Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 11/18/1998

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Sitzung ist eröffnet. Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die Ihnen in einer Zusatzpunktliste vorliegenden Zusatzpunkte zu erweitern. ZP 1 Beratung des Antrags der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an möglichen NATOOperationen zum Schutz und Herausziehen von OSZE-Beobachtern aus dem Kosovo in Notfallsituationen - Drucksache 14/47 ZP2 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU: Erkenntnisse der Bundesregierung zur Entstehung des Unfalls der „Pallas“ vor der deutschen Nordseeküste und Maßnahmen der Bundesregierung zur Schadensbegrenzung und -beseitigung nach der Havarie ZP 3 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses ({0}) zu dem Antrag der Bundesregierung: Deutsche Beteiligung an möglichen NATO-Operationen zum Schutz und Herausziehen von OSZE-Beobachtern aus dem Kosovo in Notfallsituationen - Drucksache 14/47, 14/ ZP 4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der F.D.P.: Haltung der Bundesregierung zu einem Umfrageergebnis, nachdem nur 13% der Unternehmen die bisherigen 620/520-Mark-Jobs in reguläre Arbeitsverhältnisse überführen, demgegenüber aber 20% der Firmen diese bisherigen geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse streichen und 23% lieber freie Mitarbeiter einstellen wollen, wenn die bisherigen rot-grünen Pläne zu einer Neuregelung verwirklicht werden ZP 5 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren ({1}) Erste Beratung des von den Fraktionen SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die politischen Parteien ({2}) - Drucksache 14/41 ZP 6 Beratung des Antrags der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Widerstand gegen die Aufhebung des Exportverbots für britisches Rindfleisch durch die EU-Kommission - Drucksache14/42 ZP 7 Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Irmgard Schwaetzer, Rainer Brüderle, Jörg van Essen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der F.D.P. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur beschäftigungswirksamen Änderung des Kündigungsschutzes - Drucksache14/44 Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Zusatztagesordnungspunkt 1 auf: Beratung des Antrags der Bundesregierung Deutsche Beteiligung an möglichen NATOOperationen zum Schutz und Herausziehen von OSZE-Beobachtern aus dem Kosovo in Notfallsituationen - Drucksache 14/47 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuß ({3}) Rechtsausschuß Verteidigungsausschuß Haushaltsausschuß Eine Aussprache ist heute nicht vorgesehen. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 14/47 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettsitzung mitgeteilt: Bericht zum Stand der Vorkehrungen zur Unterbringung der Verfassungsorgane des Bundes in Berlin und zu der Möglichkeit der Arbeitsaufnahme bereits im Herbst 1999; Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002; deutsche Beteiligung an möglichen NATO-Operationen zum Schutz und Herausziehen von OSZE-Beobachtern aus dem Kosovo in Notfallsituationen. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Franz Müntefering.

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht, der dem Kabinett heute vorgelegen hat, geht von den geltenden Gesetzen und den Vereinbarungen zum Umzug und zum Bonn-Ausgleich aus. Der Bundestag hat im vergangenen Jahr beschlossen, daß er seine volle Arbeitsfähigkeit und seine Präsenz nach der Sommerpause 1999 in Berlin haben wird. Die alte Bundesregierung hat daraus, was ihre eigene Arbeitsfähigkeit in Berlin angeht, nicht mehr die hinreichenden Konsequenzen gezogen, wenigstens nicht in vollem Umfang. Es gibt punktuell Probleme; dazu will ich gleich einige Anmerkungen machen. Vorweg möchte ich aber feststellen: Der Kostenrahmen, das 20-Milliarden-DM-Paket, steht. Es deutet sich nicht an, daß er überschritten würde. Auch die heutigen Meldungen in einigen Medien, das Reichstagsgebäude als solches würde teurer als geplant, stimmen nicht. Die Bundesregierung wird ihre Arbeitsfähigkeit in Berlin pünktlich im Sommer 1999 herstellen. Das Kabinett wird ab sofort von Zeit zu Zeit Kabinettsitzungen in Berlin haben. Die erste Kabinettsitzung in Berlin wird in der nächsten Woche stattfinden, und ab September nächsten Jahres wird Berlin der regelmäßige Sitz für Kabinettsitzungen sein. Auch Bonn kann sich darauf verlassen, daß gilt, was vereinbart ist. Zu den Problemen und Fragen, mit denen wir es zu tun haben: Es gibt Zeitverzögerungen bei einer ganzen Reihe von Gebäulichkeiten. Die Arbeiten am JakobKaiser-Haus - das betrifft die Abgeordneten und ihre Mitarbeiter -, am Paul-Löbe-Haus - das betrifft die Ausschüsse und die Fraktionen -, dem Bundeskanzleramt und dem Bundespresseamt sind im Zeitverzug. Es muß daran gearbeitet werden aufzuholen. Man muß aber davon ausgehen, daß nicht alle Gebäude rechtzeitig fertiggestellt werden können, so daß wir im nächsten Sommer oder im nächsten Herbst Situationen haben werden, in denen die Arbeitsfähigkeit von Bundestag und Bundesregierung in Berlin gegeben ist, aber Arbeitsplätze im Sinne von Räumlichkeiten noch nicht in dem eigentlich angestrebten Umfang zur Verfügung stehen. Zu den Entwicklungsmaßnahmen in Berlin. Hierbei geht es um die Erschließung der Zuwegung und Straßen im Bereich des Reichstags und anderer Gebäulichkeiten. Dazu steht eine Vereinbarung Berlins mit der Bundesregierung aus, weil es in der vergangenen Zeit keine Vereinbarung zwischen dem Finanzminister ({0}) und dem Land Berlin gegeben hat. In dieser Thematik ist eine hohe Brisanz, weil die große Gefahr besteht, daß wir irgendwann die Gebäulichkeiten fertig haben, aber die nötige verkehrliche Infrastruktur - mindestens an einigen markanten Stellen - fehlt, was sicherlich kein Ruhmesblatt wäre. Es geht um Verkehrsfragen, zum Beispiel die Frage, ob die unmittelbar am Kanzleramt gelegene Straße bestehen bleibt oder ob sie verlegt werden soll. Denn der große Graben zwischen Kanzleramt und dem Reichstagsgebäude wird noch eine lange Zeit dasein, weil dort gearbeitet wird. Zumindest aus Sicherheitsgründen entsteht die Frage, ob diese Straße so bleiben kann. Es geht um ein U-Bahn-Projekt - U 5 für die Kenner. Ich habe über die Situation der Pendler und des Wohnraums berichtet. In beiden Bereichen gibt es aus meiner Einschätzung keine große Problematik. Ich weise aber auch darauf hin, daß man schlecht fest kalkulieren kann, weil wir weder für die Pendlerinnen und Pendler noch für den Wohnraum, der wirklich gebraucht wird, verbindliche Zahlen haben und sich das alles auf einer Basis von 1994 bewegt. Angesichts des Zeitverzugs bei den Gebäulichkeiten wird möglicherweise ganz anders oder in anderem Umfang gependelt, als bisher angenommen wurde. Wir verhandeln zur Zeit mit der Bundesbahn und mit Verkehrsunternehmen in Europa, um zusätzliches Flugmaterial zu chartern und um Sprinterzüge einzusetzen, die speziell die Aufgabe haben, Anschlüsse zwischen Berlin und Köln/Bonn zu ermöglichen. Es geht um die Anschlußverträge für Berlin und für Bonn. Diese müssen im nächsten Jahr vereinbart werden. Es gibt noch keine hinreichende Vorbereitung für die Entscheidung, was mit diesem Hohen Hause eigentlich sein wird. Wir gehen davon aus, daß dieses Haus nicht im Sommer nächsten Jahres abgeschlossen werden kann und man dann einfach schaut, was passiert. Es besteht ganz dringender Bedarf, hier zu Entscheidungen zu kommen. Es geht auch um die Unterbringung einiger Institutionen, die nach Bonn kommen und bei denen es in dieser Frage bisher noch keine Entscheidungen gibt. Speziell den Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen trifft natürlich die Herausforderung, mit der Zusammenlegung des Hauses fertig zu werden. Das werden wir aber, wie ich glaube, in der nächsten Zeit konkretisieren können. Das Kabinett hat einen Beschluß gefaßt, daß der Bericht zur Kenntnis genommen ist. In ihm wird noch einmal festgestellt, daß es Ziel der Bundesregierung ist, im zeitlichen Zusammenhang mit dem Umzug des Deutschen Bundestages im Herbst 1999 die Arbeitsfähigkeit des Kanzleramts und der Bundesministerien in der Bundeshauptstadt Berlin sicherzustellen. Die Bundesregierung geht davon aus, daß die Ressorts alle dazu notwendigen organisatorischen und personalwirtschaftlichen Vorkehrungen treffen und daß die Themen, zu denen Klärungsbedarf besteht und die sich aus meinem Bericht Vizepräsidentin Petra Bläss ergeben, zügig angepackt werden, damit die Arbeitsfähigkeit tatsächlich im Herbst 1999 gegeben ist. Abschließend stelle ich fest, daß das Kabinett ab sofort immer wieder - etwa einmal im Monat - in Berlin tagen wird, und zwar im ehemaligen Staatsratsgebäude. Sie kennen dieses Gebäude; dort befindet sich der Kabinettssaal für Berlin. Ab nächstem Sommer bzw. Herbst wird das Kabinett dauerhaft in Berlin zusammentreten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, über den soeben berichtet wurde. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dietmar Kansy.

Dr. - Ing. Dietmar Kansy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001064, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe Geduld mit dieser Tonanlage, die ich halb mit verbrochen habe. Im Reichstag wird es aber besser werden. ({0}) Herr Minister, im Vorfeld zu Ihrem Bericht, den Sie heute vorgelegt haben, den Sie in der Sitzung des Bauausschusses auch dem Parlament zur Verfügung gestellt haben und der - das sage ich als langjähriger Vorsitzender der Baukommission - knapp und seriös ist, werden Tatarenmeldungen verbreitet, der Reichstag werde teurer, der Umzug sei gefährdet, die Abgeordneten müßten darben und mit ihren Sekretärinnen auf der Treppe vor dem Reichstag sitzen. Wie erklären Sie sich dies angesichts der Tatsache, daß mit Zustimmung aller Fraktionen seit Jahren vom Ältestenrat des Deutschen Bundestages entschieden ist, daß es, weil das für alle Beteiligten kostengünstiger ist, eine Übergangsphase gibt, für die wir - zugegebenermaßen - das Reichstagsgebäude und acht weitere Altbauten brauchen, so daß dafür vorgesorgt ist, daß zumindest der Parlamentsbetrieb vernünftig losgehen kann?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Herr Kollege Kansy, erklären kann man das nicht. Aber man weiß - das ist nicht neu -, daß es dazu interessengeleitete Stellungnahmen gibt. Das konnte man ahnen, als man sich die Berichterstattung vorgenommen hat. Ich habe den Kanzler darum gebeten, diesen Bericht vorlegen zu können. Er hat mich dann damit beauftragt. Wann immer man mit diesem Thema beginnt - das wird auch in den nächsten Monaten so sein -, wird man eine öffentliche Begleitung haben. Das ist unvermeidlich. Es war nach der Regierungsübernahme aber nötig, sich an dieser Stelle Klarheit zu verschaffen; denn der Deutsche Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung und die deutsche Öffentlichkeit und vor allen Dingen auch Berlin und Bonn können erwarten, daß sie von einer neuen Bundesregierung eine klare Botschaft über das, was wir vorfinden, und über das, was wir zu tun gedenken, bekommen. Deshalb war der Bericht unvermeidlich, wohlwissend, daß sich darum dann auch Spekulationen ranken. Das Ergebnis, das ich Ihnen habe vortragen dürfen, ist eines, das man, wie ich glaube, jetzt auch nutzen kann und nutzen muß, damit für alle klar ist, was denn die Botschaft dieses Vorgangs ist.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat die Abgeordnete Brigitte Baumeister, CDU/CSU.

Brigitte Baumeister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000112, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, Sie haben kritisiert, daß die vorherige Bundesregierung die Planung ihres Umzugs nach Berlin nicht so vorgenommen habe, daß er identisch und passend zu dem des Parlamentes sei. Das habe ich zur Kenntnis genommen. Ich frage Sie, Herr Bundesminister: Sie haben vorgetragen, daß die Bundesregierung jetzt vorausschauend Vorkehrungen treffen wird, möglichst zügig die Arbeitsfähigkeit in Berlin herzustellen. Sie haben vom Kostenrahmen gesprochen. Könnten Sie mir, Herr Bundesminister, erklären, ob im Vergleich mit der Planung der vorherigen Bundesregierung große Unterschiede bei der Zahl der Mitarbeiter bestehen und - bezogen auf das Kanzleramt - ob es dabei bleibt, daß nur ein Teil der Mitarbeiter umziehen soll, oder ob alle mitgehen? Ich frage weiter, ob die zusätzlichen die Arbeitsplatzauslagerungen, die innerhalb des Kostenrahmens machbar sind, den wir als Parlament vorgegeben haben, gedeckelt sind?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Wir gehen davon aus, daß es bei der Zuordnung des Personals für Berlin und Bonn bleibt, so wie das vereinbart gewesen ist. Veränderungen, die es möglicherweise geben muß, werden nur minimal sein. Es kann keine großen Einschnitte geben; denn das würde das ganze System in Frage stellen. Zu den Planungen für das Kanzleramt muß man sagen: Der Umzug war schlecht vorbereitet. Es war vorgesehen, daß im Staatsratsgebäude im nächsten Herbst 76 Arbeitsplätze zur Verfügung stehen würden. Über Sicherheitsfragen war aber noch in keiner Weise gesprochen worden. Es waren auch keine Sicherheitsvorkehrungen eingeleitet worden. Wir kennen die dortige Situation. Es muß natürlich geklärt werden, wie mit diesem Gebäude - wenn von dort regiert wird - und seiner unmittelbaren Umgebung umgegangen wird. Bundeskanzler Schröder hat inzwischen entschieden, daß im nächsten Herbst mehr als 76 Arbeitsplätze für das Bundeskanzleramt zur Verfügung stehen werden, und zwar in den unmittelbar anschließenden im Gebäude erreichbaren Komplexen. Ich bitte um Nachsicht, daß ich diese jetzt nicht präzise bezeichnen kann. Das wissen die Mitglieder der Baukommission besser als ich. Aber an der Rückseite des Staatsratsgebäudes befinden sich Gebäulichkeiten, die zusätzlich dafür zur Verfügung stehen werden, daß das Kanzleramt in Berlin voll arbeitsfähig sein wird.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat die Abgeordnete Gabriele Iwersen, SPD.

Gabriele Iwersen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000998, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben auch das Problem der Wohnungsfürsorge angesprochen und haben darauf hingewiesen, daß zur Zeit keine verläßlichen Zahlen in bezug auf die Nachfrage vorliegen. Nun ist einiges von Ihrem Vorgänger vorangetrieben worden, zeitlich ordentlich organisiert, aber in einem Kostenrahmen, der mit dem Wohnungsmarkt in Berlin überhaupt nicht im Einklang steht. Man muß unter dem Gesichtspunkt davon ausgehen, daß das Projekt der „Moabiter Werder“ zwar termingerecht fertiggestellt wird, aber nicht genutzt werden kann, weil die Kosten, die jedenfalls ursprünglich vereinbart worden waren ich glaube, das hatte Frau Thoben ausgehandelt -, nicht akzeptabel sind. Es gibt Hinweise darauf, daß die Wohnungsbaugesellschaft, die diese Anlage zur Zeit baut, auch gar nicht mehr damit rechnet, daß der vorgesehene Mietpreis erzielbar ist. Darf ich fragen, ob die Bundesregierung daran denkt, die Verhandlungen noch einmal aufzunehmen, um zu angemessenen Mietpreisen zu kommen? Erst wenn das geschieht, kann man diese Wohnungen hier anbieten und dann auch damit rechnen, daß sich Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiter aus den verschiedenen Ministerien darauf festlegen, dort zu wohnen.

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Frau Kollegin, an keiner der Stellen, an denen punktuell Probleme aufgetaucht sind so wie Sie gerade eines beschrieben haben -, haben wir ein Moratorium ausgelöst, sozusagen nach dem Motto: Wir fangen noch einmal an, darüber nachzudenken. Dazu ist überhaupt keine Zeit. Die Arbeit muß weitergehen, auch bei der Erstellung der Wohnungen. Aber natürlich haben wir dieselben Erkenntnisse wie Sie. Der Wohnungsmarkt in Berlin ist relativ entspannt. Viele von denen, die eigentlich in die Wohnungen, die dort gebaut werden, einziehen sollten, bemühen sich offensichtlich privat. Statistiken irgendwelcher Art dazu habe ich überhaupt nicht. Aber man kennt das, wenn man mit Kolleginnen und Kollegen sowie mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern darüber spricht, wer wo in Berlin eigentlich hinziehen will. Es besteht die hohe Wahrscheinlichkeit, daß sich die Wohnraumversorgung ganz anders darstellen wird, als das idealtypisch - sozusagen auf der grünen Wiese - gedacht worden ist. Wir müssen uns - wenn wir in diese Situation kommen - auch darüber klar werden, ob man die Wohnungen, die heute gebaut werden und eine relativ hohe Quadratmetermiete haben werden, nicht unter anderen Bedingungen vermieten muß. Das kann das Ergebnis sein. An dieser Stelle will ich aber nicht dazu beitragen, daß irgend etwas in diesem Gesamtkonzept in Frage gestellt wird. Deshalb sage ich, es muß an der Stelle zügig weitergehen. Alles andere wäre das falsche Signal. Dann muß man schauen, ob man in der Tat nachsteuern kann; denn die Vermutungen, die Sie vorsichtig ansprechen, werden auch von mir geteilt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat die Abgeordnete Ingrid Matthäus-Maier, SPD.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, es gab in den letzten Wochen Stimmen in der Region Bonn/Rhein-Sieg, die befürchteten, die neue rot-grüne Regierung würde den vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen gegenüber der Region in Sachen Ausgleich nicht ausreichend nachkommen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie an verschiedenen Stellen und auch heute klargemacht haben, daß Sie selbstverständlich dazu stehen. Sie nannten die sinnvolle Verwendung des Plenarsaales und sagten, daß Sie sich darum bemühen. Meine Frage ist: Haben Sie schon einen Zeitrahmen, innerhalb dessen Sie absehen können, daß es hier eine sinnvolle Lösung gibt? Das ist die eine Frage. Die zweite Frage. Es ist angestrebt, daß noch mehr internationale Organisationen in die Region Bonn/ Rhein-Sieg geholt werden. Gibt es da schon zusätzliche Hoffnungen oder Gespräche?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Erstens, was das Hohe Haus angeht: Diese Sache wollen wir natürlich zusammen mit dem Deutschen Bundestag beraten und zu einem Ergebnis führen. Man stößt auf die üblichen Fragen zum Denkmalschutz und zu Gebäulichkeiten. Man stößt auf Urheberrechte des Architekten. Das alles muß in einen vernünftigen Einklang gebracht werden. Ich gehe davon aus, daß wir im ersten Quartal nächsten Jahres hier wissen müssen und sollen, welche Nutzungsvorstellungen wir haben. Das ist auch für die Stadt Bonn und für die Region wichtig. Aber ich denke, das können wir als Bundesregierung und als Bundestag nicht als eine ungeklärte Frage stehenlassen. Ich gehe vom ersten Quartal des nächsten Jahres aus.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Zur zweiten Frage, internationale Organisationen?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Ich kenne die Bemühungen, kann Ihnen aber keine weiteren konkreten Entwicklungen dabei nennen. Man kann zwei Dinge zu Bonn sagen. Es ist im Kabinett noch einmal deutlich geworden: Es müssen auch für Institutionen, die nach Bonn kommen, die für diese Stadt vorgesehen sind und bei denen man noch nicht weiß, wo sie unterkommen, schnell Entscheidungen getroffen werden. Meine dringende Empfehlung war - ich denke, daran müssen wir uns auch halten -, daß wir auch für Bonn keine komplizierten Umplanungen mehr machen. Vielmehr müssen wir davon ausgehen, daß die Gebäulichkeiten, die festgelegt sind, für die vorgesehenen Zwecke auch genutzt werden und daß das, was noch kommt, in Form von Baugenehmigungsanträgen sehr schnell realisiert wird. Es gibt da auch noch zwei, drei Unklarheiten. Zum Gewinnen zusätzlicher Einrichtungen - ich muß sagen, das habe ich jetzt nicht genau verfolgt - kann ich nicht sagen, ob noch etwas im Gange ist. Auf jeden Fall ist mir im Augenblick nichts Konkretes bekannt. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der nächste Fragesteller ist der Abgeordnete Norbert Hauser, CDU/CSU.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, es ist für die Region und auch für Berlin sicherlich sinnvoll und gut, wenn Planungsklarheit und -sicherheit entstehen. Planungsklarheit und -sicherheit bestehen aber nach dem Bericht, den Sie vorgelegt haben, noch nicht im Bereich der Wohnungsversorgung für Pendler. Nach den Zahlen, die uns vorliegen, ist mit 3 500 Pendlern zwischen Bonn und Berlin zu rechnen. Wie sollen diese Mitarbeiter der Behörden und Ministerien mit Wohnungen versorgt werden? Oder gehen Sie davon aus, daß all diese Mitarbeiter in Hotels unterzubringen sind? Zweite Frage, anschließend an die Unterbringung von internationalen Organisationen. Sie wissen, daß es einen Grundstückstopf gibt, der der Stadt Bonn die Möglichkeit einräumen soll, internationale Organisationen - wie auch bereits geschehen - unterzubringen. Der Grundstückstopf ist weitestgehend noch voll. Es handelt sich um insgesamt 100 Millionen DM. Davon sind erst etwa 6 bis 7 Millionen DM in Anspruch genommen. Ist die Bundesregierung, sind Sie mit Ihrem Hause bereit und in der Lage, kurzfristig, wenn Unterbringungswünsche anstehen, auf diesen Grundstückstopf zurückzugreifen und Liegenschaften daraus bereitzustellen?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Zweck dieses Topfes ist, daß so etwas gemacht wird. Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß das nicht realisiert werden könnte, wenn man denn weiß, was in Frage käme. Wenn Sie mir Vorschläge ganz konkreter Art machen können oder wollen, dann bin ich herzlich gern bereit, diese aufzunehmen. Ich meine das ganz ernst, weil ich weiß, daß sich manche Dinge für eine öffentliche Diskussion nicht eignen. Wo immer Hinweise möglich sind, da bitte ich Sie, diese zu konkretisieren. Ich gehe davon aus, daß das Geld für diejenigen Zwecke zur Verfügung steht, für die es eingestellt worden ist. Was die Wohnraumversorgung angeht, möchte ich folgendes sagen: Es gibt in Berlin 3 225 Bestandswohnungen, die sogenannten Alliiertenwohnungen. Es gibt im Neubaubereich 1 812 Wohnungen. Es gibt im Bereich der Eigentumsmaßnahmen 4 140 Wohnungen. Das heißt, insgesamt geht es um etwa 9 100 Wohnungen, die in Berlin entstehen und die zum größten Teil fertig sein und zur Verfügung stehen werden, wenn der Deutsche Bundestag und die Bundesregierung in Berlin ankommen. Ich glaube, daß man die Probleme, die Sie angesprochen haben - auch die Probleme in bezug auf Pendlerwohnungen - damit lösen kann; denn es gibt darunter größere und kleinere Wohnungen. Es kommt hinzu wenn man sich umhört, dann erfährt man das an allen Stellen immer wieder -, daß viele längst dabei sind erfolgreicher, als wir uns das manchmal vorstellen -, sich am Wohnungsmarkt in Berlin umzuschauen. Sie haben die Zahl von 3 500 Pendlern angesprochen. Ich habe leider keine konkrete Zahl. Es gibt Zahlen zwischen 3 000 und 7 000. Ich weiß nicht, was richtig ist. Die Zahlen zwischen 3 000 und 7 000 basieren auf Vermutungen, auf idealtypischen Festlegungen, die vor einigen Jahren getroffen worden sind. Mittlerweile sind die Ministerien zum Teil kleiner geworden. Die Ministerien kommen zum Teil zeitverzogen in Abteilungen nach Berlin. Das heißt, es kann sein, daß im September nächsten Jahres die Zahl der Pendler längst nicht so groß ist wie die, von der wir im Moment ausgehen. Es kann aber auch sein, daß manche von denen, die wissen, daß sie im Laufe der Jahre 1999 oder 2000 in Berlin sein werden, dort zuvor eine Wohnung nehmen werden und dann einige Wochen oder einige Monate von Berlin nach Bonn zurückpendeln. Auch das kann sein. Was die Pendlerlogistik insgesamt angeht, so müssen wir - ich bin sicher, der Deutsche Bundestag wird das aus eigener Erkenntnis heraus tun - dafür sorgen, daß die Arbeitszeiten über die Woche verteilt werden. Es kann in Berlin keine Fünftagewoche geben, die dazu führt, daß sich der ganze Verkehr montags zwischen 6 und 8 Uhr und freitags zwischen 12 und 14 Uhr abspielt; vielmehr kann die Arbeit auch am Sonntag mittag oder am Sonntag abend beginnen und irgendwann am Samstag enden. Viele werden dankbar sein, wenn man auch in diesem Rahmen über flexible Arbeitszeiten spricht. Die Bundestagsabgeordneten haben sowieso eine Sechstagewoche. Insofern macht es gar nichts, wenn man von Sonntag bis Samstag denkt.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich eine Nachfrage stellen?

