Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/20/2002

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Danke, Herr Staatsminister. Ich bitte, zunächst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, der soeben aufgerufen worden ist. Der erste Fragesteller ist der Kollege Kubatschka.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, Sie haben auf Frankreich und Österreich verwiesen, wo die Buchpreisbindung nach wie vor vorhanden bzw. wieder gesichert worden ist. Liegen der Bundesregierung Erfahrungen aus Ländern vor, in denen dieses System nicht vorhanden ist?

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Auf europäischer Ebene wird gegenwärtig über eine Richtlinie zur Buchpreisbindung beraten. In diesem Zusammenhang sind ganz interessante Daten zusammengestellt worden. So zeigt sich zum Beispiel, dass das durchschnittliche Preisniveau in Ländern ohne Buchpreisbindung entgegen dem, was man nach ökonomischer Theorie erwarten würde, höher ist als in Ländern mit Buchpreisbindung. Im Fall Großbritannien ist der Buchpreis nach der Freigabe zunächst gesunken, dann aber wieder gestiegen. Ganz besonders faszinierend ist der Vergleich der durchschnittlichen Anzahl von Buchhandlungen in Ortschaften mittlerer Größe, also zwischen 20 000 und 50 000 Einwohnern: In Österreich gibt es dort 4,7 Buchhandlungen, in der Schweiz 4,5 und in Deutschland 3,2. In Großbritannien - ohne Buchpreisbindung - sind es 1,7 und in den USA 0,75 Buchhandlungen. Das sind dramatische Unterschiede. Ein zweites Beispiel: Die Zahl der lieferbaren Bücher pro 1 Million Einwohner ist im deutschen Sprachraum um 44 Prozent höher als im amerikanischen und englischen Sprachraum, wo eine Buchpreisbindung nicht besteht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Nachfrage? Bitte, Herr Kubatschka.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, bedeutet das, dass durch die Buchpreisbindung das in Deutschland relativ gute Netz an Buchhandlungen, die nicht nur Orte des Verkaufens, sondern auch Orte des kulturellen Austausches sind - viele Buchhandlungen bieten Lesungen und andere Veranstaltungen an und sind vor allem auf dem flachen Land, dessen Vertreter ich bin, eine Bereicherung -, gestützt wird?

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Ich denke, dass mit dem Instrument der Buchpreisbindung, die wir jetzt auf Dauer gesichert haben, auch die Spielräume von Buchhandlungen über ihre Rolle als Marktteilnehmer und Anbieter der Ware Buch hinaus - diese sind zugegebenermaßen enger geworden - sowie ihre kulturelle Rolle größer sind als ohne Buchpreisbindung. Ohne Buchpreisbindungen sind Kalkulationen, die durch Buchpreisbindung ermöglicht werden und gewisse Margen sichern, die übrigens auch innerhalb der Verlage Quersubventionierungen zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Büchern zulassen - das ist ein ganz wichtiger Aspekt -, nicht möglich. Das gilt auch für Buchhandlungen und ihre kulturelle Rolle. Man wird die Entwicklung abwarten müssen. Der internationale Vergleich aber zeigt, dass die kulturelle Rolle, die die Buchhandlungen im deutschen Sprachraum spielen, mit der Buchpreisbindung zusammenhängt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Fragesteller ist der Kollege Dr. Heinrich Fink.

Prof. Dr. Heinrich Fink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003116, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, wir können uns wirklich beglückwünschen, dass es zu diesem Gesetzentwurf gekommen ist. Ihr Vorgänger hat sich hier sehr intensiv bemüht, aber offenbar geht es nicht ohne Gesetz. Der Berliner würde fragen: Ist nun wirklich alles wasserdicht oder was ist in diesem Zusammenhang noch möglich? Wie weit sind die Auseinandersetzungen auf europäischer Ebene? Ich würde in diesem Punkt die Ausführungen von Herrn Kubatschka gerne noch vertiefen: Kann unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten tatsächlich nichts mehr dazwischenkommen oder sind noch weitere Schritte notwendig? Meine zweite Frage: Bietet das Gesetz auch eine Handhabe, der Umgehung der Preisbindung über das Internet zu begegnen?

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Wir sind zuversichtlich, dass die Buchpreisbindung mit diesem nationalen Buchpreisbindungsgesetz auf Dauer gesichert ist und nicht in Konflikt zu vorrangigem EU-Recht gerät, weil es bereits Auseinandersetzungen vor dem Europäischen Gerichtshof um nationale Buchpreisbindungen gegeben hat, insbesondere in Bezug auf Frankreich. Die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat die Vereinbarkeit einer nationalen Buchpreisbindung per Gesetz nach französischem Muster - andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben ebenfalls ein nationales Buchpreisbindungsgesetz - ständig bestätigt: 1985 mit der Leclerc-Entscheidung, zuletzt im Jahre 2000 in der Auseinandersetzung Echirolles. Wir sind daher sicher, dass es nicht erneut zu der Konfliktklage kommt, die beim Sammelrevers 2000, also bei der vertikalen Branchenabsprache per Vertrag, aufgetreten ist. Zu Ihrer Frage nach dem Internet. Bücher, die zum Zwecke des Reimports importiert werden, unterliegen ebenfalls dem Buchpreisbindungsgesetz. Das ist das entscheidende Kriterium. Natürlich mag es Fälle geben, in denen strittig ist, was zum Zwecke des Reimports exportiert wurde. Aufgrund dieser gesetzlichen Regelung aber wird verhindert, dass die Buchpreisbindung zum Beispiel über das Internet unterlaufen wird.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nun hat der Kollege Dr. Uwe Jens das Wort zu einer Frage.

Prof. Dr. Uwe Jens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, ich habe zwei Fragen. Vorab möchte ich aber einen Hinweis geben: Mit dem Argument, es schaffe mehr Transparenz, kann man natürlich jede Preisbindung rechtfertigen. Beim Buch geht es aber um ein besonderes Kulturgut, ebenso wie bei Verlagserzeugnissen insgesamt. Ich glaube, deshalb kann man die Preisbindung hier durchaus akzeptieren. Zu meiner ersten Frage. Seitens der EU sind Bußgelder gegenüber einigen Buchhändlern, aber auch gegenüber dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels angedroht worden. Meinen Sie, dass mit dieser Novellierung diese Bußgeldandrohungen vom Tisch sind? Meine zweite Frage: In welchen EU-Ländern gibt es denn Regelungen, die mit denen, die wir jetzt schaffen wollen, vergleichbar sind? Streben Sie auch an, das, was wir jetzt vorhaben, EU-weit zu vereinheitlichen?

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Die Frage war, ob das Buchpreisbindungsgesetz dazu führt, dass die jeweiligen Verfahren eingestellt werden. Es zeichnet sich ab, dass das Beschwerdeverfahren von Libro eingestellt wird. Das bedeutet aber nicht, dass alle Probleme mit dem Sammelrevers behoben wären: Deswegen kam es ja zu dem Vorschlag, dies durch ein nationales Preisbindungsgesetz zu klären. Ich denke, nach Erlass dieses Gesetzes können solche Probleme nicht mehr auftreten. Ihre zweite Frage bezog sich auf die EU-Länder, in denen vergleichbare Regelungen bestehen. Wir haben uns auch bei den gesetzlichen Formulierungen insbesondere an Frankreich und Österreich orientiert, wo die Situation vergleichbar ist. Aber es handelt sich hier auch um Belgien, Italien und andere Länder. Fragen Sie mich bitte nicht, um welche Länder es sich genau handelt. Ich habe nicht alle Namen im Kopf, sondern müsste sie nachsehen. Es gibt nämlich eine ganze Reihe weiterer EU-Mitgliedstaaten, in denen entsprechende Gesetze bestehen. Bei Belgien bin ich mir ganz sicher. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Fragesteller ist der Kollege Dr. Norbert Lammert.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001274, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsminister, Sie haben in Ihrer Einführung zutreffend darauf hingewiesen, dass dies ja nicht der erste Anlauf zur Sicherung der Buchpreisbindung ist. Hoffentlich ist es aber der letzte. Mir fallen in diesem Zusammenhang übrigens, abgesehen vom Bergbau, wenige Branchen ein, die sich über viele Jahrzehnte einer so stabilen staatlichen Flankierung eines ganz vitalen eigenen wirtschaftlichen Interesses erfreuen, wie dies für die Verlage und den Buchhandel aus Gründen, die wir hier jetzt nicht noch einmal austauschen müssen, der Fall ist. Dieser Sachverhalt aber bleibt auffällig und verdient gewiss auch festgehalten zu werden. Mich hat eine Bemerkung in einer Mitteilung zur Verbändeanhörung sensibilisiert - deswegen möchte ich Sie danach fragen -, die in Vorbereitung dieses Gesetzentwurfes stattgefunden hat. Dort wird darauf hingewiesen, dass es seitens der EU-Direktion Binnenmarkt Vorbehalte gegen einzelne Details der vorgesehenen Regelung grenzüberschreitender Verkäufe gebe. Wenn man die Leidensgeschichte dieses Anliegens in den vergangenen Jahren verfolgt hat, gehen hier sofort bestimmte Warnlampen an. Deswegen hätte ich gern gewusst, um welche Details es sich handelt, bei denen die zuständige Generaldirektion Vorbehalte angemerkt hat. Denn es wäre leider nicht das erste Mal, wenn sich aus zunächst vermeintlichen Details später Grundsatzprobleme ergäben, die dann eine Hürde markieren, die wiederum nur schwer genommen werden kann. Zwar hoffe ich dies ausdrücklich nicht, aber es ist der Gegenstand meiner ersten Frage. Meine zweite Frage betrifft den nationalen Entscheidungsprozess. Ich unterstelle, dass dieser Gesetzentwurf mit dem Ziel der Verabschiedung noch in dieser Legislaturperiode eingebracht worden ist, was wiederum auch die Mitwirkung der entsprechenden parlamentarischen Gremien voraussetzt. Deswegen möchte ich Sie gerne fragen, welches Gewicht die vorgetragenen Bedenken der Länder wegen der vorgesehenen Ordnungswidrigkeitsregelung in diesem Gesetzentwurf haben. Die Interessenlage der Länder leuchtet sofort ein; denn sie müssen diese Ordnungswidrigkeitsregelung im Zweifelsfall exekutieren. Vielleicht können Sie etwas dazu sagen, ob es sich hier um eine prinzipielle Frage oder auch um eine Detailfrage handelt.

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Zunächst antworte ich auf Ihre Frage, inwiefern die von Ihnen zitierten Äußerungen Grund zur Sorge sind, dass auch diese gesetzliche Regelung der Buchpreisbindung wieder von europäischer Seite unter Druck geraten kann. Nach meinem Wissensstand sind unterdessen die Formulierungen, die moniert worden sind, herausgenommen worden. Das heißt, dass der Gesetzentwurf, so wie er jetzt vorgelegt worden ist, nicht auf die gleichen Bedenken vonseiten der Europäischen Union trifft. In diesem Zusammenhang ist es vielleicht wichtig, darauf hinzuweisen, dass ein Bereich ausgenommen wurde. - Dies geschah auf Wunsch der Branche; es entsprach an sich nicht unserer Vorstellung. - Hierbei handelt es sich um den Bereich der Zeitungen und Zeitschriften, also der Presseerzeugnisse. Der Hauptgrund dafür ist nicht, dass es dort nicht etwa auch Preisbindungen gibt. Der Hauptgrund ist vielmehr, dass es zum Beispiel für wissenschaftliche Zeitschriften, die von deutschen Verlagen überwiegend in englischer Sprache vorgelegt werden und die sich an einem internationalen Markt orientieren müssen, der Spielräume bedarf, um dort bestehen zu können. Dies betrifft die Grenzüberschreitung in eine Richtung. Ich bin zuversichtlich, dass wir mit diesem Gesetzentwurf keine Probleme mit der Europäischen Union bekommen werden. Zur Frage nach der Beteiligung der Bundesländer: Wir haben jetzt ein ganz ordentliches Verfahren eingeleitet, das es uns - gerade noch, wie ich zugebe - auch ohne Paralleleinbringung, die wir wirklich nur zur Sicherheit getätigt haben, erlaubt, dieses Gesetz unter Berücksichtigung der Stellungnahmen des Bundesrates in der letzten Plenarwoche zu verabschieden. Von daher werden die Einwände der Länder sehr sorgfältig geprüft werden; ich kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt dazu aber noch nicht Stellung beziehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt ist die Kollegin Monika Griefahn mit ihrer Frage an der Reihe.

Dr. Monika Griefahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003136, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, am Beispiel des amerikanischen Spielfilms „E-Mail für dich“ wird sinnfällig, was es bedeutet, keine Buchpreisbindung zu haben. In diesem Film zwingt ein großer Buchladen mit sehr preisgünstigen Büchern eine kleine, nette Buchhandlung, in der man sich trifft und in der Lesungen stattfinden, zum Schließen, weil die Bürger nicht mehr in einen kleinen Laden gehen, wenn sie die Bücher nebenan billiger bekommen. Insofern war das, was Kollege Kubatschka gesagt hat, ganz wichtig. Auf dem flachen Land sind die Buchhandlungen Treffpunkte und Kommunikationsorte. Aber die Kommunikation in Form physischer Begegnung nimmt ab und mehr und mehr Leute bestellen per Internet. Sie haben eben auf eine Nachfrage etwas zum Internet gesagt. Dennoch stellt sich für mich die Frage, wie man verhindern kann, dass Leute über den Internethandel Bücher aus Ländern bestellen, in denen keine Buchpreisbindung besteht - ich nenne als Beispiel Amazon UK -, und dadurch eine Ordnungswidrigkeit begehen. Amazon ist, so weit ich weiß, einer der Läden, die weltweit schon Gewinne machen, was in einem guten Aktienkurs zum Ausdruck kommt. Von daher gibt es offensichtlich eine größere Nachfrage nach Internetbuchhandel. Ist eine Einschränkung möglich, wenn die Bestelladresse kein „de“ am Ende hat?

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Auch solche Internethändler sind dem Recht unterworfen. Entscheidend dabei ist, ob das Kriterium so gefasst ist, dass nicht am Ende etwa durch Internetangebote die Buchpreisbindung in Deutschland unterlaufen wird. Das Kriterium ist präzise: Bücher, die in Deutschland produziert werden und vom Verlag mit der entsprechenden Buchpreisbindung versehen sind, können von einem internationalen Internethändler dem deutschen Publikum nicht zu einem niedrigeren Preis verkauft werden. Das ist ausgeschlossen. Dann stellt sich die Frage, wie dies rechtlich durchsetzbar ist. Sie haben ja gesehen, dass die Auseinandersetzung mit Libro über die Grenzen ging. Innerhalb der Europäischen Union ist die Erzwingbarkeit notfalls über den Europäischen Gerichtshof in letzter Instanz gegeben. Was Angebote aus anderen Ländern angeht - ich weiß nicht, ob etwa Angebote aus China realistisch sind -, würde es sicherlich schwieriger werden. Aber das ist eine cura posterior, die uns jetzt keine Sorgen zu bereiten braucht. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Selbstverständlich.

Dr. Monika Griefahn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003136, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Der Fall von Libro war ziemlich eindeutig, weil Libro Internetbestellmöglichkeiten in Läden aufgebaut hat, also in Deutschland mit Büchern gehandelt hat. Wie wäre es aber dann, wenn nicht deutsche und nicht europäische Anbieter bzw. Anbieter aus Ländern ohne Buchpreisbindung solche Bücher auspackten und als modernes Antiquariat deklarierten? Wäre auch das zu unterbinden?

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Hier hilft keine Deklaration; das ist genauso geregelt. Die Verramschung wird von diesem Gesetz natürlich zugelassen. Man kann also nach einem gewissen Zeitablauf das Buch auf dem deutschen Markt billiger anbieten. Wenn ein Internethändler diese Möglichkeit nutzt, dann ist dies sein gutes Recht. Aber die anfängliche Buchpreisbindung kann er rechtskonform nicht unterlaufen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Gibt es weitere Fragen zu diesem Themenbereich? - Das ist nicht der Fall. Gibt es darüber hinaus noch Fragen an die Bundesregierung? Das ist auch nicht der Fall. Damit beende ich die Regierungsbefragung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 14/8554 Wir beginnen mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Edith Niehuis zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Klaus Haupt auf: Plant die Bundesregierung eine Änderung des Jugendschutzgesetzes dahin gehend, wie in der Presse, beispielsweise im „Spiegel“ 8/2002, Seite 72 ff., berichtet, und wann gedenkt die Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag die Beratung ihrer Vorstellungen zu ermöglichen? Bitte sehr, Frau Parlamentarische Staatssekretärin.

