Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 12/2/1998

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Bevor wir in die offizielle Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen folgende amtliche Mitteilung zur Kenntnis bringen: Der Gesetzentwurf zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung auf Drucksache 14/24, der noch heute im federführenden Ausschuß für Gesundheit abschließend beraten wird, soll nachträglich auch dem Ausschuß für die Angelegenheiten der neuen Länder zur Mitberatung überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Dann ist es so beschlossen. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als zentrales Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Ziele und Schwerpunkte der deutschen Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union. - Ich höre gerade, daß Herr Bundesminister Fischer noch unterwegs ist. - Zu Ihrer Information: Er befindet sich noch im Ausschuß. Aber er ist auf dem Weg hierher. Deshalb wird die Sitzung für einen kurzen Augenblick unterbrochen. ({0}) Ich gebe Ihnen rechtzeitig bekannt, wann es weitergeht. ({1}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die kurz unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich erteile nunmehr für den einleitenden fünfminütigen Bericht der Bundesregierung das Wort dem Minister des Auswärtigen, Herrn Joseph Fischer.

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuerst muß ich mich vor dem Hause für mein Zuspätkommen entschuldigen. Ich möchte allerdings zur Begründung hinzufügen, daß ich in zwei Ausschüssen präsent sein mußte, nämlich im Verteidigungsausschuß und im Auswärtigen Ausschuß. Es handelt sich dabei bekanntlich um Untergliederungen des Deutschen Bundestages. Es ist also nicht so, daß ich aus eigenem Verschulden oder Versäumnis hier zu spät gekommen bin. Die Wegstrekke, die ich zurücklegen mußte, werden Sie ebenfalls in Rechnung stellen. Dennoch möchte ich mein Zuspätkommen entschuldigen. Deswegen die Bundesregierung allerdings als „Saftladen“ zu bezeichnen, halte ich für unangemessen, Herr Kollege Schäuble. ({0}) Meine Damen und Herren, wir hatten gerade den deutsch-französischen Gipfel. Dieser Gipfel stand bereits im Zeichen der deutschen Präsidentschaft im Rat der EU im kommenden Halbjahr. Beginnend mit dem 1. Januar des kommenden Jahres werden wir drei Präsidentschaften zu vertreten haben. Das eine ist die Präsidentschaft in der Europäischen Union, das andere ist die Präsidentschaft in der Westeuropäischen Union, das dritte ist die G-7/G-8-Präsidentschaft. Vor allen Dingen die Verbindung zwischen EUPräsidentschaft und WEU-Präsidentschaft wird im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik von ganz besonderer Bedeutung sein. Zumindest hat dies gegenwärtig bereits bei der Erörterung in den verschiedenen Gremien sowohl bei der WEU-Ratstagung als auch bei bilateralen Gesprächen eine große Rolle gespielt, so auch gestern auf dem deutsch-französischen Gipfel. Für die Bundesregierung bleibt die Vollendung der europäischen Integration oberstes außenpolitisches Ziel. Wir stehen hier in voller Kontinuität der Politik der Bundesrepublik Deutschland. Wir hatten in diesem Hause in der Vergangenheit einen breiten Konsens und hoffen, für die Umsetzung dieses politischen Zieles auch in Zukunft einen breiten Konsens zu haben. Wir stehen in einer besonderen Situation. Diese besondere Situation wird den Deutschen Bundestag in den kommenden Monaten noch ganz besonders beschäftigen. Mit dem 1. Januar nächsten Jahres wird nämlich der europäische Integrationsprozeß mit der Wirtschafts- und Währungsunion eine neue Qualität erreichen. Diese neue Qualität wird ein Mehr