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ja, bitte.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, darf ich Sie bitten, Ihren Blick, was die Pendlerproblematik und die Wohnraumversorgung anbelangt, einen Moment auch auf die Bundesstadt zu lenken? ({0}) - Falls Sie es nicht verstanden haben sollten: Ich meine natürlich Bonn, Frau Kollegin. Ich dachte, daß „Bundesstadt“ im Hohen Haus ein geläufiger Begriff ist. ({1})

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

In dem von uns vorgelegten Bericht - wir haben Problempunkte dargestellt, die noch zu klären sind - haben wir keinen Anlaß gesehen, die Wohnungssituation in Bonn als problematisch zu beschreiben und zu unterstellen, daß es in Bonn zusätzliche Erschwernisse geben könnte.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer weiteren Zwischenfrage erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr.-Ing. Dietmar Kansy, CDU/CSU.

Dr. - Ing. Dietmar Kansy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001064, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, angesichts der Tatsache, daß wir mit den Kosten ich spreche jetzt nur von den Parlamentsbauten; für die Regierungsbauten tragen Sie direkt Verantwortung ganz knirsch sind - die Vorräte sind aufgebraucht -, und angesichts der Tatsache, Frau Matthäus-Maier, daß der Deutsche Bundestag auch mit Ihrer Stimme vor gut einem halben Jahr zugunsten der Rentenversicherung die Mehrwertsteuer um 1 Prozentpunkt erhöht hat, was bei einer noch nicht abgerechneten Bausumme von rund 2 Milliarden DM für den Deutschen Bundestag allein 20 Millionen DM mehr Steuern bedeutet, die wir beim Finanzminister erbitten müssen, damit er sie der Baufirma gibt, um sie sich dann später von der Baufirma zurückzuholen, frage ich Sie: Können Sie sich vorstellen, daß Sie die Vorstellung des Deutschen Bundestages, zumindest die der Baukommission des Deutschen Bundestages, unterstützen, den Finanzminister angesichts dieser Tatsache zu bitten, wenigstens den Faktor, der durch die Mehrwertsteuererhöhung dazugekommen ist, zu akzeptieren, ohne daß es zu Lasten der Bausumme geht?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Herr Kollege Kansy, ich muß gestehen, daß ich Ihre Frage nicht ganz verstanden habe. Ich bitte um Nachsicht. Vielleicht könnten Sie es mir noch einmal mit einem Satz sagen.

Dr. - Ing. Dietmar Kansy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001064, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wenn die Präsidentin das gestattet. - Durch die Mehrwertsteuererhöhung, die wir im letzten Jahr im Deutschen Bundestag beschlossen haben und die dieses Jahr in Kraft getreten ist, haben sich bei laufenden Bauvorhaben natürlich in ganz erheblichem Umfang die Baukosten erhöht. Ich meinte, daß es doch ein unsinniges Geschäft wäre, auch wenn die Umsatzsteuer nicht 100prozentig dem Bund zugute kommt, daß der Finanzminister dieses Geld erst abgreift und dann wieder ausgeben muß.

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Jetzt verstehe ich es. Ich sehe dabei aber kein Problem, denn trotz einer um 1 Prozentpunkt höheren Mehrwertsteuer - bei einem Betrag von 20 Milliarden wären es 200 Millionen DM gehen wir davon aus, daß wir den Kostenrahmen halten werden, ({0}) also die Kosten auch unter Berücksichtigung dieser Tatsache im Griff haben. Es gibt keinen Grund, irgendwelche Sonderregelungen zu treffen. Ich glaube, das stände uns, sowohl der Bundesregierung als auch, wenn ich mir das zu sagen erlauben darf, dem Parlament, schlecht zu Gesicht. Im übrigen darf ich, Frau Präsidentin, noch sagen ich habe das zu Beginn vergessen -: Der Bericht, über den ich gesprochen habe, ist in seiner endgültigen Fassung heute morgen fertig geworden und wird in dieser Fassung heute dem Parlament zur Verfügung gestellt. Er wird nicht gleichzeitig bei allen Abgeordneten ankommen, aber er wird heute den Fraktionen und den Sprecherinnen und Sprechern vorliegen. Er wird Ihnen dann schnell zur Verfügung stehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Petra Pau, PDS.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Bundesminister, Ihre Äußerung, daß bisher keine Sicherungsmaßnahmen für das Staatsratsgebäude angedacht wurden, hat mich stutzig gemacht. Ich möchte Sie nach den Auswirkungen auf die rundherum liegende Bürgerstadt befragen. Ist schon absehbar, was das konkret für die dort wohnenden Bürgerinnen und Bürger und insbesondere für das Areal des Schloßplatzes heißt? Sie wissen, daß im Moment sehr emotional darüber diskutiert wird, inwieweit er sowohl für Berlinerinnen und Berliner als auch für ihre Gäste zugänglich ist. Wer ist im Moment in dieser Frage Ihr Ansprechpartner, oder wollen Sie auf das Instrument des Hauptstadtvertrages, also des direkten Durchgriffs des Bundes, zurückgreifen?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Es geht darum, solche Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die dafür sorgen, daß ein Aufenthalt des Bundeskanzlers im Staatsratsgebäude - das wird vorübergehend sein Amtssitz sein - verantwortet werden kann. Diese werden nicht übertrieben sein, aber man benötigt einen Sicherheitstrakt und muß sich überlegen, wie sicher die Fenster sind, wie nahe jemand von draußen an das Gebäude herankommen kann und wie nahe Autos geparkt werden dürfen. Es geht um solche simplen Dinge und um keine größeren Sicherheitsvorkehrungen in diesem Bereich. Aber dieses Minimum an Sicherheit muß schon gewährleistet werden. Das war es bisher nicht, aber das werden wir nun nachholen. Hierüber hat es auch schon die entsprechenden Gespräche gegeben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Baumeister, Sie hatten noch eine Frage.

Brigitte Baumeister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000112, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich möchte noch einmal auf das Problem der Pendlerwohnungen zurückkommen: Halten Sie an dem Grundsatz fest, daß die dem Bund gehörenden Alliiertenwohnungen, die zwischenzeitlich genutzt wurden, wieder frei gemacht werden, so daß sie wieder unserem Kontingent zur Verfügung stehen? Konkret heißt das, daß der Bund nicht andere Wohnungen bereitstellen muß, sondern auf diese Wohnungen zurückgreifen kann.

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Dieses ist noch unsere Position, Frau Kollegin.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Letzter Fragesteller zu diesem Themenkomplex ist der Abgeordnete Norbert Hauser, CDU/CSU.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, in Ihrem Bericht wird darauf hingewiesen, daß die Bonn-Vereinbarung von 1990 am 31. Dezember 1999 ausläuft. Nun hat der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung dankenswerterweise ausgeführt, daß er die kulturellen Mittel für die Bundeshauptstadt Berlin gemäß dem Hauptstadtvertrag in Höhe von zur Zeit 60 Millionen DM zu verdoppeln gedenkt. Dürfen wir davon ausgehen, daß sich diese Großzügigkeit in ähnlicher Weise auch auf die Bundesstadt - Frau Kollegin Matthäus-Maier - Bonn ({0}) auswirkt bzw. wenigstens nicht an eine Reduzierung der Mittel für Bonn gedacht wird?

Franz Müntefering (Minister:in)

Politiker ID: 11001570

Beides - so habe ich eben berichtet; das gilt auch - wird im nächsten Jahr auszuhandeln sein. Die Zuständigkeit liegt dann im wesentlichen beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur, Staatsminister Naumann. ({0}) Ich werde mich als Bauminister natürlich weiterhin darum kümmern, daß die anderen Aspekte dieser Verträge beachtet werden. Über die Höhe der Zahlen kann man heute noch nichts Konkretes sagen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt die beiden weiteren Themen der Kabinettsitzung auf. Zum Steuerentlastungsgesetz hat sich der Abgeordnete Hans Michelbach, CDU/CSU, gemeldet.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, aus dem sogenannten Steuerentlastungsgesetz wird jetzt, wie wir erfahren haben, ein Vorläufergesetz abgetrennt. Dieses Vorläufergesetz mit seinen 10 Milliarden DM Mehrausgaben möchte ich als Wahlversprechengesetz kurz vor Weihnachten bezeichnen. Für diese Ausgaben ist aber noch keine Deckung beschlossen. Auch die Haushaltsabsicherung besteht noch nicht. Gilt für die Beschlüsse zur Gegenfinanzierung, die erst im März oder April nächsten Jahres gefaßt werden sollen, nicht ein Rückwirkungsverbot, das heißt, daß die finanzielle Deckung nicht rückwirkend zu erwirken ist? Ähnliches gilt für das Ökosteuergesetz. Hierdurch sollen 11 Milliarden DM zur Entlastung der Sozialversicherungen eingenommen werden. Ich frage Sie: Stimmt die Einschätzung der Energiewirtschaft, daß Einnahmen in Höhe von maximal 7 Milliarden DM statt 11 Milliarden DM mit den Änderungen, die Sie eingebracht haben, zu erreichen sind? Wie wollen Sie die durch Ihr Handeln entstehenden Finanzlöcher schließen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, zum Thema Ökosteuergesetz kann ich heute im Rahmen der Regierungsbefragung keine Auskunft geben, weil dieses Gesetz noch nicht als Entwurf der Bundesregierung vorliegt. Es liegt als Entwurf der Koalitionsfraktionen vor. Dazu darf ich für die Bundesregierung natürlich keine Auskunft geben. Für die Regierungsbefragung ist als Thema das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 angemeldet. Dazu will ich gerne Auskunft geben. Sie bezeichnen es als Weihnachtsgeschenk, wenn wir den Eingangsteuersatz von 25,9 auf 23,9 Prozent senken. Übrigens senken wir mit Wirkung zum 1. Januar 1999 auch den gewerblichen Spitzensteuersatz von 47 auf 45 Prozent. ({0}) - Sie wollen also lieber größere Weihnachtsgeschenke, Herr Kollege? ({1}) Außerdem erhöhen wir zugleich das Kindergeld für das erste und zweite Kind um je 30 DM. Dies entspricht unseren Aussagen vor der Wahl. Das von uns vorgelegte und von der Regierung heute im Entwurf beschlossene steuerpolitische Konzept ist solide finanziert und gedeckt. Es wird in der Weise wirksam werden, wie es notwendig ist, um die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden nicht über Gebühr zu belasten. Wie Sie wissen, gehen wir von einer Nettoentlastung von rund 15 Milliarden DM im Jahre 2002 aus. Wir gehen im Jahr 1999 sogar von überschaubaren Mehreinnahmen aus, die dazu verwendet werden, um die große Steuerreform im Hinblick auf die angedachte Betriebssteuer vorzufinanzieren. Es besteht kein Anlaß zur Befürchtung, daß es einen Konflikt mit dem Rückwirkungsverbot geben werde; denn die Regierung hat den Entwurf heute beschlossen, und der Bundestag hat einen gleichlautenden Entwurf in erster Lesung am Freitag der vergangenen Woche debattiert. Damit ist für jeden ersichtlich, wie der politische Wille der Parlamentsmehrheit und der Bundesregierung ist. Es besteht also kein Problem mit dem Rückwirkungsverbot. Diese Auffassung wird durch höchstrichterliche Rechtsprechungen unterstützt. ({2})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen noch drei Wortmeldungen zu diesem Komplex vor. Deshalb schlage ich Ihnen vor, daß wir den Komplex Kosovo morgen im Rahmen der regulären Debatte im Plenum diskutieren. Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete CarlLudwig Thiele, F.D.P.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, haben Sie nicht die Sorge, daß es durch die von der Regierung beabsichtigten Einschränkungen im Bereich der Immobilien erhebliche Schwierigkeiten für die Baukonjunktur und damit bei den Beschäftigungsverhältnissen geben wird? Können Sie mir einmal erklären, wie man zwischen aktiven und passiven Tätigkeiten differenzieren kann? Nach meinem Gefühl ist eine Investition, um ein Haus für andere zur Verfügung zu stellen, keine passive Tätigkeit. Es handelt sich vielmehr um eine aktive Tätigkeit, ansonsten könnte nichts erreicht werden. Können Sie mir ferner erklären, wie Sie die angedachten Einschränkungen verstehen und welche Auswirkungen Sie für Konjunktur und Arbeitsplätze erwarten?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die von Ihnen geäußerte Befürchtung, Herr Kollege Thiele, teile ich nicht. Im übrigen geht das Gesetz auch nicht von einer Definition passiver oder aktiver Tätigkeiten aus, sondern von einer Definition passiver oder aktiver Einkünfte. ({0}) Sie sind in Anlehnung an das Außensteuergesetz in das Einkommensteuergesetz übernommen worden.

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich habe dann noch eine Frage zur Eigenheimzulage. Wir haben durch die Eigenheimzulage jetzt gerade einen Riesenpusch in unserem Land. Nachdem die alte Koalition aus CDU/CSU und F.D.P. die Eigenheimzulage beschlossen hat, erwerben endlich mehr Mitbürger Eigentum in unserem Land. Dieses soll von der Regierung dadurch eingeschränkt werden, daß der Vorkostenabzug gestrichen wird. Auch die Geltendmachung des Renovierungsaufwands soll gestrichen werden. Erwarten Sie hiervon nicht negative Auswirkungen auf die Bildung von Eigentum in unserem Land und auf die Bauwirtschaft, die in der Vergangenheit immerhin noch der Konjunkturmotor in unserem Land war, was sich möglicherweise ändern wird, wenn Ihr Steuergesetz in Kraft tritt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die einzige Änderung, Herr Kollege Thiele, die sich hierbei ergibt, ist die Tatsache, daß der Vorkostenabzug in Zukunft nicht mehr möglich sein soll. Die Eigenheimzulage als solche bleibt bestehen. Das will ich in der Öffentlichkeit auch ganz deutlich sagen, damit nicht irgendwelche Befürchtungen entstehen. Wie bisher gibt es für ein Ehepaar 5 000 DM und für jedes Kind 1 500 DM pro Jahr sozusagen als Zulage unabhängig von der eigenen Steuerschuld, und zwar für einen Zeitraum von acht Jahren. Insofern kann ich Ihre Befürchtungen da nicht teilen. Entschuldigung, wie war die zweite Hälfte Ihrer Frage?

Carl Ludwig Thiele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002315, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die zweite Frage betraf die Renovierungen, die zu Beginn vorgenommen werden.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Es ist nicht vorgesehen, daß Renovierungskosten nicht mehr geltend gemacht werden können, sondern es wird lediglich keine Pauschalierung der Werbungskosten mehr möglich sein. Vor zwei Jahren - wenn ich mich recht erinnere - ist die Regelung eingeführt worden, daß pro Quadratmeter und Jahr pauschal 42 DM abgesetzt werden können. Dies führt nach meinem Dafürhalten zu erheblichen Mitnahmeeffekten und im übrigen natürlich zur Förderung der Schwarzarbeit; denn bis zu dieser Änderung mußten Hausbesitzer für ein nicht eigengenutztes Haus zumindest noch per Rechnung nachweisen, was sie renoviert haben. Durch die Änderung der Regelung konnten sie es pauschal absetzen und somit auch Schwarzarbeiter tätig werden lassen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Gerda Hasselfeldt, CDU/CSU.

Gerda Hasselfeldt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000825, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, die Bundesregierung ist mit dem Ziel angetreten, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Nun haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehen, in einer ersten Stufe das Kindergeld zu erhöhen und die Steuersätze nur marginal zu senken und dies alles durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage gegenzufinanzieren, und zwar ausschließlich auf der Seite der Unternehmen, das heißt auf der Seite derjenigen, die Arbeitsplätze zur Verfügung stellen sollen. Wie ist dies mit Ihrem hehren Ziel zu vereinbaren, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen? Ich habe eine zweite Frage. Durch den sogenannten Vorläufer zu diesem Gesetz wollen Sie die Kindergelderhöhung schon im Vorfeld, nämlich in diesem Jahr, beschließen und auch einen Beschluß des Bundesrates dazu herbeiführen. Mit der Kindergelderhöhung ist aber auch eine zusätzliche finanzielle Belastung der Länder verbunden. Die Länder haben andererseits eine verfassungsrechtliche Garantie zum Ausgleich dieser Mehrbelastungen. Wie ist der Stand des Verhandlungen mit den Ländern? Wie verhält sich in diesem Zusammenhang das Finanzministerium?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Hasselfeldt, zu Ihrer ersten Frage: Es ist nicht zutreffend, daß die Gegenfinanzierungsmaßnahmen ausschließlich aus dem Bereich der Wirtschaft kommen. Ich darf zum Beispiel auf die angestrebten Änderungen beim des Sparerfreibetrag, die geplante Besteuerung von Abfindungen Vizepräsidentin Petra Bläss und anderes hinweisen, welches auch bei der sozialdemokratischen Klientel nicht unbedingt auf Zustimmung stößt. Im übrigen ist es bisher unsere gemeinsame Position gewesen, daß die Absenkung der Steuersätze nur durch eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage gegenfinanziert werden kann. Ich will das Hohe Haus in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam machen, daß das, was in der Öffentlichkeit diskutiert wird, nämlich daß dies überwiegend zu Lasten des Mittelstands gehe, einfach falsch ist. Es gibt in Wirklichkeit eine Zusatzbelastung für die bilanzierende Großindustrie, die sich in der Vergangenheit von einer Steuerzahlung entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit - sozusagen gesetzlich geschützt - weitgehend hat entfernen können. Diesen gesetzlichen Schutz wollen wir ihr nunmehr nehmen. Zu Ihrer zweiten Frage: Das Kindergeld wird zum 1. Januar 1999 in der von mir genannten Höhe, und zwar um jeweils 30 DM für das erste und zweite Kind, erhöht. Es ist in der Tat notwendig, einen Ausgleich mit den Ländern herbeizuführen. Damit meine ich aus Sicht des Bundesfinanzministeriums zunächst einmal einen Interessenausgleich und nicht einen finanziellen Ausgleich. Unbestritten ist, daß die Länder einen sogar grundgesetzlich verbürgten Anspruch darauf haben, bei Erhöhungen des Kindergeldes über die Neuverteilung der Umsatzsteuerpunkte einen Ausgleich zu erhalten, weil im Grundgesetz festgelegt worden ist, daß die Länder 26 Prozent und der Bund 74 Prozent der Kosten im Rahmen der Zahlung des Kindergeldes tragen sollen. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß der Gesetzentwurf in der Form, wie ihn die Bundesregierung heute beschlossen hat, in den ersten Jahren zu Steuermehreinnahmen führen wird. Insofern haben nach Auffassung der Bundesregierung die Länder schlechterdings keinen Anspruch auf einen Ausgleich von Ausfällen, weil diese gar nicht entstehen. Vielmehr profitieren auch die Länder von den Mehreinnahmen in den ersten Jahren. Wir befinden uns erst am Beginn der Verhandlungen. Wir wissen, daß wir dieses Problem lösen müssen, um die Zustimmung der Länder zu erhalten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Baumeister, Sie sind die nächste Fragestellerin.

Brigitte Baumeister (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000112, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, welche Vorstellungen hat die Bundesregierung bezüglich der Absenkung der Staatsquote im Hinblick auf den zeitlichen Rahmen sowie auf deren Höhe?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Koalitionsfraktionen haben in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, daß sie die Sozialversicherungsquote im Laufe dieser Legislaturperiode wieder auf unter 40 Prozent senken wollen. Was die Staatsquote anbelangt, so ist es natürlich schwierig, dazu insgesamt eine Aussage zu treffen. Denn Sie wissen, daß im Bundeshaushalt als Erblast der vorangegangenen Regierung eine große Unterfinanzierung besteht, so daß wir Steuersenkungen, die weiter gehen als wir dies bisher vorsehen, nicht versprechen können. ({0}) - Frau Kollegin, da Sie sich so freuen, möchte ich feststellen: Wir wollen die Sozialversicherungsquote senken; wir senken netto auch die Höhe der Steuern. Das zusammengenommen erlaubt natürlich auch keinen Anstieg der Staatsquote.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Letzte Fragestellerin zu diesem Themenbereich ist die Abgeordnete Ingrid Matthäus-Maier, SPD.

Ingrid Matthäus-Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001436, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, Sie wurden nach der von den Koalitionsfraktionen und der Regierung geplanten Abschaffung der Vorkostenpauschale im Bereich des Wohnungsbaus gefragt. Habe ich es richtig in Erinnerung, daß dies auch in den sogenannten Petersberger Beschlüssen der vorherigen Koalition und in dem entsprechenden Gesetzentwurf der früheren Bundesregierung so gefordert wurde? ({0})

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin MatthäusMaier, Ihre Erinnerung trügt Sie selbstverständlich nicht. Wir alle schätzen Ihren Kenntnisreichtum. ({0}) Ich würde es begrüßen, wenn die steuerpolitische Diskussion nicht nur in diesem Punkt, sondern insgesamt etwas ehrlicher verlaufen würde. Der größte Teil der von uns vorgeschlagenen Deckungsmaßnahmen ist von der vorherigen Koalition im Bundestag so verabschiedet worden und ist im Bundesrat wegen der damit verbundenen unverantwortlichen Steuerausfälle nicht akzeptiert worden. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Danke, Frau Parlamentarische Staatssekretärin. Angesichts der Tatsache, daß wir heute relativ wenig Fragen für die Fragestunde haben, lasse ich jetzt doch noch eine Frage zum Komplex Kosovo zu und erteile dem Abgeordneten Christian Schmidt das Wort.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bitte die Bundesregierung um Aufklärung bezüglich des Antrages auf Drucksache 14/47 und der Vorabinformation zum Thema „extraction force“, also der Notfalltruppe, die wir gestern aus dem Bundesministerium der Verteidigung erhalten haben. Es ist bekannt, daß diese Truppe die OSZE-Beobachter, die unbewaffnet sind, bei Notfällen, die in drei verschiedene Grade eingestuft werden, aus dem Kosovo herausholen soll. Gestern hieß es, daß in dieser Truppe deutsche Kräfte nur für das Szenario eins, also im Rahmen einer selektiven, geringen Gefährdung, vorgesehen sind und daß bei schwierigeren Notfällen Verstärkungskräfte aus den Heimatstandorten zugeführt werden. Eine deutsche Beteiligung daran ist nicht geplant. Sie würde auch eine weitere konstitutive Zustimmung des Bundestages voraussetzen. Nun lese ich im Antrag unter Ziffer 2, daß im Notfall auf deutsche Kräfte bei SFOR und auf die an ihren Heimatstandorten in Deutschland für SFOR bereitgehaltenen Verstärkungskräfte zurückgegriffen werden kann. Unter Ziffer 3 wird ausgeführt, daß dann auf diese zurückgegriffen wird, sofern dies möglich ist. Kann mir die Bundesregierung zunächst Klarheit darüber verschaffen, ob nun die Äußerung des Bundesministers des Auswärtigen im Auswärtigen Ausschuß oder die mir übermittelte Äußerung des Bundesverteidigungsministers im Verteidigungsausschuß zutrifft? Sind mit den Soldaten an den Heimatstandorten in Deutschland nun alliierte oder deutsche Streitkräfte, Angehörige der Bundeswehr, gemeint? Eine weitere Frage: Was heißt „sofern dies möglich ist“? Was sind die Konditionen dafür? Zum dritten. Wenn diese Streitkräfte, die bereitgehalten werden, Kräfte der Bundeswehr sein sollten, hätte ich gerne gewußt, ob diese für die Aufgaben eigentlich geeignet sind. Warum sollen nicht die KSK, die Kommandospezialkräfte, die gerade für die Fälle der Geiselbefreiung trainiert sind, eingesetzt werden? Oder werden sie, wie man aus der Äußerung des Generalinspekteurs im Verteidigungsausschuß schließen könnte, vielleicht doch verwendet? Stehen sie auch den der SFOR gewidmeten Kräften in den Heimatstandorten zur Verfügung? Schlichtweg: Ich bitte um Aufklärung dieses Informationschaos.

Not found (Gast)

Wen haben Sie gefragt?