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Herr Kollege Haupt, wie die Bundesregierung schon in ihrer Antwort vom 22. Juni 2001 auf die Große Anfrage „Zukunft gestalten - Kinder und Jugendliche stärken“ dargelegt hat, verfolgt sie mit der Neuregelung des Jugendschutzgesetzes das Ziel, ein Gesetz zu schaffen, das den Kriterien Vereinfachung und Vereinheitlichung des Jugendschutzes, Rechtsklarheit für Wirtschaft und Eltern, Stärkung des Elternrechts sowie Stärkung der Selbstverantwortung der Wirtschaft Rechnung trägt. Insbesondere in der Antwort auf Frage 36 sind die wesentlichen Zielsetzungen, Maßnahmen und Schwerpunkte der in Aussicht genommenen Neuregelung unter Zusammenfassung der Gefährdungstatbestände und der medienrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit mit den Regelungen des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften und Medieninhalte aufgeführt. Des Weiteren hat die Bundesregierung in ihrer Antwort auf Frage 35 die rechtliche und tatsächliche Ausgangssituation im Einzelnen dargelegt sowie darauf hingewiesen, dass über die Neuregelung des Jugendmedienschutzes und den damit verbundenen Zuständigkeitsfragen Gespräche zwischen Bund und Ländern vorgesehen sind. Da die Gesetzgebungsmaßnahmen erst nach einem einvernehmlichen Abschluss dieser Gespräche angegangen werden können, kann bis heute kein Referentenentwurf eines entsprechenden Bundesgesetzes vorliegen. Im letzten Jahr hat die Bundesregierung Gespräche mit den Ländern aufgenommen, um die jeweils im Bereich des Jugendmedienschutzes zu treffenden Regelungen aufeinander abzustimmen. Eine einvernehmliche Vereinbarung konnte jedoch nicht wie ursprünglich vorgesehen auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 20. Dezember letzten Jahres erzielt werden, sodass Nachverhandlungen notwendig wurden. Die Beratungen des Bundes und der Länder konnten erst jetzt zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 8. März 2002 haben sich die Länder auf mit dem Bund zu vereinbarende Eckwerte einer Neuregelung geeinigt. So erfreulich die Einigung mit den Ländern auch ist, so hat die Verzögerung durch die erforderlichen Nachverhandlungen doch dazu geführt, dass die parlamentarische Beratung über ein Bundesgesetz, in dem diese Eckpunkte dann berücksichtigt sind, in dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr möglich ist. Wenn die Eckwerte zur Reform des Jugendmedienschutzes von der Bundesregierung auch formal beschlossen sind, wird die Bundesregierung den Deutschen Bundestag unverzüglich unterrichten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Haupt zu einer ersten Nachfrage, bitte.

Klaus Haupt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003140, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin Niehuis, nachdem in der Presse ein Teil der Novelle zum Jugendmedienschutz der Bevölkerung bereits präsentiert wurde, gibt es eine lebhafte Diskussion, in der auch ich als Politiker immer wieder gefragt werde. Ich habe mich über mein Büro bemüht, den Entwurf eines Gesetzes zum Jugendmedienschutz von Ihrem Haus zu bekommen. Das war nicht möglich. Die Auskunft lautete, es liege nichts vor. Mir ist es erst über den Umweg über die Presse gelungen, Informationen zu bekommen, die mich in die Lage versetzten, die Vorstellungen der Bundesregierung zu überprüfen. Warum wird in Ihrem Haus so verfahren? Diese Verfahrensweise hilft zum Beispiel mir, dem kinder- und jugendpolitischen Sprecher meiner Fraktion, wenig bei der Beantwortung der Frage - an mich sind sehr viele Fragen gerichtet worden -, wie ich zu der Problematik stehe, dass Jugendliche schon mit 14 Jahren - Sie kennen ja die Diskussion - in die Disco gehen dürfen.

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Die Bundesregierung hat nicht nur auf die Große Anfrage - darauf habe ich ja schon hingewiesen -, sondern auch auf die Fragen, die Ihr Kollege Guttmacher im letzten Februar zu diesem Thema gestellt hat, geantwortet. Nun ist es so, dass beim Jugendmedienschutz sowohl die Länder als auch der Bund zuständig sind. Erst am 8. März sind die Eckwerte, wie gesagt, verabschiedet worden. Sie müssen jetzt noch gegengezeichnet und vom Bundeskabinett verabschiedet werden. Insofern liegen diese Eckwerte bis heute offiziell nicht vor. Die Vereinbarung von Bund und Ländern zum Jugendmedienschutz hat sich nun einmal sehr lange hinausgezögert.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Haupt hat noch eine zweite Nachfrage. Bitte schön.

Klaus Haupt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003140, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, inzwischen werden die Fragen zum Jugendmedienschutz, die an mich gerichtet werden, zunehmend konkreter. Ich kann sie aber nicht beantworten, weil mir keine Details bekannt sind. Wenn nun von Ihrem Haus eine Regelung angedacht wird, nach der Jugendliche ab einem bestimmten Alter mit einem so genannten Erziehungsbeauftragten die Disco besuchen können, erhebt sich für mich die Frage: Wie ist das juristisch geregelt? Wer ist dieser Erziehungsbeauftragte? In welchem vertraglichen Verhältnis steht er? Noch viel dramatischer ist die Frage: Wie soll das später in der Praxis kontrolliert werden? Eine solche Regelung eröffnet ja im Prinzip die Möglichkeit, dass jeder über 18-Jährige alibimäßig als Begleitung dient.

Dr. Edith Niehuis (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001609

Sie zitieren jetzt mehr aus dem „Spiegel“, der ja darüber veröffentlicht hat. ({0}) - Darauf bezog sich jedenfalls die Ausgangsfrage. Zwischen den Kinder- und Jugendschutzbeauftragten aller Art, der Bundesregierung und auch Vertretern der Diskotheken wird schon seit langem eine Diskussion über die Discobesuche geführt. Die Jugendämter beklagen zum Teil, dass sie als Behörde mit Blick auf die Diskotheken wohl Anwesenheitsverbote, Zeitbegrenzungen und Altersbegrenzungen vorsehen können, dass ihnen die Gesetze zurzeit aber nicht ermöglichen, Auflagen zu erteilen. Die Praxis hat gezeigt - viele wissen das -, dass sich auch 14- bis 16-Jährige - Gesetz hin oder her - hin und wieder in Diskotheken aufhalten. So entstand eine Diskussion in der Öffentlichkeit, an der sich gerade auch Kinder- und Jugendschutzbeauftragte beteiligt haben. Wie Sie wissen, hat sich der Kinderschutzbund positiv dazu geäußert. In der Diskussion geht es darum, ob man auf der einen Seite mit dem Gesetz der Praxis ein wenig näher kommen sollte, sodass auch 14- bis 16-Jährige bis 23 Uhr eine Disco besuchen dürfen, und ob man auf der anderen Seite die Möglichkeiten der Behörden, Auflagen zu erteilen, verbessern sollte. Tanzveranstaltungen als solche sind ja noch nicht besonders jugendgefährdend - das müssen Sie zugeben -; erst dann, wenn es dabei Alkoholausschank oder Drogenhandel gibt, werden sie jugendgefährdend. Nun ist um diese Überlegung, die zwischen Bund und Ländern gar keine Rolle spielte, die aber in dem Artikel im „Spiegel“ eine große Rolle spielte, eine Riesendiskussion in der Öffentlichkeit entstanden. Wenn Sie mich fragen, dann antworte ich: Ich begrüße außerordentlich, dass die Öffentlichkeit über die folgenden Fragen diskutiert: Wie ist das Leben der Jugendlichen heute? Wie stark ist der gesetzliche Jugendschutz? Wie stark müssen Eltern in dieser Republik sein, um zu Hause etwas freundschaftlich zu regeln, ohne auf den Gesetzgeber zu gucken? Ist es überhaupt sinnvoll, dass junge Leute zwischen 14 und 16 Jahren bis 23 Uhr eine Disco besuchen können? Die Dauer der Verhandlungen, die wir geführt haben, hat zum Ergebnis, dass in diesem Jahr weder ein Medienstaatsvertrag seitens der Länder noch neue bundesgesetzliche Regelungen, die sich auf den Jugendschutz in der Öffentlichkeit beziehen, auf den Weg gebracht werden können. Insofern findet diese Diskussion im leeren Raum statt. Sie ist aber, wie ich finde, sehr fruchtbar. Ich habe viele Briefe, positive und auch negative, bekommen. Für meine Begriffe ist es erfreulich, dass das Gegenstand der Diskussion wurde. Aber ob es überhaupt in irgendeiner Weise zu einer gesetzlichen Fixierung kommt, wird erst die nächste Legislaturperiode zeigen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Danke, Frau Staatssekretärin. Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie - das sind die Fragen 2 und 3 - werden schriftlich beantwortet. Somit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Zur Beantwortung steht der Herr Parlamentarische Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung. Ich rufe die Frage 4 des Abgeordneten Albert Deß auf: Ist der Bundesregierung bekannt, welche Mengen an Weizen seit dem 1. Oktober 2001 bis Ende Februar 2002 aus den osteuropäischen Staaten insbesondere über die Donau nach Bayern transportiert wurden, und, wenn ja, um welche Mengen handelt es sich dabei? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Sehr geehrter Herr Kollege Deß, genaue statistische Informationen über die Einfuhr von Getreide aus Osteuropa nach Bayern im Zeitraum Oktober 2001 bis Februar 2002 liegen nur für die Monate Oktober und November 2001 vor. Danach wurden von Bayern insgesamt rund 7 800 Tonnen Getreide aus osteuropäischen Ländern importiert. Der Handel schätzt die Einfuhr von Getreide aus osteuropäischen Staaten nach Bayern für den gesamten Zeitraum Oktober 2001 bis Februar 2002 auf maximal 20 000 Tonnen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Deß, Ihre erste Nachfrage, bitte.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Dr. Thalheim, Ihnen ist sicherlich bekannt, dass es am Markt momentan große Schwierigkeiten gibt. Was hat die Bundesregierung dagegen unternommen, dass die Kommission in Brüssel die Abschöpfung bei Getreideimporten im letzten Quartal 2001 um 20 DM je Tonne gesenkt hat? Dies ist eine der Ursachen, warum die Importe von Weizen in die EU so billig sind. Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Kollege Deß, wir teilen nicht die Einschätzung, dass es sich um „große Schwierigkeiten“ handelt. Ich möchte an dieser Stelle lieber nur von Schwierigkeiten sprechen. Die Schwierigkeiten haben verschiedene Gründe. Zum einen sind die Ernteerträge in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sehr ungleich: schlechte Ernte im Süden, relativ gute Ernte im Norden. Damit einher geht ein Überangebot. Auch was die Qualitäten anbelangt, ist das Angebot unterschiedlich, sodass am Markt zurzeit teilweise Überhänge vorhanden sind. Je nach Qualität fallen diese Überhänge unterschiedlich aus: Beim Weizen sind es weniger, bei Futtergetreide eher mehr. Der Grund, warum es bei den Zöllen eine Änderung gab, ist einfach: In der Vergangenheit wurden erhöhte Zölle wegen niedriger Exportkosten erhoben. Die Kommission ist der Meinung, dass es mittlerweile zu einer Annäherung der Exportkosten der Beitrittsländer, insbesondere der südosteuropäischen Länder, gekommen ist und dass sich höhere Zölle vor diesem Hintergrund nicht mehr rechtfertigen lassen. Wir wollen - das ist eine andere politische Frage - den Beitritt. Ich denke hier insbesondere an die Ausführungen des bayerischen Ministerpräsidenten. Vor diesem Hintergrund sind höhere Zölle für die Beitrittsländer, insbesondere für Ungarn als eines der Lieferländer, überhaupt nicht gerechtfertigt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die zweite Nachfrage des Kollegen Deß, bitte.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Dr. Thalheim, ich freue mich, dass Sie dem bayerischen Ministerpräsidenten so aufmerksam zuhören. Ich war gestern bei einer Diskussion der Bauwirtschaft. Vonseiten der Gewerkschaften ist dort gefordert worden, dass nach dem Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder mindestens siebenjährige, besser noch zehnjährige Übergangsfristen für die Arbeitnehmer gelten sollten. Ist die Bundesregierung bereit, im Vorfeld der Osterweiterung auch der Landwirtschaft einen gewissen Mindestschutz zuzubilligen und deshalb in Brüssel dafür einzutreten, dass solche Importabschöpfungen auf Getreide aufgrund der aktuellen Marktlage wieder erhoben werden? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Die Haltung der Bundesregierung ist gerade in diesem Bereich ganz anders. Wir sind für den freien Marktzugang. Im Übrigen habe ich in meiner Antwort auf Ihre erste Frage angedeutet, dass das auch die Haltung der Bayerischen Staatsregierung ist. In diesem Zusammenhang möchte ich die Zusagen gegenüber dem ungarischen Ministerpräsidenten Orbán erwähnen. Darüber hinaus weise ich darauf hin, dass insbesondere bayerische Bauern von den niedrigen Importpreisen profitiert haben. Natürlich gibt es auf diesem Gebiet eine unterschiedliche Interessenlage: Auf der einen Seite stehen die Interessen derjenigen, die Getreide verkaufen wollen, auf der anderen Seite die Interessen derjenigen, die billige Futtermittel einkaufen wollen. Es sind insbesondere bayerische Schweinemäster in den Genuss der niedrigen Getreidepreise gekommen. Die Interessenlage auf diesem Gebiet ist also sehr unterschiedlich. Es ist in keiner Weise angemessen, einen Zusammenhang zur Arbeitnehmerfreizügigkeit herzustellen; er wäre sachlich nicht zu begründen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir bleiben beim Thema Weizen. Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Deß auf: Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, um dem aktuellen Verfall der Getreidepreise und den Absatzschwierigkeiten, insbesondere bei Weizen, entgegenzuwirken? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Die Erzeugerpreise von Weizen lagen zu Beginn des Wirtschaftsjahres nur geringfügig unter denen des Vorjahres. Seitdem sind sie um knapp 5 Prozent gestiegen. Derzeit liegen sie um etwa 15 Prozent über dem Interventionspreis. Insofern kann von einem Verfall der Weizenpreise nicht gesprochen werden. Auf dem Binnenmarkt ist der Absatz von Weizen stabil. Dass es im Verlauf des Wirtschaftsjahres zu sinkenden Exporten kommen werde, war bereits zu Beginn der Kampagne offensichtlich. Wegen der schlechten Ernte in Teilen der Gemeinschaft ist das Angebot an Weizen deutlich zurückgegangen. Nach letzen Informationen der EUKommission steht in diesem Wirtschaftsjahr lediglich ein um rund 5 Millionen Tonnen geringeres Exportpotenzial als im Vorjahr zur Verfügung. Bisher beläuft sich der Rückgang der Ausfuhren an Weichweizen gegenüber dem Vorjahr auf rund 4,5 Millionen Tonnen. Gleichzeitig sind die Interventionsbestände an Weichweizen im Verlauf dieses Wirtschaftsjahres um rund 430 000 Tonnen abgebaut worden. Bei Absatzschwierigkeiten wäre der Interventionsbestand angestiegen. Die Bundesregierung setzt sich im Verwaltungsausschuss Getreide dafür ein, die Regeln für die Ausfuhr von Getreide zu vereinfachen. Ein kompliziertes Lizenzsystem, hohe Kautionen bei der Beantragung einer Exportlizenz sowie nicht immer marktkonforme Lizenzlaufzeiten können den Export zumindest teilweise behindern. Darüber hinaus hält die Bundesregierung keine weiteren Maßnahmen für erforderlich.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Deß zu einer Nachfrage, bitte.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie wissen sicher, dass bei den letzten GATT-Verhandlungen für Getreide in Europa ein Schutzpreis von 36,49 DM festgelegt worden ist. Ich weiß, dass es sich hierbei um einen theoretischen Wert handelt. Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass in Europa die Getreidepreise weit unter denen liegen, die bei den letzten GATT-Verhandlungen festgeschrieben wurden? Dr. Gerald Thalheim, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft: Die Europäische Union wurde in der Vergangenheit dafür kritisiert, dass mit erheblichen öffentlichen Geldern der Export gestützt wurde und damit Weltmarktpreise verzerrt wurden. Wir freuen uns darüber, dass wir jetzt ohne Hilfen exportieren können und nicht mehr dem Vorwurf ausgesetzt sind, mit von Steuergeldern finanzierten Exportsubventionen den internationalen Markt zu verzerren. Von den 12 Millionen Tonnen, die im vergangenen Jahr exportiert worden sind, sind allein 10 Millionen ohne Exporthilfen exportiert worden. Das zeigt, wie erfolgreich die Politik der EU-Kommission in diesem Feld gewesen ist. Von der Bundesregierung wird sie an dieser Stelle ausdrücklich unterstützt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt gibt es noch eine Nachfrage vom Kollegen Deß.

