ein wenig am Parlament vorbei. Das betrifft das Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit. Ich möchte das Verfahren formal rügen. Es ist sicher richtig, wenn Sie sich darauf beziehen, dass dieses Thema formal in den Haushaltsausschuss gehört. ({4}) Aber Sie haben versucht, an den Kollegen im Innenausschuss vorbei zu entscheiden, und haben es erst auf Druck der FDP im Haushaltsausschuss dann doch in den Innenausschuss geschoben. Ich finde, so kann man mit dem Parlament und seinen Fachpolitikern nicht umgehen. ({5}) Ich muss das kritisieren. Es ist schon bedenklich - ich bin Innenpolitikerin und zufällig stellvertretendes Mitglied im Haushaltsausschuss und darf deshalb dort Fragen stellen -, dass die Fragen, die man zu diesem Thema hat, erst im Haushaltsausschuss beantwortet werden, aber nicht im zuständigen Innenausschuss. So ist es passiert. Das ist kein ordentlicher Umgang mit dem Parlament. ({6}) Mit den Maßnahmen, Herr Innenminister, die Sie in der ersten Lesung angekündigt haben - Sprengstoffhunde und Wärmebildkameras für den Schutz von Bahnanlagen -, haben wir überhaupt kein Problem. Man könnte höchstens fragen, warum es erst jetzt mehr Geld dafür gibt. Aber dabei haben Sie unsere Unterstützung. Genauso haben Sie unsere Unterstützung, wenn es darum geht, mehr Personal einzustellen, das sich mit Islamismus und islamistischer Bedrohung beschäftigt. ({7}) Wir brauchen Dolmetscher und Personal, das sich auskennt. Das ist überhaupt keine Frage. Aber die weiteren Maßnahmen, die sich dahinter verbergen, sind aus unserer Sicht mehr als bedenklich. ({8}) Zum Beispiel soll es mehr Geld für die Entwicklung von Programmen geben, die es ermöglichen, die Bilder von Überwachungskameras mit biometrischen Daten abzugleichen. Das sind nicht nur Fahndungsdaten, sondern es geht - Ihr Staatssekretär Hahlen hat es mir erläutert - um Personen, die sich auf Bahnhöfen auffällig benehmen. Ich möchte einmal sehen, wie Sie das genau definieren. Aus unserer Sicht gibt es dafür keine Rechtsgrundlage. Das ist ein unzulässiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dies wurde ohne jede Diskussion hier im Haus geplant. Das nächste Beispiel: die geplante Kommunikationsinfrastruktur. Warum brauchen wir parallel zum BOS-Digitalfunk, der teuer genug sein wird, eine neue Kommunikationsinfrastruktur? ({9}) Herr Innenminister, Sie haben auf diese Frage geantwortet, dass es sicherer sein muss. Diese Prioritätensetzung kann ich nicht verstehen. Entweder ist der BOS-Digitalfunk sicher oder er ist nicht sicher. In dem Fall müssten wir die Ausschreibung verändern. Aber so, wie Sie das hier machen, geht es sicher nicht. ({10}) Zu diesen Punkten haben wir einen Entschließungsantrag vorgelegt. Denn wir finden, das Parlament muss sich mit diesen Fragen beschäftigen und nicht der Flurfunk des Bundesinnenministeriums. ({11}) Zum nächsten Punkt: alleine entscheiden und an den Betroffenen vorbei. Dazu fallen mir zwei Sachen ein, zum einen der geplante Umzug der Abteilung 6 des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Aus unserer Sicht ist das weder aus fachlichen noch aus finanziellen Gründen geboten. Es gibt in Berlin noch keinen Ersatzstandort für diese Abteilung. Die Kommunikation im Haus wird dadurch sicher nicht verbessert. Es gibt aus unserer Sicht nur eine logische Erklärung dafür: Sie bereiten damit den Gesamtumzug vor. Interessant ist hierbei übrigens, dass Herr Bosbach Sie kritisiert, während Herr Wiefelspütz Sie lobt. Interessant ist auch, dass sich CDU- und CSU-Abgeordnete, als sie noch in der Opposition waren, gegen eine weitere Zentralisierung ausgesprochen haben. Die entsprechende Pressemitteilung wurde allerdings von der Homepage der Kollegen gelöscht. Ich weiß jetzt auch, warum. Man kann sicherlich umstrukturieren, wenn man es für nötig hält. Aber ich finde, die Mitarbeiter haben es verdient, von Ihren Plänen nicht erst aus der Zeitung zu erfahren. ({12}) Genauso geht es den Mitarbeitern der Bundespolizei. Veränderungen, die diesen Bereich berühren - dies betrifft fast die Hälfte Ihres Etats -, sind sicherlich klug und richtig. Aber wenn sie diejenigen, die für unsere Sicherheit sorgen und sie garantieren sollen, in so hohem Maße verunsichern, dann ist das kontraproduktiv für die Sicherheit in unserem Land. ({13}) Noch eine kurze Bemerkung zur Antiterrordatei. Die Anhörung, die zu diesem Thema durchgeführt wurde, hat die meisten Zweifel der Opposition voll bestätigt. ({14}) Es ist offensichtlich so, dass dann, wenn man versucht, eine Entscheidung zu treffen und daran Bund und Länder, sozusagen eine ganz große Koalition, zu beteiligen, letztlich nicht mehr viel Kluges übrig bleibt. ({15}) Wir stellen fest: Offensichtlich ist die große Koalition sich selbst gut genug, weil sie Opposition und Regierung in einem ist. ({16}) Anders können wir es uns nicht erklären, dass es nach dieser Anhörung noch kein Berichterstattergespräch gegeben hat. Wenn wir Glück haben, findet ein solches Gespräch am kommenden Dienstag statt, also einen Tag bevor dieses Thema im Ausschuss behandelt wird. Ich finde, so sollte man nicht mit der Opposition umgehen. ({17}) Nun komme ich noch einmal darauf zu sprechen, was ich mit „allein gelassen“ meine. In der letzten Woche konnten wir erleben, dass der Bundesinnenminister und die innenpolitischen Sprecher der Koalition von den CDU-Innenministern der Länder ganz en passant beschädigt worden sind. Es ging um die Frage, wie wir das Bleiberecht regeln. Dazu haben Sie einen Vorschlag gemacht. Aufgrund der Bedenken, die wir vorgetragen haben, dass es doch nicht richtig sein kann, dass die Innenminister der Länder hierzu Regelungen im Rahmen der IMK treffen und wir ihre Entscheidungen nur noch umsetzen dürfen, haben Sie sich Mühe gegeben, einmal andersherum vorzugehen. Doch was ist passiert? Sie liefen bei ihren Länderkollegen voll auf. Das sollte für Sie ein Alarmzeichen sein. Ich bin mir nicht sicher, wie Sie in den kommenden Jahren noch ernsthaft Politik für die Sicherheit in diesem Lande machen wollen, wenn ihre Kollegen aus den Ländern Sie immer wieder zurückpfeifen. ({18}) Sie wissen, dass wir den Beschluss zum Bleiberecht begrüßt haben. Aber im Interesse der Beteiligten hoffen wir, dass nun auch die Frage der Vorrangregelung aufgegriffen wird und die entsprechenden Rechtsgrundlagen geschaffen werden, damit die Betroffenen hier bleiben können. Ansonsten wäre das ein Muster ohne Wert, was ich für noch viel schlimmer halten würde als die Tatsache, dass Ihre eigenen Leute Sie ziemlich stark beschädigt haben. ({19}) Dieser Kompromiss ist ohne weitere Änderungen nur eine leere Hülle. Wir Liberalen hoffen, dass aus dem Dreiklang „allein gelassen, allein entscheiden und am Parlament und den Betroffenen vorbei“ in den nächsten Jahren eine rechtsstaatliche Innenpolitik wird. Wenn das so ist, dann sind wir an Ihrer Seite. Herzlichen Dank. ({20})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Dr. Michael Luther, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Michael Luther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die große Koalition bringt unser Land voran. ({0}) Das wird auch daran deutlich, dass sie nun ein Jahr lang erfolgreich im Bereich der Innenpolitik gearbeitet hat. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, unserem Innenminister Wolfgang Schäuble für dieses eine Jahr erfolgreicher Arbeit zu danken. ({1}) Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle auch bei meinen Mitberichterstattern, ganz besonders natürlich bei meiner Koalitionskollegin Bettina Hagedorn, für die gute Zusammenarbeit. Ich denke, wir sind im Interesse einer qualifizierten Innenpolitik aus der Sicht der Haushälter im letzten Jahr ein gutes Team geworden. Unsere Politik ist geprägt von Haushaltskonsolidierung und von Haushaltswahrheit und -klarheit. So haben wir uns zum Beispiel vorgenommen, die globale Minderausgabe in zwei Schritten aufzulösen: Akt eins fand in diesem Jahr statt, Akt zwei wird im Jahre 2008 stattfinden. Dabei verlieren wir allerdings nicht aus den Augen, dass das Bundesinnenministerium eine ganz besondere politische Verantwortung für dieses Land hat. So kommt es im Jahre 2007 aufgrund der besonderen Aufgaben und trotz aller Konsolidierungsbemühungen zu einem leichten Aufwuchs des Haushaltsansatzes. Zurückzuführen ist das unter anderem auf die Sonderkosten im Zusammenhang mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft und der G-8-Präsidentschaft. Auch die Übernahme der Versorgungstitel in die Einzelpläne kosDr. Michael Luther tet leider Geld. Eine wesentliche Zusatzausgabe verursacht jedoch die reale Gefährdungslage in Deutschland. Zur Gewährleistung der inneren Sicherheit muss also mehr getan werden. Wie nötig das ist, zeigten die versuchten Kofferbombenanschläge auf Regionalzüge in Koblenz und Dortmund im Sommer dieses Jahres. Ich nenne auch den in dieser Woche bekannt gewordenen und verhinderten Sprengstoffanschlag, den fünf mutmaßliche Terroristen aus dem Rhein-Main-Gebiet auf ein Flugzeug verüben wollten. Er konnte durch Telefonüberwachung verhindert werden. Dieser Anschlagsversuch zeigt allerdings auch den Ernst der Lage. ({2}) Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass auch wir im Fadenkreuz des Terrorismus stehen. Ich zitiere: Und alle, die bislang darauf spekulierten, das deutsche Nein zum Irakfeldzug wäre eine Art Garantieschein für ein Leben ohne terroristische Bedrohung, werden ihre Hoffnung jetzt korrigieren müssen. So lautet ein Kommentar in der „FAZ“ aus dieser Woche. - Wir müssen also vorbereitet sein. ({3}) Um Brände zu verhindern bzw. deren Folgen einzudämmen, sind wir präventiv tätig: Wir bauen zum Beispiel Brandmeldeanlagen und Fluchttreppen in Gebäude ein, wir schaffen moderne Feuerwehrautos und Ausrüstung für die Feuerwehrleute an. Wir hoffen natürlich, dass das Material nicht gebraucht wird. Aber wir wissen, dass es irgendwann einmal brennen kann. Deshalb halten wir die Vorsorge für absolut wichtig. ({4}) Genauso notwendig ist die Sicherheitsvorsorge durch das Bundesinnenministerium. Wir müssen alles tun, um die terroristischen Gefahren abzuwehren. Wir wissen zwar, wir werden nicht alles verhindern können. Aber es wäre fahrlässig, wenn wir nicht alles in unserer Macht Stehende tun würden. Deshalb und wegen der neuen Erkenntnisse über die Sicherheitslage in Deutschland, die erst nach der Aufstellung des Haushaltes durch die Bundesregierung gewonnen wurden, haben wir im Haushaltsausschuss das „Programm zur Stärkung der Inneren Sicherheit“ aufgelegt. ({5}) - Frau Piltz, ich will zu dem, was Sie ausgeführt haben, klar sagen: Wir haben unter den Berichterstattern im Haushaltsausschuss sehr umfangreich - viele Stunden darüber debattiert. ({6}) Wir haben auch darum gebeten, dass der Fachausschuss darüber diskutiert. ({7}) Es kam lediglich aus Geschäftsordnungsgründen zu keinem Beschluss im Innenausschuss. Aber die positive Meinungsbildung des Innenausschusses hat der Haushaltsausschuss sehr wohl zur Kenntnis genommen. ({8}) Bei diesem Programm geht es beispielsweise um zusätzliche Sprengstoffspürhunde und um luftgestützte Wärmebildkameras. Es geht aber auch um die Antiterrordatei, die voraussichtlich noch in diesem Jahr Gesetzeskraft erlangt und für die wir Vorsorge im Haushalt treffen müssen. Insoweit sind die Formulierungen im Entschließungsantrag der FDP falsch: Es geht um die Onlinedurchsuchung entfernter PCs, nicht um die Onlineüberwachung, wie Sie in Ihrem Antrag geschrieben haben, meine Damen und Herren von der FDP. ({9}) Im Übrigen hat das eine rechtliche Grundlage, was in den Gesprächen auch deutlich geworden ist. ({10}) Es geht ferner um die Entwicklung biometrischer Identifizierungsmethoden, ebenfalls ein wichtiges sicherheitspolitisches Thema. Es handelt sich also um ein ganzes Bündel von sicherheitspolitischen Maßnahmen, um der terroristischen Gefahr wirksamer entgegentreten zu können. Leider muss ich feststellen, dass die FDP mit ihrem Entschließungsantrag zeigt, dass sie bei der Sicherheitspolitik für die Bürger in unserem Land auf der Bremse steht. ({11}) An dieser Stelle möchte ich ganz besonders unseren Sicherheitsbehörden, insbesondere dem Bundeskriminalamt, der Bundespolizei und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, Dank sagen für ihre gute Arbeit. ({12}) Die Einführung des bundesweiten digitalen Sprechfunkdatennetzes für die Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben war auch in diesen Haushaltsberatungen ein wichtiges Thema. ({13}) Die Einführung des BOS-Digitalfunks ist überfällig. Wir Haushälter haben die nötigen Weichen für den Haushalt 2007 und folgende gestellt. Positiv für dieses Jahr ist zu vermerken, dass im Sommer der Bund-Länder-Vertrag über die Errichtung der Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben unterzeichnet wurde. ({14}) Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern beim Digitalfunk ist damit für die Zukunft sichergestellt. Den Zuschlag für die Systemtechnik haben im Zuge eines Ausschreibungsverfahrens EADS und Siemens bekommen. Das Sorgenkind ist noch der Vertrag über den Aufbau und Unterhalt der notwendigen Infrastruktur. Die Verhandlungen mit der DB Telematik laufen leider immer noch, ({15}) auch wenn in den letzten Wochen endlich Bewegung in die Verhandlungen gekommen ist. Dieser Zustand ist absolut unbefriedigend. Ich sage an dieser Stelle ganz klar: Die Bahn muss wissen, dass sich der Bund nicht ewig auf der Nase herumtanzen lassen kann. ({16}) Ich setze aber darauf, dass wir bis Ende dieses Jahres mit der Bahn zu Potte kommen. Meine Damen und Herren, ich will noch ein anderes wichtiges Thema ansprechen, das die Öffentlichkeit bewegt hat und bei dem wir ebenfalls Haushaltsvorsorge betrieben haben. Wir Berichterstatter des BMI beschäftigen uns zurzeit mit der zukünftigen Unterbringung des Ministeriums. Dabei gibt es drei Möglichkeiten: erstens der Verbleib in Alt-Moabit, zweitens ein Neubau und drittens die Nutzung anderer Standorte. Die Entscheidung soll 2007 fallen, und zwar - das will ich an dieser Stelle klar betonen - für die kostengünstigste Variante. ({17}) Obwohl also noch keine Entscheidung gefallen ist, müssen wir im Haushalt Vorsorge für den Fall treffen, dass es einen Neubau geben wird. Das verlangt einfach eine seriöse Haushaltspolitik. Weil es noch keine Entscheidung gibt, haben wir diesen Ansatz aber gesperrt. ({18}) Zu einem weiteren Thema. Die erfolgreiche Eingliederung und Einbindung von Migranten in unserem Land ist für die Zukunft äußerst wichtig. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration ist das Erlernen der deutschen Sprache. Die Koalition hat den Titel für entsprechende Integrations- und Sprachkurse für den kommenden Haushalt deshalb bedarfsgerecht etatisiert. ({19}) Durch einen Haushaltsvermerk ist gegebenenfalls entstehender Mehrbedarf gesichert. ({20}) Die von der Linken mit ihrem Antrag geforderte Erhöhung des Baransatzes ist blanker Populismus, weil sie letztendlich am momentanen Bedarf vorbeigehen würde. ({21}) Wir wissen, dass mehr getan werden muss. Deshalb gibt es ja den Integrationsgipfel der Bundesregierung. Seriöserweise müssen wir dessen Ergebnis aber erst einmal abwarten - Mitte nächsten Jahres ist es zu erwarten -, bevor der neue Bedarf - insbesondere für den Bundeshaushalt 2008; es geht also um die neue Haushaltsaufstellung - festgestellt werden kann. Daneben müssen wir auch über die Mehrbedarfe reden, die 2007 noch notwendig werden, und sie durch entsprechende Umschichtungen realisieren. Ich denke allerdings, es ist blanke Spekulation, jetzt zu sagen, wie viel das ist. ({22}) Meine Damen und Herren, der Sporthaushalt, der 2006 noch im Zeichen der Fußball-WM stand, wird im Jahre 2007 durch die Vorbereitung auf die Olympischen und die Paralympischen Sommerspiele 2008 in Peking geprägt sein. Deshalb wird die Förderung des deutschen Spitzensports auch 2007 auf hohem Niveau fortgeführt. ({23}) Staat und Sport verstehen sich als Partner, die zusammenarbeiten. In diesem Zusammenhang ist die Fusion des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees zum Deutschen Olympischen Sportbund von uns ausdrücklich zu begrüßen. Eine erfolgreiche Dopingbekämpfung ist nur durch eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Sport und den staatlichen Institutionen zu gewährleisten. Die Bemühungen der Bundesregierung zur Bekämpfung des Dopings im Sport werden deshalb fortgesetzt. Neben den bekannten Maßnahmen zur Dopingbekämpfung begrüße ich in diesem Zusammenhang die vorgesehene Kapitalaufstockung für die NADA durch den Bund in Höhe von 2 Millionen Euro aus Restmitteln der Kulturstiftung für die Fußball-WM. ({24}) Für mich ist der Umgang mit den Spätaussiedlern in Deutschland und mit den verbliebenen deutschen Minderheiten in den Staaten Osteuropas ein wichtiges Thema. Auch wenn wir etwas weniger Geld als im letzDr. Michael Luther ten Jahr dafür ausgeben, kann die Bundesregierung mit diesen Mitteln die Rückführung, die Erstaufnahme und die Eingliederung von Spätaussiedlern sowie die Förderung der verbliebenen deutschen Minderheiten in den Staaten Osteuropas fortführen. ({25}) Einen Schwerpunkt dabei bildet die Förderung der Begegnungsstätten und des außerschulischen deutschen Sprachangebotes. Die Förderung der deutschen Sprache erfolgt dabei unter zwei Gesichtspunkten: Die außerschulischen Deutschkurse dienen der Stärkung und Wiedergewinnung der kulturellen Identität, wodurch den Bleibewilligen geholfen wird. Künftige Spätaussiedler und ihre Familienangehörigen sind ebenfalls berechtigt, an den Kursen teilzunehmen. Das Zuwanderungsgesetz verlangt von nicht deutschen Ehegatten und Abkömmlingen eines Spätaussiedlers für die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers Grundkenntnisse der deutschen Sprache. Dadurch schaffen die Deutschkurse in Russland die Voraussetzung für die Integration der Spätaussiedler und ihrer Familienangehörigen in Deutschland. Lassen Sie mich noch kurz auf das THW zu sprechen kommen. Wir wissen, wie wichtig diese Organisation für uns auch im Bereich des Katastrophenschutzes ist. Das THW hat in den letzten Jahren mit seinen vielen ehrenamtlichen Mitgliedern in diesem Bereich hervorragende Arbeit geleistet. ({26}) Der Haushaltsausschuss hat es geschafft - darüber freue ich mich besonders -, dass wir das THW gerade im Bereich der Jugendarbeit stärken konnten. ({27}) Wie schon im letzten Jahr lag auch in diesem Jahr der Schwerpunkt der Arbeit des Haushaltsausschusses auf der Konsolidierung des Haushaltes. Gleichzeitig haben wir im Haushalt weitere notwendige Schwerpunkte gesetzt. Wir haben harte Haushaltsverhandlungen geführt. ({28}) Die Bürger unseres Landes haben nämlich ein Recht darauf, dass wir hart an unserem Haushalt arbeiten. Wir haben dabei eine gute Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Ministeriums erlebt. Es war sicherlich nicht immer einfach mit uns. ({29}) Deshalb möchte ich mich an dieser Stelle für die gute Zusammenarbeit recht herzlich bedanken. Wir bringen diese Woche den Bundeshaushalt auf den Weg.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, schauen Sie bitte auf die Uhr. Sie reden auf Kosten Ihrer Fraktion. ({0})

Dr. Michael Luther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Auf diesem Bundeshaushalt lässt sich aufbauen. Herzlichen Dank. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Jan Korte, Fraktion Die Linke. ({0})

Jan Korte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003790, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich fange mit etwas Gutem an: Ich freue mich, dass Herr Bundesminister Schäuble diese Woche noch keinen Bundeswehreinsatz im Inneren gefordert hat. Das ist ein echter Fortschritt und das freut uns. ({0}) Zum Einzelplan 06 muss ich aber feststellen, dass das „Programm zur Stärkung der Inneren Sicherheit“ ein weiterer Schritt zum Demokratieabbau ist. Dieser Haushalt ist durch drei Punkte gekennzeichnet. Erstens schreitet die Privatisierung von Sicherheit und Sicherheitsdienstleistungen voran. Zweitens wird das Trennungsgebot aufgehoben, das Polizei und Geheimdienste aus guten Gründen voneinander trennt. Drittens wird die Einschränkung von Grundrechten fortgesetzt. Insgesamt sind in den letzten Jahren - das muss man sich immer wieder vor Augen führen - weit über 160 Gesetze zur Erhöhung der Sicherheit bzw. des Sicherheitsgefühls verabschiedet worden. Immer wieder wurden in den letzten Jahren wie auch in den letzten Tagen Bedrohungsszenarien an die Wand gemalt, die gar nicht verifizierbar sind. Eine ganze Zeit lang war es die organisierte Kriminalität, die als besonders bedrohlich galt. Dann waren es kriminelle Ausländer und jetzt ist es der internationale Terrorismus. All das dient dazu, bei staatlichen Maßnahmen einseitig aufzurüsten, ohne zu diskutieren, zu evaluieren und in sich zu gehen, ob diese Maßnahmen etwas taugen. ({1}) Denn bis dato waren die bisherigen Regelungen doch offensichtlich ausreichend, was die aktuellen Vorfälle auch belegt haben. Zur Antiterrordatei ist viel gesagt und geschrieben worden. Hier wächst zusammen, was wahrlich nicht zusammengehört. Man kann es nicht oft genug wiederho6660 len: Es war eine Lehre aus dem NS-Faschismus in Deutschland, dass es diese strikte Trennung geben muss und sollte. Ich finde, man darf die Erfahrungen aus dieser Zeit nicht vergessen. ({2}) Das konkrete Problem bei der Antiterrordatei besteht darin, dass es dabei um Gesinnungsschnüffelei geht. Dafür gibt es zwei deutliche Indizien: zum einen das Freitextfeld und zum anderen, dass auch die Religionszugehörigkeit gespeichert wird. Das bedeutet nichts anderes als die Pauschalverurteilung einer bestimmten Gruppe. Wir prophezeien, dass wie beim großen Lauschangriff, beim Luftsicherheitsgesetz und bei einer exzessiven Rasterfahndung das Bundesverfassungsgericht auch der Antiterrordatei einen Riegel vorschieben wird. Ich bin auch sehr froh darüber, dass das Bundesverfassungsgericht ein Auge darauf hat. ({3}) Der zweite Punkt, durch den der Haushalt gekennzeichnet ist, ist, dass die Dienste, insbesondere die Geheimdienste, mehr Mittel bekommen sollen. Das muss man sich einmal vorstellen: Ausgerechnet die Dienste, die offensichtlich - der BND-Untersuchungsausschuss tagt gerade - völlig außer Rand und Band geraten und in keiner Weise mehr zu kontrollieren sind, erhalten als Belohnung mehr Mittel. ({4}) Ich erinnere nur an die Bespitzelung von Journalisten, die Einzelschicksale el-Masri, Zammar und Kurnaz sowie - last, but not least - die ununterbrochene Bespitzelung von linken Bundestagsabgeordneten, wovon die Dienste im Moment reichlich Gebrauch machen. Statt diesen Diensten mehr Geld zu geben, sollte endlich dafür Sorge getragen werden, dass die Dienste wieder ins Lot kommen und einer parlamentarischen Kontrolle unterworfen werden. ({5}) Zurzeit führt jeder Euro mehr für die Dienste zu einer Selbstentmündigung dieses Hauses; das muss man so deutlich sagen. Der dritte Punkt ist das so genannte „Programm zur Stärkung der Inneren Sicherheit“. Das Verfahren ist schon - zu Recht - kritisiert worden. Was steht dort eigentlich? Das Gute an dem Programm ist, dass dort endlich einmal Klartext geredet wird. Unter Verzicht auf verschwommene Formulierungen wird dort deutlich gesagt, was man eigentlich vorhat. Drei Beispiele dafür: Erstens. Dort steht zum weiteren Ausbau der Onlinedurchsuchung - ich zitiere -: Ein wichtiger Baustein hierfür ist die technische Fähigkeit, entfernte PC auf verfahrensrelevante Inhalte hin durchsuchen zu können, ohne tatsächlich am Standort des Gerätes zu sein. Das bedeutet nichts anderes als staatlich sanktioniertes Hacking in fremden Computern. Man greift also wieder in die geschützte Privatsphäre der Menschen ein. Nichts anderes steht in diesem Programm. Zweitens. Sie sind wahre Sicherheitspopulisten, wenn es darum geht, auf die Ängste der Bevölkerung zu reagieren. Sie kennen lediglich eine Antwort: eine weitere technische Aufrüstung. Das steht auch in diesem Programm deutlich. Danach soll die Videoüberwachung inklusive Gesichts- und Mustererkennung drastisch ausgebaut werden. Das wird auf Dauer zu britischen Verhältnissen führen. In britischen Großstädten wird jeder Mensch mittlerweile 300-mal am Tag gefilmt. Diesen Weg wollen wir nicht gehen. ({6}) Hinzu kommt, dass mit der neuen Technik Bewegungsmuster erstellt werden, sodass sich niemand mehr im öffentlichen Raum unbeobachtet bewegen kann. Wir fordern eine Diskussion darüber, ob das ein Weg sein kann, um für mehr Sicherheit in der Bundesrepublik zu sorgen. Wir glauben, dass dem nicht so ist. ({7}) Drittens. Die Zusammenarbeit und insbesondere der Datenaustausch zwischen Bundesbehörden und privaten Sicherheitsfirmen sollen mit dem Programm forciert werden. Ich finde, es ist äußerst fragwürdig, die Privatisierung in solchen sensiblen Bereichen voranzutreiben. Die Fehlerquoten am Frankfurter Flughafen haben doch gezeigt - ich zitiere den GdP-Vorsitzenden -: „Von Sicherheit kann man nicht reden.“ Die Privatisierung von öffentlicher Sicherheit ist - zu privatisieren ist bei Ihnen ein beliebtes Vorgehen auf allen Politikfeldern - grundsätzlich falsch. Ein erster richtiger Schritt wäre, gut ausgebildetes und vor allem gut bezahltes Personal auf dem Frankfurter Flughafen einzusetzen. Wer für 5 Euro brutto einen solchen Job macht, von dem kann man nicht erwarten - das wird jeder Arbeitssoziologe bestätigen -, dass er sich besonders engagiert. ({8}) Für unsere Forderung nach einem Mindestlohn spricht damit auch ein Sicherheitsargument. Das sei aber nur am Rande bemerkt. Was ist also zu tun? Wir sollten aufhören, die Sicherheit weiter zu privatisieren, und von flächendeckenden Überwachungen Abstand nehmen. Wir sollten außerdem keine unhaltbaren Sicherheitsversprechen machen; denn wir müssen uns kritisch fragen, ob die Gesetze und Maßnahmen, die mehr Sicherheit versprechen, nicht das zerstören, was sie eigentlich schützen sollen, nämlich die Freiheit und die Bürgerrechte. Hier ist eine ehrliche Analyse notwendig, aus der hervorgeht, was uns weiterbringt. Zum Schluss ist festzustellen: Dieser Haushalt ist ein Dokument des Misstrauens gegen weite Teile der Bevölkerung. Er bedeutet einen weiteren Schritt in die totale Sicherheit in unserem Land. Unsere Demokratie wird dadurch jedes Jahr ein bisschen weiter geschwächt, aber in der Gesamtsumme ist das ein wirklich nicht mehr hinzunehmender Grundrechte- und Demokratieabbau. Ich frage Sie: Wann ist eigentlich Schluss? Wann haben wir nach Ihrer Meinung die größtmögliche Sicherheit erreicht? Diese Frage müssen Sie irgendwann einmal beantworten können. Das würde mich wirklich interessieren. Wann ist der Datenhunger der Dienste und der Bundesregierung gesättigt? Ich hoffe, dass es dann nicht zu spät ist. In diesem Sinne lehnen wir selbstverständlich auch diesen Einzelplan ab. Schönen Dank. ({9})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Bettina Hagedorn, SPDFraktion. ({0})

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Als zuständige Hauptberichterstatterin bin ich froh, heute nach anstrengenden Beratungen den Einzelplan des Bundesinnenministeriums vorstellen zu können. Zusätzlich zu den üblichen Haushaltsberatungen mit einem Gesamtvolumen von 4,48 Milliarden Euro hatten wir Berichterstatter es mit großen und weit über den Einzelplan hinaus relevanten Themengebieten von hoher finanzieller Brisanz und Aktualität zu tun, die uns Beratungsstoff für viele zusätzliche Berichterstattergespräche bescherten. Kollegin Piltz, Sie haben vorhin angemahnt - das galt für die Innenpolitiker -, sie wünschten sich mehr Berichterstattergespräche. Ich nehme an, Ihr Kollege Koppelin kann das für den Haushalt nicht bestätigen. ({0}) Lassen Sie mich einige dieser heißen Eisen, die uns beschäftigt haben, nennen. Ein Stichwort ist der Digitalfunk. Mein Kollege Herr Dr. Luther hat es schon genannt. Wir haben seit dem Sommer mit dem Vertragsabschluss mit EADS und DB Telematik zu tun. Wir hoffen, dass die Verhandlungen im Dezember in die entscheidende Phase kommen. Die SPD steht uneingeschränkt zur notwendigen Einführung des Digitalfunks in Deutschland. Sicherheitskräfte in Bund, Ländern und Kommunen warten darauf zur Optimierung ihrer Arbeit. Insgesamt stehen 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung. Man muss allerdings nicht prophetisch begabt sein, um zu prognostizieren, dass das Geld leider nicht ausreichen wird, um den Digitalfunk in Deutschland zu realisieren. Noch vor Weihnachten, Frau Kollegin Piltz, werden wir ein Berichterstattergespräch zu diesem Thema führen. ({1}) - Da sind Sie wahrscheinlich schon in Urlaub, Herr Kollege Koppelin. Ein weiteres Stichwort ist der möglicherweise zu planende Neubau für das Bundesinnenministerium, ein Thema, das auch vor dem Hintergrund sehr ernst zu nehmender Berichte des Bundesrechnungshofes über abenteuerliche Vertragsabschlüsse in den 90er-Jahren allein in diesem Jahr Stoff für drei Berichterstattergespräche bot. Die Mittel für einen möglichen Neubau sind gesperrt. Wir haben uns aber vorgenommen, im ersten Quartal 2007 zu einer Entscheidung über eine dauerhafte Unterbringung des Innenministeriums zu kommen. Doch sind nicht nur Neubaupläne für das Bundesinnenministerium in der Diskussion; für insgesamt sechs Ministerien werden zurzeit Um- und Neubauten geplant und erstellt, von nachgeordneten Behörden ganz zu schweigen. Das ist grundsätzlich gut so. Wir müssen in unserer Hauptstadt auf Dauer optimale Arbeitsmöglichkeiten für die hier anzusiedelnden Ministerien und Behörden schaffen, damit effektiv gearbeitet werden kann. Richtig ist es darum auch, dass gerade der Haushaltsausschuss im Zusammenhang mit solcher Bautätigkeit Fragen nach einer langfristig sinnvollen Arbeitsstruktur der Ressorts stellt. Dabei geht es um Konzepte, um Aufgaben, Personalkörper, dazu passende Bauvorhaben und natürlich auch um Standorte. Es geht um die langfristig effektive Aufgabenerfüllung und den wirtschaftlich vernünftigen Einsatz von Mitarbeitern. Dabei darf es kein Tabu geben, auch nicht beim Berlin/Bonn-Gesetz. Wie mein Kollege Jochen Fromme von der Union schon vorgestern in seinem Redebeitrag darstellte, haben wir gemeinsam auf unserer Haushaltsklausur angeregt, das Berlin/Bonn-Gesetz auf den Prüfstand zu stellen. Das Echo war, wie nicht anders anzunehmen, gespalten. Doch zunehmend merkten wir gemeinsam, dass die Bereitschaft, parteiübergreifend vernünftig und offen über Effizienzgewinne in der Bundesverwaltung zu sprechen, steigt. Bei der Diskussion geht es letzten Endes um langfristige, zukunftsfähige Lösungen, die für den Regierungssitz Berlin ebenso zukunftsweisend wie für den Bundeshaushalt tragbar sind und die gleichzeitig für den Raum Bonn nicht den befürchteten Untergang des Abendlandes bedeuten müssen. Wir wollen dabei nichts übers Knie brechen. Wir sind uns aber als Haushaltsausschussmitglieder in einer großen Koalition sehr wohl der Tatsache bewusst, dass es vermeintliche Tabuthemen gibt, die anzupacken und mehrheitsfähig zu machen wir nur in dieser Konstellation in der Lage sind. Und wir haben den Mut, diese Chance zu nutzen. ({2}) Schön ist, dass unser Antrag parteiübergreifend getragen wurde. Falsch ist aber, dass die Opposition uns bei diesem Thema zum Jagen tragen musste. Das gilt auch für das nächste konfliktträchtige Thema, nämlich die bisherige und künftig veränderte Anwendung des Dienstrechtlichen Begleitgesetzes für Mitarbeiter, die nach Berlin umziehen. Leistungen nach dem Dienstrechtlichen Begleitgesetz und dem Umzugstarifvertrag gelten ausdrücklich nur für die vom Umzug betroffenen Beschäftigten in Bundesbehörden und -einrichtungen, die im Berlin/Bonn-Gesetz aufgeführt sind. ({3}) Am 9. November 2006 haben wir im Haushaltsausschuss erneut, und zwar auf Initiative der großen Koalition hin, einen unmissverständlichen Beschluss herbeigeführt, der jedwede anders lautende Auslegung künftig ausschließen und eine offensichtlich gängige Staatspraxis ab sofort unterbinden soll, um dadurch enorme Summen an Steuergeldern zu sparen. Die höchste Priorität bei den Themen, die uns in den vergangenen Wochen außerhalb der eigentlichen Etatberatungen beschäftigt haben, hatte allerdings das 44 Millionen Euro schwere Sicherheitspaket, das nach den Kofferbombenfunden in Regionalzügen im Sommer eine sicherheitspolitische Debatte in Deutschland auslöste, in der es auch an absurden medienwirksamen Vorschlägen mancher Politiker nicht fehlte. Da wurden so genannte Train Marshals, also Zugbegleiter, ähnlich wie in Flugzeugen gefordert, ein Vorschlag, der allein 5 000 zusätzliche Kräfte bei der Bundespolizei erforderlich gemacht hätte. ({4}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema innere Sicherheit verdient eine ernsthafte, nachdenkliche und unaufgeregte Diskussion statt Aktionismus. Jeder Bürger möchte Sicherheit im Inneren. Das ist ein Grundbedürfnis. Ein hohes Sicherheitsgefühl für den Einzelnen bedeutet Lebensqualität und ist ein Standortfaktor für Wirtschaft und Staat. Aussagen und Kommentare - auch diese Debatte beschert uns das - zum letzte Woche veröffentlichten Zweiten Sicherheitsbericht der Bundesregierung spiegeln die ganze Widersprüchlichkeit zu diesem Thema in Deutschland wider. Nun legt die Bundesregierung in dieser Situation ein neues Sicherheitspaket vor, mit dem gezielt Maßnahmen zur Stärkung der Sicherheitsorgane ergriffen werden sollen, und reflexartig prangern einige Kritiker dieses als „Angstpolitik“ an. ({5}) Herr Korte hat uns gerade ein erneutes Beispiel geliefert. Andere wiederum, wie der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, versuchen, den Sicherheitsbericht als „Wohlfühlbericht“ zu disqualifizieren und werfen denselben Politikern vor, die Situation zu verharmlosen und zu wenig zu tun. - Ja was denn nun? Wie wir zu einem Mehr an innerer Sicherheit kommen, daran scheiden sich offensichtlich die Geister. Das Sicherheitspaket dient den Kritikern als vermeintliche Preisgabe liberaler Bürgerrechte; manchen geht es zu weit und anderen wiederum nicht weit genug. Die einen sehen den Datenschutz in Gefahr, die anderen kriminelle Strukturen angesichts bürokratischer Hemmnisse des Staates im Vorteil. Da wird das Schreckgespenst des Überwachungsstaates an die Wand gemalt - Herr Korte hat eben von Gesinnungsschnüffelei gesprochen - und gleichzeitig wird festgestellt - Sie hören jetzt besser zu -, ({6}) dass die oftmals überlegene technische Aufrüstung der Täter, egal ob aus organisierter Kriminalität oder terroristischer Szene, dann auch eine Nachrüstung der staatlichen Organe notwendig macht, wenn wir wollen, dass diese ihre Arbeit im Sinne der Menschen ordentlich und erfolgreich erfüllen können. Wir wollen das! ({7}) Maßnahmen für mehr innere Sicherheit sind immer eine Gratwanderung in dem eben skizzierten Sinn. Wir diskutieren hier das „Programm zur Stärkung der Inneren Sicherheit“, das ein Maßnahmenbündel zur logistischen und personellen Verstärkung aller Sicherheitsorgane des Bundes enthält und für das die Bundesregierung von 2007 bis 2009 132 Millionen Euro bereitstellt, das sind 44 Millionen Euro im Jahr. Der Hauptschwerpunkt der Maßnahmen liegt mit über 64 Millionen Euro, bezogen auf diesen Dreijahreszeitraum, beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Herr Korte, Sie haben den Verfassungsschutz soeben in besonderer Art und Weise diffamiert. Sie müssten schon deutlich machen, was Sie eigentlich wollen. Das, was Sie hier dargestellt haben, entbehrt jeder Grundlage. Sie haben gesagt: Wir brauchen wieder eine parlamentarische Kontrolle. Ich verweise auf das Vertrauensgremium. Dort sind neben mir zwei weitere Abgeordnete meiner Fraktion Mitglied; Sie nicht, aber eine Kollegin von Ihnen. Sie haben hier alles - Bundesamt für Verfassungsschutz, BND - in einen großen Topf geworfen, das Ganze mit dem Untersuchungsausschuss vermengt, einmal kräftig umgerührt, um letzten Endes die Arbeit der Kollegen zu diffamieren. ({8}) Herr Korte, das müssen wir wirklich ablehnen. Sie stellen letzten Endes die Arbeit des Verfassungsschutzes infrage. Da machen wir nicht mit. ({9}) Wir, die SPD, sind angesichts der Analyse der Gefährdungslage der Auffassung, dass es genau richtig ist, den Schwerpunkt auf den Verfassungsschutz zu setzen. Alle weiteren neuen Stellen sind beim Bundeskriminalamt angesiedelt. Das ist der zweite Investitionsschwerpunkt. Der Etat des BKA für 2007 wird zu diesem Zweck zielgerichtet um insgesamt 11,24 Millionen Euro aufgestockt. Mein Kollege hat zu diesem Bereich schon viel gesagt, weswegen ich darauf weniger ausführlich eingehen kann. Der Aufbau der Antiterrordatei, auf den sich die Innenministerkonferenz im September nach jahrelangem Hickhack und unter dem Eindruck der neuen Bedrohungslage endlich verständigt hat, und der beschlossene Ausbau der Erfassung sowie die Analyse von Massendaten erfordern erhebliche Mittel. Die Bundespolizei erhält kein zusätzliches Personal - das braucht sie auch nicht -, weil sie durch die Antiterrorpakete I und II personell erheblich aufgestockt worden ist; erst in diesem Jahr sind knapp 1 200 Anwärter eingestellt worden. Dennoch erhält die Bundespolizei Spezialausrüstungen, die sie dringend braucht, zum Beispiel Wärmebildkameras zur Überwachung der Bahngleise, Videokameras zur Überwachung von Bahnhöfen oder des Flughafens Frankfurt am Main. Außerdem sollen weitere Spürhunde angeschafft werden. Das ist schon erwähnt worden. Ich bin zuversichtlich, dass mit diesem Maßnahmebündel zielgenaue und vernünftige Vorschläge zur Verbesserung der inneren Sicherheit in Deutschland umgesetzt werden. Ich will aber darauf hinweisen, dass die Medaille „innere Sicherheit“ zwei Seiten hat. Wir sollten die zweite Seite nicht aus dem Blick verlieren: die Prävention. Auch sie spielt in diesem Haushalt eine erhebliche Rolle. Die Prävention wird deutlich durch ein Mehr an politischer Bildung, durch Projekte gegen Rechtsextremismus und durch die Stärkung gesellschaftlicher Initiativen für mehr Toleranz und Demokratie. Prävention heißt, Personengruppen verschiedenster Religionen und Kulturen ins öffentliche Leben unserer Gesellschaft einzubinden, sie zu beteiligen, statt sie auszugrenzen, gerade den Kindern und Jugendlichen eine faire Chance auf Bildung und Ausbildung zu geben. ({10}) Prävention meint Integrations- und Sprachkurse, eine Bleiberechtsregelung mit humanem und christlichem Antlitz und eine Stadtentwicklung, die der Gettoisierung vorbeugt. ({11}) In diesem Bundeshaushalt gibt es viele Ansätze, die für die Prävention in Deutschland eine wichtige Rolle spielen. Ich freue mich ganz besonders, dass die Programme gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Einzelplan 17, durch die seit 2001 4 000 Projekte in ganz Deutschland mit mehr als 163 Millionen Euro gefördert worden sind, fortgesetzt werden. Die Mittel dafür werden sogar um 5 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt. Auch im Haushalt des Innenministeriums haben wir ein deutliches Signal gesetzt, indem wir die Mittel für das Bündnis für Demokratie und Toleranz um 300 000 Euro aufgestockt haben. Das ist ein Plus von 40 Prozent gegenüber 2006. Unter dem Dach dieses Bündnisses arbeiten 1 300 Gruppen und Initiativen in ganz Deutschland. Die Arbeit dieser Gruppen und Initiativen gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus wird überwiegend ehrenamtlich geleistet. Das Motto lautet: Hinschauen, handeln, helfen. ({12}) Das Bündnis für Demokratie und Toleranz lobt jedes Jahr einen Preis aus, der mit 1 000 bis 5 000 Euro - nicht üppig - dotiert ist. Dieser Preis wird ausnahmslos Initiativen in der ganzen Bundesrepublik verliehen, die sich diesen Zielen ohne staatliche Unterstützung verschrieben haben. Auch wenn die Preisgelder nicht hoch sind, helfen sie insbesondere dabei, das gesellschaftliche Engagement zu stärken. Ich nutze diese Gelegenheit - aus zeitlichen Gründen kann ich das nur ganz kurz tun -, auf den VictorKlemperer-Jugendwettbewerb hinzuweisen, den ebenfalls dieses Bündnis zusammen mit dem ZDF und der Dresdner Bank ausrichtet. Junge Menschen ab 14 Jahren sind aufgerufen, sich bis zum 31. März 2007 mit kreativen Beiträgen zu beteiligen. Über 82 000 Teilnehmer aus dem In- und Ausland haben sich in den letzten Jahren daran beteiligt. Dass das wichtig ist und zur Stärkung der politischen Bildung junger Menschen beiträgt, konnten wir gerade jüngst vor anderthalb Wochen in Brandenburg wieder erleben, als Menschenketten und sogar ein Staffellauf von 200 Grundschülern unter dem Motto „Bunt statt Braun“ mit selbst gemalten Plakaten klare Zeichen gegen die Aufmärsche der NPD setzten. Solche Aktionen machen Mut und verdienen unsere Unterstützung und unseren Beifall. ({13}) Eine gelungene Integrationspolitik ist wirksame Prävention. Sie hängt auch davon ab, ob die Integrations- und Sprachkurse erfolgreich und flächendeckend angeboten werden können und ob dafür genug Geld zur Verfügung steht. Ich will jetzt nicht noch einmal, wie in meiner Rede im Sommer, vertieft darauf eingehen, ({14}) aber schon sagen, dass die Mittel nach der Kürzung um 67 Millionen Euro, die im Haushalt 2006 erfolgt ist - auch jetzt ist der Titel nur mit 140 Millionen Euro dotiert -, grundsätzlich zu knapp sind, und zwar nicht nur wegen des Integrationsgipfels und zusätzlicher qualitativer Anstrengungen, die wir parteiübergeifend wollen und die ab Sommer 2007 nach der Evaluierung umgesetzt werden sollen, sondern auch deswegen, weil die Zahl der Angebote für die schon jetzt Berechtigten nicht ausreicht. Speziell für Frauen mit Bedarf an Kinderbetreuung und für Analphabeten bleibt das Angebot weit hinter dem Bedarf zurück. Ich vertraue darauf, da es im Haushalt des BMI einen Deckungsvermerk gibt, der sicherstellen soll - mein Kollege Michael Luther hat darauf hingewiesen -, dass alle Kursangebote im bisherigen Leistungskatalog zielgruppengerecht und in vollem Umfang fortgeführt werden können und dass kein Integrationswilliger abgewiesen werden muss. ({15}) - Das ist wahr. Qualifizierte Verbesserungen werden sicherlich nach der Evaluierung beschlossen und dafür werden gewiss zusätzliche Mittel benötigt werden. Unter Prävention im weiteren Sinne ist auch der Sport zu sehen. Im Haushalt des Bundesinnenministeriums stehen dafür wieder 108,5 Millionen Euro zur Verfügung. Die Fußballweltmeisterschaft in Deutschland war nicht nur ein voller Erfolg auf dem Spielfeld, nicht nur ein riesiges Sportfest für die junge Generation mit der Chance auf internationale Freundschaftsbeziehungen und Völkerverständigung, und bei ihr hat die Welt nicht nur erlebt, dass man in Deutschland fast fünf Wochen schönes Wetter haben kann - das wird die Tourismusbranche gefreut haben -, sondern die Fußballweltmeisterschaft war auch ein finanzieller Erfolg. Bei der DFBKulturstiftung sind 5 Millionen Euro nicht ausgegeben worden. Wir Haushälter und Sportpolitiker der großen Koalition haben uns gemeinsam darauf verständigt, dass diese 5 Millionen Euro für spezielle Projekte beim Sport verbleiben sollen. ({16}) - Ja, das ist einen Applaus wert. Mich hat leicht irritiert - das will ich an dieser Stelle doch sagen -, dass man sich auf der Homepage des DOSB mit fremden Federn schmückt. Es ist nicht richtig, dass es auf Initiative des DOSB zu dieser Mittelverwendung kommt. Es waren die Parlamentarier aus dem Sportbereich und aus dem Haushaltsausschuss, die das gemeinsam bewegt haben. Ich würde mir schon wünschen, dass sich der DOSB möglichst um die Teile der Dopingproblematik intensiv kümmert, die auf seinem eigenen Spielfeld sind. ({17}) Damit meine ich explizit die Dopingopfer aus der Zeit der ehemaligen DDR. Ich würde mir wünschen, dass er da deutliche Schritte nach vorn geht. ({18}) Dass wir das mit Mitteln aus dem Bundeshaushalt unterfüttern, haben wir schon gesagt. ({19}) - So ist es und so habe ich es auch gesagt. Ich komme zum Schluss. Meinen Mitberichterstattern danke ich für einen fairen und konstruktiven Beratungsmarathon sowie dem Minister mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die umfangreiche Zuarbeit und Information, ganz besonders aber dafür, dass er unsere parlamentarischen Beschlüsse vom letzten Sommer in den Beratungen zum Haushalt 2006 sowohl zu den Sparanstrengungen wie auch zu unserer Schwerpunktsetzung für die Bundeszentrale für politische Bildung und für das THW ohne Wenn und Aber eins zu eins fortgeschrieben hat. Die hier im Schnelldurchlauf diskutierten Themen

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, Sie wollten zum Schluss kommen.

Bettina Hagedorn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003545, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- in großer Bandbreite lieferten uns Parlamentariern in den letzten zwei Monaten Anlass für über 100 Berichtsanforderungen und intensive Beratungen mit letztlich guten Beschlüssen. Ich freue mich auf die künftige Zusammenarbeit und ich hoffe sehr, dass Sie sich mit mir darauf freuen. Vielen Dank. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Wieland, Bündnis 90/Die Grünen.

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Luther, Frau Kollegin Hagedorn, das war ja zweifelsohne sehr interessant, was Sie hier vorgetragen haben. ({0}) Eines hat mir aber gefehlt. Darüber bin ich ein wenig enttäuscht. ({1}) - Ich habe ausreichend Redezeit. So nett ist meine Fraktion zu mir; alles überhaupt kein Problem. In den vergangenen Tagen waren jeweils die Höhepunkte der Beiträge von Koalitionspolitikern die politischen Liebeserklärungen nach dem Motto: Wenn uns die Bevölkerung schon so wenig mag, dann mögen wir uns wenigstens selber. Bei der Beratung des Justizetats war es ganz beeindruckend, wie der Kollege Gehb Herrn Stünker um den Hals fiel. Letzterer wusste gar nicht, wie ihm geschah; gestern das Gleiche zwischen Volker Kauder und Peter Struck. ({2}) Nun war ich darauf eingestellt, dass Herr Uhl oder wenigstens Herr Grindel Herrn Wiefelspütz umarmt und von der ganz großen politischen Liebe spricht. Nichts dergleichen ist geschehen. ({3}) Da ich ja immer positiv denke, überwinde ich meine Enttäuschung und interpretiere das so, dass die SPD einen gewissen Widerstand gegenüber dem Hunger nach Sicherheitsgesetzen und Daten - Herr Kollege Korte, Sie haben es geschildert - leistet, der die konservative Seite immer wieder befällt. Wie das Krümelmonster nach Keksen ruft, rufen die Konservativen nach weiteren Gesetzen oder nach Verschärfungen von Gesetzen. Eine Sättigungsgrenze - das müssen Sie noch lernen - gibt es leider nie. ({4}) - Sie machen Zurufe. Ich interpretiere das so, dass die SPD weiterhin nicht bereit ist, alles mitzumachen. Das sollte auch so bleiben. ({5}) - Herr Koppelin, wenn ich sicher wäre, hätte ich mir nicht so viel Mühe gegeben. Damit haben Sie völlig Recht. ({6}) Der fehlenden Empathie zwischen den beiden Koalitionspartnern in der Innenpolitik entsprechen natürlich auch die mageren Ergebnisse, die in der Innenpolitik erzielt wurden. Das muss man ganz klar sagen. - Der Herr Bundesinnenminister lacht; er weiß also, wovon ich rede. Reden wir doch einmal über das Bleiberecht. Ich habe die Rede des Bundesinnenministers dazu beim BKA in Wiesbaden gehört. Er war richtig gelöst, denn die Kuh war vom Eis. Er sprach von einer gesetzlichen Regelung, nach der nach zwei Jahren Aufenthalt Arbeit gesucht werden könne. Er bekam viel Beifall und es herrschte allgemeine Zufriedenheit. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass der Bundesinnenminister einschränkte, er müsse diese Regelung noch in Nürnberg - er müsse ja dauernd nach Nürnberg - auf der Tagung der Landesinnenminister beraten. Es tagten also die Landesinnenminister und traten dann ganz happy vor die Fernsehkameras. Herr Bouffier und Herr Körting sagten, dass nun eine gute Regelung gefunden worden sei, die darin bestehe, dass jemand, der Arbeit gefunden habe, ein Aufenthaltsrecht bekomme, während die anderen, die schon seit Jahr und Tag nur geduldet seien - und für die wir schon unter RotGrün eine Regelung hätten finden müssen -, weiterhin geduldet würden. Die Landesinnenminister spielten aber weiter Hauptmann von Köpenick und legten fest: ohne Arbeit keine Aufenthaltsgenehmigung. Für diesen Personenkreis gilt umgekehrt aber auch die Maßgabe: ohne Aufenthaltsgenehmigung keine Arbeit. Damit nicht genug. Am Montag konnte man in der einen überregionalen Frankfurter Zeitung lesen, es handele sich um einen Quantensprung. So Herr Wiefelspütz, ({7}) der sich insbesondere bei Herrn Uhl bedankte. In der anderen überregionalen Frankfurter Zeitung konnte man die Aussage von Herrn Bosbach lesen: Ich denke, wir haben uns gar nicht geeinigt - ein wirklich gehaltvoller Satz. Bis heute steht infrage, ob es nun eine Einigung gibt oder nicht. ({8}) - Sie kommen aufs Stichwort, Herr Bosbach. - Das ist ja das Merkwürdige an der Union: Diejenigen, die wir früher als Fundamentalisten in der Frage der Zuwanderung erlebten, zum Beispiel Herrn Uhl und Herrn Grindel, sind unter dem Druck der Regierungsverantwortung zu so etwas wie Integrationsrealos geworden. ({9}) Auf der anderen Seite muss sich Herr Bosbach in der „FAZ“ von Herrn Wiefelspütz sagen lassen, er solle nicht immer mit Medienvertretern, sondern mit ihm reden, er sei der Zuständige. ({10}) Herr Steinbrück sagte vor zwei Tagen: Bitte etwas fairer mit der großen Koalition sein, was die Managementqualitäten angeht; wir sollten sie mit Großkonzernen in der Bundesrepublik vergleichen. ({11}) Selbst wenn ich an die Herren Piëch, Pischetsrieder, Ackermann und wie sie alle heißen denke: Mit Ihren Bleiberechtschaostagen haben Sie die getoppt, meine Damen und Herren. ({12}) Herr Korte hat den Wunsch nach einer Woche geäußert, in der der Bundesinnenminister einmal nicht den Einsatz der Bundeswehr fordert. Die Forderung, eine Woche darüber nicht zu reden, ist bescheiden. Wir haben von Frau Merkel gehört, dass die Fußballweltmeisterschaft ein Erfolg dieser großen Koalition war. Das Sicherheitskonzept ist sicherlich erfolgreich gewesen, insbesondere wenn man die Ängste zum Beispiel im Zusammenhang mit Public Viewing, die es vorher gab, berücksichtigt. Es hat funktioniert. Aber der Beitrag des Bundesinnenministers war - das ist doch nicht vergessen - eine sinnlose Debatte über den Bundeswehreinsatz im Inneren als Hilfspolizei fast bis zum Anpfiff dieser Fußballweltmeisterschaft. ({13}) Deswegen sind wir unbescheidener und sagen zur SPD: Erreichen Sie doch wenigstens eine Schweigeverpflichtung für den Bundesinnenminister in dieser Legislaturperiode, was das Thema Bundeswehreinsatz im Inneren angeht. Das würde unsere Nerven schonen und das würde vor allem die Demokratie in der Bundesrepublik schonen. ({14}) Auch für uns Grüne steht der internationale Terrorismus natürlich im Zentrum unserer Überlegungen. Es ist nur ein Zufall, dass heute nicht Köln in einer Reihe mit Madrid und London genannt wird. Wenn es all das, was hier beschlossen werden soll - das Programm „Innere Sicherheit“, verbesserte Videotechnik, Antiterrordatei -, damals schon gegeben hätte, hätte das nicht verhindert, dass die beiden Attentäter in die Züge einsteigen. Das ist eine bittere Wahrheit, die wehtut, aber dazu führen muss, dass wir erkennen, dass die Flucht in die Technik, die hier angetreten wird, und Massenüberwachung statt gezielter polizeilicher Arbeit der falsche Weg sind. Für uns gilt auch im Bereich der Gefahrenab6666 wehr das Motto „Klasse statt Masse“. Das ist anzustreben; darauf kommt es an. ({15}) Deswegen bedauern wir auch, dass wir seinerzeit mit der Forderung nach einer Strukturreformkommission für innere Sicherheit, Polizei und Geheimdienste gescheitert sind. Denn uns stellt sich die Frage, ob tatsächlich die Länderämter für Verfassungsschutz in der Lage sind, das zu leisten, was sie leisten müssen. Wir wollen nun wirklich kein Bundessicherheitsamt. Das dürfen Sie uns glauben; das wäre die falsche Antwort auf unser ausbalanciertes föderales System. Aber dass die Alternative nun gleich 38 staatliche Organisationen für den Bereich Sicherheit sein sollen, das kann uns niemand weismachen. Notwendig sind grundsätzliche Überlegungen und insoweit auch eine Evaluierung, um dazu zu kommen, dass wirklich alles getan wird, um dieser Bedrohung zu begegnen. ({16}) - Nein, im föderalen System. Das Antiterrorzentrum in Berlin-Treptow ist ein gutes Beispiel und wir haben es immer verteidigt. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, Kollege Wiefelspütz: Hätte man nicht in Schleswig-Holstein auf diesen einen jungen Mann aufmerksam werden müssen und hätte hier nicht präventiv gehandelt werden können? Wenn Sie immer sagen, die Geheimdienste seien gut kontrolliert und beaufsichtigt, dann muss ich Ihnen leider entgegnen: Das stimmt nicht. An effektiver parlamentarischer Kontrolle fehlt es nach wie vor. ({17}) - Sie nennen den Abgeordneten Ströbele. Aber er darf mir noch nicht einmal seine Erkenntnisse mitteilen. ({18}) Niemand von uns ist in der Lage, selber ein Bild des gesamten Bereiches der inneren Sicherheit zusammenzusetzen. ({19}) Hier besteht dringender Änderungsbedarf. Die FDP und wir haben Vorschläge vorgelegt, wie man zu einer Kontrolle kommen kann, die diesen Namen verdient. Sie haben sie bisher verworfen. ({20}) Uns kann ebenfalls nicht glücklich machen, dass das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz - das ist nicht nur ein Wortungeheuer, sondern auch ansonsten ein Monstrum - und das Anti-Terror-Datei-Gesetz als LastMinute-Gesetze offenbar im Schweinsgalopp durchgepeitscht werden sollen. Wir waren zu einem Berichterstattergespräch eingeladen. Aber als wir es gestern führen wollten, wurde es kurzfristig abgesagt. Wir waren die Ersten, die aufgrund der Anhörung Änderungsanträge eingereicht haben, und erwarten eigentlich, dass darüber geredet wird. Nachdem so lange über die Antiterrordatei diskutiert wurde, ist doch klar: Wer darin landet, gilt als Terrorist. Wenn der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz beschwichtigend sagt, wir werden, was die Anzahl der Einträge angeht, unterhalb des fünfstelligen Bereichs bleiben, dann muss man feststellen: Auch 9 999 Personen sind sehr viel. Wir fordern Sensibilität und bürgerrechtliches Bewusstsein ein. Es sollte noch einmal geprüft werden, wer in diese Datei aufgenommen werden soll. Es darf keinen Automatismus geben. Außerdem muss es eine klare Definition geben, wer Kontaktperson ist. Wir wollen erreichen, dass diese Datei den geringstmöglichen bürgerrechtlichen Schaden anrichtet. Es ist vor allen Dingen unser Bestreben gewesen, dass diese Datei eine Indexdatei bleibt. Wir wollen diese Diskussion in einem geordneten Verfahren bis zum Ende führen. ({21}) Noch eine Bemerkung - sie ist notwendig - zur rechtsextremistischen Gefahr. Wir wissen, dass die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten ansteigt. Die Täter werden immer frecher. Daher ist es richtig, dass 5 Millionen Euro mehr an Haushaltsmitteln für diesen Bereich eingestellt werden. Es ist aber falsch, dass diese Mittel nicht mehr auf Antrag, wie das bisher der Fall war, direkt an die Projekte fließen. Um nicht missverstanden zu werden: Es sollte ruhig evaluiert werden. Aber dass man die Kommunen verbindlich dazwischenschaltet und dass man damit riskiert, dass gut arbeitende Initiativen vor Ort ihre Arbeit einstellen, ist bedenklich. Teilweise sind die Mitarbeiter schon zu den Arbeitsagenturen gegangen. Es wurde beklagt, dass Kommunen, weil sie entsprechende Vorkommnisse verdrängen bzw. schönreden, nicht die notwendigen Anträge stellen. Diese Gefahr ist erkannt. Wir fordern daher, dass es hier Korrekturen, die längst überfällig sind, gibt. ({22}) Natürlich muss auch in der Verbotsfrage Klarheit herrschen. Meine Fraktion ist mit großer Mehrheit gegen einen erneuten Verbotsantrag. ({23}) - Auch ich nicht. Aber darauf kommt es, Kollegin Stokar, tatsächlich nicht an. ({24}) Ärgerlich ist, dass wir, nachdem der immerhin von drei Verfassungsorganen eingebrachte Verbotsantrag in Karlsruhe gescheitert ist, nun die nächste Katastrophe erleben. Denn so bald irgendetwas passiert - dazu zählt auch, dass die in Rede stehende Partei in den Landtag gewählt wird -, wird sofort über ein neues VerbotsverWolfgang Wieland fahren diskutiert, ohne dass sich die dafür primär zuständigen Innenminister eine Strategie überlegen und zu einer gemeinsamen Willensbildung - wir machen es oder wir machen es nicht - kommen, die dann auch verbindlich sein muss. Diese braunen Gesellen sind viel zu gefährlich, als dass sich die Demokraten an dieser Stelle auseinander dividieren lassen sollten. ({25}) Abschließend will ich sagen: Terrorismusbekämpfung ist nicht allein eine Frage der Sicherheitsbehörden, sondern auch eine politische Frage. Nach 30 Jahren fehlender oder falscher Einwanderungspolitik gibt es bei uns eklatante Mängel. Diese Fehler schlagen auch durch auf den Bereich Jugendgewalt und auf das, was in dem Sicherheitsbericht - darin sind auch Punkte enthalten, die nicht in Ordnung sind - aufgeführt ist. Dort heißt es zwar, dass wir insgesamt eines der sichersten Länder der Welt sind. Das ist objektiv richtig, aber diese Erkenntnis wird kein Opfer einer Gewalttat trösten. Gemäß dem Satz „Obwohl der See im Durchschnitt einen Meter tief ist, ist die Kuh ertrunken“ gibt es Bereiche, die alles in allem gesehen nicht in Ordnung sind. Der Bereich „Jugendliche mit Integrationshintergrund“ ist ein solcher, wo es brennt.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, Sie haben von der Fraktion ausreichend Redezeit bekommen. Ihre Redezeit ist zu Ende.

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich will hier niemandem die Redezeit nehmen. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, Sie nehmen niemandem mehr die Redezeit, außer dem Parlament.

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin, ein Schlusssatz sei gestattet: Die Demokratie muss sich zumuten, das Recht gegen ihre Feinde zu verteidigen, zugleich aber auch die Rechte dieser Feinde zu schützen. Das ist sehr wichtig. Entziehen wir uns dieser Aufgabe, die schwierig ist und immer populistischen Anfeindungen unterliegt

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, das waren jetzt drei Schlusssätze. Ihre Redezeit ist wirklich deutlich überschritten.

Wolfgang Wieland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003863, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

- danke -, dann laufen wir Gefahr, selber so zu werden wie die Feinde der Demokratie. Das sollten wir nicht tun. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble. ({0})

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir leben in einer angespannten Sicherheitslage. Die jüngsten Fahndungsergebnisse, sowohl die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft als auch die Fahndungserfolge britischer Kollegen zeigen, dass der Flugverkehr nach wie vor eines der Hauptangriffsziele von Terroristen sein kann. In Deutschland gab es einen Anschlag mit den glücklicherweise nicht zur Explosion gekommenen Kofferbomben und Vorbereitungen zu einem weiteren Anschlag, die die Bundesanwaltschaft zu ihren Ermittlungen veranlasst haben. Deswegen müssen wir alle Anstrengungen unternehmen, um das Menschenmögliche an Prävention und Sicherheit zu leisten. Das ist die Hauptaufgabe auf dem Felde der inneren Sicherheit. Ich bin froh, dass wir einen funktionierenden und leistungsfähigen Sicherheitsverbund zwischen Bund und Ländern haben. Bei manchen Debattenbeiträgen hatte ich gelegentlich das Gefühl, dass ich daran erinnern muss, dass sich die föderale Grundstruktur unseres Landes bewährt hat. Sie ist erfolgreich. ({0}) Sie hat sich entgegen manchen Sorgen nicht zuletzt bei der Fußballweltmeisterschaft in hervorragender Weise bewährt. Es steht dem Bund aus Anlass einer Haushaltsdebatte zur inneren Sicherheit zu, sich bei den Verantwortlichen in den Bundesländern, bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Länderpolizeien genauso wie bei denen der Sicherheitsorgane des Bundes für diese großartige Arbeit zu bedanken. ({1}) Wir brauchen die gesetzlichen Grundlagen für eine entsprechende Zusammenarbeit und den Austausch und die Sammlung von Informationen. Wir wollen die Antiterrordatei einführen, um die Informationen, die die einzelnen Institutionen sammeln, zu vernetzen. Das ist kein Schnüffelwahn, sondern die richtige Antwort, um die bewährte Arbeitsteilung und Zusammenarbeit im Föderalismus zu optimieren. ({2}) Herr Kollege Wieland, wir haben beim Terrorabwehrzentrum und der Antiterrordatei in der Tat 38 Stellen zusammenzuführen. Das ist schnell aufgezählt: Wir haben 16 Bundesländer, also 16 Länderpolizeien und 16 Landesämter für Verfassungsschutz. Dann haben wir das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Zoll, das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei, den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst. Schon sind wir bei 38. Die müssen zusammengeführt und ent6668 sprechende Informationen müssen vernetzt werden. Deswegen bitte ich darum, dass das Gesetz zur Errichtung der notwendigen Antiterrordatei zügig im Bundestag verabschiedet wird. Das dient der inneren Sicherheit unseres Landes. ({3}) Ich will gleich eine Bemerkung anschließen. Sie haben gesagt, all das, was wir vorhaben, hätte nichts genützt, um die Kofferbombenanschläge zu verhindern. Natürlich gibt es keine hundertprozentige Sicherheit. Aber die Konsequenzen, die wir im Hinblick auf das Aufenthaltsrecht aus unseren Erkenntnissen ziehen wollen, hätten, wenn sie schon gesetzliche Grundlage gewesen wären, dazu geführt, dass wir den Tatverdächtigen erkannt hätten, bevor er die Kofferbombe in den Zug gebracht hätte. Deshalb dürfen wir nicht den Verfassungsschutz beschimpfen, vielmehr müssen wir ein Gesetz entsprechend gestalten. Daran arbeiten wir vertrauensvoll und intensiv in der Koalition. Ein solches Gesetz werden wir auf den Weg bringen; und zwar in dem Sinne, dass man aus Erfahrungen Lehren zieht. Denn hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Die notwendigen Konsequenzen sind auf dem richtigen Weg. Genauso ist es mit dem Sicherheitsprogramm. Frau Kollegin Piltz, wir haben bereits in der ersten Lesung des Haushaltsplans über das Sicherheitsprogramm gesprochen. Damals lag noch nicht die Auswertung aller Erkenntnisse vor, dennoch habe ich schon verschiedene Maßnahmen angekündigt. Ich bin sehr dankbar, dass das Parlament zu einem guten - dem hier einzig möglichen Verfahren gefunden hat. In den Beratungen des von der Bundesregierung bereits eingebrachten Haushaltsgesetzentwurfs hat der federführende Haushaltsausschuss durch entsprechende Beschlüsse die notwendigen Konsequenzen gezogen. Demgemäß ist sowohl im Fachausschuss als auch im Haushaltsausschuss beraten worden. Ich bedanke mich dafür und bin ganz sicher, dass es im Rahmen einer sehr effizienten Verwendung begrenzter Mittel der richtige Weg ist. Wir werden die Kompetenzen des Verfassungsschutzes verbessern und das Internet besser beobachten lassen; denn dort werden Verabredungen getroffen, Hetzparolen verbreitet und Taten vorbereitet. Es ist notwendig, die Bahnstrecken besser zu sichern. Die entsprechenden Mittel dafür sind eingestellt. Das heißt, wir ziehen auch hier die Konsequenzen aus den gemachten Erfahrungen auf der Grundlage einer konsolidierenden Haushaltsführung. Ich bedanke mich dafür, dass wir das in der richtigen Weise und im richtigen Maß und im Rahmen einer guten Zusammenarbeit tun. Dies entspricht allen Formen der parlamentarischen Beratungen; anderes zu behaupten, ist nicht richtig. Dazu gehört angesichts veränderter Aufgabenstellungen auch, dass wir die gute Bundespolizei, die hervorragende Arbeit im Sicherheitsverbund von Bund und Ländern leistet, auf veränderte Aufgabenstellungen vorbereiten und entsprechend ausrüsten. Ich kann Ihnen nicht sagen, wann der Schengenraum erweitert wird. Dass dies jedoch in den nächsten Jahren der Fall sein wird, ist klar. Die Voraussetzungen dafür müssen innerhalb der Europäischen Union geschaffen werden. ({4}) Die organisatorischen Veränderungen innerhalb der Bundespolizei muss ich auch mit den Ländern besprechen. Dazu haben wir in Nürnberg den ersten Schritt getan, zeitgleich haben wir die Bundespolizei über die Grundlinien der Umorganisation unterrichtet. Wir wollen bei gegebenen personellen und sachlichen Mitteln die Effizienz der Bundespolizei weiter stärken und tun dies im Sicherheitsverbund mit den Ländern und im Bewusstsein dessen, dass wir durch ein verändertes Grenzkontrollsystem im Schengenraum natürlich keine Sicherheitsverluste eingehen dürfen, sondern dass wir mit einer veränderten Organisation mindestens genauso viel, besser noch mehr Sicherheit für die Zukunft gewährleisten. Das ist das Ziel der Organisationsreform. Es wird jetzt eine Arbeitsgruppe eingesetzt und über alle Einzelheiten wird intensiv beraten. Danach wird entschieden. So ist der Sachstand. ({5}) Frau Piltz, Sie haben gefragt: Brauchen wir denn noch Mittel zur Sicherung der Kommunikationsinfrastruktur zur Früherkennung terroristischer Straftaten? Ich sage Ihnen: Dort brauchen wir ein ganz anderes Maß an Sicherheit in der Kommunikation als bei der Einführung des Digitalfunks bei den Behörden, die Ordnungsund Sicherheitsaufgaben wahrnehmen. Beim BOS sind etwa 500 000 Polizisten der Länder und des Bundes, Feuerwehrleute, Mitarbeiter und Helfer des Technischen Hilfswerks zugangsberechtigt. Dort werden nicht die sensiblen Informationen eingestellt werden, dort geht es um die Bewältigung der Aufgaben im Alltag. Deswegen ersetzt das nicht die Mittel, die wir für den Schutz der Kommunikation in ganz besonders sensiblen Bereichen der Früherkennung terroristischer Straftaten brauchen. Die entsprechenden Forschungsmittel müssen wir dafür einsetzen. Deswegen geht Ihr Entschließungsantrag von einer falschen Erkenntnis des Sachverhalts aus.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Schäuble, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Bitte sehr.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Koppelin.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, Sie haben eben das angesprochen, was meine Kollegin Piltz zuvor schon angesprochen hatte, nämlich das, was zurzeit bei der Bundespolizei diskutiert wird. Dort, wo ich wohne, gibt es ein Präsidium der Bundespolizei. Finden Sie es in Ordnung, dass die Angehörigen der Bundespolizei den Medien entnehmen müssen - in einem Schreiben des Innenministeriums wird das nur angedeutet -, dass irgendetwas auf sie zukommt, sie aber nicht wissen, was? Finden Sie es in Ordnung, dass anscheinend nur bestimmte Abgeordnete der Koalition informiert worden sind? Ich habe gestern mit Ihrem Haus telefoniert. Mir hat man gesagt, dass es nicht beabsichtigt sei, die Opposition zu informieren. Diese Auskunft habe ich von Ihrem Haus erhalten.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Das glaube ich nicht, Herr Kollege Koppelin. ({0}) - Sie haben ja nicht mit mir gesprochen. Ich war bei einer Konferenz der Afrikanischen Union und der Europäischen Union in Tripolis; daher haben wir nicht miteinander gesprochen. Deswegen sage ich Ihnen: Kein Mitarbeiter meines Hauses gibt solche Auskünfte. Das Folgende ist die Wahrheit: Wir haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundespolizei zeitgleich über das unterrichtet, was entschieden ist, nämlich das Verfahren, das ich gerade beschrieben habe, einzuleiten. ({1}) Darüber sind Sie nicht besser oder schlechter informiert als jeder andere auch. Und ein Mitarbeiter meines Hauses hätte Ihnen wahrscheinlich richtigerweise gesagt: Über mehr können wir Sie nicht unterrichten, weil mehr noch nicht entschieden ist. Es tut mir Leid, das ist so. Es ist überhaupt nicht beabsichtigt, irgendjemanden bei der Informationserteilung hintanzustellen. Sie erwarten wahrscheinlich Aussagen zu Standorten von mir. Es gibt aber überhaupt noch keine Überlegungen zu Standorten. Wir haben diese Grundlinien zur Umorganisation der Bundespolizei und das von mir beschriebene Verfahren jetzt auf den Weg gebracht, nicht mehr und nicht weniger. Ich hoffe, dass die Missverständnisse damit ausgeräumt sind. Mir liegt nämlich sehr an einer vertrauensvollen und offenen Zusammenarbeit. ({2}) - Das stimmt nicht. Frau Kollegin Hagedorn hat genau die Informationen, die ich Ihnen hier nenne. Da bisher nicht über mehr entschieden ist, kann sie nicht mehr Informationen haben. ({3}) Das Verfahren, in dem Entscheidungen herbeigeführt werden können, beginnt ja gerade erst. In der gebotenen Kürze möchte ich gerne noch ein paar Sätze zu einem weiteren Thema sagen. Neben der Gewährleistung von Sicherheit im Verbund von Bund und Ländern, neben der Präventionsarbeit und der Bekämpfung der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus ist natürlich das andere große Schwerpunktthema der Innenpolitik dieser Regierung der großen Koalition die Verbesserung der Integration der Menschen, die mit uns zusammenleben. Auf diesem Gebiet sind wir in diesem Jahr zwar gut vorangekommen, wir sind aber noch lange nicht am Ziel. ({4}) Das ist ein wichtiger Punkt. Wir arbeiten intensiv daran, mit all den vielen Facetten, die dazugehören. Herr Kollege Wieland, Sie haben am Ende Ihrer Rede ohne jede kritische Einschränkung die terroristische Bedrohung in einen sachlichen Zusammenhang mit der Zuwanderung in den letzten Jahrzehnten gestellt. Wenn Sie das bestreiten wollen, lesen Sie es im Protokoll nach. Solche Äußerungen können wir überhaupt nicht gebrauchen. Wenn wir die Zugewanderten unter einen Generalverdacht stellen, machen wir das genaue Gegenteil von dem, was sinnvoll ist. Wir brauchen die Mitarbeit und die Solidarität der großen Mehrheit unserer Mitbürger mit Migrationshintergrund bei der Bekämpfung des Terrorismus und keinen billigen Generalverdacht. ({5}) - Sie brauchen sich gar nicht zu erregen. Im Ausländer- und Aufenthaltsrecht gibt es die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Es gibt die Notwendigkeit, im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen Gesetze zu vollziehen; das ist Sache der Länder. Und es gibt die Notwendigkeit, Gesetze zu ändern, zu ergänzen, weiterzuentwickeln; das ist Sache der Gesetzgebungsorgane des Bundes, des Bundestages und des Bundesrates. Deswegen müssen sie zusammenwirken. Wir stehen vor einer komplexen, vor einer komplizierten und umfassenden Novellierungsarbeit. Wir müssen elf EU-Richtlinien und eine Reihe anderer Punkte umsetzen, so auch aus den geplanten Kofferbombenanschlägen Konsequenzen ziehen. Daran arbeiten wir. In der Koalition herrscht ein großes Einvernehmen darüber, dass das, was wir in der vergangenen Woche verabredet haben, gilt. Nur haben die Innenminister gesagt: Wir warten mit einer Bleiberechtsregelung, auf die viele schon so lange warten, nicht, bis ein Gesetz in Kraft ist - das würde nämlich mindestens bis zur Mitte des nächsten Jahres dauern -; vielmehr wollen wir sofort eine Regelung in Kraft setzen. Sie gilt schon seit dem vergangenen Montag. Das ist doch eine richtige Ergänzung und nicht das Gegenteil. ({6}) Die Konsequenzen, die Sie daraus abgeleitet haben, sind allenfalls unsinnig, um nicht Unfreundlicheres zu sagen. ({7}) Wir arbeiten zusammen und kommen gut voran. Ich verteidige den Sicherheitsverbund von Bund und Ländern, weil ich ein überzeugter Anhänger des Föderalismus bin, genauso wie ich den Vorrang ehrenamtlichen Engagements verteidige. Denn unsere freiheitliche Gesellschaft lebt davon und ist darauf angewiesen, dass wir nicht glauben, der Staat könne alles regulieren und organisieren. Wichtiger ist das freiwillige Engagement der Bürgerinnen und Bürger, Freiheit und Verantwortung in einer richtigen Weise zu leben und dafür einen Rahmen zu geben. Das ist das Prinzip unserer Sportförderung, die wir auf hohem Niveau weiterfahren. Auf diesem Sektor gibt es ein schwieriges Thema: Wir, insbesondere die Kolleginnen und Kollegen im Sportausschuss, werden in den nächsten Wochen darüber zu reden haben, wie wir bei der Dopingbekämpfung das Zusammenwirken der Selbstverantwortung des Sports und der Verantwortung des Gesetzgebers optimieren können. Ich bleibe bei meiner Grundthese - auch wenn ich nicht in jedem Punkt jede Meinung teile -, dass wir das Problem nur gut lösen können, wenn Gesetzgeber, Strafverfolgungsorgane und Sport optimal zusammenarbeiten. Wenn der Gesetzgeber anstelle der Selbstverantwortung des Sports Doping bekämpfen wollte, würden wir Steine statt Brot bekommen. Deswegen versuchen wir, ein Zusammenwirken zu organisieren. ({8}) In diesem Zusammenhang mache ich die Bemerkung, dass wir auch bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit, neonazistischen Bestrebungen, aber auch von Linksextremismus nicht die alleinige Verantwortung des Staates erwarten können. So können wir das Problem nicht lösen. ({9}) Wenn die Wahlbeteiligung zurückgeht und radikale Parteien dadurch relativ bessere Ergebnisse bekommen, muss man den Bürgerinnen und Bürgern sagen: Geht wählen! Denn eine Demokratie leidet am ehesten dann Gefahr, wenn es einen Mangel an Demokraten gibt. ({10}) Deswegen sind unsere Programme zur Bekämpfung von Extremismus darauf angelegt, die Menschen zum Mitmachen zu gewinnen. Wir überlegen zusammen mit den Ländern, wie wir bessere Angebote machen können, beispielsweise im Bereich Sport, aber auch zusammen mit anderen Organisationen, zum Beispiel dem Technischen Hilfswerk oder Jugendfeuerwehren. All das gehört in ein Gesamtkonzept. Unsere Bemühungen finden in einer Zeit statt, in der der Einfluss neuer Informationstechnologien - vom Fernsehen über das Internet bis hin zu Computerspielen nicht nur bei Kindern mit Migrationshintergrund furchtbar problematische Wirkungen hat, wie wir in den letzten Tagen gesehen haben.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Schäuble, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Winkler?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Ja, aber erst nach Ende dieses Gedankens, Herr Präsident. Hiermit ist die Notwendigkeit verbunden, dass wir das Engagement und die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger durch unsere politischen Entscheidungen und die Art, wie wir diskutieren, einfordern, dass wir also nicht einfach sagen: Wir machen das für euch, ihr braucht euch um nichts zu kümmern. Das wäre der falsche Weg. Bitte sehr, Herr Kollege Winkler.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön.