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich frage die Bundesregierung. Ich bin nicht für die Geschäftsverteilung in der Bundesregierung zuständig und weiß daher nicht, wer diese Fragen beantwortet.

Not found (Gast)

Ich vermute, daß das eine Frage an den Verteidigungsminister war. ({0}) Über die Kräftezusammensetzung des Kontingents kann ich Ihnen nichts sagen. Ich kann Ihnen aber sagen, was die Bundesregierung heute beschlossen hat und was dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt wird, nämlich daß ein Kontingent von bis zu 250 Kräften zum Schutz der im Kosovo tätigen OSZE-Beobachter, und zwar nicht nur der deutschen, sondern aller, zur Verfügung gestellt wird, daß es drei verschiedene denkbare Szenarien gibt, wie diese Kräfte zum Einsatz kommen, und daß für das dritte Szenario, das von der Evakuierung der OSZE-Beobachter ausgeht, weil sie sich in einer schweren Gefahrensituation befinden, ein entsprechender politischer Beschluß des NATO-Rates notwendig ist; das kann nicht an Ort und Stelle beschlossen werden, sondern bedarf eines politischen Beschlusses. Die Zusammensetzung der Kräfte ist Angelegenheit des Verteidigungsministers. All das, was Sie gesagt haben, bezieht sich auf die Zusammensetzung des bis zu 250 Mann starken Kontingents der Bundeswehr. Der Bundesverteidigungsminister - so verstehe ich das - läßt sich die Möglichkeit offen, dieses Kontingent so zusammenzusetzen, wie es der jeweiligen Aufgabe und Gefahrensituation im Kosovo entspricht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Noch eine Zusatzfrage? - Bitte. Das ist dann aber die letzte.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir können dies hier offensichtlich nicht vollständig aufklären: Werden jetzt 250 Soldaten dort hingeschickt, und die deutschen SFOR Einheiten stehen dann doch nicht als Reservekräfte zur Verfügung? Mit Verlaub, Herr Staatsminister, das ist in der Kabinettsvorlage, die dem Antrag an den Bundestag zugrunde liegt, in keiner Weise schlüssig dargelegt. Das würde wohl doch noch eine Klausur des Bundeskabinetts voraussetzen - um die Dinge einmal klarzustellen.

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich kann Ihre Verwirrung nicht verstehen. Der Beschluß der Bundesregierung, der Ihnen bereits zugegangen ist, ist in dieser Hinsicht vollkommen eindeutig. Ich darf zitieren: Die Kräfte - also die genannten 250 werden - nach Abschluß der für eine Stationierung erforderlichen Vereinbarungen durch die NATO in Mazedonien stationiert. Jetzt kommt der für Sie entscheidende Satz: Im Notfall kann auf deutsche Kräfte bei SFOR und auf die an ihren Heimatstandorten in Deutschland für SFOR bereitgehaltenen Verstärkungskräfte zurückgegriffen werden. Das bezieht sich auf dieses Kontingent von 250 Mann. ({0}) - Die Frage ist doch, wo man sie herholt, Herr Kollege. Christian Schmidt ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Schmidt, das war Ihre letzte Frage. Ich muß damit die Befragung der Bundesregierung beenden. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 14/34, 14/37 Wir beginnen mit den Dringlichen Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Zur Beantwortung steht der Staatssekretär Frank-Walter Steinmeier zur Verfügung. Ich rufe die Dringliche Frage 1 des Abgeordneten Wolfgang Bosbach, CDU/CSU, auf: Trifft es zu, daß eine großangelegte Rückversetzungsaktion für Beamte des Kanzleramtes durch entsprechende Schreiben des Bundeskanzleramtes an die Ministerien eingeleitet worden?

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Bosbach, auf Ihre Frage kann ich Ihnen sagen, daß nach mir vorliegenden Unterlagen im Zeitraum vom 1. Juli 1998 bis zum 27. Oktober 1998 im Kanzleramt 34 Beförderungen vorgenommen worden sind, davon 14 im höheren Dienst und von diesen 14 wiederum zehn nach der Bundestagswahl. ({0}) Dies geschah entgegen der Aussage der früheren Bundesregierung im Haushaltsausschuß vom 16. Juni 1998, es gebe keine Beförderungsmöglichkeiten für das Bundeskanzleramt im Zeitraum von Mai bis Ende Oktober. ({1}) Diese Beförderungswelle kurz vor der Bundestagswahl und vor allen Dingen danach nahm der neuen Amtsleitung jeglichen Spielraum dafür, den eigenen Leitungsstab personell auszustatten. ({2}) Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit - dafür werden Sie Verständnis haben -, ({3}) eine gewisse Anzahl von Amtsangehörigen in ihre Stammressorts zu versetzen. Die Voraussetzungen dafür sind im übrigen auch durch einen Kabinettsbeschluß der früheren Bundesregierung vom 4. Mai 1995 geschaffen worden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage, Kollege Bosbach?

Wolfgang Bosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002632, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Teilen Sie meine Auffassung, daß Sie eine Frage beantwortet haben, die ich gar nicht gestellt habe? Meine Frage bezog sich ausschließlich auf die Rückversetzungsaktion und nicht auf die Anzahl der Beförderungen. Da Sie die Anzahl der Beförderungen ansprechen, frage ich Sie - weil ja durch die Antwort vorgetäuscht wird, als seien die Beförderungen im Hinblick auf den 27. September und nicht auf Grund von Befähigung und fachlicher Leistung der betroffenen Mitarbeiter vorgenommen worden -: Wie viele sind denn in dem gleichen, völlig unverdächtigen Zeitraum des Jahres 1997 vorgenommen worden?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich habe lediglich verständlich und nachvollziehbar zu machen versucht, warum eine Anzahl von Rückversetzungen notwendig war. ({0}) - Dann habe ich Sie nicht richtig verstanden. - Bitte.

Wolfgang Bosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002632, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es bleibt dann zwischen uns der Dissens, der sich daraus ergibt, daß Sie versucht haben, eine Frage zu beantworten, die ich gar nicht gestellt habe. ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Das kann ich so nicht erkennen.

Wolfgang Bosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002632, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben in Ihrer Antwort eine Frage beantwortet, die ich gar nicht gestellt habe. ({0}) - Herr Kollege, bleiben Sie bitte ganz entspannt. Dies war für mich Anlaß, zu fragen - ({1}) - Wenn Sie zuhören würden, könnten Sie auch die Frage hören. Da Sie das nicht tun, können Sie sie auch nicht mitbekommen. Ich wiederhole die Frage gern: Wie groß war die Anzahl der Beförderungen in dem völlig unverdächtigen Zeitraum - Sie haben ihn gerade erwähnt - des Jahres 1997?

Not found (Staatssekretär:in)

Das kann ich Ihnen nicht sagen; diese Zahlen habe ich bisher nicht untersuchen lassen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine weitere Zusatzfrage, diesmal vom Kollegen Wiefelspütz, SPD.

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, teilen Sie meine Einschätzung, daß die Rückversetzungsaktion in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Anzahl von vorher vorgenommenen Beförderungen im Bundeskanzleramt steht, die von der Amtsleitung, die von unserer Vorgängerregierung gestellt wurde, zu verantworten ist? ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Ich habe eben sinngemäß zum Ausdruck gebracht - ich beantworte Ihre Frage deshalb mit Ja -, daß ich mit meiner Vorbemerkung nachvollziehbar machen wollte, daß eine Anzahl von Rückversetzungen notwendig war, damit die neue Regierung im Leitungsbereich des Kanzleramtes etwas Spielraum hat. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine weitere Zusatzfrage, diesmal vom Abgeordneten Erwin Marschewski, CDU/CSU.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, wie bewertet eigentlich der Bundeskanzler selbst den Umstand, daß sämtliche politischen Beamten unmittelbar nach Antritt in den Ruhestand versetzt worden sind, obwohl Herr Schröder gesagt hat, er werde nur reagieren, wenn die Loyalität verletzt sei?

Not found (Staatssekretär:in)

Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik, auch im eigenen Hause. Daran orientieren wir uns. Im übrigen können Sie davon ausgehen, daß diese Personalentscheidung mit ihm abgestimmt war. ({0})

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bin überrascht und frage deshalb nach ({0}) - ich höre nicht auf Sie, sondern auf die Präsidentin -, wie der Bundeskanzler diesen Umstand, der sich klar im Widerspruch zu seiner früheren Aussage befindet, objektiv und subjektiv beurteilt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Abgeordneter Marschewski, ich muß Sie darauf hinweisen, daß es Ihnen nicht zusteht, eine weitere Zusatzfrage zu stellen. Deshalb rufe ich jetzt die Dringliche Frage 2 des Abgeordneten Bosbach auf: Haben die betroffenen Beamten Kenntnis von diesem Verfahren?

Not found (Staatssekretär:in)

Die vorbereitenden Gespräche dauern im Augenblick überwiegend noch an. Soweit bereits konkrete Maßnahmen eingeleitet worden sind, sind die betroffenen Beamten natürlich unterrichtet worden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Sie haben eine Zusatzfrage, bitte.

Wolfgang Bosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002632, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wäre es unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherren nicht notwendig gewesen, die betroffenen Beamten früher zu unterrichten?

Not found (Staatssekretär:in)

Wir sind, wenn ich mich recht erinnere, erst ungefähr drei Wochen im Kanzleramt. Wir haben die Entscheidungen, soweit sie notwendig waren, zügig getroffen. Sobald sie getroffen waren, haben wir die betroffenen Beamten so zügig wie möglich darüber unterrichtet. Ich glaube, einen viel größeren zeitlichen Spielraum gab es wirklich nicht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Zusatzfrage des Kollegen Bosbach.

Wolfgang Bosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002632, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die jetzt eingeleitete Aktion erinnert fatal an die damals so genannte „Maschinengewehraktion“ des damaligen Kanzleramtsministers Ehmke. Gehen Sie davon aus, daß der Bundeskanzler die angesprochene Aktion unterbrechen oder gar abbrechen wird?

Not found (Staatssekretär:in)

Es gibt keine „Aktion Maschinengewehr“. Sie haben diese Begrifflichkeit weder aus meinem Munde noch aus dem des Kanzlers gehört, ({0}) und wir identifizieren uns damit auch nicht. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Damit rufe ich die Dringliche Frage 3 des Abgeordneten Wolfgang Zeitlmann, CDU/CSU, auf: Ist es richtig, daß der künftig für Personalangelegenheiten vorgesehene Gruppenleiter im Kanzleramt bereits im Vorgriff auf seine künftige Funktion die Rückversetzungsaktion eingeleitet hat?

Not found (Staatssekretär:in)

Um Loyalitätskonflikte beim bisherigen Gruppenleiter zu vermeiden, haben wir tatsächlich den designierten Gruppenleiter beauftragt, über eine Reihe der in der Frage angesprochenen Personalmaßnahmen vorbereitende Gespräche in den Ressorts zu führen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Keine Nachfrage des Kollegen Zeitlmann. Dann rufe ich die Dringliche Frage 4 des Abgeordneten Zeitlmann auf: Ist dem Bundeskanzler bekannt, daß dieser Beamte als Leiter der SPD-Betriebsgruppe im Kanzleramt dort seit über 16 Jahren tätig ist - zuletzt seit mehreren Jahren als Referatsleiter für Arbeitsund Sozialpolitik?

Not found (Staatssekretär:in)

In der Tat leitete der betroffene Beamte das entsprechende Spiegelreferat für das BMA von 1991 bis Oktober 1998. Daß er auch Leiter der SPDBetriebsgruppe gewesen ist, haben wir Ihrer Anfrage entnommen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage des Fragestellers, bitte.

Wolfgang Zeitlmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002588, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen bekannt, daß die frühere Bundesregierung in den 16 Jahren keinerlei Anstalten unternommen hat, diesen Beamten in sein Stammressort zurückzuversetzen?

Not found (Staatssekretär:in)

Das ist offensichtlich so, da er bis Oktober 1998 dort war.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich schlage vor, bereits an dieser Stelle den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern aufzurufen. Zur Beantwortung steht Staatssekretär Körper zur Verfügung. Zunächst zur Frage 7 des Abgeordneten Austermann: Wie viele Zurruhesetzungen von Mitarbeitern der Bundesverwaltung ({0}) sind vom Zeitpunkt des Regierungswechsels infolge der Bundestagswahl im September 1998 an erfolgt und bis Ende November 1998 beabsichtigt?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Vom Regierungswechsel am 27. Oktober 1998 bis zum 16. November 1998 sind insgesamt 51 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Darüber hinausgehende Aussagen für die Zukunft sind naturgemäß nicht möglich, da es sich jeweils um eine Einzelfallentscheidung des zuständigen Ressortministers handelt.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe eine Zusatzfrage. Sind in die Zahl von 51 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch die Angestellten einbezogen, die ein besonderes Arbeitsverhältnis hatten, und wie verteilen sich diese 51 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die einzelnen Ministerien?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Die Liste, aus der hervorgeht, um wen es sich handelt, kann ich Ihnen gerne zur Verfügung stellen. Lassen Sie mich Ihnen aber noch die Information geben, daß bei dem Regierungswechsel 1982 in einem vergleichbaren Zeitraum 42 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen worden sind, obwohl es sich damals nur um einen Teilwechsel gehandelt hat. Ich denke, die Entlassungen, die darauf folgten, sind auch zu beachten. Bei Ihren kritischen Äußerungen sollten Sie bedenken, was Sie 1982 gemacht haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine weitere Zusatzfrage.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Können Sie bestätigen, daß, nachdem Sie die Zahl von 1982 - auch ohne die Angestellten - eindeutig überschritten haben, beabsichtigt ist, weitere Zurruhesetzungen vorzunehmen, die nur deshalb ausgesetzt sind, weil man die Fachkräfte noch für die deutsche EU-Präsidentschaft im nächsten Jahr braucht?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Austermann, ich habe bereits etwas zu den weiteren Entscheidungen gesagt. Ich will hier die Rechtsgrundlage erwähnen: Diese Zurruhesetzungen erfolgen auf der Grundlage des § 36 des Bundesbeamtengesetzes. Dieser Paragraph eröffnet bewußt einen weiten Ermessensspielraum und - das sagen wir ganz deutlich - schließt reine Willkürentscheidungen aus. Das besondere Vertrauensverhältnis zur politischen Leitung ist das Fundament der in § 36 des Bundesbeamtengesetzes genannten Beamten. Ich will Ihnen noch die Information geben, daß es manchmal auch umgekehrt gelagerte Fälle gibt: Betroffene politische Beamte sind der Meinung, sie könnten mit der jeweiligen Bundesregierung nicht loyal zusammenarbeiten. Auch das sollten Sie im Hinterkopf behalten, wenn Sie dazu Fragen stellen.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verstehen kann man das bei dieser Führung natürlich. Ich hätte gerne die Liste.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Die bekommen Sie selbstverständlich.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Marschewski, bitte.

Erwin Marschewski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001424, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, lassen Sie mich konkret fragen: Beabsichtigen Sie, nach Ablauf der deutschen EU-Präsidentschaft im Innenministerium die Abteilungsleiter Verfassung, Ausländer- und Asylangelegenheiten sowie Polizeiangelegenheiten umgehend oder in kurzer Frist danach in den Ruhestand zu versetzen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Kollege Marschewski, diese Fragen werde ich Ihnen dann beantworten, wenn sie zur Entscheidung anstehen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Die Frage 1 des Kollegen Hartmut Koschyk ist schriftlich beantwortet worden. Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung. Ich rufe die Frage 2 des Abgeordneten Wolfgang Börnsen, CDU/CSU, auf: Welche konkreten, schnellen und vor allem den Voten von Bundestag und Bundesrat entsprechenden, nachhaltigen Schritte zur Förderung der bestehenden Duty-free-Regelung beabsichtigt die Bundesregierung in bezug auf die von ihr zu übernehmende EU-Ratspräsidentschaft im Januar kommenden Jahres vor dem Hintergrund der von Bundeskanzler Gerhard Schröder vor der Wahl getroffenen und jetzt vor dem Bundeskongreß der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten wiederholten Äußerungen, er finde es nicht gut, wenn EU-Diplomaten zollfrei einkaufen könnten, aber ,,der Oma die Butterfahrt genommen wird“ ({0})?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Börnsen, die Bundesregierung wird sich nachdrücklich im Sinne der Voten des Deutschen Bundestages und des Bundesrates für eine Weiterführung des innergemeinschaftlichen Tax-free-Handels einsetzen. Die Aussichten dafür sind jedoch denkbar ungünstig. Für eine Weiterführung wären ein entsprechender Vorschlag der Europäischen Kommission selbst sowie ein einstimmiger Beschluß im Ecofin-Rat notwendig. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Europäische Kommission hat stets ihre Ablehnung betont. Die Mehrheit der Mitgliedstaaten ist ebenfalls dieser Auffassung. Selbstverständlich wird die Bundesregierung die Ratspräsidentschaft dazu nutzen, um neben einer Reihe anderer bedeutsamer Themen auch dieses Thema zu erörtern und voranzubringen. Wir werden uns sowohl bei den übrigen Mitgliedstaaten als auch bei der Europäischen Kommission dafür einsetzen, daß die gefährdeten Arbeitsplätze in der Branche erhalten bleiben. Bundesfinanzminister Lafontaine hat im übrigen bereits vorgestern, am 16. November 1998, in einem Gespräch mit Kommissar Mario Monti die Gelegenheit genutzt und nachdrücklich eine Verlängerung der Taxfree-Regelung gefordert. Kommissar Monti war allerdings in diesem Gespräch nicht zugänglich.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage des Kollegen Börnsen, CDU/CSU, bitte.

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich bedanke mich für Ihre optimistisch stimmende Antwort. Aber gestatten Sie mir doch die Nachfrage: Bedeutet Ihre Antwort, daß das Thema Duty free auf die Tagesordnung gesetzt wird, wenn die deutsche Ratspräsidentschaft beginnt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ja, die deutsche Ratspräsidentschaft soll in jedem Fall in dieser Weise genutzt werden. Wir werden zur Vorbereitung dieses Themas auch schon im vorhinein bilaterale Gespräche mit einzelnen Mitgliedsländern führen. Allerdings möchte ich nicht als optimistisch interpretiert werden. Ich habe meine Aussage selbst nicht als optimistisch verstanden; denn die Kommission muß von sich aus tätig werden, damit es dort zu einer Änderung kommt. Sie zeigt aber keinerlei Neigung, dies zu tun. Auch die Mehrheit der Mitgliedstaaten ist anderer Auffassung. Gleichwohl werden wir alles versuchen; aber ich fürchte, daß wir an diesem Punkt nicht zum Erfolg kommen werden. In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, daß 1991 einstimmig - also auch unter Beteiligung der alten Bundesregierung - der Beschluß gefaßt worden ist, eine siebeneinhalbjährige Übergangsfrist einzuführen, die im Sommer 1999 ausläuft.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Zusatzfrage, bitte.

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, daß von dieser Dutyfree-Entscheidung allein in Norddeutschland etwa 5 700 Arbeitsplätze betroffen sind, und ist Ihnen bekannt, daß der Ausschuß der Regionen in den letzten Wochen beschlossen hat, daß die Duty-free-Regelung weitere fünf Jahre fortgesetzt werden soll? Alle im Ausschuß der Regionen vertretenen Länder haben dem zugestimmt. Ist es der Bundesregierung nicht auf Grund dieser Tatsache sowie bedingt durch die neue Achse zwischen Bonn und Paris möglich, eine Abstimmungssituation zu schaffen, wonach die Duty-free-Regelung, von der auf europäischer Ebene immerhin über 140 000 Arbeitsplätze betroffen sind, zumindest für fünf Jahre erhalten werden könnte?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Börnsen, mir ist die Bedeutung des Tax-free-Handels für den Arbeitsmarkt durchaus bewußt. Gerade deshalb setzt sich die Bundesregierung auch auf allen Ebenen für die Erhaltung der Tax-free-Regelung ein. Bisher war mir nicht bekannt, daß der Ausschuß der Regionen in dieser Weise votiert hat. Ich werde mit dem Vorsitzenden des Ausschusses der Regionen, Herrn Professor Dr. Manfred Dammeyer, baldmöglich Kontakt aufnehmen, um insoweit Verstärkung für die Position der Bundesregierung zu bekommen, falls es möglich ist. Ich kann Ihnen versichern, daß wir alles tun werden, um zumindest eine Verlängerung der Regelung herbeizuführen. Trotzdem möchte ich im Protokoll nicht als allzu optimistisch erscheinen; es wird sehr schwierig werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Klaus Brähmig (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000240, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie waren ja eher pessimistisch, was die Option einer Beibehaltung dieser Regelung angeht. Mit Blick auf die große Zahl von Arbeitsplätzen, die davon betroffen sind - es sind in der norddeutschen Region weit über 5 000 -, frage ich Sie: Gibt es seitens der Bundesregierung ein Szenario, mit dem Sie sich um Alternativarbeitsplätze in diesen strukturschwachen Regionen bemühen? Insbesondere im Tourismusbereich wären Ausgleichsmaßnahmen denkbar.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege, diese Problematik in den norddeutschen Regionen ist uns sehr wohl bewußt. Es ist völlig klar, daß die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zwar nur wenige Regionen in Deutschland, diese allerdings recht massiv beträfen. Selbstverständlich haben sich auch die Landesregierungen darüber schon Gedanken gemacht. Es ist nicht eine ureigene Aufgabe der Bundesregierung, hier an Förderprogramme des Bundes zu denken. Kommissar Mario Monti hat - ich vermag allerdings nicht zu beurteilen, welche Wirkung das haben wird vorgestern in dem Gespräch mit Finanzminister Lafontaine darauf hingewiesen, daß die Kommission eigene Vorschläge unterbreiten werde. Wie das zu werten ist und ob das etwa mit einer Finanzierungszusage an anderer Stelle verbunden wäre, kann ich nicht sagen, weil er sich mit der Äußerung, die Kommission werde Vorschläge unterbreiten, sehr allgemein ausgedrückt hat. Die Vorschläge betreffen nicht die Verlängerung des Tax-free-Handels - die will er nicht -, sondern das Auffangen der negativen Folgen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt noch eine Zusatzfrage. Bitte, Frau Kollegin.

Annette Faße (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, kann ich angesichts dessen, daß die ehemalige Bundesregierung nicht mit der Akribie und dem Druck, den wir an der Küste uns eigentlich erwartet hätten, für die Verlängerung des Duty-free-Handels eingetreten ist ({0}) und ihr Ziel nicht erreicht hat, davon ausgehen, daß die jetzige Bundesregierung alles in ihren Möglichkeiten Liegende tun wird, ({1}) um eine Verlängerung zu erreichen, und - falls das nicht möglich sein sollte, obwohl dies das vorrangige Ziel sein sollte - alles versuchen wird, um eine Alternative für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu finden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Faße, es ist Ihnen sicherlich bekannt, daß dieses Thema für Bundeskanzler Gerhard Schröder ein wichtiges Anliegen ist. ({0}) Insofern ist schon von daher ein deutlicher Qualitätsunterschied im Verhältnis zur vorherigen Bundesregierung feststellbar. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Gerd Andres bereit. Ich rufe die Frage 3 des Abgeordneten Hartmut Koschyk, CDU/CSU, auf: Wann und in welchem Umfang wird die Bundesregierung die Mittel im Bundeshaushalt für die Integration deutscher Spätaussiedler, für deren Sprachförderung, für die Betreuung vor allem jugendlicher Spätaussiedler und für sonstige Integrationsmaßnahmen erhöhen, wie dies die die Bundesregierung tragenden Parteien vor der Bundestagswahl den Betroffenen gegenüber vertreten haben?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Koschyk, die Bundesregierung mißt der Integration von Spätaussiedlern große Bedeutung zu. Sie bekräftigt den bereits in der Koalitionsvereinbarung festgelegten Grundsatz, daß die gezielte Förderung der Integration junger Aussiedler wie auch der bei uns lebenden ausländischen Jugendlichen einer der Schwerpunkte in der Jugendpolitik ist. Für die Aussiedler sind weiterhin Anstrengungen erforderlich, damit sie besser in ihr neues Lebensumfeld hineinwachsen. Die Bundesregierung ist bemüht, die für die Integration erforderlichen Haushaltsmittel zeitgerecht zur Verfügung zu stellen. Aussagen zu Haushaltsansätzen sind derzeit nicht möglich, da sich der Bundeshaushalt für das Jahr 1999 in der Phase der Haushaltsaufstellung befindet. Die Bundesregierung wird darüber hinaus alle Leistungen, die der Integration von Spätaussiedlern dienen, auf den Prüfstand stellen, um sie zielgenauer aufeinander abzustimmen und ihre Integrationswirkung zu erhöhen. Die Höhe der zukünftig für die Integration von Spätaussiedlern benötigten Mittel hängt auch vom Ergebnis dieser Prüfung ab.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ist Ihnen denn bekannt, daß Mitglieder der die Bundesregierung in erster Linie tragenden Fraktion - also Mitglieder der SPD-Fraktion des Deutschen Bundestages bereits in der Vergangenheit haushaltsmäßige Überlegungen angestellt haben, wie sich in der mittelfristigen Finanzplanung die Mittel für die Integration der Aussiedler insgesamt - und nicht nur der von Ihnen in den Mittelpunkt gerückten jugendlichen Spätaussiedler entwickeln müßten, und daß Mitglieder der SPDFraktion des Bundestages in der mittelfristigen Finanzplanung die Summe von insgesamt 3,2 Milliarden DM vorgeschlagen haben, mit der dieser Bereich aufgestockt werden muß? Ist der Vorschlag, diesen Gesamtbereich mit 3,2 Milliarden DM mittelfristig zu verstärken, Grundlage der Finanzüberlegungen der Bundesregierung, von denen Sie gesprochen haben?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Sie haben Ihre Frage mit der Formulierung „Ist der Bundesregierung bekannt ...?“ eingeleitet. Deshalb antworte ich: Diese Überlegungen sind der Bundesregierung nicht bekannt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Koschyk, Sie haben noch eine zweite Zusatzfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, ich entnehme Ihrer Antwort, daß es trotz der Ankündigung aus der SPD-Fraktion im Vorfeld der Bundestagswahlen, daß die Mittel in diesem Bereich erhöht werden müßten, noch keine konkreten Überlegungen der Bundesregierung gibt. Darf ich fragen, ob die Bundesregierung hinsichtlich zusätzlicher Mittel für diesen Bereich alsbald mit den entsprechenden Verbänden - Wohlfahrtsverbände, Diakonisches Werk, Caritas, Arbeiterwohlfahrt und andere Verbände - in ein Gespräch treten wird, um zu klären, wie die Integrationsleistungen für diesen Personenkreis unserer Gesellschaft verstärkt werden können?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Koschyk, wenn die Bundesregierung die Aussage macht, daß wir alle Maßnahmen überprüfen und nach vernünftigen Finanzierungswegen suchen, halte ich es für selbstverständlich, daß wir auch mit den Verbänden der Betroffenen und derer, die sich besonders um die Aussiedler kümmern, Gespräche führen werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer weiteren Zusatzfrage erteile ich das Wort dem Abgeordneten Heil, SPD.