Albert Deß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000376, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Thalheim, Sie sprachen davon, dass der Getreidepreis stabil sei. Wie können Sie es ethisch verantworten, dass momentan ein Landwirt, wenn er den Weizen verbrennen würde, eine höhere Wertschöpfung hätte, als wenn er diesen Weizen zum Müller bringt? ({0})

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Das ist letztendlich keine ethische Frage. Es geht hier vielmehr darum, zu welchem Preis international Weizen produziert wird. Von dem niedrigen Getreidepreis profitieren gerade die Länder mit hoher Bevölkerungszahl, die Nahrungsmittel für die Versorgung ihrer Bevölkerung importieren müssen. Die Fortschritte, die wir bei der Hungerbekämpfung erzielt haben, resultieren zum Teil auch aus diesen niedrigen Preisen, sodass ich darin ethisch nichts Verwerfliches erkennen kann, dass Leute, die wenig Geld haben, sehr billig Getreide auf den Weltmärkten einkaufen können. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir sind damit am Ende dieses Geschäftsbereichs. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich setze jetzt einmal voraus, dass auch Sie es zulassen, dass ganz unkonventionell eine Frage vorgezogen wird, weil der Parlamentarische Staatssekretär Fritz Rudolf Körper zu einem dringenden Termin muss und sein Geschäftsbereich heute sowieso nur mit einer mündlich zu beantwortenden Frage vertreten ist. - Wir kommen damit also zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen 30 und 31 werden schriftlich beantwortet. Jetzt rufe ich die Frage 32 des Kollegen Nolting auf: Wann plant die Bundesregierung angesichts der Äußerungen des Bundeskanzlers, Gerhard Schröder, vom 9. März 2002 in Magdeburg, die Ostbesoldung an die Westbesoldung anzupassen, und erachtet sie Sonderregelungen für Soldaten und Zivilbeschäftigte der Bundeswehr für möglich?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Frau Präsidentin, herzlichen Dank für das Verständnis. Ich antworte wie folgt: Seit der Herstellung der deutschen Einheit ist es Praxis, die von den Tarifvertragsparteien für den öffentlichen Dienst getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich der Bemessungssätze in den neuen Bundesländern inhalts- und zeitgleich auf die Beamtenbesoldung zu übertragen. Es gibt keine Veranlassung, diese bewährte Praxis zu verändern. Dabei scheiden Sonderregelungen für einzelne Beschäftigtengruppen, zum Beispiel nur für die Beamtinnen und Beamten oder nur für einzelne Bereiche wie Soldaten oder Bundesbedienstete, aus. Wie bisher muss diese Frage für den gesamten öffentlichen Dienst einheitlich gelöst werden. Die Laufzeit der jetzt gültigen Vereinbarung endet am 31. Dezember 2002. Die Bundesregierung, Herr Kollege, geht davon aus, dass die Frage weiterer Anpassungsschritte während der nächsten Tarifverhandlungen eingehend erörtert wird.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Nolting, zu einer ersten Nachfrage, bitte.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich hatte eine ganz konkrete Frage gestellt. ({0}) Ich bitte darum, dass Sie diese beantworten. Der Bundeskanzler hat am 9. März dieses Jahres in Magdeburg erklärt, dass die Ostbesoldung innerhalb weniger Jahre an die Westbesoldung angepasst werden solle. Ich beziehe mich hier, weil ich Mitglied im Verteidigungsausschuss bin, ausdrücklich auch auf die Soldaten und die Zivilbeschäftigten der Bundeswehr. Es gibt dazu Anträge der FDP, ({1}) die zum Inhalt haben, die Ostbesoldung an die Westbesoldung anzupassen. Ich möchte Sie wirklich bitten, heute hier deutlich zu erklären, ob das, was der Bundeskanzler am 9. März angekündigt hat, in den nächsten Jahren von der Regierung umgesetzt wird.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Nolting, ich muss Sie korrigieren. Der Bundeskanzler hat das nicht am 9. März, sondern am 10. März in Magdeburg gesagt. ({0}) Ich zitiere: Ein Thema beschäftigt hier die Menschen seit der Einheit und das ist das Thema des unterschiedlichen Lohnniveaus zwischen West- und Ostdeutschland. Ich finde, die Menschen beschäftigt dieses Thema zu Recht. Denn auf Dauer ist es nicht möglich und fair, diese Unterschiede aufrechtzuerhalten. Einerseits gilt, Lohnanpassung muss im Einklang mit Produktivität geschehen, damit wettbewerbsfähige Arbeitsplätze nicht verschwinden. Andererseits ist es eine berechtigte Erwartung der Menschen im Osten, dass sich die Schere bei den Tariflöhnen schließt. Absehbar muss der Grundsatz „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ auch durchgesetzt werden können. Das derzeitige Tarifsystem und der Tarifvertrag im öffentlichen Dienst laufen - das habe ich vorhin schon gesagt Ende 2002 aus. Wo wir Politiker handeln können, im öffentlichen Dienst nämlich, hat Reinhard Höppner einen Vorschlag gemacht, der die vollständige Angleichung der Tarife ermöglicht. Sein Vorschlag, den ich ausdrücklich unterstütze, sieht vor, die Tarife im Osten bis 2007 schrittweise auf 100 Prozent anzuheben, und zwar für den gesamten Tarifbereich. Das ist ein Angebot an die Gewerkschaften, insbesondere an Verdi, über die Lohnangleichung mit uns in diesem Sinne fair zu verhandeln. Ich brauche dem nichts hinzuzufügen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es sieht nach einer zweiten Nachfrage aus.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, ich stelle noch einmal fest, dass Sie meine Frage nicht beantworten. Ich bin gerne bereit, eine weitere Frage zu stellen, Fritz Rudolf Körper, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Machen Sie das.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

- und bitte Sie, sie konkret zu beantworten. Sie können davon ausgehen, dass ich das veröffentlichen werde.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Sie können das veröffentlichen.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Das ist keine Drohung, sondern eine Ankündigung. Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass gerade die Soldaten und die Zivilbeschäftigten der Bundeswehr in einem besonderen Dienstverhältnis stehen und Sie als Bundesregierung die Möglichkeit haben, eine sehr schnelle Angleichung der Besoldung herbeizuführen? Und sind Sie auf der Grundlage dessen, was Sie gerade noch einmal vorgelesen haben, nicht mit mir der Meinung, dass Sie dann auch die Anträge der FDP unterstützen sollten, um stufenweise zu einer Angleichung zu kommen? ({0})

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege Nolting, ich glaube, Sie haben vorhin bei meiner Antwort nicht richtig zugehört; denn Ihre Kritik, dass ich Ihre Frage nicht konkret beantwortet hätte, ist nicht berechtigt. Ich habe beispielsweise ausdrücklich gesagt: Dabei scheiden Sonderregelungen für einzelne Beschäftigtengruppen, zum Beispiel nur für die Beamtinnen und Beamten oder nur für einzelne Bereiche wie Soldaten oder Bundesbedienstete, aus. Ich habe Ihnen mit dem Zitat des Bundeskanzlers den Lösungsweg aufgezeigt. Ebenso habe ich Ihnen aufgezeigt, wie wir uns die Zeitschiene vorstellen. Ich glaube, dem ist in der Tat nichts Konkreteres hinzuzufügen; es beantwortet Ihre Fragen ganz klar. Wir werden Ihrem Antrag dementsprechend nicht zustimmen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt gibt es weitere Nachfragen, zuerst vom Kollegen Niebel, dann vom Kollegen von Klaeden.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, dass Sie nicht zustimmen wollen, ist schade. Ihre Aussage ist nur zum Teil richtig. Wir haben besondere Besoldungsordnungen für unterschiedliche Berufsgruppen, zum Beispiel die Besoldungsordnung C für wissenschaftliche Beschäftigte und die Besoldungsordnung R für Justizbedienstete. Was spricht eigentlich dagegen, aufgrund des besonderen Dienstverhältnisses, das Soldatinnen und Soldaten haben, in einer neu zu schaffenden Besoldungsordnung S - „S“ für Soldaten - die Angleichung der Besoldung zwischen Ost und West zu regeln, ({0}) und das vor allem vor dem Hintergrund, dass in dem Unterausschuss des Verteidigungsausschusses, der sich mit Fragen der Streitkräfte in den neuen Bundesländern beschäftigt - Frau Staatssekretärin ist anwesend ({1}) - die habe ich schon gestellt; Sie haben nicht zugehört, Herr Kollege -, alle Fraktionen für eine Besoldungsordnung S für den Fall plädiert haben, dass die Verbände nichts dagegen haben? ({2}) Uns ist bekannt, dass der Bundeswehrverband mittlerweile nichts mehr dagegen hat, eine eigene Besoldungsordnung S analog zu denen für Richter und Staatsanwälte oder Hochschulpersonal einzuführen.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Lieber Herr Kollege Niebel, Sie kennen meine Wertschätzung für Sie. ({0}) Aber trotzdem muss ich sagen: Was Sie mich gerade gefragt haben, war nicht Gegenstand der Frage Ihres Kollegen. ({1}) Ihr Kollege hat mich beispielsweise nach der Anpassung der Besoldung gefragt. Er stellte diese Frage auch im Hinblick auf das, was der Bundeskanzler am 9. März in Magdeburg gesagt hat. Ich habe Ihrem Kollegen eine klare Antwort darauf gegeben. ({2}) Ich habe gesagt, wie ein entsprechendes Verfahren aussehen könnte, wie die Zeitschiene ist und welcher der Beteiligten daran mitwirken muss. Ich glaube, dass man diese Frage nicht klarer beantworten kann. Eine gänzlich andere Frage ist die nach einer neuen Besoldungsordnung für Soldatinnen und Soldaten. Danach bin ich von dem Kollegen Nolting nicht gefragt worden. ({3}) Man kann zwar über alles diskutieren. Aber ob dies der richtige Weg ist, stelle ich anheim. ({4})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt gibt es noch eine Nachfrage des Kollegen von Klaeden. Bitte. ({0})

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte nicht, wie es der Kollege Lippelt gerade angeregt hat, eine neue Besoldungsgruppe vorschlagen. Angesichts des langen Zitats - es wurde auf die Vorschläge von Herrn Höppner Bezug genommen - möchte ich zur Klarstellung fragen: Kann ich davon ausgehen, dass die Angleichung auch die Bundesbediensteten und die Soldatinnen und Soldaten mit einbezieht? Können Sie diese Frage mit Ja beantworten?

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Herr Kollege von Klaeden, Sie haben meine Antwort richtig verstanden. Ich bin froh, dass Sie aufgepasst haben. Ich kann auf Ihre Frage schlicht und einfach mit Ja antworten.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke sehr. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Datumsfrage wollen wir jetzt nicht mehr diskutieren.

Fritz Rudolf Körper (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001162

Das ist von mir richtig gestellt worden, Frau Präsidentin.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kehren zur normalen Reihenfolge der Geschäftsbereiche zurück und kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfügung. Ich rufe die Frage 6 des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke auf: Trifft es zu, dass die Einheit des Kommandos Spezialkräfte, KSK, der Bundeswehr, wie im „Spiegel“ 11/2002 vom 11. März 2002, S. 175, berichtet, „nach Taliban-Kämpfern und al-QaidaKriegern jagt“?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich hoffe, Sie sind auch dann großzügig, wenn es darum geht, dass ich im Haushaltsausschuss vor dem Innenminister an die Reihe kommen kann. Ich möchte die Frage folgendermaßen beantworten: Herr Kollege Gehrcke, die deutschen Spezialkräfte werden entsprechend dem Bundestagsmandat vom 16. November 2001 eingesetzt. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Gehrcke, eine erste Nachfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Parlamentarische Staatssekretärin, ich ahnte Ihre Antwort auf meine Frage. Wenn ich mich nicht täusche, dann ist es so, dass sibyllinisch von Sibylle kommt. ({0}) Können Sie sich vorstellen, warum sich der afghanische Übergangspräsident Karsai am 15. März vor den Kolleginnen und Kollegen des Auswärtigen Ausschusses, des Verteidigungs- und des Entwicklungsausschusses ausdrücklich dafür bedankt hat, dass deutsche Soldaten auch an den letzten Tagen mit amerikanischen und afghanischen Soldaten zusammen in Afghanistan gekämpft haben? Es muss also mehr dahinter stecken.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Vielen Dank für Ihre Frage. In dem Mandat des Parlamentes, dem Sie leider nicht, dem aber das Parlament mit großer Mehrheit zugestimmt hat, ist ausdrücklich Folgendes enthalten: Dazu beteiligt sich die Bundeswehr an der Operation „Enduring Freedom“. Diese Operation hat zum Ziel, Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und vor Gericht zu stellen sowie Dritte dauerhaft von der Unterstützung terroristischer Aktivitäten abzuhalten. Deutsche bewaffnete Streitkräfte tragen dazu mit ihren Fähigkeiten bei. Der Beitrag schließt auch Leistungen zum Zweck humanitärer Hilfe ein. Ich füge hinzu: aber nicht nur.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zweite Nachfrage, Herr Kollege Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich versuche es einmal andersherum. Sie haben dankenswerterweise das Mandat verlesen. Ich habe nie verstanden, warum der Auftraggeber und die Öffentlichkeit nicht den Inhalt des Auftrages kennen soll. Im Anschluss an Ihre Antwort möchte ich Sie fragen, ob deutsche Soldaten die Aktivitäten, die Sie vorgelesen haben, praktisch durchgeführt haben.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Sie wissen ganz genau, dass ich zu diesem sensiblen Bereich des Einsatzes der Spezialkräfte in der Öffentlichkeit außerordentlich zurückhaltend bin. Die Zahl der davon betroffenen Soldaten ist überschaubar. Aber was im Rahmen dieses Auftrages geschieht, ist nicht nur humanitäre Hilfe.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der Kollege Carsten Hübner hat eine Nachfrage.