Josef Philip Winkler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003660, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister Schäuble, ich war eben so sprachlos, dass ich mich erst einen Satz später zur Zwischenfrage gemeldet habe. Dieser Satz war dann sehr lang. Deswegen wundern Sie sich bitte nicht, wenn ich mich jetzt auf das vorherige Thema beziehe, nämlich die Bleiberechtsregelung. Meine Frage bezieht sich darauf, dass Sie gesagt haben, dass es keine Widersprüche zwischen dem, was die Innenministerkonferenz verabredet hat, und dem, was Sie in der Koalition vereinbart haben, gibt. Das nehme ich Ihnen gerne ab. Für mich als Oppositionspolitiker gibt es manchmal nur die Zeitung als Informationsquelle. Das kann schon einmal vorkommen. Der Presse konnte ich entnehmen, dass Kollege Bosbach behauptet hat, es gebe gar keine Einigung oder er sich nicht mehr daran erinnern könne. Ich konnte in der Zeitung auch lesen, dass es Krisentreffen der Innenpolitiker gab, bei denen noch einmal besprochen wurde, was überhaupt bei dieser Einigung herausgekommen ist. Hier hätte ich gern etwas mehr Klarheit. Denn so, wie es im Moment aussieht, machen wir bezüglich der Bleiberechtsregelung eher zwei Schritte vor und drei Schritte zurück.

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Nein, Herr Kollege Winkler, so ist es nicht. Erstens. Zwischen dem, was die Innenminister beschlossen haben, und dem, worüber wir hier reden, besteht in der Tat kein Widerspruch, sondern ein Verhältnis der Komplementarität. ({0}) Generall kann man das Problem der Altfallregelung gesetzlich oder durch einen Beschluss der Innenministerkonferenz nach § 23 des Aufenthaltsgesetzes, der des Einvernehmens des Bundesinnenministers bedarf - das habe ich erklärt -, lösen. Wenn Sie den Beschluss der Innenminister sehen, erkennen Sie, dass diese sagen, dass sie begrüßen, dass sich der Gesetzgeber darum bemüht. Aber die Innenminister haben jetzt eine Regelung beschlossen, die seit Montag dieser Woche, das war der 20. dieses Monats, gilt. Wenn eine gesetzliche Regelung in Kraft tritt - diese muss der Bundestag beschließen, dazu muss sie erst einmal eingebracht werden, dann wird sie beraten und dann muss der Bundesrat zustimmen -, tritt sie ergänzend oder ersetzend hinzu. Insofern ist das kein Widerspruch. Es muss Ihnen also nicht die Sprache verschlagen. Zweitens. Sie haben den Kollegen Bosbach falsch bzw. verkürzt zitiert. Der Sachverhalt ist ganz einfach: Wir sind noch nicht fertig. Wir beraten intensiv. Wir kommen Schritt für Schritt voran. Wir haben das, was wir vergangene Woche beraten haben, mit den Innenministern der Länder erörtert. Dabei herrschte von vornherein nicht nur Jubelstimmung; das ist wahr. Dann haben wir zwei Tage lang beraten. Danach waren alle der Meinung, dass wir gemeinsam ein gutes Ergebnis erzielt haben. Jetzt arbeiten wir weiter. Heute Mittag treffen wir uns erneut. All das ist nicht geheim. Ich bin zuversichtlich, dass wir gute Ergebnisse erzielen werden. Warum bin ich zuversichtlich? Erstens, weil uns in der Koalition trotz unterschiedlicher Ausgangspunkte unsere gemeinsame Verantwortung bewusst ist und wir im Wissen um unsere gemeinsame Verantwortung einen partnerschaftlichen Umgang miteinander pflegen. Dafür bedanke ich mich. Das wollen wir fortsetzen. Zweitens, weil diese Verantwortung über die Grenzen der Koalitionsfraktionen hinausgeht. Alle Abgeordneten haben diese Verantwortung. Den Herrn Kollegen Korte möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen: Wir würden den Rechtsextremismus, insbesondere rechtextremistische Gewalttaten, vielleicht noch erfolgreicher bekämpfen können, wenn sich Linksextremisten nicht immer mit Rechtsextremisten zu gemeinsamen Gewalttaten verabreden würden. Das wäre hilfreich. ({1}) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wie ich bereits sagte, habe ich gestern an einer Konferenz teilgenommen, auf der es um das Verhältnis zwischen der EU und der Afrikanischen Union ging. In einem solchen Zusammenhang nimmt man die Probleme in ganz anderen Dimensionen wahr, gerade die Probleme der Globalisierung. Das Zeitalter, in dem wir leben, ist durch beschleunigten Wandel gekennzeichnet. In einer solchen Zeit ist die Bewahrung und Sicherung einer freiheitlichen Ordnung mit Sicherheit - man möchte nicht zu viele Kontrollen, aber ein hinreichendes Maß an Sicherheit - eine Riesenaufgabe. Es ist eine große Herausforderung, dafür zu sorgen, dass sich die Menschen in dieser Ordnung nicht verloren fühlen, sondern genug Raum für Eigenverantwortung und Engagement haben. Dieses Bemühen ist keineswegs nur am Haushalt des Geschäftsbereichs des Bundesinnenministeriums zu erkennen, aber es spiegelt sich in besonderer Weise in vielen Einzelpositionen dieses Haushalts wider. Deshalb bedanke ich mich für die gute Zusammenarbeit und bitte um Ihre Zustimmung zum Einzelplan 06. Herzlichen Dank. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Jan Korte.

Jan Korte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003790, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Verehrter Herr Bundesminister Schäuble, das Thema Bundeswehr lassen Sie mittlerweile ruhen. Das neue Lieblingsthema, insbesondere der Union, scheint nun darin zu bestehen, Linksextremismus und Rechtsextremismus gleichzusetzen; ({0}) denn das tun Sie seit mehreren Wochen immer wieder. Diese Gleichsetzung weise ich entschieden zurück. Sie ist eine Bagatellisierung dessen, was in diesem Land geschieht. Denn seit 1990 sind bereits mehr als 130 Menschen von Rechtsextremen ermordet worden. ({1}) Ich fordere Sie auf, die Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus zu unterlassen. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Schäuble, möchten Sie erwidern?

Dr. Wolfgang Schäuble (Minister:in)

Politiker ID: 11001938

Nein.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Dann erteile ich als nächstem Redner dem Kollegen Ernst Burgbacher von der FDP-Fraktion das Wort. ({0})

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Innenminister Schäuble, es ist die Pflicht des Staates, für die Sicherheit seiner Bürger und für die Sicherheit des Landes zu sorgen. Da Sie der Bundesinnenminister sind, ist das natürlich vor allem Ihre Pflicht. Die FDP haben Sie dabei an Ihrer Seite. Wenn es um Freiheit und Sicherheit geht, dann gilt - das ist völlig klar -: Ohne Sicherheit ist Freiheit nicht möglich. Auch deshalb verfolgen wir alle gemeinsam das Interesse, die Sicherheit unserer Bürger zu gewährleisten. Auf diesem Gebiet haben Sie unsere Unterstützung. ({0}) Zwischen Freiheit und Sicherheit existiert aber zweifellos auch ein Konfliktfeld. Daher müssen wir uns bei allen Maßnahmen, die wir treffen, fragen: Inwiefern führen sie zu einer Einschränkung der persönlichen Freiheit? Inwiefern greifen wir dadurch in die Persönlichkeitsrechte der Bürgerinnen und Bürger ein? Wenn wir diese Fragen beantworten, müssen wir sehr wachsam sein. Wenn jedesmal nach einem Vorfall Aktionismus einsetzt und schnell neue Gesetze auf den Weg gebracht werden sollen, dann können Sie sich allerdings genauso sicher sein, dass wir kritische Fragen stellen werden. ({1}) Ich möchte das in der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit an wenigen Beispielen deutlich machen. Ihr Vorgänger, Herr Minister, hat damals das Luftsicherheitsgesetz auf den Weg gebracht, als Antwort auf den 11. September, aber vor allem auf den Vorgang von Frankfurt. Eine Regelung, die damit eingeführt und zunächst kaum beachtet wurde, war die Zuverlässigkeitsüberprüfung von Piloten - eine völlig überzogene Maßnahme, jetzt noch im jährlichen oder zweijährlichen Turnus abzulegen. In einer Empfehlung der Ausschüsse des Bundesrates kann man lesen - wörtlich, ich zitiere -: Nach einhelliger Expertenmeinung gehen die größten Gefahren von den Privatfliegern aus. Das ist ein Affront gegen eine ganze Bevölkerungsgruppe und ist durch nichts, aber auch gar nichts gerechtfertigt. ({2}) Genauso könnten Sie alle PKW-Fahrer nehmen! Das wissen wir doch alle. ({3}) Deshalb sage ich deutlich: Lassen wir diesen Unsinn endlich bleiben! Ich weiß, Herr Minister, Sie unterstützen mich dabei, wenigstens zu einem fünfjährigen Turnus überzugehen. Ich bitte Sie wirklich: Überprüfen wir das Ganze noch einmal! Denn das Verrückte daran ist ja: Alle, die im Ausland ihren Flugschein machen, können fliegen, wie sie wollen, und brauchen überhaupt keine Überprüfung. Da stimmt doch etwas nicht bei dem Ganzen! ({4}) Zweites Beispiel: Wir erlauben den Amerikanern, relativ wahllos auf die Daten der Flugpassagiere zuzugreifen; das hat Rot-Grün damals eingeführt. Wir haben jetzt ein Interimsabkommen, das in keiner Weise den deutschen Datenschutzvorschriften und den entsprechenden Ansprüchen gerecht wird. Lieber Herr Innenminister, wir stehen vor der deutschen Ratspräsidentschaft. Ich bitte Sie: Nutzen Sie jetzt die deutsche Ratspräsidentschaft für ein Abkommen, das unseren Datenschutzansprüchen entspricht! Dann unterstützen wir Sie. Wenn Sie das wie bisher nicht tun, sondern eigentlich ohne jeden Widerstand das akzeptieren, was irgendjemand bei der EU mit den Amerikanern aushandelt, treffen Sie auf unseren Widerstand. ({5}) Diese Daten werden übrigens nicht nur zur Terrorismusbekämpfung benutzt, sondern auch zur knallharten Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen. Sie können Internetseiten finden, auf denen amerikanische Firmen einem anbieten, über seine Konkurrenten Informationen zu liefern, darüber, wohin die überall liefern. Basis dafür sind die Daten aus der Terrorismusbekämpfung. Dadurch bekommt das Ganze noch eine ganz andere Dimension. Ich bin gespannt, welche Antwort wir auf unsere entsprechende Anfrage bekommen. Es kann nicht sein, dass die Terrorismusbekämpfung dazu missbraucht wird, unseren Firmen Nachteile zu bescheren. Dagegen wehren wir uns. ({6}) Wenn wir schon den Terrorismus bekämpfen wollen, dann sollten wir das dort tun, wo es sinnvoll ist. Es kann nicht sein, dass wir fast das einzige Land sind, wo noch analog gefunkt wird, dass wir es bis heute nicht geschafft haben, den Digitalfunk einzuführen. Das wären Maßnahmen, die helfen, die unsere Sicherheit verbessern. Das sollte man angehen und da ist die Regierung in der Pflicht. Aristoteles sagte einmal: Wer Sicherheit der Freiheit vorzieht, ist zu Recht ein Sklave. Ich nehme das sehr ernst. Ich sage: Hüten wir uns davor, auf dem Altar vermeintlicher Sicherheit immer mehr Freiheitsrechte zu opfern! Dort, wo es sinnvoll ist, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen - ja, aber unter Wahrung der Rechte des Einzelnen und unter Wahrung des Datenschutzes! Dafür wird die FDP auch künftig Garant sein. ({7}) Herzlichen Dank. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Gabriele Fograscher von der SPD-Fraktion. ({0})

Gabriele Fograscher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002653, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Deutschland ist eines der sichersten Länder der Welt, so das Fazit des Sicherheitsberichts, den die Bundesregierung vor kurzem vorgestellt hat. Dafür haben vorangegangene Regierungen und Abgeordnete gearbeitet und dafür arbeitet auch diese Koalition. In einer sich verändernden Welt, Herr Korte, Herr Wieland, wäre es geradezu fahrlässig und verantwortungslos, in der Sicherheitspolitik statisch zu bleiben. ({0}) Natürlich müssen wir auf veränderte Sicherheitslagen reagieren und unsere Instrumente immer wieder überprüfen und anpassen. ({1}) Dass es keine konkreten Bedrohungsszenarien gibt, ist Ihr Wunschdenken; denn in den letzten Jahren gab es sowohl international als auch in Deutschland die Gefahr terroristischer Anschläge. ({2}) Darauf muss man reagieren. Das tun wir auch. Frau Piltz, wir peitschen aber keine Gesetze durch, sondern beraten verantwortungsvoll und kommen dabei zu guten Ergebnissen. ({3}) Das Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger wird aber auch durch die Alltagskriminalität geprägt, nämlich durch Diebstahl, Betrug und Gewaltverbrechen. Besonders besorgt zeigen sich die Menschen laut Sicherheitsbericht über die Gewalt an Kindern. Auch hier müssen wir nicht nur wegen der aktuellen Fälle wirksame und vor allen Dingen präventive Maßnahmen ergreifen. Dass Deutschland ein sicheres Land ist, hat auch die fantastische Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland gezeigt. Das nationale Sicherheitskonzept hat sich bewährt. Die gute Zusammenarbeit auch mit den Sicherheitsbehörden anderer Länder hat dabei eine wichtige Rolle gespielt. Deutschland hat international gezeigt, dass wir ein guter Gastgeber sind. Auch die Bundeswehr hat auf der Grundlage der geltenden Gesetze ihren Beitrag geleistet. Vor allen Dingen aber haben die Länderpolizeien und die Bundespolizei in beeindruckender Weise bewiesen, dass sie auch mit solch komplexen Sicherheitssituationen in Deutschland fertig werden können. Auch das Technische Hilfswerk hat während der Fußball-WM eine gute Arbeit geleistet. Bei zahlreichen Unglücks- und Katastrophenfällen im In- und Ausland leistet das THW anerkannte und kompetente Hilfe. Deshalb ist besonders hervorzuheben, dass es trotz der angespannten Haushaltslage gelungen ist, die Mittel für das THW im Haushalt um über 300 000 Euro aufzustocken. Es ist natürlich auch den Berichterstattern im Haushaltsausschuss zu verdanken, dass insbesondere die Jugendarbeit und die ehrenamtliche Arbeit, die im THW geleistet werden, verstärkt werden können. ({4}) Unser Einsatz für die innere Sicherheit spiegelt sich im Einzelplan 06 wider. Rund 3 Milliarden Euro bzw. 67 Prozent des gesamten Einzelplans werden für den Sicherheitsbereich ausgegeben. Damit hat die innere Sicherheit richtigerweise eine herausragende Bedeutung im Haushalt des BMI. Von der Bedrohung durch den internationalen Terror ist Deutschland nicht verschont geblieben. Wir haben das heute schon mehrfach angesprochen. Herr Korte, es war in der Tat nicht nur irgendein Bedrohungsszenario, sondern es war großes Glück, dass die Bomben, mit denen Kofferbombenattentate verübt werden sollten, nicht explodiert sind. Es ist richtig, dass das BMI das zusätzliche Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit aufgelegt hat und dass der Haushaltsausschuss die Mittel hierfür freigibt. Mit diesem Programm werden das operative und das einsatz- und ermittlungsunterstützende Instrumentarium des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei, des Bundesverfassungsschutzes und des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik ausgebaut. Frau Piltz, wenn auch Sie das für richtig und notwendig halten, dann kann ich Ihre Kritik nur als kleinlich bezeichnen. ({5}) Herr Wieland, Klasse statt Masse gilt nicht nur für die Menschen, die in den Sicherheitsbehörden arbeiten, sondern das muss auch für die Ausrüstung und die technischen Möglichkeiten gelten, die wir diesen Menschen zur Verfügung stellen. ({6}) Immer bedeutender für die innere Sicherheit ist es und wird es auch in Zukunft sein, die Sicherheit in der Informations- und Kommunikationstechnik zu gewährleisten. Im Rahmen der Hightech-Strategie der Bundesregierung investiert das BMI jährlich circa 20 Millionen Euro zur Entwicklung von Präventionstechnologien für die Abwehr neuartiger Angriffe im Internet und für die Sicherung des Datenaustausches. Von diesen Mitteln werden auch die Länder und vor allen Dingen die Wirtschaft profitieren. Deshalb müssen sie die vom Bund eingesetzten Mittel durch eigene Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen ergänzen. Die Sicherheit in unserem Land wird nicht nur von außen durch Terrorismus bedroht, sondern ist auch eine Sache des Inneren. Damit meine ich jegliche Form von Extremismus. Frau Merkel hat in ihrer Haushaltsrede von null Toleranz für Intolerante gesprochen. Das ist sicherlich zu unterstützen, aber der Rechtsextremismus bleibt die größte Herausforderung, der sich alle Demokratinnen und Demokraten stellen müssen. Wir dürfen nicht den Fehler begehen, den Rechtsextremismus mit dem Linksextremismus oder anderen Formen von Extremismus gleichzusetzen. Was die Qualität und Quantität angeht, ist der Rechtsextremismus die größte Herausforderung, der wir uns zu stellen haben. ({7}) Zum einen geht es um repressive Maßnahmen, die wir schon in der vergangenen Legislaturperiode ergriffen haben, wie das Verbotsverfahren gegen verfassungsfeindliche Organisationen, die Verschärfung des Versamm6674 lungsrechts oder die Veränderungen im Strafrecht. Auch hierbei dürfen wir uns nicht auf dem Status quo ausruhen. Wir müssen immer wieder überprüfen, ob die gesetzlichen Möglichkeiten gegen rechtsextremistisch motivierte Straftäter konsequent genug sind und auch konsequent angewendet werden. Zum anderen müssen wir vor allem die präventiven Maßnahmen verstärken. Auch wenn es nicht zum Haushalt des BMI gehört, ist es zu begrüßen, dass die Mittel für das Programm „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“ um 5 Millionen Euro aufgestockt worden sind, sodass die mobilen Beratungsteams und die Opferberatung ihre Arbeit fortsetzen können. Auch im Haushalt des BMI gibt es Möglichkeiten, die Prävention gegen Extremismus weiter zu verstärken. In diesem Zusammenhang ist vor allem das Bündnis für Demokratie und Toleranz zu nennen, das sich gegen Extremismus und Gewalt engagiert und dem sich seit seiner Gründung 2001 circa 1 300 Gruppen und Initiativen angeschlossen haben. Mit dem bereits erwähnten Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ werden diese vorbildlichen Projekte gesammelt, ausgezeichnet und - auch das ist sehr wichtig - zur Nachahmung empfohlen. Darunter gibt es sehr ermutigende Beiträge. Am VictorKlemperer-Jugendwettbewerb zum Beispiel beteiligen sich viele Schulen. Das gilt es zu unterstützen. Dieses gesellschaftliche und ehrenamtliche Engagement verdient unsere besondere Wertschätzung und deshalb ist es gut, dass die Mittel für das Bündnis für Demokratie und Toleranz auf 1 Million Euro aufgestockt werden. ({8}) Als Mitglied des Beirates dieses Bündnisses bitte ich, eine bessere personelle Ausstattung der Geschäftsstelle in Erwägung zu ziehen, damit das Bündnis seine Aufgabe noch besser erfüllen kann und in der Öffentlichkeit künftig deutlicher wahrgenommen wird. ({9}) Öffentliche Sicherheit wird von Menschen gewährleistet, auch unter Gefährdung des eigenen Lebens. Deshalb möchte ich an dieser Stelle sowohl der Bundespolizei als auch den Länderpolizeien und den anderen Sicherheitsbehörden für ihren Einsatz danken. ({10}) Für die Polizei spielen Einsätze im Ausland eine immer größere Rolle. In Krisenregionen wie Afghanistan oder auf dem Balkan unterstützen deutsche Polizeibeamte die Kräfte vor Ort und bilden diese aus. Neben der militärischen Befriedung in den Krisengebieten ist der Aufbau einer funktionierenden Sicherheitsstruktur für eine langfristige Stabilität in diesen Regionen unverzichtbar. Deshalb halte ich es für angezeigt, dass analog der Unterrichtung des Parlaments durch die Bundesregierung über die Auslandseinsätze der Bundeswehr das Parlament und damit die Öffentlichkeit auch regelmäßig über die Auslandseinsätze der Polizeikräfte unterrichtet werden. ({11}) Ich komme zum Schluss. Der Haushalt des Bundesinnenministeriums setzt richtigerweise den Schwerpunkt auf die innere Sicherheit. Er wird den veränderten Herausforderungen gerecht. Trotz aller Bemühungen kann es nie hundertprozentige Sicherheit geben. Wir bemühen uns aber darum, mit den im Haushalt gesetzten Schwerpunkten dem Spannungsfeld zwischen den bürgerlichen Freiheitsrechten und den Sicherheitsbedürfnissen gerecht zu werden. Herzlichen Dank. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Petra Pau von der Fraktion Die Linke. ({0})

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit dem Rechtsextremismus. Er nimmt zu, und zwar nicht nur in seiner organisierten Form, etwa der NPD. Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus gibt es vielmehr alltäglich inmitten der Gesellschaft, und das in Ost und West. Deshalb war es geradezu absurd, den Versuch zu unternehmen, die Mittel für die Initiativen zu kürzen, die sich gegen Rechtsextremismus und für Demokratie und Toleranz engagieren. Zum Glück wurde das verhindert. Nun wurden für 2007 sogar 5 Millionen Euro mehr eingeplant als 2006. Das hat die Linke immer gefordert. Aber das wäre ohne das Engagement der SPD nicht möglich gewesen. Das möchte ich hier ausdrücklich würdigen. ({0}) Allerdings ist das kein Grund, Entwarnung zu geben; denn noch immer gibt es bewährte und unverzichtbare Initiativen der Zivilgesellschaft, die nicht gesichert sind und die um ihre Zukunft bangen. Es ist unsere Zukunft und unsere Demokratie. Deshalb werden wir diese Debatte fortführen müssen. Stark angestiegen ist die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straf- und Gewalttaten. Verglichen mit 2004 gibt es inzwischen 50 Prozent mehr erfasste Fälle. Anders gesagt: Im statistischen Bundesschnitt werden stündlich zweieinhalb Straftaten und jeden Tag zweieinhalb rechtsextrem motivierte Gewalttaten registriert. Die realen Zahlen sind weit höher. Dementsprechend ist auch die Zahl der Opfer rechtsextremistischer Gewalt höher. Das heißt, Rechtsextremismus ist hierzulande längst wieder eine Gefahr für Leib und Leben. Darüber kann auch eine bunte Fußballweltmeisterschaft nicht hinwegtäuschen. In aller Ernsthaftigkeit, Herr BundesPetra Pau innenminister - bitte hören Sie zu! -: Dieses Problem haben wir gemeinsam. Diese Entwicklung bedroht unsere Demokratie sowie Leib und Leben von Menschen in unserem Land. Aber Sie schaffen dieses Problem nicht mit abstrusen Gleichsetzungen oder der Behauptung, dass diese Entwicklung aus einer Verabredung verfeindeter Gruppen resultiere, aus der Welt. ({1}) Die Linke hat den Vorschlag in die Debatte eingebracht, eine unabhängige Beobachtungsstelle für Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus nach EUVorbild einzurichten. Wir haben dazu konkrete Finanzierungsvorschläge unterbreitet. Allerdings haben SPD und Union das abgelehnt. Sie haben stattdessen das Geld den deutschen Geheimdiensten zugeschlagen. Die Linke hält das für falsch und obendrein für sehr kurzsichtig. ({2}) Das meine ich auch mit Blick auf eine aktuelle Debatte. Die SPD bzw. Teile der SPD wollen das Verbotsverfahren gegen die NPD neu auflegen und dafür eigens die rechtlichen Hürden senken. Vor einer solchen Lex NPD kann ich nur warnen. Man vergreift sich nicht ungestraft an rechtlichen Fundamenten. Die Linke wird etwas anderes beantragen, nämlich dass die V-Leute der Polizei und des Verfassungsschutzes zurückgezogen werden; denn das erste NPD-Verbotsverfahren ist nicht am Bundesverfassungsgericht gescheitert, sondern an der V-Leute-Praxis der Innenminister. ({3}) Um nachzuweisen, dass die NPD eine verfassungsfeindliche Partei ist, braucht man wahrlich keine V-Leute. Sie stören mehr, als sie jemals in einem solchen Verfahren nutzen könnten. Auch deshalb sage ich: Das Geld wäre bei einer zivilen, unabhängigen Beobachtungsstelle besser aufgehoben als bei den Geheimdiensten. Nun ein Wort zur Föderalismusreform. Die große Koalition feiert sie als die Reform des Jahrhunderts. Die parteipolitische Blockade zwischen Bundesrat und Bundestag sei aufgelöst. Die Bürgerinnen und Bürger könnten wieder durchblicken, wer was verantwortet. So weit, vielleicht so gut. Tatsächlich ist etwas anderes passiert. Das Solidarprinzip wurde aufgekündigt. Das Bundesverfassungsgericht hat das in seinem Urteil zur Berliner Haushaltsnotlage noch bekräftigt. Es besagt im Kern: Was interessiert uns fremdes Elend; jeder ist sich selbst der Nächste. - Das ist schlimm. Diese gefeierte Föderalismusreform ist ein Rückfall in die Kleinstaaterei im Bildungswesen, im Strafvollzug und im Beamtenrecht. Auch die erhoffte Transparenz wird wohl nicht fruchten. Die Armen in den armen Bundesländern werden noch ärmer werden. Und nicht nur die Armen: Selbst die Beamtinnen und Beamten werden zum Spielball landespolitischer Kassenlagen und parteipolitischer Gelüste. Ich gebe zu, ich hätte mir nie vorgestellt, dass ausgerechnet ich hier zur Anwältin des Beamtentums werde, aber die unsoziale große Koalition zwingt mich dazu. Die Zeit verbietet es mir, über die aktuellen Gesetzesvorhaben zu reden. Auch hier haben wir einen ganz großen Debattenbedarf. ({4})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Hans-Peter Uhl von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch Deutschland ist im Visier des internationalen Terrorismus. In Dortmund und in Koblenz sind Kofferbombenattentate fehlgeschlagen. Was in Frankfurt am Flughafen geplant war, werden die weiteren Ermittlungen zeigen. Die Frage ist also nicht mehr, ob sich Attentate auch in Deutschland ereignen werden, sondern, wann und wo in Deutschland ein solches Attentat passieren wird. Die Angriffe der Terroristen richten sich nicht gegen militärische Ziele; sie richten sich gegen die wirtschaftlichen Strukturen und gegen die Psyche der Menschen in unseren westlichen Gesellschaften. Sie wollen Angst und Schrecken einjagen. Sie benutzen das Internet, um die Effekte ihrer Anschläge und ihrer politischen Botschaften zu verstärken. Das heißt, die westlichen Gesellschaften stehen vor der großen Herausforderung, wie sie mit dieser asymmetrischen Bedrohungslage umgehen, und müssen neue Strukturen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus entwickeln. Das wird die Aufgabe der nächsten Jahre und Jahrzehnte sein. Das heißt, wir müssen eine neue Sicherheitsarchitektur entwickeln. Davon ist keine Sicherheitsbehörde ausgenommen. Auf die Bundespolizei ist der Minister schon eingegangen. Der Wegfall der östlichen Schengengrenze zu Polen und zu Tschechien steht bevor. An die Stelle der Kontrollen an diesen Grenzen werden Kontrollen an weiter östlich gelegenen Grenzen treten. Es handelt sich um die Grenze zu Weißrussland und der Ukraine, die 2 400 Kilometer lang ist. Das ist zunächst einmal kein Sicherheitsgewinn, sondern möglicherweise ein Sicherheitsverlust. Das heißt, die Bundespolizei muss ihre verdachtsunabhängigen Kontrollen im Inland verstärken, sie muss sich neu organisieren und sie muss dorthin gehen, wo die Menschen sind, wo die Verkehrsknotenpunkte sind und wo die Drehscheiben des internationalen Warenverkehrs sind. Kontrolle muss auf den Autobahnen, an den Flughäfen und den Bahnhöfen stattfinden. Natürlich ist es verständlich, dass die Beamten der Bundespolizei und ihre Familien in diesen Veränderungen eine gewisse Bedrohung ihrer privaten Lebenssphäre sehen. Wir müssen versuchen, darauf Rücksicht zu nehmen, soweit man darauf Rücksicht nehmen kann. Letztlich handelt es sich aber um Bundesbeamte, die versetzungsbereit sein müssen. Die Sicherheitsbehörden, aber auch die Nachrichtendienste müssen in die Lage versetzt werden, durch optimale Vernetzung aller verfügbaren Informationen bereits im Vorfeld Anschläge zu erkennen und vor ihnen zu warnen. Die Antiterrordatei - das ist bereits gesagt worden - dient diesem Zweck. Wir haben eine Anhörung gehabt. In dieser Anhörung wurde auch das berühmte Trennungsgebot behandelt. Professor Badura hatte Recht, als er sagte, dass das Verfassungsrecht kein Trennungsgebot enthält. Es gibt ein verfassungsrechtliches Trennungsgebot weder für die Organisation der Zentralstellen noch für den Informationsbestand bei den Nachrichtendiensten einerseits und bei den Sicherheitsbehörden andererseits. ({0}) - Herr Wieland, das Antiterrordateigesetz wird noch in diesem Jahr vom Bundestag und vom Bundesrat verabschiedet. Es wäre unverantwortlich, noch längere Zeit verstreichen zu lassen. ({1}) Wir brauchen funktionierende Nachrichtendienste, auch wenn es der PDS nicht gefällt. Nach den Anschlägen des 11. September 2001 haben wir ein Terrorismusbekämpfungsgesetz auf den Weg gebracht. Dieses wurde evaluiert. Es hat sich als maßvoll und richtig erwiesen. Kleinere Verbesserungen und Ergänzungen sind erfolgt. ({2}) Das heißt, wir werden mithilfe dieser Verbesserungen in der Lage sein, alle Formen verfassungsfeindlicher und extremistischer Strömungen zu überwachen. Wir müssen alles tun, um den islamistischen Hasspredigern das Handwerk zu legen. ({3}) Auch wenn Rechtsextremisten zu Gewalt gegen Ausländer, gegen Juden, gegen Homosexuelle oder gar gegen Behinderte aufrufen, muss der Verfassungsschutz in der Lage sein, uns hiervor frühzeitig zu warnen, damit wir die Strukturen dieser Rechtsextremisten erkennen können. Zum Umbau unserer Sicherheitsarchitektur gehört aber auch die Antwort auf die Frage, welchen Beitrag die Bundeswehr in Zukunft im Inneren zu leisten hat. ({4}) Wir werden um eine Änderung des Grundgesetzes nicht herumkommen und wir werden sehen, dass dieses Problem mit erweiterter Amtshilfe nicht zu lösen sein wird. ({5}) Ein weiterer wichtiger Schritt ist das Programm zur Stärkung der inneren Sicherheit. 132 Millionen Euro werden im Haushalt des Bundesministeriums des Innern für die nächsten drei Jahre bereitgestellt. Das ist eine gewaltige Leistung. Eine Vielzahl von kleinen Maßnahmen werden damit finanziert, bis hin zur Internetrecherche und Überwachung von Bahnanlagen. Ein wesentliches Ziel muss es sein, bestehende Strukturen lokaler terroristischer Netzwerke auszutrocknen, das heißt, wir müssen bei Radikalisierungstendenzen junger Deutscher und Ausländer frühzeitig einschreiten können. Der Integrationsgipfel und die Islamkonferenz waren hoffnungsvolle Schritte in die richtige Richtung. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir sind jetzt parteiübergreifend sehr viel weiter als noch vor wenigen Jahren. Wir sind alle zusammen der Auffassung, dass Integration natürlich zur Voraussetzung hat, die deutsche Sprache in Deutschland zu lernen. Wer zu uns kommt, muss zuvor die deutsche Sprache erlernt haben, weil nur so Integration gelingen kann. Deshalb ist es sehr irritierend, wenn uns die Nachricht erreicht, dass gerade unlängst, vor wenigen Tagen, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, sich in „Hürriyet“ zu einer ganz unsäglichen Aktion versteigt. Er hat - reagierend auf die Zusage Erdogans an die Bundeskanzlerin, dass uns die Türkei dabei helfen will, dass Türken, die zu uns kommen, vorher in der Türkei Deutsch lernen; die türkische Regierung wollte dieses sogar bezahlen - an Herrn Erdogan einen Brief geschrieben, in dem er ihn dringend darum bittet, dies ja nicht zu tun. Dieses sei eine der größten Bosheiten gegenüber unseren hier lebenden türkischen Menschen, sagt er. Das ist eine völlig unverständliche Haltung. Dieses integrationsfeindliche Verhalten von Herrn Kolat - ich hoffe, dass er nicht für die türkische Bevölkerung in ihrer Mehrheit spricht - müssen wir in aller Entschiedenheit zurückweisen. ({6}) Wir haben die Einlader- und Warndatei jetzt auf den Weg zu bringen. Wir wollten seit Jahren, dass die Europäische Union das tut. Das war auch geplant, es ist jedoch an dem derzeitigen Europäischen Parlament gescheitert. Wir müssen also national eine Einlader- und Warndatei zügig auf den Weg bringen. Ein Wort noch zum Visa-Untersuchungsausschuss. Man kann die Meinung vertreten, dass Untersuchungsausschüsse nie etwas gebracht haben. Bei diesem Ausschuss ist das anders.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Uhl, erlauben Sie eine Zwischenfrage von der Kollegin Dagdelen von der Fraktion Die Linke?

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bitte nicht.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Sie wollen nicht.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke nein, ich möchte zum Ende kommen. Der Visa-Untersuchungsausschuss hat schon Veränderungen in den „Problembotschaften“ gebracht und es wird noch weitere Verbesserungen geben. Wir werden das Thema demnächst in den Ausschüssen behandeln. Es zeigt sich, dass bei der Visavergabe - sie ist ein sehr schwieriges Geschäft - eine Verbesserung eingetreten ist. Es war gut, dass der Visa-Untersuchungsausschuss die Dinge im Detail beleuchtet hat. Es wird bei uns ab 2007 neue Pässe mit biometrischen Daten geben. Damit werden wir ein Höchstmaß an Fälschungssicherheit erreichen. Das heißt, Pässe können nicht mehr so leicht gefälscht werden und es kann dank der biometrischen Daten viel besser überprüft werden, ob ein Passinhaber mit der im Passdokument beschriebenen Person identisch ist. Mit unserer modernen Technik werden wir Vorreiter sein; Deutschland wird die modernsten und die sichersten Pässe haben. Biometrische Daten werden wir nicht nur bei den Reisepässen verwenden; vielmehr werden wir auch Personalausweise, Visa und Aufenthaltstitel für in Deutschland lebende Menschen mit biometrischen Merkmalen versehen. Damit sind wir an der Spitze des Fortschritts. Es ist auch für den Industriestandort Deutschland sehr wertvoll; denn die weltweite Entwicklung geht in diese Richtung. Wir zeigen uns als ein innovatives Land. Die Innenminister der Länder haben folgendes Problem - das ist schon zweimal angesprochen worden -: Es gibt rund 200 000 Menschen in Deutschland, die zwar ausreisepflichtig sind, aber nicht ausgewiesen werden konnten. Es ist zum Teil mit Häme kommentiert worden, dass wir diese schwierige Situation noch nicht haben bewältigen können. Herr Wieland, Sie haben selbst gesagt, dass man in den sieben Jahren rot-grüner Regierung versucht habe, dieses Problem zu lösen. ({0}) Das sei aber nicht gelungen. Ich bin überzeugt: Wir werden eine vernünftige Lösung für dieses Problem finden. Das ganze Thema ist ungeheuer schwierig. Wir wollen den Grundsatz aufgeben, dass sich der Aufenthaltsstatus von Menschen, die das Land eigentlich verlassen müssen, durch Arbeit nicht verfestigt. Unsere Botschaft ist, dass Menschen, die seit vielen Jahren hier sind, die abgeschoben werden müssten, aber nicht abgeschoben werden können, ihren Lebensunterhalt selbst verdienen müssen. Diese Menschen sollen hier nicht jahrelang von Sozialhilfe leben. ({1}) Es gilt, einen Zielkonflikt zu lösen. Die Ausgangslage ist schwierig: Schädliche Wirkungen nach innen - es gibt fast 5 Millionen Arbeitslose - und nach außen im Sinne eines Pull-Effektes müssen vermieden werden. Wir werden das Ergebnis unserer Arbeit hoffentlich bald vorzeigen können.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Hans Peter Uhl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003247, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss. Anlässlich von Haushaltsberatungen ist es ein guter Brauch, zu danken. Ich danke den Mitarbeitern des Bundesministeriums des Innern mit allen nachgeordneten Behörden. Sie arbeiten außergewöhnlich gut und sehr engagiert. Ich danke aber auch demjenigen, der dieses Ministerium führt, Herrn Minister Schäuble. Danke schön. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Detlef Parr von der FDP-Fraktion.

Detlef Parr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001676, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich gegen Ende der Debatte zwei Appelle an unseren Sportminister richten. Herr Dr. Schäuble, die FDPFraktion begrüßt den deutlichen Schulterschluss von Sport und Staat bei der Dopingbekämpfung. Die Vorschläge der Rechtskommission, der Aktionsplan des DOSB, andere Gutachten und die Anhörungen im Bundestag sollten jetzt endlich zu einem Gesetzentwurf führen. Wir haben genug diskutiert. Jetzt muss politisch entschieden werden. ({0}) Es muss auch Schluss sein mit dem missionarischen Eifer, mit dem diese Fragen teilweise diskutiert werden. Das schadet nur der Sache. In der Zielrichtung sind wir uns fraktionsübergreifend weitgehend einig. Aber, sehr geehrter Herr Minister, bitte, bleiben Sie bei Ihrem Grundsatz: Kein Gesetz gegen die Autonomie des Sports, keine Einschränkung der Sportgerichtsbarkeit! Lassen Sie das Strafrecht und die Besitzstrafbarkeit bei Athleten außen vor! Die Aufstockung der Mittel für die Dopinganalytik und die Stärkung der Arbeit der NADA mit verschärften Kontrollen ist, wie im Haushalt nachlesbar, der bessere Weg. ({1}) Das schärfste Schwert setzt man nur als Ultima Ratio ein und an diesem Punkt sind wir noch lange nicht. Meine zweite Bitte: Herr Minister, machen Sie all Ihren Einfluss auf die Ministerpräsidenten geltend! Diese sind gerade dabei, durch ein voreiliges Festhalten am staatlichen Monopol der Sportwetten die finanzielle Förderung von Gemeinwohlbelangen, insbesondere des Sports, zu gefährden. Was ich hier zeige, ist nach einer Ifo-Studie die Umsatzentwicklung von Oddset der letzten sechs Jahre. Die Tendenz ist dramatisch sinkend. Diesen Trend werden wir auch nach den Auflagen des Bundesverfassungsgerichts wohl kaum stoppen können. Wir brauchen einen neuen Staatsvertrag, der staatlichen und privaten Anbietern gleiche Chancen einräumt, aber auch gleiche Pflichten abverlangt, auch was die Werbung und die Suchtbekämpfung angeht. Entsprechende Steuer- und Konzessionsmodelle liegen mittlerweile auf dem Tisch. Ich möchte Sie bitten, Herr Minister: Nutzen Sie die EU-Ratspräsidentschaft, um Vorreiter für eine europakonforme Neuordnung des Sportwettenmarkts zu sein! Es gibt Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen immerhin zehn europäische Länder. Setzen Sie das Thema zum Beispiel auf die Tagesordnung des Sportdirektorentreffens im Februar in Deutschland und der informellen Sportministerkonferenz im März 2007! Denken Sie gemeinsam mit uns über eine Abkopplung der Sportwetten vom Glücksspielmarkt nach, wie wir sie aus Großbritannien und aus Österreich kennen! Wir müssen die Sportförderung mindestens im heutigen Ausmaß sichern. Dazu bedarf es eines mutigen Schrittes nach vorn. Herzlichen Dank. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letztem Redner zu diesem Einzelplan erteile ich das Wort dem Kollegen Martin Gerster von der SPDFraktion. ({0})

Martin Gerster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003758, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit einer Vorbemerkung zum Wortbeitrag vom Kollegen Detlef Parr beginnen. Ich kann für die SPD-Fraktion hier klar sagen, dass wir nicht dabei mitmachen werden, wenn es darum geht, unter dem Feigenblatt „Autonomie des Sports“ dopende Sportler zu schützen. ({0}) Es kann nicht sein, dass Sportlerinnen und Sportler sowie Trainerinnen und Trainer diejenigen betrügen, die letztlich fair im Sport aktiv sind, sowie die Zuschauer betrügen, die Medien betrügen und auch die Wettbewerber betrügen. Deswegen sage ich ein klares Nein zu dem, was Sie an dieser Stelle ausgeführt haben, werter Detlef Parr. ({1}) Hier wurde die Bitte an den Herrn Bundesminister des Innern geäußert, sich für eine völlige Liberalisierung des Sportwettenmarktes stark zu machen. ({2}) Auch dazu kann man klar sagen, werter Detlef Parr: Die FDP hätte ja die Möglichkeit, über die Länder, dort also, wo sie mit in der Regierungsverantwortung ist, entsprechende Initiativen zu starten. Bei der letzten Debatte hier wurde uns versprochen: Sie werden noch sehen, dass die FDP über die Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg oder auch Niedersachsen entsprechend Druck machen wird. - Nichts ist passiert. Insofern kann ich eine Bitte an Detlef Parr zurückgeben: Zeigen Sie uns doch einmal die Initiativen der FDP über die Länderregierungen dazu, dass wir nicht weiter am Staatsmonopol für Sportwetten festhalten sollen! - Leider ist da nichts vorhanden. ({3}) Wenn wir heute über den Etat des Bundesinnenministeriums reden, dann kann ich nur sagen: Prima, sehr gut, dass wir nicht nur über den sehr wichtigen Themenbereich der inneren Sicherheit sprechen, sondern auch - das wurde in vielen Wortbeiträgen deutlich - über das wichtige Thema der Integration. Das hat für unsere Gesellschaft und die Zukunft unseres Landes eine große Tragweite. Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen dies. Jeder fünfte Einwohner bzw. jede fünfte Einwohnerin in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Bei den unter 25-Jährigen verfügt sogar jeder vierte oder jede vierte über einen Migrationshintergrund. Aus meiner Sicht muss man attestieren, dass Integration bei uns teilweise sehr gut gelingt, dass es aber auch erhebliche Defizite gibt. Defizite kann man feststellen, wenn man sich beispielsweise anschaut, wie die Situation in den Schulen ist. Gerade in unserem gegliederten Schulsystem stellen wir fest, dass Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund zu einem Drittel in der Hauptschule oder in der Förderschule zu finden sind, während es bei den Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund gerade einmal 16 Prozent sind. Wir stellen insbesondere fest, dass von Jahr zu Jahr immer weniger junge Leute mit Migrationshintergrund Ausbildungsplätze bekommen. Wir stellen auch fest, dass sich Menschen mit Migrationshintergrund auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer tun. - Das sind einige Fakten, die belegen, dass gerade im Bereich der Integration noch sehr viel zu tun ist. Vorhin wurde vom Kollegen Wieland gesagt, Herr Grindel und Herr Uhl hätten sich in den letzten Jahren so stark gewandelt, ({4}) positiv gewandelt. Es hatte sich bei Ihnen ein wenig rechthaberisch angehört. ({5}) Seien wir doch froh, dass richtige Entwicklungen erkannt werden und auch das Umsteuern einer großen Volkspartei bei wichtigen Fragen möglich ist. ({6}) Überlegen wir uns einmal, welche Entwicklung die Union von der Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft und dem anfänglichen Nein zum wichtigen Zuwanderungsgesetz durchgemacht hat. Nun hören wir vom Bundesinnenminister Schäuble Äußerungen wie beispielsweise folgende, die in der Tageszeitung „Die Welt“ am 30. Oktober dieses Jahres zu lesen war: Wir haben eben lange nicht gesehen, dass der Islam ein Teil von uns ist. Das bedeutet auch, dass die Muslime hier heimisch werden müssen, und das nicht nur als Lippenbekenntnis. Ich glaube, das ist eine wichtige Einsicht, Herr Minister Schäuble. Ich hoffe nur, dass alle diejenigen, die bei unserem Koalitionspartner in den Ländern oder auch in den Kommunen Verantwortung tragen, dies so sehen, wie Sie es in dem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“ dargestellt haben. ({7}) Das Ziel jeder Integrationspolitik muss, wie ich glaube, die volle gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund sein. Es muss faire Chancen für alle in unserem Land geben: in den Wohnquartieren, in den Stadtteilen, auf dem Arbeitsmarkt und beim Zugang zu Ausbildungsplätzen, aber auch in den Kindergärten, Schulen, Seniorenheimen, Vereinen - das THW wurde vorhin schon angesprochen - und bei den Feuerwehren. Ich war kürzlich in Baden-Württemberg bei einer Veranstaltung der Feuerwehren. Da wurde klar bemängelt, dass viel zu wenig Jugendliche mit Migrationshintergrund zu den Hilfsdiensten kommen und sich daran beteiligen. Ich glaube, hier müssen wir mehr Beteiligung einfordern; zugleich müssen wir sie aber auch mehr fördern. ({8}) An der Integrationsfähigkeit einer Gesellschaft kann man, wie ich glaube, ablesen, wie stark sie letztendlich ist. Der Schlüssel für Integration ist die Sprache. Die Beherrschung der Sprache ist Grundlage für das Gelingen von Integration. Ein wesentlicher Baustein, um das zu erreichen, sind die Integrationskurse. Ich habe mich sehr gewundert, dass von der Fraktion Die Linke kein einziges Wort zu diesem Thema gesagt wurde, obwohl sie doch wochen- und monatelang permanent, fast schon notorisch und gebetsmühlenartig, den Finger in die offene Wunde, die durch die Kürzung der Mittel entstanden ist, gelegt hat. ({9}) Ich plädiere dafür, die Ergebnisse der gerade laufenden Evaluation abzuwarten, die Anfang 2007 vorgelegt werden. Dann sollten wir konkret diskutieren, wie wir im Bereich der Integrationskurse Verbesserungen erzielen können. Anfang dieser Woche habe ich in der „Stuttgarter Zeitung“ einen Artikel gelesen mit der Überschrift „Viele Plätze in Deutschkursen bleiben leer“. Das Problem ist also nicht, dass der Bund zu wenig Geld bereitstellen würde. Das Problem ist vielmehr, dass die Behörden zu wenig darauf achten, dass die Leute diese Integrationskurse auch wahrnehmen bzw. sie zu wenig animieren. Wir sollten also vorrangig darüber sprechen, dass vorhandene Möglichkeiten nicht genutzt werden, und nicht einfach populistisch den Antrag stellen, mehr Mittel bereitzustellen. Als Grundlage für die Diskussion im Innenausschuss zu Beginn des Jahres 2007 sollten die Vorschläge der Integrationsbeauftragten Frau Böhmer dienen. Dabei sollte über eine Erhöhung der Unterrichtseinheiten von 600 auf 900 gesprochen werden. - Es freut mich, Herr Grindel, dass Sie schon zustimmend nicken. Es geht auch um eine Erhöhung der Vergütung der Honorarkräfte und um eine stärkere Differenzierung bei den Kursteilnehmern. Außerdem geht es - so meine ich, nach Besuchen vor Ort feststellen zu können - um eine bessere Abstimmung der Träger untereinander, damit nicht der eine Träger gegen den anderen ausgespielt wird, nach dem Motto: Wir haben das beste Discountangebot; bei uns gibt es denselben Kurs ein bisschen günstiger. - Ich denke, wir sind da auf dem richtigen Weg. Wir sollten uns für das erste Halbjahr 2007 vornehmen, das anzupacken und deutliche Verbesserungen zugunsten aller zu erreichen. ({10}) Gerade bei diesem Thema erhoffe ich mir auch deutliche Signale und gute Vorschläge vom Integrationsgipfel und aus dem Bereich Sport. Die Bundesregierung unternimmt einiges, um Integration durch Sport zu ermöglichen. Wir haben beispielsweise im Etat des Bundesinnenministeriums 5 Millionen Euro für ein Projekt des DOSB eingestellt. Ich denke, da sind wir auf dem richtigen Weg. Irgendwann könnte das vielleicht noch mehr sein; denn aus meiner Sicht hat der Sport die Kraft, Integration zu leisten. Angesichts der vielen Menschen, die im Sport engagiert sind, glaube ich, dass hier noch erhebliches Potenzial vorhanden ist, das es abzurufen gilt. Die Sportvereine bitten regelrecht darum, dass man sie bei dieser wichtigen Aufgabe unterstützt. ({11}) Als letzter Redner der Debatte darf ich mich an dieser Stelle ganz herzlich für die faire Debatte und bei den Vertretern des Ministeriums für die gute Zusammenarbeit in der letzten Zeit in Haushaltsfragen, aber auch anderen Fachfragen bedanken. Ebenso darf ich mich bei den Haushälterinnen und Haushältern bedanken, die in den letzten Tagen und Wochen stark gefordert waren. In6680 sofern ganz herzlichen Dank! Ich bitte zum Abschluss der Debatte um einen Beifall für die Damen und Herren des Ministeriums und der nachgeordneten Behörden für ihre wichtige Arbeit. Danke schön. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 06, Bundesministerium des Innern, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsan- träge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zunächst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3469? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Än- derungsantrag ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Zustimmung der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3470? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Än- derungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfrak- tionen und der FDP-Fraktion bei Zustimmung der Frak- tion Die Linke und Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 06, Bundesministerium des Innern, in der Aus- schussfassung. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 06 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Opposi- tionsfraktionen angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte III a bis h sowie die Zusatzpunkte 1 a bis 1 d auf: III a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 2007 ({0}) - Drucksache 16/3437 Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss ({1}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung arbeitsrechtlicher Vorschriften in der Wissenschaft - Drucksache 16/3438 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ({2}) Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Gesundheit c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Harald Leibrecht, Dr. Karl Addicks, Christian Ahrendt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Für eine zügige Umstellung auf Budgetierung beim Goethe-Institut - Drucksache 16/2090 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({3}) Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Tourismus Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Werner Hoyer, Jürgen Koppelin, Dr. Karl Addicks, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Den Auswärtigen Dienst für die Aufgaben der Diplomatie des 21. Jahrhunderts stärken - Drucksache 16/3018 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({4}) Innenausschuss Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Friedrich ({5}), Jan Mücke, Patrick Döring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Beleuchtete Dachwerbeträger auf Taxen zulas- sen - Drucksache 16/3050 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Anna Lührmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Erhaltungsrückstand bei Bundesfernstraßen beenden - Drucksache 16/3141 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ({6}) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Haushaltsausschuss g) Beratung des Antrags der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation „ALTHEA“ zur weiteren Stabilisierung des Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina im Rahmen der Implementierung der Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensvereinbarung sowie an dem NATO-Hauptquartier Sarajevo und seinen Aufgaben, auf Grundlage der Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 1575 ({7}) vom Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms 22. November 2004, 1639 ({8}) vom 21. November 2005 und 1722 ({9}) vom 21. November 2006 - Drucksache 16/3521 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({10}) Rechtsausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO h) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/ CSU und der SPD UN-Resolution 1325 - Frauen, Frieden und Sicherheit - konsequent umsetzen - Drucksache 16/3501 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe ({11}) Auswärtiger Ausschuss Innenausschuss Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ZP 1 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler, Monika Grütters, Eckart von Klaeden, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Monika Griefahn, Petra Hinz ({12}), Lothar Mark, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Stärkung des Goethe-Instituts durch neues Konzept - Drucksache 16/3502 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({13}) Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Grietje Bettin, Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN Verbraucher beim Telemediengesetz nicht übergehen - Drucksache 16/3499 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie ({14}) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Kultur und Medien c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Marieluise Beck ({15}), Rainder Steenblock, Volker Beck ({16}), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Eine europäische Perspektive für das Kosovo - Drucksache 16/3520 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss ({17}) Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 2003 bis 2006 ({18}) - Drucksache 16/1020 Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss ({19}) Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Die Vorlage auf Drucksache 16/3501 zu Tagesordnungspunkt III h mit dem nun lautenden Titel „UN-Resolution 1325 - Frauen, Frieden und Sicherheit konsequent umsetzen“ soll zur Federführung an den Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuss, den Innenausschuss, den Verteidigungsausschuss, den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte IV a bis IV k auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt IV a: Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Nr. 170 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 25. Juni 1990 über Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit - Drucksache 16/2227 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales ({20}) - Drucksache 16/3347 Berichterstattung: Abgeordneter Wolfgang Grotthaus Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt auf Drucksache 16/3347, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt IV b: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Partnerschafts- und Kooperationsabkommen vom 11. Oktober 2004 zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Tadschikistan andererseits - Drucksache 16/1621 Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses ({21}) - Drucksache 16/3352 Berichterstattung: Abgeordnete Karl-Georg Wellmann Johannes Jung ({22}) Harald Leibrecht Dr. Norman Paech Marieluise Beck ({23}) Der Auswärtige Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 16/3352, den Gesetzentwurf anzunehmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Wir kommen nun zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt IV c: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({24}) Sammelübersicht 126 zu Petitionen - Drucksache 16/3331 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 126 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt IV d: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({25}) Sammelübersicht 127 zu Petitionen - Drucksache 16/3332 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 127 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt IV e: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({26}) Sammelübersicht 128 zu Petitionen - Drucksache 16/3333 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 128 ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt IV f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({27}) Sammelübersicht 129 zu Petitionen - Drucksache 16/3334 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 129 ist wiederum einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt IV g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({28}) Sammelübersicht 130 zu Petitionen - Drucksache 16/3335 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 130 ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt IV h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({29}) Sammelübersicht 131 zu Petitionen - Drucksache 16/3336 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 131 ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion angenommen. Tagesordnungspunkt IV i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({30}) Sammelübersicht 132 zu Petitionen - Drucksache 16/3337 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 132 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der FDP-Fraktion bei Gegenstimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt IV j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({31}) Sammelübersicht 133 zu Petitionen - Drucksache 16/3338 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 133 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Gegenstimmen der FDP-Fraktion und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Tagesordnungspunkt IV k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ({32}) Sammelübersicht 134 zu Petitionen - Drucksache 16/3339 Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Sammelübersicht 134 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.14 auf: Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - Drucksachen 16/3112, 16/3123 Berichterstattung: Abgeordnete Roland Claus Norbert Königshofen Dr. Claudia Winterstein Zu dem Einzelplan liegen drei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Außerdem liegen Entschließungsanträge der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, der Fraktion der FDP, der Fraktion Die Linke sowie der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor, über die wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Zeit von zwei Stunden vorgesehen. Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin das Wort der Kollegin Dr. Claudia Winterstein von der FDP-Fraktion. ({33})

Dr. Claudia Winterstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003661, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich kann Ihre Zufriedenheit über den Verkehrshaushalt überhaupt nicht teilen. ({0}) Er bleibt hinter allen Erwartungen zurück, insbesondere bei den Investitionen. Die Investitionen liegen niedriger als im Haushalt 2005 und auch niedriger als im Haushalt 2006. Sie behaupten, Sie würden zusätzliche Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur vornehmen. Das stimmt nicht. ({1}) Ihre Unverfrorenheit, Herr Minister, liegt darin, dass Sie uns und auch die Öffentlichkeit mit Zahlenspielereien in die Irre führen wollen. ({2}) Richtig ist vielmehr: Für die drei Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße sah der erste schwarz-rote Haushalt für 2006 schon viel zu geringe 9 Milliarden Euro vor. Im Haushalt 2007 sind es letztlich nur noch blamable 8,9 Milliarden Euro. ({3}) Zur Begründung Ihrer Behauptung, zusätzliche Investitionen vorzunehmen, führen Sie Vergleiche mit der völlig veralteten mittelfristigen Finanzplanung von 2005 an, die von Rot-Grün nicht einmal mehr beschlossen worden ist. ({4}) Würden Sie als Vergleich die Finanzplanung von 2006, für die Sie verantwortlich sind, heranziehen, dann könnten Sie nicht mehr von zusätzlichen Investitionen sprechen. Ihre Argumentation, Herr Tiefensee, ist bewusst irreführend. ({5}) Im Jahr 2007 wird vor allem bei den Bundesfernstraßen weniger investiert. Waren es in 2005 noch 5,3 Milliarden Euro, so sind es im Haushalt 2006 nur 4,9 Milliarden Euro. In dem vorliegenden Haushaltsentwurf werden die Investitionen sogar auf 4,7 Milliarden Euro gesenkt. An diesen Zahlen wird deutlich: 2007 wiederholt sich der Skandal um die Maut. Schwarz-Rot setzt den Mautbetrug von Rot-Grün nahtlos und ungebremst fort. ({6}) Hier wiederholt sich das, was wir aus den vergangenen Jahren kennen; denn es war ja, wie Sie wissen, vereinbart, die Mittel aus der Maut zusätzlich in den Verkehr fließen zu lassen. ({7}) Das hätte im Jahr 2007 ein Mehr von 3,1 Milliarden Euro bedeutet. Das hätten wir weiß Gott gut gebrauchen können. So aber werden diese Mittel letztendlich im Haushalt verfrühstückt. Hinzu kommt: Obwohl die Mauteinnahmen im Jahr 2007 um rund 360 Millionen Euro höher ausfallen als im Jahr 2006, senken Sie die Investitionen in die Straße weiter um 251 Millionen Euro. Ihr Mautbetrug ist ein unglaublicher Skandal; das kann man nicht oft genug wiederholen. ({8}) In der mittelfristigen Finanzplanung zeigt die Investitionskurve für die Bundesfernstraßen weiter nach unten. 2007 sind es 4,6 Milliarden Euro, 2010 nur 4,47 Milliarden Euro. Die einzige Beständigkeit in Ihrer Politik ist: Die Investitionen werden weniger. ({9}) Dieser schwarz-rote Haushalt geht vollends am Bedarf vorbei. Sie liegen mit Ihren Investitionen nicht nur weit unter den Forderungen der Pällmann-Kommission. Auch mit der Mittelausstattung für 2006 lassen sich die laufenden Maßnahmen nur mühsam bedienen. Sehr geehrter Herr Minister, in Ihrer Antrittsrede als Verkehrsminister haben Sie uns die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Investitionen versprochen. Stattdessen kürzen Sie nun die Investitionen immer weiter. Wie wollen Sie damit eigentlich Arbeitsplätze schaffen? Sie stehen vielmehr der Schaffung von Arbeitsplätzen im Wege. ({10}) Die FDP setzt sich dafür ein, dass die Investitionsmittel in vertretbarer Weise angehoben und zugleich Kürzungen durch mehr Effizienz im Verwaltungsbereich ermöglicht werden. Wir haben Ihnen in diesem Jahr wieder ein liberales Sparbuch vorgelegt, das Sparvorschläge auch für den Verkehrs- und Baubereich beinhaltet. Sparen ließe sich beispielsweise bei verschiedenen Programmen, mit denen sich der Verkehrsminister schmückt. Das hat schon fast Tradition: Was für Herrn Stolpe die Mobilitätsoffensive war, das sind für Herrn Tiefensee Programme wie „Innovative Mobilitätskonzepte“ und „Initiative Metaplattform für Verkehrsinformationen“ sowie der Masterplan „Güterverkehr und Logistik“. Am Ende bleibt nur eines: Es wird viel Geld für externe Gutachten ausgegeben, welche meist wirkungslos in der Schublade verschwinden. ({11}) Seinen Zweck hat das Projekt für den Minister allerdings erfüllt: die PR, der Minister handele besonders zukunftsorientiert und visionär. In Wirklichkeit geschieht gar nichts: Außer Spesen nichts gewesen. ({12}) Die Mitarbeiter der Verwaltung sind weitgehend damit beschäftigt, Sachverständigengutachten zu lesen, anstatt die bestehenden Probleme selbst zu lösen. Nun zum Thema Schiene. Die unzureichenden Investitionen ziehen schon heute gravierende Probleme nach sich. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen hat unlängst erklärt: Wenn die Entwicklung der insgesamt sinkenden Investitionen anhält, dann laufen wir auf einen Stau auf der Schiene zu. - Die Auslastung der Schiene in Deutschland hat sich seit 1995 um 68 Prozent erhöht. Allein um die Qualität des Bahnverkehrs zu erhalten, wären jährliche Investitionen in die Schiene in Höhe von 5 Milliarden Euro notwendig. Tatsächlich investieren Sie lediglich 3,5 Milliarden Euro. In einem Entschließungsantrag haben wir Ihnen einen Weg für die Finanzierung der Schienenwege aufgezeigt. Durch die Umstellung der Finanzierung der Schienenwege im Bestandsnetz von verlorenen Baukostenzuschüssen auf zinslose Darlehen könnten nach Berechnungen des Bundesrechnungshofs jährlich 750 Millionen Euro an zusätzlichen Investitionsmitteln zur Verfügung stehen. ({13}) Mit Blick auf die Privatisierung der Deutschen Bahn AG haben Darlehen anstelle von Baukostenzuschüssen den Vorteil, dass die Mittel nicht anteilig auch das Vermögen der privaten Investoren erhöhen, sondern die Vermögenssubstanz dieser Investitionshilfen allein beim Staat verbleibt. Folgen Sie also den Anregungen des Bundesrechnungshofs und stimmen Sie unserem Entschließungsantrag zu, meine Damen und Herren von der Koalition! Zum Thema „Privatisierung der Bahn“. Bei der Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn gibt es an sich nichts Neues. Es gibt insofern nichts Neues, als Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Union, mal wieder vor der SPD eingeknickt sind. Was Sie hier als Kompromiss präsentieren, ist nichts weiter als ein etwas verbrämtes Eigentumssicherungsmodell à la Tiefensee, welches die CDU immer abgelehnt hat. Sie versuchen, ähnlich wie bei der Gesundheitsreform, zwei Dinge zu vereinen, die derart gegensätzlich sind, dass Ihr Vorhaben nur misslingen kann. Das mag vielleicht den Koalitionsfrieden retten; für das Gemeinwohl ist es aber der denkbar schlechteste Weg. ({14}) Wir haben uns klar für eine ehrliche Privatisierung ohne die Schiene ausgesprochen. Dadurch entsteht mehr Wettbewerb und wir verschleudern nicht das über Jahrzehnte aufgebaute Gleisnetz für einen symbolischen Betrag. Als Resümee zu diesem Haushaltsentwurf kann man nur feststellen: Sie haben nichts dazugelernt; Sie marschieren weiterhin in die falsche Richtung. Schlagen Sie endlich den richtigen Weg ein, um die Standortbedingungen für Deutschland zu verbessern! Vielen Dank. ({15})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Klaas Hübner von der SPD-Fraktion. ({0})

Klaas Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003559, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich den beteiligten Mitberichterstattern im Haushaltsausschuss zu diesem Einzelplan ganz herzlich für die sehr sachlichen und konstruktiven Beratungen danken, die wir seit der Sommerpause geführt haben. Mein Dank gilt ebenso dem Ministerium, Ihnen, Herr Minister, vor allen Dingen aber Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die uns in unserer Arbeit tatkräftig unterstützt haben. ({0}) Sie wissen, dass Peer Steinbrück diesen Haushalt in einen Dreiklang stellt: Konsolidieren, Reformieren und Investieren. Bei diesem Einzelplan spielt der letzte Punkt eine herausragende Rolle; denn es ist der größte Investitionshaushalt des Bundeshaushalts. Wir haben die Mittel sogar weiter erhöht. Im Rahmen der Beratungen im Haushaltsausschuss haben wir in diesem Etat für Investitionen 200 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. ({1}) Das zeigt, dass diese Regierung nicht nur fiskalisch handelt und blind spart, sondern einen Ausgleich sucht. Wir brauchen auf der einen Seite die Konsolidierung; die Absenkung der Neuverschuldung ist notwendig. ({2}) Auf der anderen Seite stützen wir im nächsten Jahr die Konjunktur mit entsprechenden Investitionen - nicht mit Konsumtionen -, und zwar überall dort, wo das möglich und sinnvoll ist. Insofern sind wir, was diesen Einzelplan betrifft, auf einem sehr guten Weg. ({3}) Ich komme zu einem anderen Sachverhalt, über den wir stark diskutiert haben. Der Finanzminister hat gemeinsam mit der großen Koalition eine Blaupause vorgelegt, was die Unternehmensteuerreform anbelangt. Zwischen der Unternehmensteuerreform und diesem Etat besteht ein Zusammenhang; vielleicht ist er gar nicht auffällig. Wir haben geplant, mit der Unternehmensteuerreform den durchschnittlichen Steuersatz für Kapitalgesellschaften auf knapp unter 30 Prozent zu senken. Momentan sind wir mit knapp 39 Prozent Schlusslicht; mit knapp unter 30 Prozent lägen wir im Mittelfeld. Die Tatsache, dass wir die Steuern nicht noch weiter absenken müssen, dass wir uns nicht auf einen Wettbewerb um die niedrigsten Steuern einlassen müssen, hat vor allen Dingen damit zu tun, dass wir in Deutschland über eine hervorragende Infrastruktur verfügen. Dieser Etat ist Ausdruck dessen, dass wir diese Infrastruktur erhalten wollen. Mit der Senkung der Steuersätze für Kapitalgesellschaften auf knapp unter 30 Prozent gelingt es uns, ins europäische Mittelfeld aufzurücken; im Wettbewerb um den attraktivsten Wirtschaftsstandort erlangt Deutschland aber einen Spitzenplatz. ({4}) Wie Sie wissen, haben wir die Verkehrsinvestitionen für die Jahre 2006 bis 2009 bereits um 4,3 Milliarden Euro verstärkt. Wir haben das Investitionsvolumen diesmal noch einmal angehoben. Für die Jahre 2007 bis 2009 stehen für die drei Verkehrsträger Schiene, Straße und Wasserstraße insgesamt fast 9 Milliarden Euro dauerhaft sicher zur Verfügung. Wir haben uns überlegt, ein Lückenschlussprogramm zu initiieren, weil wir mit den zusätzlichen Investitionen einen Impuls geben wollen. Wir wollen die Sicherheit haben, dass das Geld auch im kommenden Jahr volkswirtschaftlich nachfragewirksam eingesetzt werden kann, und gleichzeitig sicherstellen, damit konkrete Probleme der Menschen vor Ort zu lösen. Wir haben daher ein Lückenschluss- und Staubeseitigungsprogramm mit einem Gesamtvolumen von 420 Millionen Euro aufgelegt, von denen 165 Millionen Euro für 2007 veranschlagt sind. ({5}) Ich nenne Ihnen zwei Beispiele. Bei der A 1 Gerolstein-Anschlussstelle Kelberg werden wir einen Lückenschluss vornehmen. Dieses Teilstück ist Bestandteil des Neubaus der A 1 zwischen Blankenheim und dem Autobahndreieck der Vulkaneifel. Der Lückenschluss der A 1 dient der Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur der Eifel und bindet die Region an den Ballungsraum Rhein-Ruhr an. Außerdem werden die A 61 zwischen Köln und Koblenz sowie die Bundesstraße 51 zwischen Blankenheim und Trier deutlich entlastet. Durch das Lückenschlussprogramm sind der Weiterbau der Strecke von Gerolstein bis zur Anschlussstelle Kelberg und damit die Gesamtstrecke gesichert. Ein Beispiel für die Staubeseitigung ist die A 3 im Raum Würzburg. Wer öfter auf der A 3 im Raum Würzburg unterwegs ist, kennt das Problem wahrscheinlich zur Genüge. Zwischen dem Autobahndreieck WürzburgWest und der Anschlussstelle Heidingsfeld sind Staus an der Tagesordnung. ({6}) Um dieses Problems Herr zu werden, hat der sechsstreifige Ausbau des rund 8 Kilometer langen Abschnitts absoluten Vorrang. Der Haushaltsausschuss hat daher die dafür notwendigen Mittel bereitgestellt und damit Priorität auf die Staubeseitigung gelegt. - Bei der Auswahl haben wir solche Projekte bevorzugt, bei denen die baurechtliche Genehmigung vorliegt oder in Kürze zu erwarten ist, um sicherzustellen, dass wir diese Investitionen auch wirklich in 2007 tätigen können. Frau Winterstein, Sie haben gerade die Höhe der Investitionen beklagt. Wir haben im Haushaltsausschuss vorgeschlagen, die Investitionen im Einzelplan 12 um insgesamt 200 Millionen Euro zu erhöhen, und das mit der Mehrheit der Koalition durchgesetzt. ({7}) Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie der Erhöhung von Investitionen im Haushaltsausschuss nicht zugestimmt haben, hier aber sagen, wir sollten mehr tun. Das ist das Gegenteil von einer konsequenten Haushaltspolitik, meine Damen und Herren von der FDP. ({8}) Sie haben auch die LKW-Maut angesprochen. Das Mautsystem - das sei an dieser Stelle noch einmal gesagt arbeitet seit seinem Start im vergangenen Jahr ohne Probleme. Alle drei Systeme zur Bezahlung - On Board Units, Internet und Mautterminals - stellen ihre Funktions- und Leistungsfähigkeit tagtäglich unter Beweis. Die Beanstandungsquote von weniger als 2 Prozent bestätigt die Effektivität der Kontrolle. Außerdem sind in diesem Jahr die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen worden, auch Ausweichstrecken im Bundesstraßennetz bemauten zu können. Hiermit ist - ich wiederhole das - ein zentrales Reformprojekt der Verkehrspolitik erfolgreich umgesetzt worden. ({9}) - Kollege Fischer, Sie sagen zu Recht, dass es unter Schmerzen geboren wurde. Bei dieser Gelegenheit spreche ich rückblickend ein ausdrückliches Lob an die damals Verantwortlichen aus. Wie einfach wäre es gewesen, einen kurzfristigen politischen Profit daraus zu schlagen, als die Probleme auftraten - sie wurden übrigens von der Industrie verursacht und nicht von der Politik -, ({10}) populistischen Forderungen zu folgen und das Projekt sterben zu lassen? Das hat die Regierung damals nicht getan. Sie ist beharrlich geblieben. Sie hat Beständigkeit bewiesen. Sie hat das langfristige Projekt trotz der Schwierigkeiten nicht aufgegeben. Darum haben wir heute ein sehr erfolgreich arbeitendes System. An die Adresse nicht nur, aber vor allen Dingen der Manager, die damals am Desaster zu Beginn dieses Projekts beteiligt waren, sage ich: Es ist manchmal ganz gut, mit seiner Politik nicht nur auf kurzfristige Erfolge abzuzielen, nicht nur Quartalsberichte im Auge zu haben, sondern auch das langfristige Wohl einer Maßnahme oder einer Unternehmung eines Staates zu berücksichtigen. Hier kann Politik durchaus auch als Vorbild für die Managementetagen in diesem Land dienen. ({11}) Nach erfolgreicher Einführung der LKW-Maut liegt unser Augenmerk nun auf der Umsetzung von Harmonisierungsmaßnahmen zur Entlastung des deutschen Güterkraftverkehrgewerbes. ({12}) Im Hinblick auf die Wettbewerbsbedingungen im europäischen Güterkraftverkehr hatte der Bund dem Speditionsgewerbe im Mai 2003 ein Harmonisierungsvolumen in Höhe von 600 Millionen Euro zugesagt. Zurzeit wird dieses Harmonisierungsvolumen allein durch die Absenkung des durchschnittlichen Mautsatzes von 15 auf 12,4 Cent pro Kilometer erreicht. Diese Absenkung kommt wohlgemerkt allen LKWs auf unseren Straßen zugute, egal ob sie in Deutschland angemeldet sind oder aus dem Ausland kommen. ({13}) Die Bundesregierung hat daher vor kurzem zwei Maßnahmen zur Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen bei der EU-Kommission zur Notifizierung angemeldet. ({14}) Ein Baustein ist die Senkung der Kfz-Steuer für schwere Nutzfahrzeuge in einem Gesamtvolumen von rund 150 Millionen Euro. Der zweite Baustein ist ein Innovationsförderprogramm für umweltfreundliche LKW mit einem Gesamtvolumen von 100 Millionen Euro. Das haben wir so in den Bundeshaushalt eingebracht. Die Finanzierung dieser rund 250 Millionen Euro für die Harmonisierung soll durch eine entsprechende sukzessive Anhebung der Mauteinnahmen erfolgen. Uns, der großen Koalition, ist wichtig - das sage ich auch in Richtung Regierung -, dass wir die Erhöhung der Mautsätze nur vornehmen, wenn es für das deutsche Speditionsgewerbe eine EU-rechtlich gesicherte Entlastung in entsprechender Höhe gibt. Das erwarten wir so von der Bundesregierung. ({15}) Zum Thema Forschung und Entwicklung. Das Innovationsförderprogramm für umweltfreundliche LKW ist ein Beispiel von vielen. Aus dem 6-Milliarden-EuroSonderprogramm der Bundesregierung für Forschung und Entwicklung erhält das Verkehrsministerium in den Jahren 2006 bis 2010 jährlich je 50 Millionen Euro. Unter anderem wird daraus das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie finanziert. Unsere Industrie, unsere Mobilität und unsere Wohnungen brauchen zunehmend eine saubere und sichere - das bedeutet im Übrigen auch eine unabhängige - Energieversorgung. Wir müssen die Abhängigkeit vom Öl reduzieren. Wasserstoff als Energieträger ist ein Energielieferant der Zukunft. Es ist richtig, dass wir die Forschungsmittel hierfür in diesem Etat, Herr Minister, verstärkt haben. ({16}) Noch ein Wort zur Bahn. Wir haben uns in der großen Koalition darauf geeinigt, ein Eckpunktepapier zu beschließen und dem Deutschen Bundestag vorzulegen, in dem das Bundesministerium aufgefordert wird, ein entsprechendes Privatisierungsgesetz vorzulegen. Wir haben darin festgelegt, dass die Privatisierung noch in dieser Legislaturperiode erfolgen soll. Es gibt ein klares Bekenntnis der großen Koalition zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn. Das, was wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben, findet hier noch einmal ausdrücklich seinen Niederschlag. Die Infrastrukturverantwortung des Bundes muss umfassend gesichert werden. Private Investoren werden nicht an den Infrastrukturunternehmen beteiligt. Das ist ein Punkt, der uns sehr wichtig ist. Darüber hinaus soll die DB AG die Möglichkeit erhalten, die entsprechenden Infrastrukturen bei sich zu bilanzieren. Denn bei der Suche nach einem privaten Investor ist eine gewisse Kontinuität beim Trackrecord wichtig. ({17}) Allein dadurch, dass wir eine Endschaftsregelung treffen, machen wir klar, dass die Infrastrukturunternehmen am Ende der Laufzeit an den Bund fallen und somit Eigentum des Bundes sind. Ich denke, dass wir ein gutes Papier vorgelegt haben. Zentraler Punkt dieses Papiers ist die so genannte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. In der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung verpflichtet sich der Bund langfristig zur ausreichenden Finanzierung und die Bahn verpflichtet sich zur umfassenden Erhaltung der Eisenbahninfrastruktur. ({18}) Um Vereinbarungen über die zukünftige Qualität des Netzes treffen zu können, muss man den Status quo genauestens kennen. ({19}) Deswegen hat der Haushaltsausschuss in eigener Regie einen Leertitel eingerichtet, damit der Bund die Erstellung eines Netzzustandsberichts in Auftrag geben kann. Der bislang vorliegende Netzzustandsbericht ist lediglich eine inventarmäßige Darstellung des Netzzustandes, die allein auf den Angaben der Deutschen Bahn AG beruht. ({20}) Aussagekräftige Informationen über den aktuellen Netzzustand und eine Prognose der Entwicklung sind daher, zumindest für den Eigentümer, nur eingeschränkt möglich. ({21}) Mit der Ausbringung eines neuen Titels im Einzelplan 12 soll ein Datenbank- und Auswertungssystem beschafft werden, das auf der Grundlage regelmäßiger Messfahrten über das Streckennetz seine aktuelle Qualität und die Entwicklung seiner Qualität erfasst und auswertet. ({22}) Dieses Datenbank- und Auswertungssystem wird momentan schon von der Niederländischen Eisenbahn erfolgreich eingesetzt. Unser Ziel ist, dafür zu sorgen, nicht darauf angewiesen zu sein, wie unser Auftragnehmer - derjenige, der das Netz bewirtschaftet - die Frage beantwortet, ob das Geld sinnvoll eingesetzt wird oder nicht. Wir wollen selbst ein Instrument in die Hand bekommen - das muss auch in Ihrem Sinne sein -, um jedes Jahr prüfen zu können, ob die Bahn die Gelder entsprechend der Vorgaben eingesetzt hat oder nicht. Dafür haben wir im Rahmen dieser Haushaltsberatungen gesorgt. Das ist ein sehr positiver Aspekt. Dass wir einen unabhängigen Netzzustandsbericht im Hinblick auf die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung brauchen, habe ich schon gesagt. Darüber hinaus haben wir aber nicht nur Verbesserungen auf der Strecke vorgenommen, sondern wir haben auch neben der Strecke etwas getan.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Hübner, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Menzner von der Fraktion Die Linke?