an Verantwortung bedeuten; sie wird aber auch für die wichtigste Volkswirtschaft innerhalb der Europäischen Union und für die Leitfunktion dieser Volkswirtschaft sowie, umgesetzt auf die politische Ebene, für die deutsche Präsidentschaft von ganz herausragender Bedeutung sein. Gleichzeitig haben im November mit dem Treffen der Außenminister in Brüssel die konkreten Beitrittsverhandlungen begonnen. Diese Beitrittsverhandlungen werden alles andere als einfach. Dennoch sind wir an ihrem Erfolg interessiert. Wir wollen hier so schnell wie möglich zu einem positiven Abschluß kommen. Ein weiterer Punkt ist, daß wir hoffen, daß die Französische Republik im nächsten Frühjahr noch zu einer Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages kommen wird. Das wird dann ebenfalls weiteren Handlungsbedarf mit sich bringen. Außerdem üben die Europawahlen ebenfalls einen entsprechenden Handlungsdruck auf alle politisch Verantwortlichen in Europa aus. Die Konsequenz dessen, was wir jetzt anzupacken haben, sind dichtgedrängte Terminkalender. Die politischen Herausforderungen machen drei zentrale Ziele für uns unabweisbar, nämlich erstens mehr Beschäftigung für ein Europa im globalen Wettbewerb zu schaffen. Wir wollen - das war einer der wichtigsten Punkte, die der französische Präsident, der Premierminister und der Bundeskanzler vereinbart haben - in einer gemeinsamen deutsch-französischen Anstrengung während der deutschen Präsidentschaft einen europäischen Beschäftigungspakt in Ergänzung der nationalen Maßnahmen umsetzen. Es wird sehr wichtig sein, daß hier positive Entwicklungen eingeleitet werden. Die Einführung des Euro, ein zweiter ganz zentraler Punkt, habe ich schon angeführt. Natürlich geht es drittens auch um die strukturellen Reformen und die innere Entwicklung der Europäischen Union. Hierbei kommt der Umstellung der europäischen Finanzverfassung auf die Erweiterungsfähigkeit eine zentrale, überragende Rolle zu. Diese europäische Finanzverfassung wird gemeinhin unter der Überschrift „Agenda 2000“ geführt. Diese Agenda 2000 umzusetzen wird alles andere als einfach sein. Dennoch: Wenn es während der deutschen Präsidentschaft nicht gelingt - danach folgt die finnische Präsidentschaft, dann die griechische; die französische Präsidentschaft wird dann schon sehr nahe an den französischen Präsidentschaftswahlen sein -, einen ersten praktischen Schritt bei den Reformen durchzusetzen, droht die Gefahr, daß sich Europa zu Beginn der Währungsunion - mit der eine größere Verantwortung verbunden ist - in einen Reformstau hineinbewegt, der sehr negative Konsequenzen haben könnte. Dabei muß allen klar sein, daß wir die Kompromisse, die bei der Agenda 2000 notwendig sind, nicht mehr, wie in der Vergangenheit - ich habe das nicht zu kritisieren; ich stelle das nur nüchtern fest -, mit zusätzlichem Geld aus Deutschland werden finanzieren können. Dafür sind schlicht und einfach keine Spielräume vorhanden. Es muß klar sein, daß ein Kompromiß nur auf der Grundlage dessen möglich ist, daß wir in der Europäischen Union eine Ausgabenbegrenzung betreiben, die diesen Namen tatsächlich verdient, und daß wir die wichtigsten Reformen bei den Strukturfonds, bei den Kohäsionsfonds und vor allen Dingen in der Agrarpolitik anpacken. Diese Reformen setzen voraus, daß dazu alle Besitzstände auf den Tisch kommen müssen. Wir danken der Kommission der Europäischen Union, daß im Eigenmittelbericht anerkannt wurde, daß die Nettozahlerposition der Bundesrepublik Deutschland und anderer intolerabel ist. ({1}) - Ich könnte Ihnen jetzt konkret sagen, was ich an Edmund Stoibers Europapositionen unverantwortlich finde. Wenn Sie wissen wollen, was er auf dem