Hubertus Heil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003142, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, sind Sie der Auffassung, daß Handlungsbedarf in diesem Bereich vor allen Dingen deshalb entstanden ist, weil die frühere Bundesregierung in den letzten Jahren gerade zu Lasten der Kommunen bei Integrationsmaßnahmen sehr massiv gekürzt hat?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Wir gehen davon aus, daß es notwendig ist, das, was im Integrationssektor passiert ist, zu überprüfen und auf eine vernünftige Finanzierungsgrundlage zu stellen. Es hat in den letzten Jahren erhebliche Probleme insbesondere bei der Integration jugendlicher Aussiedler gegeben. Damit muß man sich auseinandersetzen. Die Bundesregierung wird zum gegebenen Zeitpunkt entsprechend reagieren.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Dr. Klaus Rose, CDU/CSU.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Auch wenn die Konkretisierung der Bereitstellung zusätzlicher Mittel noch nicht vorangeschritten sein sollte, wie Sie gesagt haben: Können Sie sich trotzdem vorstellen, daß eine stärkere Mittelbereitstellung oder eine qualitativ bessere Ausstattung mit einem Anstieg der Zahl von Spätaussiedlern zusammenhängen, und wie beurteilen Sie generell die Tatsache, daß man bisher Mittel aus dem Europäischen Strukturfonds bekommen mußte, weil anderenfalls die Summen nicht ausgereicht hätten?

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter, in dem Leistungspaket, das in diesem Bereich angeboten wird, finden sich sowohl Mittel des Garantiefonds als auch entsprechende Angebote nach dem SGB III. Es hat in den letzten Jahren - seit 1990, wie Sie sicher wissen verschiedene Veränderungen gegeben, was die Dauer von Maßnahmen angeht, was die Förderhöhe angeht. Der Bundesregierung ist bekannt, daß es in den letzten Jahren Diskussionen darüber gab, ob nicht beispielsweise bei der Ausgestaltung der Sprachkurse Veränderungen vorgenommen werden müssen und wie es bezüglich des Einsatzes von Mitteln aus anderen Bereichen aussieht. Dies alles ist aber, wie Sie verstehen werden, drei Wochen nach Amtsübernahme in der Überprüfung und hängt mit der Aufstellung des Bundeshaushaltes zusammen. Die Bundesregierung wird sich nach der Überprüfung entsprechend dazu äußern.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer weiteren Zusatzfrage erteile ich das Wort der Abgeordneten Christa Lörcher, SPD.

Christa Lörcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001363, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär Andres, ich möchte hier nur zur Kenntnis geben, daß im Ausschuß für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in der letzten Legislaturperiode von uns jährlich der Antrag gestellt worden ist, die Mittel des Garantiefonds zu erhöhen, eben weil die Maßnahmen zur Integration gerade jugendlicher Spätaussiedler zu geringfügig waren.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Lörcher, stellen Sie bitte die Frage.

Christa Lörcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001363, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Könnte es sein, daß dies den Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion jetzt einfach entfallen ist? ({0})

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Frau Abgeordnete Lörcher, mir ist natürlich bekannt, was die SPD in der vergangenen Legislaturperiode in verschiedenen Ausschüssen und für verschiedene Bereiche - das trifft auch für den Haushalt des Ministeriums für Arbeit und Sozialordnung zu - beantragt hat. Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß eine neue Legislaturperiode begonnen hat und daß wir uns in Planungsmaßnahmen befinden. Wenn diese Planungsmaßnahmen weiter fortgeschritten sind, kann man auch konkretere Aussagen darüber machen, welche Integrationsmaßnahmen wie finanziert werden. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Friedrich, F.D.P.

Horst Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000593, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, kann man denn nach Ihrer sehr klarstellenden letzten Antwort davon ausgehen, daß die Mittelbereitstellung durch die neue Bundesregierung im Wege des Haushaltsansatzes eher den Aussagen von Innenminister Schily entspricht, die er in den letzten Tagen von sich gegeben hat? Er hat gesagt, daß wir eigentlich eine Einwanderungszahl von Null bräuchten.

Dr. h. c. Gerd Andres (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000038

Herr Abgeordneter Friedrich, wir führen hier keine Debatte über allgemeine Einwanderungsquoten oder ähnliches. Vielmehr setzen wir uns mit Problemen auseinander, die im Zusammenhang mit dem Zuzug von Aussiedlern in die Bundesrepublik Deutschland vorhanden sind. Da gibt es Fördertatbestände, da gibt es Haushaltskapitel und -titel. Diese werden momentan beraten. Wenn die Beratung abgeschlossen ist, kann die Bundesregierung entsprechende Auskünfte geben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Danke, Herr Staatssekretär. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Christa Nickels zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Dr. Martin Mayer, CDU/CSU, auf: In welchen Bereichen plant die Bundesregierung die vom Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit angekündigte Verschärfung der Vorschriften zur Gentechnik?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege, sind Sie damit einverstanden, daß ich die Fragen 4 und 5 im Zusammenhang beantworte?

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Danke schön.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Dann rufe ich auch die Frage 5 des Abgeordneten Dr. Martin Mayer auf: Welche Gründe sieht die Bundesregierung, um im Bereich der Gentechnik eine neue Positionierung im Sinne einer Verschärfung der EU-Richtlinie zu planen? Bitte, Frau Staatssekretärin.

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Auf Ihre Fragen möchte ich wie folgt antworten: Die modernen Methoden der Bio- und Gentechnologie sind in der Grundlagenforschung und der angewandten Forschung weltweit etabliert. Ihr Einsatz in der Medizin findet wachsende Akzeptanz. Das Ausmaß der notwendigen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge bei bio- und gentechnologischen Verfahren ist aber nach wie vor umstritten. Sie, Herr Kollege Dr. Mayer, als Diplom-Agraringenieur wissen sehr gut und kennen es sicher auch aus Ihrer Praxis, daß vor allem in den Bereichen Landwirtschaft und Lebensmittel der gesellschaftliche Nutzen sehr kritisch hinterfragt wird und mögliche Risiken gentechnologisch veränderter Produkte breit diskutiert werden. Aus diesem Grunde wird die Bundesregierung das deutsche und europäische Gentechnikrecht daraufhin überprüfen, inwieweit es den Vorrang des Schutzes von Menschen und Umwelt gewährleistet. Die einschlägigen EU-Richtlinien zur Gentechnik die Richtlinie 90/219/EWG über die Anwendung von genetisch veränderten Mikroorganismen in geschlossenen Systemen und die „Freisetzungsrichtlinie“ 90/220/EWG über die absichtliche Freisetzung von genetisch veränderten Organismen in die Umwelt - sind seit 1990 in Kraft und berücksichtigen damit nicht mehr den seither erreichten Stand der Diskussion in Wissenschaft, Technik und Politik. Darum hat der EU-Rat auf seiner Sitzung vom 26. und 27. Oktober dieses Jahres für die Anwendung von genetisch veränderten Mikroorganismen in geschlossenen Systemen, also für die Richtlinie 90/219/EWG, eine Änderungsrichtlinie beschlossen. Wir von seiten der Bundesregierung müssen diese Änderungsrichtlinie innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten in nationales Recht umsetzen. Des weiteren gibt es schon einen Änderungsvorschlag für die „Freisetzungsrichtlinie“ von der EU-Kommission, der im Februar 1998 vorgelegt worden ist. Die Beratungen darüber können voraussichtlich unter der deutschen Präsidentschaft im ersten Halbjahr 1999 abgeschlossen werden. Darüber hinaus gibt es Beratungen im Rahmen des internationalen Übereinkommens über die biologische Vielfalt. Hier wird zur Zeit das Biosafety-Protokoll verhandelt, das im Februar nächsten Jahres verabschiedet werden soll. Das alles sind Gründe dafür, daß hier im Parlament wie auch in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion im Gange ist. In dieser Diskussion - darauf hat Minister Trittin auf der Delegiertenversammlung des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland hingewiesen geht es darum, den Vorrang des Schutzes von Mensch und Umwelt im deutschen und im europäischen Gentechnikrecht sicherzustellen und die Information der Verbraucherinnen und Verbraucher zu verbessern. Im Sinne dieses Ziels setzt sich die Bundesregierung für ein für alle Mitgliedstaaten verbindliches Risikobewertungsverfahren ein, das sowohl bei der Feldfreisetzung von genetisch veränderten Organismen als auch beim Inverkehrbringen von Produkten Anwendung finden soll. Das Ziel ist ein EU-einheitliches hohes Schutzniveau. Um den Kenntnisstand zu verbessern und Risiken zu erkennen und zu minimieren, sollen Freilandversuche und das Inverkehrbringen transgener Pflanzen wegen der langfristigen Auswirkungen in einem Langzeitmonitoring wissenschaftlich begleitet werden. Um es den Verbraucherinnen und Verbrauchern angesichts der breiten öffentlichen Diskussion über biound gentechnologische Verfahren zu ermöglichen, gentechnikfreie Produkte klar zu erkennen, wird die Bundesregierung eine entsprechende Kennzeichnung sicherstellen. Das alles ist auch Gegenstand des Koalitionsvertrages; es ist auch - angesichts der Änderungsvorschläge, die im Raum stehen - eine notwendige Debatte, die natürlich - wir wissen alle, die Regierung ist erst sehr kurz im Amt - noch nicht abgeschlossen sein kann.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer Zusatzfrage der Kollege Dr. Mayer, bitte.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine Verschärfung der Richtlinien - von dieser hat der Bundesumweltminister gesprochen - rechtfertigen?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege, Sie wissen, daß diese Debatte seit vielen Jahren im Gange ist, daß es auch in der Frage der Risikobewertung eine sehr breite Palette von Meinungen gibt. Sie wissen, daß diese verschiedenen Gutachten und Meinungen in der politischen Meinungsbildung - das ist auch Aufgabe der Regierung bei den jetzt anstehenden Verfahren - bewertet, geprüft und zu einem Ergebnis gebracht werden müssen. Das ist im Augenblick Gegenstand der Beratungen. Wie gesagt, wir sind noch nicht lange im Amt. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie die Meinungsbildung der Regierung ausgehen wird. Klar sind die Vorgaben, die wir gemacht haben. Diese habe ich Ihnen gerade dargelegt. Man kann sie auch im Koalitionsvertrag nachlesen; da ist das Notwendige dazu gesagt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Dr. Mayer, eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wird in die Überlegung auch die Tatsache eingehen, daß Deutschland in der Vergangenheit bei der Anwendung der Bio- und Gentechnik in der Medizin und in der Pharmazie durch strenge Vorschriften ins Hintertreffen geraten ist, was nur schwer wieder aufgeholt werden konnte, und sich eine ähnliche Entwicklung in der grünen Gentechnik abzeichnet? Eine derartige Entwicklung wird noch verschärft, wenn die Anwendung dieser Technik in Deutschland erschwert wird.

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Dr. Mayer, Sie wissen, daß Parteien dazu da sind, an der Willensbildung der Bevölkerung mitzuwirken. Das machen die Parteien jeweils in eigener Verantwortung. Die Regierung hat eine ganz klare Geschäftsgrundlage, auf deren Basis sie agiert. Ich bin der Meinung, daß die alte und auch die neue Bundesregierung gerade in diesem sensiblen Bereich bemüht waren und sind, allerhöchste Schutzstandards anzuwenden sowie die Sorgen und die entsprechenden Untersuchungsergebnisse sowie die Evaluationen ernstzunehmen. Das ist sehr sinnvoll, im Hinblick auf den Schutz von Mensch und Umwelt, aber auch bezüglich des Interesses der Wirtschaft. Wenn in diesem Bereich hohe Standards bestehen, hat man auch die Möglichkeit, hier entsprechend tätig zu werden, ohne daß im nachhinein womöglich ungesicherte Regelungen die Wirtschaft beeinträchtigen. Ein Beispiel dafür - es ist ein ganz anderer Bereich, aber daran sehen Sie, daß ein nicht so strikter Umgang auch ökonomische Auswirkungen haben kann - ist die BSEProblematik. Darüber werden wir morgen noch diskutieren. Vor diesem Hintergrund finde ich es richtig, daß man sehr ernsthaft und sehr sorgsam mit dieser Materie umgeht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Dr. Mayer, eine weitere Zusatzfrage.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, gibt es andere europäische Länder, die in gleicher Weise einen zusätzlichen bürokratischen Aufwand und eine Verschärfung bei der grünen Gentechnik fordern?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege, ich bin hier nur beauftragt, für die Regierung zu sprechen. Sie kennen natürlich die Debatte in Europa. Sie wissen, daß es gerade in Österreich, das ja im Augenblick die Ratspräsidentschaft inne hat, sehr strikte Regelungen gibt. Dort gibt es keine entsprechend breiten Freisetzungsmöglichkeiten, wie wir sie in Deutschland haben, worüber Sie trotzdem klagen. In Frankreich und auch in Großbritannien sind im Augenblick sehr ernsthafte Diskussionen im Gange. Man überlegt, ob ein Moratorium sinnvoll ist. In ganz Europa ist die Diskussion ganz aktuell auch vor dem Hintergrund, daß dieses Biosafety-Protokoll natürlich die Debatte in den beteiligten europäischen Staaten notwendig macht. Es ist aber nicht so, als wenn die Bundesrepublik hier mit Sicherheitsbedenken ganz alleine stünde. Ich glaube, in der Vergangenheit war eher das Gegenteil der Fall. Ich bin der Meinung, daß wir als Regierung sehr gut beraten sind, wenn wir die Sicherheitsanforderungen ernst nehmen und das auch zur Grundlage des Handelns machen für die Umsetzungen, die jetzt anstehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bitte, zu einer letzten Zusatzfrage Herr Kollege Dr. Mayer.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da die grüne Gentechnik ja weltweit entwickelt wird, möchte ich Sie fragen, ob Sie meine Befürchtung teilen, daß damit Deutschland und die anderen europäischen Länder, die gegenüber den USA eine entsprechende Politik verfolgen, weit ins Hintertreffen geraten, ohne insgesamt weltweit einen zusätzlichen Schutz zu bekommen. ({0})

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Ich teile Ihre Einschätzung nicht, Herr Kollege. Ich bin im Gegenteil der Auffassung - das habe ich eben schon erläutert -, daß das Beachten des Schutzes von Mensch und Umwelt nicht nur im Sinne einer sorgsamen Politik wichtig ist, sondern auch im Sinne der entsprechenden Industrie, die hier auf einem hohen Sicherheitsstandard hinterher entsprechend tätig werden kann. Das ist erheblich besser. Ich teile Ihre Auffassung deshalb nicht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer weiteren Zusatzfrage erteile ich das Wort der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, PDS.

Dr. Barbara Höll (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000921, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, ich habe mit Freude vernommen, daß es viele Überlegungen gibt, Diskussionsbedarf herrscht und daß dies nicht nur in der Bundesrepublik so ist, sondern europaweit gilt. Ich frage Sie, ob diese Tatsache die Bundesregierung nicht dazu bewegen müßte, einen sofortigen Stopp zumindest für Freilandversuche zu verfügen, bis man zu einem vorläufigen Abschluß dieser Diskussion kommt, um dem auch von Ihnen angesprochenen Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung Genüge zu tun. Dies wäre besser, als jetzt weiterzudiskutieren, obwohl Freilandversuche stattfinden. Sollte man nicht die Entwicklung, die bereits eingesetzt hat, besser stoppen, um vielleicht auf einer neuen Grundlage zu handeln?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Frau Kollegin, ich habe schon eben bei der Beantwortung der Frage des Kollegen Mayer dargelegt, daß die Bundesregierung im Augenblick im Zusammenhang mit den Änderungsrichtlinien und im Zusammenhang mit dem BiosafetyProtokoll intensiv berät. Zwischen den verschiedenen Häusern muß eine Abstimmung erzielt werden, denn verschiedene Häuser sind zuständig. Unser Ministerium hat in vielen Bereichen die Federführung, aber auch das Umweltministerium ist zuständig. Außerdem müssen andere Häuser gefragt werden. Daher ist es einfach notwendig und richtig, sehr sorgfältig und intensiv zu beraten. Daß diese Entscheidung nicht bis auf den SanktNimmerleins-Tag verschoben wird, ist einfach schon deshalb klar, weil bestimmte Vorgaben einen Rahmen setzen, innerhalb dessen wir entscheiden müssen. Ich hatte schon gesagt, daß das Biosafety-Protokoll im Februar 1999 verabschiedet wird. Wir müssen innerhalb von 18 Monaten die Änderungsrichtlinien umsetzen und auch die Freilandrichtlinie beraten. Ich finde es richtig und sinnvoll, keine Schnellschüsse zu machen, sondern sich als Regierung - die eine Koalitionsregierung ist - auf Grundlage der getroffenen Vereinbarungen möglichst zügig und schnell eine Meinung zu bilden und das Erforderliche umzusetzen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Walter Hirche, F.D.P.

Walter Hirche (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002678, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Bundeskanzler Schröder hat mehrfach erklärt, daß man die Chancen der Bio- und Gentechnologie entschlossener nutzen müsse. Was tun Sie, um diese Chancen für mehr Arbeitsplätze in Deutschland entschlossener zu nutzen, statt die Bürokratisierung in diesem Bereich, die unter anderem von Bundeskanzler Schröder immer wieder kritisiert worden ist, noch zu verschärfen?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege Hirche, das Dr. Martin Mayer ({0}) Einbeziehen des Schutzes von Mensch und Umwelt in die Arbeit der Regierung ist keine bürokratische Erschwerung von Abläufen. Vielmehr ist das absolut notwendig und eine wesentliche Grundlage von Politik, wenn man im Sinne des Gemeinwohls sorgsam agieren will und auch sicherstellen will, daß die Bereiche der Wirtschaft, die hier produzieren, entsprechend diesen Grundsätzen arbeiten. Ich sehe überhaupt nicht, daß ein bürokratischer Aufwand betrieben wird; vielmehr sind Sicherheitsstandards notwendig. Wir befinden uns im Augenblick im Rahmen der Erarbeitung und der Meinungsbildung in bezug auf die drei Vorhaben, die ich schon einmal genannt habe. Wir stehen vor den genannten Zielen natürlich in der Pflicht, diesen Aspekt zu berücksichtigen. Kein Mensch wird ein Interesse daran haben, bürokratischen Aufwand zu betreiben. Das Interesse wird vielmehr darin bestehen, die erforderlichen Ziele in Einklang zu bringen. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Hirche, es ist leider immer nur eine Zusatzfrage möglich; nur die Fragestellerin oder der Fragesteller hat zwei. Es gibt eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Dr. Ilja Seifert, PDS.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, ich nehme mit Freude zur Kenntnis, daß die Regierung den Schutz von Mensch und Natur vor irreversiblen Eingriffen für wichtig hält. Welche Rolle spielt bei Ihren Überlegungen zum weiteren Vorgehen die internationale Einflußnahme der Bundesrepublik auf andere Staaten? Meine Frage zielt im Gegensatz zu dem, was der Kollege Mayer gesagt hat, darauf ab, daß der Schutz von Mensch und Umwelt vor biotechnischen und biogenetischen Eingriffen erhöht wird.

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Gerade die genannten Vorhaben, deren Umsetzung jetzt ansteht Veränderungen in den Richtlinien 219, 220 und das Biosafety-Protokoll -, erfordern es und sind eine gute Gelegenheit, über die Nutzung verantwortbarer Potentiale zu reden, aber den Schutz von Mensch und Umwelt gleichrangig mitzubehandeln und auf der europäischen Ebene in die Debatte einzubringen. Ich gehe davon aus, daß die neue Bundesregierung auf Grund ihrer in den Koalitionsvereinbarungen niedergelegten Absprachen mehr auf den Schutz von Mensch und Umwelt eingehen wird - bei Aufrechterhaltung des Zieles, die verantwortbaren Potentiale zu nutzen - und dies auf der europäischen Ebene einbringen wird. Dazu haben wir jetzt ausreichend Gelegenheit. Unsere Häuser müssen sich intensiv absprechen - was im Augenblick geschieht -, damit man auf der europäischen Ebene in den jetzt schon stattfindenden Beratungen tätig wird. Hier sind dauernd auch entsprechende Beamte auf europäischer Ebene tätig, die die Meinung der Regierung mit transportieren.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine weitere Zusatzfrage des Kollegen Goldmann, F.D.P.

Hans Michael Goldmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003133, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, teilen Sie meine Einschätzung, daß es erst langfristig angelegter, sicherer Freilandversuche bedarf, um wissenschaftliche Aussagen zu erhalten, auf deren Basis ein Gesetzgebungsverfahren durchgeführt werden kann? Haben Sie die Absicht, dazu beizutragen, daß solche langfristig angelegten Versuche durchgeführt werden?

Christa Nickels (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001601

Herr Kollege, was heißt hier langfristig? ({0}) Über neue politische Vorhaben - das habe ich hier schon mehrfach dargelegt; ich sage es noch einmal findet zur Zeit eine Abstimmung zwischen den Häusern statt. Außerdem ist es völlig klar und unstrittig - das habe ich aber schon bei der Beantwortung der Frage des Kollegen Dr. Mayer gesagt -, daß bei Freilandversuchen wegen der langfristigen Auswirkungen ein LangzeitMonitoring erforderlich ist und daß das wissenschaftlich begleitet werden muß. Auch das hatte ich aber, wie ich glaube, schon dargelegt. ({1}) - Herr Kollege Mayer hatte ja eine Meldung der Zeitung „Die Welt“ zum Anlaß seiner Frage genommen, ob Herr Minister Trittin schon seine Vorstellungen in bezug auf Gesetzesänderungen dargelegt hätte. Er hat nicht einzelne konkrete Maßnahmen dargelegt, sondern hat vor dem BUND, wie ich es geschildert habe, allgemein die Vorhaben der Regierung angesprochen. Darum ging es. Wir sind innerhalb von vier Wochen nicht so weit, daß wir Ihnen jetzt eine entsprechend abgestimmte Meinung der Regierung vorlegen können. Das wissen Sie doch auch.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Danke, Frau Parlamentarische Staatssekretärin. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Ich verweise darauf, daß die Frage 6 und auch die Frage 14 des Kollegen Jürgen Koppelin, F.D.P., auf Grund von Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinien schriftlich beantwortet werden. Ich rufe nunmehr den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zur Verfügung. Ich rufe die Frage 8 des Kollegen Abgeordneten Dr. Klaus Rose, CDU/CSU, auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, eine Neufassung des § 55 Beamtenversorgungsgesetz in absehbarer Zeit in die parlamentarische Beratung zu bringen?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Wer sich mit der Frage von Versorgung und Besoldung beschäftigt, weiß, daß der § 55 des Beamtenversorgungsgesetzes schon seit langer Zeit und immer wieder von bestimmten Gruppen in die Diskussion gebracht wurde. Hier geht es um die Anrechnung von Renten auf die Beamtenversorgung. Dieser Paragraph ist erst am 29. Juni 1998 durch das Versorgungsreformgesetz zugunsten der Betroffenen abgeändert worden. Weitergehende Änderungen sind derzeit nicht beabsichtigt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Rose, bitte.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, natürlich ist die Vorgeschichte sehr lang, aber die betroffene Bevölkerungsgruppe teilt Ihre optimistische Aussage, daß man viel zu ihren Gunsten gemacht habe, nicht. Große Hoffnungen haben sich vor der Wahl auf eine neue Regierung gerichtet. Darum frage ich nach, ob Sie nicht irgendwie längerfristig eine noch umfangreichere Verbesserung im Sinne der Betroffenen erreichen wollen.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Dr. Rose, alle diese Diskussionsbeiträge sind mir sehr gut bekannt. Ich bleibe bei meiner Aussage, daß wir derzeit weitergehende Änderungen nicht beabsichtigen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer weiteren Zusatzfrage, Herr Kollege Dr. Rose, bitte.