Klaas Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003559, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Hübner, Sie haben zu Recht auf den erstmalig gefassten Beschluss hingewiesen, dass die Bahn kapitalprivatisiert werden soll. Stimmen Sie mit mir darin überein - dazu haben Sie sich nämlich nicht geäußert -, dass im Entschließungsantrag festgelegt ist, in welcher Höhe staatliche Mittel auf lange Sicht an die Bahn fließen sollen? Diese Zahl müsste doch auch hier zur Diskussion gestellt werden. 2,5 Milliarden Euro jährlich für eine Dauer von 10 Jahren sind schließlich ein sehr beachtlicher Betrag. Wie bewerten Sie als Mitglied des Haushaltsausschusses diese Regelung?

Klaas Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003559, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Kollegin, das wird nicht im Privatisierungsgesetz geregelt, sondern in der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung. Dort soll dieser Betrag festgeschrieben werden. Die Verhandlungen zwischen den Vertretern des Ministeriums und denen der Bahn laufen noch. Es gibt Bestrebungen, diesen Betrag möglicherweise degressiv anzusetzen. ({0}) Aber durch diese 2,5 Milliarden Euro wird auf der einen Seite im Hinblick auf unseren Haushalt für Planungssicherheit gesorgt, dass wir darüber hinaus nicht weiter in Anspruch genommen werden. Auf der anderen Seite bekommt dadurch auch die Bahn die Planungssicherheit, dieses Geld entsprechend verwenden zu können. Ich denke, dass dadurch für beide Seiten Planungssicherheit und Kontinuität gewährleistet werden. Darum bewerte ich diese Vereinbarung als sehr positiv, Frau Kollegin. ({1}) Ich komme auf die Verbesserungen zurück, die wir neben der Strecke durchgeführt haben. Zunächst zur Lärmsanierung. Sie wissen, dass viele von uns in ihren Wahlkreisen immer wieder sehr viel mit dem Thema Lärm zu tun haben. Das ist schon allein deshalb der Fall, weil es in der Tat, was wir ja wollen, zu einem Zuwachs des Verkehrs auf der Schiene gekommen ist, vor allem im Gütertransportbereich. Das ist zum Teil mit Lärmbelästigungen für die Anlieger verbunden. Deswegen haben wir die Mittel für diesen Bereich bereits im Haushalt für das Jahr 2006 um 50 Prozent, von 50 Millionen Euro auf 75 Millionen Euro, erhöht. Diesen Weg wollen wir nun weitergehen. Im Rahmen der Haushaltsberatungen haben wir diesen Titel auf 100 Millionen Euro erhöht. Das ist ein deutliches Signal an die Bürgerinnen und Bürger, dass wir ihre Ängste sehr ernst nehmen. Wir haben die für den Titel zur Lärmsanierung zur Verfügung gestellten Mittel binnen zwei Jahren verdoppelt. Ich denke, das zeigt, dass die Koalition die Bedürfnisse und Wünsche der Bürger kennt und etwas Richtiges und Wichtiges tut. ({2}) Lassen Sie mich zum Schluss noch auf einen besonderen Bereich eingehen, der, wie es scheint, zunächst einmal gar nichts mit diesem Einzelplan zu tun hat. Im Rahmen der Haushaltsberatungen haben wir die Mittel für den Titel GA „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ um 50 Millionen Euro erhöht. Dieser Titel ist beim Wirtschaftsminister etatisiert. Warum ist es trotzdem interessant, das hier zu erwähnen? Sechs Siebtel dieses Etats sind festgeschrieben für die neuen Bundesländer. Da Minister Tiefensee nicht nur der Minister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ist, sondern vor allem für den Aufbau Ost, ({3}) ist es wichtig, das hier zu erwähnen. Mit diesem Titel ist es möglich, Investitionen gerade von kleinen und mittelständischen Unternehmen zu fördern. Es ist der zielgenaueste Wirtschaftsfördertitel für die neuen Bundesländer. Dass wir hier eine Aufstockung vorgenommen haben, zeigt sehr deutlich, wie wichtig wir es nehmen, dass die neuen Bundesländer in ihrem Aufholprozess fortschreiten. Wir haben an dieser Stelle unsere Hausaufgaben gemacht. Ich glaube, dieser Etat ist ein guter Baustein zur Steigerung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland und ({4}) zur Bekräftigung der momentanen positiven wirtschaftlichen Entwicklung. Daher werden wir diesem Etat zustimmen. Ich kann Ihnen das Gleiche nur anempfehlen. Vielen Dank. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Roland Claus von der Fraktion Die Linke. ({0})

Roland Claus (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003065, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, lassen Sie mich nach der alten Rednerweisheit verfahren: lobend beginnen, kritisch ausführen, optimistisch enden. Der Etat enthält zweifelsohne den Ansatz eines echten Infrastrukturministeriums. Wenngleich wir inhaltlich vieles anders sehen, ist er strukturell gut sortiert. Ihr Problem, Herr Minister, ist: Man lässt Sie in Ihrem Kabinett nicht Infrastrukturminister sein. Ich will auch nicht verhehlen, dass wir eine ganze Reihe der Positionen in diesem Etat unterstützen. Wir haben die Ableitung des Programms „Stadtumbau West“ aus den Erfahrungen des Programms „Stadtumbau Ost“ und das Gebäudesanierungsprogramm mit eigenen Anträgen zum vergangenen und zu diesem Haushalt auch etwas forciert. Dennoch trägt er die Handschrift der falschen Logik, die da heißt: Vor den Aufschwung haben die Götter den Beton gesetzt. ({0}) Ich will nun einige kritische Anmerkungen machen, beginnend mit dem Thema, das mein Vorredner als letztes behandelt hat: So wenig Osten, Herr Bundesminister, war noch nie. ({1}) Wir haben gestern eine Bundeskanzlerin gehört, die es in einer ausführlichen Erklärung geschafft hat, nicht ein einziges Mal auf die Belange der neuen Bundesländer einzugehen. Auch bei Ihnen, Herr Minister Tiefensee, erkennt man, wenn man etwas genauer hinschaut, wo die Probleme liegen. ({2}) In Ihrer Rede zum Stand der deutschen Einheit haben Sie sehr wohl und differenziert eine ganze Reihe von Problemen angesprochen. Doch wenn ich das mit dem vergleiche, was Sie hier vor nicht allzu langer Zeit zur Einbringung des Haushaltes gesagt haben, muss ich sagen: Fehlanzeige, wenn es um Geld für die neuen Bundesländer geht. Die Probleme, Herr Minister, lassen sich halt nicht weglächeln. Mein Vorredner hat hier erklärt, bei der Gemeinschaftsaufgabe sei ein Stückchen nachgebessert worden. Zur Wahrheit gehört jedoch, zu sagen, dass die GA-Mittel vorher in einer Größenordnung von 15 Prozent stark abgesenkt worden sind. Das trifft die neuen Bundesländer in erheblichem Maße. ({3}) - Die Relationen, wie sich die GA-Mittel verteilen, sind Ihnen doch gerade mitgeteilt worden; da muss ich doch keine Nachhilfestunde leisten. ({4}) Wir haben nach wie vor das Problem, dass nur 6 Prozent der Industrieforschung in den neuen Bundesländern registriert werden. Wenn die EU-Kommission jetzt meint, die neuen Bundesländer hätten wirtschaftlich aufRoland Claus geholt, protestieren nicht nur wir als Linke gegen eine solche Fehleinschätzung. Allerdings müssen wir Sie da einmal ein bisschen kritisieren: Sie dürfen die EU-Kommissare in den neuen Ländern nicht immer nur zu den Leuchttürmen führen. Denn dann müssen sie an ihrem Schreibtisch zu der Fehleinschätzung kommen, die Probleme hätten sich erledigt. ({5}) Ich will etwas zur Bahnreform sagen. ({6}) Herr Bundesminister, hier stehen Sie vor der Fehlentscheidung Ihrer Karriere. Nach dem, was wir mit Peter Hartz hatten, wird die Bahnreform wohl keiner „Mehdorn-Reform“ nennen wollen. Aber es geht auch um Ihren Namen, Herr Minister. Wenn man sich den Entschließungsantrag anschaut, den CDU/CSU und SPD morgen zur Abstimmung bringen wollen, ist natürlich eines völlig klar: Hierbei handelt es sich um einen faulen Kompromiss. Sie versuchen eine Quadratur des Kreises; denn Sie versuchen, völlig verschiedene Dinge irgendwie zusammenzubringen. Mit diesem Vorschlag werden Sie kein zukunftsfähiges Bahnkonzept auf die Schiene bringen. ({7}) Schauen Sie sich doch nur einmal die Umfragen an: 71 Prozent der Bevölkerung wollen eine Bahn in der Hand des Staates. Nur 25 Prozent sind für eine Privatisierung. Der Anteil der ersten Gruppe steigt. Die Leute haben nämlich begriffen, was es in Großbritannien gekostet hat, das privatisierte Netz gewissermaßen wieder zurückzuholen. ({8}) Deshalb bieten wir Ihnen mit unserem Entschließungsantrag eine Bahnreform ohne Privatisierung als die Lösung für die Zukunft an. ({9}) - Früher sind die Leute Bahn gefahren, die sich kein Auto leisten konnten. Heute fahren die Leute Auto, weil sie sich die Bahn nicht mehr leisten können. Auch wir wollen, dass die Bahn besser wird und es nicht so bleibt, wie es ist. ({10}) - Wir werden uns an entsprechender Stelle auch über das Thema Mathematik unterhalten können. Herr Minister, Sie haben dennoch eine Chance. Alle bisher denkbaren Fehler sind begangen worden. Lassen Sie vom finalen Fehler ab. Wir brauchen eine Bürgerbahn ohne Kollateralschaden. ({11}) Jetzt will ich noch ein Wort zu den gestrigen Äußerungen des Bundesministers über die Bußgelder sagen. Sie haben gestern ein sehr ernst zu nehmendes Thema angesprochen und grobes Vergehen im Straßenverkehr kritisiert. Das finden wir in Ordnung. Das Thema darf auch mit Populismus besprochen werden. Für diesen Populismus muss es aber bitte eine beschränkte Haftung geben. Das Problem ist doch: Diesen Verkehrssündern sind nicht in erster Linie die Strafen zu gering, sondern sie gehen davon aus, nicht erwischt zu werden. Deshalb brauchen wir effektivere Kontrollen. Setzen Sie sich dafür ein, dass diese unsägliche 0,8-Promille-Regelung aus der Welt geschaffen wird und schaffen Sie einen besseren ÖPNV! Um diese Lösungen geht es hier. ({12}) Ein letzter Punkt. Verkehr, Bau und Stadtentwicklung haben viel mit der Hauptstadt Berlin zu tun. Ich empfinde das Karlsruher Urteil zur Berliner Entschuldung als einen grandiosen Justizirrtum. ({13}) Wer das Niveau der Kultur einer Hauptstadt auf das Niveau in einem durchschnittlichen Landkreis heruntersparen will, der hat schlicht nichts von der Zukunftsfähigkeit dieser Aufgabe verstanden. Wir wollen auch nicht vergessen, dass alle zu finanzierenden Einrichtungen in Berlin gewissermaßen doppelt existieren. Deshalb erinnere ich Sie an dieser Stelle daran, dass wir Ihnen vorgeschlagen haben, ein Berlin/Bonn-Beendigungsgesetz einzubringen. Auch das hat sehr viel mit Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu tun. Ich hatte Ihnen versprochen, optimistisch zu enden. Das will ich auch tun. Die Koalition hat im Haushaltsausschuss circa zwanzig Vorschläge unserer Fraktion übernommen. Natürlich hat sie sie zuerst abgelehnt und dann mit eigenen Anträgen wieder aufleben lassen. Setzen Sie diesen Weg fort! Das wünschen wir Ihnen. Bei den Abstimmungen hier haben Sie eine ganze Reihe von Gelegenheiten dazu. Dadurch haben Sie die Möglichkeit, Ihren Haushalt wenigstens noch ein bisschen nachzubessern. Bitter nötig hat er es allemal. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Bartholomäus Kalb von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Bartholomäus Kalb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Koalitionsvereinbarung heißt es: Wir erhöhen die Verkehrsinvestitionen. Der bedarfsgerechte Erhalt und Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserstraßen wird gewährleistet. Weiter heißt es: … werden wir im Zeitraum der 16. Legislaturperiode die Investitionslinie der Bundesverkehrswege deutlich erhöhen und verstetigen. Mit dem jetzt zu verabschiedenden Verkehrsetat für das Jahr 2007 haben wir dieses Ziel zwar noch nicht ganz erreicht, wir sind auf diesem Weg aber ein ganz gewaltiges Stück vorangekommen. ({0}) So konnten wir im Beratungsverfahren die Ansätze für Fernstraßeninvestitionen beachtlich erhöhen und mehr Mittel für den Lärmschutz an Schienenwegen bereitstellen. ({1}) Kollege Hübner hat bereits darauf hingewiesen. Das erstmals aufgelegte Ergänzungsprogramm „Lückenschluss und Staubeseitigung“ ist, wie erwähnt, mit 165 Millionen Euro Barmitteln und Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 255 Millionen Euro ausgestattet. Damit wollen wir sicherstellen, dass durch gezielte Maßnahmen die Wirtschaftlichkeit bereits erfolgter Investitionen deutlich verbessert und der volkswirtschaftliche Nutzen insgesamt verstärkt werden. Diesem Programm kommt aber eine sehr viel weiter reichende Bedeutung zu als die Frage, ob an der einen oder anderen Stelle schneller gebaut werden kann. Es gibt in Deutschland zurzeit etwa 45 Millionen erwerbsfähige Personen. Ab dem Jahr 2012 wird diese Zahl dramatisch sinken und bis 2030 auf 37 Millionen zurückgehen. Diese Entwicklung wird unser Land und unsere Volkswirtschaft vor völlig neue Herausforderungen stellen. Das gilt insbesondere für die Bereiche Schule, Bildung und Ausbildung, aber in ganz besonderer Weise auch für die Frage, wie wir uns unsere wirtschaftliche Tätigkeit und unsere Arbeitswelt sinnvoll, effizient und rationell organisieren. Die Bedeutung von Verkehr und Kommunikation wird dabei vermutlich noch dramatisch zunehmen. Dabei wird es notwendig sein, die verschiedenen Verkehrsträger mit ihrem jeweils spezifischen Nutzen voll zur Geltung zu bringen und dem sicherlich weiter steigenden Mobilitätsbedürfnis von Mensch und Wirtschaft in einer immer stärker arbeitsteiligen Volkswirtschaft Rechnung zu tragen. Wir werden es uns nicht mehr leisten können, fleißige, tüchtige und leistungswillige Menschen unproduktiv in Staus stehen zu lassen und dabei auch noch erhebliche Umweltbelastungen zu verursachen. Unter diesem Aspekt kommt dem in der Koalitionsvereinbarung formulierten Satz „Der bedarfsgerechte Erhalt und Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserstraßen wird gewährleistet“ eine besondere Bedeutung zu. Mit dem Ergänzungsprogramm „Lückenschluss und Staubeseitigung“ wollen wir zumindest auf dem Gebiet der Verkehrspolitik einen ersten, aber nicht unwichtigen Schritt tun, um Antworten auf künftige Herausforderungen geben zu können. In diesem Zusammenhang sei es mir gestattet, auch den Staatssekretären Karl Diller und Achim Großmann ganz herzlich für die konstruktive Begleitung unserer Beratungen und Bemühungen auf diesem Gebiet zu danken. ({2}) Wir müssen die nach wie vor nur begrenzt zur Verfügung stehenden Mittel für Verkehrsinvestitionen gezielt und flexibel einsetzen. Bei den Mitteln aus den Mauteinnahmen, die die VIFG verwaltet, steht uns ein solches Instrument zur Verfügung. Erfreulicherweise konnten im laufenden Haushaltsjahr bereits Mittel zugunsten der Fernstraßeninvestitionen umgeschichtet werden. ({3}) - Von der Schiene. - Nach meiner Einschätzung müsste es möglich sein, noch einmal einen beachtlichen Betrag umzuschichten. ({4}) - Lieber Kollege Friedrich, es nützt nichts, wenn die Haushaltsansätze nur im Haushaltsplan stehen. Das Geld muss für Investitionen eingesetzt werden. Wenn das an einer Stelle schneller möglich ist, dann ist es sinnvoll, diese Mittel dorthin umzuschichten. ({5}) Die Möglichkeit der Umschichtung sollte unbedingt ergriffen werden, um die Mittelknappheit beim Fernstraßenbau so weit wie möglich zu mindern. Leider müssen immer wieder Baumaßnahmen künstlich verlangsamt werden, weil die Mittelbereitstellung mit dem Baufortschritt nicht mithalten kann. Wir sollten - wie es in der Koalition vereinbart ist das Instrument, das uns die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft bietet, weiterentwickeln und die VIFG mit weiteren Kompetenzen ausstatten und zu einer voll leistungsfähigen Infrastrukturgesellschaft ausbauen. ({6}) Wir sollten einen Weg gehen, den andere Länder bereits erfolgreich beschritten haben. Ich denke, wir können auf diesem Gebiet von unserem Nachbarland Österreich durchaus etwas lernen. ({7}) Lassen Sie mich ein paar Takte zum Thema Transrapid sagen. Der Flughafen München verzeichnet ein außerordentliches Wachstum. Für 2015 werden 46,9 Millionen und für 2020 über 55 Millionen Passagiere prognostiziert. Mit annähernd 30 Millionen Passagieren und über 27 000 Arbeitsplätzen ist er schon heute der siebtgrößte Airport in Europa. Die fehlende FernbahnanBartholomäus Kalb bindung ist ein entscheidender Mangel, der sich nicht auf herkömmliche Weise beheben lässt. Mit dem Transrapid ist es möglich, die fehlende Fernbahnanbindung praktisch weitgehend zu substituieren. München braucht auf jeden Fall eine Non-Stop-Verbindung vom Hauptbahnhof zum Flughafen. ({8}) Die Magnetbahntechnologie ist in diesem spezifischen Anwendungsfall das beste Verkehrssystem, das zurzeit zur Verfügung steht. ({9}) Zugleich steht damit eine sinnvolle Anwendungsstrecke in Deutschland zur Verfügung. Eine solche Strecke ist unabdingbar notwendig, um der Transrapidtechnologie als deutscher Technologie zum Durchbruch zu verhelfen. ({10}) Wegen der besonderen industrie- und technologiepolitischen Bedeutung - und nur deswegen - sind der Bund und wohl auch der Freistaat Bayern bereit und in der Lage, eine Sonderfinanzierung sicherzustellen. Eine Sonderfinanzierung für ein herkömmliches RadSchiene-System, ob S-Bahn, Express-S-Bahn oder MAEX genannt, könnte jedenfalls allein mit Mitteln des Bundes - Herr Minister, ich interpretiere das hoffentlich richtig - nicht sichergestellt werden. Das wurde schon hinlänglich geprüft. Jedes andere System müsste also aus der dem Freistaat Bayern zustehenden Quote nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz und den Regionalisierungsmitteln finanziert werden. Weil es in München zum Teil anders kommuniziert wird, sage ich ausdrücklich: Der Transrapid verdrängt keine anderen Nahverkehrsprojekte, wie irreführenderweise von bestimmter Seite behauptet wird. Im Gegenteil: Er schafft Spielraum für die Verbesserung des S-Bahn-Systems in München und für andere Projekte in ganz Bayern. Der Transrapid in München ist sinnvoll und notwendig. Das Projekt in München ist verkehrspolitisch, industriepolitisch und technologiepolitisch wichtig. Wir können damit unter Beweis stellen, dass wir nicht nur Ideen haben und auf dem Gebiet von Forschung und Entwicklung hervorragend sind, sondern dass wir auch die Ergebnisse im eigenen Land zur Anwendung bringen können und in der Lage sind, daraus marktfähige und marktgängige Produkte zu machen. ({11}) Mit dem Transrapid steht und fällt zumindest teilweise auch unser Anspruch, auch dann, wenn es darauf ankommt, ein innovationsfreudiges Land zu sein, und ob wir zu Recht den Anspruch erheben, ein Hightechland zu sein. Zum Börsengang der Bahn werden andere etwas sagen. Mit Blick auf die Uhr möchte ich abschließend bemerken: Mit dem Haushalt 2006 haben wir eine Trendumkehr eingeleitet. Mit dem nun zu beschließenden Etat für 2007 gehen wir den Weg der Verstetigung der Investitionen im Verkehrsbereich konsequent weiter. Der Einzelplan 12 ist nun einmal der Investitionshaushalt des Bundes schlechthin. Wir konnten die investiven Ausgabenansätze im Beratungsverfahren noch erhöhen. Gleichzeitig gelingt es, die Nettokreditaufnahme zurückzuführen. Das ist außerordentlich erfreulich. Die Zeit der Desinvestition und des Substanzverzehrs ist vorbei. Ausgaben für sinnvolle Investitionen dienen der Zukunftssicherung. Der nun zur Verabschiedung anstehende Etat bietet in den Bereichen Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eine gute Grundlage und darüber hinaus viele Anreize für privates Engagement. Ich darf mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen Berichterstatter für die gute Zusammenarbeit ebenso herzlich bedanken wie für die gute Begleitung aus Ihrem Haus, Herr Minister. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Winfried Hermann von der Fraktion der Grünen.

Winfried Hermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003147, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben jetzt vier Reden gehört, die sehr stark aus der Sicht der Haushälter gehalten wurden und in denen sehr stark wirtschaftspolitisch argumentiert wurde. ({0}) - Das ist völlig vernünftig, aber nur ein Teil der Wahrheit. ({1}) Ich möchte gerne eine weitere Dimension in die Betrachtung einbringen und mit einem Zitat beginnen: Die zweite große Herausforderung … - als die erste wird in diesem Text die Energieversorgung der Welt beschrieben ist die Veränderung unseres Klimas. Ich glaube, viele haben die Dimension dieser Herausforderung noch nicht in vollem Umfang verstanden. Sie können klatschen. Das war Bundeskanzlerin Merkel erst gestern hier im Hause. Ich möchte also über die Dimensionen Klimaschutz und Treibhauseffekt in der Verkehrs- und Baupolitik sprechen. In der Tat ist die Klimaveränderung zweifellos die große Herausforderung, vor der wir stehen. Ich glaube, dass gerade dieser Einzelplan und dieses Ministerium zur Lösung dieses Problems in entscheidendem Maße beitragen können, und zwar entweder dadurch, dass etwas geschieht, oder dadurch, dass zu wenig geschieht. ({2}) Ein anderes Mitglied der Regierung, Umweltminister Gabriel, wird etwas konkreter. Er sagt, wir müssten es zumindest bis 2020 schaffen, die Treibhausgasemissio6692 nen in Deutschland um 40 Prozent zu reduzieren. Das ist ein anspruchsvolles Ziel, das wir unterstützen. Wir vermissen aber sowohl in diesem Einzelplan als auch insgesamt bei den Haushaltsberatungen, dass diese Koalition ein Konzept bzw. eine Strategie vorlegt, wie man die wirklich dringend notwendige Klimaschutzpolitik in den Sektoren Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr voranbringt. Die Frage ist also nicht, ob wir etwas tun - natürlich wird etwas getan, es gibt einzelne Projekte; das will ich überhaupt nicht bestreiten -, die Frage ist, ob genügend getan wird und ob das mit dem strategisch richtigen Ansatz geschieht. Ich möchte zunächst den Sektor Bauen und Wohnen in Angriff nehmen. Ein Drittel der in Deutschland insgesamt verbrauchten Energie - und damit der Treibhausgasemissionen - geht auf den Bereich Wohnen/Heizen/ Kühlen zurück. Also ist klar: Wenn man Treibhausgasemissionen reduzieren will, muss man bei diesem Bereich anfangen. ({3}) Ich möchte der Koalition einen Glückwunsch aussprechen, dass sie dieses Programm fortgesetzt hat. Glückwunsch an die CDU, dass sie bei der SPD das geschafft hat, was wir nie geschafft haben, nämlich den Ansatz für das CO2-Gebäudesanierungsprogramm deutlich zu erhöhen! Offenbar waren Sie kräftiger als die kleinen Grünen. Das erkennen wir wirklich an, auch wenn oftmals etwas anderes gesagt wird. ({4}) Aber selbst bei diesem erfolgreichen Programm gibt es Probleme. Inzwischen ist die Nachfrage so groß, dass die Kreditbedingungen erschwert werden müssen. Der Minister hat erst unlängst gesagt, im Rahmen dieses Programms seien insgesamt - wohlgemerkt - fast eine halbe Million Wohnungen saniert worden. Das ist ein Erfolg. Aber angesichts der Tatsache, dass in Deutschland rund 30 Millionen Wohnungen energetisch sanierungsbedürftig sind, braucht man 60 Jahre, wenn man in dieser Geschwindigkeit weitermacht. Bei dieser Herausforderung ist das einfach viel zu langsam! Also muss man neben dem Altbausanierungsprogramm noch andere Instrumente entwickeln: Zum Beispiel sollten Sie endlich einen Energiepass auf den Weg bringen, mit dem vernünftige Anstöße zur energetischen Sanierung gegeben werden. Sie haben lange gebraucht. 2008 kommt endlich etwas, aber eher etwas Diffuses, das, so glaube ich, nicht wirklich weiterhilft. Sie hätten die Möglichkeit, noch mehr zu tun. Die Energieeinsparverordnung hat bei Neubauten deutlich bessere Standards gesetzt und den Ansatz des Energiesparens bei Neubauten nach vorne gebracht. Wir als rotgrüne Koalition haben es damals versäumt - die große Koalition könnte das jetzt aufgreifen -, anspruchsvolle Zielwerte für die Altbauten zu entwickeln, damit wir in den nächsten zehn bis 20 Jahren von dem hohen Verbrauch von 20 bis 30 Litern Öl pro Quadratmeter und Jahr herunterkommen, da wir doch wissen, dass es technisch und praktisch möglich ist, ein Haus mit fünf bis sechs Litern Öl pro Quadratmeter zu heizen. Hier ist dringender Handlungsbedarf angesagt. ({5}) Ein anderes Feld: Verkehr. Im Verkehr werden 20 Prozent der Treibhausgase ausgestoßen, EU-weit sind es sogar 25 Prozent. Zu Recht sagen die Automobilindustrie und Teile der Koalition: Aber wir haben in den letzten Jahren doch auch Erfolge erzielt! - Ja, das haben wir, auch durch Rot-Grün übrigens. Zwischen 1999 und 2005 sind die Treibhausemissionen im Verkehr zurückgegangen. Aber das ist immer eine Frage des Maßstabes. Schaffen wir es, gemessen an den Emissionen von 1990 - das ist die Kiotoherausforderung -, ein Minus bei den Treibhausgasemissionen von 21 Prozent zu erreichen? Gemessen daran sind wir im Verkehrssektor weit weg von den Zielen. Hier besteht wirklich Handlungsbedarf, hier brauchen wir Vorschläge. ({6}) Wir Grünen schlagen vor, dass wir europaweit Verbrauchsobergrenzen für PKWs einführen. Es kann doch nicht wahr sein, dass wir für jeden einzelnen Schadstoff europaweit klare, verbindliche Obergrenzen haben, aber dort, wo es um Klimaschutz geht, alles offen lassen. Im Prinzip kann jeder mit seinem Auto beliebig viel Sprit verbrauchen. Es kann doch nicht wahr sein, dass wir das alles der Freiwilligkeit überlassen. Wenn man wirklich ambitionierten Klimaschutz im Verkehrsbereich will, muss man endlich europaweite Verbrauchsobergrenzen einführen. ({7}) Die EU-Ratspräsidentschaft der Bundesrepublik Deutschland böte eine gute Chance, dieses Thema in Europa nach vorn zu bringen. Denn eines ist natürlich klar: Das kann man nicht in Deutschland allein machen. Was man aber in Deutschland machen kann, ist das, was Sie auch laut Koalitionsvertrag einlösen wollen: Dort haben Sie festgehalten - ein Blick genügt -, dass Sie die Kfz-Steuer reformieren wollen. Sie wollen endlich das machen, was alle als umweltfreundlich preisen, nämlich die Bemessungsgrundlage von Kubikzentimetern Hubraum auf eine CO2-orientierte Basis umstellen. Nichts ist geschehen. Das wäre doch etwas, das Sie endlich angehen und im Sinne von Klimaschutz vorantreiben könnten. Hierzu warten wir auf Ihre Vorschläge. An der Stelle möchte ich etwas zum Dieselrußfilter sagen. Ich frage mich wirklich, welchen Daimler die CDU geritten hat, als sie dieses Projekt - das wirklich nicht sehr ambitioniert war - nach vielen Jahren des Drehens und Wendens beim Aushandeln von Fördermitteln noch einmal aufgehalten und ins nächste Jahr verschoben hat. Sie sind damit quasi zum Schutzpatron des Diesels ohne Filter geworden. Das kann doch nicht im Ernst im Jahr 2006 Ihr Politikkonzept in Sachen Umweltschutz beim Auto sein. ({8}) Ich möchte noch etwas zum Thema Infrastruktur sagen, weil die Kollegen das vielfach auch angesprochen haben. Natürlich ist Infrastrukturpolitik unter Klimaschutzgesichtspunkten interessant. Aber auch heute wurde noch manche alte Rede gehalten, bei der es nur darum ging, wie viele Milliarden Euro investiert und wie viele Projekte gebaut wurden, ohne danach zu fragen, ob die richtigen Projekte realisiert, die richtigen Schwerpunkte gesetzt wurden. ({9}) Wenn Sie einmal den Investitionsrahmenplan studieren, stellen Sie fest: Alle Wahlkreise der Direktkandidaten der großen Koalition sind bedient. Aber was ist das für ein Kriterium? Eigentlich müsste man doch ganz andere Schwerpunkte setzen: Wenn wir mit dem Schienenverkehr weiterkommen wollen, müssen wir die Hauptachsen - beispielsweise die Rheintrasse - mit allem Nachdruck ausbauen. Wenn ich feststelle, dass immer mehr Transportgüter über die Häfen kommen, muss der Anschluss an die Seehäfen Priorität haben. ({10}) Wenn der Ost-West-Verkehr ständig zunimmt, muss eine entsprechende Maßnahme im Schienenverkehr Priorität bekommen. Von nichts davon ist die Rede, stattdessen: viel Geld für die U-Bahn durch den Thüringer Wald! Wenn die wichtigen Achsen verpasst werden - ich halte das für gravierend falsch -, dann ist das ungeschickt und auch unter Klimaschutzgesichtspunkten wirklich nicht zukunftsweisend. ({11}) Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Der Einzelplan 12 könnte eine Chance für mehr Klimaschutz, für mehr zukunftsfähige Investitionen sein. So ist er das nicht geworden. Letztendlich ist er die Fortschreibung des Bauens nach alten Maßstäben, obwohl bisweilen, in den besonderen Reden, gesagt wird: Ja, wir müssen im Sinne der Zukunftsfähigkeit umsteuern. Aber das ist wirklich nicht in genügendem Maße geschehen. Ich möchte noch einmal aus der Rede einer berühmten Naturwissenschaftlerin zitieren: Nun können Sie sagen: Ob die Eiche in der Uckermark eine Zukunft hat, ist nicht so wichtig. - In Portugal und Spanien aber stellt sich das Ganze schon anders dar. Dort vertrocknen die Wälder, anderswo wachsen die Wüsten und schmelzen die Eisberge. Das ist schon wichtig im Sinne von Klimaschutz. ({12}) Auch das hat Angela Merkel gesagt. Ich halte Ihnen von der Koalition schon Ihre eigenen wohlfeilen Sonntagsreden vor. Daran müssen Sie sich messen lassen. Wir erwarten, dass Sie Ihre Politik im Alltag umstellen. Vielen Dank. ({13})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat der Herr Bundesminister Wolfgang Tiefensee. ({0})

Wolfgang Tiefensee (Minister:in)

Politiker ID: 11004176

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte wie meine Vorredner all denen ganz herzlich Dank sagen - so viel Zeit muss sein -, die die Haushaltsberatungen bis hierher begleitet haben. Wir haben sehr konstruktiv, zum Teil kontrovers diskutiert. Ich bedanke mich für eine sehr inhaltsreiche, tief gehende Debatte mit Ihnen. Worüber haben wir gestritten? Wir haben darüber gestritten, wie wir mit dem Einzelplan 12, einem der größten Pläne im Bundeshaushalt, der Anforderung gerecht werden können, für mehr Wirtschaftskraft, mehr Arbeitsplätze, mehr Innovationen, mehr Technologieförderung zu sorgen: Wie kann es uns gelingen, etwas für den regionalen und sozialen Zusammenhalt zu tun? Ich behaupte, dass der Einzelplan 12 einen sehr guten Beitrag zur Erreichung dieser Ziele im Jahr 2007 leistet. Dass das so ist, kann man nachweisen. ({0}) Wenn wir die Entwicklung in Deutschland insgesamt betrachten, so ist eines klar: Im Bereich Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung hat mein Ministerium in den letzten Jahren wesentliche Impulse gegeben, auch auf dem Felde des Aufbaus Ost. So haben wir unseren Beitrag dazu geleistet, dass es aufwärts gegangen ist. Wenn ich das sage, vernachlässige ich nicht, festzustellen, dass es natürlich auch die Wirtschaft und die Bürger in unserem Land gewesen sind, die diesen Aufschwung ermöglicht haben. Professor Rürup hat gestern auf einer Tagung gesagt, dass die Bauindustrie zum Teil schon in Kapazitätsengpässe gerät, wenn alle flüssigen Mittel investiert werden sollen. Das ist ein Indiz dafür, dass es tatsächlich einen deutlichen Aufschwung gibt. Aus den Reihen der Opposition habe ich mit Erstaunen vernommen: Ein Masterplan „Güterverkehr und Logistik“ ist eine Spinnerei des Ministers. Was soll das? Damit kann man sich nur in Sonntagsreden positionieren. - Auf der anderen Seite sagte der Herr Abgeordnete Hermann - das kann ich nur voll unterstützen -, dass es einer Strategie bedarf, ({1}) mit der wir die Verkehrs-, Bau- und Stadtentwicklungspolitik in den nächsten Jahren vorantreiben. Frau Winterstein, ich will es in aller Deutlichkeit sagen: Wir brauchen diese strategische Ausrichtung und nicht nur eine Diskussion darüber, wo 1 Million Euro fehlt. Ich plädiere nachhaltig dafür, dass wir uns - auch im Hinblick auf das, was Sie zum Klimaschutz und zum Umweltschutz gesagt haben - in den Haushaltsdebatten und in den Verkehrsgremien darüber unterhalten, wo wir die Akzente setzen. Es geht mir darum, dass wir uns in den europäischen Kontext einbinden. Wir stehen kurz vor der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft. Ab 1. Januar 2007 nehmen wir Verantwortung für ganz Europa wahr. In einem ersten Schritt werden wir zum Beispiel etwas dafür tun müssen, dass die Schieneninfrastruktur in Europa, also auch in Deutschland, verbessert wird und dass wir zu einer Harmonisierung in diesem Bereich kommen: ({2}) Lokführerschein, Fahrgastrechte, Liberalisierung des internationalen Personenverkehrs. Dazu brauchen wir in unserem Haushalt zweierlei: Erstens. Wir brauchen eine Verstetigung der Gelder für die Schiene. Frau Winterstein, Sie werden mir zustimmen: Die Gelder für die Schiene werden - zwar marginal, aber immerhin - aufgestockt. Zweitens. Wir brauchen eine starke Deutsche Bahn AG. Aus diesem Grund appelliere ich an das Hohe Haus und bitte die Damen und Herren Abgeordneten, dass wir im nächsten Jahr, also 2007, zügig zu einer Entscheidung kommen, durch die die Bahn als ein Wettbewerber im nationalen und im europäischen Maßstab so aufgestellt wird, dass sie diesen Wettbewerb gewinnen kann. ({3}) Wir brauchen ein gutes Dienstleistungsunternehmen für die Privatkunden und auch für die Unternehmen. ({4}) - Bei der Straße ist es das Gleiche, Frau Winterstein. Der Einzelplan 12 steigt, wenn ich das richtig im Kopf habe, von 23,7 auf 24,6 Milliarden Euro. Können wir das zunächst einmal festhalten? Die Investitionen im Einzelplan 12 steigen von 12,4 auf 12,7 Milliarden Euro. Können wir das festhalten? ({5}) Das ist doch ein Anstieg. Jetzt geht es darum, innerhalb dieses Volumens von 12,7 Milliarden Euro eine Akzentsetzung vorzunehmen. Wir haben beispielsweise beim Verkehrsträger Schiene zugelegt. Ich habe hier darum geworben, dass wir auch bei der Binnenwasserstraße, die in der Vergangenheit vernachlässigt worden ist, zulegen. So wollen wir von 2006 bis 2010 durchschnittlich 150 Millionen Euro mehr dafür ausgeben, weil wir davon überzeugt sind, dass das gut angelegtes Geld ist. ({6}) Wir beschäftigen uns mit neuen Technologien. Auch das gehört zur Strategie in Deutschland und in Europa. Wir müssen die Technologieführerschaft beibehalten. Herr Claus, wenn Sie diese Investitionen als „Beton“ abtun und meinen, das sei nicht nötig, dann kann ich Ihnen in einer Hinsicht zustimmen: Wir brauchen nicht nur Beton, aber auch. Gerade wir, die wir in besonderer Weise mit den neuen Bundesländern verbunden sind, wissen, wie wichtig einerseits die Infrastruktur ist, also die neuen Straßen, auch die Schienenwege, wie wichtig andererseits auch Investitionen in neue Technologien sind. Galileo zum Beispiel kommt den neuen Bundesländern genauso zugute wie den alten, momentan sogar noch in stärkerem Maße; ich denke da etwa an Warnemünde oder an den Brandenburger Raum. Wir investieren für den Osten. Ich nenne nur die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit 8.1/8.2, die Aufstockung beim Stadtumbau Ost und dergleichen mehr. Um das auch an dieser Stelle noch einmal klar und deutlich zu sagen: Der Osten hat eine hohe Priorität im Einzelplan 12 und im Übrigen auch in den Haushalten meiner Kolleginnen und Kollegen am Kabinettstisch. ({7}) Wir investieren nicht nur in Galileo, wir investieren auch in das Wasserstoff- und Brennstoffzellenprogramm. Das ist Strategie. Herr Hermann, ich denke, dass wir uns doch darüber einig sind: Nur dann, wenn wir mit neuen Antriebssystemen, mit neuen Kraftstoffen sozusagen die Landschaft verändern, können wir die Herausforderungen in Europa bewältigen und die ehrgeizigen Ziele einhalten, die wir uns gesteckt haben, zum Beispiel das Ziel, den CO2-Ausstoß im Bereich des Wohnens pro Jahr um rund 1 Million Tonnen zu senken und das in noch höherer Dimension auch im Verkehrsbereich zu schaffen. Nur dann, wenn wir neue Technologien einsetzen, wenn wir intelligent mit den Verkehren umgehen, werden wir diese Ziele erreichen. Es geht also um Investitionen in neue Technologien. Hier kann Deutschland Punkte sammeln. Wir beschäftigen uns in den nächsten sechs Monaten unserer Ratspräsidentschaft auch mit der Stadtentwicklungspolitik. Dazu haben wir im Einzelplan 12 ebenfalls deutliche Akzente gesetzt. Ich bin ein Stück stolz darauf, dass wir darauf einen Schwerpunkt gelegt haben. Frau Winterstein, das können Sie im Haushalt auch ablesen. Dem Mittelstand kommt nicht nur zugute, wenn wir in die Straße oder in die Schiene investieren; dem Mittelstand kommt gleichermaßen zugute, wenn wir die Bauindustrie voranbringen. Auch in dem Bereich setzen wir mit dem Einzelplan 12 eine hervorragende Entwicklung der letzten Jahre fort. Ich will das an zwei Beispielen deutlich machen. Das eine Beispiel ist das schon angesprochene CO2-Gebäudesanierungsprogramm. Natürlich wünschte sich ein Bundesbauminister noch mehr Geld, aber wir müssen auch die Balance halten zwischen dem, was im Haushalt möglich ist, also dem, was wir in den Investitionshaushalt stecken können, und dem, was erforderlich ist. ({8}) Ich könnte mir vorstellen, dass wir dann, wenn es uns im Laufe der nächsten fünf oder zehn Jahre noch besser gehen sollte, in diesen Bereich besonders investieren. Wir haben das CO2-Gebäudesanierungsprogramm im Jahr 2006 aufgestockt und erreichen damit, dass der Mittelstand eine Finanzspritze bekommt, die zu neuen Arbeitsplätzen führt. Wir senken die Emissionen. Wir erhöhen die Energieeffizienz und tun so auch etwas dafür, hoffe ich, dass beim Mieter etwas davon ankommt, nämlich in Form einer Ersparnis bei den Nebenkosten. Das ist ein gutes Programm, das wir fortsetzen wollen. ({9}) Frau Winterstein, wir haben auch wieder zugelegt bei solchen Programmen wie „Stadtumbau Ost“, „Stadtumbau West“, „Soziale Stadt“ und beim städetebaulichen Denkmalschutz, den wir, wie Sie wissen, in den nächsten Jahren auch auf Westdeutschland übertragen wollen. Das alles sind Impulse, die sowohl etwas für die Lebensqualität in den Städten bringen, als auch ihre Wirkungen auf den Mittelstand, insbesondere für die Bauindustrie, entfalten werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme zurück zum Verkehrsbereich. Die Investitionen in die transeuropäischen Netze bringen große Herausforderungen für uns mit sich. Nach meinem Dafürhalten gibt es in diesem Bereich insofern ein Defizit, als die Europäische Union ein ungenügendes Finanzvolumen für die zusätzlichen Verkehrsverbindungen, die jetzt zwischen Ost und West aufgrund der Erweiterung der Europäischen Union zusätzlich gebraucht werden, vorgesehen hat. Wir leisten sowohl mit dem Bundeshaushalt als auch mit den Länderhaushalten unseren Beitrag für den Ausbau der Verkehrskorridore. Ich nenne als Beispiel das TENProjekt 17 Paris-Bratislava und das TEN-Projekt 1, den Korridor zwischen Berlin und Palermo. Zugleich werden wir aber darum kämpfen müssen, dass wir einen möglichst großen Anteil der von der Europäischen Union für die transeuropäischen Netze vorgesehenen Mittel für Deutschland akquirieren, weil Deutschland zunehmend zur Drehscheibe bzw. zum Durchgangsbahnhof und zur Durchgangsstraße für Europa wird. Aus diesem Grund fahren wir die Strategie, unsere Investitionen auf die Flaschenhälse der langen Strecken zwischen Ost und West, aber auch zwischen Nord und Süd zu konzentrieren. Ich hoffe, dass wir die dafür vorgesehenen Mittel in Zukunft weiter verstetigen können. ({10}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich anempfehle Ihnen den Einzelplan 12. Natürlich kann man sich immer noch mehr Geld wünschen. So hoffe ich, dass sich die Steuereinnahmen so günstig entwickeln, dass es auch in den nächsten Jahren möglich sein wird, Herr Hübner, noch etwas draufzulegen. Damit würden wir ja auch den Forderungen von Frau Winterstein noch mehr entgegenkommen. ({11}) Auch wenn wir jetzt also erst einmal nur hoffen können, dass sich steigende Steuereinnahmen in Form eines Aufwuchses des Verkehrshaushaltes niederschlagen, meine ich doch, dass wir auch schon mit dem Haushalt, wie er jetzt vorliegt, sehr gut auskommen können. Ich bedanke mich noch einmal für die konstruktive und gute Zusammenarbeit. Vielen Dank. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die FDP-Fraktion hat Horst Friedrich das Wort. ({0})

Horst Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000593, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Minister Tiefensee, trotz all der Freude, die in der großen Koalition seit gestern ausgebrochen ist - Blumensträuße im Plenarsaal und Getränke am Abend -, möchte ich doch am heutigen Tag die Gelegenheit ergreifen, aus verkehrspolitischer Sicht eine Bilanz von einem Jahr Minister Tiefensee zu ziehen. Ich habe Ihnen, Herr Minister, bei meiner ersten Rede zugesagt, dass ich Sie an Ihren Taten und nicht an Ihren Worten messen will. So komme ich zu dem Eindruck, der sich immer mehr verfestigt, dass Sie in der Verkehrspolitik nach dem Motto „Bleiben Sie mir mit Ihren Ratschlägen vom Hals, ich habe meine Entscheidung bereits getroffen“ handeln. ({0}) Ich kann Ihnen das auch im Detail erklären, liebe Kollegen von der SPD und von der Union. Das wird Sie dann sicherlich in gewisser Weise treffen. Lassen Sie mich exemplarisch mit einer Meldung aus dem Hause Tiefensee von gestern beginnen. Die Überschrift lautete: „Bußgelder für Verkehrsrowdys werden erhöht“. ({1}) Der Minister geht in dieser Meldung sogar auf Einzelheiten ein. In einer Meldung von der derzeit stattfindenden Verkehrsministerkonferenz heißt es dagegen: Einzelne Länder empörten sich nach der Sitzung über Tiefensee, weil er den neuen Bußgeldrahmen öffentlich aus der Tasche gezogen habe. „Über Zahlen ist in der Konferenz überhaupt nicht gesprochen worden“ … Zitiert wird dort nicht ein Vertreter der Opposition, sondern der Verkehrsminister von NRW, Herr Wittke. Diese Haltung wurde auch heute in der Abschlusskonferenz von Frau Junge-Reyer und Herrn Wittke noch einmal bestätigt. ({2}) Ihre Verkehrspolitik krankt genau an dem Problem, dass Sie alleine entscheiden. So haben Sie auch beim Horst Friedrich ({3}) Thema Bahn tagelange Anhörungen zugelassen, hinterher aber ein Resümee gezogen, das den Verlauf der Anhörungen gar nicht abbildet und die Aussagen von 90 Prozent der Fachleute, die sich in der Anhörung zu Wort gemeldet haben, gar nicht berücksichtigt. Das scheint Sie im Zweifel gar nicht zu interessieren. Sie ziehen ein Modell aus der Tasche, das der Herr Kollege Hübner „Eigentumssicherungsmodell“ nennt. Allerdings habe ich noch niemanden in Deutschland getroffen, der das so hätte erklären können, dass es tatsächlich funktioniert. Ich will aber noch zu einigen anderen Zahlen kommen. Herr Minister, Sie sagen dauernd, die Verkehrswegeinvestitionen seien verstetigt worden. Ich habe hier die Istzahlen von Rot-Grün und die Sollzahlen von Schwarz-Gelb vorliegen. ({4}) - Rot-Schwarz; Entschuldigung, Herr Generalsekretär. ({5}) - Ja, das wäre besser; dann hätten wir weniger Probleme. ({6}) Sie sind 2007 bei den Mitteln für den Straßenbau selbst hinter Ihrem eigenen Haushaltsansatz von 2006 um fast 300 Millionen Euro zurückgeblieben. Selbst wenn Sie die 165 Millionen Euro, die Sie mühsam erarbeitet haben, hinzurechnen, bleiben Sie unter Ihren Ansätzen von 2006. Außerdem, Herr Minister, müssen Sie dazusagen, dass das Bauen ab nächstem Jahr teurer wird - um 3 Prozentpunkte Mehrwertsteuer. Jede Bauleistung, die Sie ausschreiben, kostet mehr Geld. Ich sage Ihnen voraus: Diese 165 Millionen Euro reichen vielleicht gerade dazu aus, die Mehrwertsteuererhöhung auszugleichen; aber Sie können nicht einen Meter Verkehrswege zusätzlich bauen. Das ist, leider Gottes, die Realität. ({7}) Nun zum Thema Maut. Der Herr Kollege Hübner war begeistert, wie das System funktioniert. ({8}) Die Frage, die sich stellt, ist doch: Warum, Herr Kollege Fornahl, hat die Bundesregierung dann trotzdem noch nicht die endgültige Betriebserlaubnis erteilt? Woran hängt das? Das System ist nach wie vor nicht mit der Zertifizierung „endgültige Betriebserlaubnis erteilt“ ausgestattet. Irgendetwas muss doch an dem System nicht stimmen, ganz zu schweigen davon, dass es zwar eine Cashcow ist - jeden Monat wird erneut eine Mehreinnahme aus der Maut bejubelt -, aber das Geld im Verkehrsbereich offensichtlich nicht ankommt. ({9}) Der § 11 Mautgesetz, Herr Kollege Brunnhuber, den die Union bis zur letzten Bundestagswahl hier immer wieder zitiert hat, wird offensichtlich nicht umgesetzt. Kein einziger zusätzlicher Euro aus den Einnahmen kommt bei den Verkehrswegen an. Jetzt sagt der Herr Minister, wir müssten prüfen, ob die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft kreditfähig sei. Davon hört man nichts mehr. Das Problem ist: Sie kann nur kreditfähig und maastrichtkonform sein, wenn Sie für diese Gesellschaft die Möglichkeit eigener Einnahmen schaffen. Das wird aber wahrscheinlich nicht funktionieren. Deswegen ist da Schweigen im Walde. Das ist das eigentliche Prinzip Ihrer Politik: Sie kündigen an, nehmen etwas zurück und hinterlassen das große Chaos. Bei Rot-Grün war man wenigstens gewohnt, dass sie einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, der nicht gestimmt hat, woraufhin sie nach dem Prinzip Nachbesserung verfahren sind. Zumindest war ein Gesetzentwurf vorhanden. ({10}) Sie kündigen Gesetze nur an und im Endeffekt weiß niemand mehr, wohin es gehen soll. Die Flugsicherung ist dafür ein weiteres beredtes Beispiel. Sie schaffen es noch nicht einmal, einen verfassungskonformen Gesetzentwurf vorzulegen, der das beinhaltet, was Sie nach Europarecht umsetzen müssen. Das ignorieren Sie. Wir müssten ein Bundesamt für Flugsicherung schaffen. Dafür werden Beamte benötigt. 15 Mitarbeiter sind bereits eingestellt. Ich frage Sie, Herr Minister: auf welcher Gesetzesgrundlage? Es gibt ja kein Gesetz, denn der Bundespräsident hat es angehalten. Auf welcher Grundlage zahlen Sie eigentlich das Gehalt für diese 15 Mitarbeiter? Es wird doch wohl noch erlaubt sein, dass die Opposition die Regierung bittet, sich auf der Gesetzesgrundlage zu bewegen. ({11}) Das nächste Problem, das auf Sie zuzukommen droht, ist, dass die Länder am Freitag im Bundesrat Ihr famoses Planungsvereinfachungsgesetz anhalten, nicht wegen der Planungsbestandteile, sondern wegen des enthaltenen Energierechts. Wenn das passiert, Herr Minister, bekommen Sie zum Jahresende ein Problem. Bis dahin müssten Sie das Gesetz nämlich noch ins Gesetzblatt bringen, damit das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz ersetzt werden kann. Auch das ist eine Petitesse, die Sie vielleicht nicht interessiert, die aber zumindest in der Bilanz des ersten Jahres bemerkenswert ist. ({12}) Nun kommen wir zu meinem Lieblingsthema, der Deutschen Bahn. ({13}) Es ist schon famos: Da tagen Tag und Nacht jede Menge Koalitionskreise auf Fachebene und auf Ministerebene; es wird zusammengebunden und es gibt dieses und jenes Ergebnis. Aber man kann sich nicht einigen. Das, worüber man sich nicht einigen kann, schreibt man dann auf, nennt das Ganze „Eckpunkte“ und fordert den Minister krampfhaft auf, daraus ein Gesetz zu machen. Das kann nur Murks werden. Denn wenn man sich nicht auf Horst Friedrich ({14}) das, was man will, einigt, dann kann auch der Minister nichts machen, es sei denn, er macht das, was er schon immer wollte, ({15}) nämlich einen Börsengang à la Mehdorn. Dieses Ding nennt er dann Eigentumssicherungsmodell. Wenn Sie schon der Opposition und den Experten in den Anhörungen des Bundestages nicht glauben, Herr Minister, sind Sie vielleicht wenigstens geneigt, dem Managerkreis der Friedrich-Ebert-Stiftung zuzuhören, der ja nicht unbedingt in dem Geruch steht, der FDP nahe zu stehen. Ich darf einmal vorlesen, was dieser Managerkreis zur Zukunft der Bahn veröffentlicht hat: Der Managerkreis schlägt vor, die Transportgesellschaften der Deutschen Bahn AG schnell, sozialverträglich und vollständig in privates Eigentum zu überführen, den Verkaufserlös einem Sondervermögen zuzuführen und aus dessen Zinsen für das Schienennetz den verbleibenden Investitionsbedarf … zu decken. Da kann ich nur sagen: Diesem Vorschlag kann sich die FDP nahtlos anschließen. Ich bin einmal gespannt, wie Sie darauf reagieren und ob Sie auch diesen Vorschlag ignorieren. Ein weiterer Punkt: Nicht rechtfertigen kann sie ihre Ansprüche an den Staat, wenn sie die Verzinsung des eingesetzten Kapitals im wesentlichen aus noch wirksamen Renditen des Regionalverkehrs und schienenfremden Beteiligungen wie Schenker und Bax Global erwirtschaftet. Was ist der neue Weg der Bahn? Herr Mehdorn hat sehr deutlich gemacht, dass er mit frischem Geld zukaufen möchte: die Hamburger Hafengesellschaft, den Nahverkehr in Prag und ({16}) die Schienen in Riga. Er möchte die Bahn zum weltweit größten Luft- und Seetransportunternehmen machen. Das kann er alles tun. Die Frage, die sich aber stellt, ist: Muss der deutsche Steuerzahler dafür haften? ({17}) Das ist aber genau das, was Sie uns vorschlagen. Sie können um Himmels willen doch nicht erwarten, dass wir tatenlos zusehen und diesen Weg mitgehen. ({18}) Außerdem, Herr Minister, haben die Länder heute aufgezeigt, dass sie mit der Grundstückszuordnung bei der Deutschen Bahn offensichtlich nicht einverstanden sind. Wenn Sie aber die Länder nicht auf Ihrer Seite haben, dann bekommen Sie überhaupt nichts mehr durch. Herr Minister, zum Schluss kurz und knapp: Sie haben das Schiff Verkehrspolitik ohne Lotsen leider in extrem flaches Wasser geführt. In diesen Gefilden haben Schiffe oft das Problem, auf Grund zu laufen. Wenn das passiert, verlässt der Kapitän normalerweise als Letzter das Schiff. In Ihrem Falle wäre es angebracht umzudrehen. Das wäre für die deutsche Verkehrspolitik wahrscheinlich kein Schaden. Danke sehr. ({19})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort für die CDU/CSU-Fraktion hat Norbert Königshofen.

Norbert Königshofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002703, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem nun unser Hauptsprecher Kalb in seiner hervorragenden Rede die Grundzüge unserer Politik dargelegt hat, möchte ich auf zwei Einzelaspekte eingehen, die sowohl verkehrspolitisch als auch haushaltspolitisch von großer Bedeutung sind. Zum einen ist das die Teilkapitalprivatisierung der Deutschen Flugsicherung. Da geht es immerhin um Einnahmen des Bundes von über 1 Milliarde Euro. Zum anderen ist das die weitere Entwicklung der Deutschen Bahn AG, die der Kollege Friedrich auch schon angesprochen hat. Nun haben wir am 23. Oktober die Mitteilung des Bundespräsidenten erhalten, dass er das mit breiter Mehrheit beschlossene Gesetz zur Neuregelung der Flugsicherung nicht unterschreibt. Er begründet das damit, dass das Gesetz mit Art. 87 d Abs. 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar ist. Die Entscheidung des Bundespräsidenten verdient unseren Respekt. ({0}) Aber wir können auch feststellen, dass damit die Teilkapitalprivatisierung nur angehalten, aber nicht grundsätzlich verhindert worden ist. Denn das Votum des Bundespräsidenten richtet sich nicht gegen die Kapitalprivatisierung an sich. Er spricht vielmehr davon, dass das geltende Grundgesetz eine solche Privatisierung nicht erlaube. ({1}) Der Bundespräsident zeigt in der Begründung seiner Ablehnung die gangbaren Wege auf. Wir können also seine Begründung als Richtschnur und seine Einwände als Leitlinie für unser weiteres Vorgehen nehmen. Es geht einerseits darum, die verfassungsrechtlichen Argumente des Bundespräsidenten sorgsam zu prüfen und Folgerungen daraus zu ziehen, und andererseits darum, wie wir das gesteckte Ziel doch noch erreichen. Die Gründe waren ja für die überwältigende Mehrheit des Hauses stichhaltig und sie bleiben es. Ich darf sie ganz kurz zusammenfassen: Es geht um die Stärkung der Leistungsfähigkeit und der Effizienz der Flugsicherung. Es geht um die Befähigung der DFS, die Flugsicherung über den nationalen Rahmen hinaus zu optimieren, und um die Stärkung des Luftverkehrstandortes Deutschland, indem die DFS am erwarteten Konsolidierungsprozess in Europa teilnehmen kann. Es geht um die Erweiterung der Finanzierungsmöglichkeiten der DFS, ohne den Bundeshaushalt zu belasten, und um die Befreiung der DFS von Beschränkungen der Bundeshaushaltsordnung, um im zukünftigen internationalen Wettbewerb und in der internationalen Zusammenarbeit handlungsfähig zu sein.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege Königshofen, würden Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Menzner zulassen?

Norbert Königshofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002703, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber immer. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön.

Dorothee Menzner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003808, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Königshofen, verstehe ich Sie richtig, dass Sie sagen wollten, dass die große Koalition, da die Kapitalprivatisierung der Deutschen Flugsicherung in der vorgesehenen Form nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist, die Überlegung hegt, einfach das Grundgesetz zu ändern?