Deutschlandtag der Jungen Union vorgetragen hat, kann ich Ihnen das gerne sagen, Herr Glos. ({2}) Aber das hat doch mit Rumeiern gar nichts zu tun. Herr Glos, wir befinden uns hier am Beginn eines sehr schwierigen Verhandlungsprozesses. Ich wollte Ihnen gerade unsere Eckpunkte benennen und Ihnen klipp und klar sagen: Wir wollen den Erfolg der Agenda 2000, weil wir ihn für zwingend notwendig halten. Das geht aber nicht mehr um jeden Preis; denn der Preis, der in der Vergangenheit bezahlt wurde, kann schlicht und einfach nicht mehr erbracht werden. Wenn wir in der Frage der Nettozahlerposition keine Reform hinbekommen, dann soll mir einmal jemand erklären, wie die Erweiterung funktioniert, ohne daß wir überproportional hohe Lasten zu schultern haben werden. Ihr Ministerpräsident Stoiber und Ihre Partei werden doch die ersten sein, die schon im Vorfeld auf Europaebene mit Anti-Europa-Parolen auf die Barrikaden gehen, Herr Glos. ({3}) Sie können es also auch gerne konkreter haben. Damit habe ich überhaupt kein Problem. ({4}) - Nein, das hat mit Polemik überhaupt nichts zu tun. Wir erwarten hier eine Unterstützung der deutschen Position. Für uns ist es wichtig - in diesem Punkt kann ich hier im Deutschen Bundestag gar nicht konkreter werden -, daß mit dem Kommissionsbericht alle Optionsmodelle auf dem Tisch sind und dort auch bleiben. Es gibt doch etwa Versuche, die Kofinanzierung bereits im Vorfeld vom Tisch zu nehmen. Wir legen Wert darauf, daß sowohl die Begrenzung des Anstiegs des EU-Haushaltes als auch die drei Optionsmodelle, die die Kommission vorgeschlagen hat, in der Tat auf dem Tisch bleiben. Wir legen Wert darauf - die Spanier wollen an diesem Punkt bereits ihre nationale Position entsprechend festklopfen -, daß eben auch der Kohäsionsfonds mit auf den Tisch gelegt wird. Wir legen Wert darauf, daß auch die Strukturfonds auf den Tisch gelegt werden. Wir wollen nicht nur die Kofinanzierung, sondern wir wollen auch die Umstellung der Berechnungsgrundlage von der Mehrwertsteuer hin zum Bruttosozialprodukt. Wir wollen ebenfalls das Kappungsmodell, das die Kommission entwickelt hat. Das alles wollen wir. Nur daraus wird man ein Paket schnüren können. Ich kann Ihnen hier jetzt nicht öffentlich Verhandlungspositionen der Bundesregierung und schon gar nicht der deutschen Präsidentschaft im vorhinein vortragen. Das werden Sie verstehen, und das werden Sie auch billigen; denn es wäre eine törichte Verhandlungsstrategie, wenn man hier im Deutschen Bundestag bereits festlegen würde, was nachher Verhandlungsmasse ist, worüber in den Verhandlungen gesprochen werden muß und wo es einen schmerzhaften Kompromiß geben muß. Das sind die Punkte, um die es geht. Ein weiterer Gesichtspunkt wird eine zentrale Rolle spielen - gestatten Sie mir, daß ich den in der Kürze der Zeit noch anspreche -: Es ist der Punkt der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Der Frage der Entwicklung einer europäischen Säule, einer gemeinsamen Sicherheitsidentität wird eine große Bedeutung zukommen. Hier wird auch die Personalentscheidung im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam eine große Rolle spielen. Ich komme zum Schluß, Frau Präsidentin. Das sind die wesentlichen politischen Eckpunkte, die in dem kurzen halben Jahr eine Rolle spielen werden. Selbstverständlich wird es noch eine Vielzahl anderer Punkte geben, die ich jetzt in der Kürze der Zeit nicht erwähnen konnte. Aber dies sind die wesentlichen Schwerpunkte. ({5})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich bitte jetzt zunächst Fragen zu dem soeben aufgerufenen Themenbereich zu stellen. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Peter Altmaier, CDU/CSU.