Carsten Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003154, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie die Frage, warum die Bundesregierung auch in diesem Fall wieder, in dem es letztlich um eine Frage geht, die mit den aus meiner Sicht durchaus berechtigten Sicherheitsinteressen der Soldaten und ihrer Familien gar nichts zu tun hat, an einer Informationspolitik festhält, die völlig unvergleichbar ist mit den Standards aller anderen an diesen Einsätzen beteiligten Nationen? Sie können jeden Abend zum Beispiel in Berichten auf CNN - ich weiß nicht, ob Sie sich das angucken - unter anderem InterEckart von Klaeden views mit eingesetzten amerikanischen Elitesoldaten sehen, Sie erfahren die Zahlen gefangen genommener Talibankämpfer, die Zahl von Getöteten und anderes. Das alles ist aus internationalen Medien in Erfahrung zu bringen und Quellen sind die für die Einsätze verantwortlichen Militärs. Nur seitens der Bundesregierung wird selbst bei Kleinigkeiten in einer Art und Weise gemauert, als befänden wir uns hier in einer Art Geheimdiensteinsatz. Mir ist das völlig unerklärlich.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Lieber Herr Kollege Hübner, nun kenne ich nicht nur CNN, sondern bin für die Bundesrepublik Deutschland immerhin acht Jahre Sprecherin der deutschen Sozialdemokraten bei den NATO-Parlamentariern gewesen. Ich kenne daher sehr gut die Handhabung der Vereinigten Staaten von Nordamerika in diesen Dingen. Ich weiß, was sie in der Öffentlichkeit und in den Medien vertreten und was sie nur guten Freunden sagen. Das finde ich im Interesse der Einsatzstrategie auch völlig richtig. Ich kenne auch die Briten, die Franzosen und andere Nationen. Deswegen teile ich Ihre Meinung nicht. Ich halte es auch für richtig und völlig verständlich, dass wir während einer solchen Aufgabe den Gremien, die das ja sehr wohl bekommen - dafür gibt es die Geheimhaltungsstufe „streng geheim“ -, Auskunft und Information geben. Nach einer abgeschlossenen Aktion werden wir sicherlich auch der Öffentlichkeit entsprechend Rechenschaft geben. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre es in meinen Augen noch nicht verantwortbar.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Nolting.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, könnten Sie den Kolleginnen und Kollegen der PDS übermitteln, dass es heute im Verteidigungsausschuss eine umfassende Information gegeben hat? Es war übrigens bekannt, dass diese Information gegeben werden sollte, aber an der gesamten Sitzung des Verteidigungsausschusses, von heute Morgen bis heute Mittag, hat kein Vertreter der PDS teilgenommen. Dort hätte man die Fragen stellen können. ({0}) Würden Sie das bitte übermitteln?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich bin Ihnen außerordentlich dankbar und ich lasse mich für diese Botendienste - wir haben ja schon einmal die Griechen erwähnt - sehr gern an Ihrer Stelle einsetzen. Das tue ich für die FDP außerordentlich gern. Ich muss aber zur Ehre von Frau Lippmann sagen, dass sie sich bei mir entschuldigt hat. Ich glaube, sie ist krank. Sie hat mir gesagt, dass sie Fragen hatte. Ich vermute, dass diese kleine Fraktion ähnliche Probleme hat wie Sie ab und zu, Herr Nolting, dass man nämlich nicht überall gleichzeitig sein kann. ({0}) - Aber er saß gleichzeitig im Auswärtigen Ausschuss. Ich habe ihn getroffen; ich war nämlich schon ab 8 Uhr mit im Unterausschuss. ({1}) Ich will hier nicht die anderen Vertreter entschuldigen, aber ich bin in diesem Fall gern Ihre Botin.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich schlage vor, dass wir wieder zur fachpolitischen Debatte zurückkehren. Der Kollege Lippelt ist der nächste Fragesteller.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Staatssekretärin, darf ich Ihnen en passant sagen, dass im Auswärtigen Ausschuss heute auch eine sehr ausführliche Unterrichtung stattgefunden hat, an der der Kollege Gehrcke teilgenommem hat? Die Kenntnisse hat also auch die PDS. Meine Frage ist aber: Erinnere ich mich richtig daran, dass bei den Diskussionen über die Zurverfügungstellung deutscher Truppen alle Seiten dieses Hauses - vielleicht mit Ausnahme der PDS, aber die wollte ja ohnehin dagegen stimmen - immer betont haben, dass das eigentlich Gefährliche das Entsenden der 100 KSK-Leute ist, und dass wir uns deshalb darüber verständigt hatten, weitere Informationen, zum Beispiel hinsichtlich der genauen Einsatzart, höchstens in internen Informationen zu geben, aber nicht zum Gegenstand öffentlicher Erörterung zu machen, da dies die Leute gefährden würde? Oder ist meine Erinnerung falsch, dass wir genau dies im Zusammenhang mit den 100 KSK-Kräften immer gesagt haben? Denn sonst kann ich die Diskussion, wie sie vonseiten der PDS geführt wird, wirklich nicht verstehen.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Lippelt, ich will nicht untersuchen, welche Aktionen darüber hinaus gefährlich sind; denn schließlich handelt es sich dieses Mal um einen sehr gefährlichen Gegner, der wohl zu allen Mitteln greifen wird. Aber da ganz klar ist, dass die Zahl der Soldaten, die für diese Spezialkräfte infrage kommen, sehr eingegrenzt ist, können wir nur mit Bedauern feststellen, wie viele Informationen weitergegeben werden. Wir als Parlamentarier, die wir mit der Zustimmung zu diesem Einsatz auch Verantwortung für die Menschen übernommen haben, werden gut beraten sein, dies in der Öffentlichkeit nicht so darzustellen. Dafür haben wir die Ausschüsse und dafür haben wir Gremien, an denen nicht jeder teilnehmen kann. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt rufe ich die Frage 7 des Kollegen Carsten Hübner auf: Welchem Kommando unterstehen die KSK-Einheiten bei gemeinsamen Operationen mit militärischen Verbänden anderer Nationen in Afghanistan?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Hübner, Soldaten des Kommandos Spezialkräfte unterstehen bei gemeinsamen Operationen mit militärischen Verbänden anderer Staaten dem mit der Führung der Operation beauftragten taktischen Führungsstab. Doch jeder konkrete Einsatz deutscher Spezialkräfte wird vor Beginn der spezifischen Operation durch die Bundesregierung freigegeben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Hübner bitte zur Nachfrage.

Carsten Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003154, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Können Sie mir sagen - ohne in ein Detail zu gehen, das die Sicherheit unserer Soldaten bei künftigen Operationen möglicherweise gefährden könnte -, wer bei den letzten Operationen das Kommando hatte?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das ist öffentlich: Das ist ein amerikanischer Offizier. Dieser trägt die Verantwortung für den gesamten Bereich. Das ist doch völlig klar; „Enduring Freedom“ wird von den Amerikanern geführt.

Carsten Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003154, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ist mir eine zweite Nachfrage gestattet?

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die sei gestattet.

Carsten Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003154, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Wenn bei diesen Operationen amerikanisches Kommando vorherrscht und es bisher amerikanische Praxis war, zumindest einen Teil der bei solchen Operationen festgenommenen Gegner - al-Qaida- und Taliban-Kämpfer - nach Guantanamo zu überführen: Halten Sie es für denkbar, dass unter denjenigen, die nach Guantanamo überführt worden sind, auch Personen waren, die im Rahmen des deutschen Anteils an diesen Operationen festgenommen worden sind?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das betrifft Ihre zweite Frage, Herr Kollege.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Verstehe ich das richtig, dass Sie bereits jetzt die Antwort auf die nächste Frage geben wollen? - Dann muss ich zunächst die Frage 8 des Kollegen Carsten Hübner aufrufen: Kann die Bundesregierung die Aussage der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister der Verteidigung, Brigitte Schulte, auf meine dringliche Frage 7 in der Fragestunde vom 27. Februar 2002, Plenarprotokoll 14/220, Seite 21 827, weiterhin bestätigen, dass bislang beim Bundeswehreinsatz im Rahmen der Operation „Enduring Freedom“ keine Gefangenen gemacht und auch nicht an andere Staaten überstellt wurden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

In aller Deutlichkeit: Ich habe keinen Grund, meine Aussage vom 27. Februar 2002 zu korrigieren. Deutsche Spezialkräfte haben keine Gefangenen gemacht und auch nicht an andere Staaten überstellt. Dies wäre vom Auftrag der dort eingesetzten Soldaten her - deshalb habe ich Ihnen diesen vorgelesen zwar grundsätzlich möglich, aber wir haben momentan keinerlei Veranlassung, Ihnen Derartiges zu bestätigen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Somit hat der Kollege Hübner die Möglichkeit, zwei weitere Nachfragen zu stellen.

Carsten Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003154, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Ich habe noch eine Frage zu den konkreten Abläufen der Entscheidungsfindung im Rahmen der Operation. Als Mitglied dieses Hauses, das nicht gedient hat, würde ich gerne wissen, wie die Koordination zwischen den eingesetzten Truppenteilen, dem taktischen Führungsstab und den jeweiligen Regierungen - vor allem angesichts der Dynamik, die bestimmte Aktivitäten entwickeln - ganz praktisch stattfindet.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich habe ernsthaft nicht vor, Ihnen diese Form des Nachhilfeunterrichts zu geben. Selbst wenn man nicht Mitglied des Verteidigungsausschusses ist, könnte man sich als deutscher Parlamentarier, der sich dafür interessiert, in dieser Hinsicht etwas kundiger machen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine weitere Nachfrage, Herr Kollege Hübner?

Carsten Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003154, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Nein, Frau Präsidentin.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nun hat Kollege Niebel eine Nachfrage.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, bestünde die Möglichkeit, den Kollegen Hübner zu einer Wehrübung für nicht gediente Abgeordnete einzuladen, bei der man all das, wonach Kollege Hübner gefragt hat, lernen kann?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Nur wenn ihm erfahrene Mentoren wie Sie, die gedient haben, zur Seite gestellt werden. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bewerbungen werden nicht von uns angenommen. Nun hat Kollege Gehrcke eine Nachfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Parlamentarische Staatssekretärin, nachdem die Fragestunde einwandfrei ergeben hat, dass ich nicht geklont worden bin und daher nicht an den beiden genannten Ausschüssen zeitgleich teilnehmen konnte - ich bedanke mich für Ihre Haltung dazu -, habe ich eine ernsthafte Nachfrage zur gesamten Informationspolitik der Bundesregierung. Ich möchte Sie fragen, ob Sie nicht der Auffassung sind, dass wir es vermeiden sollten, hinsichtlich der Abgeordneten ein Zweiklassenrecht einzuführen. Ich finde es selbstverständlich, dass die Mitglieder bestimmter Ausschüsse weitergehende, als geheim eingestufte Informationen erhalten. Aber aus meiner Sicht müssten grundsätzliche Informationen - die Bundesregierung sollte hier zustimmen - an die Gesamtheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages im Rahmen des Plenums weitergegeben werden. Ich habe gestern mit außerordentlichem Vergnügen den offenen Brief der Kollegen der CDU/CSU-Spitze gelesen. ({0}) - Von der FDP wusste ich nicht. - Die Art und Weise der Informationspolitik der Bundesregierung löst bei der Bevölkerung großes Misstrauen aus. Was die Rechte der Abgeordneten angeht, möchte ich Sie fragen, ob dieses Misstrauen denn tatsächlich im Sinne der Bundesregierung ist. ({1})

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich muss Ihnen jetzt etwas sehr Ernsthaftes sagen: Wir als Abgeordnete sind gewählt worden, um auch schwierige Aufgaben zu lösen. Dafür ist ein Mandat erteilt. Dieses Mandat begründet die Tatsache, dass es so genannte geschlossene Ausschüsse gibt. Vor Ihnen steht jemand, der weiß Gott lange genug als ordentliches Mitglied in einem solchen Ausschuss tätig gewesen ist. Das bedeutet, dass nicht jede Diskussion auch in der Öffentlichkeit geführt werden sollte, schon gar nicht dann, wenn es um Bundeswehreinsätze geht. Bei dieser Auffassung bleiben wir; denn der Einsatz der Truppen ist überschaubar. Das erteilte Mandat bedeutet darüber hinaus, Rechenschaft abzulegen. Unsere Fraktion - auch andere haben das getan - hat sich an das Verfassungsgericht gewandt, um die Rechte des Parlaments zu stärken. Dies haben wir im Vorfeld der Diskussion erreicht; am kommenden Freitag werden wir die Geltungsdauer eines Bundeswehrmandats verlängern. Ich kann Ihnen nur sagen: Ich sehe keine Defizite. Ich kann nicht beurteilen, ob sich die Fraktionsspitzen - es geht ja wohl um die Union und die FDP - in den Gesprächen, an denen ich nicht teilgenommen habe, ausreichend informiert fühlten. Ich bemühe mich sehr, das Parlament ausdrücklich auch über die nicht öffentlichen Geschehnisse korrekt zu unterrichten. Das setzt umgekehrt voraus, dass das Parlament bestimmte Dinge nicht in der Öffentlichkeit austrägt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Frage 9 der Abgeordneten Heidi Lippmann wird schriftlich beantwortet. Deshalb kommen wir jetzt zur Frage 10 des Abgeordneten Günther Friedrich Nolting: Wie ist der gegenwärtige Sachstand beim Informationstechnikkonzept Herkules im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung und welche Auswirkungen hat die Gründung privatwirtschaftlicher IT-Gesellschaften auf die Bundeswehrbediensteten, die gegenwärtig im IT-Bereich der Bundeswehr beschäftigt sind?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Nolting, die ITGesellschaften sollen als Joint Venture zwischen der Bundeswehr und den im Rahmen des Herkules-Wettbewerbs zu ermittelnden industriellen Partnern bzw. einem Partnerkonsortium gegründet werden. Das Vergabeverfahren wurde am 28. Juni 2001 mit der europaweiten Veröffentlichung des Teilnahmewettbewerbs gestartet. Sieben Bieterkonsortien gaben bis zum 30. Juli 2001 fristgerecht Teilnahmeanträge ab. Vier Bieterkonsortien erfüllten die Voraussetzung für die weitere Teilnahme am Verfahren. Am 4. September 2001 wurden die zuvor von Minister Scharping gebilligten Ausschreibungsunterlagen an diese vier Bieter übergeben. Zum Ende der Angebotsphase gaben zwei Bieterkonsortien frist- und formgerecht Angebotsunterlagen ab. Beide Angebote wurden als verhandlungsfähig beurteilt. Auf dieser Basis wird seit dem 11. März 2002 mit beiden Bietern verhandelt. Was die Frage bezüglich der Mitarbeiter betrifft: Die bisher von der Bundeswehr wahrgenommenen Aufgaben sind auch zukünftig mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundeswehr abzudecken, die diese Aufgaben zum Zeitpunkt der Gründung der privatwirtschaftlichen IT-Gesellschaften wahrgenommen haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Nolting zu einer Nachfrage.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, haben beide Konsortien eine Garantie gegeben, die Mitarbeiter zu übernehmen? Wie haben sich die Konsortien zur Beteiligung mittelständischer Unternehmen geäußert?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Nolting, dies sind Fragen, die noch zu klären sind. Natürlich sollen sie so wirtschaftlich wie möglich handeln. Wir wollen ihnen auch einen gewissen Freiraum geben, vor allen Dingen wenn wir dem privaten Anbieterkonsortium die Mehrheit übertragen würden. Unser Interesse ist - dies ist so auch ausgeschrieben worden -, dass mittelständische Unternehmen beteiligt werden. Unser Interesse ist aber auch, dass unsere Mitarbeiter, die bislang in diesem Bereich tätig waren, eine Chance bekommen. Sie wissen aber selbst, wie schnell der technische Fortschritt auf diesem Gebiet voranschreitet. Wer sich am Ende daran beteiligen kann und welche unserer Mitarbeiter weiter beschäftigt werden, hängt natürlich vom Abschluss der Verhandlungen ab. Ich gehe davon aus, dass mittelständische Subunternehmer beteiligt werden, dass Aufträge auch speziell an diese vergeben werden. Ich gehe auch davon aus, dass die Mehrheit unserer Mitarbeiter eine Chance hat, dort mitzuarbeiten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nachfrage Nummer zwei, bitte.

Günther Friedrich Nolting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001622, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, ich habe eine Frage zum IT-Netzwerk: Plant die Bundesregierung ein eigenständiges, bundeswehrinternes IT-Netzwerk und können beide Konsortien zusichern, ein eigenständiges IT-Netzwerk herzustellen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Habe ich nicht eben gesagt, dass wir noch in den Verhandlungen sind? ({0}) Ich sehe, dass Sie über einige Dinge gut informiert sind. Es muss noch entschieden werden. ({1}) - Ja, aber dies ist eine Frage der Entscheidung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt die Frage 11 des Abgeordneten Dr. Michael Luther auf: Kann die Bundesregierung die Information des MDR-Inforadios vom 1. März 2002, dass nach dem Jahresbericht 2001 des Beauftragten für Erziehung und Ausbildung beim Generalinspekteur der Bundeswehr die Kreiswehrersatzämter bei der Rekrutierung von Wehrdienstleistenden den „Bodensatz der Gesellschaft“ einkaufen, bestätigen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Dr. Luther, die Bundesregierung kann diese Information des MDR-Inforadios vom 1. März 2002 überhaupt nicht bestätigen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Dazu gibt es natürlich eine Nachfrage. Bitte, Herr Kollege Luther.