Norbert Königshofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002703, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Menzner, das würde ich so nie sagen. Wir wollen vielmehr sehr sorgfältig prüfen, welche Wege möglich sind. Es gibt ja vielleicht auch Möglichkeiten, das Ziel der Privatisierung ohne eine Grundgesetzänderung zu erreichen, indem man sich die Aufgaben genau anschaut und sie eventuell aufteilt. Das muss geprüft werden, vielleicht auch mithilfe eines Gutachtens. Ich würde nie vorschnell, aus der Hüfte schießend, das Grundgesetz ändern wollen. Das ist immer die Ultima Ratio. ({0}) Meine Damen und Herren, es gibt darüber hinaus europarechtliche Vorgaben, die wir beachten müssen. Da gibt es die European-Single-Sky-Verordnung und das Open-Sky-Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Alles in allem ist dies Grund genug, auf diese Herausforderungen zu reagieren und die Teilkapitalprivatisierung weiterhin auf die Tagesordnung zu setzen. Das zweite Thema ist von seinen Ausmaßen her noch bedeutender; da geht es in der Tat um viele Milliarden. Ich meine die Teilkapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG. Es gibt dazu einen Entschließungsantrag der großen Koalition, der wohl morgen zur Abstimmung vorliegt. ({1}) Dies ist ein Kompromiss mit drei wesentlichen Eckpunkten: Die Infrastruktur soll zukünftig im alleinigen Eigentum des Bundes bleiben. ({2}) Die DB AG soll die Infrastruktur auf eine begrenzte Zeit bewirtschaften und die Möglichkeit erhalten, die Infrastruktur zu bilanzieren. ({3}) - Ob das Unsinn ist, Herr Friedrich, ist eine andere Frage. ({4}) Richtig ist aber: Der Teufel steckt im Detail. Es gibt in der Tat viele Juristen, die sagen, das sei die Quadratur des Kreises. ({5}) Wie auch immer, ich will für die Union festhalten, dass das Eigentum Vorrang hat. ({6}) Das heißt, wir wollen über das Eigentum verfügen können. Wir wollen, dass weiterhin keine Streckenstilllegung ohne Zustimmung des Bundes erfolgt; denn eine solche Frage landet immer wieder bei den Politikern. Wir wollen keinen Verkauf von Grundstücken ohne Zustimmung des Bundes. Wenn Erlöse anfallen, wollen wir, dass diese wieder als Mittel des Bundes in das Netz fließen. Wir wollen keine Schuldenaufnahme in Bezug auf das Netz ohne Zustimmung des Bundes. Wir wollen weiterhin eine Mitsprache des Bundes bei der Verwendung der Mittel, die der Bund jährlich zahlen soll. Es geht also nicht darum, der Bahn global irgendwelche Milliardenbeträge zu geben; 2,5 Milliarden Euro stehen ja zur Diskussion. Wir wollen vielmehr, dass sehr wohl darauf geachtet wird, wo das Geld bleibt, wie das bisher der Fall war. Wir wollen - um es deutlich zu sagen - keine wie auch immer geartete und auf welchen Umwegen auch immer erfolgende Bedienung der Rendite der Privataktionäre, wie das in manchen Zeitungen befürchtet wird. ({7}) Dafür wollen wir keine Bundesmittel bereitstellen. ({8}) Bei einer möglichen Nichtverlängerung des Bewirtschaftungsvertrages, Herr Friedrich, wollen wir, dass wir allenfalls diejenigen Mittel der Bahn ersetzen, die sie für die Infrastruktur aufgewendet hat. Richtig ist, dass wir einen kurzen, überschaubaren Zeitraum der Bewirtschaftung wollen. Es kann nicht sein, dass wir einerseits eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung von zehn Jahren und andererseits einen Bewirtschaftungsvertrag von vielleicht 20 Jahren beschließen. Das muss schon zusammenpassen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch etwas Grundsätzliches sagen. Die Bahn AG plant in „Europa und anderswo“ - so das wörtliche Zitat - Investitionen in Milliardenhöhe. Die „Welt“ meldet am 15. November: „Bahn plant milliardenschwere Expansion“. Die „Süddeutsche Zeitung“ vom 8. November berichtet, Mehdorn plane Zukäufe in Europa: „Investitionen bis zu 12,5 Milliarden Euro sollen die internationale Expansion vorantreiben“. Dann die „Westfälische Rundschau“, 10. November: „Unser Zukunftsmarkt sind die vereinigten Staaten von Europa und die Landbrücke Richtung Osten.“ Die „FAZ“ von heute berichtet über Pläne der Bahn: „Von Köln nach Schanghai oder von Berlin nach Peking“. Dann noch eine ganz aktuelle kleine Meldung: Der ICE-Halt am Bahnhof Düsseldorf-Flughafen wird gestrichen. Meine Damen und Herren, so stellen wir uns natürlich die Bahnpolitik der Zukunft nicht vor, ({9}) dass wir in Europa und anderswo Milliarden ausgeben, dass aber beispielsweise wegen fünf Minuten Aufenthalts und Abbremsen - der Bahnhof wurde eigentlich genau dafür gebaut, dass der Flughafen angebunden wird - das Halten am Bahnhof Düsseldorf-Flughafen ausgeschlossen wird. Immerhin sind im letzten Jahr 220 000 Fluggäste mit der Bahn nach Düsseldorf gekommen. Das ist ein Fünftel aller Fluggäste, die Düsseldorf hatte. Wenn also die „Westfälische Rundschau“ am 10. November schreibt, „Bahn baut in Asien und bremst zu Hause“, dann kann das nicht unsere Politik sein. Das will ich einmal deutlich sagen. ({10}) Wir haben ja eine große Einkaufsliste: Übernahme osteuropäischer Staatsbahnen, Übernahme von Stadtverkehren in Prag, Stockholm und Lyon, größter Coup: gemeinsam mit russischer Bahn eine Transsibirien-Landbrücke zwischen Asien und Europa - so nachzulesen. Wäre die DB AG ein privates Unternehmen, dann würde ich sagen: Bravo, nur zu! Sie könnte auch 30 Milliarden Euro oder meinetwegen auch das Dreifache verbauen. Nur, die DB AG ist immer noch ein bundeseigenes Unternehmen, manche sagen: ein Staatskonzern. Sie ist ein Staatskonzern, den wir seit 1994 immerhin mit 34 Milliarden Euro entschuldet haben, der seitdem - laut „Welt“ vom 8. November - 213 Milliarden Euro Subventionen erhalten hat, der heute schon wieder 21,2 Milliarden Euro Schulden hat, und das bei einem Eigenkapital von 7,5 Milliarden Euro. Hier wäre also zunächst einmal eine Entschuldung angesagt. Jedenfalls muss eines klar sein: Für die Expansion in den Osten gibt es keinen Cent aus Steuermitteln. ({11}) Es muss weiterhin geklärt werden, wer das Risiko des internationalen Engagements trägt. Ein Engagieren in der Welt, auf dem Weltmarkt birgt Chancen, aber auch Risiken. Wir wollen nicht, dass der Bundeshaushalt diese Risiken trägt. ({12})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Norbert Königshofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002703, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Ende. - Sowohl unseren Verkehrsminister als auch unseren Finanzminister - beide Häuser haben das Unternehmen Bahn AG bisher immer freudig unterstützt - möchte ich deswegen zu erhöhter Wachsamkeit auffordern. Größte Sorgfalt wird geboten sein bei dem Privatisierungsgesetz, damit wir hinterher nicht mit Zitronen gehandelt haben.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Norbert Königshofen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002703, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme zum Schluss und sage: Die Bahn soll groß, stark und mächtig werden, natürlich. Sie soll sich behaupten. Aber, meine Damen und Herren, wir haben dafür zu sorgen, dass das Geld des Steuerzahlers vernünftig ausgegeben wird und vor allen Dingen einem dient, nämlich der Mobilität der Bürger hier in Deutschland. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Die Kollegin Heidrun Bluhm, Die Linke, hat das Wort. ({0})

Heidrun Bluhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003740, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, ich erinnere mich gern an Ihre gestrige Rede auf der Jahrestagung der Wohnungswirtschaft in Berlin, in der Sie den ganzheitlichen städtebaulichen Ansatz Frankreichs gelobt haben, ein Ministerium für Bau und sozialen Zusammenhalt geschaffen zu haben. Frankreich hat nach den brennenden Vorstädten in Paris unmittelbar, konsequent und richtig reagiert, auch mit einer Reform der Ministerien. Ich habe Ihre bewundernden und leuchtenden Augen gesehen, als Sie darüber sprachen. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle die volle Unterstützung der Fraktion Die Linke zusichern, wenn Sie in der Bundesrepublik Deutschland eine solche oder ähnliche Reform der Ministerien anstreben. ({0}) Bereits in meiner letzten Rede zum Haushalt habe ich Ihnen Vorschläge der Fraktion Die Linke unterbreitet, die in diese Richtung zielen. Unsere Vorschläge können Sie im Protokoll nachlesen. Ich möchte zukünftig lieber Ihre strahlenden Augen genießen als brennende Straßen in Berlin sehen. Nun aber zum Haushaltsplan des Jahres 2007. Die demografische und die wirtschaftliche Entwicklung werden künftig, bis zum Jahr 2030, insbesondere in den neuen Bundesländern rasante Veränderungen bei der Stadtentwicklung mit sich bringen. Deshalb ist die allgemeine Städtebauförderung - das gilt für viele Jahre, auch über 2009 hinaus - in Ost und West unverzichtbar, sie ist aber nicht überall gleich gut umsetzbar. Im Westen werden die Förderung von Konversionsflächen und Industriebrachen sowie die Modernisierung einiger Großwohnsiedlungen erforderlich. Der Schrumpfungsprozess wird im Westen nur partiell und erst viel später erfolgen als im Osten. Eine erfolgreiche Städtebauförderung im Osten kann aber trotzdem Vorbild sein. Herr Minister, hier haben Sie in Ihrem Vortrag nicht richtig argumentiert. Sie haben in diesem Haushalt eine Absenkung der Ostförderung um 19 Millionen Euro zugunsten des Westens vorgenommen. Sonst hätten wir unseren Änderungsantrag auf Rücknahme dieser Absenkung nicht einreichen müssen. Wir sind der Auffassung, dass der erhöhte Westansatz im Haushalt gerechtfertigt ist. Wir schlagen aber vor, die ursprünglich vorgesehenen Ansätze für die Förderung im Osten beizubehalten. Somit fordern wir, dass die 19 Millionen Euro Ostförderung wieder hinzukommen. In Ihrem Haushaltsentwurf bleibt leider auch die Antwort auf die Frage nach der Entwicklung des ländlichen Raumes auf der Strecke. Wir begrüßen aber die Aufstockung des Programms „Soziale Stadt“. Das entspricht unserem Ziel. Ebenfalls hoffnungsfroh stimmt uns Ihre Sichtweise auf die Wohnungsbaupolitik der öffentlichen Hand, Herr Minister. Ihre Aussagen, dass der Staat die Verantwortung für diejenigen Bürgerinnen und Bürger übernehmen muss, die aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sind, ihre Miete allein zu zahlen, und dass die Wohnung für uns ein hohes Sozialgut ist und bleiben muss - neben Bildung, Arbeit und Gesundheit -, begrüßen wir. Offenbar ist es Ihnen vorerst gelungen - Sie betonten „vorerst“ -, Ihren Ministerkollegen Steinbrück zu überzeugen. Nun heißt es, dranzubleiben und aufzupassen, auch auf Ihren Kollegen Steinbrück, damit der Wohnungsmarkt nicht für REITs geöffnet wird. Die Fraktion Die Linke und selbst große Teile der SPD werden Ihnen dabei zur Seite stehen; denn wir wissen schon heute, dass Rendite und Daseinsvorsorge in dieser Frage niemals zusammenpassen, es sei denn, es geht um die Erzielung einer „Stadtrendite“ im Sinne des Gemeinwohls. Wir alle stellen gemeinsam fest, dass das CO2-Gebäudesanierungsprogamm eine Erfolgsstory ist, und zwar sowohl auf die Bauindustrie als auch auf den Arbeitsmarkt, das Kiotoprotokoll, die Betriebskosten und nicht zuletzt auf die Gebäude und ihre Eigentümer bezogen. Positiv bewerten wir, dass ab 2007 die Priorität auf der Förderung öffentlicher Bauten liegen soll. Allerdings verstehen wir, Die Linke, die Förderung der öffentlichen Bauten in erster Linie als Förderung der Wohnungsbestände der öffentlichen Hände und auch der öffentlichen Bauten der Kommunen, der Kreise und der Städte und nicht - wir vermuten allerdings, dass das so ist - als Eigenförderung der Bundesbauten. ({1}) 2006 zeigt, dass der Bedarf weitaus größer ist als angenommen. Deshalb begrüßen wir die überplanmäßige Ausgabe für dieses Jahr. Wir verstehen diese - Herr Claus hat es bereits gesagt - als faktische Umsetzung unseres abgelehnten Antrages. Wenn das immer so funktioniert, dann wäre das sicher auch ein Weg. Erlauben Sie mir die Bemerkung, dass Die Linke in ihrem Antrag nicht ganz falsch gelegen haben kann. Deswegen fordern wir wiederum eine Aufstockung der Mittel für das CO2Gebäudesanierungsprogramm um 200 Millionen Euro auf insgesamt 480 Millionen Euro. ({2}) Nun zur Altschuldenhilfe. Im Jahresbericht der Bundesregierung 2006 zur Deutschen Einheit wird auf 325 Wohnungsunternehmen hingewiesen, die mehr als 15 Prozent Leerstand verwalten. Das ist bei 1 060 ostdeutschen Wohnungsunternehmen im GdW ein Drittel der gesamten Mitgliedschaft. Wir waren für die konsequente und richtige Lösung, die vorsah, die Altschuldenbefreiung komplett durch die Übernahme der Verbindlichkeiten durch den Bund zu regeln. Auch der GdW spricht wie wir offen über fiktive Schulden aus der DDR, genauso wie es Altkanzler Kohl tat, und der wird es schon wissen. ({3}) Wenn Sie schon die generelle Altschuldenentlastung nicht finanzieren wollen oder können, dann hätten wir erwartet, dass wenigstens unser Antrag zur Aufstockung der Mittel akzeptiert würde. Nur so kommen aus unserer Sicht der Abriss und der Stadtumbau nicht ins Stocken. Allein in Mecklenburg-Vorpommern haben wir vor, bis 2009 30 000 Wohnungen zurückzubauen. Davon wurden nach vier Jahren erst 10 600 Wohnungen zurückgebaut. Eine der Ursachen dafür liegt darin, dass die Altschuldenhilfe nicht rechtzeitig kommt und dass sie für viele Unternehmen gar nicht zur Verfügung steht. Letztlich können die städtebaulichen Ziele nicht erreicht werden. Unsere Forderungen kennen Sie. Wir haben sie mit entsprechenden Anträgen untersetzt. Aus diesem Grunde möchte ich Ihnen als Fazit zusammenfassen: Trotz positiver Ansätze im Einzelplan 12 haben Sie kein Optimum erreicht und ihre Möglichkeiten nicht ausgenutzt, positive, nachhaltige, ökologische und soziale Investitionspolitik zu machen. Deshalb werden wir den Einzelplan 12 ablehnen. Danke schön. ({4})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Uwe Beckmeyer. ({0})

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einer Haushaltsdebatte ist es üblich, dass sich die Opposition in gewohnter Weise mit dem Haushalt auseinander setzt. Dass es zwischen der ersten und der zweiten und dritten Lesung gewaltige Änderungen im Haushalt des Verkehrsministeriums gab, haben Sie in keiner Weise erwähnt. Das ist bedauerlich, weil ein solcher Prozess dadurch geprägt ist, dass sich das Parlament einbringt und Akzente setzt. Die Akzente, die gesetzt worden sind, überhaupt nicht zu erwähnen, sondern einfach auszublenden, ist unparlamentarisch. Das ist ein starkes Stück. Wir haben in der zweiten und dritten Lesung eine Neuakzentuierung vorgenommen. Wir haben bei den Mitteln für Straßenbauinvestitionen deutlich zugelegt. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen. Wir haben bei den Mitteln für den aktiven und passiven Lärmschutz deutlich zugelegt. ({0}) Wir haben bei der CO2-Reduzierung eine Stabilisierung der Mittel erreicht, die wichtig ist. Ich denke, dass solche Elemente von der Opposition zur Kenntnis genommen werden müssen. In Ihren Reden heißt es am Ende immer: Skandal, Betrug, fauler Kompromiss oder was auch immer. Das sind aber keine Resümees für einen Haushalt, der im Grunde als Scharnier zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der privaten Wirtschaft in Deutschland bei der Infrastrukturfinanzierung wirkt. Dieser Haushalt sucht seinesgleichen, erst einmal aufgrund seiner Größe, aber auch aufgrund seiner Funktion. Diese Funktion - die Bedeutung für die Wirtschaftsförderung, für die Konjunktur und die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt bitte ich zu berücksichtigen. Ich denke, vor diesem Hintergrund muss auch gegenüber der Öffentlichkeit klar gemacht werden, dass die Weichenstellung des Verkehrshaushalts ganz entscheidend ist für wirtschaftliches Wachstum, für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für die Fortsetzung des konjunkturellen Aufschwungs in der Bundesrepublik, die wir dringend benötigen. Diesem Haushalt kommt auch an einer anderen Schnittstelle große Bedeutung zu - das ist vorhin bereits ansatzweise beleuchtet worden -: im Bereich der Umweltpolitik. Im Zusammenhang mit der CO2-Reduzierung müssen wir feststellen, dass die zwei größten Emittenten, die es in der Bundesrepublik neben der Industrie gibt, die Sektoren Verkehr und Wohnen, zu diesem Politikbereich gehören. In diesem Haushalt wird sehr viel auf die Beine gestellt, um bei der CO2-Reduzierung Akzente zu setzen. Das ist, wie ich glaube, nicht zu verkennen. ({1}) Die Politik, die wir formuliert haben, spiegelt sich auch im Haushalt wider. Wir wollen schadstoffarme Motoren fördern. Wir wollen das Kraftfahrzeuggewerbe dazu anhalten, weiterhin solche Motoren zu produzieren. Wir wollen den Güterkraftverkehr anhalten, solche Motoren und LKW-Züge, die die Euro-5-Norm erfüllen, zu kaufen. Wir wollen im Bereich des Wohnungsbaus durch unser CO2-Programm im großen Stil einen Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgase in Deutschland leisten. Insofern haben wir einen wichtigen Punkt erreicht, der deutlich werden lässt, dass der Verkehrshaushalt ein Schlüsselhaushalt und damit ein Zukunftshaushalt ist. Wir geben mit dem Verkehrshaushalt eine Mobilitätsgarantie. Wir leisten mit dem Verkehrshaushalt einen wichtigen Infrastrukturbeitrag im Hinblick auf die Stadtentwicklung und einen wichtigen Beitrag zur Stärkung des Standortfaktors Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt. Insofern sind die Mittel, die wir einsetzen, mit deutlichen Signalen besetzt. Durch den Einsatz dieser Mittel erzielen wir inzwischen Wirkungen sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch im Hinblick auf die Konjunktur. Das CO2-Programm zum Beispiel ist ein Konjunkturprogramm, dessen Wirkung nicht zu unterschätzen ist ({2}) und das sich in Deutschland inzwischen in der Fläche derart entfaltet hat, dass man nur sagen kann: Chapeau, das ist toll! ({3}) Der Aspekt der Nachhaltigkeit ist in diesem Zusammenhang nicht zu unterschätzen. Nun möchte ich noch etwas zur Infrastruktur insgesamt sagen. Jede Million Euro und jede Milliarde Euro zählen. Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, dass der Verkehrshaushalt auch in den Haushalten der kommenden Jahre kräftig gefüllt sein wird. Deshalb sage ich: Mit den Mitteln des Verkehrshaushalts unterhalten wir ein Verkehrsnetz, das in Mitteleuropa seinesgleichen sucht. Dieses Verkehrsnetz ruft danach, unterhalten zu werden. Natürlich ist aber auch die eine oder andere Ergänzung notwendig. Aus Raumerschließungsgründen müssen Verkehrsinvestitionen in Neubaustrecken in der Bundesrepublik Deutschland notwendigerweise ermöglicht werden. Im Hinblick auf die Bundesautobahnen und die Bundesstraßen haben wir bereits etwas unternommen. Jetzt wenden wir uns den Bundeswasserstraßen zu, ob es sich um Schleusenanlagen handelt, die ergänzt oder ersetzt werden müssen, oder um wichtige Ausbaumaßnahmen, die in diesem Zusammenhang ebenfalls zu erwähnen wären. Das Gesamtvolumen des Bruttoanlagevermögens, um das es geht, beträgt in der Bundesrepublik Deutschland, aufgeteilt auf die verschiedensten Ver6702 kehrsträger, 1 Billion Euro. Das hat einen Wert an sich, der unterhalten und gepflegt werden muss. Insofern ist festzuhalten, dass das meiste Geld inzwischen gar nicht mehr in Neubauten gesteckt wird, sondern dass ein sehr großer Batzen unseres Haushalts in die Unterhaltung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur fließt. Aus diesem Grunde ist darauf hinzuweisen, dass konjunkturelle Erwägungen auch hier eine wichtige Rolle spielen. Von vielen wird ja befürchtet, dass wir in der ersten Hälfte des kommenden Jahres einen konjunkturellen Abschwung haben werden. Davon abgesehen, dass ich nicht glaube, dass das eintreten wird: Wir werden im nächsten Jahr in verstärktem Maße in Unterhaltungsmaßnahmen investieren, gerade im Hinblick auf Straßen und Brücken. Das wird konjunkturell von Nutzen sein und helfen, negative Effekte auszugleichen. Wir werden dazu einen entscheidenden Beitrag leisten. ({4}) Ein Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die DB AG. Wir haben in diesem Zusammenhang morgen einige Abstimmungen durchzuführen. Es gibt einen gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wird, einen Gesetzentwurf für eine Teilkapitalprivatisierung der Deutschen Bahn AG vorzubereiten. Ich sage bewusst: Teilkapitalprivatisierung. Weshalb? Weil draußen in den Landen ankommt, wir würden hier im Parlament über eine Privatisierung der Deutschen Bahn reden. Fakt Nummer eins ist: Die Deutsche Bahn wird weiterhin im Besitz des Bundes bleiben. ({5}) Wir werden mit 51 oder 50,1 Prozent weiter Mehrheitsaktionär der Deutschen Bahn AG bleiben. Fakt Nummer zwei ist: Die Koalition ist sich darüber im Klaren, dass die Gesellschaften, die die Infrastruktur - Netz, Bahnhöfe und Stationen, Energie - betreiben, 100-prozentiges Eigentum der Bundesrepublik Deutschland bleiben sollen. Auch das muss man deutlich unterstreichen. Was wir wollen, ist, dass der integrierte Verkehrskonzern Mobilitätskonzern DB AG auf diesen Infrastrukturnetzen produzieren kann. Dass auf diesen Netzen auch Gewinne erwirtschaftet werden können, ist selbstverständlich. Dass für privates Kapital, das in die Holding gegeben wird, von diesen Gewinnen eine entsprechende Rendite gezogen werden kann, ist, denke ich, selbstverständlich. Wir, der Deutsche Bundestag, haben nichts anders vor - das sage ich all denen, die etwas anderes behaupten als eine Teilkapitalprivatisierung, mit dem klaren Prä, dass wir die Bundesbeteiligung an den Infrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn AG wichtig nehmen. Wir werden kein Volksvermögen verschleudern und wir werden die Infrastruktur nicht dem Kapitalmarkt gewissermaßen zum Fraße vorwerfen; das muss man hier einmal ganz deutlich festhalten. ({6}) Deshalb sollte die Opposition die vorliegenden Anträge noch einmal fachlich beurteilen. Ich glaube, wenn Sie das täten, könnten Sie dem Ganzen zustimmen. Ich möchte zum Schluss noch etwas ansprechen, was uns umtreibt. Nach den letzten Nachrichten - der Kollege Friedrich hat es angesprochen - wird das Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz möglicherweise im Bundesrat von einigen Bundesländern kritisiert werden. Die nötige Mehrheit ist nicht unbedingt garantiert. Ich möchte von dieser Stelle aus die Länder und die Verantwortlichen in den Landesregierungen ausdrücklich auffordern, sich dieser Frage noch einmal ausführlich zuzuwenden. Eine solche Infrastrukturplanungsbeschleunigung ist für die Bundesrepublik - im gesamten Land soll die Planungsbeschleunigung einheitlich geregelt werden - von elementarer Wichtigkeit. Falls nun einige Bundesländer meinten, aus der Finanzierung der Anschlüsse der Windenergieanlagen, insbesondere der Windenergiefelder im Offshore-Bereich, ein Thema machen zu können, das das ganze Gesetzgebungsverfahren anhält, wäre das eine ganz schlimme Entwicklung. ({7}) Erstens -

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, ich fürchte, das Zweitens können Sie schon nicht mehr vortragen.

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Erstens ist die Sache an sich schlimm, zweitens wäre dies ein völlig fatales Signal bezüglich der Modernisierung der Energiewirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland. Es würde eine Gefährdung von Technologien bedeuten, die wir weltweit vermarkten können.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Uwe Beckmeyer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003498, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja. - Diese Ressource wird gerade auch in den norddeutschen Bundesländern von Schwarz, von Rot und von Grün befürwortet. Meine Herren Ministerpräsidenten, ich kann an Sie wirklich nur appellieren: Tun Sie dies nicht, sondern stimmen Sie diesem Gesetz im Bundesrat zu. Herzlichen Dank. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich erteile Enak Ferlemann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. ({0})

Enak Ferlemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003525, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Geschätzte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in einer spannenden Zeit, die durch Europäisierung und Globalisierung gekennzeichnet ist, die die wesentlichen wirtschaftlichen Entwicklungen vorantreiben. Ein wesentlicher Sektor ist hierbei der Verkehrssektor. Dort wird eine der zentralen Fragen der Zukunft beantwortet werden müssen: Wie wollen wir die Mobilität in Zukunft organisieren? Steigende Gütermengen und steigende Anforderungen an Transport- und Logistikleistungen sind Ausdruck von zusammenwachsenden Märkten. Hierauf muss das in Europa zentral gelegene Land Deutschland reagieren. Es muss daher Ziel der Politik sein, alle Chancen, die die Europäisierung und die Globalisierung mit sich bringen, zu nutzen. Dabei müssen wir die Lissabonstrategie, also die Wachstumsstrategie der Europäischen Union, und die Göteborgstrategie, also die so genannte Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Union, beachten. Wir sind dafür verantwortlich, dass wir ausreichende Kapazitäten an See- und Binnenhäfen bereitstellen, dass die Wasserwege entsprechend ausgebaut werden, dass die Kapazitäten der Flughäfen, die Autobahnen und vor allem auch die Schienenwege ausreichend erweitert werden. Um die Chancen dafür optimal nutzen zu können, müssen wir mit dem Haushalt die Grundlagen dafür schaffen. Das tun wir auch. Für diese weitere Entwicklung sind in dem Bundeshaushalt erhebliche Investitionen in das Bundesfernstraßennetz, in das Bundeswasserstraßennetz und vor allem auch in die Schieneninfrastruktur vorgesehen. Es ist ergänzend zu erwähnen und sicherlich nicht unwichtig, dass neben diesen Investitionsmitteln auch die erheblichen Regionalisierungsmittel und die Mittel aufgrund des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes wieder zur Verfügung gestellt werden. ({0}) Bezüglich des Schienenverkehrs gibt es im Haushalt 2007 einen bestimmten Punkt, auf den man hinweisen muss: Ab dem 1. Januar 2007 werden wir in Europa endlich - meiner Meinung nach ist das viel zu spät - einen vereinigten europäischen Markt für den Schienengüterfernverkehr haben. Deutschland braucht eine starke und moderne Bahn und ein erfolgreiches Unternehmen Deutsche Bahn AG, um in diesem erweiterten Markt seine Marktschancen erfolgreich nutzen zu können. Wir müssen in der Bundespolitik für unser Unternehmen - all diejenigen, die hier sitzen, sind Eigentümer; denn die Bahn gehört den Deutschen und wir vertreten die Deutschen - die Weichen stellen, damit die DB AG ein europäischer oder sogar ein Global Player werden kann. Ich persönlich hätte gar nichts dagegen, wenn man eine Schienenverbindung über Land zwischen Europa und Asien schaffen würde. Das wäre eine gewaltige Kraftanstrengung auf dem Transportmarkt. Für das System Schiene und für die Globalisierung wäre es aber sicherlich sinnvoll, dies offensiv anzugehen. 1994 haben wir im Deutschen Bundestag gemeinsam beschlossen, die Bahn zu reformieren: Erstens wollten wir mehr Verkehr auf die Schiene bringen. Zweitens wollten wir den Bundeshaushalt dadurch nachhaltig entlasten. ({1}) Als Instrument dafür wollten wir mehr Wettbewerb im System Schiene. ({2}) Nach dem Grundgesetz trägt der Bund die Verantwortung für die Infrastruktur. Dies müssen wir auch weiterhin gewährleisten, indem wir Mittel für den Ausbau und den Erhalt der Schienenverkehrsinfrastruktur bereitstellen. Bis zu 4 Milliarden Euro an Bundesmitteln stehen auch in diesem Haushalt dafür wieder zur Verfügung. In der Vorbereitung der Entscheidung über eine Privatisierungsvariante - mit oder ohne Netz - haben wir uns sehr viele Gedanken gemacht. Das Thema ist in der Tat sehr komplex. Von einigen Vorrednern ist das in Teilen auch schon angesprochen worden. Es geht nämlich nicht nur um die Bahnpolitik, sondern hier spielen auch finanz- und haushaltspolitische, volkswirtschaftliche, europarechtliche, beschäftigungspolitische und ordnungspolitische Gesichtspunkte eine erhebliche Rolle. Das ist auch die Antwort darauf, verehrte Kollegen von der FDP, warum wir uns intern so viel Zeit genommen haben: Wir müssen nämlich diese verschiedenen einzelnen Gesichtspunkte intensiv abwägen und im Zusammenhang zu einem vernünftigen Ergebnis führen. Dabei halfen das PRIMON-Gutachten, die verschiedenen Gutachtergespräche, die Anhörungen, Analysen und Abwägungen zu vielen Einzelaspekten, die wir vorgenommen haben. ({3}) Bei der Bahnreform sind aus unserer Sicht drei Grundelemente notwendig. Erstens muss die steuerfinanzierte Eisenbahninfrastruktur zwingend weiter im Eigentum des Bundes bleiben. ({4}) Zweitens. Einen integrierten Konzern, das heißt eine Konzernprivatisierung inklusive Netz, lehnen wir vonseiten der Union strikt ab. Die Betriebsführung des Netzes sollte aber klugerweise integriert erfolgen, und zwar durch die Deutsche Bahn AG. Drittens muss ein diskriminierungsfreier Wettbewerb im Netz gewährleistet werden. Ich denke, hierfür steht mit der Bundesnetzagentur eine gute Regulierungsbehörde bereit. ({5}) Vor dem Hintergrund dieser wesentlichen Grundüberzeugungen haben wir einen Entschließungsantrag zur Abstimmung gestellt, auf den ich mit einigen Sätzen eingehen will. Wir erwarten von der Bundesregierung - unser Verkehrsminister mit seinen klugen Juristen wird sicherlich dazu in der Lage sein -, uns bis etwa Ende März nächsten Jahres einen Entwurf des Privatisierungsgesetzes vorzulegen, ({6}) sodass wir ihn dann ordnungsgemäß im Parlament beraten können. Wir haben für dieses Privatisierungsgesetz Zielvorgaben erarbeitet und wollen erreichen, dass nach Möglichkeit noch in dieser Legislaturperiode private Investoren zu mindestens 24,9 Prozent an der Deutschen Bahn AG beteiligt werden, damit die DB AG das notwendige Kapital generieren kann, um im europäischen Wettbewerb bestehen zu können. Als weiteren Punkt haben wir, wie gesagt, vereinbart, dass die Infrastrukturgesellschaften vor der Kapitalprivatisierung ins Eigentum des Bundes überführt werden müssen. Wir haben einen vertraglich vereinbarten Zeitraum vorgesehen, in dem sich der Bund verpflichtet, den Betrieb der Infrastruktur auf die DB AG zu übertragen; er kann nach Ablauf dieser Zeit entscheiden, ob er diesen Vertrag verlängern will. Das ist mit dem Stichwort „Reversibilität der Entscheidung“ gemeint. Mit dem Privatisierungsgesetz wollen wir auch sicherstellen, dass wir keine zusätzlichen Schulden und Risiken in den Bundeshaushalt übernehmen müssen; der DB AG soll aber ermöglicht werden, Schienennetz und Infrastruktur in einer wirtschaftlichen Einheit zu betreiben und gegebenenfalls auch zu bilanzieren. Wir wollen, dass mehr Verkehr auf die Schiene kommt. Deswegen setzen wir die Verkehrsinfrastruktur einem erheblich stärkeren Wettbewerb aus. Zur Bundesnetzagentur, die diesen diskriminierungsfreien Wettbewerb ermöglichen und sicherstellen soll, habe ich schon einiges ausgeführt. Die DB AG wird auch weiterhin den konzerninternen Arbeitsmarkt fortführen können, was für die Mitarbeiter sicherlich eine gute Nachricht ist. Letztlich muss die Bahnreform mit dem EU-Recht kompatibel sein, was unseres Erachtens durch unseren Antrag sichergestellt ist. Ich denke, dass wir mit dem Entschließungsantrag gemeinsam mit den vielen neuen Freunden der SPD-Fraktion den richtigen Weg gegangen sind, um die Deutsche Bahn AG gut für den europäischen Wettbewerb auszustatten und zu unterstützen. Wir werden zusichern, dass der Bund etwa 2,5 Milliarden Euro jährlich für die Bestandsnetzpflege aufbringen wird. Dies werden wir aber durch eine strenge Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung kontrollieren. Auch das wird sicherlich ein wichtiges Thema sein, auf das wir uns im kommenden Frühjahr bei den weiteren Diskussionen zur Bahnreform, die aufgrund des Privatisierungsgesetzes des Herrn Ministers auf uns zukommen werden, einstellen müssen. Wir haben mit dem Bundeshaushalt 2007 dafür Sorge getragen, die notwendigen Investitionsmittel bereitzustellen, um insgesamt den Verkehrssektor in Deutschland weiter voranzubringen, ihn europafähig zu machen und auch im Hinblick auf die Globalisierung nach vorne zu bringen. Meine Fraktion wird voller Überzeugung sowohl dem Entschließungsantrag zur Bahnreform als auch dem Einzelplan 12 zustimmen. Danke schön. ({7})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für das Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt die Kollegin Anna Lührmann.

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte etwas zu der Quadratur des Kreises sagen, wie der Kollege Königshofen das vorhin so schön genannt hat, nämlich zu dem von der großen Koalition vorgelegten Entschließungsantrag zum Thema Bahnbörsengang. Zu der zentralen Frage betreffend den Bahnbörsengang enthält Ihr Entschließungsantrag in der Tat eine widersprüchliche Aussage. ({0}) - Ich konzentriere mich auf die wesentlichste Frage. Ich will den interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern die entsprechenden Stellen einmal vorlesen. Unter Punkt I.3 heißt es: Die Infrastrukturgesellschaften werden vor der Kapitalprivatisierung ins Eigentum des Bundes überführt. Ich übersetze das einmal für die Zuhörerinnen und Zuhörer: Das Netz bleibt im Eigentum des Staates. ({1}) Unter Punkt I.5 steht: Die DB AG erhält die Möglichkeit, Schienenverkehr und Infrastruktur in einer wirtschaftlichen Einheit zu betreiben und zu bilanzieren. Ich übersetze wieder: Das Netz gehört der DB AG. ({2}) Ich frage mich, wie das zusammengehen soll. Können Sie mir die zentrale Frage verbindlich beantworten - bislang gibt es unterschiedliche Aussagen dazu -, wem das Schienennetz in der Bundesrepublik Deutschland in Zukunft gehören soll? - Niemand traut sich. Die Frage bleibt also offen. ({3}) Wir, die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen, haben eine ganz klare Antwort auf diese Frage. Nach unserer Erfahrung wird es für den Steuerzahler dort teuer, wo es kompliziert wird. Wenn man Heerscharen von Juristen braucht, um ein Modell zu verstehen und zu interpretieren, dann wird es für den Steuerzahler teuer. Wir brauchen stattdessen ein klares, einfaches Modell, nämlich die Trennung von Netz und Betrieb, wobei das Netz im Eigentum des Bundes bleibt. ({4}) Ich war im letzten halben Jahr zum großen Teil damit beschäftigt, Licht ins Dunkel des Geflechts zwischen Verkehrsministerium und Bahn zu bringen. Wir haben drei sehr komplexe Kleine Anfragen an die Bundesregierung gestellt, um vor allen Dingen in der Immobilienfrage einige Antworten zu bekommen. Ein paar Antworten haben mich vor allen Dingen als Haushälterin aufgeregt und schockiert. Wussten Sie, dass seit 2004 der DB AG die Bundesmittel für den Ausbau der Schieneninfrastruktur quasi geschenkt werden und dass sie keinen Cent mehr zuzahlen muss? Ich jedenfalls wusste das nicht. Das wurde im Haushaltsausschuss nie mitgeteilt. Erst auf mehrmaliges Nachfragen haben wir das erfahren. Nur zur Erinnerung: 1999 musste die DB AG noch 1 Milliarde Euro pro Jahr zahlen. Im Jahr 2000 wurde dieser Betrag auf rund 150 Millionen Euro jährlich gesenkt, weil die DB AG angeblich keine Eigenmittel mehr hatte. Was sie mit ihren eigenen Mitteln in der Zwischenzeit gemacht hat, hat der Kollege Königshofen bereits ausgeführt. Seit 2004 tätigt die DB AG dort keine Investitionen mehr in das Netz, wo das aus Sicht des Bundes wünschenswert wäre. Das zeigt, wie wenig wert der Bahn das Netz ist und warum es unbedingt notwendig ist, das Netz abzutrennen und in staatliche Verantwortung zu überführen. Für diese klare und sinnvolle Lösung werbe ich um Ihre Zustimmung. ({5}) Die Frage ist aufgekommen, ob es stimmt, dass die DB AG keine Eigenmittel für zuwendungsfähige Investitionen - so heißt es korrekt - hatte. Wenn man sich anschaut, was die DB AG aus den Immobilienverkäufen, das heißt aus dem Heben stiller Reserven, eingenommen hat, dann stellt man fest, dass Geld vorhanden war. Sie hat - das wurde uns von der Bundesregierung mitgeteilt seit dem Jahr 2000 rund 760 Millionen Euro aus dem Heben stiller Reserven eingenommen. Zur Erinnerung: 616 Millionen Euro wurden im gleichen Zeitraum in das Netz investiert. Hinzu kommt der Erlös aus dem Verkauf von Grundstücken an Aurelis, eine große Immobilienverwertungsgesellschaft. Das sind noch einmal über 1 Milliarde Euro. Insgesamt beträgt der Erlös aus Immobilienverkäufen, das heißt aus dem Heben stiller Reserven, rund 2 Milliarden Euro. Das ist sehr viel. Angesichts dessen kann man sagen, dass die DB AG einen Teil ihres laufenden Geschäfts und ihres - teilweise vorhandenen und teilweise nicht vorhandenen - Gewinns mithilfe des Hebens stiller Reserven bestritten hat. Nun liegt ein Brief von Herrn Mehdorn auf dem Tisch. Das heißt, er liegt nicht bei mir auf dem Tisch, sondern auf dem von Herrn Tiefensee. Ich habe aus dem „Spiegel“ davon Kenntnis genommen. Dort steht, dass Herr Tiefensee - - Entschuldigung, dass Herr Mehdorn - - Jetzt verwechsle ich die beiden schon; das war keine Absicht. ({6}) In dem Artikel steht, dass Herr Mehdorn an Sie, Herr Tiefensee, schreibt, dass die DB AG zu keiner Zeit ihren Geschäftserfolg aus einer Unterbewertung von Immobilien oder aus dem Heben von stillen Reserven geschöpft hat und dies auch nicht nach einem Börsengang plant. Sie lachen schon, Herr Kollege, und ich glaube, dass Sie Recht haben, wenn Sie lachen. Denn erstens - das habe ich vorhin deutlich gemacht - bestanden stille Reserven, zweitens hat sie die DB AG in den letzten Jahren gehoben und drittens wird Mehdorn ganz sicher auch in Zukunft versuchen, diese stillen Reserven durch Immobilienverkäufe zu heben. Deshalb lassen Sie, meine Damen und Herren von der großen Koalition, sich nicht weiter von Mehdorn für dumm verkaufen! ({7}) Versuchen Sie nicht die Quadratur des Kreises, die Ihnen Mehdorn aufschwatzen will, sondern votieren Sie für ein klares und einfaches Modell der Trennung von Netz und Betrieb! Dafür werden wir vom Bündnis 90/Die Grünen auf jeden Fall weiter werben. ({8})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Für die CDU/CSU-Fraktion bekommt der Kollege Dirk Fischer das Wort. ({0})

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Bauhauptgewerbe rechnet in diesem Jahr mit einem Umsatzplus von 2 Prozent. Das gab es seit sechs Jahren nicht. Die Umsätze im öffentlichen Bau werden im Jahr 2006 um 1 Prozent steigen. Ein Plus gab es dort seit mindestens zehn Jahren nicht mehr. Auch die Umsätze im Wohnungsbau steigen um 1 Prozent. Das ist eine erstmalige Trendwende seit 1997. Die schönste Botschaft für die Politik aus der Bauwirtschaft ist: Die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter ist allein im August 2006 gegenüber dem Vorjahresmonat um 30 Prozent gesunken. ({0}) Nachdem das Bauhauptgewerbe seit 1995 etwa eine Halbierung der Zahl der Arbeitsplätze hinnehmen musste, gibt es jetzt erstmals wieder einen Anstieg. Ich denke, wir sind dabei, diesen richtigen Weg auch mit dem Haushalt 2007 konsequent zu unterstützen. Gegenüber der letzten, sehr unbefriedigenden mittelfristigen Dirk Fischer ({1}) Finanzplanung von Rot-Grün ist es der großen Koalition gelungen, die Mittel nennenswert zu erhöhen. ({2}) Als der Erfolgsköder für mehr private Investitionen hat sich, wie heute schon mehrfach erwähnt wurde, das CO2Gebäudesanierungsprogramm entwickelt. Aus dem zarten Pflänzchen der Vorgängerregierung wurde eine der tragenden Säulen des 25-Milliarden-Euro-Investitionsprogramms dieser Bundesregierung. ({3}) Allein bei dem mit diesen Mitteln finanzierten Programm der KfW wird das Kreditzusagevolumen 2006 gegenüber dem Vorjahr auf circa 3,5 Milliarden Euro verdreifacht. Das ist eine Entwicklung, die auch an der FDP-Fraktion nicht spurlos vorübergehen dürfte. Ich danke im Übrigen dem Kollegen Hermann für die Komplimente, die er uns dafür gemacht hat. ({4}) Zusammen mit anderen KfW-Programmen, die mit den Mitteln des CO2-Gebäudesanierungsprogramms des Bundes finanziert werden, haben wir in diesem Jahr ein Zusagevolumen von circa 9 Milliarden Euro und ein Investitionsvolumen von über 11 Milliarden Euro erreicht. Ich erinnere daran: Die Planzahlen der Bundesregierung am Jahresanfang lagen bei 5 Milliarden Euro Zusagevolumen und etwa 7 Milliarden Euro Investitionsvolumen. Der Start des neuen Programmteils ab 2007, also der Investitionszuschuss für die Ein- und Zweifamilienhausbesitzer und die verbilligten Darlehen für Einrichtungen der Kommunen, ist die konsequente Weiterentwicklung dieses erfolgreichen Programms. Es wirkt in dreifacher Hinsicht: Erstens ist es ein Beitrag zum Erreichen des Klimaschutzziels, zweitens hilft es den Verbrauchern, die Wohnnebenkosten zu senken, und drittens ist es ein wichtiger Konjunkturimpuls, maßgeblich für die Baustoffindustrie und das Handwerk. ({5}) Die zweite wichtige Maßnahme der großen Koalition zur Stärkung der Bauinvestitionen in Deutschland ist die Ausweitung der Städtebauförderung. 75 Millionen Euro mehr Bewilligungsvolumen, als von der Vorgängerregierung geplant, stehen 2007 zur Verfügung: mehr Mittel für „Stadtumbau Ost“, für das Programm „Soziale Stadt“, den „Stadtumbau West“ und hoffentlich, so sage ich, bald auch für den Einstieg in den städtebaulichen Denkmalschutz in den alten Bundesländern. ({6}) Die Ausrichtung unserer Städte und Gemeinden auf die Herausforderungen von Demografie- und Strukturwandel stellt veränderte Ansprüche an die Stadtentwicklungspolitik. Wachstum und Umbau, Erhalt, Erweiterung, Abriss, Anpassung an eine alternde Bevölkerung, aber auch eine neue Attraktivität der Innenstädte für Familien mit Kindern, das sind die antagonistisch anmutenden Schlagworte der aktuellen Ausrichtung unserer Stadtentwicklungspolitik. Sie spiegeln jedoch nur den tief greifenden Strukturwandel unserer Gesellschaft wider. Im Rahmen der Städtebauförderung schaffen wir aber auch Anreize, diesen Strukturwandel für mehr Investitionen, vor allem für private Investitionen, zu nutzen. Der dritte Investitionen stärkende Bereich im Einzelplan 12 ist die deutliche Anhebung und Verstetigung der Mittel für die Verkehrsinvestitionen. Die Verkehrsnetze sind die Lebensadern unseres Landes und unserer Volkswirtschaft. Da kann man auch die Brücke zu dem schlagen, was wir zum Thema Bahn debattiert haben. Die Lebensadern unserer Volkswirtschaft müssen in öffentlicher Verantwortung, im öffentlichen Eigentum bleiben. Wir kennen heute die Probleme bei den Energieverbundnetzen. Da tut uns heute manches, was nach unserer Auffassung nicht gut gelungen ist, eher Leid. Derartige Fehler werden wir bei der Schieneninfrastruktur besser nicht wiederholen, damit wir in Zukunft nicht den Einfluss auf Wettbewerb und andere Dinge in der Volkswirtschaft verlieren. ({7}) Ich möchte aber sagen: Wie bereits 2006, so stehen auch 2007 rund 1 Milliarde Euro mehr als im rot-grünen Finanzplan vorgesehen für Verkehrsinvestitionen zur Verfügung. ({8}) Damit wird Kontinuität für Planung und den Bau von Projekten geschaffen. Gleichzeitig sind wir in der Lage, den Substanzverzehr, der in den letzten Jahren eingesetzt hat, aufzuhalten. Darüber hinaus ist es erfreulicherweise - das hat der Kollege Beckmeyer schon gut herausgearbeitet - in den laufenden Beratungen gelungen, weitere Mittel bereitzustellen. ({9}) Hier ist das Ergänzungsprogramm „Lückenschluss und Staubeseitigung“ zu erwähnen, ein Programm, das insgesamt mit 420 Millionen Euro ausgestattet ist, wovon schon 2007 165 Millionen Euro bereitstehen. Neun wichtige Bundesfernstraßenprojekte erhalten damit eine bessere Perspektive. Mit dem neuen Förderprogramm für umweltfreundliche Motoren bei Binnenschiffen wird die Modernisierung der deutschen Binnenschifffahrtsflotte mit emissionsärmeren Dieselmotoren unterstützt. Für die Lärmsanierung an Schienenwegen haben wir die Mittel erneut um 24 Millionen Euro auf jetzt 100 Millionen Euro aufgestockt. Damit setzen wir ein deutliches Zeichen, dass wir mehr tun wollen, damit der Zuwachs des Schienenverkehrs, den wir alle wollen, am Ende nicht zulasten der lärmgeplagten Anwohner geht. Ich denke, dass wir mit unseren strategischen Entscheidungen zur Teilprivatisierung der DB AG wichtige Weichenstellungen vorgenommen haben. Vieles ist gesagt. Wir haben im Koalitionsarbeitskreis hart verhanDirk Fischer ({10}) delt. Ich denke, am Ende haben wir ein akzeptables Ergebnis gefunden, das wir dem Deutschen Bundestag im Rahmen der Haushaltsberatung zur Beschlussfassung vorlegen. ({11}) Modellentscheidungen haben wir am Ende nicht mehr getroffen, sondern wir haben Festlegungen getroffen. Und jetzt wird Bundesminister Tiefensee und sein Haus einen Entwurf für ein Privatisierungsgesetz ausarbeiten. Ich glaube, dass auch den Kollegen in der Opposition, mit denen wir gemeinsame Grundüberzeugungen haben, zu raten ist, jetzt abzuwarten, was auf den Tisch gelegt werden wird. Wir wissen, dass wir die Grundüberzeugung, die wir miteinander teilen, in einem solchen Gesetz auch wiederfinden wollen. Frau Kollegin Lührmann, deshalb werden wir die Debatte auch in dieser Richtung fortsetzen, wenn der Entwurf vorliegt. ({12}) Wir haben ein völliges Einvernehmen darüber, dass das Eigentum an der Eisenbahninfrastruktur 100prozentig und vollständig sicher beim Bund verbleiben muss. Auch wir wollen eine gesicherte Position zur Förderung des Wettbewerbs auf der Schiene und des diskriminierungsfreien Zugangs anderer Unternehmen zu dieser Infrastruktur jederzeit gewährleisten. Wir haben vereinbart, dass sich private Investoren an Infrastrukturunternehmen nicht beteiligen dürfen. Nach den schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit wollen wir aber auch, dass die Steuerung und Kontrolle des Bundes über die Ministerien, über den Aufsichtsrat verstärkt werden. In der Vergangenheit tanzte die Bahn dem Bund viel zu häufig auf der Nase herum. ({13}) Wir wollen deswegen, dass es künftig eine in Bezug auf Qualität und Quantität klar definierte Schieneninfrastruktur gibt. Die Bahn muss, was die Bewirtschaftung angeht, diese klar definierten Zustände instand halten. Dafür gibt es Geld. Die Qualitätskontrolle - Stichwort „Einhaltung der Standards“ - obliegt dem Bund. Bei Vertragsverletzungen soll der Bund das Recht haben, die Bewirtschaftung der Infrastruktur sofort zu sich zurückzuholen.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, ich möchte Sie bitten, zum Schluss zu kommen.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Es müssen Pflöcke eingeschlagen werden, an denen sich die Arbeit orientieren muss. Ob ein Börsengang dann überhaupt möglich ist, hängt von den wichtigen Kennzahlen ab, die der Kapitalmarkt verlangt. Die Bundesregierung muss dem Deutschen Bundestag zu gegebener Zeit die Kapitalmarktreife darlegen. Wir wollen, dass diese gegeben ist, damit der Bund am Ende einen wirklich echten Gegenwert für die Gesellschaftsanteile erhält, die er veräußern möchte.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Herr Kollege, Sie müssen wirklich zum Schluss kommen.

Dirk Fischer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000549, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist hier entscheidend. Wir schaffen die Voraussetzungen. Wenn das geschehen ist, dann muss die Kapitalmarktreife nachgewiesen werden. ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 12, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, in der Ausschussfassung. Hierzu gibt es drei Änderungsanträge der Fraktion Die Linke, über die wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3472? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Damit ist der Änderungsantrag bei Zustimmung der Linken und bei Ablehnung durch den Rest des Hauses abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3473? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Dieser Änderungsantrag ist bei Zustimmung der Linken, bei Gegenstimmen der Koalition und der FDP und bei Enthaltung des Bündnisses 90/Die Grünen ebenfalls abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3474? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? Damit ist dieser Änderungsantrag mit dem gleichen Stimmergebnis wie vorher ebenfalls abgelehnt. Wer stimmt für den Einzelplan 12 in der Ausschussfassung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Einzelplan bei Zustimmung durch die Koalition und Ablehnung durch die Opposition angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt I.15 auf: Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung - Drucksachen 16/3120, 16/3123 Berichterstattung: Abgeordnete Klaus Hagemann Ulrike Flach Michael Leutert Zu dem Einzelplan liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt Zwischen den Fraktionen ist verabredet worden, eineinhalb Stunden zu debattieren. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich erteile das Wort der Kollegin Flach für die FDPFraktion. ({0})

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. Dieser schöne Satz wird Ihnen, Frau Schavan, bei den Haushaltsberatungen 2007 wahrscheinlich öfter in den Sinn gekommen sein. ({0}) - Herrn Tauss ganz bestimmt nicht. Jahrelang haben Forschungspolitiker aller Fraktionen Etataufwüchse verlangt. Nun sind sie da. Was wird zum Schlüsselbegriff der Debatten? Das schöne Wort Sperrvermerk. Sie haben viel Geld bekommen, Frau Schavan, zusätzliche Mittel, und nun sitzen sie im Flaschenhals der bundesrepublikanischen Forschungsförderungspolitik fest. ({1}) Die Mittel für Ihr Flaggschiff, die Exzellenzinitiative, werden um 40 Millionen Euro gesenkt. Die Mittel für den Hochschulpakt und die Hightechstrategie sind gesperrt - mit den Stimmen der FDP; selbstverständlich. ({2}) - Es geht dabei nicht um den Inhalt, sondern entscheidend ist, dass wir schon im laufenden Haushalt erkennen: Sie werden diese zusätzlichen Mittel nicht loswerden. Darüber haben wir schon oft genug diskutiert. Sie mussten haushalterisch so handeln; selbstverständlich. Aber natürlich ist das für die zuständige Fachministerin ein Debakel sondergleichen. ({3}) Dies ist übrigens umso erstaunlicher, als die Frau Kanzlerin in ihrer bemerkenswerten Rede zum einjährigen Bestehen dieser großen Koalition genau diese Programme schon als Beispiel dafür anführte, wie toll es in diesem Land aufwärts geht und welches die Gründe für den Aufschwung sind. ({4}) Das heißt, hier werden Programme benannt, die im Augenblick noch in keiner Weise umgesetzt werden. Das ist reine Rhetorik, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich hoffe, Sie machen es im nächsten Jahr besser. ({5}) Ich habe übrigens noch sehr gut im Ohr, wie Frau Schavan uns im Ausschuss sagte, diese Mittel würden im Jahr 2006 zu 95 Prozent abfließen. Inzwischen liegen uns Gott sei dank die Zahlen für den Stand 31. Oktober vor. Davon will ich nur einmal folgende anführen. „Bauen und Wohnen“: Erst 55 Prozent der Mittel sind abgeflossen. „Vernetzte Welt“: 65 Prozent der Mittel sind abgeflossen. „System Erde“: 65 Prozent der Mittel sind abgeflossen. „Investitionen in die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung“: 54 Prozent der Mittel sind abgeflossen. Von Ihrem Lieblingsprojekt, Frau Schavan, den Sozial- und Geisteswissenschaften, will ich an dieser Stelle überhaupt nicht reden. Die schlummern im Budget Ihres Ministeriums still vor sich hin. Da die Haushälter dies auch für 2007 erwarten - da stimme ich völlig mit Ihnen überein, Herr Hagemann -, haben CDU/CSU und SPD bei mehreren Titeln die Deckungsfähigkeit erweitert, sodass die Gelder, die dort nicht abfließen, anderswo geparkt werden können. Das ist ein schöner haushalterischer Kniff. Nur, ein Schwung für dieses Land entsteht daraus natürlich nicht. ({6}) - Dies alles sind offensichtlich Freundlichkeiten unter den Koalitionären. Wenn ich einen so mageren Mittelabfluss habe, muss ich mir natürlich die Frage stellen: Habe ich eigentlich die richtigen Programme? Sind sie richtig konzipiert? Ist das Ganze nicht viel zu bürokratisch? Lohnt sich das Ganze überhaupt? ({7}) Braucht man diese Programme? ({8}) Ich habe das schreckliche Gefühl, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie genau diese Frage nicht gestellt haben. ({9}) Das finde ich gerade bei jemandem, der so lange im Bundestag ist wie Sie, Herr Tauss, schon erbärmlich. Dies hätten Sie längst tun müssen. ({10}) Wir bewegen uns in einer internationalen Forschungslandschaft und sind nicht auf einer einsamen Insel. Deshalb geht es auch darum, welche Signale von diesem Haushalt ausgehen. Schauen Sie sich das Beispiel Fusionsforschung an! Wir haben gerade in diesen Tagen gehört, wie begeistert Sie den Vertragsabschluss zu ITER feiern. Das ist ein wichtiges Leuchtturmprojekt der Grundlagenforschung. Völlig d’accord! Die FDP hat das immer so gesehen. Gleichzeitig erleben wir in der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, dass die Koalitionäre eine Sperre auf genau dieses wichtige Projekt legen - mit dem tollen Argument, es fehle ein entsprechendes Konzept. Und das, liebe Frau Schavan, bei einem Projekt, das wir alle seit vielen Jahren unterstütUlrike Flach zen. Ich weiß nicht, inwieweit Sie überhaupt auf die Haushälter einwirken können. ({11}) - Ich bin gespannt, was Herr Hagemann mich jetzt fragt.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das heißt, Sie möchten die Zwischenfrage des Kollege Hagemann zulassen?

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Selbstverständlich.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Bitte schön. ({0})

Klaus Hagemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002668, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank, liebe Kollegin Flach. - Ist Ihnen folgender Sachverhalt bekannt? Für die Fusionsforschung stehen im Haushalt 115 Millionen Euro zur Verfügung. Außerdem hat das Ministerium beantragt, 11 Millionen obendrauf zu packen. Von diesen 11 Millionen Euro sind 5,5 Millionen Euro qualifiziert gesperrt, bis das Ministerium einen entsprechenden Bericht vorlegt. Ist Ihnen bekannt, dass nicht die Gesamtsumme - 115 Millionen Euro plus 11 Millionen Euro - gesperrt ist, sondern nur ganze 5,5 Millionen Euro gesperrt sind? Wenn man das berücksichtigt, hört sich das doch schon ganz anders an. ({0})

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Lieber Kollege Hagemann, ich war genauso wie Sie dabei. Selbstverständlich ist mir die Größenordnung der gesperrten Mittel bekannt. Mein Vorwurf richtet sich gegen Sie, weil Sie, natürlich ideologisch begründet, ein solches Signal in eine Community hineingeben, die seit vielen Jahren tolle Konzepte vorlegt. ({0}) Ihnen muss man einfach unterstellen: Sie haben den Unterschied zwischen Fusion und Vision nicht verstanden. ({1}) Alles, was ein bisschen mit Kernkraft zu tun hat, wird von Ihnen sofort mit einer Sperre belegt. So ein Verhalten erwarte ich von den Grünen, selbstverständlich auch von gewissen Teilen der SPD, aber eigentlich nicht von der CDU/CSU. ({2}) Es ist schon erbärmlich, was dabei herauskommt, wenn eine große Koalition regiert. ({3}) - Nein, das ist ganz einfach nur die Wahrheit. ({4}) - Ganz bestimmt. Da brauchen Sie keine Angst zu haben. ({5}) - Ich folge gerne dieser Aufforderung. Ich möchte Sie, Frau Schavan, noch einmal mit der Tatsache konfrontieren, dass es Ihnen im Prinzip nicht anders geht als Ihrer Vorgängerin, Frau Bulmahn. Sie haben die gleichen Probleme mit den Ländern, Sie verhaken sich wie Frau Bulmahn im Gestrüpp der Technologieskepsis. Man braucht sich nur die Verzögerungen beim Gentechnikgesetz, die Blockade beim Transrapid ({6}) und das Thema Stammzellforschung anzuschauen. Bei all diesen Bereichen erkenne ich keine eindeutige Änderung der Gefechtslage, abgesehen davon, dass Sie bezüglich der Stammzellforschung einen Dissens in der Bundesregierung herbeigeführt haben. Ich halte es schon für bemerkenswert, dass Sie für die Bundesregierung erklären, es gebe im Kabinett Konsens darüber, dass das Gesetz nicht verändert wird, gleichzeitig aber die Kanzlerin sagt, natürlich sehe sie die Möglichkeit einer Veränderung. Ich bin gespannt, wie in den nächsten Wochen mit dieser Sache umgegangen wird. Frau Schavan, über eines sollten Sie sich im Klaren sein: Bei dem hochemotionalen Thema Stammzellforschung geht es nicht an, dass uns Parlamentariern die Forschungsministerin von oben herab erklärt, was wir zu denken haben. Über die entsprechenden Fragen wurde bisher immer im Parlament, und nicht par ordre du mufti entschieden. ({7}) So wird es auch bei der nächsten Debatte über dieses Thema laufen. Dieser sehe ich übrigens als FDP-Abgeordnete mit großem Optimismus entgegen. Ich denke, dabei wird es zu einer Änderung des Gesetzes kommen, weil dies gut für unser Land ist. Unterm Strich, Frau Schavan, kann man sagen: Sie haben in diesem Jahr wenig Neues erreicht. Schavan ist eigentlich immer noch gleich Bulmahn. ({8}) Wir haben deutlich mehr von Ihnen erwartet. Ich hoffe, das zweite Regierungsjahr wird besser. ({9})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort hat der Kollege Klaus-Peter Willsch, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Klaus Peter Willsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Liebe Frau Flach, ich hatte schon bei der ersten Lesung gesagt, dass man nicht künstlich Dinge streitig stellen sollte. Ich erinnere nur an Ihre Einleitungsbemerkung: Es bedurfte nur einer kurzen Zwischenfrage des Kollegen Hagemann, da fiel Ihre Argumentation in sich zusammen. ({0}) Wir sind doch in vielen Bereichen des Einzelplans Bildung und Forschung einer Auffassung. ({1}) Wir müssen doch nicht ohne Not hier vor den Leuten ein Theater aufführen, wo es in der Sache doch nur wenig Dissens gibt. ({2}) Lassen Sie mich die Debatte nutzen, um noch einmal kurz die Gesamtlage, in der sich unser Land derzeit haushaltswirtschaftlich gesehen befindet, beleuchten. Die Neuverschuldung wächst im nächsten Jahr um 19,6 Milliarden Euro. Das ist der geringste Wert seit der Wiedervereinigung. Wer hätte 2005 gedacht, dass wir so schnell ein solches Ergebnis erreichen? Abseits all der Unwägbarkeiten in Politik und Wirtschaft ist die konsequent durchgehaltene Haushaltspolitik dieser Regierung eine wichtige Voraussetzung dafür, dass plötzlich wieder über ein Ziel geredet wird, über das sich viele schon gar nicht mehr trauten, zu reden, nämlich über das Ziel, in absehbarer Zeit einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Mich freut es, dass die Journalisten nicht mehr nach dem Ob, sondern nach dem Wann fragen. Wir sind haushaltswirtschaftlich also auf einem guten Weg. ({3}) Noch immer drücken aber die öffentlichen Haushalte 1,5 Billionen Euro Schulden. Das macht die Dimension der Aufgabe, die nach wie vor vor uns liegt, deutlich. Der Bund hat davon 900 Milliarden Euro zu tragen. Finanzminister Steinbrück hat dazu in der „Welt am Sonntag“ vom 19. November 2006 gesagt: „Wir sind noch nicht über den Berg“. Man könnte es noch ein bisschen drastischer ausdrücken: Wir stehen gerade am Fuß des Berges, der jetzt nur nicht mehr so schnell wächst wie in früheren Zeiten. In dieser Lage befinden wir uns. Deshalb ist eine Haushaltspolitik, die auf Konsolidierung bedacht ist, weiterhin notwendig. Der Finanzminister hat auch gesagt, dass der Haushalt stärker der Zukunfts- und weniger der Vergangenheitsfinanzierung dienen solle. Da sind wir genau beim Thema. Wir haben deshalb wieder einen eindeutigen Schwerpunkt im Einzelplan 30: die vom Ministerium für Bildung und Forschung koordinierte, ressortübergreifende Hightechinitiative der Bundesregierung. Nach der Bereinigungssitzung und den Einzelberatungen im Haushaltsausschuss ist klar: Wir als Regierungsfraktionen halten Wort. Der Haushaltsansatz für Bildung und Forschung steht. Wir setzen damit die Priorität für Bildung und Forschung konsequent weiter um. ({4}) In Zahlen: Der Einzelplan 30 steigt auf über 8,5 Milliarden Euro. Das sind rund 500 Millionen Euro oder 6,2 Prozent mehr als im laufenden Haushalt. ({5}) Die Projektförderung, entscheidende Kennzahl für die Zukunftsprojekte, steigt um satte 12,8 Prozent auf 2,59 Milliarden Euro. ({6}) Die Hightechstrategie ist ein Schlüssel für die Zukunft unseres Landes und spielt im Haushalt 2007 eine entscheidende Rolle. In dem entsprechenden Titel im Einzelplan 30 stellen wir 32,5 Millionen Euro zur Verfügung; in der Finanzplanung sind weitere deutliche Aufwüchse eingeplant. Das ist eine deutliche Stärkung des Forschungsstandortes Deutschland mit einer klaren Leitlinie in die Zukunft. Wir haben die Bereiche Lebenswissenschaften und neue Technologien gestärkt. Wo alle anderen Einzelpläne unter dem Konsolidierungszwang schmerzliche Einsparungen hinnehmen müssen, wiegt die Verantwortung beim Mittelaufwuchs doppelt. Deshalb, Frau Flach, nehmen wir unsere Aufgabe als Haushälter im Haushaltsausschuss und unsere Aufgabe im Parlament ernst. ({7}) Aus diesem Grund haben wir bei der einen oder anderen Position angemerkt, dass wir im Detail wissen wollen, wie sich die Regierung deren Umsetzung vorstellt. ({8}) Das hat nichts mit Misstrauen oder Ähnlichem zu tun. Es ist die Pflicht und die Aufgabe der Haushälter, dieses Wächteramt für das Parlament wahrzunehmen, und das wollen wir tun. ({9}) Insgesamt stellen wir als Parlament, wenn wir den Beschlüssen des Haushaltsausschusses folgen, für die Hightechstrategie im BMBF 1,334 Milliarden Euro im engeren Sinne zur Verfügung. Darüber hinaus kann man sicherlich auch Mittel, die in den Bereichen Hochschulpakt und Exzellenzinitiative fließen werden, der Hightechstrategie anteilig zurechnen. Neben den Aufwüchsen für neue Technologien mit dem deutlichen Plus für die Fachhochschulforschung und dem neuen Programm „Sicherheitsforschung“ ({10}) sowie für die Lebenswissenschaften werden die Geisteswissenschaften, die Nachwuchsförderung und die berufliche Bildung nachhaltig ausgebaut. Die Koalitionsfraktionen setzen auf die Stärke der deutschen Forschung. Dass die Versprechen und Zusagen gehalten werden können, ist eine wichtige Voraussetzung für die Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze in Deutschland. Wir sprechen hier nicht von einzelnen Wissenschaftlern im Elfenbeinturm, sondern die Bundesregierung rechnet in einer Abschätzung, die sie vorgelegt hat, mit bis zu 1,5 Millionen Arbeitsplätzen, die dadurch generiert und geschaffen werden können. Unsere Ministerin Annette Schavan hat einmal spitz formuliert: Wissenschaft und Wirtschaft leben in getrennten Welten. Wir zielen mit den eingeleiteten Maßnahmen auf eine enge Verzahnung von Wirtschaft und Forschung, von Wirtschaft und Wissenschaft. Wir haben in Deutschland viele Innovationen, die aber zu selten in marktfähige Produkte umgewandelt werden, die international erfolgreich wären. Der MP3-Player ist wohl das aktuellste Beispiel, das viele kennen. Unser Ziel ist und bleibt es, bis 2010 den Anteil von Forschung und Entwicklung am Bruttoinlandsprodukt auf 3 Prozent zu erhöhen. In 17 unterschiedlichen Hightechsektoren werden die Hebel dafür angesetzt. ({11}) Ich komme zum Hochschulpakt. Damit die Hightechstrategie ein Erfolg wird, ist ein Ausbildungs- und Qualifikationsniveau erforderlich, das Weltstandards entspricht. Wie schon in der Aktuellen Stunde am 26. Oktober 2006 beraten, sichert der Hochschulpakt 2020 die Zukunft unserer jungen Abiturienten. In den Jahren 2007 bis 2010 werden 90 000 zusätzliche Studienanfänger erwartet. In der Prognose bis 2020 ist von einem weiteren Anstieg auszugehen. Das ist ein Ansturm auf das Wissen, das die Hochschulen anbieten, den wir begrüßen sollten und auf den wir uns vorbereiten müssen. Denn das ist für Deutschland eine Chance, den Kampf um die besten Köpfe gleichsam im Heimspiel zu gewinnen. Wir werden die zukünftig Studierenden deshalb nicht im Regen stehen lassen. Unbestritten ist, dass nach der föderalen Aufgabenverteilung die Grundverantwortung für die Hochschulen bei den Ländern liegt. Doch ist hier die gesamtstaatliche Verantwortung angesichts einer besonderen nationalen Herausforderung gefragt. Das ist eine nationale Aufgabe, die Bund und Länder gemeinsam schultern werden. Die Bundesregierung stellt sich mit dem Hochschulpakt an die Seite der Länder und unterstützt diese subsidiär. Länder und Bundesregierung gemeinsam setzen so mit dem Hochschulpakt ein Zeichen für den Wissenschaftsstandort Deutschland. Nachdem am Montag dieser Woche das Land Berlin seine Bedenken aufgegeben hat, können wir sagen: Der Hochschulpakt steht. In der Säule „Lehre“ des Paktes verpflichten sich die Länder bis zum Jahr 2010 zur Aufnahme von rund 90 000 zusätzlichen Studienanfängern. Unsere Bundesministerin Schavan hat den Ländern angeboten, dass sich der Bund mit 50 Prozent an den Kosten für die zusätzlichen Studienanfänger beteiligt. Bei einem Gesamtbedarf von 1,13 Milliarden Euro bedeutet das für den Bund einen Anteil von rund 565 Millionen Euro. Bei der Verwendung der Fördermittel, die die Länder erhalten, wollen sie besondere Schwerpunkte setzen: Erhöhung der Zahl der Studienplätze an Fachhochschulen, Ausbau des Frauenanteils bei Professuren oder Schaffung von neuen Lehrerkategorien, den so genannten Lecturers. Trotz dieses immensen Anstiegs der Studentenzahlen müssen die deutschen Hochschulen internationalen Herausforderungen erfolgreich begegnen. Forschungsintensität und Exzellenz der Forschung müssen trotzdem und auf der Basis des neuen Studentenreichtums gesteigert werden. Dies geht nicht ohne zusätzliche Mittel. Diese Herausforderung wird durch die zweite Säule des Hochschulpaktes im Rahmen der Einführung von Programmpauschalen, der so genannten Overhead-Finanzierung, unterstützt. Mit dieser zweiten Säule des Hochschulpaktes wollen wir den schrittweisen Einstieg in die Vollfinanzierung von Forschungsprojekten durch Programmkostenpauschalen erreichen. Die Pauschalen in Höhe von 20 Prozent werden ab 2007 sukzessive für neue und in einer zweiten Stufe ab 2008 für sonstige von der DFG geförderte Forschungsvorhaben eingeführt. Damit befreien wir die erfolgreichen Wissenschaftler, die Drittmittel einwerben, aus der Falle, die darin besteht, dass sie in den Gremien ihrer Universität zusätzliche Mittel für Personal, Verwaltung und Geräte akquirieren müssen. Denn damit machen sie sich in ihrem Umfeld nicht gerade Freunde. ({12}) Mit dieser zweiten Säule eine neue Schneise zu schlagen war den Aufwand wert. Insgesamt erfordert der Kapazitätsausbau, wie ich schon sagte, rund 565 Millionen Euro. Die universitäre Forschungsförderung bis 2010 macht seitens des Bundes eine Summe in Höhe von 703 Millionen Euro erforderlich. Damit ergibt sich die gewaltige Summe in Höhe von rund 1,27 Milliarden Euro. Was wir in diesem Bereich tun, kann sich also sehen lassen. ({13}) Deutschland - so stand es vor 14 Tagen unter der Überschrift „Mittelmäßig innovativ“ in der „Welt“ ({14}) erreicht im Vergleich der Innovationsfähigkeit unter 17 Industrienationen nur den siebten Platz. Das hat eine Studie des DIW ergeben. Zwar - so hieß es weiter - habe sich die Innovationsfähigkeit Deutschlands verbessert, doch auch alle Mitkonkurrenten hätten zugelegt. An der Spitze stehen USA, Finnland und Schweden, gefolgt von Schweiz, Dänemark und Japan.

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Klaus Peter Willsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003264, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Deutschland ist bei forschungsintensiven Spitzentechnologien wie der Pharmazie oder der Medientechnik nur noch ein Mitläufer im internationalen Wettbewerb. Damit können wir nicht zufrieden sein. Es gibt in diesem Bereich viel zu tun. Wir haben durch den Haushalt den Rahmen gesetzt. Packen wir es gemeinsam an! ({0})

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11003132

Das Wort für die Linke hat Volker Schneider. ({0})

Volker Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003843, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt 2007 verzeichnet im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gegenüber 2006 einen Zuwachs von 500 Millionen Euro. Das ist ein in absoluten Zahlen vergleichsweise bescheidener Betrag. Aber es ist immerhin eine Steigerung um 6,2 Prozent. Ich will gerne dem Wunsch des Kollegen Willsch aus der ersten Haushaltsrunde nachkommen - es wäre gut, wenn er jetzt zuhören würde - und ihm bestätigen, dass auch meine Fraktion mit der Regierungskoalition in der Frage übereinstimmt, dass wir für Bildung und Forschung mehr tun müssen. Ich will noch hinzufügen, dass dieser Haushalt in diesem Punkt einen Anfang macht. Das hat der Kollege Willsch jetzt leider nicht gehört. ({0}) Nun ist Quantität ein Aspekt, Qualität aber ein völlig anderer. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir in diesem Punkt nicht mehr ganz so positiv über diesen Haushalt urteilen können. ({1}) - Das ist aber erstaunlich. ({2}) Bildung ist aus der Sicht der Linken nicht nur unter dem Aspekt der ökonomischen Verwertbarkeit und damit der wirtschaftlichen Zukunft unseres Landes zu betrachten. Bildung ist für meine Fraktion ein individuelles Grundrecht, ableitbar aus dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, also aus Art. 2 des Grundgesetzes. Bildung hat eine ganz wesentliche Funktion im Hinblick auf das Sozialstaatsgebot in Art. 20 Grundgesetz, jedenfalls soweit das Bundesverfassungsgericht den Staat in seinem Urteil vom 18. Juli 1967 verpflichtet, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen. ({3}) Statt soziale Gegensätze auszugleichen, ist das deutsche Bildungssystem in hohem Maße sozial selektiv. Das benachteiligt gerade diejenigen am meisten, für die das Sozialstaatsgebot eine Hoffnung sein könnte. Statt eines Ausgleichs stehen Verlierer und Gewinner dieses Systems in der Regel schon bei Eintritt in dieses System fest. Ich erspare Ihnen, anhand internationaler Vergleichsstatistiken aufzuzeigen, welchen Umfang soziale Selektivität in unserem Bildungswesen angenommen hat. Die Fakten sollten Ihnen längst bekannt sein. Ich muss nicht zusätzliches Salz in diese Wunde streuen. Ich will Ihnen stattdessen etwas von einer jungen Frau erzählen, die ich im Rahmen meiner Wahlkreisarbeit in Saarbrücken kennen gelernt habe. Keine Angst, es ist keiner dieser Fälle, in denen alles Leid dieser Welt auf einmal zusammenkommt. Es ist vielmehr ein ganz typischer Fall einer jungen Frau. Gerade weil er so typisch ist, sagt er vielleicht etwas über die Situation im Bildungswesen aus. Diese junge Frau - ich will sie hier einmal Rita nennen - hat im Mai dieses Jahres ihr Abitur gemacht. ({4}) Dies ist nicht gerade typisch, kommt sie doch aus einfachen Verhältnissen. Sie gehört also dem Personenkreis an, den Sozialwissenschaftler gern als bildungsferne Schichten bezeichnen. Ihre fünf und sieben Jahre älteren Brüder haben Gleiches nicht geschafft. Bei ihnen hat es „nur“ zum Realschulabschluss gereicht. Rita meint, sie habe im Vergleich zu ihren Brüdern nur Glück gehabt; sie habe beispielsweise den Kindergarten besuchen können. Bei ihren Brüdern fehlte dafür das Geld, weil die Eltern zu diesem Zeitpunkt ein kleines Haus gekauft hatten. Ich denke, Rita schätzt die vorschulische Erziehung in Deutschland etwas zu hoch ein. Kein Land in Europa - von Österreich einmal abgesehen - leistet sich auf einem ähnlich niedrigen Niveau ausgebildete Betreuungspersonen. Bei vorschulischer Bildung und kompensatorischen Angeboten wie Sprachförderung für die Kinder von Migranten besteht weitgehend Fehlanzeige. Für diese Jahre, in denen Startchancen verteilt werden, gibt dieses Land erschreckend wenig aus. Das gilt nicht nur für Kindertageseinrichtungen, sondern leider genauso für Grundschulen. Rita hat es dennoch geschafft. Obwohl ihr Elternhaus sie praktisch nicht fördert und der Stolz ihrer Eltern ihr bereits dann sicher ist, wenn sie Jahr für Jahr versetzt wird, entwickelt sie mit 16 plötzlich einen besonderen Ehrgeiz; denn sie will Tierärztin werden. Sie weiß, in der Volker Schneider ({5}) Tiermedizin kommen auf einen Studienplatz fünf Bewerber. Das heißt, es gibt einen Numerus clausus von 1,0. Sie macht einen großen Sprung nach vorne und schafft einen Notendurchschnitt von 1,6. Für sie ist dies sehr viel; aber es ist zu wenig für die Aufnahme eines solchen Studiums. ({6}) Das Bundesverfassungsgericht hat aus Art. 12 Grundgesetz in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip ein Recht aller Studienberechtigten auf Zulassung zum Hochschulstudium ihrer Wahl abgeleitet. Auch wenn im Rahmen dieses Urteils gleichzeitig die Wirksamkeit dieses Rechts eingeschränkt wurde, hat das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber in das Stammbuch geschrieben, dass Zulassungsbeschränkungen nur unter strikter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig sind. Hat der Gesetzgeber wirklich alles Notwendige getan, um Zulassungsbeschränkungen zu vermeiden? Reicht der Hochschulpakt aus, um den in den nächsten Jahren absehbaren zusätzlichen Bedarf zu decken? Unserem dazu vorliegenden Änderungsantrag entnehmen Sie, warum die Linke diese Fragen verneint. Rita will jetzt ihre Wartezeit sinnvoll überbrücken. Sie hat eine Lehre als Tierpflegerin begonnen. Aus ihrer Sicht ist das ganz sinnvoll; für den Ausbildungsmarkt ist es verheerend. Rita und andere Abiturienten aus ihrem Milieu wandern in die Ausbildung ab, nicht nur wegen der Wartezeiten, sondern auch deswegen, weil sie glauben, sich ein Studium nicht mehr leisten zu können. Das BAföG wurde zuletzt 2001 angepasst. Seitdem sinkt die Zahl der Anspruchsberechtigten. 70 Prozent der Studierenden müssen neben ihrem Studium arbeiten. Nur noch 1 Prozent finanziert sich voll aus BAföG. Studiengebühren tun ein Übriges. In NRW sank die Zahl der Studienanfänger nach Einführung der Studiengebühren insgesamt um 5,3 Prozent - da rückt Ihr 40-Prozent-Ziel in weite Ferne -, obwohl an den Hochschulen, die auf eine Einführung der Gebühren verzichtet hatten - das ist ja in NRW möglich -, die Zahl der Bewerbungen um bis zu 40 Prozent stieg. Abiturienten drängen stattdessen auf den Lehrstellenmarkt - Anstieg 4 Prozent, bei Fachabiturienten sogar satte 20 Prozent. Sie verdrängen andere Jugendliche nicht nur aus den Lehrstellen; nein, selbst das Einstiegsqualifizierungsjahr wird leider auch von diesen Personen in Anspruch genommen. ({7}) - Bekommen Sie gleich von mir. Leider sehe ich an dem Blinken der Uhr, dass mir keine Zeit mehr bleibt, auf die Weiterbildung einzugehen. Da befinde ich mich in guter Gesellschaft; denn in der letzten Runde hat keiner aus der großen Koalition, obwohl Sie deutlich mehr Redezeit haben, auch nur einen Satz zur Weiterbildung gesagt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, Sie müssen wirklich zum Ende kommen.