Peter Altmaier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002617, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, Sie haben die Reform der Finanzverfassung angesprochen. Nun gibt es einen Bericht der Kommission vom 7. Oktober, in dem unter anderem auch die Einführung eigener, neuer Steuern für die Europäische Union erörtert wird. Meine Frage: Kann die Bundesregierung sich vorstellen, daß im nächsten Halbjahr unter deutscher Präsidentschaft darüber gesprochen wird, daß derartige neue Steuern im Telekommunikations- und Verkehrssektor eingeführt werden, oder ist eine solche Möglichkeit nach ihrer Auffassung von vornherein ausgeschlossen? ({0})

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Wir haben ja gegenwärtig, sozusagen in voller Kontinuität der Debatte vor den Wahlen, bereits eine inländische Steuereinführungsdebatte, die jeden Tag der Presse zu entnehmen ist. Nun bekommen wir diesbezüglich auch eine europäische Dimension. Ich glaube nicht, daß die europäische Dimension unbedingt sozusagen die Produktivität der inländischen Debatte übersteigen wird. ({0}) - Ich sehe das wesentlich gelassener. Ich kann Ihnen nur sagen: Auf die Telefonbesteuerung, die sogenannte Handysteuer, muß man erst einmal kommen. ({1}) - Aber bitte, wir können das Spiel gern weitermachen. Nein, allen Ernstes: Es wird darum gehen, die Ausgaben zu begrenzen. Das ist der entscheidende Punkt. Ich denke, das wird von ganz zentraler und entscheidender Bedeutung sein. Darauf müssen wir uns jetzt konzentrieren. Die Bundesregierung wird diese Konzentration in ihren Anstrengungen auch vornehmen; davon können Sie ausgehen. Sonst werden wir die Agenda 2000 nicht in trockene Tücher bekommen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Die nächste Fragestellerin ist die Abgeordnete Ursula Heinen, CDU/CSU.

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Da wir gerade beim Thema Ausgabenbegrenzung waren, Herr Außenminister, folgende Frage: Wird sich die neue Bundesregierung anläßlich der jüngsten Diskussionen zum Thema Entlastung der Kommission für das Haushaltsjahr 1996 und anläßlich des Berichts des Rechnungshofes für das Jahr 1997 wirklich für eine wirksame Betrugsbekämpfung einsetzen, für eine Begrenzung von Korruption und Subventionsschwindeleien?

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Die Bundesregierung ist verpflichtet, sich gegen alle Formen von Bereicherungskriminalität wirksam einzusetzen, und in dem Rahmen, in dem wir dies auf europäischer Ebene können, werden wir das nicht nur aus dieser Verpflichtung heraus, sondern ganz selbstverständlich tun. Es entsteht hier politischer Schaden. Wie immer, wenn es solchen Schaden in Institutionen gibt, liegt da auch die Chance der Verbesserung, der Erneuerung. Denn damit geraten Institutionen auf den Prüfstand, und es sind plötzlich Mehrheiten für Verbesserungen und die Zustimmung der Öffentlichkeit, die es vorher nicht gab, zu bekommen. In diesem Lichte werden wir unsere Haltung dazu definieren. ({0}) - Von mir aus immer.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage?

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Werden Sie das bereits beim Gipfel in Wien auf die Tagesordnung setzen?

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Das ist eine schwierige Frage, weil man hier natürlich auch die Interessen des Europaparlaments berücksichtigen muß. Aber selbstverständlich prüft die Bundesregierung dieses Problem, das uns im übrigen unter dem Gesichtspunkt der Akzeptanz Europas sehr zu denken gibt. Solche Entwicklungen schädigen nicht nur das Ansehen der Kommission und müssen dringend verbessert bzw. abgestellt werden; ich halte das vielmehr auch unter dem Gesichtspunkt der Zustimmung unserer Bevölkerung zu Europa für eine fatale, kontraproduktive Entwicklung. Auch das ist ein Grund, warum wir uns sehr intensiv darum bemühen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Michael Stübgen, CDU/CSU.

Michael Stübgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002280, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, Sie haben in einem Interview im „Spiegel“ der vergangenen Woche erklärt - ich zitiere -: „Wir brauchen . . . ein Zwei-Kammern-Parlament in Brüssel.“ Aus den Ausführungen, die Sie danach gemacht haben, wird klar: Sie meinen damit eine zusätzliche institutionelle, gesetzgebende Kammer der Europäischen Union, wie auch immer besetzt aus Delegationen der nationalen Parlamente. Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß sich der Deutsche Bundestag mit seiner überwiegenden Mehrheit und der Europaausschuß sogar einstimmig über Jahre hinweg und nachhaltig gegen die Einrichtung einer solchen neuen institutionellen Kammer in Brüssel ausgesprochen haben? - Dies wäre übrigens neben den Ministerräten und dem Europäischen Parlament die dritte Kammer. - Ist Ihre Äußerung im „Spiegel“ so zu deuten, daß dies die Haltung der Bundesregierung ist, oder ist das Ihre private Haltung? Gedenkt die Bundesregierung während ihrer Ratspräsidentschaft in dieser Angelegenheit aktiv zu werden?