Dr. Michael Luther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, dies überrascht mich natürlich etwas. Ich habe mich bei der Redaktion kundig gemacht. Dieser liegt der Jahresbericht 2001 des Beauftragten für Erziehung und Ausbildung beim Generalinspekteur vor. Ich selber kenne ihn leider nicht. Er ist offensichtlich vertraulich. Man hat aber daraus zitiert, und zwar, dass die Kreiswehrersatzämter den „Bodensatz der Gesellschaft“ einkaufen würden. Wenn Sie sagen, dies stehe darin nicht, würde ich Sie bitten, mir diesen Bericht zukommen zu lassen oder mich ihn einsehen zu lassen, damit ich mich davon überzeugen kann. Sehen Sie dazu eine Möglichkeit?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Dr. Luther, der Beauftragte hat in dem Bericht Gespräche mit Soldaten wiedergegeben. Nicht nur ich war über die angesprochene Aussage sehr verwundert bis entsetzt. Darüber hinaus hat die Abteilung Wehrbereichsverwaltung im BMVg ihn gebeten, die Einheiten bzw. Kommandeure zu nennen, die eine solche Behauptung aufgestellt haben. Das ist bis heute nicht geschehen. Ich fand es erschütternd, dieses Zitat in dem Bericht zu lesen. Darin zeigt sich eine menschenverachtende Haltung. Im Rahmen der Beantwortung der nächsten Frage werde ich erläutern, dass dies überhaupt nicht zutreffen kann. Wir möchten wissen, welche Kreiswehrersatzämter möglicherweise kritisiert werden. Dazu muss gesagt werden, wo diese Leute anzutreffen sind, wenn dies so wäre. An der Beantwortung dieser Fragen wird noch gearbeitet. Wir haben noch keine Antwort darauf.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Luther, bitte.

Dr. Michael Luther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine zweite Nachfrage: Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass in dem Bericht tatsächlich solche Äußerungen stehen? Offenbar habe ich Sie am Anfang falsch verstanden.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Der Beauftragte für Erziehung und Ausbildung beruft sich auf Aussagen von Soldaten, mit denen er gesprochen hat. Er führt eine große Zahl von Besprechungen durch. Dies ist auch seine Aufgabe. In diesem Zusammenhang ist ihm gegenüber das, was Sie zitiert haben, geäußert worden. Dieses Zitat hat uns erschüttert. In dem Bericht heißt es sogar auch noch: „Quote statt Qualität“. Ich war übrigens gestern bei Werbeaktionen in Brandenburg. Ich kann dies alles nicht bestätigen. Wir haben dazu gesagt: Hier wird ein schwerer Vorwurf erhoben. Daher möchten wir gern wissen, auf welche Kreiswehrersatzämter sich diese Beurteilung bezieht. Zusätzlich möchten wir gerne wissen, ob das vielleicht die Einberufungspraxis eines speziellen Kreiswehrersatzamtes ist. Man muss auch wissen, welche Verbände diese Erfahrungen gemacht haben. Bis zum heutigen Tag haben wir darauf keine Antworten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege von Klaeden.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist es richtig, dass die angesprochene Aussage Bestandteil des Berichtes ist?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Es ist ein Zitat. Das bedeutet aber nicht, dass sich der Beauftragte dieses zu Eigen macht.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das habe ich auch nicht behauptet. ({0}) - Herr Kollege Zumkley, das habe ich mit meiner Frage überhaupt nicht unterstellt. ({1}) - Nein, das ist nicht wahr. - Meine Frage ist lediglich, ob dieses Zitat - ich bin ausdrücklich bereit, von einem Zitat und nicht von einer Aussage zu sprechen - Bestandteil des Berichtes ist.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich glaube, dass ich das vorhin nicht geleugnet habe. Wir kennen den Bericht und das, was in der Öffentlichkeit inzwischen bekannt geworden ist. Ich teile den Bericht in der Form überhaupt nicht. Ich glaube, das habe ich auch hier schon deutlich genug gesagt. Das Zitat ist in dem Bericht übernommen worden. Ich glaube, dass dieser inzwischen auch den Kolleginnen und Kollegen vorliegt. Wir sind der Auffassung: Das ist in unserer Gesellschaft völlig unpassend. Es handelt sich, wenn man von „Bodensatz“ spricht, um eine Diffamierung von Menschen. Das entspricht in keiner Weise dem Führungsverhalten, das wir erwarten. Man könnte Freiwillige, die ungeeignet sind, nämlich auch zurückschicken. Ich meine, dass wir alle - als Parlament - eine solche Aussage nicht billigen können. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine Zusatzfrage des Kollegen Jörg van Essen.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, Sie stimmen mir sicherlich zu, dass der Bericht davon lebt, dass authentische Äußerungen der Truppe auch an die Spitze des Hauses gelangen, weil sie nur auf diese Weise einen Blick dafür bekommt, wie in der Truppe tatsächlich gedacht wird. Ich bin deshalb außerordentlich erschrocken und frage Sie, weil jetzt nachgeforscht wird, wer bestimmte kritische Äußerungen abgegeben hat: Haben Sie nicht das Gefühl, dass Sie damit diese wichtige Quelle kritischer Informationen verstopfen, weil all diejenigen, die das mitbekommen, in Zukunft Angst haben, dass sie gegebenenfalls zur Rechenschaft gezogen werden oder sonstige dienstliche Nachteile zu erwarten haben? Dieses Ergebnis würde ich jedenfalls für katastrophal halten.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Die Freiheit der Meinungsäußerung sollte nicht dazu führen, dass Leute sagen, dass bei den Kreiswehrersatzämtern eher „der Bodensatz der Gesellschaft“ eingekauft wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Liberaler akzeptiert, dass vom „Bodensatz der Gesellschaft“ gesprochen wird. ({0}) - Wer so etwas aufschreibt, muss sich auch gefallen lassen, dass nachgefragt wird. Diese Form des Umgangs billige ich bei den Streitkräften nicht. Das hat mit Menschenführung überhaupt nichts zu tun. Wer so etwas sagt, muss auch dazu stehen. Das gilt vor allen Dingen, wenn es sich um einen Soldaten handelt, der offensichtlich Untergebene beurteilt und damit auch eine Meinung zu diesen Soldaten abgibt. Es kann sich ja nur um einen Ausbilder oder einen Vorgesetzten handeln. Das ist nicht meine Vorstellung von der Bundeswehr. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt noch eine Zusatzfrage, und zwar des Kollegen Dirk Niebel.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, selbstverständlich kann sich kein Liberaler mit dieser Äußerung zufrieden geben. Ich möchte einmal nachfragen, ob Sie nicht zumindest die Gefahr befürchten, dass die Bereitschaft der Soldatinnen und Soldaten, ungeschminkt ihre Meinungen kundzutun, die auch für politische Entscheidungen irgendwann einmal wichtig sein könnten, dadurch eingeschränkt wird, dass nachgeforscht wird, wo die Quelle dieser Äußerung liegt.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege, ich werde gleich die zweite Frage des Kollegen Luther beantworten. Dann werden Sie sehen, dass es nicht den geringsten Grund für diese Ausführungen gibt. Es ist schon erschütternd, dass jemand, der Führungsfunktionen übernommen hat, das von sich gibt. ({0}) - Ich werde sie im Rahmen meiner Antwort auf die zweite Frage des Kollegen Luther ebenfalls beantworten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe die Frage 12 des Kollegen Dr. Michael Luther auf: Welche Schul- und Berufsabschlüsse bzw. welche anderen oder weiterführenden Graduierungen haben die Wehrdienstleistenden beim Eintritt in die Bundeswehr?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Luther, die Schulbildung der im Jahre 2001 zum Grundwehrdienst einschließlich freiwilligem zusätzlichen Wehrdienst einberufenen Wehrpflichtigen stellt sich wie folgt dar: Sonderschulabschluss: 953 oder 0,8 Prozent, Hauptschule ohne Abschluss: 5 131 oder 4,1 Prozent, Hauptschule mit Abschluss: 33 027 oder 26,3 Prozent, mittlere Reife: 49 272 oder 39,2 Prozent, Abitur oder Fachhochschulreife: 37 144 oder 29,5 Prozent, abgeschlossene Fachhochschul- oder Universitätsausbildung: 150 oder 0,1 Prozent. Das heißt, von den im Jahr 2001 insgesamt eingezogenen Grundwehrdienstleistenden einschließlich der zusätzlich freiwillig Wehrdienstleistenden - das ergibt eine Summe von 125 708 - haben mehr als zwei Drittel entweder mittlere Reife, Abitur bzw. Fachhochschulreife oder eine darüber hinausgehende Ausbildung. Deswegen verstehen Sie sicherlich, dass ich mich angesichts dieser Zahlen über das Zitat sehr gewundert habe.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Luther, Ihre erste Nachfrage bitte.

Dr. Michael Luther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, mein Problem ist, dass nur diese eine Aussage veröffentlicht worden ist. Wenn man diesen Bericht liest, muss man zu dem Ergebnis kommen, dass diese Aussage der Wahrheit entspricht. Wäre es nicht besser gewesen, dass diesem Bericht Ihre Aussage - es ist sehr wichtig, dass sie in die Öffentlichkeit gelangt - hinzugefügt wird? Dadurch würde dieser einzelnen Aussage eine andere gegenübergestellt, sodass es insgesamt zu einem Bild kommt, das der Öffentlichkeit vermittelt werden kann. Dieser Bericht ist zwar an und für sich vertraulich, aber Sie sehen, dass in unserer Gesellschaft alles offen und jede Information zugänglich ist. Ich habe diese Aussage von einem Bürger mitgeteilt bekommen.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Dr. Luther, ich teile Ihre Meinung. Gerade weil man damit rechnen muss, dass selbst interne Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, muss man als Verantwortlicher darauf achten, in welchem Kontext diese Information steht. Da ein solches aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat mit Recht zu einer Anfrage bei Ihnen führt, habe ich Ihnen auf diese Frage so ausführlich geantwortet. Deswegen ist es auch meine Meinung, dass es richtig ist, nachzufragen, wer so etwas entgegen unseren Zahlen behauptet. Abgesehen davon entspricht es weder meinem noch Ihrem noch dem Menschenbild anderer Kollegen, vom „Bodensatz der Gesellschaft“ zu sprechen. Es ist richtig: Ein Beauftragter, der eine solche Formulierung aufnimmt, muss daran denken, dass sie sich verselbstständigt. Ich denke, er würde es sich gut überlegen, bevor er so etwas ein zweites Mal aufschreibt. Auch ich war überrascht, als ich das las, und kann es nicht verstehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Luther, Ihre zweite Nachfrage.

Dr. Michael Luther (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001398, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da sich Bürger diesbezüglich bei mir gemeldet hatten und ich ihnen gerne das Ergebnis der ganzen Bemühungen mitteilen möchte, Sie aber gesagt haben, Sie seien noch bei der Untersuchung des Sachverhaltes: Sind Sie bereit, mich zu gegebener Zeit darüber zu informieren, welche Maßnahmen ergriffen worden sind?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

In diesem Fall bin ich weniger streng. Wenn man von einer solchen Sache erfährt, will man wissen, ob sie stimmt. Es kann sein, dass in einem Kreiswehrersatzamt eine Auswahl getroffen worden ist, die wir nicht nachvollziehen können, was ich mir aber nicht vorstellen kann. Auch kann es passieren, dass ein Vorgesetzter solche Erfahrungen gemacht hat. Das sollte man nicht in der Öffentlichkeit verbreiten. Das gehört zur Menschenführung. Es einfach stehen zu lassen und als Zitat aufzunehmen, verlangt in diesem Fall, die Grundlagen einzusehen. Ich bin gerne bereit, Ihnen in einem persönlichen Gespräch etwas dazu zu sagen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt noch eine Nachfrage vom Kollegen Zumkley.

Peter Zumkley (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002608, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, teilen Sie meine Auffassung, dass subjektive Meinungsäußerungen nicht immer der Wirklichkeit entsprechen und dass es sehr problematisch sein kann, daraus Rückschlüsse zu ziehen? Teilen Sie weiterhin meine Auffassung, dass durch die Durchstechereien und Indiskretionen des Berichtes des Beauftragten für Erziehung und Ausbildung das Vertrauensverhältnis, das zwischen den befragten Soldaten und dem Beauftragten für Erziehung und Ausbildung besteht, für weitere Berichte empfindlich gestört worden ist und dass wir alles tun müssen, solche Durchstechereien auch bei uns zu verhindern, indem wir diese Berichte nicht als „Hehlerware“ für die eigene politische Auseinandersetzung benutzen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Kollege Zumkley, Ihre Meinung teile ich ausdrücklich. Aber ich bin realistisch genug, zu erkennen, dass solche Informationen doch das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Deswegen sollte ein Verantwortlicher bei der Wahl solcher Aussagen - ich beginne bei demjenigen, der dies gesagt hat - sehr behutsam sein, weil dies eine menschliche Einschätzung ist. Derjenige, der das aufschreibt, muss wissen, dass sich so etwas verselbstständigt. Deswegen haben wir uns um den „Staatsbürger in Uniform“ bemüht, deswegen haben wir das System der inneren Führung eingeführt. Ich wünsche mir, dass man mit solchen Dingen etwas behutsamer umgeht.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr von Klaeden, bitte.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, um den Beauftragten für Erziehung und Ausbildung beim Generalinspekteur in Schutz zu nehmen, möchte ich fragen: Sind Sie tatsächlich der Ansicht, dass der Verfasser eines internen Berichts bei dessen Veröffentlichung mit einem nicht rechtmäßigen Vorgang rechnen muss? Ich teile ausdrücklich die Sorge des Kollegen van Essen, dass es sich auf die Qualität des Berichtes auswirken würde - das, was Kollege Zumkley gesagt hat, zugestanden -, wenn jeder, der einen internen, vertraulichen Bericht verfasst, damit rechnen muss, dass dieser veröffentlicht wird. Dieser Eindruck entstand bei mir angesichts Ihrer Antwort. In diesem Fall wäre die Qualität der Berichte nicht mehr gegeben und man könnte nichts mehr mit ihnen anfangen.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Meine Vorstellung ist, dass solche Sätze in einem solchen Bericht nicht stehen dürfen; das sage ich mit aller Deutlichkeit. Meine Vorstellung ist umgekehrt, dass wir, was das Instrument der Offenheit betrifft, uns bestimmten Spielregeln unterwerfen. Das ist meine Vorstellung von einem Menschenbild in dieser Gesellschaft. Ansonsten bin ich relativ gelassen. Wenn man erfährt, dass es keinen Hintergrund für die zitierte Bewertung gibt, sondern dass es eine Rede aus dem Bauch war, dann soll richtig gestellt werden, dass es eine Rede aus dem Bauch war. Dann ist das Thema erledigt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege van Essen hat das Wort zu einer Nachfrage.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, ich kann mich an eine Äußerung von Ihnen erinnern, als Sie noch Oppositionsabgeordnete waren, wonach wir mehr Generale mit Mut bräuchten. Teilen Sie meine Auffassung, dass wir froh sein können, dass es Generale wie General Löchel gibt, der den Mut hat, kritische Dinge an die Führung heranzutragen? Ich persönlich würde mir mehr dieser Generale wünschen.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich bin ausdrücklich für Generale mit Mut, und zwar auch heute noch. Ich würde die Arbeit von Herrn Löchel nicht nach diesem Zitat beurteilen. Ich bin aber der Meinung, dass jemand, der mit Erziehung und Ausbildung zu tun hat, behutsam darauf zu achten hat, was er sagt. Er ist nicht sakrosant. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Frage 13 des Kollegen Hans Raidel wird schriftlich beantwortet. Ich rufe nun die Frage 14 des Kollegen Werner Siemann auf: Wie viele Offiziere und Unteroffiziere - bitte Dienstgrade getrennt aufführen - erfüllen die formalen Voraussetzungen für eine vorzeitige Zurruhesetzung und wie viele von diesen sind in den vergangenen Wochen angeschrieben worden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Siemann, in der Laufzeit des Gesetzes - bis zum Ende des Jahres 2006 erfüllen rund 15 200 Offiziere und Unteroffiziere die formalen Voraussetzungen für eine vorzeitige Zurruhesetzung. Davon sind in den letzten Wochen 9 125 Soldaten angeschrieben worden, die zu dem Personenkreis gehören, aus dem in den Jahren 2002 und 2003 vorzeitige Zurruhesetzungen stattfinden können. Die übrigen Soldaten sollen jahrgangsweise in den folgenden Jahren angeschrieben werden. Die Aufteilung auf die Dienstgrade und Stellung der Soldaten stellt sich mit Stand vom 13. März 2002 wie folgt dar: Von den infrage kommenden Soldaten sind 4 638 Soldaten des Truppendienstes, 1 842 Offiziere des militärfachlichen Dienstes und 2 645 Berufsunteroffiziere befragt worden. Das ergibt zusammen die Zahl von 9 125 Soldaten. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe nun die Frage 15 des Kollegen Werner Siemann auf: Wie viele der angeschriebenen Soldaten haben derzeit kein Interesse bzw. haben ihr grundsätzliches Interesse an einer vorzeitigen Zurruhesetzung bekundet, verzichten aber auf die Einhaltung der Frist von drei Monaten zwischen der Entscheidung und der Beendigung ihres Dienstverhältnisses, und welche Erwägungen, neben der der dienstlichen Abkömmlichkeit, werden in die Prüfung, ob eine vorzeitige Zurruhesetzung erfolgen kann, mit einbezogen? Herr Kollege Siemann, Sie haben dann viermal die Möglichkeit zu einer Nachfrage.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Rund 96 Prozent der angeschriebenen Soldaten haben geantwortet. 3 678 zeigten kein Interesse. 5 051 prüfen für sich eine vorzeitige Zurruhesetzung. Gründe für eine vorzeitige Zurruhesetzung können nur militärische Belange sein, zum Beispiel die Auflösung eines Verbandes. Persönliche Wünsche nach einer vorzeitigen Zurruhesetzung können im Einklang mit den dienstlichen Belangen und der persönlichen Situation Berücksichtigung finden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zu einer ersten Zusatzfrage der Kollege Siemann, bitte.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist die Hardthöhe über den vielfach vorgetragenen Wunsch - der Anteil beträgt mehr als 50 Prozent -, vorzeitig aus dem Dienst entlassen zu werden, überrascht?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Nein. Die Betreffenden haben uns geantwortet, dass sie die vorzeitige Zurruhesetzung für sich prüfen lassen. Letztlich wird es von den Bedingungen abhängen. Damit ist nicht gesagt, dass die Soldaten alle gehen wollen. Wenn ein Verband aufgelöst wird - Sie wissen, wie viele Verbände aufgelöst werden -, lassen die Soldaten das für sich prüfen und sagen: Es kommt darauf an, was ihr in der Zukunft mit mir vorhabt. - Ich halte das für einen völlig normalen Vorgang.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Haben Sie einen Überblick über die Qualifikationen derjenigen, die pensioniert werden wollen? Handelt es sich bei ihnen um die besser Qualifizierten? ({0})