Volker Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003843, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ja. - Ihre Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen der großen Koalition, konzentriert sich nur sehr wenig auf die angerissenen Probleme. Sie haben Exzellenz und Spitze im Auge, nicht die Breite. Insofern können wir Ihrem Haushaltsentwurf nicht zustimmen. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Kollegen Klaus Hagemann, SPD-Fraktion. ({0})

Klaus Hagemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002668, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Insbesondere bei Bildung und Forschung kann die große Koalition auch nach einem Jahr eine Erfolgsbilanz vorlesen - vorlegen. ({0}) - Vorlesen auch. - Frau Kollegin Flach, dadurch unterscheiden wir uns schon in unserer Grundaussage. ({1}) Unsere Aussage ist positiv; wir malen nicht nur schwarz. Wir haben gemeinsam Konzepte für die Sicherung der Zukunftsfähigkeit unseres Landes vorgelegt. Diese finden Niederschlag im Haushalt für das Jahr 2007 und in der mittelfristigen Finanzplanung. Für Forschung und Bildung stehen insgesamt 12 Milliarden Euro im nächsten Jahr - wie in diesem Jahr - zur Verfügung. Das sind allein im Einzelplan 30 8,5 Milliarden Euro. Hinzu kommen die Mittel für das Ganztagsschulprogramm und das, was in den anderen Einzelhaushalten zu finden ist. ({2}) Wie bereits unter Rot-Grün konnten wir auch in diesem Jahr wieder eine oder sogar zwei Schippen obendrauf legen: Für das kommende Jahr stehen 5,6 Prozent mehr Mittel zur Verfügung. Der Bund geht, sehr geehrte Frau Flach, erneut in vielen Bereichen in Vorlage - ich komme darauf noch im Einzelnen zu sprechen -, gibt Anstöße und geht voran. Es ist sicherlich gut, dass wir die Länder dabei stark unterstützen können, auch und insbesondere im Bildungsbereich. Ein süddeutscher Ministerpräsident hat kürzlich gesagt, es gehe den Bund nichts an, wie die Länder ihre Haushalte finanzieren. Wenn wir die Debatte im Rahmen der Föderalismusreform beobachten, dann können wir sehen, dass in diesen Kreisen sogar über ein Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich nachgedacht wurde. ({3}) - Sie nicht. ({4}) Aber wie würde die Haushaltswirklichkeit aussehen, wenn diese Forderung erfüllt würde? Gott sei Dank ist es nicht so gekommen. Ansonsten könnte kein Ganztagsschulprogramm durchgeführt werden - 4 Milliarden Euro bekommen die Länder -, wir könnten keinen Hochschulpakt durchführen - rund 1,2 Milliarden Euro erhalten die Länder -, wir könnten keine Exzellenzinitiative durchführen - hier finanziert der Bund 75 Prozent, also 1,5 Milliarden Euro -, wir könnten - jetzt kommen die kleineren Beträge - kein Fachhochschulprogramm finanzieren - hier erhalten die Länder 28 Millionen Euro für die nächsten Jahre, sogar mit steigender Tendenz ({5}) und wir könnten keine Unterstützung im Hightechbereich für die Universitäten organisieren. Dies würde alles wegfallen. Es ist ja anders gekommen, dafür ist zu danken. Ich hoffe, dass die Ministerpräsidenten - auch Sie, Frau Ministerin Schavan - wenigstens ab und zu im stillen Kämmerlein ein Dankeschön an diejenigen richten, die durchgesetzt haben, dass es so nicht gekommen ist. ({6}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der geplante Hochschulpakt macht deutlich, dass Bund und Länder den anstehenden Herausforderungen nur gemeinsam begegnen und die Zahlen nur gemeinsam feststellen können; denn in den nächsten Jahren werden mindestens 500 000 bis 700 000 Studenten mehr in die Universitäten und Hochschulen drängen. Insgesamt werden es dann 2,5 bis 2,7 Millionen Studenten sein. Damit wären die Länder überfordert. Frau Ministerin Schavan, ich möchte Ihnen dafür danken, ({7}) dass Sie nach der Änderung des Grundgesetzes die Initiative ergriffen und sanften Druck auf die Länder ausgeübt haben. Bezüglich des Hochschulpakts zeichnet sich jetzt eine Einigung ab. Es sieht so aus, als ob diese Herausforderung gemeistert werden könnte. Wir können dann 565 Millionen Euro für die Lehre und, wenn auch der zweite Teil der Einigung zustande kommt, 700 Millionen für den Forschungsbereich zur Verfügung stellen. ({8}) Liebe Ilse Aigner, nebenbei bemerkt, hiervon werden hauptsächlich die süddeutschen Länder profitieren. Von den 700 Millionen Euro werden etwa 200 bis 250 Millionen Euro nach Bayern und Baden-Württemberg fließen. Auch darauf muss - Stichwort: stilles Kämmerlein hingewiesen werden. Die Länder, zumindest die Wissenschaftsminister, haben sich geeinigt. Nachdem die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten den Vertrag unterschrieben haben und der Bericht dem Haushaltsausschuss vorliegt, werden wir die gesperrten Mittel sofort entsperren. ({9}) - Frau Flach, das kann kurzfristig geschehen, damit die qualifizierten Studienplätze geschaffen werden können. ({10}) Die Schwarzmalerei der Opposition - ich denke an die Aktuelle Stunde im Oktober - ist verflogen. ({11}) Wir sind auf dem richtigen Weg. ({12}) Es muss nüchtern festgestellt werden, dass es nicht nur einen weltweiten Wettbewerb um Märkte, Produkte und Rohstoffe gibt, sondern auch einen weltweiten Wettbewerb um junge Talente, um hoch qualifizierte Wissenschaftler und um ebenso hoch begabte Studierende. In diesem Wettbewerb müssen auch wir bestehen. Eine Bemerkung, die sich auf den Bereich der Innenpolitik bezieht. Unsere Passgesetze, unsere Einreise- und Aufenthaltsbedingungen sind gerade für junge Studierende und junge, hoch qualifizierte Wissenschaftler mehr als schwierig. Das gilt auch für diejenigen, die nach Deutschland kommen und hier bleiben wollen. ({13}) Ich kann Ihnen ein Beispiel aus meinem Büro erzählen: Ein junger Amerikaner, der bei mir arbeiten möchte, hat enorme Schwierigkeiten, ein Visum zu bekommen. Die Koalition hat für den Deutschen Akademischen Austauschdienst und die Alexander von Humboldt-Stiftung mehr Mittel zur Verfügung gestellt, damit gerade die hoch qualifizierten Menschen für unser Land gewonnen und die bereits bestehenden Netzwerke ausgebaut werden können. ({14}) Lassen Sie mich die Exzellenzinitiative ansprechen. Diese Initiative, die in der vergangenen Legislaturperiode entwickelt wurde, setzen wir jetzt nach und nach um. Mit Bundesmitteln, zum Teil auch mit Landesmitteln, sollen einige deutsche Universitäten an die Weltspitze gebracht werden. 1,9 Milliarden Euro sollen insbesondere vom Bund - die Länder bringen 25 Prozent auf zur Verfügung gestellt werden. Die erste Runde des Wettbewerbs ist abgeschlossen. Die Entscheidungen wurden getroffen. Festgestellt werden kann - das wird einem berichtet, wenn man sich mit den Verantwortlichen unterhält -, dass der Wettbewerb an allen beteiligten Universitäten dafür gesorgt hat, dass Strukturen aufgebrochen wurden und das Interesse an Forschung in den Universitäten gestärkt bzw. reaktiviert worden ist. ({15}) Das allein ist schon ein Erfolg. Einen großen Erfolg haben natürlich die Universitäten errungen, die den Wettbewerb gewonnen haben. Hier ist insbesondere die Universität in Karlsruhe zu nennen. ({16}) - Kollege Tauss, da kann man durchaus klatschen. Das entscheidende Plus von Karlsruhe waren die Bereiche der Nanotechnologie und der Optoelektronik. Diese Förderungen gehen auf Programme des Bundes zurück. Sie wurden - ich sage das in Klammern - unter Rot-Grün gefordert und gefördert. Ein Bundesprogramm hat also mit zum Erfolg geführt. ({17}) Frau Schavan, ich habe der Presse entnommen, dass Sie Aktivitäten unternommen haben, um eine engere Zusammenarbeit zwischen der Universität Karlsruhe und Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft in Karlsruhe herbeizuführen. Es ist sicherlich richtig, Spitzen zusammenzuführen. Aber wir sollten bedenken: Wir, der Bund, haben nicht die Universität Karlsruhe zu finanzieren. Das ist Sache des Landes Baden-Württemberg. Darauf sollten wir mit Nachdruck hinweisen. ({18}) Frau Flach hat vorhin deutlich gemacht, dass wir aus der Exzellenzinitiative den Mehrbedarf für das BAföG finanziert haben, weil die Mittel nicht so abgeflossen sind bzw. abfließen, wie wir uns das gedacht haben. Wir haben 40 Millionen Euro für das BAföG umgeschichtet. ({19}) Das ist gut so. Das zeigt, dass mehr Studenten gefördert werden können und dass für die Universitäten kein Nachteil entsteht. Das sollte man erwähnen. Dazu gehört, dass dies in den Jahren 2009 und 2010 nachetatisiert wird. ({20}) Wenn die Rede von Hochqualifizierten und Talenten ist, so gilt das nicht nur für die Erstausbildung, sondern auch für das lebenslange Lernen, Herr Kollege Schneider, und für die Weiterbildung. Auch hier haben wir besondere Anstrengungen unternommen und im Haushalt Mittel zur Verfügung gestellt. Hieran muss weiter gearbeitet werden. Bei diesem Thema liegen unsere Ansichten sicherlich nicht weit auseinander. Natürlich sind auch die Tarifvertragsparteien gefordert. Sie sind außerdem bei der Facharbeiterausbildung gefordert. Denn wir werden in den nächsten Jahren sicherlich einen Facharbeitermangel haben. Wer heute nicht ausreichend ausbildet, hat morgen nicht genügend Facharbeiter. Das sollten wir den Betrieben in Erinnerung rufen. Deswegen ist es gut, dass wir das Jobstarterprogramm und andere Programme zur Förderung des Ausbildungsbereichs geschaffen und aufgestockt haben. ({21}) Lassen Sie mich zum Schluss noch ganz kurz die Hightechinitiative ansprechen. Hier stehen 6 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung, um das Forschungsziel, 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu investieren, zu erreichen. Hier hat die Koalition eine große Duftmarke gesetzt. Es gilt nun, dieses Ziel in den nächsten Jahren zu erreichen. Es gilt aber auch für die Wirtschaft, die gewonnenen Erkenntnisse, die gefundenen Patente in die Tat umzusetzen und neue Produkte zu entwickeln. Da hat die deutsche Wirtschaft einen erheblichen Nachholbedarf. Wir waren in der vorigen Woche mit einer Delegation in der Schweiz. Dort haben wir gehört, dass die Wirtschaft fast ganz allein die Forschungsausgaben bezahlt und nicht auf den Staat setzt. Das sollte man hier einmal erwähnen. ({22}) Wir bitten Sie, Frau Ministerin, den Haushaltsausschuss und uns, das Parlament, weiterhin in diesen Prozess zu integrieren und uns über den Sachstand zu informieren, auch darüber, inwieweit die Wirtschaft ihren Anteil von 2 Prozent und die Länder ihren Anteil von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erbringen. Wir haben im Haushaltsausschuss einen entsprechenden Antrag - ich glaube einstimmig - beschlossen. Lassen Sie mich zum Ende kommen; am Rednerpult leuchtet bereits die rote Lampe. Die große Koalition kann im Forschungsbereich, aber auch im Bildungsbereich - dort hat sie weniger Zuständigkeiten - selbstbewusst und mit Selbstvertrauen, aber nicht selbstzufrieden in die nächsten Jahre gehen und in die Zukunft blicken. Deswegen müssen wir unsere Ansätze gemeinsam umsetzen. Lassen sie mich als Hauptberichterstatter Ihnen, Frau Ministerin, zum Schluss danken und auch Ihnen, Herr Staatssekretär Storm, den Mitarbeitern Ihres Hauses

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte nicht zu viele Schlussworte! Ihre Redezeit ist deutlich überschritten.

Klaus Hagemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002668, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

- und allen anderen Berichterstattern. Vielen Dank. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Krista Sager, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Krista Sager (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003622, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Parlament ist in der Tat gut beraten gewesen, dafür zu sorgen, dass der Bund Geld für die Schaffung von Studienplätzen ausgibt. ({0}) Jetzt ist eindeutig klar geworden: Ohne Bundesgeld hätte es den Hochschulpakt gar nicht erst gegeben. ({1}) Wir wissen heute sogar noch mehr. Wir wissen, dass es ohne Bundesgeld, ohne den viel geschmähten goldenen Zügel des Bundes, nicht nur keinen Ausbau von Studienplätzen, sondern in den allermeisten Bundesländern sogar einen Abbau von Studienplätzen gegeben hätte. Insofern muss man doch sagen, dass alle Erwartungen, die Länder würden die 90 000 Studienplätze bis zum Jahr 2010 in gegenseitigem Einvernehmen selbst schaffen, wirklich ein bisschen weltfremd waren. ({2}) Davon haben wir uns jetzt verabschiedet; das ist auch gut so. Der Hochschulpakt hat viel Mühe gekostet und er ist nur mit Not zustande gekommen. ({3}) Dass jetzt alle Beteiligten die Stimmung verbreiten, dass alles gut wird, finde ich menschlich verständlich. In der Sache ist das aber leider nicht gerechtfertigt. ({4}) Man kann wirklich erhebliche Zweifel daran haben, ob das Ziel, bis zum Jahre 2010 90 000 zusätzliche Studienplätze zu schaffen, erreicht wird. ({5}) Das will ich Ihnen an einigen Punkten deutlich machen: Der Wissenschaftsrat und die Hochschulrektorenkonferenz haben mit Recht gesagt: Der Pakt ist im Haushalt unterfinanziert und es drohen Studienplätze zu Dumpingpreisen. ({6}) Deswegen haben wir den Antrag gestellt, im Rahmen des Hochschulpakts mehr Mittel für die Schaffung von Studienplätzen zur Verfügung zu stellen. Es wäre richtig gewesen, unserem Antrag zu folgen. ({7}) Da das Ganze erst im Wintersemester 2007/2008 beginnt, ist auch die Kritik richtig, dass das zu spät und zu langsam ist. Hinzu kommt: Wenn man erst im Jahre 2009 feststellt, ob man das Ziel, bis zum Jahre 2010 90 000 zusätzliche Studienplätze zu schaffen, überhaupt erreicht, kann man nicht davon ausgehen, dass man im Jahre 2011 voll durchstarten und pro Jahr 40 000 zusätzliche Studienplätze schaffen kann. Auch dafür ist es dann zu spät. ({8}) Für die Spitzenjahre 2011 bis 2013 wurden überhaupt keine Vereinbarung und keine Festlegung getroffen. Deswegen ist das Label „Hochschulpakt 2020“ offensichtlich zu hoch gegriffen. Wenn man sich den Hochschulpakt genau ansieht, stellt man fest, dass die Situation wirklich kritisch ist. Sie haben eine Vereinbarung getroffen, die bedeutet, dass 22,5 Prozent der Bundesmittel nicht in die Schaffung von Studienplätzen, sondern in die Erhaltung bestehender Studienplätze fließen. Diese Vereinbarung, die notwendig war, kritisiere ich nicht. Allerdings muss man jetzt die Konsequenzen tragen, dass man keinen fairen Ausgleichsmechanismus zwischen den Ländern, die viel ausbilden, und denen, die zu wenig ausbilden, gefunden hat. ({9}) Das hat Sie im Zusammenhang mit dem Hochschulpakt bitter eingeholt. Im Gegenteil, mit dem Königsteiner Schlüssel werden die alten Ungerechtigkeiten fortgeführt. ({10}) Wirtschaftsstarke Länder, die in der Vergangenheit ausbildungsfaul waren, werden dadurch ganz besonders belohnt. ({11}) Auf diese Fortschleppung alter Ungerechtigkeiten muss man reagieren. Denn jetzt stellt man fest, dass 22,5 Prozent der Bundesmittel nicht für die Schaffung zusätzlicher Studienplätze verwendet werden. Wenn es aber beim Ziel der Schaffung von 90 000 zusätzlichen Studienplätzen bleiben soll, bedeutet das, dass weniger Länder mit weniger Bundesmitteln mehr Studienplätze schaffen müssen. ({12}) - Ja, genau das heißt es. Ich habe keinen Zweifel daran, dass auch die Kolleginnen und Kollegen in den anderen Fraktionen die Grundrechenarten beherrschen ({13}) und sich darüber Gedanken machen. ({14}) Dr. Ernst Dieter Rossmann ({15}): Da hast du Recht!) Wenn es dabei bleiben soll, dass der Bund 50 Prozent der Kosten jedes Studienplatzes übernimmt, dann hat das zur Folge, dass das zur Verfügung stehende Geld für die Schaffung von nur 70 000, nicht aber für die Schaffung von 90 000 zusätzlichen Studienplätzen ausreicht. Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen - auch Sie machen sich schließlich Gedanken -: ({16}) Was sind die Konsequenzen? Wenn Sie unserem Antrag, die Mittel aufzustocken, gefolgt wären oder einen eigenen Antrag, der in die gleiche Richtung zielt, gestellt hätten, dann wären Sie jetzt auf der sicheren Seite, da diese Lücke dann geschlossen wäre. Jetzt sehe ich eigentlich nur noch zwei Möglichkeiten: Wenn sich die Fraktionen darauf verständigen, dass es beim Ziel, 90 000 zusätzliche Studienplätze zu schaffen, bleiben soll, müsste man von der zweiten Säule, der Forschungsförderung, in die erste Säule umschichten; das ist die erste Möglichkeit, die es gibt. ({17}) Dann aber hätte die Bundesministerin offensichtlich ein Problem. Frau Flach hat völlig zu Recht darauf hingewiesen: Zuerst wurde ihr die Forschungsprämie gesperrt, dann wurden ihr die Fusionsforschungsmittel gesperrt. Sollen im Haushalt der Ministerin, die mit den Niederungen der Studienplätze in Deutschland eigentlich gar nichts mehr zu tun haben wollte, ({18}) jetzt auch noch Mittel aus der zweiten Säule, der Forschungsförderung, für die Schaffung von Studienplätzen umgeschichtet werden? Das ist keine schöne Vorstellung. ({19}) Da ich die Forschung nicht gegen die Lehre ausspielen möchte, ({20}) mache ich Sie auf die zweite Möglichkeit aufmerksam. Da wir eine echte Ökopartei sind, schlage ich Ihnen vor: Recyceln Sie unseren Antrag auf Erhöhung der Mittel für die Schaffung von Studienplätzen! Dann sind Sie auf der sicheren Seite. ({21}) Ein Wort noch zur Qualität der Lehre. Wir hätten in diesem Haushalt ein deutliches Signal gebraucht für die Qualität der Lehre. Ein solches Signal wäre gewesen, auch hinsichtlich der Qualität der Lehre einen Wettbewerb zu eröffnen. Es ist ein ganz schlechtes Signal der Exzellenzinitiative, dass man als Uni exzellent sein kann ohne einen Nachweis, dass man auch in der Lehre wirklich gut ist. Es ist ein ganz schlechtes Signal, dass die Länder, die zu wenig ausgebildet haben und das Geld lieber in die Forschung gesteckt haben, mit der Exzellenzinitiative auch noch dafür belohnt werden, dass sie ärmeren Ländern das Ausbilden zugemutet haben. Die Ausbildung der jungen Menschen in dieser Republik ist für uns alle viel zu wichtig, als dass wir uns das Signal leisten könnten: Länder, die ausbilden, sind die Dummen; Universitäten, die Wert auf die Lehre legen, sind die Dummen. Wir brauchen eine Umkehrung der Logik. Das muss sich auch im Haushalt niederschlagen. ({22})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Bundesministerin Annette Schavan. ({0})

Dr. Annette Schavan (Minister:in)

Politiker ID: 11003836

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung werden international zunehmend als entscheidende Entwicklungsmotoren moderner Gesellschaften gesehen. Der Einzelplan 30 im Haushalt 2007 wird diesem Stellenwert gerecht. Der Aufwuchs ist schon benannt: 500 Millionen Euro. Auch mit den Schwerpunkten unserer Bildungs- und Forschungspolitik werden wir dieser Bedeutung gerecht. Ich danke deshalb dem Parlament, den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, den Mitgliedern des Fachausschusses, allen, die beteiligt sind, für die Beratungen der letzten Wochen und Monate. Ich finde, wir haben die Weichen für das Jahr 2007 gemeinsam richtig gestellt, in finanzieller Hinsicht, in konzeptioneller Hinsicht und im Hinblick auf die richtigen Signale an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und an die Bildungsfachleute in Deutschland. Ich will gerne aufgreifen, was einige Vorredner gesagt haben: Es gehört doch ganz selbstverständlich zur Politik und zur politischen Verantwortung, dass wir auch an Entwicklungen der letzten Jahre, ja Jahrzehnte anknüpfen. Niemand beginnt bei null; so ist das. ({0}) Doch wir setzen auch neue Akzente. Einige sind schon genannt. Hightech ist ein völlig neuer Ansatz. Ob Ihnen das jetzt passt oder nicht, ob Sie das wahrnehmen wollen oder nicht, das interessiert die zuständige Öffentlichkeit überhaupt nicht. Es ist uns gelungen, zu strategischen, zu verbindlichen Partnerschaften zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zu kommen. Wir haben einen neuen Weg gefunden, um mehr Investitionen für F und E in den Unternehmen in Deutschland zu generieren. Wir haben uns auch in die europäischen Prozesse eingebracht, weil da das Gleiche gilt. ({1}) Wir haben neue Anreize geschaffen für diese Partnerschaft. Wir haben - das hat es noch nie gegeben - eine Forschungsunion, die Stück für Stück die Umsetzung der Hightechstrategie befördert. Zum Stichwort „Anreize“. Ich habe in dieser Woche in irgendeiner Zeitung - ich weiß nicht mehr, in welcher - gelesen, wir hätten noch kein Konzept für die Forschungsprämie. Ich kann nur sagen - und das wissen Sie alle -: Das Konzept liegt auf dem Tisch, ist fertig, ist mit den Regierungsfraktionen besprochen. ({2}) Es muss aber in einem ganz entscheidenden Punkt - betreffend die neuen Bundesländer - mit der EU abgestimmt werden. ({3}) Das passiert in diesen Tagen. Die Forschungsprämie wird natürlich am 1. Januar 2007 eingeführt und ich bin sehr zuversichtlich, dass das, was heute gesperrt genannt wird, ganz schnell entsperrt ist und die Forschungsprämie für KMU in Deutschland eingeführt wird. ({4}) Frau Flach, ich würde mich mit Ihnen gerne einmal ernsthaft streiten und mit Ihnen ringen. ({5}) - In der Sache. - Aber das, was Sie heute an Vorlagen liefern, reicht nicht, um mit der Opposition einmal richtig zu streiten. ({6}) Ich finde, wir sollten mit einer gewissen Ernsthaftigkeit miteinander umgehen. ({7}) Sie haben hier behauptet, Geld würde nicht ausgegeben. Sie sind länger hier im Bundestag als ich. ({8}) Deshalb wissen Sie auch, welche Bedeutung die Zahlen am 31. Oktober eines Jahres haben. Von daher erhöhe ich jetzt von 95 Prozent auf 99 Prozent. ({9}) Mit Blick auf den Steuerzahler ist aber auch klar: Geld wird dann überwiesen und Programme werden dann finanziert, wenn es soweit ist und wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind. Wir gehen gewissenhaft mit den Steuergeldern um. ({10}) Ich glaube, Sie müssen sich überhaupt keine Sorgen machen. Das gilt sowohl für die besonderen Akzente als auch mit Verlaub für die zahlreichen Programme. ({11}) Sie wissen auch besser als ich, dass es in diesem Haushalt eine Reihe von Programmen gibt, die von der Vorgängerregierung aufgelegt wurden und die - ursprünglich war nicht geplant, dass 2005 Bundestagswahlen durchgeführt wurden - bis Ende 2006 auslaufen und damit beendet sein werden. ({12}) Meine Damen und Herren, die Hightechstrategie ist ein Stichwort. Wir haben hier mehrfach darüber gesprochen. Es ist ein neuer Ansatz. Ich nenne Ihnen Beispiele, bei denen sich schon jetzt abzeichnet, dass Partnerschaften zustande kommen: Ich nenne die OLED-Initiative, für die 100 Millionen Euro an Forschungsgeldern und 500 Millionen Euro seitens der Unternehmen bereitgestellt werden. ({13}) Ich nenne die Nano-Initiative - Aktionsplan 2010, für die allein im kommenden Jahr Investitionen in Höhe von 135 Millionen Euro aus unseren Fachprogrammen getätigt werden ({14}) und bei der sich ebenfalls schon heute andeutet, dass es seitens der Unternehmen ein Mehrfaches an Investitionen geben wird. Ich erinnere an die weiße Biotechnologie, durch die Lösungswege für viele drängende Probleme unserer Zeit angeboten werden. Auch hier liegt ein Förderschwerpunkt mit insgesamt 354 Millionen Euro und auch in diesem Bereich ist der Branchendialog ausgezeichnet. Schließlich nenne ich das Sicherheitsforschungsprogramm, für das im Einzelplan 30 bis 2010 rund 123 Millionen Euro eingeplant sind. ({15}) Dies korrespondiert sehr stark mit dem, was im 7. Forschungsrahmenprogramm steht. Daneben gibt es viele weitere Beispiele. Ich habe mir gestern in meinem Hause noch einmal einen Bericht darüber geben lassen. Die Branchendialoge laufen gut. Die Unternehmen wissen, dass ihre Innovationsfähigkeit über ihre Erfolgsgeschichte und die der Branche entscheidet. Hier kommen die Interessen doch wunderbar zusammen. ({16}) Zur Exzellenzinitiative. Frau Sager, den Satz, dass man in der Lehre schlecht sein und bei der Exzellenzinitiative dennoch spitzenmäßig herauskommen kann, muss ich wirklich zurückweisen. Wer sich die Kriterien und das, was die internationalen Kommissionen begutachtet haben, ansieht - eines der wichtigsten Kriterien war die Nachwuchsförderung und eine der drei Säulen war die Graduiertenschulung -, der muss sagen: Mit dieser Exzellenzinitiative wird ein ganz wichtiger Impuls für die Lehre und für den von uns immer wieder betonten Zusammenhang zwischen Forschung und Lehre gesetzt. Deshalb ist das nicht nur ein Forschungsprogramm, sondern ein Programm, mit dem der Blick der beteiligten Hochschulen für den wissenschaftlichen Nachwuchs geschärft und mehr möglich gemacht wird, als in der Vergangenheit möglich war. ({17}) Die Exzellenzinitiative - auch das haben Sie gesagt ist eines von vielen Beispielen für eine gute Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Das gilt auch für den Hochschulpakt. Teilweise wird gesagt, dies sei ein mühsamer Prozess. Sie wissen, dass wir diesen Prozess vor der Verabschiedung der Föderalismusreform eingeleitet haben. Sie wissen auch - das gilt auch für viele, die mit mir verhandelt haben; das waren übrigens SPD und Union gleichermaßen -, dass ich schon damals gesagt habe, dass wir einen Hochschulpakt schließen werden, der ein klares Signal an die Studierenden setzt. Jetzt ist das gelungen. Er wurde übrigens nicht nur bis 2010, sondern aufgrund unserer gemeinsamen Verantwortung bis 2020 konkretisiert. Das sehe ich als ein herausragendes Zeichen an die Hochschulen in Deutschland an. ({18}) Er ist vor allen Dingen auch für die neuen Bundesländer bedeutsam: Frau Sager, Sie sprachen von 90 000 zusätzlichen Studienplätzen in ganz Deutschland. Mit jedem Studienplatz, der in einem neuen Bundesland abgebaut würde, würde sich zeigen, dass das gar keine relevante Zahl gewesen wäre. Was Ihre Kritik angeht, finde ich es deshalb vonseiten des Bundes richtig, zu akzeptieren, wie sich die Länder die Finanzierung vorstellen und ob sie sich selbst zur Finanzierung verpflichten. Ich halte das Konzept des Hochschulpaktes bis 2010 und darüber hinaus für in hohem Maße tragfähig. ({19}) Wir haben im Bereich der beruflichen Bildung einen deutlichen Zuwachs zu verzeichnen. Im Bereich Weiterbildung haben wir endlich ein sehr wichtiges und interessantes Programm zur Grundbildung von Erwachsenen und zur Unterstützung der Alphabetisierungskampagne. Das ist ein sehr wichtiger Baustein in diesem Bereich. Das Konzept der lernenden Regionen ist vertieft worden. Dabei ergeben sich aus Modellprojekten neue Entwicklungen. Ich bin zudem davon überzeugt, dass wir vor einer der größten strukturellen Veränderungen im Bereich der beruflichen Bildung stehen. Es geht nicht an, dass jedes Jahr nach Abschluss der Einstellungen eines Jahrganges mehr junge Leute ohne Stelle sind. Wie mein Kollege Müntefering heute Morgen schon angedeutet hat, sind wir auf einem sehr Erfolg versprechenden Weg, über Maßnahmen sowohl des Arbeitsministeriums als auch unseres Hauses diese Gruppe der Altbewerber in den Blick zu nehmen. Dazu kommt noch der europäische Qualifikationsrahmen, sodass ich sage: Wir stehen vor einer der tiefstgreifenden Weiterentwicklungen der beruflichen Bildung in Deutschland. ({20}) Zu der Modernisierung der beruflichen Bildung zählt für mich auch, dass wir einen großen Schritt in Richtung einer größeren Durchlässigkeit im Bildungssystem - zwischen allgemein bildenden und beruflichen Schulen, zwischen dem schulischen Bereich und unseren Hochschulen sowie zwischen Erstausbildung und Weiterbildung - gehen. Das werden die zentralen Kriterien für diese Modernisierung sein. ({21}) Liebe Frau Flach, Sie haben die Stammzellforschung angesprochen. Ihre Ausführungen zu diesem Thema beweisen, dass Sie überhaupt nicht mehr zuhören. Ich habe nach der Stellungnahme in dem Gutachten der DFG gesagt: Entscheidend ist für die Bundesregierung, dass die Substanz des Willens des Gesetzgebers auch in Zukunft gewahrt bleibt. Das ist der entscheidende Punkt: die Substanz eines Gesetzes, das in diesem Parlament nach ausführlichen und ernsthaften Debatten zustande gekommen ist. Das ist mein Maßstab. In diesem Sinne werden die Gespräche mit dem Parlament geführt werden. Dabei geht es nicht um die Frage, ob die Bundesregierung diesem oder jenem Gutachten folgt; es geht vielmehr darum, dass die Substanz des Gesetzes dem Willen des Gesetzgebers entsprechend auch in Zukunft erhalten wird. Darüber werden wir uns verständigen. Ich bin der festen Überzeugung, dass es uns in diesem Parlament und im Dialog zwischen Bundesregierung und Parlament gelingen wird, erneut eine ernsthafte Debatte in der Sache zu führen, die der Öffentlichkeit zeigt, dass wir den Lebensschutz und die Substanz des Gesetzes ernst nehmen und uns ernsthaft mit dem auseinander setzen, was uns die Forscherinnen und Forscher mitteilen. ({22}) Ich bin der festen Überzeugung, dass in diesem Jahr 2006 wichtige Weichen gestellt worden sind. Mit dem Haushalt 2007 ist die Grundlage für weitere Maßnahmen und Akzente in der Bildungspolitik wie auch bei der Modernisierung des Wissenschaftssystems und für eine anhaltende Aufbruchstimmung am Forschungsstandort Deutschland geschaffen worden. Vielen Dank. ({23})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Uwe Barth, FDP-Fraktion. ({0})

Uwe Barth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003735, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass man nach rund 14 Monaten als Abgeordneter des Deutschen Bundestages noch gelegentlich etwas Neues erlebt, ist nicht weiter verwunderlich. Was sich aber seit Dienstag in dieser Debatte abspielt, ist für mich nicht nur neu. Diese Debatte und die zeitgleich stattfindenden Jubelfeierlichkeiten zum ersten Geburtstag dieser Koalition offenbaren bei den Koalitionären ein Maß an Realitätsverlust und finden in einer Selbstgefälligkeit statt, wie ich es in diesem Hohen Hause nicht erwartet hätte. ({0}) Seit fast drei Tagen loben und beglückwünschen Sie sich gegenseitig. Der gruslige Auftritt Ihrer Fraktionsvorsitzenden gestern war kein Ausrutscher, sondern nur der vorläufige Höhepunkt dieses Schauspiels. Sie klopfen sich gegenseitig auf die Schultern, dass es nur so kracht, und können in dem Staub, den Sie dabei aufwirbeln, die klare Realität offenbar nicht mehr erkennen. ({1}) Sie berauschen sich an Erfolgen, die außer Ihnen niemand wahrnimmt, und halten sich Entwicklungen zugute, an denen Sie maßgeblich unschuldig sind. Ich weiß, dass sich die Kollegen von der SPD unfair behandelt fühlen, wenn man sie an den Wahlkampf des letzten Jahres erinnert. ({2}) Aber zumindest bei den Kollegen von der Union müsste, denke ich, ein Funke Erinnerung an den gemeinsamen Wahlkampf da sein. ({3}) - Das ist wahr, auch wenn Sie davon nichts mehr wissen wollen. - In diesem Wahlkampf haben wir gemeinsam die Schaffung hoch qualifizierter Arbeitsplätze als wesentliche Voraussetzung für die Zukunft des Standorts Deutschland erkannt. Hoch qualifizierte Arbeitsplätze brauchen zwei Voraussetzungen: erstens leistungsfähige Hochschulen, die entsprechend ausgebildete Absolventen hervorbringen, und zweitens eine starke und anwendungsorientierte F-und-E-Landschaft als Transmissionsriemen zur Wirtschaft. ({4}) In Zeiten knapper Kassen ist das natürlich nur durch eine entsprechende Prioritätensetzung zu erreichen. Eine Prioritätensetzung ist weder im Gesamthaushalt noch im Einzelplan 30 und auch nicht im täglichen Regierungshandeln zu erkennen. ({5}) Die Zersplitterung der Forschungslandschaft zu Beginn der Legislaturperiode war eine Niederlage für die Forschungspolitik aus einem Guss. Das Ganze setzt sich in der Tagespolitik dergestalt fort, dass sich die Ministerin in Placeboveranstaltungen flüchten muss, um überhaupt wahrgenommen zu werden und stattzufinden. Das gilt insbesondere auch für den Osten. Frau Ministerin, Innovationswochen, Memoranden und Dialoge, von Heerscharen von Beamten in Bund und Ländern erarbeitet und mit großem Feuerwerk abgebrannt, helfen nicht, wenn Sie nicht Prioritäten setzen. Diese Showveranstaltungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Hochschulen dramatisch unterfinanziert sind und es trotz Hochschulpakt auch bleiben werden. ({6}) Heute Morgen wurde an dieser Stelle über den Haushalt des Bundesarbeitsministers mit einem Gesamtvolumen von 124,4 Milliarden Euro beraten. Das ist fast die Hälfte des Gesamthaushaltes. Wir sprechen über einen Etat mit einem Volumen von rund 8,5 Milliarden Euro. Der Bundesarbeitsminister hat allein 5 Milliarden Euro Aufwuchs in diesem Jahr zu verzeichnen, während wir uns darüber streiten, ob der Aufwuchs im Etat für Bildung und Forschung 500 Millionen oder 230 Millionen Euro beträgt. Das ist das, was aus meiner Sicht zum Thema Prioritätensetzung in der globalen Politik zu sagen ist. ({7}) Die fehlende Prioritätensetzung wird beim Thema Forschungsprämie exemplarisch deutlich. Im September dieses Jahres haben wir, die FDP-Fraktion, dem Hohen Haus konkrete Vorschläge vorgelegt, die zur Verbesserung der Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft eine Forschungsprämie vorsehen. Im Rahmen der Haushaltsberatungen haben wir auch einen konkreten Finanzierungsvorschlag unterbreitet. Nun wird der Ansatz für die Forschungsprämie vom Haushaltsausschuss - darauf haben die Vorredner schon hingewiesen - zunächst gesperrt. Frau Ministerin, nach Ihren Worten bin ich gespannt, was daraus wird. ({8}) Besonders deutlich zeigt sich das Problem der fehlenden Prioritätensetzung in Ostdeutschland. Machen wir eine kurze Bestandsaufnahme. Auch nach 16 Jahren weitgehend ineffektiven Geldverteilens haben die neuen Bundesländer nach wie vor nicht die Wirtschaftskraft des alten Bundesgebietes. Warum? Weil die Politik bis heute nicht begriffen hat, dass der Schlüssel für mehr Wachstum in mehr Innovation liegt. ({9}) Einen echten Wirtschaftsaufschwung Ost kann es nur geben, wenn Sie eine starke, anwendungsorientierte Forschungs- und Entwicklungslandschaft vor Ort schaffen. ({10}) Nur dies stärkt Unternehmen vor Ort. Nur dies bewegt Unternehmen, sich im Osten Deutschlands anzusiedeln. Nur dies schafft letztlich zukunftsfähige Arbeitsplätze. Eine Bestandsaufnahme fördert auch zutage, dass in den ostdeutschen Bundesländern die Exzellenzgrundlagen weitgehend fehlen. Das muss man schonungslos so sagen. Das haben uns die Ergebnisse der Exzellenzinitiative im Übrigen gezeigt. Auch hierfür ist die Hauptursache die chronische Unterfinanzierung der Hochschulen. Wollten wir auch nur den internationalen Durchschnitt erreichen, müssten wir fast 9 Milliarden Euro mehr pro Jahr für die Hochschulen ausgeben. Der ganze Einzelplan umfasst gerade einmal 8,5 Milliarden Euro. Die 280 Millionen Euro von Bund und Ländern pro Jahr sind angesichts dieser Dimension doch eher als bescheiden einzuschätzen. ({11}) Deutschland braucht eine Zukunft als attraktiver Forschungs-, Dienstleistungs- und Industriestandort. Es gilt dabei: Je billiger die anderen sind, umso besser müssen wir sein. Das geht auf die Dauer aber nur mit exzellenten und gut ausgestatteten Hochschulen und Arbeitsplätzen in innovativen Industrien. Die jungen Menschen, die sich bei uns bilden wollen, die etwas leisten wollen, brauchen und verdienen ein klares Signal. Dieses Signal muss lauten: Ihr seid uns willkommen, wir brauchen euch und wir sind bereit, euch die Hochschulen zu bieten, die euch eure Leistungen möglich machen. Ein solches Signal müsste von der Politik der Bundesregierung ausgehen. ({12}) Genau das geschieht aber mit diesem Haushalt nicht. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. ({13})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Jörg Tauss, SPD-Fraktion. ({0})

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Kollege Barth, eines fand ich sehr positiv an Ihren Ausführungen, nämlich das klare Bekenntnis der FDP dazu, dass Bildung als staatliche Aufgabe zur Daseinsvorsorge gehört. Das ist immerhin eine klare Aussage. Sie dürften dann aber konsequenterweise nicht ständig Vorschläge machen, die dazu führen, dass das staatliche Steuersystem erodiert. Die Vorschläge, die Sie machen, müssen wir irgendwie finanzieren. Nur so passt das einigermaßen zusammen. ({0}) Die Bundesministerin hat wie auch die Haushälter zu Recht mit Stolz auf den Etatentwurf hingewiesen. Eine Plafonderhöhung um 6,2 Prozent ist ein wichtiges Signal für den Forschungsstandort Deutschland. Daran lassen wir, ehrlich gesagt, auch nicht herummäkeln, auch wenn ich Verständnis dafür habe, dass die Opposition gelegentlich mäkeln will. ({1}) Auf die herausragenden Positionen, die wir schwerpunktmäßig fördern, ist verwiesen worden. Ich nenne ebenfalls die Exzellenzinitiative, die Hightechinitiative, den Hochschulpakt, die Anstrengungen zur beruflichen Bildung, die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung und die Sozial- und Geisteswissenschaften, mit denen wir uns gerade im Jahr der Geisteswissenschaften, das ansteht, noch besonders beschäftigen wollen. Dazu spricht nachher noch der Kollege Schulz. Die genannten Projekte haben übrigens - das will ich an dieser Stelle sagen - auch an das Haus große Anforderungen gestellt. In der Hightechinitiative wurde herausgearbeitet, wo unsere Spitzenleistungen und wo unsere Stärken liegen, aber auch wo unsere Schwächen liegen und wo es Nachholbedarf gibt. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Ich will mich deswegen bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BMBF recht herzlich bedanken. ({2}) Sie wissen, ich neige nicht zu übertriebenem Beamtenlob, aber die gute, vertrauensvolle und sehr kompetente Zusammenarbeit mit vielen Abteilungen des Hauses will ich hier ausdrücklich hervorheben. ({3}) Nach diesem Lob für das Haus will ich mich Ihnen, Frau Flach, zuwenden. Ich fand Ihre Rede wirklich nicht sehr fair. ({4}) Sie ging in der Tat - da stimme ich der Ministerin zu über das hinaus, was man gemeinhin vortragen sollte, wenn man - ich habe immer an Ihnen geschätzt, dass Sie seriös waren ({5}) seriös bleiben will. So wie man in der Vergangenheit sicher an Rot-Grün herummäkeln konnte, so kann man natürlich auch an der großen Koalition das eine oder andere aussetzen. Wenn es allerdings Leistungen gibt, auf die wir nach einem Jahr mit einem neuen Koalitionspartner selbstbewusst verweisen können, dann sind es gerade die Leistungen der neuen Bundesregierung auf den Gebieten Bildung, Wissenschaft und Forschung. Das sollte man an dieser Stelle festhalten. ({6}) Ich habe die Bundesministerin genannt und nenne auch den Finanzminister, der trotz des Haushaltsrechts des Parlaments natürlich ein wichtiger Verbündeter der Haushälter ist. Frau Staatssekretärin Hendricks, ich bin dankbar, dass diese Prioritätensetzung für Bildung, Wissenschaft und Forschung ein einigendes Band zwischen unserem Teil des Parlaments und der Bundesregierung darstellt. Wir wollen an dem Ziel festhalten, 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die Bildung auszugeben. ({7}) - Kollege Barth, ich bin so laut, dass ich Sie gar nicht hören kann. Ich verstehe Sie nicht. Aber stellen Sie ruhig eine Zwischenfrage. ({8}) Ich bin angesichts der Haushaltszwänge dankbar, dass diese weiteren Steigerungen in der mittelfristigen Finanzplanung festgeschrieben werden können, damit wir das Ziel erreichen. ({9}) Wir haben uns eine große Forschungs- und Entwicklungsagenda gegeben. Es gibt ein 6-Milliarden-Programm „Hightechstrategie“. Dazu kommen neue Instrumente wie die Forschungsprämie. In der Tat ist es - Frau Ministerin hat es gesagt - doch selbstverständlich: Das Geld ist bereitgestellt. Das ist zunächst einmal das Wichtige. ({10}) Es ist auch selbstverständlich, dass wir jetzt darüber reden, wie wir das bereitgestellte Geld vernünftig, verantwortungsbewusst und mit möglichst hoher Wirkung für diejenigen, die die Empfänger sein sollen, verwenden. Der Empfänger soll im Grunde genommen ganz Deutschland sein, indem wir den kleinen und mittleren Betrieben ermöglichen, durch Zusammenarbeit mit den Fachhochschulen ihre forschungsintensiven Arbeiten voranzubringen. Das ist doch das Ziel. ({11}) Ich weiß gar nicht, warum man darüber diskutiert. Wir reden über den sinnvollen Einsatz von Mitteln. ({12}) Frau Flach, an dieser Stelle möchte ich noch etwas zu den Interessengruppen sagen ({13}) - zwischenzeitlich vermutete ich, dass Sie dahinter stecken -, die in Meldungen in der „FAZ“ und „Die Welt“ platzieren, dass Deutschland sich bei der Fusionsforschung blamiere und blockiere. ({14}) - Lieber Kollege Barth, nun hören Sie einmal aufmerksam zu! - Ich möchte eines deutlich sagen: Wir wenden für die Fusionsforschung - es ist eigentlich schade, dass ich dafür so viel Zeit verwenden muss, ({15}) aber das muss einmal klargestellt werden -, die übrigens weit von jeder Markteinführung entfernt ist, Jahr für Jahr für Jahr 115 bis 120 Millionen Euro auf - jedes Jahr und ohne einen Nachweis. ({16}) Wir werden in Frankreich, in Cadarache, mit dem dortigen Fusionsreaktor das teuerste Experiment der Menschheitsgeschichte mit 10 Milliarden Euro mit finanzieren. Wenn dann hier im Parlament eine Anforderung über weitere 11 Millionen Euro dafür kommt, dass sich die deutsche Industrie an diesem 10-Milliarden-Projekt beteiligen können soll, frage ich zunächst einmal, warum wir eigentlich 11 Millionen Euro zusätzliche Steuermittel aufwenden müssen, damit die Industrie geruht, sich an einem 10-Milliarden-Projekt zu beteiligen. Deshalb fragen wir nach, was mit diesem Geld geschehen wird. ({17}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, 120 Millionen Euro sind mehr, als wir für die gesamte Begabtenförderung ausgeben. Das ist etwas mehr, als wir für die gesamte naturwissenschaftliche Grundlagenforschung im Etat ausgewiesen haben; das ist mehr, als für die Förderung der Regionen in den neuen Bundesländern bereitgestellt wird. Wenn dieses Gemäkel kommt, kann ich nur sagen: Die Herrschaften sollen anrufen, sie kennen unsere Telefonnummer. Ich bin wirklich bereit, darüber einmal ein bisschen kräftiger zu diskutieren. ({18}) Wir haben mit Steuermitteln ordentlich umzugehen. Der DAAD, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung vieles ist angesprochen worden. Die Hochschulrektorenkonferenz hat deutlich gemacht - das finde ich gut -, dass sie im Bereich der Lehre etwas tun wollen. Man kann nur sagen: Endlich! Das ist akzeptabel. Hier sind wichtige Signale für eine bessere Lehre gegeben worden. Arbeitsforschung, Friedensforschung und viele weitere Aspekte könnten erwähnt werden. Herr Präsident, ich will mit Ihrer Genehmigung noch einen Punkt erwähnen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ganz kurz.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, ganz kurz. Die Zeit war leider mit dem weg, was Frau Flach erzählte. Das ist eigentlich schade. ({0}) Es kommt eine klare Aufgabe hinzu, die über unseren Haushalt hinausgeht. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber mich bedrückt es - ich glaube, es sollte uns alle bedrücken -, dass 10 Prozent der Kinder und Jugendlichen in unserem Land die Schule ohne Abschluss verlassen. Das bedrückt mich im wahrsten Sinne des Wortes. ({1}) Aus diesem Grund halte ich es auch für richtig, dass wir neben unserem Etat einen bei Herrn Müntefering angesiedelten Etat haben, mit dem man sich unter anderem um diese Dinge kümmert, mit dem dafür gesorgt wird, dass die Betreffenden eine neue Chance bekommen. Herr Barth, wenn Sie hier schon so populistisch Bildung, Wissenschaft und Forschung gegen Sozialleistungen ausspielen, sollten Sie den Rentnerinnen und RentJörg Tauss nern, den Jugendlichen oder wem auch immer in diesem Land deutlich sagen, wem Sie etwas wegnehmen wollen. Ich halte es in dieser Form für verantwortungslos, Sozialleistungen gegen Bildung, Wissenschaft und Forschung auszuspielen. ({2}) Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. ({3})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile der Kollegin Cornelia Hirsch, Fraktion Die Linke, das Wort. ({0})

Cornelia Hirsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003770, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Frau Ministerin, Sie haben sich vorhin hier hingestellt und gesagt , dass Sie die Weichen für Bildung, Forschung und Wissenschaft in Ihrer bisherigen Regierungstätigkeit richtig gestellt haben. - Nun, die Linke ist hier grundlegend anderer Auffassung. ({0}) Wir sagen: Sie haben die Weichen falsch gestellt. Ich möchte Ihnen auch begründen, warum wir diese Auffassung haben. Erstens. In der Bildungsfinanzierung sind Sie aus unserer Sicht vollkommen auf dem Holzweg. In Ihrer schriftlichen Bilanz, die Sie in der letzten Woche vorgelegt haben, loben Sie sich unter anderem dafür, dass es seit April Studienkredite gibt, dass Sie die Begabtenförderung ausbauen und dass Sie neue Modelle zum Bildungssparen entwickeln. Diese Maßnahmen - so schreiben Sie weiter - seien sozial und gerecht. Mit Verlaub, werte Frau Ministerin, diese Behauptung ist wirklich grober Unfug. ({1}) Es ist eben nicht sozial und gerecht, dass diejenigen, die von Haus aus wenig Geld haben, am Ende ihres Studiums vor einem großen Schuldenberg stehen und diejenigen, die reiche Eltern und Verwandte haben, vollkommen unbelastet in ihre Zukunft starten können. Wir werden solchen Vorhaben deshalb nicht zustimmen. Anstelle dieser Studienkredite fordern wir mehr und besseres BAföG. Dazu liegt Ihnen heute ein Antrag der Fraktion Die Linke vor. Wir können nicht erkennen, dass das BAföG in der großen Koalition die Priorität hat, die es eigentlich verdient. ({2}) Die zweite vollkommen falsche Weichenstellung - das hat hier heute Abend schon eine Rolle gespielt war die Föderalismusreform. Sie wurde vor der Sommerpause im Hauruckverfahren durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht. Ich möchte einige Worte an die Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion richten, die sich heute und gestern für das Verhalten auf die Schultern geklopft haben - Herr Kollege Hagemann hat sich eben dazu geäußert -, das sie an den Tag gelegt haben. Ich möchte Sie daran erinnern, wie die ganze Diskussion, die wir hier zur Föderalismusreform geführt haben, aussah. Erst haben Sie über Monate hinweg gesagt, dass Sie diese Reform bildungspolitisch für grundlegend verkehrt halten, dass sie abgelehnt werden muss und dass Sie bei diesem Projekt nicht mitmachen. Dann hat die Unionsfraktion ein vollkommen unzureichendes Kompromissangebot gemacht: Das war das Zugeständnis der Aufweichung des Kooperationsverbotes für die Hochschulen - es handelt sich um einen winzigen Teil dieser Reform ({3}) - Herr Tauss, jetzt hören Sie erst einmal zu -, und auch das nur unter der Maßgabe, dass alle 16 Bundesländer zustimmen. Als dieses Zugeständnis gemacht wurde, sind Sie sofort eingeknickt und haben der Reform zugestimmt. Ich finde, dass so ein Einknicken eigentlich keinen Applaus verdient. So ein Einknicken ist verkehrt. Wenn Sie damals nicht zugestimmt hätten, dann wäre diese Reform uns allen erspart geblieben. ({4}) Die dritte falsche Weichenstellung - sie wurde nicht von der großen Koalition vorgenommen, sondern bereits von Rot-Grün - ist die Gestaltung der Steuerpolitik in diesem Land. Schon mit der Steuerreform von 2001 haben Sie rund 100 Milliarden Euro an Vermögende und Großkonzerne verschenkt; diese Entwicklung hält bis heute an. Diese 100 Milliarden Euro fehlen uns für eine bessere Bildung in diesem Land. ({5}) Herr Hagemann, mich interessiert, wie Sie solch eine Politik unter anderem in Ihrem Wahlkreis begründen. Auch zu Ihnen kommen doch sicher zahlreiche Menschen aus Ihrem Wahlkreis, die Ihnen erläutern, dass sie die Busfahrt ihrer Kinder zur Schule kaum noch finanzieren können, dass es an Geld für die immer teureren Schulbücher fehlt, dass es an öffentlichem Förderunterricht fehlt und dass die private Nachhilfe eben auch viel zu teuer ist. Was erzählen Sie diesen Menschen? ({6}) Sagen Sie ihnen die Wahrheit, dass Sie nämlich gerade dabei sind, die nächste Reform vorzubereiten, mit der Sie die öffentlichen Kassen noch weiter schröpfen werden und mit der Sie noch weiter von unten nach oben umverteilen werden? Ich bin der festen Überzeugung: Wenn Sie den Menschen diese Wahrheit klar und offen ins Gesicht sagen werden, dann wird die große Mehrheit der Menschen in Ihrem Wahlkreis diesem Vorhaben nicht zustimmen. ({7}) Sie betreiben neoliberale Schönrednerei. Sie streuen den Menschen Sand in die Augen und Sie machen eben nicht deutlich, worum es sich hier eigentlich handelt. Wir finden, dass Sie die Voten aus Ihren Wahlkreisen ernst nehmen müssen, dass Sie grundlegend umsteuern müssen und dass Sie gerade in der Steuerpolitik von einem Verfahren wegkommen müssen, das Bildungsarmut produziert. Wenn Sie das täten, dann wären Sie auf dem richtigen Weg: hin zu einem besseren Bildungssystem und auch zu einer gerechteren Gesellschaft. Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen, dabei hätten Sie sicherlich auch die Unterstützung meiner Fraktion, der Linken. Danke schön. ({8})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Swen Schulz, SPDFraktion. ({0})

Swen Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst einmal vielleicht wieder ein bisschen sachlicher! ({0}) Die Regierungskoalition legt einen wirklich guten Haushalt vor; das ist anhand der Zahlen schon aufgezeigt worden. ({1}) Nun ist es nicht besonders ungewöhnlich, dass die Mehrheit den eigenen Vorschlag lobt. Darum können die Bürgerinnen und Bürger die Qualität des Haushalts am besten daran erkennen, dass der Opposition nicht wirklich so wahnsinnig viel Kritik einfällt. ({2}) Man spürt richtig, wie hier teilweise verzweifelt nach dem Haar in der Suppe gesucht wird ({3}) oder die Flucht in die große rhetorische Pose angetreten wird. Ich finde, dass es der Opposition ganz gut anstünde, einfach einmal ehrlich zu sagen, dass dieser Haushalt ein toller Erfolg ist: für die Bildung und Forschung, für die Menschen, für Deutschland. ({4}): Das können Sie noch zehnmal wiederholen; das wird nicht besser! - Uwe Barth [FDP]: Ich fürchte ja, Sie glauben selber daran!) Freuen Sie sich doch einfach einmal mit! Das ist die Frucht langer, harter Arbeit der Fachpolitiker in Parlament und Regierung. ({5}) Natürlich steht diese Koalition auf den Schultern von Giganten, nämlich von Gerhard Schröder und Edelgard Bulmahn aus der rot-grünen Regierungszeit. ({6}) Dieser Haushalt wäre aber nicht möglich gewesen, wenn nicht die gesamte Regierungskoalition - inklusive Haushälter, Finanzminister und Bundeskanzlerin - dahinter stehen ({7}) und Bildung und Forschung Priorität einräumen würde. ({8}) Mit diesem Haushalt kommen wir einen großen Schritt voran, aber wir sind damit natürlich noch nicht am Ziel. Im Forschungsbereich legen wir sehr viel drauf: bei der Projektförderung, für die Fachhochschulen, in der Hightechstrategie. Dabei fördern wir nicht einfach nur blind alles technisch Machbare; nein, wir machen das mit Sinn und Verstand. Gesellschaftliche Innovationen sind von zentraler Bedeutung für uns. Darum legen wir einen deutlichen Schwerpunkt auf die Geistes- und Sozialwissenschaften. Darum beschließen wir nicht nur ein Programm für die Sicherheitsforschung, sondern wir stärken zusätzlich die Friedensforschung. Ein zentrales Thema ist die Finanzierung der Hochschulen. Das hat in der Debatte hier schon eine Rolle gespielt. Der Hochschulpakt wurde durch die Föderalismusreform erst möglich. Die SPD hat für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern hart gekämpft und wir sehen jetzt den Erfolg, Frau Hirsch. Aber so, wie wir von der Föderalismusreform I sprechen, muss natürlich auch vom Hochschulpakt I die Rede sein. ({9}) Es ist deutlich mehr nötig, um bis 2020 ausreichend Studienplätze zur Verfügung stellen zu können. Wir benötigen also einen Hochschulpakt II, und zwar möglichst bald, damit die Hochschulen Planungssicherheit erhalten. Außerdem ist ein Kernproblem nicht gelöst. Wir brauchen ein System, das erstklassige Lehre belohnt, das attraktive Studienplätze finanziert. Die Exzellenzinitiative ist das eine, doch darüber hinaus müssen wir einen Swen Schulz ({10}) Wettbewerb für Lehre entfachen; denn ohne Bildung bringt alle Forschungspolitik nichts. ({11}) Das sollte in den Hochschulpakt II und in die Beratungen zur Föderalismusreform II hinein. Die Schaffung von vielen hochwertigen Studienplätzen ist die eine Herausforderung, wir müssen aber auch die finanziellen Rahmenbedingungen für die Studierenden im Blick haben. Sie müssen sich das Studium leisten können. Darum sage ich für die SPD ganz klar: Wir garantieren das BAföG. ({12}) Es gibt aber das Problem mit den Studiengebühren, die von einigen Ländern eingeführt werden. Dadurch werden viele junge Menschen vom Studium abgeschreckt. Wir sehen schon heute, etwa in NordrheinWestfalen, dass eine ganz fatale Kettenreaktion in Gang kommt. Diejenigen, die sich das Studium dann nicht leisten können, die davor zurückschrecken, bewerben sich um Ausbildungsplätze und verdrängen dort wiederum die Schwächeren. Das ist wirklich eine ganz schlechte, kurzsichtige Politik. ({13}) Sie schadet der Volkswirtschaft, sie ist unsozial und gesellschaftspolitisch ein schwerer Fehler. ({14}) Besonders ärgert mich immer das Argument, es sei doch sozial ungerecht, wenn die Krankenschwester das Studium für den Sohn des Chefarztes finanziert. ({15}) Als Sozialdemokrat stehe ich Überlegungen für mehr Gerechtigkeit natürlich sehr aufgeschlossen gegenüber. ({16}) Doch wie will man bitte schön mehr Gerechtigkeit schaffen, wenn man diejenigen, die wenig Geld haben, von Bildung ausschließt? Das funktioniert doch nicht. ({17}) Gerechtigkeit - Herr Barth, lassen Sie mich das sagen schafft man nicht durch Bildungssteuern; ({18}) Gerechtigkeit braucht bessere Bildung für alle. ({19}) Übrigens finde ich auch, dass wir Bildungspolitiker im Deutschen Bundestag etwas zum Thema der vorschulischen Bildung sagen sollten. Es ist zum Teil auch eine Gebührendebatte, allerdings nicht nur. Es ist völlig richtig, dass der Bund einen Beitrag zu mehr hochwertigen Plätzen in der Kinderbetreuung leisten sollte. ({20}) Wie das geschehen soll, darüber müssen wir reden und diskutieren. Aber klar ist: Kindertagesstätten müssen Bildungseinrichtungen sein. Im Vorschulalter werden Grundlagen für den Spracherwerb, für soziales Verhalten usw. gelegt. Schon hier gilt: Bildung in Deutschland muss erstklassig sein und die Menschen dürfen nicht durch Gebühren davon abgehalten werden. ({21}) Ich ziehe das Resümee: Die Bildungs- und Forschungspolitik der großen Koalition ist gut. Wir haben über das Jahr 2007 hinaus noch viel vor. Vor allem sollten wir gemeinsam mit den Bundesländern dafür sorgen, dass noch mehr in die Zukunft investiert wird. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Berlin-Urteil Sparen an der Zukunft verlangt. Ich halte fest: Unsere Politik schlägt einen anderen Weg ein. Vielen Dank. ({22})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Priska Hinz, Bündnis 90/Die Grünen.

Priska Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003769, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Woche wird ja nicht nur über den Haushalt gesprochen, sondern auch Bilanz über ein Jahr große Koalition gezogen. Damit geht es natürlich auch um die Bilanz der Bildungs- und Forschungsministerin, die nun ein Jahr im Amt ist. Am liebsten wollte Frau Schavan Forschungsministerin sein. Sie hatte nun ein Jahr Zeit und Muße, um etwas in ihrer Einjahresbilanz vorzuweisen. Aus unserer Sicht muss ich sagen: Besonders erfolgreich sind Sie bislang nicht gewesen. ({0}) Ich will das an einigen Punkten belegen. Wir nehmen uns heraus, Frau Schavan, die von Ihnen vorgelegte Hightechstrategie inhaltlich und bezüglich der Zielsetzung zu kritisieren. Wir haben in der Debatte um die Hightechstrategie deutlich gemacht, mit welchen Punkten wir nicht einverstanden sind. Sie selber haben hier Ihre erste Bauchlandung hingelegt, da die Koalitionsfraktionen Ihrem Konzept einer Forschungsprämie nicht näher treten wollen. Herr Hagemann hat in der ersten Haushaltsrunde bessere Fragen zur Forschungsprämie gestellt, als sie mir eingefallen sind. Wir Priska Hinz ({1}) haben schon im Bildungsausschuss beantragt, die Mittel für die Forschungsprämie zu sperren, weil erst einmal ein Konzept vorgelegt werden muss. ({2}) Dabei sind uns die Koalitionsfraktionen leider nicht gefolgt. ({3}) Das ist jetzt im Haushaltsausschuss erfolgt. Erstaunlicherweise hat auf dem Wirtschaftskongress der Grünen ein Vertreter der BASF ({4}) erläutert, wie Sie, Frau Ministerin, in einem Ihrer Stuhlkreise, der Forschungsunion Wirtschaft-Wissenschaft, das Konzept entwickelt haben, und gesagt, dass er uns genau darstellen könne, wie das mit der Forschungsprämie gehen soll. ({5}) Vielleicht sollten die Koalitionsfraktionen künftig Vertreter der Wirtschaft in ihre Runden einladen; dann würden sie erfahren, was die Forschungsministerin eigentlich vorhat. ({6}) Ich komme zur zweiten Bauchlandung, zur Fusionsforschung. Auch hier folgen Ihnen die Abgeordneten aus den Koalitionsfraktionen nicht. Sie fordern, dass bis Ende des Jahres zusätzliche Argumente vorgelegt werden, warum für die Fusionsforschung Mittel in dieser Größenordnung ausgegeben werden müssen. Zu Recht! Die Koalition ist da fast auf Oppositionskurs. Sie, Frau Ministerin, werden aber wahrscheinlich auch bis Ende des Jahres nicht so richtig fündig werden. Wir hatten ja beantragt, den vorgesehenen Ansatz in Höhe von 11 Millionen Euro gänzlich zu streichen. So weit werden Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wahrscheinlich nicht gehen können. Es ist doch erstaunlich - Herr Tauss hat das wunderbar deutlich gemacht -, ({7}) wie viel Geld schon in die Fusionsforschung geflossen ist, ohne dass bisher der Nachweis geführt werden konnte, dass die Fusionsforschung zukünftig etwas zur Energieerzeugung beitragen kann. Es reicht nicht, erst in 30 Jahren festzustellen, ob die Fusionsforschung irgendetwas bringt. Dann ist es nämlich zu spät. Wir müssen jetzt Erfolge erzielen, um eine Klimawende herbeizuführen. ({8}) Setzen Sie die Mittel für regenerative Energien ein und für andere Forschungsprojekte! So kommen wir viel schneller ans Ziel. Bauchlandung Nummer drei der Forschungsministerin: der Ethikrat. Wir haben schon in den letzten Haushaltsberatungen moniert, dass Geld für den Ethikrat in den Haushalt eingestellt worden ist. Das ist auch jetzt wieder der Fall. Die Ministerin hat hier einen Gesetzentwurf eingebracht, der aus allen Fraktionen heraus kritisiert wurde. Sie haben vonseiten der CDU/CSU in der letzten Wahlperiode mehr als einmal die so genannte Kommissionitis von Rot-Grün beklagt. Jetzt gibt es bei Ihnen Räte, Unionen, Stuhlkreise und was auch immer, ({9}) die nicht an das Parlament angebunden sind. Auch hier muss ich Ihnen sagen: Sie müssen akzeptieren, dass das Parlament gerade in solchen wichtigen Fragen das Letztentscheidungsrecht hat und bestimmt, wie ethische Debatten vorbereitet werden und wie entschieden wird. ({10}) Da können Sie nicht mit einem solchen Gesetzentwurf kommen. Hier haben Sie ebenfalls eine Niederlage erlitten. Wir haben von meiner Kollegin Krista Sager gehört, dass bei dem Hochschulpakt noch so viele Fragen ungelöst sind, dass Sie eventuell Ihre zweite Säule, die Forschung, irgendwann angreifen müssen. Das könnte Ihre vierte Bauchlandung werden. Als Forschungsministerin haben Sie in diesem einen Jahr nicht viel unternommen. Aber als Bildungsministerin, zuständig auch für den Bereich Ausbildung, haben Sie es noch nicht einmal geschafft, für die 15 000 neuen Stellen über EQJ, die Herr Müntefering bereitstellt, ein Zertifizierungsverfahren auf den Weg zu bringen, damit diese Zeit grundsätzlich auf die Ausbildung angerechnet wird. Sie haben es nicht geschafft, wenigstens das versprochene kleinste Mosaiksteinchen der Weiterbildung, ein Konzept zum Bildungssparen, dem Parlament vorzulegen. ({11}) Auch hier ist Fehlanzeige auf der ganzen Linie. Meine Damen und Herren, dieses erste Jahr war aus unserer Sicht ein verlorenes Jahr für Bildung und Forschung. ({12})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Dorothee Bär, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Dorothee Mantel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003586, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident, ich möchte Sie bitten, etwas NachDorothee Bär sicht walten zu lassen, weil man in sieben Minuten Redezeit mit dem ganzen Mist, den man sich heute hier hat anhören müssen, gar nicht aufräumen kann. ({0}) Besonders bei Ihnen, Frau Kollegin Hirsch, hat man nach jeder Rede das Gefühl, Schmerzensgeld beantragen zu müssen, weil das, was da jedes Mal von Ihrer Seite kommt, unter aller Kanone ist. ({1}) Ein Jahr große Koalition, ein Jahr Bundesbildungsund Bundesforschungsministerin Annette Schavan - ein gutes Jahr für Deutschland. ({2}) Sehr geehrte Frau Ministerin, ich möchte Ihnen auch im Namen der CDU/CSU-Fraktion ganz herzlich für das bisher Erreichte danken, insbesondere für die Exzellenzinitiative. Ich danke auch den Mitgliedern des Haushaltsausschusses und des Bildungsausschusses ({3}) für diesen großartigen Bildungsetat. ({4}) Im Bildungsetat 2007 werden die Investitionen in Bildung und Forschung weiter aufgestockt. Ich danke Ihnen deswegen ganz besonders für die Exzellenzinitiative, die die Spitzenforschung fördert, weil ich mich natürlich freue, dass die bayerischen Hochschulen ihre herausragende Stellung bestätigen konnten. ({5}) Wir freuen uns sehr, dass zwei der bundesweit insgesamt drei Eliteuniversitäten in Bayern sind. Eine persönliche Anmerkung: Auch die Würzburger Julius-MaximilianUniversität konnte sich mit einer Graduiertenschule durchsetzen. Auch dazu meinen herzlichen Glückwunsch! ({6}) Insgesamt gehen elf von 38 bewilligten Anträgen in allen drei Förderlinien nach Bayern. Das entspricht einer Fördersumme von knapp 70 Millionen Euro. Damit fließt über ein Drittel der gesamten Bewilligungssumme an bayerische Hochschulen. Da zeigt sich, dass Leistung belohnt wird. Selbstverständlich haben auch viele andere Hochschulen in Deutschland in diesem Wettbewerb gut abgeschnitten. ({7}) Deshalb werden die Mittel für die Exzellenzinitiative von knapp 2 Milliarden Euro wie zugesagt fließen. Herr Tauss, Karlsruhe hätten Sie besser erwähnen können; das ist nicht meine Aufgabe. ({8}) - Ja, aber ich bin insbesondere Interessenvertreterin für Bayern; als solche sehe ich mich. Deswegen freue ich mich natürlich besonders über unser gutes Abschneiden. Die Förderung brauchen wir, damit Deutschland für die Zukunft bestens aufgestellt ist. Die deutsche Forschung ist hervorragend. Wir müssen allerdings unseren dritten Platz bei den Forschungsergebnissen halten bzw. verbessern; denn nur so sind wir fähig, im Wettbewerb mit anderen Staaten zu bestehen. Die Fähigkeiten, die wir an dieser Stelle haben, müssen wir aber auch in Markterfolge umsetzen. Die Bundesregierung tut dies beispielsweise mit der Hightechstrategie. Kernelement dieser Strategie ist die Forschungsprämie, die in dieser Debatte schon mehrfach erwähnt wurde. Mit dieser Forschungsprämie wird die Wissenschaft mobilisiert, auf den Mittelstand zuzugehen. Schließlich ist der Mittelstand das Kernelement unserer Wirtschaft. ({9}) So setzt unsere exzellente Wissenschaft zusammen mit dem kompetenten Mittelstand die Forschungsergebnisse um. Durch die Forschungsprämie der Bundesregierung wird die Hochschule mit einem 25-prozentigen Aufschlag auf das Auftragsvolumen eines Unternehmens unterstützt. Unter einer zukunftsweisenden Bildungsund Forschungspolitik verstehen wir, mit innovativen Finanzierungsmitteln Innovation zu fördern. Darunter verstehen wir aber auch die Sicherung des Standortes Deutschland und die Sicherung von Arbeitsplätzen, Herr Barth. ({10}) Zukunftsweisende Politik besteht auch darin, den Jugendlichen in unserem Land Möglichkeiten zu bieten. Deshalb sind die Mittel für die Strukturprogramme der beruflichen Bildung um ein Viertel erhöht worden und deshalb bleibt die Förderung überbetrieblicher Berufsbildungsstellen auf dem hohen Niveau von 2006. Hier spielt auch die Begabtenförderung eine große Rolle. In der beruflichen Bildung und auch in der studentischen Begabtenförderung wird es daher einen Aufwuchs der Mittel um 10 Prozent geben. Eine ideologische Gleichmacherei wie in den von Ihnen regierten Ländern ist mit uns nicht zu machen. Nur eine exzellente Spitze bringt Arbeitsplätze nach Deutschland und hält sie hier. Hervorragenden Beschäftigten in der Wirtschaft oder in der Wissenschaft müssen wir hier ansprechende Rahmenbedingungen und eine Perspektive bieten. Sie zu fördern bedeutet, in die Zukunft zu investieren und gleichzeitig Arbeitsplätze zu sichern. Aber jeden, wie Sie es wollen, nur ein bisschen und dann auch nur tröpfchenweise zu fördern, bringt am Ende niemandem etwas und ist keine zielgerichtete Politik. ({11}) Wir müssen aber auch für Wissenschaftler aus dem Ausland attraktiver sein. Deshalb ist ein Austausch von Studenten und Wissenschaftlern für unser Land ein großer Gewinn. Dieser Austausch muss selbstverständlich in beide Richtungen stattfinden. Dazu haben wir den Etat für die Austauschprogramme um 5 Millionen Euro erhöht; denn nur mithilfe des Austausches wird Deutschland weltweit als Standort für Forschung, Wissenschaft und Qualifizierung noch bekannter. Unser Ziel muss es sein, die weltweit besten Nachwuchswissenschaftler für Deutschland zu gewinnen. Mit diesem Etat ist Deutschland gut auf die Zukunft vorbereitet. Er garantiert Austausch und Förderung - insbesondere Elitenförderung - sowie vor allem Perspektiven für Jugendliche. ({12}) Gerade der letzte Punkt, die Zukunftsperspektive von jungen Menschen, sollte uns allen wichtig sein. Um ihnen einen guten Start ins zukünftige Berufsleben zu ermöglichen, ist es entscheidend, dass die Förderung der überbetrieblichen Berufsausbildung auf dem hohen Niveau bleibt, das die Union für den jetzigen Haushalt durchgesetzt hat. ({13}) Die Erhöhungen im Bildungs- und Forschungsetat - trotz angespannter Haushaltslage - zeigen die Weitsicht unserer Regierung. Ich denke, dass das gesamte Haus gar nicht anders kann, als dem Bildungsetat zuzustimmen. ({14}) - Meinetwegen auch zu feiern, Herr Barth. Ich finde es schon interessant, dass Sie sich am Schulterklopfen stören. Wir hätten nichts dagegen, wenn Sie endlich über Ihren Schatten sprängen und uns ebenfalls auf die Schulter klopfen würden. Das wäre angemessen. ({15}) Wir sind uns sicherlich alle darin einig, dass noch mehr für den Bildungsetat getan werden muss. Unsere Ministerin und wir haben diesbezüglich vorgelegt. Jetzt liegt es an Ihnen - bitte überzeugen Sie auch Frau Flach davon -, mit uns gemeinsam auf diesem Weg voranzuschreiten. Ich möchte mit einem Zitat Hegels enden: Der Mensch ist, was er als Mensch sein soll, erst durch Bildung. Vielen Dank. ({16})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Ernst Dieter Rossmann, SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Ernst Dieter Rossmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003211, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Ministerin hat das Zwischenresümee mit „Mehr Wachstum durch Innovation“ überschrieben. Dies kann in der Bildung und Forschung nur gelingen, wenn es eine dynamische Finanzierung gibt. Nachdem anstelle von mancher Blockade, die man noch aus vergangener Zeit kennt, Gemeinsamkeit getreten ist, kann niemand in diesem Hause behaupten, in der großen Koalition gebe es hinsichtlich der Frage der dynamischen Finanzierung keine Bewegung. Die Zusammenarbeit von Bildung und Forschung für Wachstum durch Dynamik gelingt dann, wenn das Zusammenwirken zwischen den politischen Ebenen kooperativ ist. Dies ist bei Bund und Ländern jetzt der Fall. Dies ergibt sich auch durch den neuen Art. 91 b des Grundgesetzes. Frau Hirsch, ich schätze Sie zwar; aber ich finde es nicht gut, wenn Sie Ihren politischen Verstand an der Garderobe des Verbalradikalismus abgeben. ({0}) Besteht bei Ihnen jetzt die Order, über diese Fragen so zu diskutieren? Da ist doch zusammen etwas entwickelt worden, was Sie nicht ignorieren sollten. ({1}) Im Übrigen ist das Zusammenwirken von Bildung und Forschung dann dynamisch, wenn deren Inhalt ganzheitlich ist. Das müssen wir in diesem Parlament in den gemeinsamen Haushaltsanträgen und Initiativen immer wieder neu beweisen. Ich will versuchen, dies an zwei Beispielen zu verdeutlichen. Frau Schavan bzw. die große Koalition hat Recht, wenn sie die Hightechinitiative in den Vordergrund stellt. Diese gewinnt an Qualität dadurch, dass wir die Hightechinitiative und eine Stärkung der Reflektionswissenschaften - so möchte ich sie beschreiben zusammenführen. Dabei geht es um die Geisteswissenschaften, die Sozialwissenschaften und die Philosophie. Genau dies tun wir in dieser großen Koalition. Die Hightechinitiative wird mit viel Geld ausgestattet. Das ist eigentlich eine klassische Angebotspolitik der Linken. Wenn Sie die Historie kennen würden, dann wüssten Sie, dass manche das folgendermaßen zugespitzt haben: Diktatur des Proletariats plus Elektrizität plus Forschung. Das ist die Verheißung. Nun buchstabiert eine konservativ-sozialdemokratische Regierung Innovation so durch. Aber Ihnen fällt dazu nichts Positives ein. Das ist zu wenig, Kollegen von der Linken. Da nehmen wir Sie gerne voll an. ({2}) In Bezug auf die Geisteswissenschaften - wir haben nicht nur das Jahr der Geisteswissenschaften - passiert doch einiges: 5 Millionen Euro werden draufgepackt. Auch wird 1 Million Euro mehr für Friedenswissenschaften ausgegeben, für die wir jetzt gemeinsam streiten. In diesem Zusammenwirken entsteht eine weitere Diskussion. Natürlich sollen jetzt die Kapazitäten der großen Fächer an den Hochschulen erweitert werden. Wir brauchen das für den Ingenieurnachwuchs, den medizinischen Nachwuchs und den Lehrernachwuchs, in der Betriebswirtschaft, in den Rechtswissenschaften und in vielen anderen Bereichen mehr. Aber wenn jetzt die Hochschulrektorenkonferenz durchbuchstabiert, dass es keine rote Liste seltener Fächer geben darf, dann sollten zumindest wir von der Bundesseite an dieser Stelle klar machen, dass die Hochschulrektorenkonferenz, da es ja jetzt eine fundamentale Entlastung und Unterstützung der Hochschulen gibt, den Spielraum hat, auch die seltenen Fächer weiter koordiniert in Deutschland blühen zu lassen. Diese Gemeinsamkeit gehört dazu. ({3}) Eine weitere wichtige Balance besteht zwischen Exzellenzinitiative und Hochschulpakt. Sie von der FDP sprachen eher abschätzig davon, dass es dabei angeblich nur um 250 Millionen Euro geht. Wenn man das alles zusammennimmt - beides, die Exzellenzinitiative und der Hochschulpakt, ist auf die Hochschulen ausgerichtet -, dann reden wir tatsächlich über 3,8 Milliarden Euro. ({4}) Dies ist eine ganz gewaltige Summe. Frau Schavan sprach an, dass es nach der Föderalismusreform lange klare Signale in Bezug auf das Kooperationsgebot gegeben habe. Das war ein glasklares Signal. Darauf können wir zusammen stolz sein. ({5}) Ich will eine kritische Anmerkung machen. Was die Exzellenzinitiative angeht, soll sie sich an Exzellenz orientieren. Aber wenn es richtig ist, dass Wachstum durch Innovationen gefördert wird, dann muss es doch auch eine Strategie dahin gehend geben, dieses Wachstum durch Innovationen über Exzellenz in ganz Deutschland entstehen zu lassen - und nicht nur in süddeutschen Bundesländern. Darauf werden wir Sozialdemokraten immer wieder mit Recht bestehen müssen, weil am Wachstum durch Innovationen alle in Deutschland teilhaben müssen. Eine weitere Anmerkung möchte ich zum Hochschulpakt machen. Frau Sager, Sie sprachen an, dass das vielleicht eine sehr anspruchsvolle, aber noch nicht bis ins Letzte ausgereifte Initiative ist. Eines haben Sie in seiner Tragweite noch nicht erkannt, nämlich dass sich dieser Hochschulpakt dadurch auszeichnet, dass er die Besonderheit von Berlin sowie die der beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen und die besondere Situation in den neuen Bundesländern erfasst und die Selbstverpflichtung der alten Bundesländer beinhaltet, 90 000 zusätzliche Studienplätze in ihrem Kontingent zu erwirtschaften - und das so schnell, dass das in 2009 nachgezeichnet werden kann. Die Qualität dieses Hochschulpaktes hat schon etwas für sich. ({6}) Auf diese Qualität des Paktes kann man angesichts dessen aufbauen, dass bis zum Jahr 2020 noch einiges geschaffen werden muss. Spielraum besteht unter anderem darin, dass die Overheadfinanzierung, also die zusätzlichen 20 Prozent, bezogen auf die Fördersumme, bzw. die dafür im Hochschulpakt vorgesehenen 700 Millionen Euro, an die Länder bzw. die Hochschulen fließt und daraus neue Studienplätze generiert werden müssen. Das ist die Philosophie. Wir finden, da ist eine Menge Musik drin. ({7}) Wir erwarten von den Ländern - hier will ich gerne noch einmal auf die Linksfraktion eingehen -, dass sie wirklich alle finanziellen Möglichkeiten nutzen, um die Hochschulkapazitäten auszubauen. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich mich manchmal wundere, wie wenige Länder darauf achten, ob sie die Leistungskraft aufgrund der Steuereinnahmeseite - wenn es um die Erbschaftsteuer, die Vermögensteuer oder wenn es um Körperschaftsteueranteile geht - auch wirklich für Innovation und für Wachstum durch Bildung und Forschung einsetzen. Man darf die Länder doch wohl fragen, ob sie im Auge haben, dass dies nachhaltig gesichert ist. ({8}) Mein Schlussgedanke. Frau Ministerin, Sie können mit Recht sagen, dass Sie hier in der Kontinuität von Rot-Grün und Schwarz-Rot vier Asse in der Hand haben: Exzellenzinitiative, Pakt für Forschung, Hightechstrategie und Hochschulpakt. Dazu muss aber noch eine Sozialinitiative treten, damit das Ganze über das BAföG, über den Ausbau der Studentenwerke - die mit den wachsenden Studentenzahlen umgehen können müssen - und über den Wohnbereich rund wird, und zwar so rund, dass alle an dieser Exzellenz teilhaben können. Deshalb vielleicht eine kleine Nuance: Sie haben Ihr Zwischenresümee überschrieben mit „Exzellenz in Bildung und Forschung - Mehr Wachstum durch Innovation“. Wir sagen das etwas anders: „Mehr Qualität und Kapazität in Bildung, mehr Qualität und Kapazität in Forschung“. Wenn wir das zusammen hinbekommen, dann wäre das richtig exzellente Politik. Danke. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30, Bundesministerium für Bildung und Forschung, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3475? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der Linken abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3476? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Stimmverhältnis wie zuvor abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3477? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP bei Enthaltung der Grünen und Zustimmung der Fraktion Die Linke abgelehnt. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 16/3498? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit dem gleichen Ergebnis wie zuvor abgelehnt. Wer stimmt für den Einzelplan 30 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 30 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der drei anderen Fraktionen angenommen. Ich rufe nun Tagesordnungspunkt I.16 auf: Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - Drucksachen 16/3115, 16/3123 Berichterstattung: Abgeordnete Michael Leutert Petra Hinz ({0}) Anna Lührmann Hierzu liegt je ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor. Über den letztgenannten Änderungsantrag werden wir später namentlich abstimmen. Außerdem liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/ Die Grünen vor, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Ulrike Flach, FDP-Fraktion, das Wort. ({1})