Dr. Klaus Rose (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001882, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich bitte um Beantwortung der Frage 9.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe dann die Frage 9 des Abgeordneten Dr. Rose auf: Hat ein Arbeitnehmer, der beispielsweise 23 Jahre rentenversicherungspflichtig in der Privatwirtschaft und 26 Jahre als AOK-Angestellter im öffentlichen Dienst tätig war, Anspruch auf die volle Altersversorgung für 49 Berufsjahre?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Dr. Rose, der Anwartschaft des Angestellten aus der gesetzlichen Rentenversicherung liegen die 49 Berufsjahre in vollem Umfang zugrunde. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, in welchem Umfang der Angestellte wegen seiner Tätigkeit im öffentlichen Dienst Anspruch auf eine zusätzliche Betriebsrente in Form der Zusatzversorgung hat. Die höchstmögliche Zusatzversorgung setzt aber eine gesamtversorgungsfähige Zeit von 40 Jahren voraus. In Ihrem Beispielsfall zählen neben den 26 Berufsjahren bei der AOK auch die Hälfte der 23 in der Privatwirtschaft verbrachten Berufsjahre zur gesamtversorgungsfähigen Zeit, die mithin nicht 26, sondern 37,5 Jahre beträgt. Damit wird die höchstmögliche Zusatzversorgung für den öffentlichen Dienst nicht ganz vollständig erreicht. Ich hoffe, daß wir Ihr Einzelbeispiel richtig erfaßt haben. Sollte es beispielsweise bei der Frage der individuellen Berechnungen noch Unklarheiten geben, biete ich ausdrücklich an, die offenen Fragen auf dem kurzen Dienstweg zu klären. Legen Sie uns die etwaigen Unklarheiten vor. Wir werden dann gerne nachrechnen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen damit zum letzten Geschäftsbereich, nämlich dem des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beantwortung der Fragen 10 und 11 steht der Parlamentarische Staatssekretär Achim Großmann und zur Beantwortung der Fragen 12 und 13 der Parlamentarische Staatssekretär Lothar Ibrügger zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 10 des Abgeordneten Wilhelm Josef Sebastian, CDU/CSU, auf: Gibt es seitens der Bundesregierung Pläne, die im Rahmen des Berlin-Umzuges beschlossenen Regelungen für BerlinPendler - insbesondere hinsichtlich der Heimfahrten - zuungunsten der Pendler zu ändern, und welche Ausgaben veranschlagt die Bundesregierung, um die Pendlerregelungen in ihrer bisherigen Form in den zwei Jahren nach Vollzug des Umzuges zu finanzieren?

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege, die Bundesregierung beabsichtigt keine Änderung des Dienstrechtlichen Begleitgesetzes, aus dem sich der rechtliche Rahmen für die Pendlerregelungen im Zusammenhang mit dem Umzug von Parlament und Regierung nach Berlin sowie der Ausgleichsverlagerungen von Behörden nach Bonn ergibt. Die Kosten hierfür sind Teil des Ansatzes für dienstrechtliche Maßnahmen in Höhe von 950 Millionen DM, den die Bundesregierung im Kostentableau für die Verlagerung des Parlamentssitzes und von Regierungsfunktionen nach Berlin ausgewiesen hat. Das können Sie im Detail in der Bundestagsdrucksache 13/6594 nachlesen. Ich bin gerne bereit, Ihnen diese Drucksache zur Verfügung zu stellen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage? Nein. Dann rufe ich die Frage 11 des Abgeordneten Wilhelm-Josef Sebastian auf: Welche logistischen Probleme sieht die Bundesregierung, die Heimreise der Pendler einmal pro Woche per Flugzeug oder Bahn zu organisieren, und welche Vereinbarungen sind zum heutigen Zeitpunkt mit der Deutschen Bahn AG und den in Frage kommenden Fluggesellschaften zur Abwicklung des Pendlerverkehrs getroffen worden? Vizepräsidentin Petra Bläss

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Herr Kollege Sebastian, eine erste Untersuchung der logistischen Fragen im Zusammenhang mit den Heimreisen der Pendler hat ergeben, daß die voraussichtliche Nachfrage bei der Nutzung der beiden Verkehrsträger Flugzeug und Eisenbahn und durch zeitliche Entzerrung der Reisetermine auf Sonntagabend und montags früh verkehrstechnisch bewältigt werden kann. Der Minister hat eben schon ausführlich auf diesen Aspekt hingewiesen. Auf Grund der Höhe des hierzu mit beiden Verkehrsträgern auszuhandelnden finanziellen Vertragsvolumens ist eine europaweite Ausschreibung erforderlich. Die hierzu notwendigen Vorbereitungen sind geleistet; die Veröffentlichung der Vergabebekanntmachung im entsprechenden EU-Amtsblatt steht bevor. Der weitere zeitliche Ablauf ist für diesen Bereich ausschreibungsrechtlich vorgegeben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage des Kollegen Hauser, CDU/CSU.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Minister Müntefering ging eben bei den Zahlen, die er für die Pendler zugrunde legte, von einer Spanne zwischen 3 000 und 7 000 bzw. 8 000 aus. Wenn die Spanne tatsächlich so hoch sein sollte, muß ich fragen: Von welchen Zahlen gehen Sie in Ihrer Bedarfsberechnung aus? Es scheint mir, daß Sie über genauere Zahlen verfügen.

Achim Großmann (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000735

Nein, es handelt sich um die Bedarfszahlen, die von der letzten Regierung zusammen mit der Personalkommission des Ältestenrates berechnet wurden. Es gibt keine neuen Berechnungen. Herr Müntefering hatte schon darauf hingewiesen, daß es äußerst schwierig ist, genaue Zahlen zu ermitteln. Es gab vorher unter den Bediensteten der einzelnen Häuser zwei Umfragen. Die Häuser tragen ja die Verantwortung für die Bereiche, die nach Berlin wechseln sollen. Es gibt also keine neuen Zahlen. Wir gehen davon aus, daß mit einem Mittelwert von 3 500 bis 4 000 Pendlern gerechnet werden kann. Die Situation kann sich noch durch den verzögerten Fortgang des Baus der einzelnen Ministerien entzerren. Es ist schon im Bericht angeklungen, daß es Entzerrungen geben wird, weil einige Häuser erst später fertiggestellt werden. Wenn man diese bekannten Zahlen zugrunde legt, dann kommen auch die Verkehrsträger, mit denen wir gesprochen haben, zu dem Schluß, daß das Aufkommen bewältigt werden kann.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Dann rufe ich die Frage 12 des Abgeordneten Horst Friedrich, F.D.P., auf: Wie sichert die Bundesregierung bei der Veräußerung der Tank & Rast AG an ein Konsortium unter Führung der Allianz dauerhaft den Erhalt leistungsfähiger, mittelständischer Wettbewerbsstrukturen an den Autobahnraststätten, und mit welchem Erfolg wurde das vor der Privatisierung mit dem Deutschen Bundestag abgestimmte mittelständische Privatisierungskonzept umgesetzt?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Herr Kollege Friedrich, die Autobahn Tank & Rast AG ist das größte Dienstleistungsunternehmen an den deutschen Bundesautobahnen. Sie ist Eigentümerin von 700 Servicebetrieben, 295 Tankstellen, 329 gastronomischen Betrieben, 54 Motels und 40 Kiosken. Die Privatisierung der Autobahn Tank & Rast AG durch Veräußerung der Anteile an ein Erwerberkonsortium, bestehend aus Allianz Capital Partners GmbH, Apax Fondsgesellschaften und LSG Lufthansa Service Holding AG, erfolgt im Einklang mit den öffentlichrechtlichen Rahmenbedingungen. Die verkehrs- und ordnungspolitischen Ziele, die mit dem Verkehrs- und Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages in der 13. Legislaturperiode abgestimmt waren, lagen dem Bietungsverfahren zugrunde und sind wesentliche Bestandteile des jetzt abgeschlossenen Vertragswerks. Dazu gehören insbesondere der Erhalt der mittelständischen Pächterstrukturen und die Weiterführung der Autobahn Tank & Rast AG als selbständige Gesellschaft. Im Rahmen der angestrebten Kooperation erhalten die Pächter Mitwirkungsrechte in künftigen Aufsichtsgremien der Gesellschaft.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer Zusatzfrage hat Herr Kollege Friedrich das Wort, bitte.

Horst Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000593, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, Sie haben auf die vom Verkehrsausschuß unter nicht unwesentlicher Mitwirkung meiner Person formulierten Grundsätze für die Privatisierung hingewiesen. Wie verträgt es sich mit der Aufrechterhaltung der mittelständischen Pächterstruktur insbesondere im Gastronomiebereich, daß ein Beteiligter davon, nämlich die LSG, ein nicht unwesentlicher Caterer ist? Was hat das für Konsequenzen für das Netz? Sind diese Punkte bei der Vertragsgestaltung tatsächlich so formuliert worden, daß daraus keine Gefahren entstehen?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Herr Kollege Friedrich, wenn Ihre Frage darauf abzielt, daß einer der beteiligten Partner ein zu großes Gewicht, auch was die Ausgestaltung des Serviceangebots anbetrifft, bekommen sollte, so kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur darauf verweisen, daß durch vertragliche Regelungen festgelegt worden ist, daß nicht mehr als 10 Prozent der Raststätten als Eigenbetriebe und nicht mehr als 10 Prozent ihrer Nebenbetriebe von einem Unternehmen betrieben werden dürfen. Ferner sind vertragliche Vorkehrungen getroffen worden, die die Entwicklung marktbeherrschender Stellungen in den Bereichen Gastronomie, Einzelhandel und Tankstellen verhindern.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Friedrich, bitte, Sie haben eine zweite Zusatzfrage.

Horst Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000593, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Die entscheidende Frage wird sein: Inwieweit ist sichergestellt, daß genau diese Richtlinien auch dann noch gelten, wenn die Allianz, wie angekündigt, dieses Unternehmen nach dem Erwerb an die Börse bringt? Wir vom Verkehrsausschuß hatten für einen Konsortialverkauf plädiert, weil wir in dem vorrangigen Börsengang Gefahren für den Mittelstand gesehen haben.

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Herr Kollege Friedrich, erlauben Sie mir auch im Hinblick auf Ihre Zugehörigkeit zur Arbeitsgruppe, in der in der vergangenen Legislaturperiode Mitglieder des Haushaltsausschusses und des Verkehrsausschusses gemeinschaftlich gewirkt haben, den Hinweis, daß die Rechte des Mittelstandes durch diese Vereinbarung und durch den jetzt abgeschlossenen Vertrag ausdrücklich umgesetzt werden sollen. Die Verhandlungen haben in einer engen Kooperation mit den Pächtern begonnen und hatten zum Gegenstand, daß die Pächter selbst angemessen im Konsortium zu beteiligen sind und daß ein schrittweiser oder vollständiger Börsengang zu einem späteren Zeitpunkt nur sinnvoll erscheint, wenn das Unternehmen zunächst nachhaltig gestärkt wird. Dies liegt auch in der Absicht des Konsortiums. Der Verkauf von Anteilen an der Börse fördert eine breite Streuung und wirkt einer späteren Veräußerung auf Grund einseitiger Industrieinteressen entgegen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe die Frage 13 des Abgeordneten Friedrich, F.D.P., auf: Wie beabsichtigt die Bundesregierung die gegenüber den ursprünglichen Erlöserwartungen von rund 500 Millionen DM offenbar deutlich höheren Einnahmen für den Verkauf der Tank & Rast AG zu verwenden, und kommen die Einnahmen aus dem Erlös zumindest teilweise dem Investitionshaushalt des federführenden Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zugute?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Herr Kollege Friedrich, Einnahmen aus der Veräußerung von Anteilsrechten des Bundes und aus der Liquidation von Bundesunternehmen werden im Einzelplan 60 - Allgemeine Finanzverwaltung - bei Kapitel 60 02 Titel 133 01 vereinnahmt. Ich weiß, daß Ihnen das nicht unbekannt ist. Aber ich muß Sie im Zusammenhang mit Ihrer Frage auch an § 8 der Bundeshaushaltsordnung erinnern. Danach gilt der Grundsatz der Gesamtdeckung. Hinsichtlich der Verwendung der Verkaufserlöse aus der Privatisierung der Autobahn Tank & Rast AG sind davon weder gesetzlich vorgeschriebene noch im Haushaltsplan zugelassene Ausnahmen vorgesehen. Der Souverän, der Gesetzgeber, bindet durch die Bundeshaushaltsordnung auch die Bundesregierung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Friedrich, bitte.

Horst Friedrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000593, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, da der Finanzminister der ehemaligen Bundesregierung durch erfolgreiche Privatisierungen gerade im Verkehrsbereich in den letzten Jahren sehr hohe Einnahmen erzielt hat, frage ich Sie: Hat man im Rahmen des Einzelplanes des Verkehrs-, Bau- und Wohnungsministeriums im Hinblick auf die jetzige Situation und die noch immer dringend zu lösenden Aufgaben in den Bereichen Verkehr und Bau, die den höchsten Investitionshaushalt aufweisen, wenigstens den Versuch unternommen, einen Teil der überplanmäßigen Einnahmen aus den von mir angesprochenen Verkaufserlösen für sachbezogene Aufgaben dieses Ministeriums zu akquirieren?

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Herr Kollege Friedrich, in Ihrem Beitrag wird eine Wunschvorstellung, die sicherlich jeder Minister hat, wenn es um den eigenen Etat geht, deutlich. Ich wiederhole noch einmal: Grundgesetz und Bundeshaushaltsordnung binden die gesamte Bundesregierung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Gibt es weitere Zusatzfragen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Fragestunde beendet. Interfraktionell ist vereinbart worden, die Sitzung um 15.30 Uhr mit der Aktuellen Stunde zur Havarie der „Pallas“ fortzusetzen. Die Sitzung ist damit unterbrochen. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU Erkenntnisse der Bundesregierung zur Entstehung des Unfalls der „Pallas“ vor der deutschen Nordseeküste und Maßnahmen der Bundesregierung zur Schadensbegrenzung und -beseitigung nach der Havarie Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Austermann von der CDU/CSU-Fraktion.

Dietrich Austermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000066, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU/CSUBundestagsfraktion ist betroffen über das Ausmaß der aus Zögern, Versäumnis, Ungeschicklichkeit und unterbliebenem Management entstandenen Ölkatastrophe in Folge der Havarie der „Pallas“. Die Versäumnisse, die selbst von SPD-Abgeordneten im schleswig400 holsteinischen Landtag, aber auch hier im Bundestag, und von Frau Simonis nicht bestritten werden, sind eindeutig und der jeweiligen politischen Führung zuzuordnen. ({0}) Der Kollege Müller spricht von einer politischen, behördlichen Schlamperei. Er sagt, er könne nicht nachvollziehen, warum Behörden in Schleswig-Holstein mit ernsthaften Gegenmaßnahmen so lange gewartet hätten. Auch wir verstehen das nicht, Herr Kollege Müller. Wir schließen uns dieser Auffassung und diesem Urteil an. Es ist in der Tat richtig, daß nach dem Katastrophenschutz der erste Zugriff den Ländern obliegt, daß dann die entsprechende Entscheidung und die Einschaltung der zentralen Meldestelle in Cuxhaven zu erfolgen hat und dort gegebenenfalls eine Einsatzleitgruppe zu bilden ist. All dies ist in den ersten fünf Tagen nach der Havarie nicht geschehen. Über diese Kritik hinaus sehen wir auch Versäumnisse des zuständigen Bundesministers. ({1}) Ich hätte eigentlich erwartet, daß Herr Müntefering heute hier ist als der Minister, der auch für den Seeverkehr zuständig ist. Die einzige offizielle Reaktion aus dem Hause Müntefering war eine Pressemitteilung am 3. November, in der zugesichert wurde, den noch unter Charter stehenden Hochseeschlepper „Oceanic“ stufenweise bis voraussichtlich Ende Januar 1999 unter Vertrag zu halten. Ansonsten nichts, keine Reaktion von Müntefering, keine Stellungnahme seines Hauses! Ansonsten Dienst nach Vorschrift! Minister Müntefering war offensichtlich damit beschäftigt, in Rekordzeit eine Rekordzahl von Abteilungsleitern aus dem Dienst zu jagen. ({2}) - Mehr als bei ihm sind in keinem einzigen Ministerium rausgejagt worden, Herr Schlauch. Acht Abteilungsleiter innerhalb einer Woche! Die zuständige Abteilung ist bis heute nicht besetzt. Der Unterabteilungsleiter wurde an eine andere Stelle versetzt. Ich glaube, das ist ziemlich eindeutig. Damit steht fest: Seit 26. Oktober treibt die „Pallas“ bei Windstärke 6 unbemannt vor der Küste. Das Aufden-Haken-Nehmen scheiterte mehrfach. Am fünften Tag nimmt die Einsatzleitgruppe zur Bekämpfung von Meeresverschmutzungen ihre Arbeit auf. Der Ölabschöpfkatamaran „Westensee“ wird von Bremerhaven aus in Marsch gesetzt. Am 4. November, also 10 Tage nachdem der Havarist gestrandet ist, wird dem Bergungsunternehmen eine viertägige Frist gesetzt, den Havaristen zu bergen. In den nächsten Tagen scheitern weitere Schleppversuche. Dreieinhalb Wochen brennt das Schiff, und am 11. November - man muß sich das Datum merken -, 14 Tage nach der Katastrophe, wird in Kiel ein Krisenstab gebildet. ({3}) Chef der Einsatzleitgruppe ist der Kieler Umweltminister in Vertretung der Ministerpräsidentin. Diese mußte im Landtag zugeben, daß im Land keiner wußte, daß auch die Hamburger Hafenfeuerwehr und die Kieler Feuerwehr in der Lage sind, Schiffsbrände zu bekämpfen. ({4}) Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dankt den eingesetzten Rettungsmannschaften. ({5}) Wir danken den Mitarbeitern auf den Schiffen des Bundes, aber auch der Schiffe vor Ort. Wir danken den vielen, vielen ehrenamtlich Tätigen, den freiwilligen Helfern auf den nordfriesischen Inseln. Sie haben zum Teil unter Einsatz ihres Lebens versucht, das zu verhindern, was jetzt doch eingetreten ist, den Austritt von Öl, die Schädigung des Ökosystems Watt, die Schädigung des Strandes, den Imageverlust für den Tourismus, den Tod von Fischen, Vögeln, Krabben. Inzwischen ist der Tod von 4 000 Vögeln zu beklagen. ({6}) - Ich verstehe Ihre Aufregung. Gerade Ihre Partei redet viel vom Umweltschutz, und dann dieses Versagen, wo es um konkrete, schnelle und richtige Entscheidungen geht. ({7}) Da empfiehlt die Ministerpräsidentin Ihrem Kabinettskollegen, Herrn Steenblock, er möge doch einmal zwei Tage ausschlafen, nachdem er während der Krise Urlaub genommen hatte. Offensichtlich wurde die Krise erheblich unterschätzt, und die „Oceanic“ wurde nicht rechtzeitig eingesetzt. Trittin hält sich in Buenos Aires auf, Steenblock macht Urlaub; Simonis bildet das Kabinett um; Müntefering tauscht Abteilungsleiter aus: Was ist denn sonst Konkretes seitens der politischen Führung geschehen bis zum 11. November? Nach 16 Tagen tagt zum erstenmal die Krisen- und Katastrophenstelle des Landes. ({8}) Es scheint in erster Linie darauf angekommen zu sein, daß man eindeutige Beschlüsse trifft und damit die Kostenverteilung regelt - auch seitens der Beamten. Verantwortung wollte niemand übernehmen. Wen muß es dann wundern, daß die Mitarbeiter vor Ort, in der Einsatzleitstelle in Cuxhaven, bei den Wasser- und Schiffahrtsämtern, nicht mehr Mut, mehr Verantwortungsbewußtsein, mehr Bewußtsein für Entscheidungen haben? Sie sehen doch, daß offensichtlich die beteiligte politische Führung völliges Desinteresse an dem hat, was sich dort tut. ({9}) Wann war Müntefering vor Ort? Simonis war nach 20 Tagen vor Ort, Steenblock, nachdem im Landtag eine Debatte darüber angesetzt worden war. Erstaunlich ist dieses erschreckende Desinteresse an den Auswirkungen dieser Katastrophe. Pech für die Umwelt - möchte man sagen - daß sich die Regierung in Kiel offensichtlich nur noch zusammenraufen kann und sich die entscheidenden Unterlassungen der Bonner Regierung, des Bonner Verkehrsministers so ausgewirkt haben. Für die Folgen, für das, was durch die „Pallas“ an der Küste Schleswig-Holsteins geschehen ist, trägt die politische Führung die Verantwortung. Ich kann nur sagen, Herr Steenblock, ich kann mich der Forderung der Freunde im Kieler Landtag anschließen: Es ist an der Zeit, daß Sie daraus die politischen Konsequenzen, auch Sie persönlich, ziehen, damit klar wird, daß der Staat die Verantwortung trägt und für das Handeln seiner Beamten einsteht. Herzlichen Dank. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat als nächste Rednerin die Kollegin Annette Faße von der SPD-Fraktion. ({0})

Annette Faße (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002650, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 24. September erhielten auf eine Anfrage Parlamentarier folgende Antwort der damaligen Bundesregierung: Die Bundesregierung bekräftigt ihre Ausfassung, daß die breite Palette der teilweise gemeinsam mit den Küstenländern eingeleiteten Vorsorge- und Bekämpfungsmaßnahmen die Sicherheit und den Schutz der maritimen Umwelt in der Deutschen Bucht gewährleisten. Alles im Griff, hieß es also einen Monat vor der Katastrophe. ({0}) Es wurde keine Veranlassung gesehen, das Notfallkonzept der Nordsee weiterzuentwickeln bzw. zu überarbeiten. Diese Einschätzung, die ich aus dem damaligen Haus Wissmann zitiert habe, war eindeutig falsch. ({1}) Auf der einen Seite haben wir in der letzten Wahlperiode erreicht, daß Modernisierungen zum Beispiel der Revierzentralen vorgenommen wurden, auf der anderen Seite aber mußte die damalige Opposition ständig gegen Verschlechterungen ankämpfen, dagegen, daß zum Beispiel die Lotsenannahmepflicht zurückgenommen worden ist, daß zum Beispiel Maßnahmen, die einen weltweiten Rückschritt bei Ausbildungs- und Besatzungsstandards an Bord von Schiffen bedeutet haben, einfach durchgezogen wurden. ({2}) Die ständige Diskussion um die Hochseeschlepper in der Nordsee - dazu gibt es auch drei Gutachten; man hat sich also lange damit beschäftigt - hat eindeutig gezeigt, daß Sicherheitsmaßnahmen für die letzte Bundesregierung zu teuer waren und daß man rückwärtsgewandt gearbeitet hat. ({3}) Minister Müntefering hat noch vor seiner Vereidigung ganz eindeutig beschlossen, daß der Hochseeschlepper „Oceanic“ über den 31. Oktober hinaus in der Nordsee stationiert bleibt. ({4}) Er bleibt dort über den Winter und damit auch über die Zeit der Stürme und des möglichen Eisganges hinaus. Zwischen dem BMVB und dem Krisenstab vor Ort hat es eine ständige Zusammenarbeit gegeben. Man stelle sich vor, was zusammengetroffen ist: Die „Pallas“ treibt brennend, von der Besatzung verlassen, manövrierunfähig bei Windstärken 8 bis 10 und sogar Orkanböen auf die deutsche Küste zu. Schleppverbindungen reißen oder können wegen des Wetters nicht hergestellt werden. Auf Grund des Brandes an Bord müssen die Helfer mit hoher Hitze zurechtkommen. Letztendlich läuft die „Pallas“ nach den fehlgeschlagenen Schleppversuchen auf Grund, Öl tritt aus und führt unstrittig zu massiven Umweltschäden. Das Zusammenkommen aller Problemfelder hat nach meiner Meinung die Verantwortlichen vor Ort - an Land und auf See - vor offenbar unlösbare Probleme gestellt. Wir fordern ganz deutlich eine schonungslose Aufklärung der Vorfälle. Der Zwischenbericht ist auch Ihnen bekannt und zugeleitet worden. Danach relativiert sich einiges, was durch die Presselandschaft gegangen ist. ({5}) Es geht hier nicht um Schuldzuweisungen einfacher Art, ({6}) und es geht auch nicht alleine um die Frage des Einsatzes eines Hochseeschleppers. Vielmehr geht es um klar umrissene Bereiche: Was brauchen wir in Zukunft, um in der Nordsee schleppen zu können? Wir sind immer von der Konstellation ausgegangen, es könnte etwas mit einem großen Tankschiff passieren. Wir haben mit Ihnen darüber gestritten, wieviel Pfahlzug ein Schlepper haben muß. Und jetzt sehen wir, daß es nicht einmal ein großer Tanker ist, der uns vor große Probleme stellt, sondern ein Schiff, das wie jedes andere normale Schiff auch nur soviel Öl an Bord hat, wie es selbst braucht. Wir müssen uns auch mit den Zuständigkeiten auseinandersetzen. Für mich heißt dies, daß der nationale Ansatz, aber auch der europäische Ansatz verfolgt werden müssen. ({7}) Die Frage, warum das Schiff von Dänemark unbemannt herübergetrieben ist, müssen sich alle Anrainer der Nordsee stellen. ({8}) Auch den internationalen Kontext dürfen wir deshalb in dieser Frage nicht zurückstellen. Denn wir wissen, daß die Besatzung an Bord falsch gelöscht hat, ({9}) und zwar mit Stickstoff statt mit Wasser und Schaum, was richtig gewesen wäre. ({10}) Das heißt, das internationale Thema der Qualität von Schiffsbesatzungen muß ebenso angegangen werden wie die Verstärkung der Hafenkontrollen, also nationale Lösungen. ({11}) Das Ministerium ist auf dem richtigen Weg. Wir stellen uns der Aufgabe. Vielen Dank. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Jürgen Koppelin von der F.D.P.-Fraktion das Wort.