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Ich war schon im Bundestag, als es den berühmten „goldenen Handschlag“ von Herrn Wörner gab. Damals haben wir eine heftige Diskussion darüber geführt, ob alle, die den Wunsch haben, gehen können, wenn es die Belange erlauben, bzw. je nachdem, wie es sich in militärischer Hinsicht ergibt. Seinerzeit hat es beides gegeben, wie es auch jetzt beides gibt: Es gibt Leute mit einer hervorragenden Qualifikation, die sich ausrechnen können, dass sie noch eine andere Aufgabe wahrnehmen können, und es gibt sicherlich auch Leute, die sich sagen: Ich habe dem Vaterland lange genug gedient; jetzt bin ich ganz froh, wenn ich Ruhe bekomme. Die Frage kann aus dieser Sicht nicht beantwortet werden. Ich würde das auch nicht empfehlen; man sollte vielmehr darauf achten, welche Belange zu berücksichtigen sind.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie beurteilt die Bundesregierung die folgende Antwort auf den Wunsch eines angeschriebenen Soldaten, der einer vorzeitigen Zurruhesetzung zugestimmt hat - ich zitiere -: Eine abschließende Klärung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt leider noch nicht möglich. Ich werde mich erneut, gegebenenfalls erst in den nächsten Jahren, an Sie wenden, sobald sich an diesem Sachverhalt etwas geändert hat. Inwiefern soll Ihrer Meinung nach auf dieser Grundlage die oft beschworene Planungssicherheit für Soldaten gelten?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Die Planungssicherheit, zu günstigen Bedingungen vorzeitig in den Ruhestand gehen zu können, können wir angesichts der finanziellen Lage natürlich nicht jedem bieten. Das würde auch nicht nur für die Soldaten gelten, sondern es gibt eine bestimmte Quote, die sich an den genannten Bedingungen orientieren muss. Insoweit ist die Antwort völlig korrekt.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es ist also in der Tat so, dass Sie den Leuten, die Interesse haben zu gehen, schreiben: In den nächsten Jahren melden wir uns wieder?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Nein, das ist nicht der Fall. Darin stimme ich Ihnen zu. Das zeigen Sie mir nachher bitte einmal.

Werner Siemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003236, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich lasse Ihnen das Schreiben zukommen. Dann können Sie das überprüfen.

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Das gehört sich nämlich wirklich nicht. Da bin ich Ihrer Meinung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der Dialog hat in Eigenregie geklappt. Es gibt noch eine Nachfrage des Kollegen Zumkley.

Peter Zumkley (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002608, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, können Sie bestätigen, dass das Personalamt der Bundeswehr durchaus froh darüber war, dass sich mindestens 3 000 oder sogar mehr Personen bereit erklärt haben, vorzeitig in den Ruhestand zu treten? Denn es gab Befürchtungen, dass die Zahl nicht erreicht wird. Können Sie bestätigen, dass zur Umsetzung der Bundeswehrreform eine solche vorzeitige Zurruhesetzung, die im öffentlichen Dienst insgesamt systemwidrig ist, sehr positiv zu bewerten und auch notwendig ist?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Zumkley, ich darf Sie daran erinnern, dass die Länder zum Teil ebenfalls so etwas möchten und dass der Bund dies bislang abgelehnt hat. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Initiative von Nordrhein-Westfalen und anderen. Es ist in der Tat eine besondere Situation. Für die Soldaten besteht bekanntlich hinsichtlich der Zahlen eine nicht geeignete Schichtung. In der Vergangenheit sind Menschen gegangen, die wir gern noch länger behalten hätten. Andere sind geblieben, weil ihre Perspektiven im Zivilberuf schlechter geworden wären. Ich halte das für zweischneidig. Auf der einen Seite halte ich es für gut, dass es Leute gibt, die sich auch noch etwas anderes vorstellen können. Auf der anderen Seite halte ich die Entscheidung darüber, wen wir gehen lassen und wen nicht, dann aber für schwieriger. Hätten sich weniger gemeldet, hätte man mit Ausnahme von Einzelfällen, bei denen wir auf keinen Fall wollen, dass sie gehen, dem Wunsch nachkommen können. Bei der jetzt bestehenden Entscheidungsmöglichkeit wird sicherlich der eine oder andere fragen, warum wir ihn nicht gehen lassen; er könne bei seiner Frau im Geschäft einsteigen oder Ähnliches. Es hat also alles zwei Seiten. Ich halte es auf jeden Fall für positiv, dass die Soldaten geantwortet haben und eine vorzeitige Zurruhesetzung für sich prüfen lassen wollen - mehr können wir ihnen im Moment schließlich nicht anbieten -, sodass wir eine Auswahl treffen können. Das ist für uns wichtig.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Danke schön, Frau Staatsekretärin. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Stephan Hilsberg zur Verfügung. Die Fragen 16 und 17 werden schriftlich beanwortet. Ich rufe jetzt die Frage 18 des Kollegen Eduard Lintner auf: Wie wird die Ankündigung des Bundeskanzlers, Gerhard Schröder, dass die Schienenneubaustrecke von Nürnberg über Bamberg nach Erfurt jetzt gebaut werden soll - vergleiche „Süddeutsche Zeitung“ vom 13. März 2002 -, konkret in die Tat umgesetzt und wann soll mit dem Weiterbau begonnen werden?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Sehr geehrter Herr Kollege Lintner, aufgrund der Aufhebung des Baustopps durch Bundeskanzler Gerhard Schröder besteht nunmehr die Möglichkeit, die Hochgeschwindigkeitsstrecke von Berlin nach Nürnberg unter Einsatz der in den nächsten Jahren zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel für die Schienenwege des Bundes zu bauen. Die hierzu erforderlichen Abstimmungen zum konkreten Ablauf des Weiterbaus werden derzeit mit der Deutschen Bahn AG herbeigeführt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Erste Nachfrage. Bitte, Herr Kollege Lintner.

Eduard Lintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001351, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Hilsberg, sind Sie mit mir der Meinung, dass die bloße Ankündigung des Bundeskanzlers noch keinen Stein bewegt, sondern dass dazu die notwendigen Mittel bereitgestellt und die Planungen vorangetrieben werden müssen? Wann sind Mittel zum Weiterbau konkret eingeplant?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Sehr geehrter Herr Lintner, mit unserem Zukunftsprogramm „Mobilität“, das vom Kabinett Anfang März verabschiedet wurde und ein umfangreiches Investitionsvorhaben für dieses Jahrzehnt - der Schwerpunkt wurde auf die neuen Länder gelegt - vorsieht, besteht Finanzierungssicherheit für einige neue Projekte, die, wie die Projekte VDE 8.1 und 8.2 in Rede gestanden haben. Für Projekte VDE 8.1 und 8.2 ist 1999 ein Baustopp verhängt worden. Dafür gab es mehrere Gründe. Zum einen musste das Projekt aufgrund veränderter Verkehrsprognosezahlen neu untersucht werden. Dies ist geschehen. Zum anderen konnte angesichts der desolaten Finanzsituation des Bundes, welche nicht unsere Regierung, sondern die Vorgängerregierung zu verantworten hatte, das große VDE-Projekt Hochgeschwindigkeitsstrecke nicht finanziert werden. Eine Konsolidierung des Haushalts war dringend notwendig. In den letzten beiden Jahren wurde sie erfolgreich in Angriff genommen. Dadurch besteht der Finanzierungsengpass für die Hochgeschwindigkeitsstrecke nun nicht mehr. Zwangsläufig - das liegt in der Logik der Sache - ist der Baustopp für dieses Projekt nach positiven Untersuchungsergebnissen durch den Bundeskanzler selbst aufgehoben worden. Dies war die wichtigste Voraussetzung, um jetzt alle Maßnahmen, die rein technischer Natur sind, so schnell wie möglich einzuleiten. Wir haben umgehend mit den Vorbereitungen begonnen, um dieses Bauprojekt wieder in Angriff nehmen zu können. Im Übrigen darf ich Sie über ein Detail informieren: Es gibt bereits eine ganze Reihe von Baumaßnahmen. Dabei handelt es sich um Kreuzungsmaßnahmen und um Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des Baurechts. Sie können also schon feststellen, dass derzeit an dem Hochgeschwindigkeitsprojekt gearbeitet wird.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Nachfrage.

Eduard Lintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001351, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Hilsberg, bedeutet das konkret, dass die Einwände, die gegen die Fortführung dieser Schnellbahnstrecke erhoben worden sind - sie waren in erster Linie nicht finanzieller Natur; sie liefen vielmehr darauf hinaus, dass es verkehrspolitisch sinnvoller sei, die Strecke entlang dem Saaletal auszubauen -, nicht mehr erhoben werden, und zwar von keiner Koalitionspartei?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Das heißt konkret, dass diese Einwände einer Überprüfung unterzogen wurden. Im Rahmen dieser Überprüfung kam man zu dem Ergebnis, dass die vorliegende Trassenführung im Rahmen der Projekte VDE 8.1 und von 8.2 die beste ist. Im Übrigen besteht für diese Trasse, abgesehen von Abschnitten der Ausbaustrecke nördlich von Nürnberg, Baurecht. Das Planfeststellungsverfahren ist durchgeführt worden. Von daher gibt es gegen die Fortsetzung der Baumaßnahmen rechtlich gesehen keinen Einwand.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Michelbach hat eine Nachfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatsekretär, erlauben Sie mir eine Zusatzfrage. Sie sagen, dass der Konsolidierungsweg beschritten worden sei und der Finanzierungsengpass überwunden sei. Steht diese Aussage nicht in völligem Widerspruch zu der Zusage, die der Bundesfinanzminister der EU-Kommission gegenüber machen musste, damit Deutschland keinen blauen Brief bekam, nämlich bis zum Jahr 2004 40 Milliarden Euro einzusparen und so die Defizitquote zu senken? Das passt doch nicht zusammen.

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Sehr geehrter Herr Michelbach, wie Sie wissen, gehört unser Bundesfinanzminister dem Kabinett an. Der Beschluss zum Zukunftsinvestitionsprogramm „Mobilität“, das mit über 90 Milliarden Euro ausgestattet ist, ist unter seinem Mitwirken zustande gekommen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe nun die Frage 19 des Kollegen Eduard Lintner auf: Welche zeitlichen und örtlichen Vorstellungen hat die Bundesregierung für den Weiterbau und in welchen Tranchen soll die Finanzierung erfolgen?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Herr Kollege Lintner, der Weiterbau soll unverzüglich erfolgen. Konkrete Aussagen zu den zeitlichen und örtlichen Vorstellungen sowie zu den Tranchen der Finanzierung können angesichts der noch laufenden Abstimmung mit der Deutschen Bahn AG von der Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht getroffen werden.

Eduard Lintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001351, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Kollege Hilsberg, angesichts der schon an anderer Stelle geführten Debatte über die Frage, ob Vorlagen haushaltsrechtlich korrekt sind und ob Ankündigungen in ausreichendem Maße finanziell abgesichert sind, frage ich Sie: Halten Sie es nicht für einen Widerspruch, wenn Sie einerseits ankündigen, der Weiterbau solle unverzüglich erfolgen, andererseits aber hinzufügen, Sie könnten über die Finanzierung noch nichts Genaues sagen? ({0})

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Wenn Sie informiert sind - davon gehe ich aus -, wie die Vergabe von großen Aufträgen im Baugeschäft abläuft, wie lange die Ausschreibungszeiten sind und wie schwierig es ist - das betrifft unsere jetzige Aufgabe -, Finanzierungsvereinbarungen mit der DB AG herbeizuführen bzw. zu erneuern, dann wissen Sie ganz genau, dass uns der Zeitraum, der uns für unsere Entscheidungen zur Verfügung steht, auf keinen Fall in Schwierigkeiten mit dem Haushaltsrecht bringen wird.

Eduard Lintner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001351, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Hilsberg, bedeutet das also - da für das vierte Quartal des Jahres 2003 noch keine entsprechenden Vorkehrungen im Haushalt getroffen worden sind -, dass frühestens im Haushalt 2004 mit einer finanziell seriösen Unterfütterung des Versprechens des Bundeskanzlers, dass mit dem Bau der Strecke von Nürnberg über Bamberg nach Erfurt sofort begonnen werde, gerechnet werden kann?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Herr Lintner, das bedeutet es nicht. Wie Sie wissen, ist über den Haushalt für das Jahr 2003 noch nicht beraten worden. Sie, der Bundestag, sind diejenigen, die über den Haushalt zu entscheiden haben. Ich versichere Ihnen, es werden entsprechende Vorkehrungen getroffen werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt hat der Kollege Michelbach eine Nachfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, Sie behaupten, dass das Zukunftsinvestitionsprogramm „Mobilität“, das mit 90 Milliarden Euro ausgestattet ist, die finanzielle Grundlage für die Zusage des Kanzlers sei. Wenn dem so ist, stellt sich die Frage: Warum ist dann in der mittelfristigen Finanzplanung ein solcher Betrag für die notwendigen Verkehrsausbaumaßnahmen nicht eingestellt? Sind die Ankündigung des Bundeskanzlers und Ihre Aussage über das 90-Milliarden-Euro-Programm nicht so lange als leere Versprechungen anzusehen, wie es für sie keine Haushaltsgrundlage gibt?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Herr Michelbach, wie Sie wissen, darf man den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun. Der erste Schritt war: Wir haben die notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen im Bundeshaushalt eingeleitet, damit die Investitionstätigkeit auf ein befriedigendes und den verkehrlichen Bedürfnissen entsprechendes Niveau angehoben werden konnte. Die Mittel für einige Maßnahmen haben im Haushalt 2001 Rekordniveau erreicht. Sie waren in der mittelfristigen Finanzplanung, der alten Regierung nicht berücksichtigt worden. Der Bundeskanzler hat deutlich gemacht, dass es den finanziellen Spielraum gibt, um die notwendigen verkehrlichen Infrastrukturmaßnahmen in Deutschland realisieren zu können. Wir werden zusammen mit dem Bundestag die entsprechenden Mittel einstellen, und zwar - hier können Sie ganz sicher sein - unter Wahrung der Haushaltsordnung. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt noch eine weitere Nachfrage.