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Bundesumweltministers ist nach wie vor ein relativ kleiner Haushalt. Dennoch hat sich das, was ich in der ersten Lesung gesagt habe, noch verstärkt. Durch die zusätzlichen 53,7 Millionen Euro aus der Bereinigungssitzung steigt Ihr Haushalt zwar auf 844 Millionen Euro und ist derjenige mit dem prozentual höchsten Aufwuchs. Im Vergleich zum Wachstum des Gesamthaushaltes wirkt der Einzelplan 16 allerdings bescheiden. Trotzdem ist er Ausdruck dessen, wie die Bundesregierung alte Pfründe sichert und eine nachhaltige Konsolidierung und Ausgabensenkung verzögert. ({0}) Ein Beleg hierfür ist die mittelfristige Finanzplanung des BMU im Jahr 2006. Der Mittelansatz des vorliegenden Haushalts 2007 ist nicht nur um 77 Millionen Euro höher, als noch vor einem halben Jahr prognostiziert; er enthält auch keine globale Minderausgabe. Herr Gabriel, wie schon im letzten Jahr verweigern Sie sich der Haushaltskonsolidierung im Vollzug. Angesichts des finanziellen Aufwuchses ist das Ziel Ihrer mittelfristigen Finanzplanung, das Gesamtbudget pro Jahr um 1 Prozent zu reduzieren, reine Makulatur. Das passt in das mediale Bild, das Herr Gabriel erzeugen will. Hier wird ein neues Schwergewicht der SPD aufgebaut, und zwar offensichtlich ganz bewusst als Gegenpol zu Bundeswirtschaftsminister Glos. Vor und hinter den Kulissen findet eine Aufrüstung für den Grabenkampf statt: Spiegelreferate werden eingerichtet und es wird mit Lust im Bereich des jeweils anderen gewildert. Das betrifft in besonderem Maße die Energiepolitik. Es lässt sich beinahe täglich erkennen, dass CDU und SPD in diesem Bereich Lichtjahre auseinander liegen. ({1}) Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass die atomaren Endlager Schacht Konrad und Gorleben auf Kosten der Steuerzahler offen gehalten werden. Trotz gegenläufiger Gutachten gehen sie nicht in Betrieb und auch die Erkundung wird nicht fortgeführt. Herr Minister, was Sie hier aufführen, ist eine Farce, aber mit Sicherheit keine glaubwürdige, langfristige Politik. ({2}) Der niedersächsische Umweltminister Sander schrieb an Ministerpräsident Wulff am 9. Oktober 2006: Bundesminister Gabriel hat öffentlich erklärt, die Einrichtung des Endlagers im ehemaligen Erzbergwerk Schacht Konrad sei sehr wahrscheinlich geworden. Dennoch enthält der Haushaltsplan … lediglich einen Kostenansatz von 24,9 Millionen Euro. Das reicht noch nicht einmal für die Basiskosten der Offenhaltung und erst recht nicht für eine für die Inbetriebnahme notwendige Umrüstung. Wir haben Ihnen aus diesem Grunde Anträge vorgelegt, in denen wir die Bereitstellung der nötigen Mittel fordern. ({3}) Jetzt kommt der Minister mit einem geradezu abenteuerlichen Vorschlag, nämlich bis 2010 erst einmal wieder nach neuen Standorten zu suchen, diese bis 2020 zu erkunden und dann bis 2025 ein Endlagergesetz zu beschließen. ({4}) Was gilt denn nun? Wird Schacht Konrad bald ein Endlager sein oder ist nun alles wieder offen? Sie sind diesem Hause Rede und Antwort schuldig. Auch wenn es gerade im Umweltbereich „langfristig denken“ heißt, ist es schon eine Form von Hilflosigkeit, ein solches Gesetz für das Jahr 2025 zu fordern; denn dann werden Sie - da können wir ziemlich sicher sein - nicht mehr im Amt des Bundesumweltministers und die allermeisten von uns nicht mehr in diesem Hause sein. Wollen Sie Schacht Konrad und Gorleben noch 20 Jahre auf Kosten der Steuerzahler offen halten? Diese Frage müssen Sie beantworten. Herr Minister, Sie haben einen Haushalt vorgelegt, der vor allem der Befriedigung der Interessen Ihrer Klientel dient. Der strategische Auftrag lautet, die Wähler der Grünen zurückzugewinnen. Das ist zwar nicht die eigentliche Aufgabe eines Umweltministers; offensichtlich haben Sie diese aber gerne angenommen. Gleichzeitig sind Sie mit Herrn Glos in einen Wettbewerb darüber getreten: Wer verteilt die meisten Subventionen in diesem Lande? ({5}) Hier stimmt die Grundphilosophie der großen Koalition nicht; darüber werden wir auch morgen beim Einzelplan 09 diskutieren. Schauen wir uns doch einmal die umweltrelevanten Leitmärkte an: Die deutschen Kraftwerksbauer haben 2005 Aufträge mit einem Volumen von über 10 Milliarden Euro erhalten. Moderne, saubere Kohletechnologie, die klimaschädliches CO2 auffängt, ist ein boomender Markt. Das DIW schätzt das Marktvolumen derzeit auf 400 Milliarden Euro. Ebenso hohe Wachstumspotenziale werden den erneuerbaren Energien vorausgesagt. Bereits im Jahr 2005 wird mit einem Investitionsanteil deutscher Unternehmen von 8,7 Milliarden Euro gerechnet. Diese Zahlen, zu denen jeder in diesem Lande fragt, was das eigentlich soll, hindern Sie, Herr Gabriel, nicht daran, weiter mit der Subventionsgießkanne durchs Land zu ziehen und so zu tun, als ob wir es hier mit Not leidenden Industrien zu tun hätten, die das Steuerzahlergeld zusätzlich brauchen. ({6}) Allein 213 Millionen Euro geben Sie für Einzelmaßnahmen zur Nutzung der erneuerbaren Energien aus, 39 Millionen Euro mehr als 2006. Sie pumpen Geld in die Subvention von Investitionen, verzerren den Markt und - das ist noch viel schlimmer - wirken preistreibend. Sie stimulieren mithilfe der Kollegen von der CDU/CSU einen boomenden Markt zulasten der Steuerzahler und übrigens auch der neuen Technologien, die uns den Sprung in das nächste Hightechsegment bringen könnten. Ihr Haushalt wird immer mehr von einem Vorsorgehaushalt für Natur- und Umweltschutz zu einem Versorgungshaushalt für die erneuerbaren Energien. ({7}) Ein Bundesumweltministerium, Herr Gabriel, ist kein industriepolitisches Ersatzministerium. Ich kann nur hoffen, dass zumindest der CDU/CSU-Teil dieses Hauses das genauso sieht und es im nächsten Jahr deutlich besser machen wird. ({8})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegin Petra Hinz, SPD-Fraktion. ({0})

Petra Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003768, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Flach, Sie haben tatsächlich nichts anderes vorgetragen als das, was Sie bereits in der ersten Lesung zum Haushalt 2007 vorgetragen haben. ({0}) Ich kann verstehen, dass Sie als Mitglied einer kleinen Fraktion sehr viele Berichterstattungen zu leisten haben, aber Sie müssen doch nicht immer die Reden komplett wiederholen. Das war ein bisschen wenig. ({1}) - Nein, Ihre Rede ist weiß Gott nicht besser geworden. ({2}) Der Bereich Umwelt ist im Wandel. Ich bin sehr froh, dass gerade unser Umweltminister bzw. unser Umweltministerium - Sie haben von einem Schwergewicht gesprochen; das würde ich natürlich nie sagen - ein sehr gewichtiges Ministerium ist. ({3}) Auch im Bewusstsein der öffentlichen Meinung ist Umweltpolitik mittlerweile Motor für die Schaffung moderner Arbeitsplätze und für Innovationen und führt zu mehr Beschäftigung. Das ist gut so. Zielorientierte Umweltpolitik ist eine Querschnittsaufgabe. Sie betrifft nicht nur ein kleines Ministerium. Wir haben heute im Rahmen der Haushaltsberatungen intensiv vernommen, dass in den Bereichen Verkehr, Wohnen, Gesundheit und anderen der Aspekt Umwelt immer wieder eine erhebliche Rolle spielt. Die Beratungen zum Haushalt 2007 waren von vier Schwerpunkten geprägt. Der erste Schwerpunkt lautet Programmhaushalt. Hier werde ich gleich exemplarisch das Marktanreizprogramm ansprechen. Der zweite Schwerpunkt betrifft zukünftige Projekte und Vorhaben. Der dritte Schwerpunkt ist Kostentransparenz - hier werde ich das Beispiel UN-Campus nennen - und der vierte Schwerpunkt ist die Personalentwicklung. Erstens. Es waren sich fast alle Fraktionen einig, ({4}) Petra Hinz ({5}) im Einzelplan 16 die Mittel für das Marktanreizprogramm aufzustocken. Wer nicht dafür war, können Sie sich nach der Rede von gerade sicherlich denken. ({6}) Es ist ein Herzstück des Einzelplans. Wir alle, ob Mitglieder des Umweltausschusses oder des Haushaltsausschusses, haben zahlreiche Anschreiben erhalten. Inhalt und Anliegen kennen wir. Die Mittel für das Marktanreizprogramm sollen erhöht werden, weil zahlreiche Anträge bisher abgelehnt wurden. Ich muss sagen: Wer den 20. Subventionsbericht kennt, hat gelesen, dass es sich um eine Subvention handelt. Aber es ist noch mehr. Es ist auch eine Investition. Man muss bei der Beurteilung von Subventionen entsprechende Abwägungen treffen. ({7}) Folgendes ist im Subventionsbericht nachzulesen: Die wirtschaftlichen, sozialen und umweltpolitischen Zielsetzungen sind stets gegeneinander abzuwägen. Wenn es eine Subvention gibt, die tatsächlich notwendig, zielgerichtet und richtig ist, dann ist es das Marktanreizprogramm. Genau das ist dort nachzulesen. ({8}) Richtig ist: Durch diese Gelder werden eine ökologisch sinnvolle Bauweise sowie Know-how und Arbeitsplätze vor allem in kleinen und mittelständischen Unternehmen der Bauwirtschaft gefördert. Als Haushälterin gestehe ich gerne ein: Es sind Subventionen, aber auch Investitionen. Wir haben gerade eine ganze Menge dazu gehört. Diese 213 Millionen Euro - wir haben in diesem Jahr 39 Millionen Euro draufgesattelt - ziehen - hören Sie bitte gut zu, Frau Flach ({9}) private Investitionen in Höhe von circa 1,5 bis 2 Milliarden Euro nach sich. Sollen wir dazu Nein sagen? ({10}) Ganz im Gegenteil. Hier einen Anreiz zu schaffen, geht in die richtige Richtung. Zweitens. Zukünftige Projekte und Vorhaben. Machen wir uns nichts vor: Lärm macht krank. In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Entwurf zur Änderung des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm zu sprechen kommen, der dem Haushaltsausschuss in seiner nächsten Sitzung zur Beratung vorliegen wird. Auch hier geben wir das richtige Signal in die richtige Richtung. Ich nenne nur einige der geplanten Änderungen im Fluglärmschutzgesetz: Geplant ist die Senkung der Pegel und die stärkere Differenzierung der Grenzwerte für die Errichtung von Lärmschutzzonen. Darüber hinaus sollen Bauvorhaben in Lärmschutzzonen genauer definiert werden. Angesichts der Tatsache, dass familiengerechte Wohnungen und kleine Einfamilienhäuser auch heutzutage noch immer in Einflugschneisen geplant werden, ist es wichtig und richtig, diesen Gesetzentwurf in seiner jetzigen Form zu verabschieden. ({11}) Auch wenn wir alle sicherlich sehr viel fliegen, dürfen wir uns nichts vormachen: Lärm macht krank. Zwei Gutachten bzw. Stellungnahmen stehen noch aus. Nun zu Ihrem Lieblingsthema, dem Konzept zur Lösung der Endlagerfrage. Auch, aber nicht nur in den Berichterstattergesprächen hat der Minister den Fahrplan ganz klar aufgezeigt. Das Konzept zur Endlagerfrage wird in den zuständigen Gremien vorgetragen und beraten. Dann wird darüber entschieden. Die Hetze, die Sie an den Tag legen, ist unnötig und Ihre unwahren Tatsachenbehauptungen in diesem Zusammenhang sind schon sehr interessant. ({12}) Die Stellungnahme zum Bericht des Wissenschaftsrates zum Strahlenschutz steht noch aus. Im Rahmen der Berichterstattergespräche ist angekündigt worden, dass wir die Stellungnahme des Ministeriums rechtzeitig bekommen, um die darin genannten Argumente abwägen und beraten zu können. Drittens. Zur Frage der Kostentransparenz. Hier möchte ich den UN-Campus in Bonn erwähnen. Wir haben es geschafft, dass der Etat des UN-Campus in Bonn nur noch durchlaufend im Einzelplan zu finden ist und das Budget des Ministeriums nicht länger fremd genutzt bzw. benutzt wird. Der Rechnungshof schlägt vor, dass eine endgültige Lösung am Kabinettstisch gefunden werden soll. Ich bin davon überzeugt, dass dies bis zur nächsten Haushaltsberatung geschehen wird. Zu den internationalen Beziehungen. Die Erfahrung, das Know-how und die Verantwortung deutscher Umweltpolitik wachsen auf allen Ebenen, national und international. Unsere Konzepte sind gefragter denn je. Auf der Nairobikonferenz hat sich gezeigt: Nicht nur unser Know-how, unsere Erfahrung und unsere Konzepte sind gefragter denn je. Beispielhaft sind auch unsere Moderation sowie die Art und Weise, in der wir unsere Politik und unsere Themen einbringen, und wie der Minister dies koordiniert. Die Gespräche, die im Rahmen der Klimakonferenz von Nairobi geführt wurden, haben deutlich gemacht, dass der Weg, den wir eingeschlagen haben, richtig ist. ({13}) Zu den Anträgen, die heute von den Grünen eingebracht wurden, muss ich sagen: Wer will nicht, dass gePetra Hinz ({14}) rade in den Klimaschutz mehr investiert wird? Aber musste dieses Thema heute wirklich ganz spontan auf die Tagesordnung gesetzt werden? ({15}) Haben wir nicht erst vor kurzem über den Klimaschutz, das Ergebnis der Nairobikonferenz und die Zusagen, die wir der Weltgemeinschaft gegeben haben, diskutiert? Diese Themen hätten wir im Rahmen der Haushaltsberatungen erörtern können. ({16}) Zu diesem Zeitpunkt hatte die Nairobikonferenz bereits stattgefunden. Auch auf diesem Gebiet sind wir nämlich ein verlässlicher Partner. Wir müssen die deutsche EU-Präsidentschaft nutzen, um offene Fragen im Bereich des Klimaschutzes zu klären. Ich weise noch einmal auf Folgendes hin, insbesondere in Richtung der Fraktion des Bündnisses 90/ Die Grünen: Klimaschutz und Kiotoprotokoll gibt es nicht erst seit gestern. Mit diesen Themen beschäftigen sich die Sozialdemokraten schon seit vielen Jahren. Dass dem so ist, findet auch im Haushalt seinen Niederschlag. ({17}) Viertens. Zur Personalentwicklung und zum Stellenplan. Durch die Föderalismusreform wurde der Weg frei gemacht, um noch in dieser Legislaturperiode ein Umweltgesetzbuch beraten und auf den Weg bringen zu können. Wir haben beschlossen, zwei neue Planstellen zu schaffen. Die Themen Personalentwicklung und Stellenplan waren in der Tat immer wieder Bestandteil der Haushaltsberatungen. Es macht auf jeden Fall Sinn, dafür zu sorgen, dass wir über objektive Informationen verfügen, um abwägen zu können, in welchen Bereichen neue Stellen geschaffen werden können. Denn es reicht in der Tat nicht aus, kw-Stellen oder Teilzeitstellen vorzuhalten. Da das Ministerium immer umfangreichere und schwierigere Aufgaben zu bewältigen hat, muss genug Personal zur Verfügung stehen, allerdings an der richtigen Stelle. ({18}) Verwundert habe ich nach der Bereinigungssitzung am Dienstag letzter Woche über die Medien den Bericht des Bundesrechnungshofes zur Kenntnis genommen. Auch dem BMU sind einige Einsparvorschläge gemacht worden. Da frage ich mich: Inwieweit ist so ein Bericht über den Zeitraum von 2002 bis 2005 zielführend? ({19}) Hätten die Vertreter des Bundesrechnungshofs auf der Bereinigungssitzung, die gerade einmal fünf Tage zuvor stattgefunden hat, nicht schon Hinweise geben können? Mein Appell an den Bundesrechnungshof lautet, uns früh genug Informationen zu geben, sodass beide Seiten - sowohl das Ministerium als auch wir Fachpolitiker und Haushaltspolitiker - entsprechende Maßnahmen einleiten können. Ich komme zum Schluss und sage deutlich: Die Herausforderung anzunehmen, eine nachhaltige und innovative Umweltpolitik zu machen, hat sich bewährt. Wir haben den Haushalt zielgerichtet dort erhöht, wo es für Innovationen für die Zukunft notwendig ist. Allerdings sollten Ausgaben für internationale Verpflichtungen - das muss ich hier einflechten - künftig bereits im Entwurf Berücksichtigung finden. Ich bin mir natürlich darüber im Klaren, dass dies nicht grundsätzlich und immer geht. Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Herr Präsident - oder sehr geehrter Herr Präsident -, ({20}) der Haushalt 2007 setzt Impulse für Wachstum und Beschäftigung. Ich möchte mich ganz herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen und bei allen, die dazu beigetragen haben, dass wir informative und gute Haushaltsberatungen durchgeführt haben, bedanken. Herzlichen Dank! ({21})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Sie merken, ich zucke nicht zusammen, wenn jemand zu mir sagt: Lieber Herr Präsident! ({0}) Das ertrage ich mit Fassung. Ich erteile nun das Wort Kollegen Lutz Heilmann, Fraktion Die Linke. ({1})

Lutz Heilmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003766, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Sehr geehrter Herr Präsident! ({0}) Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Gesamthaushalt Umwelt ist mit 790 Millionen Euro angesetzt. Meine Zahl weicht etwas ab von der, die Sie, Frau Kollegin Flach, vorhin genannt haben. Vielleicht sollten Sie noch einmal nachschauen. ({1}) Der Etat ist gerade einmal 0,9 Prozent höher als der für das Jahr 2006. Bis 2010 soll er sogar um 3 Prozent abgesenkt werden. Eine Frage bewegt mich: Werden wir mit diesem Haushalt den an uns gestellten Herausforderungen gerecht? Ich meine, kaum; ich habe das schon dazwischengerufen, als die Kollegin Hinz vom Klimawandel sprach. Derzeit berichtet Nicholas Stern im von der vorigen Bundesregierung eingerichteten Rat für Nachhaltige Entwicklung über seine Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels. Diese Studie sollten Sie sich alle - Sie können ja leider nicht dabei sein - zumindest besorgen und lesen. Oder Sie nutzen morgen früh um 10 Uhr in der Britischen Botschaft die Möglichkeit, ihm zuzuhören und zu hören, welche Auswirkungen zu befürchten sind. Die wichtigsten möchte ich Ihnen aufzählen. Herr Stern sagt: Der Klimawandel hat Auswirkungen auf die elementaren Lebensbedingungen auf der ganzen Welt - somit auch in der Bundesrepublik Deutschland -: auf den Zugang zu Wasser, auf die Produktion von Nahrungsmitteln, auf die Gesundheit und auf die Umwelt. Für Hunderte Millionen Menschen könnte die Erwärmung der Erde zu Hunger, Wassermangel sowie Überschwemmungen führen. Ich meine, das wird nicht auf Afrika, Lateinamerika beschränkt bleiben, sondern auch in Deutschland Auswirkungen haben. Er prognostiziert eine Weltwirtschaftskrise, die ihresgleichen sucht, eine, wie wir sie im vergangenen Jahrhundert erlebt haben. Deshalb sollten wir Grundlagen dafür legen, dass sich etwas ändert. Wir können nicht so weiterwirtschaften. Die Linke hat in den Beratungen über den Umwelthaushalt einige Änderungsanträge eingebracht und Vorschläge gemacht, an der Zahl waren es acht. Leider sind alle im Ausschuss von Ihnen abgelehnt worden. Drei bezogen sich auf den Naturschutz, für den Sie die Mittel leider seit Jahren kürzen, was ich in meiner Rede anlässlich der ersten Lesung bereits deutlich gemacht habe. Herr Minister, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dass ich von Ihren Reden immer begeistert bin. ({2}) Lassen Sie Ihren Reden aber doch ganz einfach auch einmal Taten folgen. Halten Sie nicht nur Sonntagsreden, sondern nehmen Sie mehr Geld in die Hand. ({3}) - Herr Kelber, zu Ihnen komme ich auch gleich. - Indem Sie immer nur schöne Reden halten, werden Sie die Auswirkungen des Klimawandels auf die Natur nämlich nicht beeinflussen. Lieber Herr Kelber, nun zu Ihnen. Während meiner letzten Rede zu diesem Thema haben Sie mich darauf hingewiesen, dass Sie das nationale Naturerbe unentgeltlich übertragen haben. ({4}) - Oder „Naturschutzerbe“; das ist ja egal. - Ich begrüße das natürlich. Mit dieser einmaligen Aktion können Sie den Naturschutz in Deutschland aber doch nicht auf Jahre hin als gesichert ansehen. Um die gemeldeten Natura-2000-Gebiete endlich wirksam zu schützen, muss ganz einfach Geld in die Hand genommen werden. ({5}) Es muss viel Geld sein. So geht es nicht weiter. ({6}) - Wir haben das zusammengerechnet und es kommt nicht viel dabei heraus. Das EU-Parlament schätzt den Bedarf in den nächsten Jahren auf einen zweistelligen Milliardenbetrag. Die 23 Millionen Euro, die wir in der Bundesrepublik aufwenden, sind daher wahrlich nicht sehr viel. ({7}) - Nicht die Flächen. Ich habe davon gesprochen, was wir hier jährlich aufwenden. Das sind momentan 23 Millionen Euro. Schauen Sie nach! Sie können das nachlesen. Es steht im Haushaltsentwurf. Das ist ein bisschen wenig. Mit drei weiteren Änderungsanträgen haben wir uns auf die erneuerbaren Energien bezogen. Fast alle hier im Hause sind sich darin einig - nur bei der FDP bin ich mir nicht mehr ganz sicher; bei ihr ist wohl eher noch das Atomzeitalter angesagt -, dass wir langfristig nur mit erneuerbaren Energien wirklich zukunftsfähig sein werden. Ich habe es schon erwähnt: Um das Klima zu schützen, müssen wir hier kräftig zulegen. Nebenbei bemerkt: Wenn Sie das nicht glauben, dann haben Sie morgen die Möglichkeit, sich das von Herrn Stern noch einmal anzuhören. ({8}) Deswegen haben wir eine Verdopplung der Mittel für die drei Titel, also eine Erhöhung um über 200 Millionen Euro, gefordert, die Sie ebenfalls abgelehnt haben. Dass Sie das Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien um gerade einmal 39 Milliarden Euro aufgestockt haben, ist angesichts des Bedarfs nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Grünen mit ihrer Forderung noch unter dem lagen, was die Koalition beschlossen hat. ({9}) Um Ihnen noch eine Möglichkeit zu geben, dies zu revidieren, bringen wir nun in zweiter Lesung diesen Änderungsantrag noch einmal ein. Ich hoffe auf Ihre Zustimmung. Hier können Sie jetzt Flagge zeigen und verdeutlichen, was Sie genau wollen. ({10}) Des Weiteren wollten wir die Bemühungen der Umweltverbände honorieren und die Fördermittel für Projekte um 3 Millionen Euro aufstocken. Das haben Sie leider auch abgelehnt. Was Ihnen die Arbeit der Umweltverbände wert ist, haben Sie bereits in den vergangenen Wochen gezeigt. Ich erwähne nur das Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz, das Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz und das Umweltrechtsbehelfsgesetz. Damit haben Sie gezeigt, was Sie von der Arbeit der Verbände und von den Bürgerinnen und Bürgern halten. Danke schön. ({11})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile Bernhard Schulte-Drüggelte, CDU/CSUFraktion, das Wort. ({0})

Bernhard Schulte-Drüggelte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003629, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute den Einzelplan 16 des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Wochen der Verhandlungen und Gespräche liegen hinter uns. Ich möchte an dieser Stelle auch einmal das gute und konstruktive Gesprächsklima in der Arbeitsgruppe mit Petra Hinz und den anderen Berichterstattern und auch in der Arbeitsgruppe der Koalition erwähnen. ({0}) - Selbst mit der FDP. ({1}) Herr Gabriel, Ihr Haus war für uns jederzeit erreichbar. Ich muss sagen, dass alle Fragen schnell und kompetent beantwortet wurden. Ich darf mich auch bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz herzlich bedanken. Das sage ich nicht nur, weil wir in einer Koalition sind. Ich finde, der Ton und der Stil haben sich geändert. Wir sind jetzt seit einem Jahr in der großen Koalition und es hat Veränderungen gegeben. Ich kann Ihnen ehrlich sagen, dass ich vor einem Jahr nicht im Traum daran gedacht habe, dass ich einmal einen SPD-Minister loben würde. Da die Lage aber nun einmal so ist: Bitte schön. ({2}) Anfang November wurden die Ergebnisse der Steuerschätzung bekannt gegeben. Sie alle haben die erfreulichen Meldungen gehört: Die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden fallen 2006 und 2007 um circa 39 Milliarden Euro höher aus als erwartet. Das erleichtert unsere Bemühungen zur Haushaltskonsolidierung. Wir haben uns aber bei den Beratungen nicht auf unseren Lorbeeren ausgeruht. Wo es sinnvoll war, sind weitere Einsparungen vorgenommen worden. Im investiven Bereich haben wir Akzente gesetzt. Insgesamt haben sich die Ansätze des Einzelplans 16 - Umwelt - von 790 Millionen Euro auf 844 Millionen Euro erhöht. An die PDS gewandt darf ich feststellen, ({3}) dass das durchaus mehr als 0,1 Prozent ist; das kann man auch nachrechnen. Ein Großteil der Erhöhungen ist allerdings auf die Einhaltung der Grundsätze der Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit zurückzuführen. Dies haben wir in den Beratungen auch konsequent umgesetzt. Ich nenne an erster Stelle den Emissionshandel. Hier existierte zu Beginn nur eine Leerstellenstruktur. Nach vielen Gesprächen war es möglich, diese Titelgruppe umfänglich zu verändern. Es ist gelungen, Einnahmen und Ausgaben im Haushalt 2007 darzustellen. Ich denke, das war nötig; es geht immerhin um 100 Stellen beim Umweltbundesamt mit einem Gesamtvolumen von 11 Millionen Euro. Das war ein gutes Ergebnis. ({4}) Ähnlich verhält es sich mit dem Campus der Vereinten Nationen in Bonn, den Frau Hinz schon angesprochen hat. In der ursprünglichen Fassung waren keine Mittel für die Bewirtschaftung vorgesehen. Dabei entstehen alleine für den Langen Eugen Kosten von 1,7 Millionen Euro jährlich. Auch an dieser Stelle ist eine völlig neue Titelgruppe entstanden, in der jetzt 9,1 Millionen Euro für die Bewirtschaftung veranschlagt werden. Wir gehen noch weiter. Über 2007 hinaus ist eine umfangreiche Verpflichtungsermächtigung in den Einzelplan aufgenommen worden. Es gibt einen weiteren neuen Titel „Ansiedlung VNOrganisationen“, den ich sehr wichtig finde. Damit wird deutlich, dass wir weitere VN-Einheiten und qualifizierte VN-Mitarbeiter möchten, damit wir in Bonn schnell eine Standortsicherheit erreichen. ({5}) Wir sagen Ja zu den Vereinten Nationen und auch zu dem Campus in Bonn. Das ist eine wichtige Verbesserung. ({6}) Ich bin aber auch weiterhin der Meinung, dass die VNbedingten Kosten nicht beim Bundesumweltministerium veranschlagt werden sollten. Ich wiederhole, dass es besser wäre, dem Beispiel von Österreich und der Schweiz folgend, die viel Erfahrung mit den Vereinten Nationen haben, diese Ausgaben beim Auswärtigen Amt anzusiedeln. Vielleicht kann man das in den Beratungen des kommenden Haushaltes durchsetzen. ({7}) Die internationale Zusammenarbeit beim Klimaschutz ist schon angesprochen worden. Nationale Alleingänge machen wenig Sinn. Daher freuen wir uns auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft und den G-8-Vorsitz. Es ist richtig, dass dafür in diesem Haushalt 3 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen, nämlich das Marktanreizprogramm, das offenbar unterschiedlich bewertet wird. ({8}) Ich finde es sehr positiv, dass dafür 39 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. ({9}) Das hilft gerade den Handwerksbetrieben, Aufträge zu bekommen. Das sollte auch die FDP anerkennen. Des Weiteren wird ein deutliches Signal zur Förderung der erneuerbaren Energien im Wärmebereich gegeben. Dadurch wird das Programm auch über 2007 hinaus verstetigt. Ich halte die damit verbundene Planungssicherheit in zweifacher Hinsicht für angebracht: zum einen für diejenigen, die die Anträge stellen und investieren wollen, und für die Unternehmen, die diese Aufträge ausführen; zum anderen deshalb, weil dadurch im Umweltministerium und im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle möglichst effektiv gearbeitet werden kann. ({10}) Natürlich werden wir uns auch 2007 mit diesem Programm beschäftigen.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kauch?

Bernhard Schulte-Drüggelte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003629, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, selbstverständlich.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Bitte, Herr Kauch.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege, da Sie schon der zweite Kollege aus der Koalition sind, der anpreist, dass der Ansatz für das Marktanreizprogramm um einige Millionen Euro angehoben wird, möchte ich gerne wissen, ob Ihnen, der Sie nicht dem Umweltausschuss angehören, eigentlich bekannt ist, wie es zu dieser Erhöhung gekommen ist. Dazu ist es doch nur deshalb gekommen, weil der Bundesumweltminister das ursprünglich von der Koalition angekündigte Gesetz über regenerative Wärme heimlich, still und leise beerdigt hat und dadurch in der Lage ist, weiße Salbe zu verteilen und die Branche ein bisschen mehr zu subventionieren. Sind Sie mit mir einer Meinung, dass ein Programm zur regenerativen Wärme insbesondere dann, wenn man es mit dem Emissionshandel verbindet, eine planbarere Grundlage für die Branche wäre als eine Subvention, die jedes Jahr aufs Neue beschlossen wird?

Bernhard Schulte-Drüggelte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003629, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Was der Bundesumweltminister beerdigt oder in die Welt setzt, kann ich nicht beurteilen. Aber wie gesagt, dieses Programm ist sehr sinnvoll, wobei nur 10 Prozent der Investitionssumme gefördert wird. Das durchschnittliche Fördervolumen liegt bei 800 Euro. Sie sehen daran, um welche Maßnahmen es geht. Es sind in erster Linie mittelständische Unternehmen, die in diesem Zusammenhang Aufträge ausführen. Ich hatte bereits deutlich gesagt, dass dies zu einer Verstetigung führen kann. Darüber sollten Sie sich freuen, wenn Sie für den Mittelstand eintreten. ({0}) Eine Koalition bedeutet natürlich immer, dass Kompromisse gefunden werden müssen. In einer großen Koalition ist das manchmal aufwendig und schwierig. Das haben wir auch bei den Haushaltsberatungen festgestellt. Es ist klar, dass ich nun zur Endlagerung radioaktiver Stoffe komme. Hier konnten wir uns nicht einigen. ({1}) Aber ich vermute, dass in den nächsten Monaten Rechtsklarheit darüber geschaffen wird, ob in Schacht Konrad schwach radioaktive Stoffe eingelagert werden können. Für den Fall, dass das Bundesverwaltungsgericht grünes Licht für die Umrüstung zum Endlager gibt, ist nach meiner Meinung im Haushalt 2007 nicht ausreichend vorgesorgt. ({2}) Ich finde, das ist bedauerlich. Leider hat sich unser Koalitionspartner nicht bewegt. Das verwundert mich ein bisschen. Ich erkenne durchaus eine pragmatische Haltung und respektiere sie. Wenn man sich aber klar zum Atomausstieg bekennt und den Abbau kerntechnischer Anlagen mit Vehemenz betreibt, dann muss man genauso deutlich sagen, wo die radioaktiven Abfälle bleiben sollen; das ist logisch. Darüber sollten Sie noch einmal nachdenken. ({3}) Frau Petra Hinz hat zu Recht vorgeschlagen, zu gegebener Zeit darüber noch einmal im Haushaltsausschuss zu beraten. ({4}) Ich möchte noch anmerken, dass wir als Mitglieder des Haushaltsausschusses nicht alles überprüfen und jede Fehlentwicklung sofort erkennen können. Deshalb ist zusätzliche Information besonders wichtig. Der gerade veröffentlichte Bericht des Bundesrechnungshofes über den VN-Campus hat deutlich gemacht, wie wichtig der Bundesrechnungshof für uns ist. Ich möchte mich ganz herzlich bei den Prüferinnen und Prüfern für die geleistete Arbeit und ausdrücklich für die von uns dringend benötigte Unterstützung bedanken. Danke sehr. ({5}) Die Beratungen über den Bundeshaushalt 2007 machen unseren Willen zur nachhaltigen Finanzpolitik deutlich. Ich meine, wir haben mit den Beratungen über den Einzelplan Umwelt für das Haushaltsjahr 2007 einen guten Beitrag geleistet. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Anna Lührmann vom Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe bekanntermaßen schon relativ früh angefangen, mich politisch zu engagieren, und zwar schon in der Grundschule. Dort habe ich unter anderem Unterschriften gegen die Jagd auf Eisbären gesammelt. Heute, etwa zehn bis zwölf Jahre später, geht die Wissenschaft davon aus, dass die Eisbären aussterben, aber nicht wegen der Jagd auf die Eisbären, sondern wegen des von Menschen verursachten Klimawandels. Das heißt, der Klimawandel ist nicht mehr nur ein Szenario, über das man abstrakt reden kann, sondern der Klimawandel ist Realität. ({0}) Sie können sich jetzt fragen: Was interessieren mich die Eisbären, was stört mich der Klimawandel? - Es ist aber einfach Fakt: Wenn das arktische Eis schmilzt, dann schwindet der Lebensraum der Eisbären, dann steigen die Meeresspiegel, wodurch auch unser Lebensraum betroffen wird, dann nehmen gleichzeitig Stürme, Hurrikans, Dürren, Hitzewellen und andere extreme Witterungsbedingungen zu, womit unser Leben hier ganz konkret beeinträchtigt wird. Millionen Menschen kommen in Gefahr und werden ums Leben kommen; zumindest aber werden ihre Lebensbedingungen massiv eingeschränkt. Sie wundern sich vielleicht, warum ich als Mitglied des Haushaltausschusses - wir sind eigentlich dafür bekannt, eher abstrakt und nüchtern zu argumentieren - einen etwas emotionaleren Einstieg in meine Rede gewählt habe. Nun, für mich ist der Bundeshaushalt nichts anderes als die in Zahlen gegossene Priorität einer Regierung. ({1}) Meine Priorität in diesem Jahr ist ganz eindeutig: Weil sich der Klimawandel verschärft hat, müssen wir mehr in den Stopp des Klimawandels investieren. Deshalb ist der Einzelplan 16 auch nicht irgendein trockenes Zahlenwerk, sondern verdient unsere besondere Aufmerksamkeit. ({2}) Man kann sich dem Thema Klimaschutz und Umwelt auch etwas nüchterner nähern. Der Kollege Heilmann von der Partei Die Linke hat gerade Sir Nicholas Stern zitiert, auf den auch ich mich jetzt beziehen möchte. Wie Sie alle wissen, ist der Herr weder Mitglied der Linksfraktion noch der Grünen, sondern ehemaliger Chefökonom der Weltbank. Er hat jetzt einen sehr viel beachteten Bericht zum Klimawandel vorgelegt. Dieser Bericht hat zwei wesentliche Ergebnisse. Das eine Ergebnis ist, dass der Klimawandel uns in die schlimmste Rezession stürzen wird, die wir seit den beiden Weltkriegen erlebt haben, wenn wir nichts dagegen tun. Das halte ich für sehr dramatisch. Das zweite Ergebnis dieser Studie ist, dass Marktmechanismen bei der Bekämpfung des Klimawandels eindeutig versagt haben. Da spreche ich Sie, Frau Flach, an. Wo sollte denn der Staat Ihrer Meinung nach eingreifen, wenn nicht an einer Stelle, von der selbst der Chefökonom der Weltbank sagt, dass die Marktmechanismen versagt haben? Ich finde, hier ist staatliches Handeln gefordert, und zwar jetzt und heute. Liebe Frau Kollegin Hinz, Sie haben mich eben vorwurfsvoll gefragt, warum wir denn jetzt Anträge für einen Klimaschutzfonds stellen würden. Frau Hinz, wann denn, wenn nicht jetzt? Wann, wenn nicht zu diesem Bundeshaushalt? Deshalb haben wir die konkreten Anträge gestellt und konkrete Vorschläge gemacht, wie wir den Klimawandel stoppen können. Ich fordere Sie auf, nachher bei der namentlichen Abstimmung unseren Anträgen zuzustimmen. ({3}) Wir haben zwei konkrete Anträge gestellt. Herr Gabriel, vielleicht schauen Sie sich diese einmal genauer an. Wenn Sie jetzt nicht zustimmen, so stimmen Sie vielleicht im Laufe des nächsten Jahres zu. Sie können unsere Anträge dann als eigene Ideen einbringen. Auch dagegen habe ich nichts. Sie haben schon häufiger das grüne Original kopiert. Wenn es der Sache dient, dann finde ich es gut. Sie könnten aber auch sofort zustimmen. Es geht uns zum einen um einen Klimaschutzfonds, der für die nächsten zehn Jahre mit 5 Milliarden Euro ausgestattet werden soll. Er soll vor allem zur Energieeffizienz beitragen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass man bis zum Jahr 2015 fünf bis sechs Großkraftwerke einsparen könnte, wenn man diesen Klimaschutzfonds auflegen würde. Das ist eine ganze Menge. Das könnte man durch praktische Anleitungen, konkrete Informationen und durch finanzielle Anreize schaffen. Frau Flach, das ist auch gut für die Wirtschaft. Man kann davon ausgehen, dass durch den Klimaschutzfonds in Höhe von 5 Milliarden Euro Investitionen von weiteren 15 Milliarden Euro mit den entsprechenden Arbeitsplatzeffekten ausgelöst werden würden und gleichzeitig Energiekosten in einem enormen Umfang eingespart werden könnten. Deshalb macht dieser Klimaschutzfonds nicht nur Sinn für das Klima und für die Umwelt, sondern eben auch für die Wirtschaft und für Arbeitsplätze in Deutschland. ({4}) Er ist damit im wahrsten Sinne des Wortes nachhaltig. Wir wollen ihn nachhaltig dadurch finanzieren, dass CO2 endlich einen angemessenen Preis bekommen soll, nämlich indem die Zertifikate für den Emissionshandel versteigert werden. Das soll schon ab 2008 passieren. Sie, Herr Gabriel, gehen immer noch davon aus, dass Sie der Wirtschaft die Zertifikate einfach schenken. Dadurch ergeben sich für sie enorme zusätzliche Profite. Viele andere Länder machen vor, wie man es richtig macht. Sie versteigern die Zertifikate ab dem Jahr 2008. Ich weiß, dass viele in der SPD-Bundestagsfraktion das auch wollen. Ich möchte, dass Deutschland in der Umweltpolitik Vorreiter statt Schlusslicht ist. Deshalb wollen wir 10 Prozent der Zertifikate versteigern. ({5}) Dadurch könnten wir mindestens 500 Millionen Euro im Jahr einnehmen und damit den Klimaschutzfonds komplett gegenfinanzieren. Damit ist der Klimaschutzfonds für uns ein Symbol grüner, nachhaltiger Haushaltspolitik. ({6}) Denn wir wollen nachhaltig grün investieren. ({7}) Ich komme noch kurz auf den zweiten Vorschlag zu sprechen, mit dem wir den Klimaschutz in diesem Land voranbringen wollen; er betrifft das Thema erneuerbare Energien. Frau Hinz, Sie haben vorhin erwähnt, dass Sie viele Briefe zum Marktanreizprogramm bekommen haben. Diese Briefe haben wir natürlich auch bekommen. Wenn ich mich richtig erinnere, bezogen sich diese Briefe bereits auf das Haushaltsjahr 2006: Weil für das laufende Haushaltsjahr viel zu wenig Geld eingestellt war, musste schon Mitte des Jahres ein Förderstopp verhängt werden. Deshalb konnten die Handwerksbetriebe in diesem Jahr ihre Aufträge nicht in der Art und Weise erfüllen, wie es eigentlich möglich gewesen wäre. Wir Grüne haben im Haushaltsausschuss schon rechtzeitig einen Antrag vorgelegt, mit dem wir 40 Millionen Euro mehr für das Jahr 2006 beantragt haben. Haushaltstechnisch war das möglich; das haben Sie an anderer Stelle auch schon gemacht. In einem zweiten Schritt haben wir dann natürlich beantragt, die Mittel für das Jahr 2007 weiter aufzustocken.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Hinz?

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Bitte.

Petra Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003768, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke, Herr Präsident, danke, Frau Lührmann. - Sie stimmen mir ja wohl zu, dass der Haushalt 2006 noch ein gemeinsamer Haushalt von Rot und Grün war.

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der wurde so aber nicht verabschiedet.

Petra Hinz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003768, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wir haben ihn aber gemeinsam erstellt; genau diese Schwerpunktsetzung ist in dem Haushalt auch zum Tragen gekommen. Geben Sie mir Recht, Frau Lührmann, wenn ich sage, dass wir beim letzten Haushaltsentwurf die gegenseitige Deckungsfähigkeit in diesem Bereich herausgenommen haben und der vorherige Minister Trittin genau diesen Titel dazu genutzt hat, um zum Beispiel in den Bereich Forschung zu investieren, sodass erst jetzt in diesem Bereich volle 100 Prozent und damit 36 Millionen Euro mehr zur Verfügung stehen?

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Hinz, ich gebe Ihnen insoweit Recht, als ich verstehe, dass Sie versuchen, jetzt mit Nebelkerzen um sich zu werfen und allerhand andere Sachen hineinzubringen. Denn wahrscheinlich sind Sie selber etwas sauer darüber, dass es mit dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz nicht geklappt hat. Wenn man in diesem Haushaltsjahr ein Erneuerbare-Wärme-Gesetz verabschiedet hätte, hätte man ab dem nächsten Jahr einen enormen Schub für Ökoheizungen und all die anderen Programme gehabt, die unter dem Marktanreizprogramm laufen. Sie haben sich aber nicht getraut; Sie haben sich mit der CDU nicht über ein Erneuerbare-Wärme-Gesetz geeinigt. Im Vergleich dazu ist alles, was im Rahmen des Marktanreizprogrammes in diesem Jahr gelaufen ist, ein Placebo. Das Programm ist zwar ganz gut - wir haben ihm ja auch zugestimmt -, aber reicht bei weitem nicht aus. Deshalb verstehe ich Ihren Ärger an dieser Stelle. ({0}) Ich führe dann noch weiter aus, was wir zum Thema - Ich glaube, vorhin war da noch ein wenig mehr Zeit.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die Redezeit war während Frage und Beantwortung gestoppt, jetzt ist sie abgelaufen. ({0})

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich bin mir ganz sicher, davor war noch eine Minute da.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Nein, Sie müssen jetzt zum Schluss kommen. Das tut mir Leid.

Dr. Anna Lührmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003585, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Gut, dann komme ich jetzt zum Schluss. Nachdem wir festgestellt haben, dass Sie es nicht schaffen, das Erneuerbare-Wärme-Gesetz auf den Weg zu bringen, haben wir gesagt: Na gut, dann muss man über den Weg des Marktanreizprogrammes mehr machen. Deshalb beantragen wir in der Schlussrunde des Haushalts weitere 100 Millionen Euro. Damit haben wir in diesem Jahr, also für das Haushaltsjahr 2006 und 2007, insgesamt 165 Millionen Euro zusätzlich für das Marktanreizprogramm beantragt. Damit haben wir Ihnen konkrete Vorschläge gemacht, sehr geehrte Damen und Herren von der großen Koalition, sehr geehrter Herr Gabriel, wie man in Bezug auf Klimaschutz nicht nur reden, sondern auch handeln kann. Wir haben mit dem Klimaschutzfonds und mit dem Marktanreizprogramm Möglichkeiten der Gegenfinanzierung im Bundeshaushalt aufgezeigt. Wir wünschen uns, dass Sie uns bald Ähnliches vorlegen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Bundesminister Sigmar Gabriel. ({0})

Sigmar Gabriel (Minister:in)

Politiker ID: 11003755

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Lührmann, ich sage es gleich am Anfang - der Kollege Kauch und vermutlich auch Frau Höhn werden auf das schöne Thema Auktionierung zu sprechen kommen -, damit nicht die Gefahr besteht, dass ich vergesse, darauf einzugehen: Nicht nur in den Koalitionsfraktionen, sondern auch im Bundesumweltministerium und in der Bundesregierung hat niemand etwas gegen eine Auktionierung, wenn wir das sicherstellen können, von dem Sie immer behaupten, es könne sichergestellt werden, nämlich dass bei der Auktionierung Windfall-Profits der Energieunternehmen, die aus unserer Sicht zu Unrecht angefallen sind, tatsächlich dazu genutzt werden können, all das zu tun, was Sie hier vorschlagen. Solange das nicht der Fall ist, solange die Gefahr besteht, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher zusätzlich 5 Milliarden Euro zahlen müssen, weil wir keine Handhabe gegen eine erneute Einpreisung haben - über das hinaus, was sowieso schon getan worden ist -, so lange legen wir keinen Vorschlag vor. Schließlich sind wir dagegen, mehr Haushaltsgelder auszugeben und als Folge dessen die Verbraucherinnen und Verbraucher abzuzocken. ({0}) Das ist der einzige Grund, warum wir so vorgehen. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Monaten ein Urteil des Kartellamts dazu bekommen. Dann werden wir sehen, ob wir eine Handhabe haben oder nicht. Eines können Sie dieser Bundesregierung doch wahrlich nicht vorwerfen: dass sie nicht den Mut habe, sich gegen die mächtigen Stromanbieter dieses Landes durchzusetzen und eine Menge Vorschläge zu machen, die man vielleicht schon früher hätte machen sollen. Wenn das geschehen wäre, dann wären wir vielleicht in einer anderen Lage. Selbst da, wo Sie, Frau Kauch - - Entschuldigung, Frau Flach! ({1}) Verheiratet sind Sie ja noch nicht! Ich weiß nicht, ob es dafür eine Chance gibt? ({2}) Frau Flach, Sie behaupten, es gebe immer wieder Streit zwischen dem Kollegen Glos und mir. Ich sage Ihnen: Wir sind beide absolut der Überzeugung, dass wir für mehr Wettbewerb auf dem Strommarkt in Deutschland sorgen müssen, damit überhaupt die Voraussetzungen für eine zukünftige Auktionierung geschaffen werden und wir sichergehen können, dass die Verbraucherinnen und -verbraucher und die Unternehmen das nicht werden bezahlen müssen. Diese Position nimmt die ganze Bundesregierung ein. ({3}) Zur großen Überraschung der Kollegin Lührmann gibt es einen Klimaschutzfonds - er ist weit größer als der, den Sie fordern -, und zwar im Bundeshaushalt. Die entsprechenden Mittel sind kein Bestandteil des Einzelplans für das Bundesumweltministerium, auch wenn sich das diejenigen, die den umweltpolitischen Teil der Koalitionsvereinbarung ausgehandelt haben, sicherlich gewünscht hätten. Der Bundeshaushalt stellt viermal mehr Mittel für die CO2-Gebäudesanierung zur Verfügung, als es vorher - auch als Sie mitregiert haben - der Fall war. ({4}) Dafür stehen im Bundeshaushalt 5,6 Milliarden Euro zur Verfügung - die von Ihnen geforderten 5 Milliarden Euro sind also vergleichsweise preiswert -: Das ist ein Klimaschutzprogramm; das ist der größte Klimaschutzfonds, den es gibt. Er setzt dort an, wo wir Energie am schnellsten, am effektivsten einsparen und den Verbrauchern helfen können. Damit wird ein sehr wichtiger Beitrag zur Senkung unnötiger CO2-Belastungen, nämlich im Bereich energetischer Gebäudesanierungen, geleistet. ({5}) Reden Sie diese Sache also nicht klein! Wir können mehr machen, keine Frage. Aber tun Sie nicht so, als hätten wir hier nichts getan. Es ist mittlerweile beliebt, zu sagen, wir redeten immer nur über Klimaschutz, täten aber nichts. Wir machen mehr, als Sie sich in Ihren kühnsten Träumen hier im Deutschen Bundestag zu beantragen getraut hätten. Das ist doch die Realität der Klimaschutzpolitik der jetzigen Bundesregierung. ({6}) Ich will vorab den Mitgliedern des Haushaltausschusses danken für sagen wir einmal: eine Menge Geduld bei der Behandlung des Umwelthaushalts 2007. Das war sicherlich nicht ganz einfach, so mitten in der Nacht; das will ich offen sagen. Ich fand, es war hochkollegial, wie Sie am Ende in der Sache damit umgegangen sind. Ich danke ausdrücklich dafür, dass der relativ kleine Haushalt des BMU unter den notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen nicht so stark hat leiden müssen, wie man das vor dem Hintergrund der Haushaltskonsolidierung durchaus hätte erwarten können. Also, ich danke ausdrücklich für die partnerschaftliche Debatte und die Entscheidungen. Dazu zählt unter anderem, dass der Bereich der erneuerbaren Energien ein Plus von 38 Millionen Euro bekommt. Mit rund 88,4 Millionen Euro geben wir für die Forschung im Bereich erneuerbarer Energien das Doppelte dessen aus - das sind Investitionen! -, was wir in der Vergangenheit dafür ausgegeben haben. Frau Kollegin Flach, Sie müssen sich jetzt einmal entscheiden. Entweder stellen Sie sich im Rahmen der Bildungsdebatte hier hin ({7}) und sagen: „Mehr Investitionen für Forschung, weil das die Zukunftsinvestitionen sind, die bei uns Beschäftigung schaffen“ oder Sie kritisieren, dass bei uns Haushaltsmittel für Forschung und Entwicklung im Bereich erneuerbarer Energien ausgegeben werden. Beides zusammen geht nicht. ({8}) - Natürlich. Ich habe bei Ihrer Rede zugehört. Das war schon relativ deutlich.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Flach?

Sigmar Gabriel (Minister:in)

Politiker ID: 11003755

Außerordentlich gern.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Frau Flach.

Ulrike Flach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003119, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, da wir beide immer einen freundlichen Ton pflegen, ({0}) will ich Sie auch ganz freundlich etwas fragen. Vielleicht erinnern Sie sich doch daran, dass ich vom Marktanreizprogramm und nicht von Forschung gesprochen habe. Als ehemalige Forschungspolitikerin weiß ich, was Forschung für dieses Land heißt. Ich glaube nicht, dass Sie mir unterstellen können - ich frage Sie einfach, ob Sie mir das unterstellen wollen -, dass ich etwas gegen Forschung habe.

Sigmar Gabriel (Minister:in)

Politiker ID: 11003755

Frau Kollegin Flach, ich würde Ihnen niemals etwas unterstellen. Ich höre nur dem zu, was Sie sagen. Sie haben beklagt, dass wir erneuerbare Energien subventionieren, ({0}) und Sie haben dann auch noch über das Marktanreizprogramm gesprochen. Ich schlage Ihnen Folgendes vor: Wir beide treffen uns bei einer Tasse Kaffee und lesen Ihre Rede nach, und zwar bevor Sie sie korrigiert haben, also so, wie der Stenografische Dienst sie vorgelegt hat. - Das ist mein Vorschlag. ({1}) Dann werden wir feststellen, wer von uns beiden Recht hat. Wer Unrecht hat, zahlt den Kaffee. Okay? ({2}) - In Ordnung. Kommen wir zum Marktanreizprogramm. Wir hatten im Jahr 2005 131 Millionen Euro für das Marktanreizprogramm verausgabt. Diese Summe haben wir bereits im letzten Haushalt auf 180 Millionen Euro steigern können. Das waren 50 Millionen Euro mehr. Jetzt steigt der Betrag gegenüber dem Regierungsentwurf um weitere 39 Millionen Euro. Das heißt, wir haben inzwischen einen Anstieg um fast 90 Millionen Euro. Es ist absolut richtig, was der Kollege Kauch gesagt hat: Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass zum 1. Januar 2007 die Mehrwertsteuer erhöht wird, die Kraftfahrer den Abbau der Pendlerpauschale zu verkraften haben und Energie insgesamt immer teurer wird, haben sich die Koalitionsfraktionen darauf verständigt, auf eine weitere Erhöhung - und sei sie noch so moderat - der Kosten im Bereich der erneuerbaren Wärmeenergien für die Verbraucher zu verzichten. Weil wir aber trotzdem wollen, dass sich dieser Wirtschaftszweig weiterentwickelt, weil wir die Arbeitsplätze in dem Bereich wollen, weil wir wollen, dass neue Techniken im Bereich der erneuerbaren Wärme entstehen, und eine Situation wie in diesem Jahr vermeiden wollen - da war der Topf schon im August leer; die Zahl der Anträge, die eine Bezuschussung erhalten haben, hatte sich gegenüber dem Jahr 2005 verdoppelt -, sind noch einmal 39 Millionen Euro draufgesattelt worden, damit wir nicht ständig zu einem Abbruch der Förderung kommen. Wir sehen ja, wie viel neue Arbeitsplätze dort entstanden sind. Der Kollege Schulte-Drüggelte hat zu Recht darauf hingewiesen: Das ist ein richtiges Handwerkerprogramm, ein Gewerbeprogramm, ein Programm für Jobs. Wenn Sie das in Ihrer Begrifflichkeit „Subvention“ nennen, ({3}) dann müssen Sie einmal sagen, was Ihnen eigentlich lieber ist: wenn wir die Leute dann, wenn sie arbeitslos sind, mit Arbeitslosengeld subventionieren, oder wenn wir ihnen Arbeit geben, vernünftige, zukunftsorientierte Ausbildungsplätze schaffen und dafür einen neuen Technologiezweig entwickeln? Das ist doch die entscheidende Frage, um die es geht. ({4}) Angesichts Ihrer Position zum Erneuerbare-EnergienGesetz - da sagen Sie immer: eine Subvention über den Strompreis lehnen wir ab - finde ich es einigermaßen bemerkenswert, Herr Kauch, dass Sie uns jetzt dafür kritisieren, dass wir nicht schnell genug mit dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz kommen. Da müssen Sie sich einmal entscheiden, was Sie eigentlich wollen. Wollen Sie es ablehnen oder wollen Sie es einfordern? Sie können im Deutschen Bundestag nicht zeitgleich beides vertreten. ({5}) - Mag sein, dass die FDP das kann; uns fällt das ein bisschen schwer. Deswegen glauben wir, dass dieses Geld vernünftig angelegt ist. Das gilt auch für die 1,4 Milliarden Euro im Bereich der Gebäudesanierung, bei denen wir ja zuvor noch 350 Millionen Euro aus dem Folgejahr vorgezogen haben. Wir haben das Biokraftstoffquotengesetz geschaffen und schaffen jetzt die Voraussetzungen dafür - wenn wir das im Bundesrat durchsetzen können, wovon ich ausgehe -, dass die Energieerzeugung aus Offshore-Windenergieparks in Gang kommt. Das geht nämlich nur, wenn wir die Kosten für die Anbindung dieser Parks an das Stromnetz im Binnenland aus den Investitionskosten der Anlagen herausnehmen. Wenn wir das hinbekommen, machen wir einen riesigen Sprung nach vorne. Ich verstehe, dass die Opposition mehr fordert. Ich verstehe aber nicht, dass sie öffentlich erklärt, wir würden nichts tun. Wir machen mehr als andere Regierungen zuvor, natürlich auch deshalb, weil die Lage bedrohlicher geworden ist. Vor diesem Hintergrund mögen Sie sich darauf konzentrieren, mehr zu fordern, aber nicht so tun, als sei hier nichts passiert. ({6}) Zum Schluss will ich noch auf ein paar Bemerkungen eingehen, die bisher im Rahmen der Haushaltsdebatte zum Thema Klimaschutz gefallen sind. Die Kollegin Künast hat gestern gesagt - schade, dass sie jetzt nicht hier ist -, es sei doch unerhört, wenn der Bundesumweltminister ständig konditionierte Zusagen mit vielen Wenn und Aber zum 40-Prozent-Ziel Deutschlands beim Klimaschutz bis 2020 macht. Sie erinnern an sich die Position des Deutschen Bundestages vor dem Gipfel in Nairobi. Wir haben gesagt: Wenn Europa sich auf eine 30-prozentige Reduktion bis 2020 einigt, dann will Deutschland sich verpflichten, die CO2-Emissionen um 40 Prozent zu reduzieren. Frau Künast hat gestern massiv kritisiert, wie wir so etwas in Nairobi sagen könnten. Ich lese Ihnen einmal etwas sehr Interessantes vor: Wir werden vorschlagen, dass die EU sich im Rahmen der internationalen Klimaschutzverhandlungen für die zweite Verpflichtungsperiode des KyotoProtokolls bereit erklärt, ihre Treibhausgase bis zum Jahr 2020 um 30 % ({7}) zu reduzieren. Kommt Ihnen das bekannt vor? Ich lese einmal weiter: Unter dieser Voraussetzung wird Deutschland einen Beitrag von minus 40 % anstreben. Das Dokument, in dem das steht, trägt auch die Unterschrift von Frau Künast. Es handelt sich nämlich um den Koalitionsvertrag von 2002, dem auch sie zugestimmt hat. Beschweren Sie sich also nicht darüber, dass der Deutsche Bundestag die Vorhaben, die von der letzten Regierung richtigerweise in Angriff genommen wurden, fortsetzt, und tun Sie in dieser Debatte nicht so, als seien Sie die Größten. Unterstützen Sie uns vielmehr dabei, diese Position in Europa durchzusetzen. Das wäre ein vernünftiges Entgegenkommen. ({8}) Wir haben eine schwierige Situation zu bewältigen. Wir wissen, dass der Nationale Allokationsplan I für die erste Periode mit 2 Millionen Tonnen pro Jahr eine viel zu geringe CO2-Reduktion vorgesehen hatte und auch die für die zweite Periode von Rot-Grün beschlossenen 10 Millionen Tonnen Reduktion zu gering waren. Wir haben nun für die nächste Handelsperiode eine Reduktion um 15 Millionen Tonnen vorgeschlagen, was deutlich besser ist. Vor diesem Hintergrund weise ich darauf hin, dass die Bundesregierung am 30. Juni dieses Jahres erklärt hat, dass alle Maßnahmen zum Emissionshandel unter dem Vorbehalt der Überprüfung der Daten aus den Jahren 2002 bis 2004 und der Notifizierung durch die EU-Kommission stehen. Ich sage noch einmal: Sie haben nicht genug gemacht; Ihre Prognosen waren zu niedrig angesetzt. Mit dem Nationalen Allokationsplan II, den wir vorgelegt haben, machen wir mehr, aber auch nicht genug, wie wir bei der Überprüfung der Daten festgestellt haben. Wir sind nun bereit, gemeinsam mit dem Deutschen Bundestag - wir werden das sicherlich nächste Woche im Umweltausschuss vortragen - im NAP II deutlich stärkere Emissionsminderungen als bisher vorzusehen. Wir tun dies, weil wir bei der Überprüfung der Daten festgestellt haben, dass die niedrigen, im ersten Allokationsplan vorgesehenen Reduktionsmengen selbst zusammen mit den im zweiten Allokationsplan vorgesehenen höheren Mengen wohl nicht ausreichen, um das 21-Prozent-Ziel zu erreichen. Weil die Bundesregierung aber das 21-ProzentZiel halten will, hat sie Vorstellungen entwickelt, wie durch eine Ergänzung und Ausweitung des NAP II dieses dennoch erreicht werden kann. Ich biete dem Ausschuss an, ihn darüber bei seiner nächsten Sitzung - das dürfte in der nächsten Woche sein - ausführlich zu informieren. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Michael Kauch von der FDP-Fraktion. ({0})

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gabriel hat mich gefragt, wie die FDP ihre Haltung zum Erneuerbare-Wärme-Gesetz begründet. Ich möchte es Ihnen erklären: Die FDP hat bei den letzten und auch bei diesen Haushaltsberatungen den bisherigen Mittelansatz für das Marktanreizprogramm nicht angegriffen. Wir kritisieren, dass Sie in einer wirtschaftlichen Situation, in der die Kosten für die Technologie sinken, das Programm aufstocken, statt es, wenn technischer Fortschritt es ermöglicht, irgendwann einmal degressiv zurückzufahren. ({0}) Ich denke, das ist der wesentliche Unterschied zwischen Anschubfinanzierung und Dauersubvention. Ihre Begründung überzeugt mich nicht. Denn für mich hat dieses Marktanreizprogramm immer ein umweltpolitisches Ziel gehabt, nämlich zur Senkung von Treibhausgasemissionen beizutragen. Jetzt sagen Sie, das umweltpolitische Ziel sei ja ganz schön, aber eigentlich gehe es darum, Arbeitsplätze zu subventionieren. Das ist eine Begründung, die ich als Liberaler nicht akzeptieren kann. ({1}) Meine Damen und Herren, die FDP hat Ihnen bereits in der letzten Wahlperiode einen Antrag vorgelegt, in dem wir aufzeigen, wie wir ein Erneuerbare-WärmeGesetz ausgestalten würden. Wir würden es mit dem Emissionshandel verknüpfen, weil wir es für effizient halten, dieses Instrument dauerhaft auch auf den Wärmemarkt auszudehnen. So wird der anscheinende Widerspruch aufgelöst. Die Frage ist nicht, ob wir etwas in dem Bereich machen, sondern, ob wir ein besseres Modell machen, als es beispielsweise die Grünen vorschlagen. ({2}) Frau Hinz ist gerade, aus meiner Sicht relativ frech, auf das Thema Fluglärmgesetz eingegangen. Dazu muss ich sagen: Wenn Sie das als Haushaltspolitikerin tun, ist das schon abenteuerlich. Denn mit dem Fluglärmgesetz, das Sie in der nächsten Woche verabschieden wollen, wird der Bundeshaushalt viel weniger belastet als beispielsweise die Betreiber von Verkehrsflughäfen, weil der Bund nicht bereit ist, den gleichen Schutz, den er bei Anwohnern von Verkehrsflughäfen für richtig hält, auch den Anwohnern von Militärflughäfen zu gewähren, da er das selbst bezahlen müsste. Das sind Anspruch und Wirklichkeit Ihrer Politik beim Fluglärmgesetz. Damit sollten Sie sich bei dieser Haushaltsdebatte nicht brüsten. ({3}) Meine Damen und Herren, ich möchte auf ein anderes Thema eingehen, das Sie hier ganz still zu umschiffen versuchen, nämlich die Förderung von Rußpartikelfiltern bei Diesel-PKW. Da gibt es eine Bund-LänderEinigung. Das BMU feiert den Erfolg. Dann sagt die CDU/CSU-Fraktion, das müsse aber noch viel länger beraten werden; deshalb könne es zum 1. Januar nicht in Kraft treten. Daraufhin schickt das BMU eine Presseerklärung gegen die CDU/CSU-Fraktion. ({4}) Ich finde es sehr bemerkenswert, dass das nicht wenigstens die Koalitionsfraktion macht, sondern das Ministerium. ({5}) Aber langer Rede kurzer Sinn: Hier haben wir es mit einem absoluten Politikversagen dieser Regierung zu tun. Sie in der Koalition wissen nicht, was Sie wollen. Insbesondere das, was die CDU/CSU in diesem Bereich macht, ist aus meiner Sicht völlig unprofessionell. Ein solches Chaos und so unprofessionelles Verhalten wie im Umweltausschuss - ich sage nur: Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz, Zeitungsverleger; alle, die im Umweltausschuss sind, haben das erlebt - aufseiten der Unionsfraktion hätte ich nicht erwartet. ({6}) Deshalb hoffen wir, dass der stotternde Motor bei der Rußpartikelfilterförderung nicht zu einem Kolbenfresser für die Autofahrer und damit für den Umweltschutz wird. Meine Damen und Herren, der Klimaschutz ist wieder in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Das ist auch richtig so. Aber ein erklärtes politisches Ziel muss man auch mit Leben füllen. Es ist Chefsache der Kanzlerin, in den nächsten Monaten im Rahmen der deutschen Ratspräsidentschaft in der EU und bei der G 8 hier eine Führungsrolle zu übernehmen. Kofi Annan hat völlig Recht: Es fehlt an Leadership in dieser Frage, leider auch in Deutschland. Kanzlerin Angela Merkel hat sich von Tony Blair viel zu lange die Butter vom Brot nehmen lassen. Während Tony Blair sich mit Schwarzenegger getroffen und den Report über die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels in Auftrag gegeben hat, hat die deutsche Regierung es versäumt, sich hier an die Spitze zu setzen. Ich finde das sehr schade in Anbetracht dessen, dass wir im nächsten Jahr die Führungsrolle bei der G 8 und in der EU haben werden. ({7}) Meine Damen und Herren, jetzt kommen wir zur Realität in Deutschland. Die Opposition mahnt seit Wochen, dass das CO2-Budget zu hoch sei. Noch vor zwei Wochen hieß es auf die Anwürfe von Grünen und FDP, 2005 seien die Emissionen sehr niedrig gewesen, 2003 und 2004 aber gestiegen, und deshalb müsse man der Richtlinie der Europäischen Union folgen und das Emissionsbudget höher ansetzen. Jetzt haben Sie eine Datenerhebung durchführen lassen, deren Ergebnis war, dass die Emissionen weiter gestiegen sind. Und was ist die Schlussfolgerung des BMU? Die Schlussfolgerung ist, dass das Budget gesenkt werden muss. Also vor zwei Wochen so und jetzt so. Die Erklärung für Ihr Verhalten ist, dass Sie Angst haben, dass Ihr Nationaler Allokationsplan von der EU-Kommission zurückgewiesen wird. Deshalb wollen Sie jetzt ein wenig zurückrudern. Das ist der Grund für Ihre Politik. ({8}) Ihre Politik gefährdet größere Erfolge bei der CO2Einsparung. Sie lassen die 18 Millionen Tonnen CO2, die als Kompensation für den Atomausstieg bis 2012 erforderlich sind, völlig unter den Tisch fallen. Nach Ihren Vorstellungen sollen Neuanlagen 14 Jahre lang von jeglichen Minderungsverpflichtungen ausgenommen werden. Hinzu kommt eine generelle Bevorzugung der Kohle gegenüber dem Gas. Was ist der umweltpolitische Effekt? Dieser Effekt ist, dass Sie die Kohletechnologie von 2012 auf Jahrzehnte festschreiben. Das ist kein Klimaschutz, sondern reine Lobbypolitik für bestimmte Interessengruppen in der Energiewirtschaft. ({9}) Auch haushaltsrechtlich ist die Ausnahmeregelung über 14 Jahre sehr bedenklich. Denn Sie binden damit das Parlament für die nächsten vier Legislaturperioden. Ob das, was Sie jetzt im Nationalen Allokationsplan aufnehmen wollen, einer Versteigerung nach 2013 nicht entgegensteht und ob die Regelungen juristisch ausreichen, um Schadensersatzforderungen für die Zukunft auszuschließen, muss eine Anhörung von Juristen erst noch ergeben. Wir erleben einen Umweltminister, der sich auf internationalen Konferenzen große Ziele setzt. Aber die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung erschöpft sich in Subventionen. Wo es um Marktanreize für Unternehmen geht, überlässt sie den Interessengruppen das Feld. Vielen Dank. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Marie-Luise Dött von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Marie Luise Dött (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003070, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal in aller Deutlichkeit festhalten, dass uns, also der Bundesregierung und den sie tragenden Koalitionsfraktionen, mit dem Haushalt 2007 insgesamt und mit dem Haushalt des Bundesumweltministeriums im Besonderen ein gutes Stück Arbeit gelungen ist. Ich möchte weiter in aller Deutlichkeit noch einmal festhalten, dass trotz aller unbestrittenen Sparnotwendigkeiten der Haushalt des Bundesumweltministeriums gewachsen ist. Wenn der Haushalt eines Politikbereiches in finanziell schwierigen Zeiten wächst, dann spiegelt das sehr deutlich den Stellenwert wider, den dieser Politikbereich auf der politischen Agenda hat. ({0}) Umweltpolitik und Politik für mehr Nachhaltigkeit stehen bei dieser Bundesregierung ganz oben. ({1}) Ich möchte in diesem Zusammenhang besonders auf die Aufstockung der Haushaltsmittel für das Marktanreizprogramm zur Förderung erneuerbarer Energien hinweisen. Herr Kauch, eigentlich müssten Sie es doch besser wissen. Wir wollen Umweltschutz und gleichzeitig Wirtschaftsförderung. Deswegen müssen wir neue Technologien fördern. Ich kann daher Ihre Argumentation, dass das ein Mittelstandsförderungsprogramm sei - das werfen Sie dem Minister vor -, überhaupt nicht nachvollziehen. Diese Argumentation würde umgekehrt zu der Schlussfolgerung führen, dass wir gegen den Umweltschutz sind, wenn wir ein Mittelstandsförderungsprogramm auflegen, und dass ein Programm für Umweltschutz gegen Arbeitsplätze gerichtet ist. So kann man nicht argumentieren. ({2}) Der mit der Aufstockung der Mittel für dieses Programm verbundene erneute Schub für die erneuerbaren Energien ist sehr zu begrüßen. Ich danke dem Bundesumweltminister und vor allen Dingen den Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und SPD im Haushalts- und im Umweltschutzausschuss ausdrücklich für ihr besonderes Engagement. Es war unser aller Erfolg, dass wir auf diesem schwierigen Weg vorangekommen sind. ({3}) Noch vor wenigen Wochen rangierte die Umweltpolitik in Umfragen in puncto Wichtigkeit der verschiedenen Politikfelder unter „ferner liefen“. Die Shell-Jugendstudie hat klar analysiert, dass rund ein Drittel der Jugendlichen weniger als noch vor vier Jahren Handlungsbedarf im Bereich Umweltschutz sieht. Umweltschutz rangiert hinter Arbeitsmarkt, Kinder und Familie, Bildung, Altersvorsorge, Gesundheitssystem und Wirtschaftspolitik auf Rang sieben. Ich denke, dass sich dies infolge der Klimakonferenz in Nairobi und des diese Konferenz begleitenden Medienwirbels in Deutschland geändert hat. Dennoch bleibt festzuhalten: Die Notwendigkeit verstärkter Anstrengungen hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft ist keineswegs allgemeines Gedankengut. Es reicht nicht, wenn wir uns hier im Plenum oder innerhalb der Bundesregierung in Bezug auf den Stellenwert der Nachhaltigkeit einig sind. Nachhaltigkeitspolitik ist und bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. ({4}) Angesichts immer knapper werdender Ressourcen für immer mehr Menschen auf diesem Planeten ist Nachhaltigkeit eine Frage der Vernunft. Angesichts wachsender Konkurrenz um diese schwindenden Ressourcen ist Nachhaltigkeit auch eine Frage des Friedens. Angesichts unserer Pflichten für die uns anvertraute Schöpfung ist Nachhaltigkeit eine Frage der Demut vor allem Höheren. Angesichts der Verantwortung, die wir für die kommenden Generationen und ihre Entwicklungschancen haben, ist Nachhaltigkeit eine Frage der Rücksichtnahme. ({5}) Nachhaltigkeit ist schlicht eine Frage der Moral. Nicht nachhaltiges Handeln ist unmoralisch. Man ist geneigt, dies dem einen oder anderen Verhandler auf der Kioto-Vertragsstaatenkonferenz in Nairobi ins Stammbuch zu schreiben. ({6}) Die Ergebnisse der Konferenz sind aus unserer Sicht in der Tat enttäuschend. Viele Staaten und Staatenlenker haben offensichtlich die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt. Aber Politik ist bekanntlich das beharrliche Bohren dicker Bretter und in der internationalen Politik sind die Bretter besonders dick. Hier hilft nur eines: Wir müssen mit viel Ausdauer und Geschick weiter für unsere Haltung werben. ({7}) Im kommenden Jahr werden wir mit den beiden Präsidentschaften in der Europäischen Union und in der G 8 ausreichend Gelegenheit haben, diese Ausdauer und dieses Geschick unter Beweis zu stellen. Ich begrüße daher ausdrücklich die Absicht der Bundesregierung, in beiden Präsidentschaften die Klimapolitik zu zentralen Anliegen zu machen. Im internationalen Umweltschutz insgesamt und damit auch beim Klimaschutz wären größere Fortschritte zu erreichen, wenn sich wichtige Staaten - allen voran die USA - konstruktiver an den Prozessen beteiligen würden. Mit großer Sorge beobachte ich die Tendenz bei einigen großen und politisch einflussreichen Staaten, sich von den international vereinbarten Klimazielen zu entfernen. Ich fordere deshalb alle diejenigen, die draußen stehen oder sich in ihrem Engagement zurückhalten, auf, sich aktiver und konstruktiver einzubringen. ({8}) Jedoch macht es keinen Sinn - dies ist im Grunde unpolitisch -, bei jeder Gelegenheit die USA an den Klimapranger zu stellen. Wir dürfen die vielen guten Ansätze, die es in den USA beim Umweltschutz und besonders beim Klimaschutz ohne Zweifel gibt, nicht einfach negieren. Wir müssen auf allen staatlichen und nicht staatlichen Ebenen Kooperation suchen, mit unseren Mitteln positive Ansätze stärken und damit Chancen für Verbesserungen eröffnen. So geht man unter Freunden miteinander um. ({9}) Wir alle sind uns darin einig, dass die Entwicklungsund Schwellenländer näher an den Klimaschutz herangeführt werden müssen. Zum Klimawandel haben diese Länder am wenigsten beigetragen. Es ist an uns Industriestaaten als Hauptverursacher des Klimawandels, ihnen dabei zu helfen, den Weg einer nachhaltigen Entwicklung bei der Energieversorgung zu gehen. Der von der Europäischen Union in Nairobi angekündigte Fonds ist in dieser Hinsicht ein wichtiger Schritt. Ich begrüße daher seine Einrichtung und ich begrüße ausdrücklich die Zusage des Bundesumweltministers, dass Deutschland den Fonds weiter aufstocken wird. ({10}) Dieser Fonds schafft auch Vertrauen. Er ist ein deutliches Zeichen gegen das oft gehörte Argument, die Industriestaaten wollten den Entwicklungsländern mit Umweltforderungen ihre Entwicklungschancen abschneiden. Im Gegenteil: Wir haben ein vitales Interesse an einer nachhaltigen Entwicklung in allen Teilen der Welt. Wenn Entwicklungs- und Schwellenländer zu wichtigen Handelspartnern werden, dann sichert das auch unsere Zukunft. Diese Aussage gilt allgemein; aber sie gilt ganz besonders für das in Deutschland vorhandene Know-how und die Technologien zum Schutz der Umwelt. Um es auf den Punkt zu bringen: Hier eröffnen sich Märkte und Zukunftschancen. Wir tun gut daran, diese Chancen zu unserem Vorteil, zum Vorteil unserer Handelspartner und zum Vorteil der Umwelt zu nutzen. ({11}) In internationalen Prozessen mit seiner Haltung erfolgreich zu sein, setzt nicht nur Ausdauer, Geduld, diplomatisches Geschick und Beharrlichkeit voraus, sondern auch Glaubwürdigkeit. Mit unseren Forderungen können wir im internationalen Klimaschutz nur durchdringen, wenn wir selbst Vorbild sind. Nun kann man es mit der Vorbildfunktion natürlich auch übertreiben, wie mit allen anderen Dingen des Lebens. Es macht keinen Sinn, mit wehenden Fahnen vorneweg zu laufen und dann festzustellen, dass keiner gefolgt ist, weil die anderen nicht so schnell wollen oder können, weil sie andere Wege für sinnvoller halten oder weil sie das Vorbild gerne vorschicken, um sich selbst nicht so anstrengen zu müssen - das nennt man „jemanden ausnutzen“. Bei der Diskussion der letzten Tage über den Emissionshandel habe ich zunehmend den Verdacht, dass genau das mit uns versucht wird. Um es ganz deutlich zu sagen: Eine Taktik, mit der von Deutschland noch schnell einige Millionen Tonnen CO2 abgepresst, andere Länder aber zu deren wirtschaftlichem Vorteil geschont werden, wird auf unseren energischen Widerstand stoßen. ({12}) Ein ganz elementarer Bestandteil unseres Weges zu einer nachhaltigen Gesellschaft ist der Einsatz erneuerbarer Energien, den wir mit dem bereits erwähnten Marktanreizprogramm verstärkt fördern. Aber wir müssen uns auch der Tatsache bewusst sein, dass erneuerbare Energien nicht die Lösung allen Übels sein können; denn der Wind weht nicht immer und die Sonne scheint auch nicht immer - das ist Kinderwissen. ({13}) Dass nicht alle Standorte für Erdwärme und Geothermie geeignet sind, muss aber offenbar in manche Köpfe erst noch vordringen. Dass die Anbaufläche für Biomasse begrenzt ist und dass hier Nutzungskonkurrenzen bestehen, müssen viele erst noch lernen. ({14}) Die potenzielle Anbaufläche für Biomasse dient zuallererst der Ernährung der Bevölkerung. Erst wenn die Ernährung qualitativ und quantitativ vollständig gesichert ist, kann überhaupt über andere Flächennutzungen diskutiert werden. ({15}) Auf den restlichen Anbauflächen nachwachsende Ressourcen können auch sinnvollen Zwecken in anderen Bereichen dienen und nicht nur der Gewinnung von Energie, zum Beispiel als Rohstoffbasis für die Industrie. In dieser Hinsicht ist Anbaufläche wie Geld: Geld kann man auch nur einmal ausgeben. Mit Sorge und Skepsis verfolge ich den wachsenden Anteil von Importen an der Nutzung der Biomasse in Deutschland. Raubbau an Wäldern oder Mooren für die Energiegewinnung in Deutschland darf es niemals geben. Dieses Problem ist aus meiner Sicht nur durch ein globales Zertifizierungssystem zu lösen. Solche Systeme gibt es zum Beispiel bereits mit dem FSC-Siegel für Holz und dem MSC-Siegel für Meeresprodukte. Mir sind die Schwierigkeiten, solche globalen Zertifizierungssysteme einzuführen und zu kontrollieren, sehr wohl bewusst. Aber meines Erachtens gibt es dazu keine sinnvolle Alternative, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, den Teufel hoher CO2-Emissionen mit dem Beelzebub des Raubbaus auszutreiben. Ich habe anfangs klargestellt, dass Nachhaltigkeit eine Frage der Moral ist. Bei diesem Bundeshaushalt haben wir unsere moralische Pflicht ernst genommen. Wir werden diesen Weg hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft weiter gehen. Vielen Dank. ({16})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Eva Bulling-Schröter von der Fraktion Die Linke. ({0})