Dr. h. c. Jürgen Koppelin (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001180, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dreieinhalb Wochen geriet der Holzfrachter „Pallas“ vor der dänischen Küste in Brand. Nach der Bergung der Besatzung trieb das Schiff auf den Festlandsockel vor der schleswig-holsteinischen Nordseeküste. Von da an zieht sich wie ein roter Faden - oder sollte ich vielleicht sagen: wie ein grüner Faden? ({0}) die Unfähigkeit des schleswig-holsteinischen Umweltministers durch diese Geschichte. ({1}) Er hat weder die betroffene Bevölkerung gewarnt, noch wurde die Zeit bis zur Strandung des Schiffes genutzt, um Vorbereitungen für eine zu erwartende Ölverschmutzung zu treffen. Für die Klärung der Zuständigkeiten, für die Koordinierung des Einsatzes, für die Bereitstellung von Material ist die Zeit nicht genutzt worden. Dreimal hat das schleswig-holsteinische Innenministerium dem Umweltminister die Krisenzentrale angeboten. ({2}) Die dort vorhandene Technik, das für solche Einsätze geschulte Personal hätten zahlreiche Pannen verhindern können. Steenblock hat dieses Angebot dreimal abgelehnt. ({3}) Herr Umweltminister aus Schleswig-Holstein, Sie hatten sich heute morgen in einem Landtagsausschuß zu rechtfertigen. Dort haben Sie gesagt, das Angebot sei am 9. November gemacht worden. Das stimmt nicht. ({4}) - Frau Kollegin, setzen Sie sich lieber auf die Regierungsbank. ({5}) Der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein hat Sie, Herr Umweltminister, in der Sitzung korrigiert. Jetzt nenne ich Ihnen einmal das Datum, das der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein heute in dem entsprechenden Ausschuß angegeben hat: Am 30. Oktober hat er Herrn Steenblock zum erstenmal das Angebot gemacht, den Krisenstab zu nutzen. ({6}) Herr Steenblock hat davon keinen Gebrauch gemacht. Zu keiner Zeit haben sich die Umweltministerien in Kiel und Bonn mit den Berufsfeuerwehren in Hamburg oder Bremen in Verbindung gesetzt. Die Berufsfeuerwehr in Hamburg ist dafür bekannt, daß sie international Schiffsbrandbekämpfungen durchführt. Erst am 11. November konnte durch Veranlassung der schleswigholsteinischen Ministerpräsidentin der Krisenstab in Schleswig-Holstein tätig werden. Der schleswig-holsteinische Umweltminister Steenblock, der heute hier ist, war uneinsichtig und unfähig, mit der Krise umzugehen. ({7}) Wo war das Bundesumweltministerium, das doch schnell hätte erkennen müssen, daß der grüne Parteifreund und Landesumweltminister Steenblock in dieser kritischen Situation völlig versagte? - Keine Reaktion: ({8}) - der Minister im Ausland, die beiden Staatssekretärinnen auf Tauchstation. Frau Staatssekretärin Altmann, Sie hätten zumindest einen Anruf in Kiel tätigen und sich bei Ihrem Parteifreund informieren können. Dann hätten Sie gemerkt, was los ist. ({9}) Ich sage Ihnen, was los war: Sie waren so mit der Ökosteuer beschäftigt, daß die Ökologie an der Nordsee Sie überhaupt nicht interessiert hat. ({10}) Dabei wären die Kompetenzen sehr schnell zu klären gewesen. Natürlich ist der Bundesverkehrsminister zuständig, wenn es zu einer Katastrophe in einer Wasserstraße kommt. Aber bei diesem Problem geht es um die Bedrohung des Nationalparks Wattenmeer. Hier ist nach unserer Auffassung der Landesumweltminister, wenn er versagt, der Bundesumweltminister zuständig. ({11}) Verendete Tiere, verödetes Wasser - das Bundesumweltministerium versteckt sich hinter „Nicht zuständig“. Ich wiederhole, was mein Freund Wolfgang Kubicki im Kieler Landtag gesagt hat: Wenn sich der Umweltminister des Landes Brandenburg genauso in den Zuständigkeiten verschanzt und nicht vor Ort die Zuständigkeiten koordiniert hätte, dann wären die Leute am Oderbruch abgesoffen, statt daß ihnen geholfen worden wäre. ({12}) Herr Minister Steenblock, Sie haben sich noch nicht einmal bei den Menschen vor Ort sehen lassen. Sie sind einmal bei Nacht dagewesen. ({13}) Das Bundesumweltministerium hat untätig zugesehen. So hat diese Umweltkatastrophe ihren Lauf genommen. Ministerpräsidentin Simonis hat nun Entscheidungen getroffen, damit das Land Schleswig-Holstein in Zukunft auf solche Krisen vorbereitet ist. Die F.D.P. begrüßt das. Frau Simonis hat entschieden, daß der Krisenstab zukünftig eingesetzt wird, ohne daß Herr Steenblock gefragt wird. Bei so viel Unfähigkeit habe ich Verständnis für die Haltung von Frau Simonis. Wie reagiert der Umweltminister Steenblock darauf? - Mit einer Koalitionskrise. Seit gestern macht er aus seiner Unfähigkeit eine Koalitionskrise der rotgrünen Regierung in Kiel. Herr Steenblock - wörtlich - „warnt die SPD davor, Personen, die für die Grünen stehen, zu demontieren“. Ohne Ministerpräsidentin Simonis namentlich zu nennen, wehrt er sich dagegen, von einzelnen Kabinettsmitgliedern öffentlich madig gemacht zu werden. So hat sich Herr Steenblock in seiner Pressekonferenz geäußert. Ich finde es sehr interessant, wie die Stimmung in der Landesregierung in Kiel ist. „Dpa“ meldete gestern: Auf einen gemeinsamen Auftritt im Unglücksgebiet am vergangenen Sonntag hatten sich beide - Steenblock und Simonis nicht verständigen können. ({14}) Man muß sich das einmal vorstellen. In dieser Situation, Herr Minister, haben Sie total versagt. In dieser Situation von den Verantwortlichen in Kiel und Bonn allein gelassen, gebührt den vielen Helfern vor Ort ausgesprochener Dank. ({15}) Mein letztes Wort in dieser Debatte. Herr Minister Steenblock, nehmen Sie einen Rat an: Geben Sie die Schlüssel Ihres Dienstautos und auch Ihres Schreibtisches bei Frau Simonis ab, und gehen Sie nach Hause! ({16}) Die Menschen an der Westküste würden Ihnen dann zum erstenmal danken. ({17})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Gila Altmann von den Grünen.

Gisela Altmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002618, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte eben das Gefühl, in einem Landtag zu sein, in dem Wahlkampf von der miesen Sorte gemacht wird. Herr Koppelin, heute morgen haben Sie sich im Umweltausschuß als aufstrebender Anarchist geoutet, indem Sie von Trittin verlangt haben, er solle sich über alle Gesetze hinwegsetzen und mal eben als Superman über Steenblock kommen. ({0}) Hier aber machen Sie schlechten Wahlkampf, weil Sie die Zuständigkeiten nicht kennen. Wenn Ihr Kollege von der CDU/CSU hier - vielleicht zu Recht - feststellt, daß die „Oceanic“ zu spät eingesetzt worden ist, dann sollten wir uns doch einmal die Datenlage angucken. Am 25. Oktober ist die „Pallas“ in Brand geraten, und am 26. befand sich der Havarist bereits in deutschen Gewässern. ({1}) - Nun halten Sie doch einmal den Mund! ({2}) - Ich bitte Sie wirklich, einmal zuzuhören. - Die neue Regierung ist am 27. Oktober im Bundestag vereidigt worden. Warum hat die alte Regierung am 26. dann nicht mehr gehandelt? Das möchte ich von Ihnen wissen. ({3}) Die Zuständigkeiten liegen - da muß ich Ihnen wohl Nachhilfeunterricht geben - beim Bundesverkehrsministerium und dessen nachgeordneten Behörden, den Wasser- und Schiffahrtsverwaltungen, in diesem Falle der Sonderstelle Cuxhaven. Es gibt einen Vertrag zwischen den Küstenländern und dem Bund, in dem die Kompetenzen geregelt sind, nämlich Vorsorge und Krisenmanagement - ({4}) - Entschuldigung, ich kann nicht dagegen anschreien. Herr Präsident, ich möchte Sie bitten, die Uhr anzuhalten und für Ruhe zu sorgen. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Reden Sie bitte weiter.

Gisela Altmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002618, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Der Präsident sagt, ich soll fortfahren. Ich stelle fest: Die Kompetenzen sind zwischen dem Bund und den Ländern klar geregelt. Das Krisenmanagement wird von der Sonderstelle in Cuxhaven, dem ZMK, dem Zentralen Meldekopf, wahrgenommen, das Katastrophenmanagement und die Schadenbeseitigung vom Land. Ich bin mit Herrn Steenblock am Samstag und Sonntag unterwegs gewesen. ({0}) - Informieren Sie sich doch bitte richtig! ({1}) Die Inselbewohner haben bestätigt, daß das Katastrophenmanagement zu ihrer Zufriedenheit wahrgenommen worden ist. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Drei Wochen nach dem Unfall! Wenn Sie sich als verblichene Koalition hier nun zur Heiligen Johanna des Küstenschutzes aufschwingen, ({2}) dann muß ich Sie doch einmal fragen: Wo waren Sie denn in den letzten vier Jahren, als wir immer wieder auf die Sicherheitslücken in der Deutschen Bucht hingewiesen haben, die jetzt zutage getreten sind? ({3}) Sie können sagen, Sie hätten die „Oceanic“ gechartert. Aber das haben Sie nicht freiwillig gemacht, sondern auf Druck der Opposition, nachdem die „Sea Empress“ vor Wales gestrandet ist. ({4}) Dabei stellten die wochenweisen Vertragsverlängerungen ein unwürdiges Hin und Her dar. Im April 1997 hat es Ihr Verkehrsminister zugelassen, daß die WSD Nord eigenmächtig den Vertrag kündigte. Erst im letzten Moment konnten wir das Schiff retten. ({5}) - Ja, aber noch vor zwei Monaten wäre das Schiff beinahe im Bermudadreieck versackt, weil es Ihnen nach der Wahl egal war, ob die „Oceanic“ noch da ist oder nicht. ({6}) Nur weil die heutige Regierung entschlossen gehandelt und Druck gemacht hat, ist die „Oceanic“ überhaupt noch da. ({7}) Sie dagegen wollten während der ganzen Zeit beweisen, daß man die „Oceanic“ eigentlich nicht braucht. Genau das brachte die blödsinnige Konkurrenz zwischen der Gila Altmann ({8}) „Mellum“ und der „Neuwerk“ auf der einen Seite und der „Oceanic“ auf der anderen Seite zustande, ({9}) was zu Lasten von hochqualifizierten Mannschaften auf drei Schiffen ging, die trotzdem gut zusammengearbeitet haben. Es hat immer wieder Hinweise gegeben, daß die „Oceanic“ nicht optimal eingesetzt oder zu spät angefordert worden ist. ({10}) Bereits im letzten Juli gab es eine Beinahekatastrophe mit der „El Gurdabia“. ({11}) Wir haben Sie auf die Ungereimtheiten hingewiesen; aber Sie wollten es nicht wahrhaben. Sie haben es einfach ignoriert. Joschka Fischer hat höchstpersönlich an Wissmann geschrieben. Was hat Herr Wissmann geantwortet? „Alles in Butter auf dem Kutter“, und die „Oceanic“ werde ohnehin abgeschafft, sobald die „Neuwerk“ da sei. ({12}) Klar ist eines: Mit Ihren Strukturen, ({13}) mit Ihren Versäumnissen müssen wir uns zur Zeit herumschlagen. ({14}) - Sie haben ja heute morgen nicht umsonst Ihren Antrag, der eine Reihe von Vorwürfen enthielt, im Umweltausschuß kleinlaut zurückgezogen. Sie sind als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. ({15}) Wir werden auf alle Fälle das tun, was wir von Ihnen vier Jahre lang eingefordert haben und was Sie immer zurückgewiesen haben. ({16}) Wenn wir die Trümmer dieser Katastrophe weggeräumt haben, werden wir mit einer Expertenkommission ein Sicherheitskonzept erarbeiten, das den Namen auch verdient. Wenn diese Tragödie einen Sinn gehabt haben soll, dann den, daß wir daraus lernen. Die neue Regierung lernt daraus - ach, sie hat das gar nicht nötig: Die Konzepte liegen auf dem Tisch. Wir brauchen sie nur noch umzusetzen. ({17}) Bei dem Getöse, das Sie hier veranstalten, erwarte ich von Ihnen eine konstruktive Mitarbeit. Danke schön. ({18})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Eva-Maria BullingSchröter von der PDS-Fraktion das Wort.

Eva Maria Bulling-Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002636, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein deutsches Sprichwort sagt, daß erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, der Deckel draufkommt. So weit sind wir auch in diesem Fall. Allerdings ist eines klar: Die Schäden, die im Wattenmeer angerichtet worden sind, sind nicht oder nur schwer rückholbar. Darüber habe ich bis jetzt sehr wenig gehört. Ich kann es mir ersparen, den Unfallhergang erneut zu schildern, denn er ist bekannt und einige werden ihn noch wiederholen. Für mich ist es kein Trost, daß kein Großtanker havariert ist. Die ausgetretenen Mengen von Schweröl und Diesel reichten für eine Katastrophe. Doch was die CDU jetzt abzieht - diese wohlfeilen Forderungen von lückenloser Aufklärung bis hin zu personellen und persönlichen Konsequenzen - ist schlicht und ergreifend scheinheilig. ({0}) Denn es waren Ihre Verkehrsminister - Wissmann und seine Vorgänger -, die wahrlich genug Zeit gehabt hätten, etwas für die Verbesserung des Küstenschutzes und der Sicherheit der Schiffahrt in der Deutschen Bucht zu tun. Es ist doch nicht erst seit dem 25. Oktober so, daß jährlich über 80 000 Schiffe in der Deutschen Bucht fahren. Ich meine, Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie aus dem Unglück der „Pallas“ politisches Kapital schlagen wollen. Und daß Ihnen der Schutz des Wattenmeeres so sehr am Herzen liegt, mag auch niemand so recht glauben. Wenn es um eine Abwägung zwischen der Unterschutzstellung des weltweit einzigartigen Ökosystems Wattenmeer und wirtschaftlichen Interessen ging, habe ich Sie nie auf der Seite des Naturschutzes gesehen. ({1}) Stichworte in diesem Zusammenhang sind die Ölpipeline und die Frage, ob die Küsten als Nationalpark, als Naturschutzgebiet oder im Rahmen der FFH-Richtlinie ausgewiesen werden, was zu Lasten des Tourismus gehen könnte. Gila Altmann ({2}) An dieser Stelle muß Umweltminister Steenblock eher in Schutz genommen werden. ({3}) Vor Ort hat er genug Ärger mit der örtlichen CDU, den Jägern und dem Tourismusgewerbe, denen seine Umweltmaßnahmen oftmals zu weit gehen. Das wurde heute im Umweltausschuß dokumentiert. ({4}) Man muß doch bei der Wahrheit bleiben. Die geltende Verkehrssicherheitskonzeption und die Notfallkonzeption ist doch nicht von der derzeitigen Bundesregierung zu verantworten, und niemand kann vernünftigerweise bestreiten, daß sie verbesserungswürdig sind. Darauf komme ich noch einmal zurück. Ich kann und will nicht verschweigen, daß es zu schwerwiegenden Versäumnissen gekommen ist. ({5}) Teils sind die Gründe struktureller Natur, teils ist die Gefahr unterschätzt worden. Daher wurde auch nicht schnell genug gehandelt. Das muß Minister Steenblock schon auf seine Kappe nehmen. ({6}) Auf die Verzichtserklärung des Reeders zu warten, ist nach Seerecht geboten. ({7}) Im Rahmen der Gefahrenabwehr hätte es allerdings die Möglichkeit schnelleren Handelns gegeben. Bei einem Tankerunfall wäre wohl auch so verfahren worden. ({8}) Doch die strukturellen Gründe wiegen schwerer. Tatsache ist, daß in der Deutschen Bucht zuwenig Schlepperkapazität vorgehalten wird, nicht nur von der Bundesrepublik, sondern auch von den anderen Anrainerstaaten. In diesem Zusammenhang ist der Ruf nach der „Oceanic“ nur eine Scheinlösung. Die „Oceanic“ - wir haben es heute morgen im Ausschuß gehört - war bei einem anderen Einsatz oder auf Stand-by. Wir haben auch gehört, daß zur Bekämpfung des Feuers auf der „Pallas“ und zur Verhinderung weiterer Ölverschmutzung sozusagen alles im Einsatz war, was an Nord- und Ostsee an Kapazität vorhanden war. Wenn im Unglücksfall erst Schleppkapazität auf dem freien Markt akquiriert werden muß, zeigt sich, was bei einer Politik von Deregulierung und Privatisierung auf Teufel komm raus herauskommt. ({9}) Schauen Sie in das Bundesausschreibungsblatt vom 11. November 1998. Darin ist aufgeschrieben: Schleppkapazität von mindestens 165 Tonnen Pfahlzug - also in etwa die Größenordnung der „Oceanic“ - vom 1. Februar bis 15. April 1999, also wieder für eine so kurze Zeit. So hangelt man sich von Charter zu Charter, und die CDU/CSU und die F.D.P., die dies zu verantworten haben, erzählen uns, an der Sicherheitskonzeption sei nichts auszusetzen. ({10}) Ich hoffe, daß die neue Bundesregierung mit dieser Praxis bricht ({11}) und zusammen mit den anderen Anrainerstaaten dafür sorgt, daß permanent ausreichend öffentliche Kapazität vorgehalten wird. Ansonsten begrüßen wir, wenn die Sicherheitskonzeption überarbeitet, Entscheidungswege verkürzt und Kompetenzen gebündelt werden. Das ist doch logisch. Noch etwas anderes ist wichtig: Es gab vier Nordseeschutzkonferenzen; völkerrechtlich bindend ist die Nordsee zum Sondergebiet erklärt worden - allerdings ohne Einfluß auf die Befahrensregelung. Lediglich das Auswaschen von Tanks ist verboten. Will man den Natur- und Küstenschutz ernst nehmen, ist hier dringend Nachbesserung geboten, damit verhindert wird, daß in Küstennähe - das heißt, in bis zu zwölf Seemeilen Entfernung von der Küste - solche oder gar schlimmere Unfälle weiterhin passieren. Wenn man das Schiff als ökologischen Verkehrsträger favorisiert, dann doch wohl nicht solche Schiffe wie die „Pallas“, die mit Schweröl fahren. ({12}) Diese sind, vom Schadstoffausstoß über die Gefahr einer Ölpest durch eine Havarie - wie passiert - bis zum Arbeitsschutz - Stichwort: manuelle Filterreinigung -, keine Verkehrsträger der Zukunft. Danke. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Wolfgang Börnsen von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist unsere Aufgabe, Fehler aufzudecken und Konsequenzen für die Zukunft daraus zu ziehen. ({0}) Während wir heute über die Folgen des Unglücks der „Pallas“ beraten, tickt weiterhin eine Zeitbombe vor der nordfriesischen Küste. 30 Tonnen Schweröl haben genügt, um einen verheerenden Schaden an Mensch, Natur und Umwelt anzurichten. Über 500 Tonnen Schweröl befinden sich noch ungeborgen an Bord der „Pallas“. Ein Bruch des Havaristen könnte zu jeder Stunde erfolgen. Die Angst geht um an der Küste; denn bis heute, 23 Tage nach Beginn des Dramas auf der „Pallas“, haben große Teile der Bevölkerung noch immer den Eindruck, daß die politisch Verantwortlichen in Kiel und Bonn die Krise nicht wirklich im Griff haben. ({1}) Ein auch international anerkanntes nationales Nordseeschutzkonzept ist bisher nur unzureichend und halbherzig umgesetzt worden. ({2}) Die 23 Unglückstage sind bis heute gepflastert mit Pleiten, Pech und Peinlichkeiten. Vorhandene moderne staatliche Schlepperkapazitäten wurden falsch eingesetzt. Vorhandene private Schlepperkapazitäten sind verzögert eingesetzt worden, so daß sie unwirksam blieben. Ölsperren wurden zu spät gelegt. Die Kontakte zum Königreich Dänemark wurden ohne Nachdruck betrieben. ({3}) Küstenbewohner haben bereits Strafanzeige gegen die beiden verantwortlichen Bundes- und Landesminister wegen unterlassener Maßnahmen gegen massive Umweltschäden erstattet. ({4}) So weit ist es gekommen! Bürgerzorn macht sich breit. Tage ohne Taten haben zur Zuspitzung der Krise geführt. Nach Berichten aus Kiel wurde der Umweltminister Steenblock erst durch die Ministerpräsidentin auf die Krise aufmerksam gemacht und zum Handeln aufgefordert. Ich will das noch einmal deutlich machen: 16 Tage nach Beginn der Umweltkrise, am 11. November, tagte erstmalig der Ministerkrisenstab in Kiel. Erst 17 Tage nach der Strandung kam dann das erforderliche Bergungsmaterial. Stellen Sie sich einmal vor, Ihr Haus brennt, und erst 14 Tage später kommt die Feuerwehr. So ähnlich ist das nämlich. ({5}) Erst 15 Tage nach den erfolglosen Rettungsversuchen entscheidet die Einsatzleitung über die Beschaffung der Baupläne der „Pallas“. Den Vorsitz in diesem Krisenstab aus Bund und Ländern hat Schleswig-Holstein. Dieses SPD-geführte Bundesland hat noch vor zwei Jahren von dem „guten Notfallkonzept“ von Bund und Land für die Nordsee berichtet. Dieses Bundesland hat als einziges durchgesetzt, daß nicht der Umweltminister vorrangig bei der Einsatzleitung vertreten ist, sondern wegen der Bedeutung die Ministerpräsidentin; nachzulesen im Vertragstext. Nach außen dokumentiert man Sicherheitsverantwortung; bei der Umsetzung fehlen Können und Courage. Was vor 24 Monaten noch gut war, wird heute gerügt - Flaggenwechsel, um von den eigenen Fehlern abzulenken. Die Verantwortlichen haben versagt, nicht das Konzept. Erst vor gut einem Monat, am 19. September, hat Herr Steenblock in einer Pressemitteilung wissen lassen, daß man für effektives Eingreifen bei Umweltnotfällen in der Nordsee gut gerüstet sei. ({6}) Es heißt weiter, die Bekämpfungskapazität habe einen - auch im internationalen Vergleich - hohen Stand erreicht. Soweit die beruhigende Botschaft an die Bürger. Doch beim ersten Einsatz zeigt sich überdeutlich: Die gefeierte Rettungsstrategie scheitert an dem Unvermögen der politisch Verantwortlichen, eine Krise kompetent zu meistern. Was haben wir zu tun? Um Fehler zu vermeiden, müssen wir erstens ein Umweltkrisenmanagement mit Handlungsspielraum sichern, zweitens ein Krisenteam schaffen, das allein Handlungsmaßnahmen durchsetzt, drittens mit professionellen Krisenmanagern zusammenarbeiten, wenn solch eine Katastrophe eintritt, und viertens den Expertenstab unverzüglich in die Lage versetzen, grenzüberschreitend tätig zu sein. Was wir brauchen, ist eine Optimierung der Bewältigung einer solchen verheerenden Umweltkrise. Diese Krisenbewältigung ist diesmal nicht geleistet worden. Wir brauchen in Zukunft ein Krisenmanagement, das seinem Namen gerecht wird. Danke schön. ({7})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär Lothar Ibrügger. ({0})