Aribert Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär Hilsberg, Sie haben vorhin gesagt, der Haushalt 2003 sei noch nicht verabschiedet. Kann man also damit rechnen, dass für den Bau der Strecke von Nürnberg über Bamberg nach Erfurt entsprechende Mittel in den Haushalt 2003 eingestellt werden?

Stephan Hilsberg (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000904

Die notwendigen Vorarbeiten für die Realisierung der Hochgeschwindigkeitsstrecken 8.1 und 8.2 werden jetzt durchgeführt. Dabei geht es insbesondere - das sagte ich Ihnen bereits - um die Aufnahme von Verhandlungen mit der Deutschen Bahn AG zur Herbeiführung einer Finanzierungsvereinbarung. Die notwendigen haushaltsmäßigen Grundlagen dafür werden im Zusammenhang mit dem Haushaltsplan 2003 geschaffen. Dieser Haushaltsplan ist in der Erstellungsphase. Es hat noch kein Jahr gegeben, in dem der Bundeshaushalt vor Ablauf des Herbstes verabschiedet wurde. Sie haben also noch genug Zeit, um im Plenum über diese Frage zu debattieren. Sämtliche Fragen zum Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes - das sind die Fragen 20 bis 23 - werden schriftlich beantwortet. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Dr. Ludger Volmer zur Verfügung. Ich rufe die Frage 24 des Kollegen Wolfgang Gehrcke auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass die im Bericht der „Los Angeles Times“ - Reuters vom 10. März 2002, 14.30 Uhr - erwähnten Planungen der USA, Kernwaffen unter bestimmten Bedingungen, so auch bei einer überraschenden militärischen Lage, einzusetzen, die Schwelle für einen Atomwaffeneinsatz senken?

Not found (Gast)

Herr Kollege Gehrcke, der Bericht der „Los Angeles Times“ bezieht sich auf eine Studie des US-Verteidigungsministeriums mit dem Titel „Nuclear Posture Review“, die dem US-Kongress am 8. Januar 2002 vorgelegt wurde. Die Studie ist als geheim eingestuft und in ihrer Gesamtheit nicht veröffentlicht worden. Die USA haben die Partner in der NATO über den wesentlichen Inhalt der Studie unterrichtet. Dabei haben sie hervorgehoben, die bekannte Nuklearstrategie der USA habe sich nicht geändert; Hauptthema der „NPR“ sei die angestrebte drastische Reduzierung des US-Kernwaffenarsenals in den kommenden Jahren. Der amerikanische Außenminister Powell ist am 12. März 2002 bei einer Senatsanhörung auf die „NPR“ eingegangen und hat erklärt, dass die USA die nukleare Schwelle nicht abgesenkt haben. Die deutsche Außenpolitik in diesem Bereich ist unverändert. Für die Bundesregierung bleibt die vertraglich vereinbarte umfassende und verifizierbare Abrüstung aller Nuklearwaffen zentrales abrüstungspolitisches Ziel. Dieses Ziel ist im Nichtverbreitungsvertrag verankert. Somit bleiben die Nuklearmächte, die den Nichtverbreitungsvertrag unterzeichnet haben, also allen voran die USA und die Russische Föderation, dazu verpflichtet. Die Bundesrepublik Deutschland ist Nichtnuklearstaat und hat aus dem Vertragssystem den Anspruch auf Umsetzung dieser Bestimmung. Wir begrüßen im Übrigen die Absicht der US-Administration, das amerikanische Nuklearwaffenarsenal weiter zu reduzieren.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Jetzt kommen wir zur ersten Nachfrage des Kollegen Gehrcke.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, wir haben es heute offensichtlich damit, dass alles, was für politische Strategien, leider auch für militärische Strategien, interessant ist, immer sofort mit dem Stempel „geheim“ versehen wird, obwohl in der Öffentlichkeit darüber geschrieben und berichtet wird. Der „Los Angeles Times“ war auch zu entnehmen, dass die Studie vom amerikanischen Verteidigungsminister Rumsfeld unterschrieben ist. Sie haben das Prozedere erwähnt. Meinen Sie nicht auch, dass die Benennung von Ländern, gegen die möglicherweise Atomwaffen eingesetzt werden können, wie dies in der Studie der Fall ist, das internationale Klima nicht gerade günstig gestaltet? Ich verweise nur darauf, dass die chinesische Regierung den amerikanischen Botschafter deswegen einbestellt hat.

Not found (Gast)

Herr Gehrcke, die Studie als Ganzes ist geheim. In der Tat sind aber einige Auszüge, darunter auch die von Ihnen gerade zitierte Passage, veröffentlicht worden. Darüber hat es eine öffentliche Diskussion gegeben, nicht nur in den USA, sondern auch international. Eine ganze Reihe von europäischen und auch deutschen Politikern hat dazu Stellung genommen. Insbesondere der von Ihnen gerade genannte Aspekt wurde dabei deutlich kritisiert.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Gehrcke, bitte, die zweite Nachfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, wenn ich mir erlauben darf, das zu sagen: In Ihren Artikeln und Aufsätzen habe ich Sie schon mutiger erlebt als bei der Auskunft hier. Das zu bewerten steht mir aber nicht zu; das müssen Sie selbst tun. Halten Sie den zeitlichen Zusammenhang zwischen der Zuleitung der Studie an den amerikanischen Kongress und den Kriegsführungen in Afghanistan bzw. den Kriegsüberlegungen der USA, was den Irak angeht, für einen Zufall oder zielt dieser Zusammenhang auf die militärischen, also kriegerischen Verwicklungen?

Not found (Gast)

Herr Gehrcke, wir müssen zwei Vorgänge unterscheiden: die Zuleitung an den Kongress und die Veröffentlichung. Die Veröffentlichung ist per Indiskretion geschehen. Man kann über die Motive nur spekulieren.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die Frage 25 der Kollegin Lippmann wird schriftlich beantwortet. Ich rufe jetzt die Frage 26 des Kollegen Dr. Ilja Seifert auf: Wie bewertet die Bundesregierung militärische Planungen des Pentagons der USA, in denen Russland und China als Ziele für mögliche Atomschläge aufgelistet sind?

Not found (Gast)

Herr Kollege Seifert, auch wenn in dem öffentlich bekannt gewordenen Teil der Studie bestimmte Länder im Rahmen einer sicherheitspolitischen Analyse genannt werden, enthält der NPR nach den Angaben, die die Regierung der USA gegenüber der NATO gemacht hat, und übrigens auch nach den Angaben, die Außenminister Powell gegenüber dem Kongress gemacht hat, keine diesbezüglichen militärischen Planungen, insbesondere keine konkreten Zielplanungen. Ich verweise hierzu auch auf die öffentlichen Erklärungen der US-Administration, denen zufolge der NPR solche konkreten Zielplanungen nicht enthält.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Seifert, Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage, bitte.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, wenn das so ist - ich muss das jetzt zur Kenntnis nehmen -, wie kann es dann sein, dass in der Öffentlichkeit ganz andere Dinge diskutiert werden? Wie kann es sein - ich beziehe mich auch auf Ihre Antwort auf die Frage des Kollegen Gehrcke -, dass die Bundesregierung nach wie vor ein großes Interesse daran hat und darauf hinarbeitet, die Gesamtzahl der Atomwaffen zu reduzieren bzw. Atomwaffen insgesamt abzuschaffen, obwohl davon die Rede ist, systematisch ganz neue, relativ kleine Atomwaffen zu entwickeln, die unterirdische Bunker und Höhlen zerstören sollen? Ist das nicht ein Widerspruch?

Not found (Gast)

Das von Ihnen zitierte Papier enthält auch Aussagen über so genannte atomare Gefechtsfeldwaffen und über eventuelle Einsatzszenarien. Die amerikanische Regierung hat auf Anfragen von Kritikern hin aber deutlich gemacht, dass es keine konkreten Planungen in dieser Hinsicht gebe.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Nachfrage des Kollegen Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Können Sie mir den Unterschied zwischen konkreten Planungen, die es nicht gibt, und Vorplanungen, ähnlichen Studien oder was immer da veranstaltet wird, nennen?

Not found (Gast)

Im Pentagon, dem amerikanischen Verteidigungsministerium, werden immer wieder strategische Studien entwickelt, entweder für allgemeine Szenarien oder für denkbare regionale Szenarien. Man muss aber zwischen Eventualplanungen und konkreten Einsatzplanungen unterscheiden, die von der amerikanischen Regierung, insbesondere vom Präsidenten, legitimiert sein müssen. Das ist in diesem Falle noch nicht so weit.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Lippelt, auch Sie haben das Wort zu einer Nachfrage.

Dr. Helmut Lippelt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001352, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Staatsminister, der russische Verteidigungsminister sagte nach seinem Besuch in Amerika: Solche Planungen macht das Militär immer; so etwas machen auch wir; das darf man nicht so ernst nehmen. Haben Sie von dieser Bemerkung gehört?

Not found (Gast)

Einige der Länder, die in diesem Bericht genannt worden sind, haben darauf sehr kritisch reagiert, auch wenn sie es, wie Russland, in einen größeren Kontext eingeordnet haben. Russland ist genauso wie wir insbesondere daran interessiert, dass die weit reichenden Reduktionsverpflichtungen im Bereich der strategischen Waffen eingehalten werden. Dies ist eine Konsequenz der START-Verhandlungen, die nun endlich in die Praxis umgesetzt werden soll. Es geht um die Reduktion auf 1 700 bis 2 200 Nuklearwaffen. Wir sollten diese außerordentlich deutliche Reduktion hier begrüßen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nun stellt der Kollege Gehrcke noch eine Nachfrage.

Wolfgang Gehrcke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003130, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatsminister, man lernt ja immer dazu. Man muss folglich so präzise fragen, dass kein Schlupfloch offen bleibt. Da die Russen jetzt als Kronzeugen für die Amerikaner herangezogen werden, möchte ich noch einmal präzise nachfragen: Halten Sie es nicht für denkbar, dass in der Öffentlichkeit der Gedanke an einen Einsatz von Atomwaffen im Zusammenhang mit dem Krieg in Afghanistan oder einem geplanten Krieg im Irak aufkommen kann, wenn im gleichen Zeitraum, wo im Krieg in Afghanistan thermobarische Bomben, also ein neues Waffensystem gegen Höhlen, von den USA eingesetzt werden, dem Kongress ein Bericht zugeleitet wird - ich hebe auf die Zuleitung und nicht auf die Veröffentlichung ab -, in dem der Einsatz von verkleinerten Atomwaffen gegen solche Höhlensysteme als möglich beschrieben wird?

Not found (Gast)

Herr Gehrcke, ich stimme Ihnen zu, dass dieser Eindruck in der Öffentlichkeit entstehen kann. Umso wichtiger ist es ja auch, dass entsprechende kritische Fragen formuliert werden und die amerikanische Seite oder derjenige, der dafür verantwortlich ist, die Möglichkeit hat, dies zu interpretieren.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe die Frage 27 des Kollegen Dr. Ilja Seifert auf: Welche Schritte beabsichtigt die Bundesregierung angesichts der bekannt gewordenen Planungen der USA zum Einsatz von Atomwaffen gegenüber ihren Partnern in der NATO zu unternehmen, um einen Verzicht auf den Ersteinsatz von Nuklearwaffen herbeizuführen?

Not found (Gast)

Herr Kollege Seifert, nach den Angaben der US-Regierung, die uns und den anderen Mitgliedstaaten der NATO gegenüber gemacht worden sind, gibt es die angeblichen konkreten Planungen, über die wir gerade geredet haben, nicht. Insoweit muss ich auf die Antworten verweisen, die ich gerade schon gegeben habe.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Seifert, bitte.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Wenn ich Ihre vorhergehende Antwort richtig verstehe, sind Sie regelrecht froh, dass meine Kolleginnen und Kollegen von der PDS und ich Ihnen diese Fragen stellen, damit Sie öffentlich Aufklärung betreiben können. In Ihrer Antwort auf meine vorige Frage sagten Sie, dass es konkrete Planungen, die vom Präsidenten legitimiert sind, noch nicht gebe. Jetzt sagen Sie, dass es diese Planungen nicht gebe. Es besteht natürlich ein gewisser Unterschied zwischen „noch nicht“ und „nicht“. Darf ich davon ausgehen, dass die Menschheit von diesen neuen Waffen verschont bleibt, oder muss man befürchten, dass sie in zwei, drei oder fünf Jahren - ich will mich jetzt nicht auf eine Zahl festlegen - doch da sind?

Not found (Gast)

Herr Kollege Seifert, es gibt sie im Moment nicht. In die Zukunft schauen kann ich in dieser Angelegenheit genauso wenig wie Sie.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zweite Nachfrage des Kollegen Seifert.

Dr. Ilja Seifert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002153, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sie werden sicherlich verstehen, dass mich die von Ihnen gerade gegebene Antwort nicht besonders glücklich macht. Ich fragte ja danach, was die Bundesregierung tun will, um ihre Partner in der NATO dazu zu bringen, Atomwaffen, soweit es geht, ganz und gar abzuschaffen. Ich finde nämlich, 1 500 oder 2 300 sind immer noch ganz schön viele und damit kann man immer noch allerhand und viel zu viel Schaden anrichten. Was wollen Sie also tun, dass der Atomwaffenbestand weltweit auf null sinkt? Das muss doch das Ziel sein.

Not found (Gast)

Die Bundesregierung unterstützt dieses Ziel nachdrücklich. Das Ziel ist auch im Nichtverbreitungsvertrag genannt, an den die Atommächte gebunden sind. Wir sind aber auch der Meinung, dass eine Diskussion über einen eventuellen Einsatz nuklearer Gefechtsfeldwaffen nicht fruchtbar ist. Das ist übrigens kein Thema der NATO. Von daher sind wir als NATO-Partner nicht offiziell zur Stellungnahme aufgerufen. Vielmehr handelt es sich hierbei um nationale amerikanische Verteidigungspolitik. Natürlich sind wir auch darüber mit der amerikanischen Seite im Gespräch; aber unser Einfluss darauf ist natürlich geringer als auf NATO-Planungen. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Danke, Herr Staatsminister. Die Fragen 28 und 29 werden schriftlich beantwortet. Den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern hatten wir vorgezogen, sodass ich jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen aufrufen kann. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung. Wir kommen zunächst zur Frage 33 des Abgeordneten Gerhard Schüßler: Wie hoch sind in den Veranlagungszeiträumen 2000 und 2001 jeweils die Mindereinnahmen aus der Einkommensteuer, die aus der Erhöhung des Übungsleiterfreibetrages in § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz ({0}) durch Gesetz vom 22. Dezember 1999 resultieren?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Schüßler, steuerstatistische Daten über die Inanspruchnahme des Freibetrages gemäß § 3 Nr. 26 Einkommensteuergesetz liegen nicht vor, weshalb eine Aussage über die tatsächliche Höhe der Mindereinnahmen infolge der Anhebung des Übungsleiterfreibetrages in diesem Paragraphen nicht getroffen werden kann. ({0}) Im Hinblick auf die Anhebung des Übungsleiterfreibetrags von 2 400 DM auf 3 600 DM pro Jahr wurden Steuerausfälle von rund 740 Millionen DM - das sind rund 380 Millionen Euro - geschätzt.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage? - Bitte sehr.