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Klimakonferenz in Nairobi ist nur ein paar Tage her und die Bilanz ist zwiespältig. Die gegenseitige Blockade der verschiedenen Lager konnte leider nicht aufgelöst werden. Nur der Anpassungsfonds für die armen vom Klimawandel betroffenen Staaten ist ein greifbares Ergebnis. Aber selbst der ist zu klein. Wir müssen darüber reden, wie er noch erhöht werden kann. Vielleicht können wir als Erfolg werten, dass Clean Coal auf der Konferenz nicht ganz so euphorisch gefeiert wurde, wie es hierzulande geschieht. Viele auf der Konferenz waren skeptisch, ob tatsächlich in großem Umfang Kraftwerksemissionen abgeschieden und anschließend unterirdisch sicher gelagert werden können. Auch wir in Deutschland sollten aufpassen, dass mit Clean Coal nicht vor allem ein kaum einzulösendes Technologieversprechen der Lobby fossiler Energie gefördert wird. ({0}) Dieses Versprechen fungiert politisch als Freifahrtschein. Man darf neue Kohlemeiler in die Landschaft setzen und neue Tagebaue auf den Weg bringen. Umweltminister Gabriel war in Nairobi mit dem Tempo der Verhandlungen in Richtung Kioto II genauso unzufrieden wie wir. Seine Ungeduld macht ihn für viele Verhandler und NGOs anderer Staaten sympathisch. Im Übrigen: Herr Minister, Sie haben eine sehr gute Rede gehalten. Das sollte vielleicht auch einmal jemand sagen. ({1}) Die im internationalen Vergleich hohen Einsparziele Deutschlands haben eine positive Wirkung. Aber auch im Ausland wird inzwischen bemerkt, dass wir dabei sind, unsere Vorreiterrolle zu verlieren. Das habe ich zum Beispiel Gesprächen mit EU-Abgeordneten entnommen. Zwar sind die CO2-Emissionen in Deutschland im letzten Jahr endlich einmal wieder leicht gesunken, doch drei Viertel aller Einsparungen, für die sich die Bundesrepublik international feiern lässt, fanden in den ersten drei Jahren nach der Wende statt. Der Osten lässt grüßen; diesen Hinweis kann ich Ihnen nicht ersparen. Dieser Bundeshaushalt verkündet unter anderem, dass Klimaschutz auch künftig mit angezogener Handbremse betrieben wird. Da wäre beispielsweise die Verkehrspolitik: Nach wie vor werden in Autobahnen und unnützen Prestigeprodukten wie dem Transrapid Milliarden Euro versenkt, anstatt die Bahn und den ÖPNV zu pushen. ({2}) Dagegen streicht Verkehrsminister Tiefensee die Regionalisierungsmittel für die Bahn. Die Bundesregierung zieht also keinerlei Konsequenzen daraus, dass die verkehrsbedingten CO2-Emissionen mittlerweile um 6 Prozent über denen von 1990 liegen. Die Koalition verzichtet weiterhin auf eine Besteuerung des Flugbenzins, obwohl Experten sagen, dass dies auch im Alleingang rechtlich möglich und sinnvoll wäre. Allein die nationale Fliegerei hat seit 1990 um mehr als die Hälfte zugenommen. Wir alle wissen, dass sie weiter zunehmen wird. Das scheint aber niemanden zu stören, außer vielleicht die Anwohner. Die letzte Demonstration gegen die dritte Startbahn in München mit 20 000 Beteiligten spricht für sich. Meine Damen und Herren von der CSU, ich kann Ihnen nur sagen: Hören Sie auf die Leute! ({3}) Zu den wenigen zumindest im Ansatz positiven Nachrichten zählt das Programm für die energetische Gebäudesanierung, auch wenn es angesichts des Sanierungsbedarfs dürftig ausgestattet ist. Wir hätten gerne mehr. Dass sich der Haushaltsausschuss durchgerungen hat, das Marktanreizprogramm zur Förderung erneuerbarer Energien um 39 Millionen Euro aufzustocken, entspringt einem bitteren Deal: Die Koalition hat im Gegenzug das Wärme-EEG auf Eis gelegt. Das finden wir schade. Gerade dieses Gesetz hat eine Menge zusätzlichen Klimaschutz zu niedrigen Kosten versprochen. Wir hätten die Mittel für dieses Programm gerne verdoppelt. Vielleicht wird es ja im nächsten Jahr etwas damit. ({4}) Jetzt zur FDP und zum Markanreizprogramm. Wir bewerten das Programm ganz anders als Sie. Wir sehen darin die Möglichkeit, dass neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze geschaffen werden. Über dieses Programm wird der CO2-Ausstoß gesenkt. Ich kann mir natürlich gut vorstellen, dass Sie das Geld gerne für Forschungsprojekte, zum Beispiel für Clean Coal, eingesetzt hätten. Dann wäre mit ein paar Leuten geforscht worden. Jetzt werden Arbeitsplätze geschaffen. Das macht Sinn. Darum unterstützen wir diesen Ansatz. Zu einer anderen verpassten Chance. Wenn holländische Kraftwerksbetreiber überlegen, neue Kohlekraftwerke in Deutschland zu bauen, weil ihnen hierzulande im Rahmen des Emissionshandels weniger Klimaschutz abverlangt wird als zu Hause, dann sollte Ihnen das zu denken geben. Die Kommission wird den deutschen Zuteilungsplan schließlich nicht ohne Grund zurückweisen. Das ist eine Ohrfeige für den angeblichen Weltmeister im Klimaschutz. Jeder weiß, dass der NAP II letztlich ein Förderprogramm für neue Kohlekraftwerke ist. 19 geplante Kohlekraftwerke sprechen eine deutliche Sprache. Sollten sie tatsächlich gebaut werden, wäre das das Aus für einen ernsthaften und langfristigen Klimaschutz. Besonders absurd sind die Regelungen im Entwurf des Zuteilungsgesetzes, nach denen die Bundesregierung den Kraftwerksanlagen in Neurath und Boxberg noch zusätzlich zu allen Sonderregelungen Zertifikate zuschanzt. Ich meine, das ist eine Lobbypolitik zugunsten von RWE und Vattenfall, die wir uns längst nicht mehr leisten können. ({5}) Wir wollen den Deckel nach unten verschieben. Herr Gabriel hat gesagt, dass nächste Woche Mittwoch im Umweltausschuss darüber gesprochen wird. Dort sollten Sie sich das noch einmal überlegen. Die Obergrenzen müssen auf alle Fälle gesenkt werden. Wir brauchen ein Zuteilungsgesetz, das auf eine Senkung der Emissionen unter 465 Millionen Tonnen zielt.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Ich fordere uns auf, hier noch einmal darüber zu beraten. Wenn es in die richtige Richtung geht, dann finden Sie uns an Ihrer Seite. Danke. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Bärbel Höhn von Bündnis 90/Die Grünen.

Bärbel Höhn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003774, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fand diese Debatte sehr erhellend, weil die SPD sich die Grünen als Angriffspunkt ausgesucht hat. Dazu muss man sagen: Es geht um das Klima und eigentlich haben wir gemeinsam für den Klimaschutz zu streiten. ({0}) Wir haben heute wieder eine flotte Rede des Ministers erlebt. Aber man merkt, dass Sie nervös werden. Warum werden Sie nervös? Man muss sich einfach die Zeitungen der letzten Tage ansehen, dann weiß man, sehr geehrter Herr Bundesminister, dass flotte Sprüche nicht nachhaltig sind. Denn flotte Sprüche werden überprüft, und wenn sie mit dem Handeln nicht übereinstimmen, dann werden sie auch kritisiert. Das wurde gemacht. ({1}) Schauen wir uns einmal die Zeitungen an. Dort steht zum Beispiel: „Auf dem Weg zum Ankündigungsminister“. Das hört der Minister nicht gerne. In einer anderen Zeitung sieht man „das Gesamtkunstwerk des Umweltministers auf wackligem praktischen Unterbau“. Auch das hört der Minister nicht gerne. Man merkt, dass diese Ankündigungen sich in der Tat nicht rechnen. Sie fallen Ihnen früher oder später auf die Füße. Herr Minister Gabriel, ich möchte noch ein paar Punkte ansprechen. Der erste ist, dass Sie sagen: „Europa und Deutschland müssen beim Klimaschutz vorangehen.“ Ja, das ist richtig. Jetzt kritisieren Sie aber die Fraktionsvorsitzende der Grünen, die in der Koalitionsverhandlung 2002 eine Position festgelegt hat. Sie selber sagen, dass man 2006 mehr machen muss, und kritisieren gleichzeitig, dass die Fraktionsvorsitzende der Grünen von Ihnen in 2006 mehr verlangt, als sie 2002 festgeschrieben hat. Aber wir müssen mehr machen. Denn der Klimawandel ist eklatant und sichtbar. ({2}) Sie sagen: „Klimaschutz ist einer der zentralen Schwerpunkte der Politik der Bundesregierung.“ Was machen Sie? Einen Nationalen Allokationsplan, in dessen Rahmen Sie Kohlekraftwerken im Verhältnis zu Gaskraftwerken doppelt so viele CO2-Zertifikate zuweisen. Dazu schreibt die „Financial Times Deutschland“ zu Recht: Das ist das Gegenteil von Klimaschutz. Meine Damen und Herren, das ist eine schlechte Klimapolitik. ({3}) Sie haben in Ihrem Memorandum „Ökologische Industriepolitik“ geschrieben, dass wir bei den nachhaltigen Mobilitätstechnologien vorankommen müssen. Was machen Sie? Sie knicken vor der Automobilindustrie beim Dieselrußfilter ein. Daimler-Chrysler braucht nur zu Ihnen zu kommen und ein Gespräch mit Ihnen zu führen, schon knikken Sie ein, wie wir heute in der „taz“ lesen können. Das ist keine nachhaltige Politik. Denn das geht zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher. ({4}) Sie kündigen in Ihrem Memorandum „Ökologische Industriepolitik“ an, dass Sie etwas für eine nachhaltige, innovative Chemiepolitik tun wollen. Was machen Sie? Bei REACH streitet Deutschland für die Chemiepolitik und gegen die Verbraucherpolitik. Für diese Politik stehen Sie. ({5}) Sie sagen zum Beispiel, dass der Energieausweis bedarfsorientiert sein soll. Was kommt dabei heraus? Murks, etwas, was Sie selber als ziemlich blödsinnig bezeichnet haben. Das gestehen Sie jetzt Ihrem Kollegen Glos zu. Das ist Ihre Politik. ({6}) Gerade deshalb kritisieren wir das. Das müssen wir deutlich sagen. Herr Kelber fragt gerne, wie das unter Rot-Grün war. Das macht jetzt auch Herr Gabriel. Ich sage Ihnen: Unter Rot-Grün gab es folgende Rollenverteilung: Jürgen Trittin machte die moderne Umweltpolitik und Wolfgang Clement war der Vertreter der großen Konzerne. Das war das Problem. ({7}) Herr Minister Gabriel, Sie versuchen jetzt, Jürgen Trittin und Wolfgang Clement in einer Person zu sein. Damit fallen Sie aber auf die Nase. Denn so groß wie Jürgen Trittin sind Sie nicht. ({8}) Sie scheitern an Ihrer eigenen Politik und daran, dass Sie zu viele Ankündigungen machen. Zum Schluss möchte ich noch einen Punkt ansprechen, der bisher nur wenig beachtet wurde: die Naturschutzpolitik bzw. die Biodiversität. Sie haben groß angekündigt, dass Deutschland Gastgeber der Biodiversitätskonferenz 2008 sein wird, und darauf hingewiesen, dass wir den Artenschutz ernst nehmen müssen. Ich sage Ihnen, Herr Gabriel: Sie nehmen den Artenschutz nicht ernst, wenn die 2,6 Millionen Euro für diese Konferenz im Haushalt zulasten des Naturschutzes gehen. Das heißt nämlich nichts anderes, als dass Sie am realen Artenschutz sparen, um wieder einmal auf einer Konferenz Ihre flotten Sprüche zu machen. Das geht zulasten des Inhalts. Deshalb werden wir das weiterhin kritisieren. Vielen Dank. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, in Ihrem eigenen Interesse noch den beiden vor der namentlichen Abstimmung verbleibenden Rednern Gehör zu schenken. ({0}) Das Wort hat der Kollege Marco Bülow von der SPDFraktion. ({1})

Marco Bülow (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003512, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Erst einmal herzlichen Dank an den Minister für seinen Einsatz in Nairobi und dafür, dass Deutschland auf dieser Konferenz eine Führungsrolle hatte, da Sie in Nairobi das vorgetragen haben, was Sie vorgetragen haben, und da Deutschland den Vorschlag gemacht hat: Wenn die EU ihren CO2-Ausstoß um 30 Prozent senkt, dann senkt Deutschland seinen CO2-Ausstoß um 40 Prozent. Das ist in der Welt gut angekommen. Nun müssen wir daran arbeiten, diese Vorgabe und diesen Auftrag an uns zu erfüllen. ({0}) Frau Höhn, ich kann verstehen, dass Sie mit Blick auf uns von Nervosität sprechen. Das kann man allerdings auch auf Sie beziehen: Vielleicht ist es ja so, dass auch die Grünen etwas nervös werden, weil die Koalition so viel für die erneuerbaren Energien tut, dass Sie bei diesem Thema nicht mehr so viel Spielraum haben. Eines müssen Sie mir aber erklären: Die Zahlen zum Klimaschutz und zur CO2-Einsparung für die Jahre 2003 und 2004 sind nicht veröffentlicht worden. Warum sind sie nicht veröffentlicht worden? Weil Ihr bzw. unser Ministerium damals nicht unbedingt wollte, dass diese Zahlen der Öffentlichkeit zugänglich sind. Wenn diese Zahlen schon früher veröffentlicht gewesen wären, wäre die Diskussion über das Zuteilungsgesetz vielleicht ganz anders. Das müssen Sie eingestehen. ({1}) Beim Haushalt dreht sich alles um das Geld. Geld ist natürlich wichtig; das wissen wir alle. Aber es kommt vor allen Dingen darauf an, wofür man es einsetzt. Am besten setzt man Geld in Bereichen ein, in denen es einen dreifachen Nutzen hat: dass CO2 eingespart wird, dass durch ein Investitionsprogramm Arbeitsplätze entstehen und dass dadurch vielleicht privates Geld akquiriert wird. Deswegen ist Ihr Subventionsbegriff schon etwas abenteuerlich. Wenn der Staat 1 Euro investiert und dies eine Investition privater Investoren in Höhe von 10 Euro nach sich zieht, ist das, wie ich finde, nicht nur einen Applaus wert, sondern dann sollte sich auch die FDP einmal dazu herablassen, uns ein wenig zu loben und zu unterstützen. ({2}) Herr Kauch, auch das mit der Dauersubvention haben Sie nicht richtig verstanden. Es ist so: Im Rahmen des Marktanreizprogramms wird Geld investiert. Wenn die Zahl der Anträge steigt und wir mehr Leuten Geld zur Verfügung stellen, dann ist der Betrag, den der Einzelne bekommt, geringer als der Betrag, den er noch ein paar Jahre zuvor bekommen hat. ({3}) Trotzdem gibt es genug, ja sogar immer mehr Menschen, die dieses Geld haben möchten. Das führt uns auf den richtigen Pfad. Ich glaube, wir müssen von der immer wieder angestellten betriebswirtschaftlichen Rechnung wegkommen, dass das Kosten sind. Das kann man nicht am Haushalt und auch nicht an einzelnen Investitionen festmachen. Vielmehr muss man genau überprüfen, insbesondere wenn man auf das Wachstum schielt, was wächst, welche Kosten entstehen und wo wir Kosten sparen. Wenn wir in erneuerbare Energien, in die Effizienztechnologie und in das Gebäudesanierungsprogramm investieren, dann wissen wir, dass jeder Euro, den wir heute einsetzen, dazu führen wird, dass wir eine Menge Euros einsparen. Das gilt sogar schon für unsere und nicht erst für die nachfolgende Generation. Das muss man immer wieder erwähnen. ({4}) Bei der Betrachtung des Haushalts müssen auch die externen Kosten berücksichtigt werden. Das möchte ich im Hinblick auf den Dieselruß erklären. Dieselruß, das sind Kleinstpartikel in der Luft, die den Menschen gesundheitlich belasten. Wenn wir Geld dafür bereitstellen und etwas dagegen tun, ist das nicht einfach eine Subvention, sondern eine Investition in unsere Gesundheit und die unserer Kinder. Deswegen appelliere ich noch einmal eindringlich an die Union, mit uns zusammen ein entsprechendes Gesetz zu machen. Ich glaube, das ist der richtige Schritt. Ich hoffe, dass wir da noch zusammenkommen werden - zum Schutz der Gesundheit. ({5}) In den USA gibt es ein Team von Wissenschaftlern, die jedes Jahr feststellen, wie viel an Umweltgütern und überhaupt an Lebensgütern wie schnell erschöpft sind, wie groß die Kapazität der Erde ist. Viele, so auch der WWF, nennen das den „ökologischen Fußabdruck“. Das Team in den USA berechnet einen „World Overshoot Day“: Das ist der Tag des Jahres, an dem die Menschen alles verbraucht haben, was ihnen eine sich selbst erhaltende Natur erst bis zum Ende des Jahres liefern kann: Fische, Holz, Getreide, Wasser usw. Dieser Tag war dieses Jahr bereits am 9. Oktober; dankenswerterweise hat Herr Vorholz in der „Zeit“ daran erinnert. ({6}) Wir sind also drei Monate vor der Zeit. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass die Industrieländer noch viel weiter vor der Zeit sind - denn in diese Berechnung fließen auch die Länder ein, die nicht so viel verbrauchen wie wir -, wissen wir, was unser Auftrag ist, was wir zu tun haben und was sich in unserer Politik und in unserem Haushalt niederschlagen sollte. Wir leben - das muss man sagen - über unsere Verhältnisse, nicht weil wir luxuriös leben und man uns unser Leben nicht gönnt, sondern weil wir teilweise noch in die falschen Dinge investieren. ({7}) Beispielsweise müssen wir uns noch immer anhören, dass die erneuerbaren Energien als Murks bezeichnet werden. ({8}) Insgesamt heißt das, das Geld gezielt einzusetzen. Das haben wir mit diesem Haushalt bewiesen. Das gilt natürlich nicht nur im Umweltbereich: Wir müssen überall schauen, was die Folgekosten sind und was uns wie erspart bleiben kann. Ich schließe mit einem Zitat von Guillaume Paoli, der in der „FAZ“ von gestern einen sehr lesenswerten Artikel über den Klimawandel und den Verbrauch der Ressourcen geschrieben hat: Doch wir, die heute am Leben sind, besitzen das schwindelerregende Privileg, an die Spitze der moralischen Verantwortung gelangt zu sein. Die Generationen vor uns wußten nicht, was sie taten. Die Nachkommenden werden wahrscheinlich gegen die Folgen unserer Handlungen nichts mehr tun können. Wir allein wissen und können zugleich. Das, sehr geehrte Damen und Herren, ist unser Arbeitsauftrag. Wir sollten ihn annehmen und entsprechende Politik machen - beim Haushalt, aber auch sonst. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letztem Redner zu diesem Einzelplan erteile ich das Wort dem Kollegen Dr. Georg Nüßlein von der CDU/CSU-Fraktion. Ich verbinde das mit der Bitte, ihm ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken und die Privatgespräche zu reduzieren. ({0})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich etwas zur Einpreisung von Zertifikaten sagen, weniger als Politiker als vielmehr als Ökonom. Zunächst einmal wundert mich die Irritation über die Windfall-Profits. Jedem, der etwas von der Materie versteht, muss klar sein, dass, wenn man externe Kosten einbeziehen will und man dies am Markt durchsetzen kann, sich dies in den Preisen widerspiegelt, sodass in der Konsequenz Strom teurer wird. Deshalb verstehe ich das Lamento nicht. Die Frage, die man damit verbinden muss, ist, wie man damit letztendlich umgeht. Da sind wir an dem Punkt, wo ich sage: Wenn man Zertifikate versteigern will - auch ein großer Teil der CDU/CSU will das -, dann ist das nicht heilbar, das heißt, es wird nicht billiger. Aber das Geld kommt an einer anderen Stelle an. Daher ist es eine ganz besondere Dreistigkeit, wenn die Energieversorger argumentieren, dann würde Strom noch teurer. Denn wenn man diese Kosten einmal eingepreist hat, kann man doch nicht dann, wenn aus den kalkulatorischen, aus den Opportunitätskosten tatsächliche Kosten geworden sind, diese noch einmal oben draufschlagen. Wo gibt’s denn so was?! ({0}) Ich glaube, wer so etwas vorträgt, der unterschätzt den wirtschaftlichen Sachverstand dieses Hauses ganz gewaltig.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Nüßlein, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Michael Kauch?

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Herr Kauch. ({0})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich hoffe, ich kann Sie verstehen, Herr Kauch.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Nüßlein, ich schätze es außerordentlich, dass in der Koalition offensichtlich ein gewisser volkswirtschaftlicher Sachverstand vorhanden ist. ({0}) Habe ich Sie aber richtig verstanden und den Applaus der Fraktionen von CDU/CSU und SPD richtig interpretiert, dass Sie sich damit in Widerspruch zum Bundesumweltminister setzen? Wenn ja, dann würde ich gerne wissen, wann Sie sich gegen Herrn Gabriel und Herrn Glos durchsetzen. ({1})

Dr. Georg Nüßlein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003602, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aus meiner Sicht hat der Herr Minister heute ganz deutlich gesagt, man werde sich dem Thema Versteigerung dann nähern, wenn keine Gefahr bestehe, dass die Strompreise dadurch wieder steigen. Ich sage: Aus Sicht des Ökonomen kann diese Gefahr nicht bestehen. Das heißt für mich, dass wir uns diesem Thema politisch nähern können. ({0}) Damit sind wir mitten beim Thema Energiepolitik. Ich bin der festen Überzeugung, dass Energietechnologie die Schlüsseltechnologie dieses Jahrhunderts sein wird. Wenn wir unseren Wohlstand sichern und bewahren wollen, dann müssen wir dafür sorgen, dass wir bei dieser Schlüsseltechnologie vorne dabei sind. Deutschland ist an dieser Stelle dank der großen Koalition auf einem guten Weg. ({1}) Nun könnte der eine oder andere leichtfertig sagen: Deutschland hat einen Anteil von 3,19 Prozent an dem weltweiten CO2-Ausstoß und deswegen fragen wir, was wir dort bewegen wollen. Ich glaube, wir haben eine doppelte Vorbildfunktion: Zum einen denke ich an die Anforderungen an unsere Industrie. Dabei sind die Entwicklungspolitik, die Wirtschaftspolitik und natürlich auch die Außenpolitik wichtige Bereiche. Zum anderen kommt es auch auf die Technologie an, die in unserem Land entwickelt wird. ({2}) Ich sage Ihnen: Wir müssen mit einem gewissen Stolz betonen - Nationalstolz ist mittlerweile ja wieder salonfähig -, dass die Industrie- und die Ingenieurleistungen made in Germany einen guten Ruf in der Welt haben. Diesen guten Ruf wollen wir auch im Bereich der Energietechnik ohne Scheuklappen ausbauen. Es geht von CO2-freien Kohlekraftwerken über die Sicherheitstechnik in Kernkraftwerken und den erneuerbaren Energien bis hin zur Energieeffizienz. Wir alle wissen, dass auch nach unserem Ausstieg weltweit Kernkraftwerke gebaut werden. Hier kommt es darauf an, dass wir mit unserem Know-how dabei sind, weil mir wohler ist, wenn diese mit deutscher Technik gebaut werden. ({3}) Gerade die erneuerbaren Energien sind aus Sicht der Union ganz entscheidend. Meine Damen und Herren von der FDP, ich sage ganz ausdrücklich an Ihre Adresse: Eine Schrittmachertechnologie wie die erneuerbaren Energien braucht natürlich Förderung und einen Anstoß. Sie rufen an dieser Stelle die ganze Zeit: Markt, Markt, Markt! Ich frage Sie: Welchen Markt meinen Sie? Meinen Sie den der Energieoligopolisten oder den der Mineralölkonzerne? Welchen Markt meinen Sie denn letztendlich? ({4}) Beim Thema Strom bitte ich zur Kenntnis zu nehmen, dass wir mit dem Stromeinspeisungsgesetz und in der Nachfolge mit dem EEG eine gute Grundlage bzw. einen Exportschlager haben. Das gilt auch für die auf diesem Gebiet entwickelte Technologie. Wir haben heute auch viel über das Thema Marktanreizprogramm gesprochen. Es geht doch nicht darum, Investitionen erst einmal in Gang zu setzen, sondern darum, die Menschen, die ohnehin Investitionen tätigen, weil sie ihre Heizungen erneuern müssen, zum Nachdenken darüber anzuregen, wie sie das Thema erneuerbare Energien dabei sinnvoll einbeziehen können. Das ist im letzten Jahr gut gelaufen - mit der Einschränkung, dass ab Mitte des Jahres kein Geld mehr dafür zur Verfügung stand. 150 000 Menschen konnten wir bei ihren Vorhaben unterstützen, 50 000 Menschen haben wir enttäuscht. Diese haben bei der BaFin angerufen. Ihre Gespräche sind auf dem Anrufbeantworter gelandet, der ihnen gesagt hat, dass der Anruf zwecklos ist und dass es vollständig sinnlos ist, sich bei der deutschen Bürokratie zu melden. Wenn wir das Programm durchführen und das Thema verstetigen wollen, müssen wir deshalb an dieser Stelle die Mittel aufstocken. ({5}) Diese Dinge hängen auch immer davon ab, wie sich die Märkte bzw. die Preise für fossile Brennstoffe entwickeln. Darin sind wir uns einig. Wenn es zu dem von der Internationalen Energieagentur prophezeiten kurzfristigen Rückgang des Ölpreises kommt, dann müssen wir uns über das Marktanreizprogramm hinaus Gedanken machen, wie wir politisch motiviert verstetigen können, dass Investitionen in diesem Bereich erfolgen, und wie wir im Interesse des Klimas, aber auch der Wirtschaft Kontinuität erreichen können. Dabei kommt es auf die Technologieführerschaft an, die man nicht erlangt, indem man wartet, bis der Markt einen zu technologischen Neuerungen drängt. Man erreicht sie nur dadurch, dass man sich frühzeitig darum bemüht. Insofern kann ich mir durchaus vorstellen, dass wir ein Wärmegesetz angehen, das jedem, der heute eine Heizung neu einbaut, einen bestimmten Anteil regenerativer Energie vorschreibt. ({6}) Wir machen den Bürgerinnen und Bürgern viele Vorschriften, beispielsweise mit Emissionskategorien. Das sollten wir auch in diesem Bereich offensiv tun; denn wie wir wissen, ist dies notwendig und zeitlich geboten. Beim Thema Biodiesel werden wir schmerzlich erleben, was passiert, wenn plötzlich der Ölpreis einbricht und wir nicht schnell genug in der Lage sind, instrumentell zu reagieren und sicherzustellen, dass der Biodiesel billiger ist als der fossile Brennstoff. Dann werden wir erleben, wie wichtig es ist, intensiv über die Instrumente nachzudenken, die wir an dieser Stelle einsetzen wollen. Wir, die große Koalition, tun dies im Sinne von Klima und Wirtschaft. Hierbei besteht die große Chance, Ökologie und Ökonomie sinnvoll zu verbinden. Herzlichen Dank. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 16, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 16/3478? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen aller Fraktionen bei Zustimmung der Fraktion Die Linke. Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 16/3512. Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Ich darf fragen, ob alle Urnen besetzt sind. - Das ist offenkundig der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Ich schließe den Wahlgang und bitte, auszuzählen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich bitte, Platz zu nehmen, damit wir die Sitzung fortsetzen können. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Anna Lührmann, Anja Hajduk, Alexander Bonde und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen zu der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltplans für das Haushaltsjahr 2007, hier: Einzelplan 16, bekannt. Abgegebene Stimmen 533. Mit Ja haben gestimmt 81, mit Nein haben gestimmt 452, Enthaltungen keine. Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 532; davon ja: 81 nein: 451 Ja DIE LINKE Hüseyin-Kenan Aydin Dr. Martina Bunge Sevim Dagdelen Dr. Diether Dehm Werner Dreibus Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Heike Hänsel Hans-Kurt Hill Inge Höger-Neuling Dr. Barbara Höll Dr. Lukrezia Jochimsen Dr. Hakki Keskin Monika Knoche Oskar Lafontaine Dr. Gesine Lötzsch Ulrich Maurer Kornelia Möller Kersten Naumann Wolfgang Nešković Dr. Norman Paech Bodo Ramelow Elke Reinke ({0}) Dr. Herbert Schui Dr. Ilja Seifert Dr. Petra Sitte Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck ({1}) Birgitt Bender Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Uschi Eid Hans Josef Fell Kai Gehring Britta Haßelmann Priska Hinz ({2}) Dr. Anton Hofreiter Ute Koczy Fritz Kuhn Renate Künast Undine Kurth ({3}) Markus Kurth Monika Lazar Dr. Reinhard Loske Jerzy Montag Kerstin Müller ({4}) Winfried Nachtwei Omid Nouripour Brigitte Pothmer Elisabeth Scharfenberg Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Dr. Gerhard Schick Rainder Steenblock Silke Stokar von Neuforn Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Josef Philip Winkler fraktionslos Gert Winkelmeier Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Albach Peter Altmaier Thomas Bareiß Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({5}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Otto Bernhardt Clemens Binninger Carl-Eduard von Bismarck Renate Blank Antje Blumenthal Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({6}) Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Monika Brüning Georg Brunnhuber Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Maria Eichhorn Georg Fahrenschon Dr. Hans Georg Faust Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({7}) Dirk Fischer ({8}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({9}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Peter Gauweiler Dr. Jürgen Gehb Norbert Geis Eberhard Gienger Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg Olav Gutting Holger Haibach Ursula Heinen Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Susanne Jaffke Dr. Peter Jahr Dr. Hans-Heinrich Jordan Andreas Jung ({10}) Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({11}) Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler ({12}) Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Dr. Martina Krogmann Johann-Henrich Krummacher Dr. Hermann Kues Dr. Karl Lamers ({13}) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Eduard Lintner Dr. Klaus W. Lippold Patricia Lips Stephan Mayer ({14}) Dr. Michael Meister Laurenz Meyer ({15}) Maria Michalk Hans Michelbach Philipp Mißfelder Dr. Eva Möllring Carsten Müller ({16}) Stefan Müller ({17}) Bernward Müller ({18}) Dr. Gerd Müller Hildegard Müller Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Peter Rauen Eckhardt Rehberg Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Franz Romer Johannes Röring Kurt J. Rossmanith Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({19}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({20}) Hermann-Josef Scharf Hartmut Schauerte Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({21}) Andreas Schmidt ({22}) Ingo Schmitt ({23}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Gero Storjohann Andreas Storm Thomas Strobl ({24}) Lena Strothmann Michael Stübgen Antje Tillmann Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg Peter Weiß ({25}) Gerald Weiß ({26}) Karl-Georg Wellmann Anette Widmann-Mauz Willy Wimmer ({27}) Elisabeth WinkelmeierBecker Matthias Wissmann Dagmar Wöhrl Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Dr. Lale Akgün Gregor Amann Gerd Andres Niels Annen Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Ernst Bahr ({28}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Dirk Becker Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Petra Bierwirth Lothar Binding ({29}) Volker Blumentritt Kurt Bodewig Clemens Bollen Gerd Bollmann Dr. Gerhard Botz Willi Brase Bernhard Brinkmann ({30}) Ulla Burchardt Martin Burkert Dr. Michael Bürsch Christian Carstensen Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Karl Diller Martin Dörmann Dr. Carl-Christian Dressel Garrelt Duin Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Gernot Erler Petra Ernstberger Elke Ferner Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Peter Friedrich Martin Gerster Iris Gleicke Renate Gradistanac Angelika Graf ({31}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Wolfgang Grotthaus Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Klaus Hagemann Alfred Hartenbach Michael Hartmann ({32}) Nina Hauer Hubertus Heil Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz ({33}) Gerd Höfer Iris Hoffmann ({34}) Frank Hofmann ({35}) Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Johannes Jung ({36}) Josip Juratovic Johannes Kahrs Ulrich Kelber Christian Kleiminger Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Walter Kolbow Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Jürgen Kucharczyk Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christine Lambrecht Christian Lange ({37}) Dr. Karl Lauterbach Helga Lopez Gabriele Lösekrug-Möller Dirk Manzewski Lothar Mark Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Markus Meckel Petra Merkel ({38}) Dr. Matthias Miersch Ursula Mogg Marko Mühlstein Detlef Müller ({39}) Michael Müller ({40}) Gesine Multhaupt Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Heinz Paula Joachim Poß Christoph Pries Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Maik Reichel Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Sönke Rix Karin Roth ({41}) Michael Roth ({42}) Ortwin Runde Anton Schaaf Axel Schäfer ({43}) Bernd Scheelen Marianne Schieder Otto Schily Ulla Schmidt ({44}) Silvia Schmidt ({45}) Heinz Schmitt ({46}) Carsten Schneider ({47}) Olaf Scholz Ottmar Schreiner Reinhard Schultz ({48}) Swen Schulz ({49}) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Angelica Schwall-Düren Rolf Schwanitz Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Dr. Ditmar Staffelt Andreas Steppuhn Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Dr. Peter Struck Joachim Stünker Dr. Rainer Tabillion Jella Teuchner Jörn Thießen Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Dr. Marlies Volkmer Hedi Wegener Andreas Weigel Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({50}) Dr. Rainer Wend Lydia Westrich Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Engelbert Wistuba Dr. Wolfgang Wodarg Heidi Wright Uta Zapf Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Dr. Karl Addicks Christian Ahrendt Daniel Bahr ({51}) Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Patrick Döring Mechthild Dyckmans Jörg van Essen Otto Fricke Paul K. Friedhoff Horst Friedrich ({52}) Dr. Wolfgang Gerhardt Miriam Gruß Joachim Günther ({53}) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Elke Hoff Birgit Homburger Dr. Werner Hoyer Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine LeutheusserSchnarrenberger Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Cornelia Pieper Jörg Rohde Frank Schäffler Dr. Konrad Schily Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Florian Toncar Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff ({54}) Martin Zeil Wir stimmen nun über den Einzelplan 16 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Einzelplan 16 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt I.17 auf: Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Drucksachen 16/3110, 16/3123 Berichterstattung: Abgeordnete Georg Schirmbeck Ernst Bahr ({55}) Roland Claus Alexander Bonde Es liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP und ein Entschließungsantrag der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor, über die wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner dem Kollegen Hans-Michael Goldmann von der FDP-Fraktion das Wort. ({56})

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeder, der sich durch das Land bewegt, der bei landwirtschaftlichen Betrieben reinschaut und reinhört, wer auf der Fachmesse Euro-Tier war, der stellt fest: Die Situation im Bereich der Landwirtschaft, insbesondere der Ernährungswirtschaft, hat sich deutlich verbessert. Es wird investiert, es entstehen Arbeitsplätze und es werden Marktchancen genutzt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Mein Gott, das hast du letztes Mal auch schon gesagt! - Lieber Georg Schirmbeck, bis jetzt war ich der Meinung, dass du ein Fachmann bist. Weil ich noch immer glaube, dass du einer bist, weißt du auch genau, dass diese Entwicklung mit der Agrarpolitik der großen Koalition überhaupt nichts zu tun hat. ({0}) Diese Entwicklung hat vielmehr damit zu tun, dass sich die Marktchancen ganz generell verbessert haben. Die Menschen verbrauchen wieder mehr, die Bevölkerung insgesamt wächst. In bestimmten Bereichen gibt es Konkurrenzsituationen. Das wirkt sich auf die Preise aus und führt in diesem Bereich zu einer Entwicklung, die wir als einzige schon vor Jahren immer wieder angemahnt haben: Unternehmerische Landwirtschaft, marktorientierte Landwirtschaft, global orientierte Landwirtschaft, das ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn es zusätzlich zu diesem Sachverhalt auch noch eine gute Regierung gäbe, dann wären die Marktchancen unserer landwirtschaftlichen Betriebe viel, viel besser. ({1}) Ich will das an Beispielen belegen. Sehr geehrter Herr Minister Seehofer, ich sage es immer wieder, aber es stimmt leider: Ihre Arbeit ist von Ankündigungen, von Aktionsprogrammen und von wirkungslosen Sofortprogrammen bestimmt. Und Ihre Arbeit ist leider auch von mangelnder fachlicher Durchdringung bestimmt. ({2}) Eine solche Konzeptionslosigkeit, sehr geehrter Herr Minister, führt dann auch dazu, dass Sie zwangsläufig den Bruch von Wahlversprechen begehen müssen, wie Sie das im Bereich der Grünen Gentechnologie, der Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Richtlinie und im Bereich der biogenen Kraftstoffe gemacht haben. Ich erinnere mich noch gut: Auf der Grünen Woche haben Sie gesagt - das liegt knapp ein Jahr zurück -: Jetzt kommt ein Handwerker, die Zeit der „Mundwerkerin“ ist beendet. - Die Realität sieht deutlich anders aus. Sie sind den Beweis von handwerklichem Können in diesem einen Jahr an jeder einzelnen Stelle schuldig geblieben. ({3}) Mit dem Gammelfleischskandal fingen die Probleme für Sie im Grunde genommen an. Natürlich begegneten Sie den ersten Herausforderungen mit einem Sofortprogramm, das nicht griff. Weil es dann noch ein neues Signal geben musste, nahmen Sie eine Umetikettierung mit einem 13-Punkte-Programm vor. Aber auch das zeigte keinen Effekt. Dann setzten Sie die EU-Richtlinie entgegen dem, was Sie immer versprochen hatten, eben nicht eins zu eins um. Sie wissen ganz genau, dass das ein schwerer Schlag für die Schweine- und Geflügelwirtschaft war. Auch das hätten Sie zum Beispiel auf der Fachmesse Euro-Tier hören können, wenn Sie da gewesen wären. Nein, Herr Minister Seehofer, Sie sind wirklich ein Minister der Ankündigungen geblieben, denen wenige Taten folgen. ({4}) Sie neigen dazu, Sprechblasen von sich zu geben und Luftballons aufsteigen zu lassen. Wahrscheinlich weil Sie aus Bayern kommen, fiel Ihnen ein: Man müsste eigentlich einmal ein Reinheitsgebot für Wein auf den Weg bringen. - Die Branche ist erschüttert, Fachleute aus Ihrer eigenen Fraktion sagen Ihnen: Da sind Sie völlig auf dem Holzweg, das ist eine Schnapsidee. - Und dann passiert auch nichts. Auf einmal fällt Ihnen ein: So ein nationaler Allergieplan, das wäre doch etwas; denn die Menschen haben doch Angst vor Allergien. - Sie legen nichts vor. Sie machen ein Verbraucherinformationsgesetz - darauf sind Sie wahrscheinlich auch noch stolz -, aber überzeugend ist das nun wirklich nicht. ({5}) Die Verbraucherrechte werden nicht wesentlich gestärkt und die Rechtssicherheit für die Unternehmen wird im Grunde genommen auch nicht gestärkt, sondern sogar geschwächt. Aber Sie geben nicht auf, sondern Sie setzen sich dafür ein, dass ein umfassendes Tabakwerbeverbot auf den Weg gebracht wird. ({6}) - Da nicken Sie auch noch. Das ist genau die Politik, die Sie, liebe Kollegin Heinen - das meine ich sogar wirklich ganz wörtlich, liebe Kollegin Heinen -, und Ihre Kolleginnen und Kollegen massiv bekämpft haben, ({7}) als Frau Künast solche Vorstellungen von Gut und Böse, also im Grunde genommen von Grün für gut und Rot für böse, hatte. ({8}) Ich befürchte, dass Ihre Werbeverbotsambitionen dazu führen werden, dass es demnächst ein Verbot von Süßigkeiten, von Alkohol, von Fast Food oder wovon auch immer geben wird. Wir, die FDP, setzen auf den mündigen Bürger. Selbst da habt ihr Schwächen. ({9}) - Kollege Zöllmer, Sie haben es nicht mitbekommen. Vielleicht haben Sie im Ausschuss wieder nicht aufgepasst. ({10}) In unserem Antrag wurde gefordert, dass die Mittel für die Verbraucherzentralen erhöht werden. Sie werden sich daran erinnern, dass Sie dagegen gestimmt haben. Es ist schon ganz spannend, zu sehen: Selbst wenn ein vernünftiger, ein kluger Antrag auf den Weg gebracht wird, stimmen Sie mit Ihren Partnern von der CDU/CSU dagegen. Das ist im Grunde genommen ein deutlicher Widerspruch zu Ihren anderen Äußerungen, die Sie ständig machen. ({11}) - Ganz friedlich, Herr Kelber. Kommen wir einmal auf die biogenen Kraftstoffe zu sprechen. Sind Sie stolz auf das, was diesbezüglich passiert ist? Glauben Sie, dass diese mittelstandsfeindliche Quotenlösung wirklich dazu beiträgt, diesen Bereich nach vorne zu bringen? Wenn Sie ein bisschen ehrlich zu sich selber sind, sind Sie dann nicht auch der Meinung, dass die Lösung, die Sie gefunden haben, eigentlich eine schlechte Lösung ist? ({12}) - Herr Zöllmer, ich sage noch einmal ganz klar - bei Ihnen dauert es immer ein bisschen länger -: Die Bauern sind vorne, die Politik nicht. ({13}) Mit der Mehrwertsteuererhöhung ist es genau dasselbe. Sie ist für Ihr Anliegen, den ländlichen Raum zu stärken, besonders schädlich. Die Einkommen im ländlichen Raum sind nämlich im Allgemeinen nicht sehr hoch. Dort leben viele Familien mit Kindern. Gerade für sie ist die Mehrwertsteuererhöhung schädlich. Jeder von Ihnen, der Ahnung hat - das sind einige -, weiß genau, dass die vor kurzem erhöhte Pauschalierung nicht den Schaden abdeckt, der den Landwirten durch die Mehrwertsteuererhöhung zugefügt wird. ({14}) Nennen Sie mir ein Beispiel für qualifizierten Bürokratieabbau! Prüfen Sie doch einmal, was sich der Deutsche Bauernverband von Ihnen als 100-Tage-Programm gewünscht hat! Kein einziger Punkt ist erfüllt worden. ({15}) Ich sehe mit großer Sorge einer möglichen erneuten Vogelgrippegefahr bei uns entgegen, weil auch in diesem Bereich viel zu geringe Anstrengungen unternommen worden sind, die Dinge wirklich in die richtige Richtung zu bringen. Ich könnte das fortsetzen. Wissen Sie eigentlich, welchen Schaden Sie den Bauern zufügen, wenn Sie die Erbschaftsteuer so regeln, wie Sie es bis jetzt beabsichtigen? ({16}) Wissen Sie, welchen Schaden Sie den Bauern zufügen, wenn das Vieh- und Fleischgesetz so ausgestaltet wird, wie Sie es bis jetzt vorhaben? Liebe Kollegen, ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Jeder, dessen Herz für den ländlichen Raum, für die Agrarpolitik, für die Ernährungspolitik und für die Ernährungswirtschaft schlägt und der auch den Verbraucherschutz im Auge hat, ({17}) der muss sagen: Nein danke, wir haben im ersten Jahr unter der neuen, großen Koalition schlechte Politik erlebt. Herzlichen Dank. ({18})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Georg Schirmbeck von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Georg Schirmbeck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003626, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Goldmann, das war eine vergleichsweise humane Rede. Ich habe den Anfang Ihrer Rede sehr gerne zur Kenntnis genommen. Sie haben dabei eigentlich das zitiert, was ich in meiner Rede in der ersten Beratung des Haushaltsgesetzes ausgeführt habe. Dass die Opposition überall ein bisschen mehr fordert, das ist akzeptiert. Wir müssen natürlich an der einen oder anderen Stelle einen Anstoß bekommen, damit wir uns noch mehr anstrengen. Das wollen wir auch; schließlich wollen wir marktwirtschaftlich denken und handeln. Nehmen wir das also einmal so hin. Ich wiederhole: Das war sehr human. Ich möchte mich bei Minister Seehofer, bei den Staatssekretären, bei den Mitarbeitern und bei den anderen Berichterstattern für das sehr angenehme Klima bei der Erarbeitung des Zahlenwerks, das wir morgen bei der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes zu beschließen haben, bedanken. Ich möchte mich ganz besonders bei Herrn Johannes und Herrn Dr. Kuhlmann bedanken. Entsprechend ihrer verbalen Ankündigung waren sie sogar nachts bereit, auf die eine oder andere Frage oder den einen oder anderen Hinweis einzugehen oder sogar ein neues Deckblatt zu schreiben. Das ist mehr als das, was man von Beamten eigentlich erwarten kann. ({0}) Ich möchte einen Satz zu dem sagen, was hier eben im Rahmen der Diskussion über den Umwelthaushalt geäußert worden ist. Wenn ich an Ingolstadt denke, habe ich eigentlich immer sehr positive Erinnerungen. Ich fahre nämlich seit 1992 ein Auto aus Ingolstadt. Dieses Auto wird nicht ganz normal, sondern mit RME, mit Rapsölmethylester, betrieben. Ich fahre damit ohne Probleme. Nach allem, was vorhin gesagt wurde, will ich nur darauf hinweisen: Das hat mir damals niemand verordnet. Dazu gab es kein Gesetz und keine Verordnung. Das ging. Das war auch erlaubt. Es war gut für die Umwelt. All denen, die so viel über Umwelt reden oder dieses und jenes fordern, kann ich nur sagen: Kameradinnen und Kameraden, fangt an, macht es! Das gilt für viele andere Bereiche auch. Eigentlich ist es doch so: Am besten funktioniert etwas, wenn sich der Staat heraushält und die Bürger mit Verstand etwas machen. ({1}) - Ich habe ein christliches, aber auch liberales Fundament. Das bekenne ich durchaus. 5,17 Milliarden Euro umfasst der Agrarhaushalt. 4 Milliarden Euro - das haben wir hier wiederholt festgestellt - sind für Soziales. Wenn man in bestehende Gesetze nicht eingreifen will - ich habe noch von niemandem gehört, dass er das will -, ist wenig zu beraten oder zu verändern. Wir dürfen hier feststellen, dass wir für alle, die auf diese sozialen Verpflichtungen, die wir haben, bauen, ein verlässlicher Partner sind und auch in der Zukunft sein wollen. Ein Thema, das wir auch hier schon wiederholt angesprochen haben, ist die Unfallversicherung. In dem Bereich müssen in den nächsten Wochen konkrete Taten folgen; denn mit jedem Monat, der weiter verstreicht, ehe wir handeln, wird es schwieriger, die 200 Millionen Euro, die wir als staatliche Unterstützung auch jetzt wieder zur Verfügung stellen wollen, aufzubringen. ({2}) Wir haben uns das als Aufgabe vorgenommen. Ich gehe davon aus, dass das Ministerium für uns entsprechende Vorlagen erarbeiten wird. Aber es reicht nicht aus, das einfach zu fordern. Da wird die eine oder andere Maßnahme notwendig sein, die auch an der einen oder anderen Stelle wehtut. Es ist ganz einfach, weiter so zu sagen oder auch nichts zu tun. Das ist aber keine Politik. Wir machen eine berechenbare Politik, was die GAK angeht. Wir haben da mittelfristig 615 Millionen Euro zur Verfügung. Es war sehr interessant, dass gerade ganz aktuell noch ein Antrag der Grünen verteilt worden ist. Da kann man sehen, wie der eine oder andere aus der Opposition so Politik macht. Bei der Beratung im Fachausschuss ist von den Sprechern der Grünen, unter anderem von Frau Höhn, gesagt worden: 200 Millionen Euro sollen zusätzlich für die GAK zur Verfügung gestellt werden. Ich habe dann ganz vorsichtig gefragt, ob das mit den Haushältern, etwa mit Frau Hajduk, abgesprochen sei. Das wurde bestätigt. Ich war nicht allein; da waren auch andere. Nachmittags war Haushaltsausschusssitzung, in der wir den Einzelplan beraten haben. Da habe ich gefragt: Wie ist es eigentlich mit den 200 Millionen Euro? Da waren es nur noch 50 Millionen Euro, die die Haushälter haben wollten. Da war man vielleicht ein bisschen realistischer bei dem, was man machen kann. Jetzt kommt hier wieder die Forderung nach 200 Millionen Euro. Wer so mit Zahlen jongliert, ist ganz einfach nicht ernst zu nehmen. Deshalb braucht man auch nicht weiter darauf einzugehen. ({3}) Ich habe mich hier schon wiederholt vergleichsweise kritisch zur GAK geäußert. ({4}) Bei dem Verordnungswerk, das auch jetzt wieder auf den Weg gebracht worden ist, kann man schon allein am Umfang erkennen, dass es vergleichsweise bürokratisch ist. Ich sage hier ganz deutlich: Ich habe es satt, mich abends für etwas zu entschuldigen, auf das ich tagsüber überhaupt keinen Einfluss gehabt habe und das ich auch am nächsten Tag kaum ändern kann. Deshalb werde ich als Hauptberichterstatter demnächst zu einem Berichterstattergespräch einladen. Dann werden wir einmal in allen Kleinigkeiten durchzugehen haben, was da auf PLANAK-Ebene an bürokratischen Regelungen herauskommt. Damit werden wir im Wahlkreis und darüber hinaus ganz konkret konfrontiert. Das kann es nicht sein. Darüber ist kritisch nachzudenken. Konkret ist auf den Weg gebracht worden - darauf sind Sie nicht eingegangen, Herr Kollege Goldmann -, dass die Ressortforschung überprüft wird und institutionell so verändert wird, dass sie zukunftsgerecht wird. Wenn über die Bedeutung eines Instituts nachgedacht wird, wird nicht jeder Hurra schreien. Aber auch hier muss man sagen: Wer glaubt, es müsse alles so bleiben, wie es ist, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Was das Ministerium hier vorgelegt hat, muss jetzt hinterfragt werden. Dazu kann jeder seine Ideen und Hinweise einbringen. Da muss an der einen oder anderen Stelle vielleicht noch gegengesteuert werden, muss das eine oder andere noch verändert werden, aber das, was das Ministerium hierzu auf den Weg gebracht hat, ist, glaube ich, sachgerecht. Wenn hier gesagt wird, das sei ein Abbruchunternehmen, geht das an der Wirklichkeit völlig vorbei. In der Tat ist es so, dass zukünftig mehr Mittel für die Ressortforschung zur Verfügung gestellt werden als je zuvor. Das kann man an den einzelnen Haushaltstiteln sehen. Ich kann das auch an einem Beispiel deutlich machen. Insbesondere auf Veranlassung des Kollegen Bahr wird es eine Abteilung 7 für die Risikobewertung von verbrauchernahen Produkten geben. Hier geht es in bestem Sinne um Verbraucherschutz. Das zeigt, dass wir nicht nur sparen, sondern umbauen und Ressortforschung da, wo es sachgerecht ist, auch aufbauen. Das tun wir natürlich auch, um an der einen oder anderen Stelle Haushaltsmittel freizusetzen, die wir dann an anderer Stelle ausgeben können. ({5}) Schließlich ist es uns auch gelungen, einen Titel für den Wald einzurichten, der ja ein Drittel der Fläche in Deutschland ausmacht. Der Ansatz hierfür beläuft sich zunächst einmal auf 1 Million Euro. Manches, was zum deutschen Wald gesagt wird, geht ja völlig an der Wirklichkeit vorbei. Es geht nicht darum, immer nur neue Erkenntnisse zu gewinnen oder etwas dreifach oder vierfach zu erforschen. Wir müssen vielmehr dafür sorgen, dass da, wo Handlungsbedarf besteht, auch gehandelt wird. Von daher ist es, wie ich meine, gut, dass hierfür ein neuer Titel mit einem Ansatz von 1 Million Euro vorgesehen wird. Meine Damen und Herren, von den Umweltpolitikern wurde eben schon einiges zu nachwachsenden Rohstoffen gesagt. Wir können natürlich darauf hinweisen, was wir in diesem Bereich bewegen und erreichen. Aber wenn wir ganz ehrlich sind, müssen wir doch zugeben, dass wir die Veränderungen auf den Märkten für nachwachsende Rohstoffe nur bedingt beeinflussen können. In Wirklichkeit hängen diese mit den globalen Veränderungen der Weltwirtschaft zusammen. Wenn Rohstoffe knapp werden, steigen die Preise. Das führt meist dazu, dass sich auch das Verhalten der Konsumenten ändert. Wenn es sich dann auch noch um eine umweltgerechte Verhaltensänderung handelt, ist das doch etwas Positives. Das zeigt, dass marktwirtschaftliche Elemente greifen. Das kann man nur unterstützen. Wenn es dann noch dazu führt, dass die Produzenten von nachwachsenden Rohstoffen, also Land- und Forstwirte, etwas mehr als in der Vergangenheit verdienen, ist das ein schönes Ergebnis, das wir gerne mitnehmen. Die Entwicklung geht jedenfalls in die richtige Richtung. ({6}) Schließlich und endlich wurde ja in den letzten Tagen hier - das wird sicherlich auch morgen noch geschehen darüber gestritten, welchen Anteil die Bundesregierung und die einzelnen Minister an der insgesamt positiven Entwicklung unserer Volkswirtschaft haben. Gerne wird ja einiges anderen Zauberkünstlern zugeschrieben. Beziehen wir das einmal auf Herrn Seehofer: Wenn zu häufig die Sonne scheint, sagt man, Seehofer ist schuld. Wenn es zu häufig regnet, sagt man, Seehofer ist schuld. Wenn aber etwas positiv läuft, kommt man nicht auf die Idee - um das einmal vorsichtig zu sagen -, dass er damit etwas zu tun hat. Die Gelehrten seit Ludwig Erhard sagen uns zu diesem Verhalten: 50 Prozent der volkswirtschaftlichen Entwicklung beruht auf Vertrauen und Psychologie. ({7}) Wenn das akzeptiert wird, dann ist es doch wohl so, dass diejenigen, die in unserer Volkswirtschaft etwas bewegen, mehr Vertrauen in diese Regierung und die Koalitionsfraktionen haben, als es in der öffentlichen Meinung manchmal dargestellt wird. Man kann das auch in Bezug zur Fußballweltmeisterschaft setzen, auf die ja Herr Westerwelle hier eingegangen ist, indem er sagte: Die glauben sogar an das, was sie sagen. Auch wir glauben in der Tat an das, was wir sagen. Wir wissen aber auch, dass dann, wenn die Fußballweltmeisterschaft nicht solch ein Erfolg gewesen wäre, man Frau Merkel dafür die Schuld gegeben hätte. Nachdem es jetzt aber so positiv gelaufen ist, darf die Regierung doch auch dieses Positive mitnehmen. Ich kann zum Schluss nur sagen: Die Zusammenarbeit mit dir, Ernst Bahr, war sehr gut. Wir werden sie fortsetzen und zusammen mit dem Ministerium unseren Bereich weiterhin positiv entwickeln. Es geht aufwärts. Lassen Sie uns so weitermachen! Herzlichen Dank. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann von der Fraktion Die Linke. ({0})

Dr. Kirsten Tackmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003853, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Lassen Sie mich gleich zu Anfang die zwei größten Sünden des Einzelplans 10 im Haushalt 2007 nennen: erstens die Senkung des Zuschusses an die landwirtschaftliche Unfallversicherung - das wurde schon angesprochen - und zweitens die aus meiner Sicht viel zu geringen Bundesmittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“. ({0}) - Ich habe nicht davon gesprochen, dass sie gesenkt wurden, sondern davon, dass sie zu gering sind. Wie ein schwarz-rosa Faden zieht sich folgender Grundsatz durch die Koalitionspolitik: Mittel- und langfristig werden vor allem Menschen benachteiligt, die ohnehin schon benachteiligt sind. ({1}) Dabei müssen die Umfrageergebnisse doch die Alarmglocken läuten lassen. Eine deutliche Mehrheit sieht ein Gerechtigkeits- und Demokratiedefizit in dieser Gesellschaft. Das hat, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch mit Regierungspolitik zu tun. Die Menschen erwarten zu Recht, dass der Gesetzgeber die Schwachen vor den Starken schützt und nicht umgekehrt. Das Sozialstaatsprinzip ist im Grundgesetz festgeschrieben. Dort steht ergänzend: Das Eigentum muss zum Gemeinwohl verwendet werden. Tatsächlich erleben wir aber, dass sich der Staat durch Steuersenkungen bei den Reichen und Reichsten selbst arm macht, um uns dann zu erklären, dass er sparen muss, vor allem bei den Menschen, die ohnehin wenig haben. Das ist eine sehr merkwürdige Logik. Nehmen wir das Beispiel der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Dass wir bei der LUV über einiges neu nachdenken müssen, ist unbestritten. Die Bemessungsgrundlage könnte sich stärker am tatsächlichen Unfallrisiko orientieren. Wir brauchen sicherlich auch mehr Transparenz und Gerechtigkeit bei den Beitragsbemessungen und effektivere Trägerstrukturen. Aber die Koalition streicht erst einmal 100 Millionen Euro Bundeszuschüsse. Das kann kaum ohne Folgen für die Beiträge bleiben. Die Streichung soll zwar 2007 aus mehreren Quellen kompensiert werden; aber das Ziel ist doch klar. Begründung ist die Kassenlage, und das, obwohl die Beitragszahlungen gerade denen am schwersten fallen, die auf die Versicherungsleistungen im Ernstfall am meisten angewiesen sind. ({2}) Um nicht falsch verstanden zu werden: Bestehendes zu prüfen, ist absolut richtig. Aber das Ziel der Überlegungen muss aus meiner Sicht eine landwirtschaftliche Unfallversicherung sein, die erstens leistungsfähig und zweitens bezahlbar ist. ({3}) Eine Privatisierung wird das nicht leisten, zumal Zwangsbeiträge nur in einer gesetzlichen Unfallversicherung europarechtskonform und verfassungsgemäß sind. Bei Privatisierungen müsste vermutlich die Versicherungspflicht für die Betriebe abgeschafft werden. Aus Sicht des Einzelnen mag das vielleicht sogar sinnvoll sein - solange nichts passiert. Aber wie dringend erforderlich die Unfallversicherung ist, zeigt ein Blick auf die so genannten Altfälle, also Verunfallte, für die Rentenzahlungen erfolgen. Circa 400 Millionen Euro werden dafür pro Jahr gebraucht. Wer will angesichts einer solchen Summe noch behaupten, dass die Unfallversicherung nicht benötigt wird? ({4}) Außerdem ist eine bezahlbare landwirtschaftliche Unfallversicherung auch im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Wer durch eine fehlende Unfallversicherung zum Sozialfall wird, muss letzten Endes doch wieder vom Staat bezahlt werden. Es gibt Beispiele dafür, dass ein solidarisches Versicherungssystem auch in der Landwirtschaft zukunftsfähig gemacht werden kann. Die Versicherungen im Gartenbaubereich zeigen, dass man durch Zentralisierung der Datenverwaltung und branchenspezifische Anpassungen Einsparungen realisieren kann. Vielleicht kann man sich das ja einmal ansehen und davon lernen. ({5}) Kommen wir zur zweiten Sünde, der Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“. Ich hoffe, Sie erwarten keine lobende Erwähnung dafür, dass Sie die Bundesmittel für 2007 nicht noch einmal gekürzt haben. Das ist nämlich angesichts der dramatischen sozialen Situation in ländlichen Räumen viel zu wenig. ({6}) Minister Seehofer hat am 6. November 2006 in der „Passauer Neuen Presse“ einen Marshallplan für den ländlichen Raum angekündigt. Das würde aus meiner Sicht eine glatte Kehrtwende in der bisherigen Regierungspolitik erfordern. Aber mir fehlt der Glaube daran. Im Moment sind die Dörfer die großen Verlierer. Sie verlieren Kaufkraft, Bus und Bahn, Banken, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und dadurch die Zukunft, Familien und Kinder. Sie haben nicht nur weniger Bundesmittel im Einzelplan 10 als noch vor Jahren, sondern es fehlen gleichzeitig die Kofinanzierungsmittel der Länder und EU-Mittel aus der zweiten Säule. Die Konsequenzen aus den fehlenden Bundesmitteln sind in den Länderförderprogrammen abzusehen: Die Mittel für Agrarumweltprogramme werden massiv gekürzt, obwohl sie gerade in Regionen mit kleinbäuerlicher Struktur ein sozial stabilisierender Faktor mit zunehmender Bedeutung sind. ({7}) Die Förderung des ökologischen Landbaus wird reduziert, zum Teil sogar komplett gestrichen, obwohl die Nachfrage gerade in diesem Sektor durch inländische Produkte gar nicht mehr abgedeckt werden kann. Hier werden einer Zukunftsbranche die Chancen genommen. Auch die Ausgleichszulage wird nicht mehr vollständig gezahlt. Gerade mit den Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe aber könnten soziale, ökologische und ökonomische Interessen gemeinsam gedacht werden, was wir für dringend erforderlich halten. Mit ihnen könnte der benötigte strukturpolitische Handlungsspielraum in den ländlichen Räumen zurückgewonnen werden. Dabei geht es auch um den Erhalt von Kulturlandschaften, die mit der langen Tradition landwirtschaftlicher Nutzung verbunden sind. Europa hat die vielfältigsten agrarischen Kulturlandschaften. Das ist ein kulturelles Erbe, das es zu erhalten gilt. Das geht nicht ohne Arbeit. Diese muss vernünftig bezahlt werden. Dafür werden nicht gleich bleibend wenig, sondern mehr finanzielle Mittel gebraucht. ({8}) Auch beim jetzt diskutierten Konzept zur Agrarressortforschung - Herr Schirmbeck ist schon darauf eingegangen - werden vor allen Dingen wissenschaftliche Arbeitsplätze abgebaut. Dabei handelt es sich oft um die letzten Arbeitsplätze dieser Art in den ländlichen Räumen. Nach einem Marshallplan für den ländlichen Raum sieht das nun wirklich nicht aus. ({9}) Kommen wir nun zum Verbraucherschutz. Hier verhält es sich wie mit einer umetikettierten Packung Gammelfleisch. Von außen betrachtet könnte man zufrieden sein; immerhin ist der Etatposten erhöht worden. Was für eine schöne Verpackung! Aber beim Öffnen riecht es dann doch ranzig. Dieser Haushaltsplan wird weder den bestehenden noch den erkennbaren Problemen der Zukunft gerecht. Wir wissen, dass wir ein Problem bei der Durchsetzung des Verbraucherschutzes haben. Wir brauchen ein bundeseinheitliches Handeln; das kollidiert allerdings mit Länderzuständigkeiten. Die Fraktion Die Linke hat einen Bund-Länder-Staatsvertrag vorgeschlagen, um eine verbindliche Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu organisieren. Das Problem ist erkannt, aber unser Lösungsvorschlag wurde abgelehnt. In einem anderen Fall haben Sie genau diese Lösung angewendet. Oh Wunder, der Anstoß kam durch die Pflicht, eine EU-Verordnung auf nationaler Ebene umzusetzen. Ohne das übliche Kompetenzgerangel wurde das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, obwohl Bundesbehörde, als zentrale Verbindungsstelle zu den europäischen Mitgliedsländern installiert. Es soll künftig alle ausländischen Rechtshilfeersuchen entgegennehmen und bundesweit die Kompetenz zur Durchsetzung des Verbraucherschutzes gegenüber deutschen Firmen haben. Es geht doch! ({10}) Das Merkwürdige ist: Im Ausschuss wurde mir gesagt, dass für diese Aufgabe keine zusätzlichen Mittel notwendig sind, was mich ein bisschen gewundert hat. Im Haushaltsplan steht jetzt, dass im BVL zum 1. Juni 2006 rund 46 Stellen unbesetzt waren; gleichzeitig wird aber der Personaletat um 2,18 Millionen Euro erhöht. Ich habe schon in der ersten Lesung des Haushaltes nachgefragt, wie denn die Erhöhung der Mittel beim BVL und beim BfR sachlich begründet wird. Das bleibt für mich auch nach den Haushaltsverhandlungen sehr nebulös. Aber kommen wir noch einmal auf die ländlichen Räume zurück. Auch hinsichtlich der Verbraucherberatung werden sie abgehängt. Die Bundesregierung fördert - das ist gut - die Angebotsseite der Verbraucherberatung wie zum Beispiel den Verbraucherzentrale Bundesverband. Wie aber die Verbraucherinnen und Verbraucher an die Informationen kommen, bleibt ihnen selbst überlassen. Wer kein Internet hat, hat halt Pech. Dabei wissen wir doch, dass immer mehr ältere Menschen in den strukturschwachen ländlichen Räumen leben. Es ist also heute umso wichtiger, Informationszugänge barrierefrei und in möglichst geringer räumlicher Distanz zu ermöglichen. ({11}) Die Sicherung von Beratungsleistungen ist außerdem besonders wichtig für sozial Benachteiligte, die sich Internet und Fax nicht leisten können. Auch Bürgerinnen und Bürger mit eingeschränkter Mobilität haben ein Recht auf erreichbare Informationsangebote. Wir brauchen Antworten auf die Ausdünnung der Beratungsnetze und die steigenden Mobilitätskosten. Die Linke hatte dazu für den Haushaltsplan 2007 ein Modellprojekt vorgeschlagen. In den strukturschwachen Räumen sollten die Kommunalstrukturen für die Verbraucherberatung genutzt werden. Beispielsweise Gemeindeverwaltungen oder fahrende Bibliotheken könnten den Beratungswunsch von Verbraucherinnen und Verbrauchern entgegennehmen und im Internet die zuständige Verbraucherzentrale heraussuchen. Die relevanten Dokumente könnten dort auch gleich eingescannt und an die zuständige Verbraucherzentrale übermittelt werden. Damit uns nicht wieder der Vorwurf gemacht wird, wir könnten nur Geld ausgeben, haben wir sogar vorgeschlagen, die 142 000 Euro durch Umschichtungen gegenzufinanzieren. Aber leider ist auch hier der Ablehnungsreflex der Koalition offensichtlich schneller als der Prozess des Nachdenkens. ({12}) Denn das Problem bleibt doch: Im Verbraucherschutzindex 2006 des vzbv wird bereits für sechs Bundesländer die Erreichbarkeit der Beratungsstellen als nicht ausreichend oder ungenügend ausgewiesen. ({13}) Dass der Haushaltsausschuss angesichts eines Etats von 5,2 Milliarden Euro für den Einzelplan 10 diesen 142 000 Euro nicht zugestimmt hat, zeigt, welchen Stellenwert die Probleme der Menschen im ländlichen Raum bei Ihnen haben. ({14}) Fazit: Dieser Haushaltsplan ist aus unserer Sicht eine Mogelpackung; die Zukunftsfähigkeit wird vorgetäuscht. Deswegen werden wir den Einzelplan 10 ablehnen. Recht herzlichen Dank. ({15})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Ernst Bahr von der SPDFraktion.

Ernst Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002620, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich muss zunächst ein paar Vorbemerkungen machen, bevor ich zu dem komme, was ich eigentlich ansprechen möchte. Herr Goldmann tat in den letzten Tagen - auch gestern auf unserem parlamentarischen Abend - wiederholt so, als sei all das, was gut sei, ein Selbstläufer, als komme es von allein. Für all das, was schlecht sei, sei jedoch die Regierung verantwortlich. Herr Goldmann hat in den letzten Jahren in dieser Hinsicht keinen Wandel und keinen Erkenntnisgewinn gezeigt. Das finde ich ein bisschen bedauerlich. Ich muss mich aber freudig darüber äußern, dass Sie heute relativ milde waren. Insofern kann ich Ihnen ein richtiges Lob für Ihre etwas gemilderte Kritik aussprechen. ({0}) Eine weitere Vorbemerkung. Was die Vertreter der Partei Die Linke mit großem Selbstverständnis hier auf den Tisch legen, ist für mich als Ostdeutschen wirklich erschütternd. Ich muss hinzufügen: Frau Tackmann und ich kommen aus demselben Wahlkreis; wir sind in der gleichen Gegend zu Hause. Das Katastrophenszenario, das Frau Tackmann hier beschrieben hat, kann ich so überhaupt nicht bestätigen. Denn gerade in der Landwirtschaft im Nordwesten Brandenburgs hat sich eine gute Entwicklung ergeben. Die dortigen Landwirte aller Wirtschaftsformen befinden sich in einer sehr guten Situation. ({1}) Natürlich gibt es Probleme; natürlich gibt es Aufgaben. Wo wären wir denn, wenn das nicht so wäre? Aber die landwirtschaftlichen Strukturen haben sich stabilisiert. Die Landwirte haben eine solide Grundlage für ihre Arbeit. Das ist der eine Punkt. Der andere Punkt ist: Die Gesamtsituation in diesem Wahlkreis kann sich sehen lassen. Wer die Situation schlechtredet, der redet über die Leistungen der Menschen vor Ort schlecht. ({2}) Die Leistungen, die diese Menschen in 16 Jahren vollbracht haben, muss man lobend erwähnen. Natürlich gibt es auch in diesem Bereich noch einige Probleme. Das Leben ist nun einmal so. Es gilt, Aufgaben zu erfüllen. So haben auch wir in unserem Bereich besonders viele und besonders schwierige Aufgaben; aber diesen stellt man sich anständigerweise.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Bahr, ich kann Ihre Sätze kaum unterbrechen. Die Frau Kollegin Tackmann würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. ({0})

Ernst Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002620, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gern.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön.