Lothar Ibrügger (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000989

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Thema, das die beantragende Fraktion zum Gegenstand dieser Aktuellen Stunde erhoben hat, lautet: Erkenntnisse der Bundesregierung zur Entstehung des Unfalls der „Pallas“ vor der deutschen Nordseeküste und Maßnahmen der Bundesregierung zur Schadensbegrenzung und -beseitigung nach der Havarie Wolfgang Börnsen ({0}) Nach der Einleitung, Herr Kollege Austermann, hatte man den Eindruck, daß es mehr darum geht, in Schleswig-Holstein etwas aufzuarbeiten. ({1}) - Nein. Erlauben Sie mir, darauf hinzuweisen, daß die Bundesregierung, Ihrem Begehren entsprechend, seit heute morgen ihrer Pflicht nachkommt, ({2}) zum frühestmöglichen Zeitpunkt dem Souverän, dem Parlament, Bericht zu erstatten über die Erkenntnisse der Bundesregierung. Die Tagesordnung des Bundestages bestimmt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, immer noch der Deutsche Bundestag. ({3}) Deswegen hat der Minister, Franz Müntefering, heute morgen im federführenden Ausschuß des Deutschen Bundestages, dem Ausschuß für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, vorgetragen. Ich hatte die Aufgabe, für ihn im Umweltausschuß des Deutschen Bundestages um 9.30 Uhr den Bericht der Bundesregierung vorzutragen. In diesem Sinne stelle ich hier fest: Die Bundesregierung kommt ihrer Informationspflicht nach. Wir bitten Sie, gerade auch die Kolleginnen und Kollegen von der Küste, herzlich - der Bericht liegt inzwischen vor und ist veröffentlicht, einschließlich der chronologischen Übersicht -, wenn Sie bestimmte Anmerkungen, Beobachtungen, Erfahrungen, Kenntnisse haben, uns diese mitzuteilen. ({4}) Wir spiegeln es gemeinsam an der Chronologie, die in Cuxhaven allen Beteiligten auf den Tisch gelegt worden ist. ({5}) Heute morgen um 7 Uhr befand sich die Plattform 4 Seemeilen von dem Wrack entfernt. Heute mittag zum Tidehochwasser um 12 Uhr wurde begonnen, die Hubbeine auszufahren. Im Laufe der nächsten Stunden kann mit der Entsorgung beim Wrack begonnen werden. Das ist sicherlich die wichtigste Botschaft vom heutigen Tage. Ich betone allerdings ausdrücklich für die Bundesregierung: Wir legen einen Zwischenbericht vor - ausdrücklich einen Zwischenbericht, keinen Schlußbericht mit Wertungen. Für einen Schlußbericht ist heute nicht der Zeitpunkt, weil uns nicht alle Informationen vorliegen außer denen, die hier schriftlich aufgetragen sind; beispielsweise müssen sich noch die Kapitäne der Schiffe äußern. Ich halte es allemal für besser, die Kapitäne bei Windböen mit Windstärke zwölf, bei acht Meter hohen Wellen, bei entsprechend hohen Bewegungen, Belastungen und Risiken, die sie mit ihren Besatzungen eingegangen sind, unmittelbar auf See entscheiden zu lassen, welches Schiff nun die Schleppleistung übernimmt oder nicht. ({6}) Dies ist eine Entscheidung, die in der Verantwortung der Kapitäne auf den Schiffen getroffen worden ist. Erlauben Sie mir zu sagen, ich traue den Kapitänen der „Oceanic“ und der „Mellum“ mehr zu als uns allen zusammen, in dieser Situation zu beurteilen, was das Richtige ist. ({7}) Eine Besatzung, die bereits 48 Stunden mit einem Schleppverband im Einsatz war, sollte nach Auffassung mancher erneut in einen Einsatz geschickt werden. Dies ist wohl nach Lage der Dinge auch nicht zu verantworten. Es obliegt einzig und allein der Verantwortung der Kapitäne. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muß hier für die Bundesregierung erklären: Der Kollege Wissmann hat in der Fachtagung „Wie sicher ist die Deutsche Bucht?“ am 30. Januar 1998 in seinem Namen durch Herrn Hinz erklären lassen: Lassen Sie mich deutlich sagen, es kann nicht darum gehen, Schiffsverkehr aus Gründen der Sicherheit von deutschen Küsten fernzuhalten. Wenn Sie das zusammen mit der Diskussion um die „Oceanic“ verfolgen, in der die damalige Opposition Sie gedrängt hat, daß die „Oceanic“ und der Chartervertrag überhaupt weitergeführt werden sollten, dann ist dieser Satz nicht sehr erfolgversprechend für das gute Sicherheitskonzept, von dem der Kollege Börnsen eben gesprochen hat. ({8}) Es besteht offensichtlich ein Mangel im Konzept, das hier von der damaligen Bundesregierung vertreten wurde, nämlich Zurückhaltung zu üben, wenn es um Notschleppkapazität in der Deutschen Bucht geht. ({9}) Franz Müntefering hat sofort entschieden, als er von Herrn Wissmann die Amtsgeschäfte übernommen hatte. ({10}) Den Kampf der Schiffsbesatzungen bei Orkan um die „Pallas“ haben wir alle zusammen in den Medien verfolgt. Den Seeleuten auf den bundeseigenen Schiffen „Mellum“ und „Neuwerk“ und des zur Verstärkung geParl. Staatssekretär Lothar Ibrügger charterten Hochseeschleppers „Oceanic“ gebühren unsere Hochachtung und unser Dank. ({11}) Uns wurde insbesondere der Schiffsbetriebsmeister Roni Beck von der „Neuwerk“ genannt, der sich freiwillig meldete, um den Anker der „Pallas“ zu werfen ohne Maschine, durch entsprechende Handkraft. Damit haben wir an dieser Stelle allen Anlaß, diesem mutigen Mann, stellvertretend für die vielen anderen ungenannten Freiwilligen, für seinen Einsatz zu danken. ({12}) Das Notfallkonzept für die Nord- und Ostsee sieht vor, daß Behördenschiffe in der Anfangsphase dem Havaristen zu Hilfe eilen. Das ändert auch nichts daran, daß nach geltendem internationalen Seerecht der Reeder selbst für die Bergung seines Schiffes verantwortlich ist. Dies ist entsprechend zu respektieren. Deshalb wurde von der den Einsatz leitenden Stelle der Reeder der „Pallas“ beauftragt, Bergungsschlepper zu stellen, um den Havaristen in den sicheren Hafen zu schleppen. Dieser Aufforderung ist der Reeder des unter Flagge der Bahamas fahrenden Schiffes nachgekommen. Die zweite Phase wurde vom Einsatz mehrerer Schlepper bestimmt, die verhindern sollten, daß der Havarist auf Grund läuft. Die Schleppverbindung mußte wegen fehlender Stromversorgung an Bord des Havaristen manuell hergestellt werden. Weder Stahltrossen noch Kunststoffleinen hielten den Beanspruchungen stand. Die dritte Phase ist bestimmt durch die laufenden Maßnahmen der Schadensbegrenzung und der Bekämpfung der Verschmutzung an den Stränden der nordfriesischen Inseln. Erlauben Sie mir einige Worte zur bestehenden Notfallorganisation. Wichtiger Bestandteil des Notfallkonzeptes ist die Vereinbarung über die Bekämpfung von Meeresverschmutzungen, die im April 1995 vom ehemaligen Bundesminister für Verkehr mit den fünf deutschen Küstenländern erneuert wurde. Zweck dieser Vereinbarung sind gemeinsame Maßnahmen, um durch Schadstoffe drohende oder bereits eingetretene Verschmutzungen zu bekämpfen. Hierzu stellt das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen den beim Wasser- und Schiffahrtsamt Cuxhaven eingerichteten zentralen Meldekopf als jederzeit dienstbereite Meldeorganisation zur Verfügung. Neben dieser Meldeorganisation richten der Bund und die Küstenländer zur Leitung gemeinsamer Einsatzmaßnahmen eine Einsatzleitungsgruppe bei bestimmten Verschmutzungs- und Gefährdungssituationen ein; sie besteht aus einem Beauftragten des Bundes und je einem Beauftragten der Küstenländer. Die Einberufung dieser ELG geschieht im Einvernehmen des Beauftragten des Bundes mit den Küstenländern oder wenn eines der von der Verschmutzung bedrohten Küstenländer es verlangt. Aus der Sicht der Bundesregierung hat sich die Zusammenarbeit von Bund und Küstenländern seit 1975 bewährt. Erlauben Sie mir, kurz auf die Berichterstattung in den Medien einzugehen. Hier muß festgehalten werden, daß in jedem Fall die Schleppkapazität der „Mellum“ ausreichte, um auch in dieser Gefahrensituation die notwendige Schleppkapazität sicherzustellen. Dies ist über eine Seestrecke von 31 Seemeilen auch bewiesen worden. Als sie dann brach und alle Versuche scheiterten, auch für die „Oceanic“ die entsprechende Verbindung herzustellen, kam es zu dem festgestellten tragischen Verlauf. Die „Oceanic“ war zu der Zeit, als der zentrale Meldekopf die erste Nachricht von der „Pallas“ erhielt - ich sagte es schon -, mit einer anderen Notschleppung beschäftigt. Sie hat im weiteren Verlauf bei den Bergungsversuchen ihren anerkannten Beitrag geleistet. Ihrer Besatzung, den Besatzungen aller anderen beteiligten Schiffe und den Hubschrauberpiloten gilt - stellvertretend für viele ungenannte Helfer zu Wasser und zu Lande - unser Dank. ({13}) Wie ich schon betonte, werden für Bundesminister Müntefering eine abschließende Berichterstattung, Wertungen und Schlußfolgerungen erst nach Abschluß der laufenden Arbeiten erfolgen können. Soviel kann aber schon heute festgehalten werden: Die Bundesregierung wird eine Expertengruppe einsetzen und die Küstenländer zur Mitwirkung einladen. Diese Arbeitsgruppe wird auf der Basis der Geschehensabläufe und unter Berücksichtigung der kürzlich erfolgten Schleppübung im Zusammenhang mit der Indienststellung der „Neuwerk“ Vorschläge für Verbesserungen des Unfallmanagements, der technischen Ausrüstungen, des Trainings und der Kapazitäten zu erarbeiten haben. Auch werden wir uns für eine internationale Zusammenarbeit der Nordseeanliegerstaaten bei der Vorhaltung von Notschleppschiffen einsetzen. Dabei werden auch die Anregungen und Vorschläge der Umwelt- und maritimen Fachverbände, der betroffenen Länder und - das wiederhole ich ausdrücklich - ebenso der Sachverstand der Parlamentarier von der Küste, aus Landtagen und Bundestag, zu berücksichtigen sein. Nach Vorlage dieses Abschlußberichts der Bundesregierung sind die politischen Entscheidungen über eine Verbesserung dieses Konzeptes für die Nord- und Ostsee zu treffen. In diesem Sinne wird die Bundesregierung ihre Arbeit leisten. Herzlichen Dank. ({14})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Ulrike Mehl von der SPD-Fraktion das Wort.

Ulrike Mehl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001454, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die dokumentierten Abläufe bei der Havarie der „Pallas“ brauchen hier nicht noch einmal vorgetragen zu werden, weil wir heute morgen im Umweltausschuß und im Verkehrsausschuß ausführliche Informationen bekommen und darüber diskutiert haben. Ich muß allerdings sagen, daß ich mich über die bisherigen Beiträge der Opposition etwas wundere. ({0}) Wer heute morgen in den Ausschüssen war und sich die Informationen angehört hat, der kann sich zumindest nicht hier hinstellen und behaupten, es sei wochenlang nichts passiert. Das entspricht nicht den Tatsachen und ist einfach falsch. ({1}) Die Stimmung, die hier verbreitet wird, kommt mir sehr bekannt vor, weil die letzte Wahl noch nicht lange her ist. ({2}) Ihr Verhalten riecht mir verdächtig nach Wahlkampf. Für diejenigen, die nicht aus Schleswig-Holstein kommen: Wir haben in zirka anderthalb Jahren eine Landtagswahl, und die wird hier jetzt vorbereitet. Ich sage Ihnen: Die Menschen an der Küste werden Ihnen das nicht honorieren. Machen Sie sich keine Hoffnungen! ({3}) - Der Herr Steenblock redet ja gleich noch. ({4}) - Und Sie haben in fast keinem Bundesland mehr die Regierungsmacht. Auch das kann man vergleichen. Wir sitzen alle in einem Boot. Ich möchte einmal sehen, was Sie gesagt hätten, wenn dieser Unfall wenige Wochen früher passiert wäre. ({5}) Dann hätten Sie plötzlich ganz andere Argumente gehabt. (Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Das fällt in Ihre Verantwortung! Deswegen halte ich die Diskussion, die Sie hier anzetteln, für wenig hilfreich. ({6}) Statt hier den schleswig-holsteinischen Vorwahlkampf einzuläuten, muß erstens mit aller Kraft daran gearbeitet werden, den Schaden weiterhin zu begrenzen, womit schon begonnen wurde, und bereits eingetretene Schäden soweit wie möglich zu beheben. Zweitens müssen wir über die Ursachen, die zu dem Unfall geführt haben, reden und sie genau analysieren. Wer heute morgen im Ausschuß war, kann nicht sagen, er wisse jetzt schon, wie es gewesen sei, außer er will es nicht anders wissen. Es muß vielmehr noch genauestens analysiert werden, wo und an welcher Stelle es Schwachstellen gab. Deswegen begrüße ich es sehr, daß sowohl Schleswig-Holstein als auch die Bundesregierung Expertenkommissionen einsetzen werden, die dieses Problem aufarbeiten werden. Wir haben ja jahrelang an Sie appelliert und gesagt, die jetzt bestehenden Strukturen reichen nicht aus. ({7}) Sie haben das immer bestritten. Heute morgen im Ausschuß wurde aber auch von Ihrer Seite zugegeben, daß die vorhandenen Strukturen durchaus verbesserungswürdig sind. Das sind sie in der Tat, und deshalb werden wir jetzt endlich an einer Verbesserung arbeiten; vorher war das ja nicht möglich. In dem Zusammenhang muß geklärt werden, ob ein frühzeitigerer Einsatz der „Oceanic“ die Katastrophe hätte verhindern können, warum nicht von dänischer Seite eingegriffen wurde oder eingegriffen werden konnte ({8}) und wie sich die Schiffssicherheit generell durch konstruktions- und verkehrstechnische Standards international verbessern läßt. Unabhängig davon müssen wir nach Wegen suchen, wie das Risiko eines Schiffsunfalls für das ökologisch hochsensible Wattenmeer auf ein Minimum zu reduzieren ist. Dies könnte zum Beispiel durch die Ausweisung als besonders empfindliches Meeresgebiet geschehen. Dies muß in die Prüfung einbezogen werden. Auf diese Fragen müssen wir Antworten finden, weil die Menschen vor Ort überhaupt nichts davon haben, wenn wir hier darüber debattieren. Sie haben nur dann etwas davon, wenn ein nachvollziehbares Konzept veröffentlicht wird. ({9}) Deswegen fordere ich noch einmal dazu auf, in Anlehnung an das amerikanische Vorbild die Einführung einer internationalen Coast Guard in die Überlegungen einzubeziehen und zu prüfen, wie wir es schon seit Jahren vorschlagen. Dadurch hätte man die Möglichkeit, noch früher über nationale Grenzen hinweg wirklich eingreifen zu können. ({10}) Wir dürfen uns durch dieses schwere Unglück allerdings nicht von anderen Problemen des Wattenmeers und des Meeresschutzes ablenken lassen. Dazu gehören eine europaweit einheitlich geregelte SchiffsölentsorUlrike Mehl gung in den Häfen genauso wie die Verbesserung der zugelassenen Schiffstreibstoffe - auch das ist eines der Probleme - und die Verringerung der Schadstofffrachten, die über die Flüsse in die Nordsee und andere Meere getragen werden. Egal, ob Befürworter oder Gegner des Nationalparks - allen Küstenbewohnern ist mit den Bildern verölter Vögel und verseuchter Strandabschnitte wieder klar vor Augen geführt worden, daß die Nordsee und das intakte Ökosystem Wattenmeer das Kapital sind, von dem sie leben. Es ist sehr wichtig, sich dies immer wieder bewußt zu machen. ({11}) Jeder weiß, daß ein ähnlich gearteter Öl- oder Chemietankerunfall das Ökosystem Wattenmeer auf Jahre hinaus schwer gestört hätte. Das darf niemals eintreten. Ich hätte mir deshalb gewünscht, daß sich diejenigen, die jetzt am lautesten nach dem Rücktritt eines politisch Verantwortlichen schreien, in den letzten Jahren massiver dafür eingesetzt hätten. ({12}) Jetzt haben Sie mit uns die Chance dazu. ({13})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Peter Kurt Würzbach von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. ({0})