Gerhard Schüßler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003232, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, ist Ihnen bekannt, dass in der Enquete-Kommission „Bürgerschaftliches Engagement“ Mitglieder Ihrer Fraktion, der SPD-Fraktion, unter Bezug auf das Bundesfinanzministerium festgestellt haben, dass die Erhöhung von 2 400 DM auf 3 600 DM zu Steuerausfällen von 400 Millionen Euro geführt habe?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Schätzungen im Gesetzgebungsverfahren beliefen sich auf 740 Millionen DM, also rund 380 Millionen Euro. Insofern sind diese Schätzungen nicht allzu weit von den 400 Millionen Euro entfernt, auch wenn 20 Millionen Euro viel Geld ist. Natürlich kann man nicht im Einzelnen sagen, wie hoch die Ausfälle tatsächlich waren. Aber die Schätzungen liegen in dieser Größenordnung.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun kommt die Frage 34 des Abgeordneten Schüßler: Wie viele Einkommensteuerpflichtige haben - in absoluten Zahlen - jeweils in den Veranlagungszeiträumen 1998, 1999, 2000 und 2001 den Übungsleiterfreibetrag, § 3 Nr. 26 EstG, in Anspruch genommen und welcher Betrag wurde pro Kopf von ihnen durchschnittlich dabei geltend gemacht? Frau Staatssekretärin, bitte.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Wegen der fehlenden steuerstatistischen Angaben ist eine Aussage über die Anzahl der Einkommensteuerpflichtigen, die den Übungsleiterfreibetrag in Anspruch genommen haben, nicht möglich.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage?

Gerhard Schüßler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003232, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Nein, danke.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Herr Kollege Klaeden hat eine Zusatzfrage. Bitte sehr.

Eckart Klaeden (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002698, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, warum verzichtet das Ministerium auf die Feststellung der im Gesetzgebungsverfahren angegebenen Schätzungen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege von Klaeden, die hier erfragten Angaben sind nicht Bestandteil der maschinell erfassten Daten aus der Einkommensteuererklärung und finden damit auch keinen Eingang in die Lohn- und Einkommensteuerstatistik. Wenn man jede einzelne Maßgabe des Einkommensteuerrechts gesondert erfassen wollte, dann müssten sie auch einzeln maschinell erfasst werden. Dies würde bei den Landesfinanzbehörden einen überbordenden Aufwand mit sich bringen. Das ist nicht nur in diesem Fall so.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 35 des Kollegen Aribert Wolf auf: Wie werden die Finanzergebnisse der Sozialversicherungen, insbesondere der gesetzlichen Krankenversicherung, in die Berechnung des gesamtstaatlichen Defizits nach Art. 104 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, EGV, mit einbezogen? Frau Staatssekretärin.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Wolf, das „Maastricht-Defizit“ wird nach den Regeln des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen, ESVG, ermittelt. Zum Sektor „Staat“ gehören die Teilsektoren Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen. Die Sozialversicherungen, also auch die gesetzlichen Krankenversicherungen, gehen mit Ausgaben und Einnahmen in die so genannte „Maastricht-Rechnung“ ein. Dabei legt das Statistische Bundesamt die Einnahmen- und Ausgabendefinition des ESVG zugrunde. Die Ergebnisse weichen daher von den kassenmäßigen Ergebnissen ab.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage? - Bitte sehr.

Aribert Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es ist aber möglich, diese Abweichungen umzurechnen. Das Defizit wird nach dem ESVG, also nach dem Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen, berechnet. Die Ergebnisse der Krankenkassen, die nach einem anderen Verfahren berechnet werden, können umgerechnet werden. Können Sie ausschließen, dass die nach der VGR-Methode berechneten Zahlen der gesetzlichen Krankenversicherung höher sind als das bisher vorliegende Ergebnis, das die Bundesgesundheitsministerin für die Krankenversicherung bekannt gegeben hat?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Wolf, die Bundesgesundheitsministerin geht natürlich nicht nach Maastricht-Kriterien vor. Insofern unterscheiden sich die Methoden grundsätzlich. Deshalb dürfte ein Vergleich nicht möglich sein. Denn die Bundesgesundheitsministerin hat nur die kassenwirksamen Daten zu beachten und muss nicht unter dem Gesichtspunkt der Maastricht-Kriterien rechnen. Dies geschieht natürlich, wie ich gerade gesagt habe, durch das Statistische Bundesamt und geht entsprechend in die Berechnung nach den Maastricht-Kriterien ein.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage zwei.

Aribert Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie hoch ist das Defizit der GKV nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung und können Sie ausschließen, dass es noch höher ist als das bisher vorliegende Ergebnis?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung haben sich die Defizite bzw. Überschüsse der Krankenversicherung in den Jahren 1995 bis 2001 wie folgt entwickelt - Finanzierungssalden -: 1995 minus 4,4 Milliarden Euro, 1996 minus 4,6 Milliarden Euro, 1997 plus 0,9 Milliarden Euro, 1998 plus 0,7 Milliarden Euro, 1999 plus 0,1 Milliarden Euro, 2000 minus 0,8 Milliarden Euro, 2001 minus 2,2 Milliarden Euro. Das entspricht den Angaben der Bundesgesundheitsministerin, soweit ich das weiß.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe die Frage 36 des Kollegen Aribert Wolf auf: Um das Wievielfache übersteigt das von der Bundesministerin für Gesundheit, Ulla Schmidt, für das Jahr 2001 bekannt gegebene Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 2,8 Milliarden Euro das vom Statistischen Bundesamt in der aktuellen vorläufigen Berechnung des Maastricht-Defizits für das Jahr 2001 geschätzte Defizit der Gemeinden? Frau Staatssekretärin, bitte.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Nach den aktuellen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes beträgt das für „Maastricht“ relevante Defizit der Krankenversicherung 2,2 Milliarden Euro. Die Abweichung zum kassenmäßigen Ergebnis beruht auf den schon genannten methodischen Unterschieden zwischen den Rechenwerken und auf unterschiedlichen Datenständen. Das entsprechende Defizit der Gemeinden betrug im vergangenen Jahr 1,5 Milliarden Euro.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage.

Aribert Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch hat in einer Debatte des Deutschen Bundestages wörtlich gesagt: Der zweite Punkt betrifft Ihren Umgang mit den Zahlen. Herr Wolf, Sie haben vorhin gesagt, dass das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen so hoch wie das der Kommunen sei. Daran schließt sich mein Zwischenruf „Höher!“ an. Die Frau Staatssekretärin fährt fort: Ich muss Sie korrigieren: Das stimmt nicht. Bei den Kommunen sind es 26 Milliarden Euro. Diese Aussage der Frau Staatssekretärin ist also falsch.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Frau Staatssekretärin muss sich getäuscht haben. Die 26 Milliarden Euro beziehen sich auf die Gesamtheit der Länder.

Aribert Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

So ist es. Vielen Dank.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Nun rufe ich die Frage 37 des Kollegen Hans Michelbach auf: Welche Schlüsse zieht das Bundesministerium der Finanzen aus dem Rentenurteil des Bundesverfassungsgerichts? Frau Staatssekretärin, bitte. Vizepräsidentin Anke Fuchs

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 1. Januar 2005 einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Aufwand und Ertrag insbesondere bei den Alterseinkünften neu geregelt wird. Dabei hat es auf die Feststellung besonderen Wert gelegt, dass dem Gesetzgeber bei dieser Neuregelung ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht. Um dessen Weite auszuloten, aber auch um zur Entwicklung einfacher, praktikabler und gesamtwirtschaftlich tragfähiger Lösungen zu gelangen, wird die Bundesregierung eine Sachverständigenkommission bestellen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, es schließt sich natürlich die Frage an, welche Schlüsse Sie aus dem Urteil ziehen und wie die nachgelagerte Besteuerung eingeführt werden soll. Welche finanziellen Auswirkungen ergeben sich aus dieser nachgelagerten Besteuerung?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Der Sachverständige Professor Dr. Rürup, der dem Bundesverfassungsgericht umfangreiche Berechnungen vorgelegt hat - auf diese Berechnungen beziehe ich mich; die Bundesregierung hat vor der von uns ins Auge gefassten Bestellung der Sachverständigenkommission noch keine weiter gehenden Erkenntnisse erlangt -, geht davon aus, dass im Zuge des Übergangs zur nachgelagerten Besteuerung auf der Grundlage eines etwa eine Generation umfassenden Übergangszeitraums eine Steuermindereinnahme des öffentlichen Gesamthaushaltes im ersten Jahr in der Größenordnung von 1,3 Milliarden Euro entstehen wird. Die Mindereinnahmen würden danach allerdings jährlich um die Größenordnung von etwa 1 Milliarde Euro steigen. Es gäbe also jedes Jahr eine geringfügige Zunahme der Ausfälle.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zweite Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ist es nicht so, dass die Entlastung, die sich daraus ergibt, dass die Sozialversicherungsbeiträge nicht mehr aus versteuertem Einkommen entrichtet werden, insbesondere für jüngere Arbeitnehmer sinnvoll ist? Sollte man daher nicht frühzeitig diese Entlastung erreichen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, damit der öffentliche Gesamthaushalt die Ausfälle tragen kann, muss die Übergangsfrist analog einem System kommunizierender Röhren angelegt sein, die Sie aus der Physik kennen: Der langsam, aber stetig wachsende Anteil von Alterseinkünften, der der Besteuerung unterliegt, muss einem in der gleichen Schrittfolge wachsenden Anstieg des von der Steuer freigestellten Lohnes in Höhe des Pflichtbeitrags zur Rentenversicherung gegenüberstehen. Dass insbesondere die jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer davon profitieren, liegt auf der Hand; denn diejenigen, die jetzt ins Berufsleben eintreten oder in den letzten zehn Jahren ins Berufsleben eingetreten sind, werden auf jeden Fall bis zum Ende ihrer Berufstätigkeit eine vollständige Steuerfreiheit ihres Einkommens in der Größenordnung ihrer Pflichtbeiträge erreichen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich rufe die Frage 38 des Kollegen Hans Michelbach auf: Wurde die Entscheidung des Bundesministers der Finanzen, Hans Eichel, zur Umsatzsteuerbefreiung der Deutschen Post AG durch etwaige Parteispenden an die SPD durch die Deutsche Post AG in den Jahren 1996 bis 2001 beeinflusst und wenn ja, in welcher Höhe erfolgte sie?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, die Antwort auf Ihre Frage ist Nein.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Erste Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Die Frage ist sicher, Frau Staatssekretärin, sehr dürftig. Können Sie hier noch einmal ausdrücken, ob Ihnen bekannt ist, dass sowohl in der Wissenschaft mit Herrn Professor Lang und Frau Professor Hey als auch in den Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen in der Frage der Umsatzsteuerbefreiung eine völlig andere Meinung besteht? Ist diese Tatsache nicht auch in dem Zusammenhang relevant, dass die Entscheidung gegen die Vorschriften des Bundesfinanzministeriums dahin gehend gefallen ist, indem Staatssekretär Dr. Overhaus gleichzeitig auch Aufsichtsratsmitglied der Post AG war? Ist nicht hier allein schon eine Beeinflussung vorhanden, die Sie nicht lediglich mit einem Nein beantworten können?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, Sie haben bei der Einleitung Ihrer Zusatzfrage gerade selber gesagt, die Frage sei etwas dürftig. Ich will mich dieser Bewertung nicht offiziell anschließen, aber gleichwohl sagen, dass Ihre Frage, die nämlich darauf gerichtet war, ob etwa die SPD Parteispenden im Zusammenhang mit der Umsatzsteuerbefreiung der Post erhalten habe, eindeutig mit dem Wort Nein zu beantworten ist. Die Frage kann auch nicht umfangreicher beantwortet werden. Ich wiederhole: Sie ist mit dem Wort Nein zu beantworten. Die steuerrechtliche Situation kann man natürlich auch unterschiedlich beurteilen - zwei Juristen, drei Meinungen. Es ist auch klar, dass die steuerrechtliche Auslegung im Bundesfinanzministerium eine andere war als im Landesfinanzministerium Nordrhein-Westfalen. Diese steuerrechtlichen Fragen sind ausführlich sowohl im Rechnungsprüfungsausschuss als auch im Haushaltsausschuss und im Finanzausschuss erörtert worden. Ich verweise auf die entsprechenden Protokolle.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage zwei.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, es geht generell um die Beeinflussung. Ist Ihnen nicht bekannt, dass es in dieser Frage ja gar nicht um den Vorwurf an die Post AG selbst geht, sondern um das Zustandekommen der Umsatzsteuerbefreiung als Einzelanordnung des Bundesfinanzministers Hans Eichel gegen die Auffassung von Sachverständigen und der Finanzbehörden von Nordrhein-Westfalen? Ich glaube, das ist ein Sondertatbestand. Vielleicht geben Sie zu dieser Frage noch einmal eine Klarstellung.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Einzelweisungen des Bundesministeriums der Finanzen sind ausdrücklich in der Verfassung vorgesehen; sonst könnten sie natürlich auch gar nicht stattfinden. Sie finden allerdings nicht häufig statt; es gibt etwa vier oder fünf Fälle im Jahr. Aber Einzelweisungen sind nach dem Grundgesetz - ich glaube, es ist Art. 85, jedenfalls ist es ein Artikel in den Achtzigern ausdrücklich vorgesehen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Damit ist der Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen beendet. Ich danke der Frau Staatssekretärin für die Beantwortung der Fragen. Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Frau Ulrike Mascher zur Verfügung. Die Fragen 39 und 40 werden schriftlich beantwortet. Deswegen rufe ich die Frage 41 des Kollegen Dirk Niebel auf: Schließt sich die Bundesregierung nach der Einigung der Fraktionen im Deutschen Bundestag, dass Aupairs nicht sozialversicherungspflichtig sind, der Auffassung an, dass die Vergabe von Betriebsnummern an Gasteltern durch die Arbeitsverwaltung nicht länger erforderlich ist? Frau Staatssekretärin.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Niebel, Aupairbeschäftigte sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes und den gleich lautenden Vereinbarungen der Spitzenverbände der Sozialversicherung keine abhängig Beschäftigten, sondern stehen grundsätzlich in einem Betreuungsverhältnis besonderer Art, das keine Sozialversicherungspflicht auslöst. Demzufolge gehören sie auch nicht zu dem vom Arbeitgeber bei den Einzugsstellen zu meldenden Personenkreis nach § 3 der Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung, sodass die Gasteltern von Aupairs auch keine für die Meldung notwendige Betriebsnummer beim zuständigen Arbeitsamt beantragen müssen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Eine Zusatzfrage? Nein. Wunderbar. Dann rufe ich die Frage 42 des Kollegen Dirk Niebel auf: Wie wird die Bundesregierung nach ihrer Auskunft, dass Aupairs auch nicht zur gesetzlichen Unfallversicherung anzumelden sind - Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Klaus Achenbach, vom 12. März 2002 auf meine schriftliche Frage vom 28. Februar 2002 -, Sorge tragen, dass die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung diese Einigung akzeptieren?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Der Bundesverband der Unfallkassen als zuständiger Spitzenverband der Unfallversicherung für in Privathaushalten tätige Personen ist in einem Schreiben des Ministeriums vom 4. März 2002 über die Festlegungen der anderen Spitzenverbände der Sozialversicherung informiert und gleichzeitig gebeten worden, sich der grundsätzlichen Festlegung der übrigen Spitzenverbände der Sozialversicherung zu Aupairs anzuschließen.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage eins.

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Staatssekretärin, wie Sie ganz richtig formuliert haben, ist das ja eine Bitte. Sollte der Bundesverband der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand dieser Bitte nicht nachkommen, welche Möglichkeiten gibt es, die Rechtsauffassung der Bundesregierung - wie aller Fraktionen dieses Hauses - durchzusetzen?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ich gehe erst einmal davon aus, dass unserer Bitte Folge geleistet wird.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Zusatzfrage zwei:

Dr. h. c. Dirk Niebel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003198, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gesetzt den Fall, dass dem nicht so wäre: Gibt es irgendeine Handhabe, das entsprechend umzusetzen? ({0})

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Niebel, wir werden, falls wir eine abschlägige Antwort bekommen, noch einmal sorgfältig prüfen, wie wir das von allen Fraktionen des Bundestages im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung gemeinsam verfolgte Ziel, für die Aupairbeschäftigten keine Sozialversicherungspflicht zu konstituieren, erreichen können. Man muss allerdings sehen, dass die Frage der Unfallversicherung, was den Schutz der Betroffenen angeht, eine besondere Bedeutung hat.

Anke Fuchs (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000611

Ich enthalte mich jedes Kommentars und bedanke mich für die Beantwortung der Fragen. Wir sind am Ende der Fragestunde und damit auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 21. März 2002, 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.