Dr. Kirsten Tackmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003853, Fraktion: DIE LINKE. (DIE LINKE.)

Herr Kollege Bahr, Sie haben unseren gemeinsamen Wahlkreis angesprochen. Ist Ihnen bekannt, dass der Landkreis Ostprignitz-Ruppin beim Pro-Kopf-Einkommen aller Landkreise in der Bundesrepublik - wir haben insgesamt 439 - auf Platz 419 steht und dass mit einem Durchschnittseinkommen von 11 000 Euro pro Jahr ein Erwerbsniveau besteht, das man jedenfalls aus meiner Sicht nicht so beschreiben kann, wie Sie das hier getan haben, nämlich dass alles in Ordnung ist?

Ernst Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002620, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Dr. Tackmann, diese statistische Auswertung ist aus meiner Sicht sehr zu hinterfragen. Ich will nicht sagen, wer sie gemacht hat; das ist mir fast egal. Es stehen in der Tat einige Zahlen darin, die die Realität beschreiben. Eines steht aber fest: Das, was Sie jetzt beschreiben, ist keine Katastrophe. Wenn Sie von Schwierigkeiten reden würden, dann würde ich Ihnen zustimmen. Wenn Sie von Aufgaben oder Veränderungserfordernissen sprechen würden, dann wären wir uns einig. Aber dann sollte man die Menschen motivieren, ihre Probleme zu beheben, und nicht das Ganze schwarz malen. Ich will diese Gelegenheit noch für Folgendes nutzen: Was von Vertretern Ihrer Partei, aber teilweise leider auch von anderen in diesem Zusammenhang immer vorgebracht wird! Es wird gesagt, dass es kein Wunder ist, dass wir in dieser Region Rechtsextremismus haben; denn die Menschen haben keine Ausbildung und keine Arbeitsplätze. Wer so argumentiert, vertritt eine gefährliche Linie, weil er unterstellt: Wer keine Arbeit hat, muss rechtsradikales Gedankengut haben. ({0}) Wo sind wir eigentlich, dass wir eine solche Argumentation verwenden? ({1}) - Gehen Sie einmal zu den Diskussionsrunden! Es sind hauptsächlich Ihre Anhänger, die den Menschen sagen, wie schlecht es ihnen geht und dass man sich nicht zu wundern braucht, dass es da Rechtsradikalismus gibt. Das ist die Realität. ({2}) Ich sage Ihnen: Wer auf diese Weise eine Begründung für Rechtsradikalismus liefern will, macht eine wirklich gefährliche Argumentation auf. Deswegen warne ich davor, das zu machen. ({3}) Ich sage es noch einmal kurz gefasst: Die Probleme und Schwierigkeiten, die auch in unserer Region vorhanden sind, muss man akzeptieren, aufnehmen und dagegen angehen. Dafür tun wir eine ganze Menge. Aber das, was die Menschen in Ostdeutschland geleistet haben, als Katastrophe darzustellen, lasse ich nicht zu. ({4}) Wir haben glücklicherweise nicht nur die Kriterien des Grundgesetzes und die der EU, nämlich die Stabilitätskriterien, erfüllt, sondern wir haben im Einzelplan 10 wieder erreicht, uns konkret den Aufgaben zu stellen. Das bedeutet nicht, dass wir bei den Titeln inhaltlich etwas verändern mussten. Die Titel sind im Wesentlichen über Jahre gleich geblieben. Wir haben die Beträge, die in den einzelnen Titeln veranschlagt wurden, auch in diesem Haushaltsjahr im Wesentlichen beibehalten. Wir haben allerdings die Mittel in den Bereichen, in denen zu erwarten ist, dass die Abrufung der Mittel nicht besser wird, etwas gekürzt. Bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung haben wir sichergestellt, dass die notwendigen Zuschüsse fließen. ({5}) Es ist uns bewusst, dass das in Zukunft nicht mehr so sein kann. Deswegen ist es notwendig - das habe auch ich persönlich hier mehrfach gefordert -, dass wir nicht nur die landwirtschaftliche Unfallversicherung, sondern die gesamte agrarsoziale Absicherung neu gestalten. Ich hoffe, wünsche und fordere, dass das in der Folge der Gesundheitsreform auch geschieht. ({6}) - Das werden wir, Herr Goldmann, darauf können Sie sich verlassen. Wir werden zeigen, dass wir uns der Aufgabe bewusst sind und uns dieser Aufgabe stellen. ({7}) Wir haben den Verbraucherschutz weitgehend gesichert und so stabilisiert, dass er wie in den vergangenen Jahren durchaus erfolgreiche Arbeit leisten kann. Es ist eine Leistung, dass man die Ansätze stabil halten konnte; das sehe ich persönlich jedenfalls so. Das gilt genauso für die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“. Man kann es sich nicht so leicht machen und einfach sagen: Da müsste mehr sein. Da werden irgendwelche Showfinanzierungen genannt, die man nicht realisieren kann. Wer ernsthaft Politik betreibt, der muss sagen, wo das Geld herkommen soll. Ich halte es für eine gute Leistung, die Ausstattung bei allen Sparmaßnahmen stabil zu halten. Wir haben in den Bereichen, wo es notwendig ist, sogar eine Aufstockung vorgenommen. Einer dieser Bereiche ist der Forschungsbereich. Wir haben die Mittel für diesen Bereich aufgestockt und im Rahmen des Innovationsprogramms der Bundesregierung noch einmal zusätzliche 20 Millionen Euro aufgelegt. Das heißt, insgesamt stehen dann 50 Millionen Euro mehr für Forschung Ernst Bahr ({8}) zur Verfügung. Das ist ein Betrag, der sich gerade unter Einsparzwängen sehen lassen kann. ({9}) Ich möchte noch den Bereich der nachwachsenden Rohstoffe ansprechen. Hierzu gehört nicht nur die Förderung, die wir weiterhin leisten. Hier sind wir auch dabei, die Forschungseinrichtungen umzustrukturieren. Minister Seehofer hat uns eine Konzeption vorgelegt, die jetzt diskutiert und dann beschlossen werden muss. ({10}) - Sicher, es ist klar, dass sich zunächst einmal die Regierungsparteien damit beschäftigen. Das ist doch ganz normal, das sehe ich nicht als Problem an. ({11}) - Sobald wir gemeinsam beraten, bekommen Sie alle ganz sicher die Unterlagen und können damit genauso arbeiten wie wir. ({12}) Ich gehe davon aus, dass wir eine anständige Diskussion dazu führen werden, die alle Abwägungen trifft, die notwendig sind. Dass die Ressortforschung umstrukturiert werden muss, ist unumgänglich. Die Frage ist hierbei nicht, wie viele Standorte umstrukturiert werden müssen oder wie viele Arbeitsplätze davon betroffen sind, sondern wie die Aufgaben, über die die Bundesregierung beraten muss, wahrgenommen werden können. Ich denke, das wird in diesem Konzept sehr ordentlich berücksichtigt. ({13}) Wir haben aber noch Gestaltungsmöglichkeiten. Für die Gemeinschaftsaufgabe - das sagte ich schon steht ein Betrag von 615 Millionen Euro zur Verfügung. Das geht bis 2010 so weiter. Dass wir nicht absenken mussten, ist für mich schon erfreulich. Das unterstreicht auch, dass durch die Gemeinschaftsaufgabe ein wichtiger Beitrag für die Koordination der Landwirtschaftspolitik geleistet wird. ({14}) Wir haben das Problem der Stellenkürzungen. Es ist schwierig, mit diesem Problem umzugehen; das ist wohl in allen Bundeseinrichtungen, nicht nur in den Ministerien, zu spüren. Die pauschalen Kürzungen, die wir in den vergangenen Jahren vorgenommen haben, führen zu Schwierigkeiten in der Fach- und Altersstruktur. Wir müssen überlegen, wie wir da weiterkommen. Eine Reduzierung der Stellenkürzungen von 1,5 auf 1 Prozent war eigentlich vorgesehen. Wir haben die Kürzungen jetzt auf 1,2 Prozent festgesetzt. Ich denke, das ist angemessen. Schließlich müssen wir die Arbeitsfähigkeit der Bundesbehörden sicherstellen. Wir erwarten, dass die Bundesregierung einen entsprechenden Bericht vorlegt, sodass weitere Kürzungen sachgemäßer und spezifischer vorgenommen werden können. Wir haben in vielen Bereichen Änderungen vorgenommen, die aber nicht im Sinne der Beträge gravierend sind, sondern die Schwerpunkte setzen. Ich verspreche mir davon, dass wir sehr wohl in der Lage sind, im Jahr 2007 erfolgreiche Politik für den ländlichen Raum zu gestalten. Herzlichen Dank. ({15})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort der Kollegin Ulrike Höfken, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Koalition hat ihren ersten Geburtstag und weil die Gratulationen ausbleiben, beweihräuchert sie sich selbst. Die Regierung spricht mit der Regierung. Die eine Seite des Hauses spricht mit der anderen Seite des Hauses. Es werden - das kann man schon so sagen - Geisterhausdebatten geführt. Was bleibt, ist das Prinzip - Wie haben Sie es ausgedrückt? „Psychologie und Hoffnung“. ({0}) Die positiven Entwicklungen in der Landwirtschaft, die ich mit Begeisterung beobachte und mit Nachdruck unterstütze, haben mit Ihrem ersten Regierungsjahr wenig zu tun. Für die Gewinnzuwächse kann sich die Branche weitgehend bei Rot-Grün bedanken. ({1}) Das Problem ist, dass die positiven Weichenstellungen an allen möglichen Stellen von Schwarz-Rot eingerissen werden und gerade die innovativen Bereiche der Landwirtschaft und des Verbraucherschutzes wieder ins Abseits geraten. ({2}) Die Rahmenbedingungen für die positive Entwicklung haben die Grünen wesentlich geprägt: ({3}) die Ausgestaltung der Agrarreform und die Unterstützung der gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft im Tier- und Umweltschutz sowie in der Qualitätsentwicklung, der Schub bei den erneuerbaren Energien und den nachwachsenden Rohstoffen, die aus der Nische herausgetreten sind, der Boom der Biobranche, die zweistellige Zuwachsraten zu verzeichnen hat, neue, erfolgreiche Wege bei der ländlichen Entwicklung, zum Beispiel „Regionen Aktiv“; die Fortschritte im Verbraucherschutz und die erfolgreichen Ansätze zur Verbesserung der Ernährungssituation, zum Beispiel von Kindern durch die PEB, die noch heute Morgen von Wirtschaft und Verbänden hoch gelobt wurde. ({4}) Bauernverbandspräsident Sonnleitner hatte die Bauernbefreiung ausgerufen und das Landvolk damit an die Urnen gelockt. Die bayerischen Betriebe erfahren gerade, was es bedeutet, dass von ihnen zwar weiterhin die Pflege der Kulturlandschaft und die Reinhaltung der Gewässer verlangt werden - das steht ja im Gesetz -, die gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft aber nicht mehr unterstützt werden. Seehofer und Merkel haben hinter verschlossenen Türen in der EU die Streichung von mindestens 700 Millionen Euro - mit den nationalen Kofinanzierungsmitteln für die Förderung der ländlichen Räume - einstecken müssen. Unsere Nachbarländer, zum Beispiel Österreich und Luxemburg, konnten demgegenüber in diesen förderungsfähigen, übrigens auch WTO-kompatiblen Bereichen deutliche finanzielle Zuwächse verzeichnen. In der Grenzregion erfahre ich deren schmerzliche Auswirkungen. Umweltund Tierschutz werden platt gemacht, indem ihnen die Förderung entzogen wird. Minister Gabriel - er ist nicht mehr anwesend - hätte im Kabinett vielleicht ein Wörtchen dazu sagen können. Zu diesem riesigen umweltrelevanten Bereich sagt er aber kein Wort. Ganz drastisch ist die Ökobranche betroffen. Die Biobauern müssen ab dem 1. Januar 2007 - dann kommt die Stunde der Wahrheit - auf rund 40 Prozent ihrer Fördermittel verzichten, und das, obwohl aufgrund der starken Verbrauchernachfrage dringend neue Betriebe gebraucht würden. Die Betriebe können die kostspielige Umstellung auf die ökologische Bewirtschaftung aber nicht allein bewältigen. Frau Dött hat in der Umweltdebatte Tränen verdrückt. Sie hat ihrer Sorge Ausdruck verliehen, dass die Situation von Importen nachwachsender Rohstoffe bestimmt werden könnte. Genau das Gleiche gilt für die Ökoprodukte: Die Bauern im Ausland können von der deutschen Verbrauchernachfrage profitieren. Das kann doch wohl nicht der Sinn deutscher Agrarpolitik sein. ({5}) Genauso ist es bei der Biokraftstofferzeugung. Mit der Besteuerung des Biokraftstoffs wurde dieser neue Weg von Schwarz-Rot stillgelegt. Der Bundesverband der Agrargewerblichen Wirtschaft hat gestern ganz deutlich gesagt: Neue Produktionsanlagen konnten nicht mehr in Betrieb gehen. In Zukunft unterliegt die ganze Branche aufgrund des Beimischzwangs dem Monopol der Ölkonzerne und liegt nicht mehr in den Händen des ländlichen Mittelstands. ({6}) Viele Förderprogramme für den ländlichen Raum werden ganz gestrichen oder nur noch mit gekürzten Alibifördersätzen angeboten. Das ist doch wohl reichlich absurd. Mit der Mehrwertsteuererhöhung, der Versicherungsteuererhöhung, der Erhöhung der Beiträge zur Rentenund Krankenkassenversicherung sowie der Senkung der Entfernungspauschale werden die Verbraucherinnen und Verbraucher netto massiv belastet. ({7}) Das trifft vor allem die Armen. Das ist übrigens gerade in Rheinland-Pfalz nachzuforschen. Der Ausgleich durch die kleine Absenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ist lächerlich. Damit werden auch die Spielräume für die Konjunkturerholung im Lebensmittelhandel gefährdet und der Dumpingdruck auf die Bauern massiv erhöht. Dagegen würde auch kein zahnloses Antidumpinggesetz helfen. Herr Kelber, Steuererhöhungsparteien waren RotGrün nun wirklich nicht. Das alles ist nur weiße Salbe, ebenso wie die Erhöhung der Vorsteuerpauschale. In diesem Haushalt gibt es keine Anstrengungen, die positiven Entwicklungen der Landwirtschaft und der Verbraucherpolitik zu stärken. Stattdessen ist es ein Scheinhaushalt, der die von Frau Merkel herbeigeführten drastischen Einbrüche bei den Mitteln aus der Brüsseler Kasse nur verdeckt und nicht einmal ansatzweise kompensiert. Genau das aber haben wir in unseren Anträgen gefordert, lieber Kollege. ({8}) Wir haben gefordert, die drastischen Verluste in diesem Bereich zu kompensieren. Ich danke Ihnen. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort dem Bundesminister Horst Seehofer. ({0})

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was soll ich jetzt noch sagen? ({0}) Die Lage in der Landwirtschaft ist gut. Ich bin zufrieden. Der Standort beim Verbraucherschutz ist hervorragend. Ich bin zufrieden. Die Zusammenarbeit in den Koalitionsfraktionen ist gut. Ich bin zufrieden. ({1}) Die Zusammenarbeit mit den Haushaltspolitikern und der Haushalt selbst sind gut. Herr Bahr, lieber Herr Schirmbeck, ich danke Ihnen. Ich bin zufrieden. Auch mit Ihnen, Herr Goldmann, bin ich zufrieden. ({2}) Der ganze Streit scheint nur darum zu gehen, dass die Lage gut ist, wir eine zutreffende Analyse haben und man sich fragt, wer für diese gute Lage verantwortlich ist. ({3}) Dazu muss ich Ihnen sagen: Eine so komfortable Situation habe ich in 25 Jahren Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag noch nicht erlebt. ({4}) Die Lage ist gut. Das kann bis zum Ende der Legislaturperiode so bleiben. ({5}) - Ihr Kommentar ist schlecht. Doch so ist es mir lieber. Denn wenn Ihr Kommentar gut wäre und die Lage schlecht, dann müssten wir das ändern. ({6}) Ich sage Ihnen, Herr Goldmann, warum ich mit Ihnen zufrieden bin. ({7}) - Ich meine das gar nicht ironisch. ({8}) Ihre Rede hatte jetzt zum dritten Mal hintereinander den gleichen Inhalt. Ich habe mir das vorher aufgeschrieben. Sie haben gesagt: Gammelfleisch, Schweinehaltung, Wein, VIG, Tabakwerbeverbot und die Mehrwertsteuererhöhung. Das habe ich jetzt schon dreimal gehört. ({9}) Deshalb glaube ich, dass ich keine parlamentarische Verpflichtung habe, noch einmal darauf einzugehen. Sie bekommen von mir die Antworten aus meiner letzten Rede zu den Punkten, die Sie angeführt haben. Das ist auch das Gleiche. ({10}) - Sie müssten einmal eine neue Rede halten, dann würde ich auch wieder zuhören. ({11}) Sie haben dreimal das Gleiche gesagt. Uns fällt ja auch nicht jeden Tag etwas Neues ein, aber ein bisschen variieren sollte man schon. ({12}) Jetzt komme ich dazu, warum ich mit der Lage der Bauern, der Landwirtschaft zufrieden bin. Heute titelt die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“: Die Bauern erwarten steigende Gewinne. Betriebe in Niedersachsen wollen kräftig investieren. - Das gilt für die ganze Bundesrepublik Deutschland. Aber wir dürfen uns in Deutschland nicht freuen. Denn der Kommentar dazu lautet: Landwirte im Glück. Man kann sich in Deutschland gar nicht mehr vorstellen, dass auch der Fleiß und das Können eines Berufstandes dazu führen, dass investiert wird und Gewinne geschrieben werden. Deshalb ist der Kommentar falsch. ({13}) - Nein, mir ist völlig egal, ob Sie das auf die Politik zurückführen. Wichtig ist, dass es stattfindet, ({14}) weil die Bäuerinnen und Bauern eine ordentliche Leistung erbracht haben. ({15}) Sie sprechen immer den Verbraucherschutz an. Ich kann Ihnen sagen: Wenn ich in Europa unterwegs bin, stelle ich fest, dass uns meine Kollegen aus allen anderen Ländern um den Standort beneiden, den wir in allen Sektoren - vom Umweltschutz bis zum Tierschutz, vom Bodenschutz bis zum Gewässerschutz - in Deutschland erreicht haben. ({16}) Wir freuen uns darüber, dass dazu bereits unsere Vorgängerregierungen, aber auch wir selbst unter Helmut Kohl beigetragen haben und dass wir auch jetzt wieder daran mitwirken. ({17}) Das ist ein Anlass zur Freude. Deshalb bin ich mit dem Verbraucherschutz sehr zufrieden. ({18}) - Zum Thema Gammelfleisch kann ich Ihnen nur sagen: Das ist inzwischen wirklich ein abgenagter Knochen. ({19}) Ich habe mich in der Vergangenheit oft genug kritisch zu diesem Thema geäußert. Der zuletzt bekannt gewordene Fall wurde in Bayern aufgedeckt. ({20}) - Nein, Herr Goldmann. Wir sollten fair bleiben. Wenn die Ursache für einen solchen Vorfall meiner Meinung nach in falschen Strukturen oder in Fehlverhalten liegen würde, dann würde ich das sagen, egal ob er im Norden oder im Süden des Landes geschehen ist. ({21}) In diesem Fall hat jemand die Behörden mit großer Energie getäuscht ({22}) und auf eindeutige Fragen falsche Antworten gegeben. Er wurde ausdrücklich gefragt: Haben Sie weitere Kühlhäuser, in denen sich Fleisch befindet? Seine Antwort lautete Nein. Das von ihm verschwiegene Kühlhaus war sogar mit Möbeln und Gerätschaften zugestellt. Es war eine große Anstrengung erforderlich, um die Behörden so zu täuschen. ({23}) Trotz aller parlamentarischer Auseinandersetzungen dürfen wir eines allerdings nicht tun: die Schuld dafür, dass jemand solche Energie aufbringt, um die Behörden zu betrügen und zu täuschen, auf den Schultern der Politik abladen und sie dafür verantwortlich machen. ({24}) Ich weise Sie darauf hin: Das, was wir im Hinblick auf die deutsche Weinwirtschaft unternommen haben - die Stichworte lauten: Reinheitsgebot; „Kodex für Wein“ und Prädikatswein -, ({25}) wird auch auf europäischer Ebene zur Grundlage gemacht. ({26}) Gestern habe ich mit meiner irischen Kollegin über dieses Thema gesprochen. 20 Prozent des gesamten Marktanteils werden Prädikats- bzw. Qualitätsweine sein, die unter das Reinheitsgebot oder unter den „Kodex für Wein“ fallen. Wir haben unsere Ankündigungen also eingehalten. ({27}) - Ich lade Sie schon heute zur nächsten Internationalen Grünen Woche ein. Dann werden Sie die Reaktion der dort versammelten 5 000 Bauern erleben. ({28}) Nun zum Bürokratieabbau. Wir haben zwölf Bundesgesetze und exakt 53 Rechtsverordnungen abgeschafft. ({29}) - Das mache ich gleich. - Zum Beispiel haben wir einen BSE-Test ({30}) - nein -, der in Deutschland viele Jahre lang angewandt wurde und weit über das EU-Recht hinausging, eins zu eins an das europäische Recht angeglichen. ({31}) Jetzt sage ich Ihnen etwas zu den Cross-ComplianceKontrollen, den Kontrollen der Landwirte im Hinblick auf die Einhaltung von EU-Standards. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes hat sich bei mir für die Entlastungen und die Entbürokratisierung bedankt, ({32}) für die wir in den letzten Monaten gesorgt haben. ({33}) Zum Beispiel haben wir die Regelungen geschaffen, dass niemand wegen einer Bagatelle bestraft, sondern dass er beraten wird, dass die Kontrollen angekündigt werden ({34}) und dass Flaschenhalskontrollen durchgeführt werden dürfen. Es reicht nämlich aus, wenn Milch in der Molkerei überprüft wird. Wenn sie in der Molkerei in Ordnung ist, dann war sie nämlich auch im Stall in Ordnung. Denn das biblische Wunder, dass die Milch im Stall nicht in Ordnung ist, dass sie aber in der Molkerei in Ordnung ist, ist noch nicht beschrieben worden. Dafür hat sich der Präsident des Bauernverbandes bedankt. ({35}) Herr Goldmann, die Entbürokratisierung im Bereich der Cross-Compliance-Kontrollen wird ein Schwerpunkt unserer EU-Ratspräsidentschaft sein. Ich möchte nicht, wie Sie es immer tun, nur in den Rückspiegel schauen. ({36}) Wer beim Autofahren in den Rückspiegel schaut, fährt nämlich gegen die Wand. Ich beschäftigte mich lieber mit der Gegenwart und der Zukunft. Daher sage ich Ihnen: Dieser Haushalt hat ein Volumen von mehr als 80 Millionen Euro - dafür bedanke ich mich - und er verfügt über eine gesunde Struktur. Die Zuschüsse an die Landwirtschaftliche Sozialversicherung betragen 3,7 Milliarden Euro. Wissen Sie, was die Bauern dazu sagen? Sie bedanken sich dafür, dass die Koalition bei der Bezuschussung ihrer Sozialversicherung wieder für Stabilität und Verlässlichkeit gesorgt hat. ({37}) Das ist die Reaktion der Landwirte. ({38}) Liebe Frau Höfken, als ich mein Amt antrat, habe ich erfahren, dass den Bauern 200 Millionen Euro zugesagt worden sind. Tatsächlich standen für ihre Unfallversicherung allerdings nur 100 Millionen Euro zur Verfügung. Diesen Zustand haben wir sofort bereinigt und dafür gesorgt, dass für diesen Bereich, wie zugesagt, 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. ({39}) Es sind heuer 200 Millionen Euro und es werden auch im nächsten Jahr 200 Millionen Euro sein. Das ist Verlässlichkeit. ({40}) Die Mittel für die Verbraucherpolitik steigen auf 84 Millionen Euro. Das entspricht einer Erhöhung um 6 Prozent. ({41}) Es ist heute schon darauf hingewiesen worden, dass Zahlen der Ausdruck von Politik sind. Die Mittel für die Verbraucherpolitik werden also nicht zurückgefahren, sondern aufgestockt: 6 Prozent Steigerung trotz der schwierigen Gesamtlage des Haushaltes. Wir reformieren unsere Forschungsanstalten und machen sie schlagkräftig: 54 Millionen Euro, das sind knapp 50 Prozent mehr für die Forschung als zuvor. Forschung, sagt die FDP doch immer, ist Zukunft. ({42}) Also ist in diesem Haushalt eine ganze Menge Zukunft. ({43}) Wir haben 50 Millionen Euro für die nachwachsenden Rohstoffe vorgesehen. ({44}) - Ich mache nichts kaputt, ich kümmere mich um die Forschung. Das habe ich schon einmal so gemacht: mit dem Bundesgesundheitsamt. ({45}) Ich möchte, dass wir schlagkräftige Forschungseinrichtungen bekommen, die in Deutschland und weltweit Reputation haben. Das wird das Ergebnis sein. ({46}) Deshalb sage ich: Ich bin mit dem Haushalt zufrieden. Wir werden auf diesem Weg weitergehen. Wir haben, Peter Bleser und lieber Herr Kelber, in diesen zwölf Monaten alles erfüllt, was wir uns vorgenommen hatten. Wir haben noch einige große Werkstücke auf der Werkbank. Das eine ist die Gentechnik; ich spreche sie von mir aus an. Wir werden die Gentechnikgesetzgebung so reformieren, dass wir insbesondere in der Forschung die Chancen ergreifen können, die sich auf diesem Feld längerfristig ergeben können. ({47}) Ich sage noch einmal: Es stellen sich viele Fragen bei der Sicherheit und bei der Entwicklung. ({48}) Aber wir können diese Fragen nicht dadurch beantworten, dass wir die Forschung in Deutschland nicht durchführen. Wir werden morgen den Versuchsanbau in Gatersleben genehmigen. Denn wenn sich ein hoch entwickeltes Volk in Fragen der Sicherheit und Entwicklung künstlich unwissend hielte, das würde ich für eine unverantwortliche Politik halten. ({49}) Deshalb hoffe ich, dass wir uns in der Koalition auf saubere Regeln, wie die Forschung voranschreiten soll, verständigen. Bei der ökonomischen Anwendung ist es, was die Haftung und was die Feldabstände betrifft, ein ganzes Stück schwieriger. Aber auch darüber werden wir in der Koalition in den nächsten Wochen vernünftige Gespräche führen. Wir werden einen Entwicklungsschub der ländlichen Räume auslösen, indem wir den Dialog über die Zukunft der ländlichen Räume fortführen. ({50}) Wir nehmen uns dafür einige Monate Zeit, weil wir erst die Ziele formulieren und dann die Mittel bereitstellen wollen für den ländlichen Raum. Aber wichtig ist, dass wir unser Land nicht mit Metropolregionen alleine in die Zukunft führen wollen, sondern auch mit den ländlichen Regionen. ({51}) Wir sind relativ weit bei der Reform der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung. ({52}) Ein Kernproblem ist allerdings noch zu lösen - das ist der Grund für die Verzögerung, nicht die Reform der Strukturen oder der Ausgaben -: Wie es gelingt, dieses System von der Umlagefinanzierung zur Kapitaldeckung zu überführen. Das ist eine rein versicherungsmathematische Frage. Ich kann heute hier nicht versprechen, ob es gelingt. Aber diese große Aufgabe verdient es, dass man sich ernsthaft mit ihr auseinander setzt.

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Herr Minister, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Horst Seehofer (Minister:in)

Politiker ID: 11002140

Wir werden die nachwachsenden Rohstoffe und alles, was damit zusammenhängt, massiv weiter befördern: Biokraftstoffe, Biomasse und Bioenergie. ({0}) Wir werden bei der EU-Ratspräsidentschaft, die wir am 1. Januar übernehmen, auf diese Ziele hinarbeiten. Ich kann nur sagen: Herr Goldmann, das war ein relativ angenehmer Abend heute. Ich hoffe, dass es das nächste Mal wieder unterhaltsamer wird. Herzlichen Dank. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Edmund Geisen, FDPFraktion. ({0})

Dr. Edmund Peter Geisen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Herren! Lassen Sie mich zunächst feststellen, dass im ersten Regierungsjahr der großen Koalition mit Minister Seehofer im Ressort Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz nichts Zukunftsweisendes passiert ist. Alles erfüllt, sagte eben der Herr Minister. Ich sage: Niemand hat’s gemerkt. ({0}) Das Schlimmste, was man Minister Seehofer vorwerfen muss, ist der andauernde Zickzackkurs seiner Politik, und das auch noch in den berühmten Trippelschritten; das müssen Sie sich vorstellen! Wenn der Herr Minister zufrieden ist, sind das die Landwirte noch lange nicht. Alle aktuellen Probleme wurden langwierig debattiert: Vogelgrippe, Gammelfleisch, alles das, was eben genannt wurde. Für einen Großteil sind, wie von Kollege Goldmann angesprochen, klare Lösungen nicht gefunden und wirksame Entscheidungen nicht getroffen worden. ({1}) Von der großen Koalition hatten die Landwirte und Verbraucher erwartet, dass endlich die wichtigsten Weichen auf nachhaltig sicheren Schwellen in die richtige Richtung gestellt werden. Nichts Derartiges ist geschehen. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun zunächst etwas zu der berühmten Eckpunkteregelung für Erntehelfer sagen. ({2}) Die Regelung war ein Flop. Sie hat den deutschen Arbeitslosen nichts gebracht und den landwirtschaftlichen Betrieben geschadet. ({3}) Die FDP-Fraktion hat die Regelung von Beginn des Jahres an für falsch gehalten. Ich selbst habe dies vor fünf Wochen hier wiederholt. Dafür wurde ich von den Rednerinnen und Rednern aller anderen Fraktionen angeprangert. Nur zwei Wochen später bestätigte Staatssekretär Müller im Agrarausschuss meine Analyse voll und ganz. Herzlichen Dank. ({4}) Das ist Ihre Zickzackpolitik. Daraus ableitend sage ich Ihnen: Genau in den Bereichen, in denen Sie von Anfang an auf die FDP gehört haben, lagen Sie richtig. ({5}) Die FDP-Fraktion hat heute nicht ohne Grund einen Entschließungsantrag zum Einzelplan 10 vorgelegt, durch den die soziale Sicherung der landwirtschaftlichen Bevölkerung langfristig auf gesunde Beine gestellt würde. Nach intensiven Gesprächen mit allen Beteiligten plädieren wir übrigens schon lange für das Kapitaldeckungsverfahren. ({6}) Wir von der FDP setzen uns für einen nachhaltigen Umgang mit Steuergeldern ein ({7}) und wir wollen weg von den stetigen und alljährlichen Verunsicherungen der Landwirte durch die Haushaltsdebatte. Wir erwarten langfristige Zukunftsperspektiven. Herr Minister, ich gebe es zu: Das Schwierigste an unserer Arbeit ist, dass wir nach einem Jahr Opposition noch immer nicht wissen, was Sie eigentlich wollen. ({8}) Bekennen Sie Farbe! Leiten Sie jetzt den Umstieg der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung in ein kapitalgedecktes Verfahren ein. Ich hoffe, Sie bekommen die Koalitionspartner an einen Tisch. Der Zeitpunkt ist übrigens ideal. Voraussetzung ist die Übernahme der Altrenten durch den Bund. Diese Altbestände können noch mit den bislang benötigten Bundesmitteln und den verfügbaren Finanzreserven - wie zum Beispiel Forderungsverzichte und Veräußerungserlöse - finanziert werden. Da keine neuen Renten zu dem Altrentenbestand hinzukommen, erfolgt ein zügiger Abbau. Der Bundeshaushalt - und damit der Steuerzahler - wird mittelfristig entlastet. ({9}) Damit wäre der Einstieg in den Ausstieg des Bundes endlich geschafft. ({10}) Die Alternative kennen Sie: Spätestens ab 2008 würden den Landwirten drastische Beitragserhöhungen drohen. Herr Minister, Sie haben ja schon durchblicken lassen, dass Sie die für 2007 schon halbierten Bundesmittel von 100 Millionen Euro 2008 eventuell ganz streichen wollen. Noch etwas zum Thema Sozialversicherung. Von einem profilierten Gesundheitspolitiker wie Minister Seehofer hätten wir erwartet, dass er sich wenigstens bei der Gesundheitsreform für seine Klientel, die Landwirte, einsetzen würde. ({11}) Doch auch hier Fehlanzeige. Wenn die Landwirtschaftliche Krankenkasse ab 2009 wie geplant nicht an versicherungsfremden Leistungen partizipieren darf, ({12}) dann heißt das nichts anderes, als dass die Kinder von Landwirten im Gegensatz zu den Kindern von anderen gesetzlich Versicherten nicht mehr beitragsfrei mitversichert werden. Das nennen Sie zukunftsorientierte Agrarpolitik? ({13}) Sehr geehrter Herr Minister, meine Damen und Herren, eines noch zur Ressortforschung. Sie wollen für die Ressortforschung wesentlich mehr Mittel einsetzen. Ich sage Ihnen: Zukunftspolitik liegt nicht darin, dass Sie ohne weiteres bewährte Forschungsstandorte wegrationalisieren. Ich bitte Sie hier eindringlich: Lassen Sie die bewährte Weinbauforschung an dem geeigneten Standort in Bernkastel-Kues. ({14}) Abschließend darf ich Sie noch bitten, während der kommenden EU-Ratspräsidentschaft dafür zu sorgen, dass innerhalb der EU gleiche Wettbewerbsbedingungen für Landwirte herrschen. Ergreifen Sie die Initiative, um Ungleichheit bei der Besteuerung von Dieselkraftstoff zu beseitigen! Setzen Sie sich endlich für die Eins-zueins-Umsetzung der EU-Richtlinien und - zu guter Letzt auch für eine EU- bzw. weltweit vergleichbare Qualitätssicherung im Sinne unserer Verbraucher ein! Ich danke Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit. ({15})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Manfred Zöllmer, SPDFraktion. ({0})

Manfred Zöllmer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003663, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich würde es der Opposition gerne geben. Ich hatte einen Zettel vor mir liegen, um mir Notizen zu machen. Dieser Zettel ist immer noch leer. Ich habe keinen einzigen neuen, originellen Gedanken gehört. ({0}) Ein Jahr große Koalition bedeutet auch ein Jahr gemeinsame Verbraucherpolitik. ({1}) Vieles von dem, was in der vergangenen Legislaturperiode nicht zu vereinbaren war und bei dem es in Bundestag und Bundesrat unterschiedliche Mehrheiten und damit eine Blockade gab, konnte nunmehr auf den Weg gebracht werden, sei es das Verbraucherinformationsgesetz oder die Novellierung des Telekommunikationsgesetzes. Ein Jahr große Koalition bedeutet damit neuen Schwung in der Verbraucherpolitik und dies ist gut für die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land. ({2}) Der Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unterstreicht die Bedeutung der Verbraucherpolitik für diese Bundesregierung. ({3}) Trotz aller weiteren Konsolidierungsanstrengungen im Bundeshaushalt kann das bisherige Niveau noch erhöht werden. Die Verbraucherpolitik gehört zu den zentralen Politikbereichen, und zwar zu Recht, weil Verbraucherpolitik die gesamte Bevölkerung in unserem Land betrifft. Ob es um die Strompreise, die Telekommunikation oder die Lebensmittelsicherheit geht: Verbraucherpolitik ist vielfältig. Sie ist eine aktive und konkrete Politik für die Menschen. Im ersten Halbjahr 2007 übernimmt Deutschland für sechs Monate die Ratspräsidentschaft in der EU. Damit liegen große Herausforderungen vor uns. Die Möglichkeiten, die der europäische Binnenmarkt bietet, müssen für die Verbraucherinnen und Verbraucher attraktiv sein. Wir brauchen transparente und verständliche Regelungen. Die notwendige Harmonisierung muss von einem gleichmäßigen und hohen Verbraucherschutzniveau ausgehen. Bessere nationale Standards müssen dabei erhalten bleiben. Wir begrüßen daher die Initiative von Minister Seehofer, die deutsche Ratspräsidentschaft im Sinne der europäischen Verbraucher zu nutzen. Ich halte es für richtig, wenn hierbei die besondere Aufmerksamkeit des Ministers dem digitalen Verbraucherschutz gilt. Nicht zuletzt durch das Internet mit seinen weltweiten Einkaufsmöglichkeiten stehen wir vor neuen Herausforderungen. Fragen wie die Sicherheit im Netz und die Harmonisierung von Vorschriften müssen im deutschen Interesse auf europäischer Ebene angegangen werden. Ein Jahr ist vergangen und einige Hausaufgaben im Bereich Verbraucherpolitik haben wir erledigt. Vieles liegt jedoch noch vor uns. Einiges will ich kurz ansprechen. Diese Woche haben sich die Regierungsfraktionen auf das neue Telekommunikationsgesetz geeinigt. Darin findet sich eine Reihe von Regelungen, die für mehr Transparenz, die Möglichkeit der Kostenkontrolle, aber auch besseren Jugendschutz sorgen. Dies bedeutet erhebliche Verbesserungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem wichtigen Bereich. Trotz dieser Fortschritte sind wir im Bereich Telekommunikation derzeit leider erneut mit einem sehr unerfreulichen Phänomen konfrontiert: den unverlangten und belästigenden Werbeanrufen. Diese sind bereits jetzt durch das UWG verboten. Ich will, dass wir das Telefonspamming energisch bekämpfen. ({4}) Das Verbot darf kein zahnloser Tiger bleiben. Der Tiger muss ein funktionsfähiges Gebiss bekommen. Mir ist egal, in welchem Gesetz wir das regeln. Dafür kommt das Telemediengesetz genauso infrage wie das UWG. Außerhalb einer Kundenbeziehung sind derartige Werbeanrufe nicht hinnehmbar. ({5}) Wir wissen, dass wir als Verbraucherpolitiker in vielen Bereichen nicht federführend sind. Aber wir erwarten, dass verbraucherpolitische Fragestellungen bei allen relevanten Gesetzgebungsmaßnahmen Berücksichtigung finden. Das klassische Spamming - also die unverlangten E-Mails - werden wir im neuen Telemediengesetz bußgeldbewehren. Natürlich wissen wir, dass es sich hier nicht allein um ein nationales Problem handelt. Aber mit der neuen gesetzlichen Regelung machen wir deutlich: Spamming belästigt die Verbraucherinnen und Verbraucher und schädigt nachhaltig die Wirtschaft. Das werden wir nicht hinnehmen. ({6}) Wir beraten im Moment über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft. Dieses Gesetz muss einen fairen Interessenausgleich zwischen den Urhebern und den Nutzern bewirken. Auch Nutzer haben Rechte. Sie müssen die Möglichkeit haben, sich gegen kundenfeindliche Praktiken der Anbieter zu wehren. Dies gilt zum Beispiel für die Durchsetzbarkeit des Rechts auf eine Privatkopie. Kopierschutzsysteme, die Sicherheits- und Datenschutzrisiken verursachen, können wir nicht akzeptieren. Auch die Wiedereinführung einer Bagatellklausel wäre meines Erachtens sinnvoll. Sie würde die Akzeptanz des Urheberrechts deutlich erhöhen. Die Schulhöfe sollten nicht kriminalisiert werden, hieß es ursprünglich in der Begründung des Referentenentwurfs. Diese Begründung ist nach wie vor richtig. ({7}) Noch ein Wort zu den hohen Strom- und Gaspreisen, über die sich die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland berechtigterweise erregen. Wir werden sinkende Preise in diesen Bereichen nur über einen funktionierenden Wettbewerb erreichen. ({8}) Dies gilt für die Anbieter, aber auch für die Nachfrageseite. Deshalb wurden neben der Umsetzung der Reform des Energiewirtschaftsrechts eine Netzanschlussverordnung sowie ein neues Gasnetzzugangsmodell verabschiedet. Der Wettbewerb bei der Energieerzeugung wird mit der Netzanschlussverordnung verbessert, genau wie die Effizienz der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht. Wir begrüßen besonders, dass bei der Bundesnetzagentur die Stelle eines Verbraucheranwalts - auf Englisch: consumer watchdog - eingerichtet werden soll, der die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher wahrnehmen wird. Bei allen Diskussionen über die Preise dürfen wir die Versorgungssicherheit nicht aus den Augen verlieren. Wir brauchen politische Rahmenbedingungen, die beides sicherstellen. Es gibt bereits Erfolge: Die Energiepreise beginnen in bestimmten Bereichen zu sinken. Die Verbraucherrechte werden ausgebaut. Verbraucherpolitik als Querschnittsaufgabe bleibt eine dauernde Aufgabe. Dies gilt für das Versicherungsvertragsrecht und das Wohnungseigentumsgesetz genauso wie für das TKG, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Eine aktiv betriebene Verbraucherpolitik ist Politik für die Menschen in diesem Land. Die große Koalition macht dies zu ihrer Aufgabe und hat damit Erfolg. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Nun hat Kollegin Cornelia Behm, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Cornelia Behm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003500, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, ich muss Sie in Ihrer Zufriedenheit noch einmal stören, so Leid es mir tut. Die Union setzt bei der Ressortforschung nahtlos dort wieder an, wo sie 1998 aufgehört hat: Stellen streichen sowie Institute und Standorte schließen. Bereits 1996 beschloss der damalige Landwirtschaftsminister, mehr als ein Viertel der 3 500 Stellen abzubauen und die Hälfte der Ressortforschungseinrichtungen zu schließen. Nun setzen Sie, Herr Minister, zu einem neuen Wurf an. Weitere 450 Stellen sollen gestrichen und die Anzahl der Institute und Standorte soll erneut halbiert werden. Die Kahlschlagpolitik, die Sie mit Ihrer Regierungsübernahme bei den ländlichen Räumen begonnen haben - Stichwort „GAK“ -, setzen Sie nun bei der Agrarforschung fort. ({0}) Diese Politik ist hochgradig innovationsfeindlich; denn wir werden angesichts des Klimawandels nichts so sehr brauchen wie die Agrarforschung. Was Sie mit Ihrem Haushalt und der Umstrukturierung der Ressortforschung betreiben, ist zudem zutiefst ideologisch: der Ausstieg aus der Agrarwende wider besseres Wissen. Denn der vor wenigen Wochen an dieser Stelle diskutierte Agrarpolitische Bericht 2006 der Bundesregierung zeigt, wie erfolgreich die rot-grüne Agrarpolitik tatsächlich war. Ich erspare Ihnen die Zahlen. Das ist heute mehrfach besprochen worden. ({1}) Aber zurück zur Ressortforschung. Exemplarisch möchte ich auf die geplanten Schließungen der Institute für ökologischen Landbau in Trenthorst und für Pflanzenschutz im Weinbau in Bernkastel-Kues zu sprechen kommen. Diese fachlich in keiner Weise begründeten Schließungen ignorieren die gestiegene Bedeutung des ökologischen Landbaus, den daraus erwachsenden Forschungsbedarf und die weltweit hohe Reputation, die sich die Wissenschaftler dort erarbeitet haben. ({2}) Herr Minister, wollen Sie es denn aus purer Ideologie immer noch nicht wahrhaben, dass der ökologische Anbau einer der wenigen großen Wachstumszweige der deutschen Landwirtschaft ist? Der Biomarkt boomt. Sie aber handeln nach dem Prinzip, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Wenn Sie so weitermachen, werden Sie am Ende mit dem Landwirtschaftsabbau in Deutschland sogar Erfolg haben. Ihrer Regierungspolitik haben wir es zu verdanken, dass die Förderung von Ökobetrieben ab 2007 durch EU-, Bundes- und Landeshaushalte um circa 40 Prozent gekürzt wird. Vielleicht würde es mir leichter fallen, die Zerschlagung weiter Teile der Ressortforschung zu verstehen, wenn Sie diese im Dienste der Haushaltskonsolidierung betreiben müssten. Aber dem ist nicht so. Von Einsparverpflichtungen steht in Ihrem Konzept überhaupt nichts. Tatsächlich gibt es im Jahr 2007 für die Förderung von Innovationen im Bereich Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und bei den Forschungsanstalten einen bemerkenswerten Aufwuchs von immerhin gut 40 Millionen Euro. Es fällt aber schwer, diesen Aufwuchs zu bejubeln; denn es kommt entscheidend darauf an, was man mit diesem Geld macht. Für die FNR gibt es beispielsweise keinen Zuschlag. ({3}) Während Sie das Institut für ökologischen Landbau schließen, wollen Sie mit den zusätzlichen Mitteln vor allem die Agrogentechnik fördern. ({4}) Dabei geht es Ihnen nicht um Sicherheitsforschung, die wir Grüne für richtig und vor allen Dingen nötig halten, sondern um - ich zitiere - die Verbesserung der Eigenschaften der Kulturpflanzen und damit um die Entwicklung transgener Pflanzen selbst. ({5}) Das ist nicht Aufgabe des Bundes. Nein, das ist Vernichtung von Geldmitteln, da die Agrogentechnik bekanntlich in Deutschland keine Akzeptanz findet und daher hier kaum zur Anwendung kommen wird. Die Wirtschaft leidet sogar unter der Agrogentechnik. Denken Sie beispielsweise - das haben wir uns gerade sagen lassen - an die 10 Millionen Euro für den Genreis. ({6}) Genauso wenig wie ich einen Sparzwang als Hintergrund erkennen kann, kann ich einen wissenschaftlichen Mehrwert bei Ihrem so genannten Konzept für eine zukunftsfähige Ressortforschung erkennen. Infolge des radikalen Umbaus, der kaum einen Stein auf dem anderen lässt, wird in vielen Einrichtungen in den nächsten Jahren wenig geforscht, aber dafür umso mehr geplant, organisiert und protestiert werden. Dadurch werden viel Kraft und Arbeitszeit für die Forschung verloren gehen. Das negative Urteil der nächsten Evaluation der Ressortforschung durch den Wissenschaftsrat ist damit de facto vorgezeichnet. Das wiederum wird dann - soviel lässt sich bereits heute vorhersagen - der nächste amtierende Unionsagrarminister zum Anlass nehmen, die Axt erneut an die Ressortforschung zu legen. ({7}) Herr Minister, ich bitte Sie, durchbrechen Sie diese Traditionslinie! Werden Sie nicht zum Totengräber der Agrarforschung, sondern gehen Sie auf die Bremse. ({8}) Noch ist es Zeit, ein wirklich zukunftsfähiges Ressortforschungskonzept zu erarbeiten. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Wilhelm Priesmeier, SPD-Fraktion.

Dr. Wilhelm Priesmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Kollegin Behm, ich hatte den Eindruck, Sie hätten den Kranz für den Sarg für die Leiche Ressortforschung gleich mitgebracht. Aber ich sehe ihn nicht. ({0}) Ich glaube, Ihre Befürchtungen werden sich nicht bewahrheiten. Zumindest kann ich Ihnen für den Standort Bernkastel-Kues mitteilen, dass es gelingen wird - davon bin ich fest überzeugt -, gemeinsam mit dem Land Rheinland-Pfalz ({1}) auch für diesen Standort im Sinne aller Beteiligten eine tragfähige Lösung zu finden. Das Horrorszenario, das Sie in Bezug auf die Agrarforschung vortragen, wird sich bei der nächsten Evaluierung der Agrarforschung in das Gegenteil verkehren. Ich glaube, das, was an Ansätzen in diesem Konzept steckt, wird dazu führen, dass sich die Qualität von Agrarforschung in Deutschland wesentlich verbessern wird. ({2}) Es ist an der Zeit, alte Strukturen zu hinterfragen und unter Umständen neu auszurichten, um neue Impulse in den Forschungsbereich zu bekommen. Wir müssen klar definieren, wohin wir uns im Bereich der Forschung bewegen wollen. ({3}) Da ist zunächst einmal die Voraussetzung, eine Zielbestimmung vorzunehmen. Denn es kann nicht sein, dass man Forschung nicht den Gegebenheiten und Entwicklungen anpasst, vor denen wir stehen. Dabei ist das Konzept so auszugestalten, dass die einzelnen Bereiche mehr Verantwortung haben, mehr Eigeninitiative einbringen und damit auch zu besseren Ergebnissen kommen können. ({4}) Das ist die Zielausrichtung des gesamten Konzeptes. Ich glaube, auch in dem Zusammenhang werden wir erfolgreich sein. Eines kann ich Ihnen sagen: Auch für uns als SPD innerhalb der Koalition ist der Bereich der Forschung im Ökolandbau ein besonderes Anliegen. Das vorgestellte Konzept ist in der Diskussion gestaltbar. Niemand hat gesagt, dass es endgültige Festlegungen gibt. Ich glaube, dass es auch dort gelingen wird, eine vernünftige, tragfähige Lösung zu finden. ({5}) Aber jetzt zum Haushalt. Dieser Haushalt macht genau 1,93 Prozent des Gesamthaushaltes aus. Da könnte man meinen, Agrarpolitik sei nicht mehr ganz so wichtig. Ich glaube aber, das Gegenteil ist der Fall. Das betrifft auch den Verbraucherschutz. Wir leisten eine große Aufgabe im Bereich der agrarsozialen Sicherung. Die Zahlen sind heute schon dargestellt worden. Der Bereich der Unfallversicherung bereitet uns zunehmend Sorgen und Kopfzerbrechen. In diesem Zusammenhang legt die FDP-Fraktion einen etwas wirren, meiner Einschätzung nach sehr unpräzisen Entschließungsantrag vor, dem ich kaum etwas abgewinnen und dem man auch kaum zustimmen kann. In der Analyse sind einige Fakten richtig dargestellt, aber eines fehlt natürlich: Wenn es darum geht, die alten Lasten zu beziffern, macht der Antrag überhaupt keine Aussage. Die alten Lasten betragen im Jahr 2006 exakt 410 Millionen Euro. Wenn man davon ausgeht, dass diese alten Lasten zügig abgebaut werden können: Herr Geisen, wissen Sie, wie lange es dauert, bis wir auf die Größenordnung von 200 Millionen Euro kommen? Haben Sie eine Vorstellung? - Haben Sie nicht. Genauso wenig hätten Sie den Antrag schreiben müssen. Das dauert in etwa bis 2025. Wer dann als Gegenfinanzierung für eine vermeintliche Umstrukturierung auf verfügbare Finanzreserven im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz verweist, der muss das gefälligst auch präzisieren. ({6}) Sie haben eben zwei Worte gebraucht: Veräußerungserlöse und Forderungsverzicht. Was verstehen Sie darunter? Erläutern Sie mir bitte doch einmal, welche Verkaufserlöse wir dort Ihrer Einschätzung nach einbringen sollten. Wir bringen bereits jetzt Veräußerungserlöse ein, die sich aus Rückforderungen von Siedlungsdarlehen ergeben. Die werden wir veräußern, wenn es notwendig ist. Wenn der Betrag anderweitig erbracht werden kann, wird das natürlich nicht erforderlich sein. Ich glaube aber, Ihre Vorstellungen sind bei der Größenordnung der Beträge, die zur Diskussion stehen, nicht tauglich. Das geringste Gebot war das vom Deutschen Bauernverband mit 785 Millionen Euro. Das Gebot aus dem Bereich der privaten Versicherungswirtschaft lag jenseits von 2,2 Milliarden Euro. Die Wahrheit dürfte sich irgendwo dazwischen bewegen, Herr Geisen. Sie müssen in dem Antrag zunächst einmal klar darstellen, mit welchen Finanzreserven Sie diesen Bereich gestalten wollen. Ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung bzw. die Koalition in absehbarer Zeit ein Konzept vorlegen wird, das mit Sicherheit auch eine Beteiligung des Berufsstandes vorsehen wird. Das wird erforderlich sein, wenn man dort zu vernünftigen Lösungen kommen will. Man kann sich aus der Veranstaltung nicht dauerhaft davonstehlen; vielmehr muss man seine Verantwortung entsprechend wahrnehmen. Durch die Veränderung der Struktur gibt es unter Umständen die Möglichkeit, zu gleichen Grundlagen für die Beitragsbemessung in Deutschland zu kommen und bestehende Ungleichgewichte zu beseitigen. ({7}) So viel zu diesem Bereich. Was Sie machen - das gilt auch für die FDP, die zu diesem Haushaltsgesetz 18 Änderungsanträge eingebracht hat -, ist zum Teil Augenwischerei. Sie wollen zum Beispiel, dass der Ansatz „Tiergerechte Haltungsverfahren“ gestrichen wird, obwohl die Mittel dafür bereits gekürzt worden sind. Wenn Sie diesen Ansatz streichen wollen, frage ich Sie: Welche Bedeutung hat für Sie der Tierschutz? Außerdem wollen Sie, dass von den 16 Millionen Euro für das Ökolandbauprogramm 14 Millionen Euro gestrichen werden. Ich verweise auf die Wichtigkeit dieses Bereichs. Gerade im Augenblick ist der Ökolandbau in Deutschland profitabel; die Nachfrage nach Ökoprodukten entwickelt sich. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Richtigkeit Ihrer Forderung belegen könnten. Die Mittel für die GAK möchten Sie um 50 Millionen Euro kürzen. Ich würde von Ihnen hier gern erfahren, wie Ihr Verhältnis zur zweiten Säule ist. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dazu in Ihrer Kurzintervention gleich Stellung beziehen würden. Wer die Umgestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik - sie war richtig; das wird mittlerweile von allen anerkannt, auch von denen, die am Anfang recht zögerlich waren - unterstützt, der erkennt, dass Agrarpolitik mit dem bloßen Verteilen von Prämien aus der ersten Säule dauerhaft nicht zu machen ist. Um dauerhaft Agrarpolitik zu betreiben, bedarf es der zweiten Säule. Aus diesem Grunde spreche ich mich dafür aus, die zweite Säule durch die Stärkung zusätzlicher Haushaltsansätze weiterzuentwickeln, ({8}) ein neues Gesamtkonzept der Politik für den ländlichen Raum zu schaffen - so ist es geplant - und der GAK eine neue Inhaltsbestimmung zu geben, damit auch der ländliche Raum zukunftsfähig bleibt. Glauben Sie mir: Mit diesem Haushalt sind wir auf dem richtigen Wege und wir werden uns den Herausforderungen der Zukunft auch haushaltspolitisch stellen. Ich danke Ihnen. ({9})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Der Kollege Geisen hat um eine Kürzestintervention gebeten. ({0})

Dr. Edmund Peter Geisen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003757, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich staune eigentlich schon, dass einerseits Minister Seehofer und andererseits Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU der Meinung sind, dass die Möglichkeit der Umstellung auf das Kapitaldeckungsverfahren besteht. Herr Dr. Priesmeier, Sie sprechen sich nun eindeutig dagegen aus; Sie geben dem keine Chance. Ich bin ferner überrascht darüber, dass Sie der Meinung sind, dass schon in diesem Bereich des Umlageverfahrens Forderungsverzichte auf Siedlungsmittel eingesetzt werden. So jedenfalls habe ich Sie eben verstanden. Können Sie mir das etwas näher erläutern? Ich gebe Ihnen Recht: Es wird im Detail festzustellen sein, welches Volumen an Forderungsverzichten auf die alten Siedlungsmittel gerade aus dem Bereich der Landwirtschaft noch zur Verfügung steht. Danach werde ich in zunehmendem Maße fragen. Außerdem werde ich danach fragen, welche Möglichkeiten wir haben, Kapitalveräußerungen vorzunehmen, um das System umzustellen, ohne den Haushalt weiter zu belasten. Mittelfristig - in einem Zeitraum von 20 Jahren - nimmt der Finanzbedarf ab. Gefordert wird, auf das System der Kapitaldeckung umzustellen. Ich sehe in einer solchen Umstellung eine ganz große Chance. Ich möchte gerne wissen, warum Sie darin keine Chance sehen. ({0})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Kollege Priesmeier, bitte.

Dr. Wilhelm Priesmeier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003611, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Geisen, dazu kann ich Ihnen zunächst einmal sagen: Wenn Sie meinen Äußerungen entnommen haben, dass ich diese Option nicht ernsthaft in Erwägung ziehe, dann haben Sie mich missverstanden. Gerade im Ministerium gibt es, auch dank eines entsprechenden Gutachtens, allergrößte Anstrengungen, erneut zu prüfen, ob diese Möglichkeit besteht. Wenn wir die Zahlen auf dem Tisch haben - ich glaube, das Gutachten ist fertig; ({0}) dann wird es uns in den nächsten Tagen oder Wochen zugehen -, können wir auf dieser dann neuen Grundlage - die alten Gutachten taugen ja nicht mehr - überlegen, welche Möglichkeiten der Gestaltung es gibt. Wenn Sie hier einen solch unpräzisen Antrag auf den Tisch legen, noch nicht einmal eine Größenordnung oder Ross und Reiter nennen und nur von anonymen Finanzierungsquellen reden, die durch nichts belegt sind, dann kann ich dem natürlich nicht folgen. Das war Inhalt meiner Kritik. ({1})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich erteile das Wort Kollegen Peter Bleser, CDU/ CSU-Fraktion.

Peter Bleser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000198, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich vor einem Jahr die jetzt folgenden Zahlen vorgetragen hätte, hätten Sie an meinem Verstand gezweifelt. ({0}) Wir hatten im Oktober vor einem Jahr 471 000 Arbeitslose mehr. Wir haben heute 278 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mehr. Wir haben im laufenden Jahr 10 Milliarden Euro Schulden weniger und wir werden im nächsten Jahr 18 Milliarden Euro Schulden weniger haben. ({1}) Meine Damen und Herren, endlich stimmen die Prognosen wieder, die aufgestellt werden; sie werden sogar noch positiv übertroffen. ({2}) Zwischen Ankündigung und Eintritt eines Ereignisses ist wieder eine klare Linie erkennbar. Auch das ist etwas, was wir mit großer Freude feststellen können. Dies ist keine Folge von irgendwelchen Zufällen. Wir haben in diesem Haus in der Koalition in den letzten Monaten eine Menge unangenehmer Entscheidungen treffen müssen, wofür wir auch gescholten worden sind. Deswegen haben wir einen Anspruch darauf, diesen Erfolg für uns zu reklamieren. Es ist ein Erfolg der Bundeskanzlerin Merkel und ein Erfolg dieser Koalition. Darauf dürfen wir mit Recht Stolz sein. ({3}) In der Agrarwirtschaft hat ein Stimmungsumschwung stattgefunden, der seinesgleichen sucht. Stand das Agrarkonjunkturbarometer noch im Dezember 2005 bei nur 4,2 Punkten, ({4}) so hat es sich jetzt mehr als verdreifacht, nämlich auf 14,4 Punkte. Auf der „Euro-Tier“ in Hannover meldete die DLG, dass bei 58 Prozent der Tierhalter Investitionsabsichten bestehen. ({5}) Meine Damen und Herren, wir erleben eine Investitionswelle in der Landwirtschaft und ich frage Sie: Ist das nicht der beste Beweis dafür, dass die Politik dieser Bundesregierung und dieses Bundesministers Seehofer ein großer Erfolg ist? ({6}) Eigenlob ist mir unangenehm. ({7}) Da die Opposition die Erfolge der letzten zwölf Monate nicht aufzählt, bleibt mir aber nichts anderes übrig, als dies selbst zu tun. Allerdings ist meine Redezeit nur sehr kurz. ({8}) Herr Goldmann, wenn ich jetzt sehr schnell vortrage, bitte ich um Nachsicht. Ich gebe Ihnen nachher die Liste; dann brauchen Sie es nicht mitzuschreiben. ({9}) Zur Erinnerung also Folgendes: Gleich nach Regierungsantritt haben wir die Zuckermarktordnung geregelt, ({10}) danach den Gammelfleischskandal bestanden, ein ZehnPunkte-Programm aufgelegt, anschließend die Vogelgrippe nach streng wissenschaftlichen Empfehlungen beherrscht, ({11}) danach die Tierhaltungsverordnung für Hennen und Schweine auf den Weg gebracht ({12}) und Investitionssicherheit hergestellt, bei BSE das Testalter auf EU-Standard angehoben, die Vorsteuerpauschale gerettet - mit 10,7 Prozent und 0,2 Prozentpunkten Bonus als nachholende Entschädigung -, ({13}) das Hufbeschlagsgesetz und ein Statistikbereinigungsgesetz verabschiedet, ({14}) die Biotreibstoffbesteuerung ({15}) so gestaltet, dass auch die reinen Biotreibstoffe eine Chance haben. ({16}) Ich sage auch hier: Wir müssen darauf achten, dass wir die Überkompensationsprüfung rechtzeitig durchführen, damit das nicht wegbricht. Aber auch da sind wir einer Meinung. Wir haben ein Verbot des Verkaufs von Lebensmitteln unter Einstandspreis in den Eckpunkten fertig. ({17}) Wir haben ein Verbraucherinformationsgesetz verabschiedet und haben den Verbraucherschutz auch für den grenzüberschreitenden Warenverkehr durchgesetzt. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass die Roaminggebühren auf europäischer Ebene gesenkt werden. Wir werden in der nächsten Woche - der Kollege Zöllmer hat es schon angesprochen - beim Telekommunikationsgesetz einen weiteren Durchbruch feststellen können. Zum Reinheitsgebot des Weines haben wir eine Eilverordnung erlassen, gemäß der das Versetzen von Prädikatsweinen mit Holzchips verboten ist. Das ist konkret angewandtes Reinheitsgebot. ({18}) All das haben wir gemacht. - Wenn Sie jetzt glauben, uns würde die Puste ausgehen, dann täuschen Sie sich. ({19}) Wir haben uns gerade erst warm gelaufen. Wir werden die Landwirtschaft in den nächsten Monaten zukunftsfest machen müssen. Dabei hilft uns - das ist in der Tat wahr - die Marktsituation. Für die derzeit gute Marktsituation gibt es aber auch eine Ursache: Weltweit bemühen sich derzeit Gott sei Dank viele Staaten um eine Reduktion der CO2-Emissionen und legen Anreizprogramme auf, die die Verwendung von Biotreibstoffen oder Energie aus nachwachsenden Rohstoffen fördern. Wir haben es erstmals in der Geschichte erreicht, dass Energie- und Nahrungsmittelpreise aneinander gekoppelt sind. Das ist eine Botschaft, die junge Leute hoffnungsvoller stimmt als alle staatlichen Hilfsprogramme zusammen. Das ist eine gute Entwicklung. Darauf sollten wir aufbauen. ({20}) Wir müssen auch weiterhin daran arbeiten, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Agrarwirtschaft zu verbessern. Deswegen haben wir im Bundesministerium eine Stabsstelle zur Exportförderung eingerichtet. Deswegen nehmen wir Maßnahmen zur Entbürokratisierung auf europäischer Ebene vor und wollen dafür sorgen, dass das Instrument der Flächenstilllegungen abgeschafft wird. Deswegen wollen wir auch in der Milchwirtschaft für mehr Marktwirtschaft sorgen ({21}) und unsere Betriebe auf die Abschaffung der Quotenregelung im Jahr 2015 vorbereiten. All das sind gute Maßnahmen. Deswegen müssen wir auch die Grüne Gentechnologie befördern. Dass wir in diesem Punkt noch nicht weiter sind, kann man bejammern. Aber bei einem so komplexen Thema muss man solide vorgehen. Ich hoffe, es gelingt uns, in den nächsten Wochen eine entsprechende Festlegung vorzunehmen. Eines möchte ich aber in diesem Hause nicht mehr hören: das Wort „Nachbesserung“. Auf dieses Instrument musste diese Koalition bisher noch nicht zurückgreifen; so soll es auch bleiben. ({22}) Wir müssen also die Sorgen, die diese Technologie auslöst, ernst nehmen, aber auch die Chancen, die sich hierdurch in der Zukunft bieten, wahrnehmen und im Interesse der Beschäftigten umsetzen. Damit befördern wir insgesamt den Wohlstand. Wir müssen in den nächsten Monaten aber auch die Nutzung von Industriegetreide zu Heizzwecken ermöglichen ({23}) und die entsprechenden Entscheidungen treffen, wie im Bundes-Immissionsschutzgesetz die Genehmigungsverfahren für Kälber- und Rinderställe ausgestaltet werden. Aber auch da sind wir auf einem guten Weg. Ich bin sehr hoffnungsvoll, dass uns auch dies gelingen wird. Auf die Sozialversicherungen wurde hier schon mehrfach eingegangen. Es ist, wie ich glaube, gut, dass wir hier wissenschaftlich vorgehen, die gewonnenen Zahlen analysieren und dann entscheiden, ob eine Kapitaldeckung möglich ist oder nicht. Es wäre in der Tat - da sind wir uns, wie ich glaube, in diesem Hause alle einig - sehr wünschenswert, wenn es darstellbar wäre, ({24}) in diesem Bereich eine kapitalgedeckte Unfallversicherung umzusetzen, die auch langfristig Planungssicherheit für die betroffenen Unternehmen und Familien bietet. Das erste Regierungsjahr war auch durch Fragen des Verbraucherschutzes geprägt. Ich sage es an dieser Stelle noch einmal: Beim vorsorgenden Verbraucherschutz sind wir kompromisslos. In den letzten Monaten haben wir, sobald Zweifel an der Unschädlichkeit von Zusatz6774 stoffen oder anderen Bestandteilen von Lebensmitteln laut wurden, im Ausschuss Berichte beantragt und sind bestrebt gewesen, entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Es wurde uns deswegen der Vorwurf gemacht, dass wir über jedes Stöckchen springen, das man uns hinhält. Diesen Vorwurf kann man so stehen lassen. Andererseits haben wir die Themen aufgegriffen, nichts verheimlicht und nichts verharmlost. Deshalb ist es auch gelungen, Lösungsansätze für die von Vogelgrippe, Gammelfleisch oder Cumarin ausgehenden Gefahren zu finden. Meine Damen und Herren, Sie sehen, der Start der großen Koalition ist gelungen. Wir haben insbesondere im Bereich von Landwirtschaft und Verbraucherschutz für mehr Zukunftssicherheit und mehr Hoffnung gesorgt. Deswegen dürfen wir ein Jahr schwarz-rote Regierung als großen Erfolg feiern. Ich hoffe, das wird im Anschluss an diese Debatte auch noch ausgiebig geschehen. Herzlichen Dank. ({25})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Als letzter Rednerin erteile ich Elvira DrobinskiWeiß, SPD-Fraktion, das Wort. ({0})

Elvira Drobinski-Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003705, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Im Jahr 2007 werden die zentralen finanzpolitischen Eckpfeiler erstmals seit 2001 wieder eingehalten. Die Ausgaben für Investitionen übersteigen die Neuverschuldung. Die insgesamt positiven Rahmenbedingungen bewahrten jeden einzelnen Haushalt vor weiteren gravierenden Kürzungen und ermöglichen die konsequente Verfolgung der im Koalitionsvertrag definierten politischen Ziele. Im Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geht es um verlässliche Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft und um den Schutz und die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die großen Themen, die hier zur besten Redezeit, nämlich zur Sendezeit, behandelt werden, sind leider selten verbraucherpolitische Themen, es sei denn, es gibt gerade einen großen Lebensmittelskandal. Dann kommen auch wir Verbraucherpolitikerinnen und Verbraucherpolitiker in den Genuss erhöhter Aufmerksamkeit. Die großen Themen kommen zum Beispiel aus dem Bereich Wirtschaft, Arbeit oder Gesundheit. Aber Verbraucherpolitik ist Wirtschaftspolitik, Gesundheitspolitik und noch vieles mehr; denn Verbraucherpolitik ist das, was wirklich bei den Menschen ankommt. ({0}) Jeder Mensch ist Verbraucher. Hier wird Politik erfahrbar und greifbar. Einige Beispiele dazu. Verbraucherpolitik ist Wirtschaftspolitik. Was wäre die Wirtschaft ohne Nachfrage? Aus einem übergroßen Angebot können die Menschen auswählen, was sie essen, kaufen, welche Dienstleistungen sie in Anspruch nehmen oder welche Verträge sie abschließen wollen. Aber nur wer informiert ist, kann Qualität bewusst nachfragen. Unser Leitbild ist der aufgeklärte Verbraucher, der auf gleicher Augenhöhe mit der Wirtschaft den Markt aktiv mitgestaltet. Deshalb hat diese Bundesregierung mit dem Verbraucherinformationsgesetz das Recht der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Information über die auf dem Markt befindlichen Produkte erstmals - ich betone: erstmals - in einem eigenen Gesetz geregelt. ({1}) Auch wenn wir das Recht auf Information an einigen Punkten noch ausbauen wollen und müssen, ist das ein Erfolg. Aber auch die Wirtschaft muss ihre Verantwortung wahrnehmen und für einwandfreie Ware auf dem Markt und für Information sorgen. Leider ist das nicht immer der Fall. Gammelfleisch mit illegalem Gentechnikreis an pestizidbelasteten Beeren: Aus der Liste der ungenießbaren Nahrungsmittel, die in der letzten Zeit die Schlagzeilen beherrschten, lassen sich mühelos ganze Menüs zusammenstellen. - Dass sich auf dem Lebensmittelmarkt etwas tun muss, ist, denke ich, unbestritten. Neben Lebensmittelkontrollen und harten Sanktionen bei Verstößen ist Transparenz das wichtigste Instrument gegen Lebensmittelskandale. Deshalb muss auch die Wirtschaft dafür sorgen, dass Lebensmittel lückenlos rückverfolgbar sind, damit mangelhafte Produkte schnell identifiziert und vom Markt genommen werden können und damit sich die Wirtschaftsbeteiligten gegenseitig kontrollieren. Hochwertige Nahrungsmittel allein reichen aber nicht aus, um sich gesund zu ernähren. Die Menschen müssen auch wissen, wie man mit dem vielfältigen und reichlichen Angebot umgeht, wie man was zubereitet und was der Körper braucht, um gesund zu bleiben. Verbraucherpolitik ist nämlich auch Gesundheitspolitik. Ernährungsbedingte Krankheiten nehmen dramatisch zu. Immer mehr Kinder und Jugendliche sind zu dick und haben deshalb psychische und körperliche Probleme. Falsche Ernährung macht krank. Das hat enorme Auswirkungen auch auf die Kosten für unser Gesundheitssystem. Aber auch für den Einzelnen ist Gesundheit entscheidend für die Lebensqualität und seine Leistungsfähigkeit. Wir brauchen Ernährungsaufklärung. Wir müssen das Bewusstsein der Menschen für Wert und Wirkung der Lebensmittel als Mittel zum Leben ebenso stärken wie das Wissen über die Art der Lebensmittelerzeugung. ({2}) Die Art der Lebensmittelerzeugung bringt mich zum Stichwort Grüne Gentechnik. Im Zusammenhang mit dem Einsatz der Gentechnik in der Lebensmittelproduktion ist Verbraucherpolitik gleichzeitig Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik und auch Umweltpolitik. Die Verbraucher lehnen Grüne Gentechnik mit großer Mehrheit ab. Deshalb müssen bei diesem sensiblen Thema drei Leitsätze gelten. Erster Leitsatz. Der Schutz von Mensch und Umwelt hat Priorität. Dabei gilt der Vorsorgegrundsatz. Alle anderen Interessen, zum Beispiel wirtschaftlicher Art, sind diesem Leitsatz unterzuordnen. Zweiter Leitsatz. Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen darf nicht zulasten der gentechnikfreien Landwirtschaft gehen. Deshalb müssen auch für Schäden durch GVO-Verunreinigungen unterhalb des Schwellenwertes von 0,9 Prozent Ausgleichsansprüche geltend gemacht werden können. ({3}) Wenn Abnehmer von den Landwirten die Einhaltung niedrigerer Schwellenwerte oder gar Gentechnikfreiheit verlangen, dann dürfen Landwirte, die unverschuldet auf ihrer Ernte sitzen bleiben, nicht ohne Anspruch auf Ausgleich sein. Alles andere wäre eine Existenzbedrohung für die Bauern. Wer die gentechnikfreie Lebensmittelproduktion nicht vor gentechnischen Verunreinigungen schützt, riskiert nicht nur das Vertrauen der Verbraucher, sondern würgt auch einen boomenden Wirtschaftssektor samt Arbeitsplätzen ab, nämlich die ökologische Lebensmittelbranche, die uns heute schon einige Male beschäftigt hat. Bei stetig steigender Nachfrage hat sich hier die Anzahl der Arbeitsplätze in den letzten zehn Jahren auf über 150 000 verdoppelt. Dritter Leitsatz. Die Wahlfreiheit für Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Landwirte muss gewährleistet bleiben. ({4}) Zur Wahlfreiheit gehört Transparenz. Wissen, was drin ist - das muss auch für die Landwirte gelten. Damit sie sich bewusst für oder eben gegen Gentechnik entscheiden können, brauchen wir auf EU-Ebene eine Kennzeichnungspflicht für GVO-haltiges Saatgut, die sich an der Nachweisgrenze orientiert. ({5}) Noch ein Beispiel für das Zusammenspiel zwischen Verbraucherpolitik und Gesundheitspolitik ist der Schutz vor Passivrauchen. ({6}) Einen großen Schritt in diese Richtung haben wir bereits dieses Jahr vollzogen, als wir die EU-Richtlinie zur Tabakwerbung in nationales Recht umgesetzt haben. Auch wenn die Droge Tabak legal ist: Rauchen ist eine Sucht, die massiv die Raucher selbst, aber auch die Menschen in ihrer Umwelt schädigt. ({7}) Rauchen ist das größte vermeidbare Risiko. Es war höchste Zeit, die Werbung, die den Rauchkonsum fördert, zu verbieten. Diesen Weg wollen wir konsequent weitergehen und fordern die Regierung auf, einen Gesetzentwurf zum Nichtraucherschutz zu erarbeiten. ({8}) Zur Stärkung der Kundenrechte im öffentlichen Personenverkehr. Es ist bereits in der letzten Legislaturperiode diskutiert worden, ob es ausreicht, über freiwillige Selbstverpflichtungen der Anbieter Minderungsbzw. Schadenersatzansprüche der Kunden gegenüber den Anbietern im Fall von Verspätungen oder Ausfall zu regeln und damit auch mehr Kundenfreundlichkeit zu erreichen. Das kann der Kunde nicht alleine durchsetzen. Hier wurde die erfolgreiche Schlichtungsstelle Mobilität eingerichtet. Diese Projektförderung läuft aber nur über drei Jahre und eine dauerhafte Trägerschaft des Bundes ist hier nicht angestrebt. Deshalb wollen wir darauf hinwirken, dass die Verkehrsunternehmen selbst diese Aufgabe als Imagepflege verstehen und die Kosten der Schlichtungsstelle tragen. ({9}) Der Bundeshaushalt 2007 ist solide. Auch wenn uns die Gesamtlage der öffentlichen Haushalte dazu verpflichtet, die Konsolidierungspolitik weiterhin verantwortungsvoll und zielgerichtet fortzusetzen: Wir haben Schwerpunkte gesetzt, indem wir zum Beispiel die Zuschüsse an die Vertretung der Verbraucher sowie an die Stiftung Warentest konstant hielten und keineswegs gekürzt haben. Denn wir müssen für einen Ausgleich der Kräfteverhältnisse auf dem Markt sorgen und die Rechte der Verbraucher stärken. Vielen Dank. ({10})

Dr. h. c. Wolfgang Thierse (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002318

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 10 - Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 10 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 24. November 2006, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche allseits eine gute Nacht.