Peter Kurt Würzbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002572, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zehn Jahre lang haben die Roten und die Rotgrünen in SchleswigHolstein unter der Überschrift „Umweltschutz, Landschaftschutz und Naturschutz“ unser Land SchleswigHolstein mit einem Dickicht an Verordnungen, Programmen, Plänen, Vorschriften und anderem reglementierend überzogen. ({0}) Die Ausbreitung dieses Dickichts über das ganze Land wurde von Kiel aus theoretisch und ideologisch zentral geregelt - gegen die Erfahrungen der Menschen, gegen die Erfahrungen der Bauern, der Fischer an der Küste, der Naturschützer, der Deichvögte und anderer. ({1}) Diese Regierung in Kiel wußte alles besser. Sie bevormundete und entmündigte die Verantwortlichen; sie lähmte durch Bestimmungen die Menschen vor Ort. Sie ergriff Maßnahmen bis hin zur Enteignung und nannte das „modernen Umweltschutz“. ({2}) Für den Küstenschutz wurde nahezu nichts getan. Jetzt war man aber gefordert, die Küste zu schützen. Man hat zwar gesehen, wie das Schiff auf die Küste zutrieb, man hat sich aber weggedreht und sich in einem Bereich untätig gezeigt, Herr Kollege Steenblock, wo eine Regierung gefordert ist, um alles zu tun, was national wie international möglich ist. Für die rechtzeitige Mobilisierung und Koordinierung haben Sie tagelang nichts getan. Sie haben sich vielmehr tagelang abgewendet und sind erst müde in Gang gekommen, als die Medien begannen, diesen Vorgang zu beleuchten. ({3}) Als Sie und Ihre Ministerpräsidentin dann langsam in Gang kamen, konzentrierten Sie sich mehr auf die Bilder für die Kameras und auf die Überschriften und weniger darauf, wirklich etwas in der Sache zu bewegen. ({4}) Die Menschen bei uns im Lande sind verbittert und enttäuscht. Die Natur wurde auf schlimme Weise geschädigt. Unabhängig von unserer Parteizugehörigkeit muß man sagen: Das Vertrauen in die politische Handlungsfähigkeit ist durch dieses Nichtstun in einer blamablen Art und Weise beschädigt worden. ({5}) Ich muß hier noch erwähnen: Es sind Tausende - es werden Zehntausend - von Tieren, die qualvoll getötet worden sind oder noch getötet werden. In diesem Punkt hat die Rednerin der Grünen recht, wenn sie von Trümmern der Katastrophe und von Tragödie gesprochen hat. Ich stelle fest: Es handelt sich um eine grobe Pflichtverletzung der Landesregierung und auch um eine Pflichtverletzung der Bundesregierung. Selbst der SPD freundlich gesonnene Zeitungen schreiben inzwischen von einem desolaten Zustand bei denen, die hier etwas hätten unternehmen müssen. Ich darf noch etwas zu den Redebeiträgen sagen. Die Regierungsverantwortung war übergeben, ({6}) das entsprechende Ministerium von der neuen Regierung übernommen. Anstatt den - übrigens parteilosen Abteilungsleiter aus ideologischen Gründen, um eine andere Personalpolitik durchzusetzen, zu feuern, hätten Sie unmittelbar nach Ihren Feiern auf ihn mit seinen Kenntnissen und Fähigkeiten, Verwaltungshandeln wirksam einzusetzen, zurückgreifen müssen. Sie haben sich halbe Tage in Bonn ins „Holiday Inn“ zurückgezogen, statt mit den Fachleuten des Ministeriums vernünftige Maßnahmen einzuleiten. Insofern stelle ich hier auch deutlich eine grobe Pflichtverletzung dieses Bundesministeriums für Verkehr während der entscheidenden Tage fest. ({7}) Wir in Schleswig-Holstein und besonders die Menschen an der Küste haben einen anderen Umgang mit unserer Natur verdient, gerade mit dem empfindlichen Wattenmeer. ({8}) Die Menschen auf den Inseln, die Insulaner und die Gäste, wie auch die Tiere haben einen anderen Umgang verdient. Ich darf Sie übrigens unabhängig von Ihrer Parteizugehörigkeit fragen: Haben Sie irgendwo in Deutschland oder sonstwo einmal erlebt, daß, wie von Frau Simonis getan, ein Regierungschef seinem Stellvertreter in der Öffentlichkeit den Ratschlag gibt: „Schlafen Sie sich erst einmal ein paar Tage aus!“? - Ihnen, Herr Steenblock, ist dieser Ratschlag in der Öffentlichkeit nicht wegen Übermüdung auf Grund Ihres frühen Einsatzes vor Ort, sondern wegen Ihres müden Regierungshandelns erteilt worden. ({9}) Ich stimme mit meinem Kollegen aus SchleswigHolstein, Jürgen Koppelin, überein, daß diese Regierung ähnlich wie das Wrack, das sich jetzt festgesetzt hat, eine Motorleistung Null hat. Sie ist sozusagen leckgeschlagen und dümpelt ohne Kapitän und Steuermann vor sich hin. Wir brauchen in Schleswig-Holstein eine andere Regierung, eine wirkliche Regierung! ({10}) Kollege Steenblock, jeder Leiter einer Ortsfeuerwehr wäre professioneller, also früher und energischer, pflichtbewußter und verantwortungsfreudiger, an diese Sache herangegangen, als Rot und Grün in Kiel und Rot und Grün in Bonn es getan haben. ({11})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Umweltminister des Landes Schleswig-Holstein, Rainder Steenblock, das Wort. Rainder Steenblock, Minister ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Situation bei uns an der Westküste ist, glaube ich, viel zu ernst, lieber Herr Würzbach, um hier eine billige Wahlkampfschau, eine vorgezogene Wahlkampfveranstaltung für die Landtagswahl in SchleswigHolstein zu machen. ({1}) Die Situation an der Westküste ist natürlich dadurch gekennzeichnet, daß die Menschen wütend sind. ({2}) - Nein. ({3}) Sie sind frustriert. Wir sind jetzt in der Diskussion, und die Menschen wollen Antworten auf die Frage, wie man solche Unfälle verhindern kann. Die Menschen erwarten von der Politik Diskussionen über Lösungskonzepte, die ihnen mehr Sicherheit geben. ({4}) Sie haben versucht, heute morgen im Landtag in Schleswig-Holstein eine Debatte zu führen - Sie sind damit kläglich gescheitert -, ({5}) in der die Maßnahmen, die wir in Schleswig-Holstein eingeleitet haben, die die Landesregierung eingeleitet hat, kritisiert werden. Das ist Ihr gutes Recht. Aber: Es ist in der gesamten Debatte bisher nicht einmal im Ansatz nachgewiesen worden, daß in dem gesamten Einsatz auch nur eine Schaufel gefehlt hätte, ein Mann zuwenig als Reserve dagewesen wäre oder ein Schiff zuwenig im Einsatz gewesen wäre. Durch den Ölunfall im Wattenmeer sind bereits 6 000 Vögel verendet; viele Tausende werden noch verenden. ({6}) Wir haben diese Ölbekämpfung organisiert - neben der ELG, neben den offiziellen Strukturen, von denen hier zu Recht gesagt worden ist, daß sie überarbeitungsbedürftig sind. ({7}) Wir alle - Sie als alte Bundesregierung, wir als Küstenländer - haben die Einsatzstrukturen gemeinsam geschaffen. Wir alle haben die Pflicht, aus den Fehlern zu lernen. Die Strukturen haben sich als nicht schlagkräftig genug erwiesen. Es geht heute darum, diese Strukturen zu verändern. ({8}) Sie aber haben Nebelkerzen geworfen. Sie versuchen schon die ganze Zeit, im Lande alles zu vernebeln. Herr Koppelin, Sie haben hier heute aus einer Pressemitteilung zitiert, der Umweltminister hätte gesagt, wir wären gut gerüstet. ({9}) - Dann war das jemand von der CDU/CSU. - Wir sind gut gerüstet, jawohl. Wir haben Katastrophenschutzübungen gemacht. Was die Ölbekämpfung, so wie sie im Wattenmeer organisiert worden ist, angeht, so ist überhaupt keine Kritik an irgendeiner Maßnahme zu üben, die dort realisiert worden ist. Das gilt auch im Hinblick auf die Ölsperre um das Schiff herum. Wenn Sie sich einmal sachkundig gemacht hätten, dann wüßten Sie genau, daß man eine solche Ölsperre nur bei bestimmten Witterungsverhältnissen ausbringen kann. Sie haben von den Einzelheiten dieser Operation doch überPeter Kurt Würzbach haupt keine Ahnung. Sie wollen hier nur Ihr politisches Süppchen kochen. ({10}) - Herr Koppelin, Lautstärke und Zwischenrufe ersetzen keine Argumente. Es geht an dieser Stelle um eine sachliche Debatte. Worum wir alle uns zu kümmern haben, anstatt hier im Deutschen Bundestag herumzubrüllen ({11}) - ich entschuldige mich für das Wort „brüllen“, Herr Carstensen; ich weiß, Sie flüstern immer -, ist ein neues Notfallkonzept. Die Ölentsorgung hat geklappt. Aber wir brauchen Maßnahmen, durch die verhindert wird, daß so etwas wieder passiert. Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. ({12}) Wenn wir nun darüber sprechen, was der Deutsche Bundestag, was die Länderparlamente und die Regierungen von Bund und Ländern zu entscheiden haben, ({13}) so glaube ich, daß wir ein Sicherheitskonzept brauchen, durch das sichergestellt ist, daß ausreichend Schlepperkapazität vorhanden ist. Ich habe mich sehr gefreut, daß auf den Brief hin, den ich Herrn Müntefering geschrieben habe, der Vertrag für die „Oceanic“ verlängert worden ist. Ich würde mir sehr wünschen - das wäre ein gutes Signal für die Westküste -, wir hätten endlich Sicherheit, daß ein Hochseeschlepper ständig, über Jahre gechartert, in der Deutschen Bucht ist. Wir brauchen - Frau Mehl hat das angesprochen weiter eine straffere Organisation der Einsatzstrukturen. Wir brauchen so etwas wie eine „coast guard“, die tatsächlich in der Lage ist, solche Schiffe gegen den Willen des Eigners zu übernehmen. ({14}) Wir brauchen einen Haftungsfonds. Es kann nicht sein, daß die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler an der Westküste, die schon die im Hinblick auf das Ökosystem, das sich nicht wehren kann, und im Hinblick auf den Tourismus von diesem Schiff ausgegangenen Schäden zu tragen haben, in Haftung genommen werden und hohe Haftungssummen zahlen müssen. Da ist nicht der Schutz des Eigentums angesagt, sondern die Verantwortung des Eigentümers und das Verursacherprinzip. Deshalb brauchen wir für solche Fälle einen internationalen Haftungsfonds. ({15}) Die vorherige Bundesregierung - auch das wissen Sie sehr genau; sonst würden Sie nicht versuchen, so lautstark von der Verantwortung abzulenken - hat in dieser Frage kläglich versagt. ({16}) Ich bin nach den ersten Kontakten mit Vertretern der neuen Bundesregierung sehr sicher, daß sich diese Bundesregierung den Interessen der Küstenländer mit größerem Engagement annehmen wird. ({17}) - Herr Fischer, Sie werden sicherlich noch das Beispiel der Hamburger Feuerwehr anführen. Sie wissen ganz genau, daß in der entsprechenden Einsatzleitgruppe Vertreter des Landes Hamburg und des Landes Schleswig-Holstein sitzen. ({18}) Wenn das Land Hamburg, das genauso beteiligt ist wie wir und das sicherlich über den Zustand der Hamburger Feuerwehr besser informiert ist als das Land SchleswigHolstein, diese Kräfte nicht einsetzt, dann liegt das in der Verantwortung des Landes Hamburg. Das können Sie nicht mir in die Schuhe schieben. ({19}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen auch mit der Opposition eine sachliche Auseinandersetzung führen. ({20}) Ich glaube, daß wir diese Probleme auf Grund unserer Verantwortung gegenüber den Menschen und dem bestehenden Ökosystem lösen müssen. Herr Carstensen, ich würde Sie bei den Auseinandersetzungen um den Schutz des Nationalparks und des ökologisch so wichtigen Systems des Meeres und der Küste gerne auf meiner Seite wissen ({21}) Doch leider sind Sie nicht immer auf der Seite des Naturschutzes. ({22}) Minister Rainder Steenblock ({23})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Steenblock, einen Moment bitte! - Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einer Aktuellen Stunde kann es ruhig etwas munterer zugehen. Aber der Redner muß die Chance haben, auch verstanden zu werden. ({0}) Rainder Steenblock, Minister ({1}): Meine Damen und Herren, ich bin häufig an der Westküste gewesen. Die verbreiteten Gerüchte, ich sei erst auf Weisung der Ministerpräsidentin dort gewesen, ({2}) sind Unsinn. Ich bin am Montag vor der Kabinettsitzung an der Westküste gewesen und habe mit dem Leiter des Staatlichen Umweltamtes, dem Leiter des Amtes für ländliche Räume und auch mit denjenigen, die auf Kreisebene Verantwortung tragen, gesprochen - nicht im Beisein von Kameras, sondern mit dem Ziel, die Einsätze zu organisieren. Denn das ist meine Aufgabe. ({3}) - Am Montag vor der Kabinettsitzung. Ich bin am Dienstagnachmittag auf Föhr gewesen; ich bin abends und nachts auf Amrum gewesen. Ich bin am folgenden Wochenende zwei Tage auf den Inseln gewesen. Ich bin mit den betroffenen Bürgermeistern, mit den Vertretern der Feuerwehr und all denjenigen, die verantwortlich waren, zum Wrack hinausgefahren. Das war keine Privatveranstaltung. Das war möglich, weil wir zu den örtlich Verantwortlichen eine vernünftige Beziehung haben. Was Sie hier unterstellen, weist nur darauf hin, daß Sie den Kontakt zur örtlichen Bevölkerung längst verloren haben. ({4}) Wir als schleswig-holsteinische Regierung sind in der Verantwortung. Wir haben gestern einen ganzen Katalog von Forderungen beschlossen. Wir stellen uns dem Problem. ({5}) Ich weiß, daß sich die neue Bundesregierung dem auch stellt. Es wäre ein gutes Signal, wenn wir im ersten Schritt zur Sicherung der Küste Kapazitäten in bezug auf einen Hochseeschlepper schaffen. Ich glaube, daß die Auseinandersetzung, so wie sie jetzt hier geführt wird, nicht das ist, was die Menschen in diesem Lande wollen. Die Menschen wollen vielmehr eine sachliche, an den Lösungsmöglichkeiten orientierte Arbeit. Darum sollte es gehen. Ich als Vertreter Schleswig-Holsteins bitte die Bundesregierung und den Bundestag, uns bei der Schaffung von Sicherheit an der Küste zu helfen, die Probleme ernst zu nehmen und mit uns gemeinsam an den Lösungen zu arbeiten. Vielen Dank. ({6})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat der Kollege Peter Harry Carstensen von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

Peter H. Carstensen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000323, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Rainder, - so hat Heide Simonis ihren Umweltminister angefaucht jetzt pack deine Akten und sieh zu, daß du nach Amrum kommst. So kann man das diese Woche im „Focus“ lesen, der weiter vom Chaos, von der Tatenlosigkeit, von der Hilflosigkeit des Umweltministeriums in Kiel und dem Bund-Länder-Krisenstab, der Einsatzleitgruppe in Cuxhaven, berichtet. Steenblock ist dann am Abend des 10. November um 18.30 Uhr nach Amrum gefahren, hat sich dort in der Dunkelheit informiert und ist vor Tau und Tag in der Dunkelheit am 11. November um 6.15 Uhr wieder abgefahren. ({0}) Dieses Anfauchen fand nicht, wie man annehmen sollte, kurz nach Beginn der Katastrophe statt. Nein, da brannte die „Pallas“ schon mehr als zwei Wochen. ({1}) Da hatten inzwischen schon Männer ihr Leben riskiert zum Beispiel vom Fischereiaufsichtsboot „Meerkatze“, von der „Neuwerk“ und von der „Mellum“ - und versucht, die drohende Katastrophe in Sturm und aufgewühlter See zu verhindern. Ihnen gebührt unser Dank ebenso wie all den freiwilligen Helfern, ({2}) die an den Stränden von Amrum, Föhr und Sylt die Verschmutzungen bekämpft und Vögel betreut, gerettet oder, weil es nicht anders ging, getötet haben. Ich erinnere auch daran, daß ein Besatzungsmitglied ums Leben gekommen ist. Ihm gilt unser Gedenken. Seien wir froh, daß nicht mehr Menschenleben zu beklagen sind! Die Wut auf den Inseln ist den Leuten ins Gesicht geschrieben, die Wut darüber, daß diese Katastrophe zu verhindern war, und noch mehr darüber, daß sie bei der Bewältigung allein gelassen worden sind. Die Katastrophe war in dänischen Gewässern zu verhindern. Ich bitte die Bundesregierung sehr eindringlich, auch einmal den Dänen die Frage zu stellen, warum sie zu Beginn der Katastrophe nicht helfend reagiert haben. ({3}) Ich habe heute morgen noch mit dem Amtsvorsteher von Amrum, Jürgen Jungclaus, und dem Bürgermeister Klaus Theuß gesprochen, die sich - wie schon in den Tagen zuvor - bitterlich beklagt haben, daß man die Katastrophe kommen sehen konnte und keiner etwas unternommen hat. Es gab keine Ansprechpartner. Informationen, die anfangs aus Cuxhaven kamen, wurden abgeschnitten mit dem Hinweis, jetzt sei das Umweltministerium in Kiel zuständig. Per dortigen Verteiler gingen die Informationen an zwei offizielle Stellen und neun Umweltverbände, nicht aber zum Beispiel an die Wasserschutzpolizei. Das alles ist erst später erfolgt. Dazu paßt, daß auf Hilfsangebote vor Ort nicht reagiert wurde. Diese wurden vielmehr geradezu verhindert - wie das Angebot der örtlichen Feuerwehren, zu helfen. Erst am 11. November - die „Pallas“ brannte seit dem 25. Oktober und war am 29. Oktober auf Grund gelaufen - wurde die Arbeitsbereitschaft des Interministeriellen Leitungsstabes der Landesregierung ab 8 Uhr hergestellt. Es kann sich hier keiner damit herausreden, die Strukturen der Katastrophenbekämpfung seien nicht optimal gewesen. Nein, jeder, der etwas zu sagen hat, in Kiel wie auch in Bonn, war genügend informiert, um zielgerichtet handeln zu können. Aber Kompetenzgerangel führte zu dieser Führungsschwäche. Chaos und Unvermögen - euer Name ist Rainder Steenblock! ({4}) Angesichts der Reaktion der Ministerpräsidentin und vieler anderer Dinge finde ich es schon unerhört und empfinde es als eine Zumutung, daß Sie, Herr Steenblock - als derjenige, der das Chaos verursacht hat und der für Inkompetenz und Unerfahrenheit steht -, sich hier hinstellen und uns informieren dürfen. ({5}) Hier in Bonn lief es auch nicht besser. Erst am 13. November hat der Verteidigungsminister das Ölbekämpfungsschiff „Bottsand“ der Marine von Warnemünde in Marsch gesetzt, und am 16. November schreibt er mir: Die Bundeswehr hilft weiter, wenn das von der Landesregierung gewünscht wird. Anstatt sich mit der Ablösung seiner Abteilungsleiter zu beschäftigen, hätte sich der Verkehrsminister Müntefering hier mit einklinken müssen, um das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Meine Damen und Herren, ist Ihnen eigentlich bekannt, daß die Firma zum Löschen des Schiffes per Ausschreibung gesucht wurde? ({6}) Drei Angebote gab es. Sie wurden gesichtet, und erst am 11. November um 23.59 Uhr wurde der Auftrag erteilt. Frau Staatssekretärin Probst hat in ihrer Rede letzte Woche gesagt, die Bundesregierung habe schnell gehandelt, indem Minister Trittin das Thema auf die Tagesordnung der Umweltministerkonferenz gesetzt habe. ({7}) Sie hat gesagt: Wir werden alles daransetzen, daß schnelle Hilfe garantiert wird. Dieses Verhalten ist typisch, es ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen auf den Inseln und in der Fischerei. ({8}) Frau Simonis hätte Steenblock damals nicht nach Amrum schicken sollen; sie hätte ihn in die Wüste schicken sollen. ({9})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat als nächste Rednerin Monika Ganseforth von der SPD-Fraktion.

Prof. Monika Ganseforth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000630, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nach der Bundestagswahl am 27. September hat sich sehr viel geändert. ({0}) Das merken wir auch heute. Die CDU/CSU hat nämlich eine Aktuelle Stunde beantragt. In der letzten Legislaturperiode sind von den über 100 Aktuellen Stunden, die stattgefunden haben, nur sechs von Ihnen beantragt worden. ({1}) Nun sind Sie auf einmal so schnell. Wie kommt das? Besonders erstaunlich ist, daß es sich auch noch um eine Aktuelle Stunde zum Thema Umwelt handelt. Ich freue mich über die wundersame Wandlung der rechten Seite in diesem Haus. ({2}) Denn die Sorge um eine intakte Umwelt kann nicht wichtig genug genommen werden. Das Unglück der „Pallas“ vor der Nordseeküste und die damit verbundenen Schäden müssen sehr ernst genommen werden. Nicht vergessen wollen wir - Herr Carstensen hat es eben angesprochen -: Der Verlust eines Menschenlebens ist zu beklagen; ein weiterer Mensch ist schwer verletzt worden. Mein Eindruck war fast, daß deshalb über dieses Thema hier so wenig geredet wurde, weil dies geschehen ist, bevor die neue Regierung vereidigt worden ist, dies sozusagen noch unter der Ägide der alten Regierung passierte. ({3}) Ihnen wäre es doch sehr zupaß gekommen, wenn dieses Unglück sich nicht gerade während des Regierungswechsels ereignet hätte, sondern nachdem diese Regierung einige Monate im Amt gewesen wäre. ({4}) Peter H. Carstensen ({5}) Dann wäre die Verantwortung so klar, wie Sie sich das wünschen. ({6}) Das Unglück, daß der Holzfrachter „Pallas“ in Brand geriet, ist passiert, ehe unsere neue Regierung vereidigt wurde. Sie hat, genau genommen, nicht nur dieses Problem und dieses Drama übernommen, ({7}) sondern auch die - wie sich zeigt - völlig unzureichenden Entscheidungsstrukturen mit ihren Schwächen ({8}) und das, wie es vorhin hieß, unzureichende Notfallkonzept, das zudem nicht in ausreichender Weise umgesetzt worden ist. ({9}) - Wir sitzen hier im Deutschen Bundestag und debattieren über die Verantwortlichkeiten. Schauen Sie sich doch den Titel der Aktuellen Stunde an, wenn Sie schon einmal zu diesem Instrument greifen; schauen Sie sich doch einmal an, was Sie da wissen wollen. ({10}) Ich bin sicher, daß von dieser Regierung schnellstens ein Notfallkonzept erarbeitet wird und daß das, worüber wir so lange diskutiert haben, endlich umgesetzt wird. Ich weiß nicht, ob es der CDU/CSU bei dieser Debatte wirklich um diese Fragen geht. Ich habe einmal nachgesehen, was zum Beispiel der Kollege Lippold von der CDU/CSU in der letzten Legislaturperiode in der Aktuellen Stunde über die „Brent Spar“ gesagt hat - jetzt kommt ein Zitat von Herrn Lippold -: Ich habe mir gedacht, daß diese Debatte für viele in diesem Hause nicht dazu dient, sich mit dem Ereignis und mit Umweltschutz auseinanderzusetzen. Statt dessen versuchen Sie über alle Lücken wieder zur Schuld der Bundesregierung zu kommen. Das ist das alte Spiel der Opposition. Bleiben wir doch bei der Sache, um die es geht. Weiter hat er gesagt: Deshalb ist es schade, daß Sie diesen heutigen Punkt nicht um der Sache willen behandeln, sondern nur aus dem Grund, einmal wieder einiges gegen die Regierung loslassen zu können. Schade, daß Sie diesen guten Anlaß so mißbrauchen wollen. Dem ist nichts hinzuzufügen - auch nach den Reden von Herrn Carstensen und Herrn Austermann nicht. ({11}) So schnell ändern sich die Zeiten, meine Herren und meine Damen auf der rechten Seite. ({12}) Um der Sache willen aber möchte ich es positiv sehen, daß sich die CDU/CSU endlich um die Umwelt sorgt und daß sie betroffen ist, wie Herr Austermann vorhin gesagt hat - wegen der Katastrophe in dem empfindlichen Ökosystem Wattenmeer, wegen des Sterbens von Tausenden von Vögeln und auch wegen der Menschenleben, die zu beklagen sind. Ich fordere Sie auf, uns auch an anderer Stelle bei der Behandlung dieser Themen zu unterstützen und an unserer Seite zu sein. Die schleichende Ölverschmutzung in der Nordsee zum Beispiel ist ein Thema, das wir ernsthaft angehen müssen - ich hoffe, diesmal mit Ihrer Unterstützung. ({13}) Und schließlich möchte ich Ihnen sagen: Es stellt sich auch die Frage, ob jeder Transport nötig ist. Selbst das vergleichsweise umweltfreundliche Transportmittel Schiff hat, wie wir wieder sehen können, Risiken. Deshalb muß man die Frage zulassen, ob Holz über die Ozeane hin und her transportiert werden muß. ({14}) Wir müssen für eine Lebens- und Wirtschaftsweise der Nachhaltigkeit kämpfen und unser Augenmerk auch darauf richten. Aber ich merke schon: Da haben wir nicht Ihre Unterstützung. Wenn wir aber wenigstens Ihre Unterstützung zum Schutz der Nordsee und des Wattenmeers haben, dann sind wir schon sehr zufrieden. Darum bitte ich Sie. Schönen Dank. ({15})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde hat der Kollege Kurt-Dieter Grill von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. Bitte schön.

Kurt Dieter Grill (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002665, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Ganseforth, zu der Geschmacklosigkeit, der alten Bundesregierung den tödlich verletzten Menschen sozusagen zurechnen zu wollen, sage ich Ihnen: Es hat eigentlich nur noch gefehlt, daß Sie hier behaupten, einer von uns habe das Schiff angezündet, um die neue Regierung in Schwierigkeiten zu bringen. ({0}) Also, es ist unglaublich, mit welchen Bildern Sie hier antreten. Zu dem Bild, das Sie hier gezeichnet haben, daß die CDU das Instrument der Aktuellen Stunde nutzt, gehört das Gegenstück: Sie haben sich als Regierung sehr schnell daran gewöhnt, zu behaupten, Sie hätten alles getan; das, was fehlgeschlagen ist, sei die Schuld der vorherigen Regierung. Nach diesem Prinzip haben Sie hier heute vorgetragen. ({1}) Dazu gehört auch, daß Herr Steenblock die Strukturen der Notfallvorsorge kritisiert hat. Heute morgen ist im zuständigen Ausschuß mehr als deutlich geworden, daß die Strukturen der Notfallvorsorge im großen und ganzen in Ordnung sind. Versagt haben die zuständigen und verantwortlichen Minister in Schleswig-Holstein. ({2}) Und da wir schon beim Bewußtseinswandel sind: Diejenigen, die fälschlicherweise in der Mitte des Parlamentes sitzen, wären noch vor drei Monaten mit ölverschmierten toten Tieren an dieses Pult gegangen. Frau Probst, die sich als einzige Verantwortliche der politischen Führung des Umweltministeriums bisher gestellt hat - sonst weder Herr Trittin noch Frau Altmann! -, hat hier vor einer Woche gesagt: Wir haben schnell gehandelt, wir haben zusammen mit den Ländern alles getan. - Meine Damen und Herren, wenn es stimmt, daß Sie in Abstimmung mit den Ländern alles getan haben, welche Berechtigung hat dann Ihr Vorwurf an die alte Regierung? Sie haben unsere Strukturen übernommen und in diesen Strukturen gehandelt. Von vielen Beiträgen hebt sich der Beitrag des Bundesverkehrsministeriums sehr wohltuend ab. Herr Ibrügger hat in dankenswerter Sachlichkeit dargestellt, was gelaufen ist. Bis auf den Schlenker auf Herrn Wissmann können wir, so muß ich sagen, mit einer solchen Darstellung der Sache leben. Damit kann man arbeiten, und das ist die Voraussetzung für die Frage, was nach diesem Unfall zu tun ist. Aber das, was Sie, Frau Mehl, über die Ausschußsitzung behauptet haben, ist nicht nachzuvollziehen. ({3}) Denn es ist deutlich geworden - das ist auch gar nicht bestritten worden -, daß die Landesregierung in Kiel auf eine falsche Einschätzung der Lage mit falschen Maßnahmen reagiert hat. Das ist die Katastrophe, für die sie verantwortlich ist. ({4}) Und das, was Frau Faße hier abgeliefert hat, schlägt dem Faß den Boden aus. Allerdings möchte ich meinen Freund Peter Harry Carstensen an dieser Stelle etwas korrigieren: Die Dänen haben versäumt, einen Hochseeschlepper in Dienst zu nehmen. D'accord, da sind wir beide einig. Aber in dem entscheidenden Augenblick haben sie sich - das war die Darstellung heute morgen, und diese nehme ich hier auf, weil wir auch das diskutieren müssen - dafür entschieden, die Kapazität, die sie zur Verfügung hatten, für die Rettung der Menschen und nicht für die Rettung des Schiffes einzusetzen. ({5}) - Ja, das werden wir zu diskutieren haben. Es ist zu beklagen, daß das Schiff nicht früher auf den Haken genommen werden konnte. Aber was der Vertreter des Bundesverkehrsministeriums, dem Sie nicht widersprochen haben, heute morgen im Ausschuß gesagt hat, ist die andere Seite - und das schreibe ich Ihnen ins Stammbuch -: Es kam gar nicht mehr auf die „Oceanic“ an; wir hatten vor Amrum genügend Schlepperkapazität. Also ist weder die Frage der Strukturen, die wir Ihnen hinterlassen haben, noch die Frage der „Oceanic“ das zentrale Thema. Das zentrale Thema ist vielmehr, daß Sie auf dem Hintergrund von Material und Strukturen nicht gehandelt haben, Herr Steenblock. Sie haben versagt; das ist das Entscheidende! ({6}) Das Ablenkungsmanöver in Richtung Vorgängerregierung ist im Grunde genommen zu billig, um darauf einzugehen. Ich will Ihnen nur sagen: Man kann Ihr Versagen in diesem Zusammenhang vielfach belegen bis hin zu dem, was ein Feuerwehrmann aus der Krisenregion in meinem Büro gesagt hat: Wir durften nur Dienst nach Vorschrift machen. Wir durften nachts nicht löschen, obwohl das Löschen nachts möglich gewesen ist. ({7}) Seien Sie deshalb vorsichtig mit Vorwürfen an die alte Regierung. Sie mußten handeln. Sie haben nicht richtig gehandelt. Sie haben zu spät gehandelt. Frau Altmann gebe ich eines mit auf den Weg: Mit dem Wechsel von der Oppositionsbank auf die Regierungsbank haben Sie mehr Gehalt bekommen. Damit sind die Schmerzen des Regierungswechsels abgegolten. Beklagen Sie sich in Zukunft nie wieder, daß Sie in der Regierung sind, sondern tun Sie Ihre Arbeit! ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 19. November 1998, 13 Uhr ein. Die Sitzung ist geschlossen.