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Ich will Ihnen gerne mein Interview hierzu in der „Süddeutschen Zeitung“ zukommen lassen, das ausführlicher ist. Dies ist in der Tat meine persönliche Position zu der Frage, wie ein Europa der - ich nenne einmal eine theoretische Zahl - 30 funktionieren könnte. Ich kann mir dies nur voll parlamentarisiert vorstellen. Die Hauptachse einer zukünftigen europäischen Verfaßtheit wird zwischen der nationalen und der europäischen Ebene verlaufen. Dies zeigt sich auch in der Debatte. Jüngst fand eine bilaterale Konferenz des französischen und des deutschen Außenministers statt, bei der wir fünf Stunden über alle anstehenden bilateralen Fragen und vor allen Dingen über Europa geredet haben. Bei der Erweiterung stellte sich immer wieder die operative Frage: Wohin wollt ihr eigentlich? Wenn man dann die langfristige Perspektive diskutiert, die am Horizont erscheinende Perspektive, bei der man sich noch sehr im Spekulativen bewegen muß, dann findet man etwa in der Erweiterungsdebatte oder in der Frage institutioneller Reformen wieder zurück zu operativen Bestimmungen. In diesem Zusammenhang bin ich der festen Überzeugung, daß wir, wenn wir in Europa substantielle Schritte vorankommen wollen - das ist keine Flucht in das Übermorgen -, parallel zu den anstehenden, praktisch zu lösenden Fragen mit einer Finalitätsdebatte beginnen, also fragen müssen: Wie soll denn dieses Europa in seiner letztlichen, demokratischen Gestalt aussehen? Wie kann es aussehen? Wie sehen die unterschiedlichen nationalen Traditionen und Positionierungen aus? Ich habe vom Kollegen Gerlach, den ich aus meiner hessischen Zeit kenne und sehr schätze, einen bösen Brief bekommen, in dem er mich fragt, wie ich denn dafür sein könne. Er sagt, es gehe nur um das Europaparlament, um sonst gar nichts. Unbeschadet der bisherigen Position bin ich der festen Überzeugung, daß wir niemals einen homogenen kontinentalen Nationalstaat haben werden, sei er auch föderal strukturiert wie in den USA. Denn Sprache, Kultur, Geschichte der europäischen Völker, ihre Vielfalt werden auch unter dem Dach Europa, unter dem politischen Subjekt, unter dem handlungsfähigen Subjekt eines Europa von übermorgen bestehenbleiben. Insoweit müssen die nationalen Staaten und die nationalstaatlichen Traditionen in diese europäische Verfassungsstruktur und auch in die parlamentarische Struktur eingeführt werden. Da die Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu dieser Finalitätsfrage keine Position einnimmt - was bei dem jetzigen Stand der Diskussion auch nicht ratsam wäre -, kann ich in die Debatte nur meine persönliche Meinung als überzeugter Europäer einbringen. Meine persönliche Überzeugung ist es, daß es eine Verzahnung der nationalen politischen Öffentlichkeit und damit auch der nationalen Parlamente mit der europäischen Ebene geben muß. Ich bin mir sicher, daß sich eine europäische Verfassungswirklichkeit im Rahmen einer dann vollendeten europäischen Integration nicht ohne eine starke Rolle der nationalen Parlamente und der Nationalstaaten wird denken lassen, und zwar auf Grund der Vielfältigkeit und Differenziertheit unserer Geschichte und auf Grund unserer Unterschiede. Dazu gibt es unterschiedliche Meinungen, die wohl auch nicht an Parteilinien und Fraktionslinien gebunden sind. - Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage damit beantworten.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der Kollege Stübgen stellt noch eine kurze Zusatzfrage.

Michael Stübgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002280, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ich danke für Ihre Ausführungen. - Können Sie sich vorstellen, daß Sie sich die gegenwärtige Haltung des Europaausschusses zu eigen machen, daß erstens eine zusätzliche, also dritte institutionelle Kammer nicht zur Transparenz der europäischen Politik beitragen würde, sondern daß es besser wäre, die Rechte des Europäischen Parlamentes zu stärken, gerade auch im Hinblick auf die Kommission, auf die Besetzung mit und die Abberufung von Kommissaren, und daß es zweitens notwendig ist, die nationalen Parlamente in ihrer Kontrolle gegenüber ihren nationalen Regierungen und in ihrer gesetzgeberischen Arbeit in den Räten zu stärken? Damit hätten wir die Verkoppelung, von der Sie gesprochen haben, ohne eine zusätzliche dritte Kammer einrichten zu müssen.

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Dem ersten Teil Ihrer Frage stimme ich zu. Wir diskutieren aber vor dem Hintergrund unterschiedlicher Zeitachsen. Es ist überhaupt keine Frage, daß die direkte Stärkung des Europäischen Parlaments jetzt unmittelbar im Vordergrund steht. Ihre Gedanken und Ihre Position bezüglich der Verfassungswirklichkeit eines geeinigten Europas teile ich nicht, auch wenn sie mit der Position des Europaausschusses übereinstimmen. Ich persönlich teile sie nicht, weil die Instrumente nicht ausreichen. Ich habe wirklich genügend parlamentarische Erfahrung, und meine These ist, daß die Regierung - das habe ich in der Opposition ja auch immer wieder erlebt - im Spiel zwischen Brüssel und der jeweiligen Hauptstadt immer stärker sein wird. Vor Ort redet man nach der Devise, das gehe da nicht, und andererseits erzählt man dort, das gehe hier nicht. Das werden Sie nicht aufbrechen können. Es gibt eine ganze Reihe von wichtigen, konstitutiven Fragen, die sich an dieses Modell knüpfen. Es führt nämlich dazu, daß der Ministerrat in Konkurrenz zu Regierungen und zur Kommission stünde und nicht mehr eine exekutiv-legislative Doppelfunktion wahrnähme. Diese Fragen betreffen aber die Verfaßtheit Europas unter finalen Aspekten. Ich finde, die Debatte darüber muß man jetzt unter dem Gesichtspunkt beginnen, daß man Perspektiven entwickelt. Ich stimme Ihnen aber, was die aktuellen Entscheidungshorizonte betrifft, völlig zu, daß die Stärkung des Europäischen Parlaments von zentraler Bedeutung ist, um eine stärkere Parlamentarisierung der EU zu erreichen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verweise darauf, daß ich eine Liste von acht Fragestellerinnen und Fragestellern habe, unsere Zeit aber drängt. Deshalb möchte ich beide Seiten bitten, an die Zeit zu denken. Der nächste Fragesteller ist der Abgeordnete Dr. Ralf Brauksiepe, CDU/CSU.

Dr. Ralf Brauksiepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ich gehe davon aus, daß es die Geschäftsordnung des Hohen Hauses mir als Delegierten des letzten JUDeutschlandtages nicht gestattet, Sie darüber aufzuklären, daß Ministerpräsident Stoiber nicht nur eine sehr begeisternde, sondern auch eine sehr proeuropäische Rede gehalten hat. Ich verzichte deshalb auf diese Belehrung. ({0}) Ich möchte auf das Thema Beschäftigungspolitik zurückkommen. Sie haben hier, wie auch im zuständigen Ausschuß, darauf hingewiesen, daß Sie dem eine große Bedeutung beimessen. Gleichzeitig haben Sie aber auch bei mehreren Gelegenheiten darauf hingewiesen, daß aus Ihrer Sicht die Zeit der finanziellen Großzügigkeit Deutschlands vorbei sei. Von Ihren Beamten haben wir im Europaausschuß gehört, daß die EU nach wie vor eher für die Koordinierung der finanziellen Mittel zuständig ist und nicht für Programme. Nun kenne ich als Abgeordneter aus dem Ruhrgebiet gerade die Probleme mit der hohen Arbeitslosigkeit. Die auf Landesebene und kommunaler Ebene zuständigen Politiker beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit dem Problem der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Für mich leitet sich neben der Frage, wer welche Programme finanzieren soll, daraus auch die Frage ab, ob Sie glauben, daß die Probleme, die von Düsseldorf und den Kommunen im Ruhrgebiet beispielsweise bisher nicht gelöst werden konnten, jetzt in Zukunft von Brüssel aus gelöst werden können. Woraus nehmen Sie gegebenenfalls diesen Optimismus?

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Nein, das glaube ich nicht. Es war nie die Auffassung der Bundesregierung, daß das, was die Kommunen nicht hätten lösen können, jetzt in Brüssel gelöst werde. Das wäre meines Erachtens ziemlich absurd. Die kommunalen Probleme werden auch in Zukunft im Schlagschatten des Kirchturms gelöst werden müssen. Dafür gibt es die kommunale Verantwortung und eine enge Verzahnung mit den Ländern. Es gibt auch Entscheidungen auf Bundesebene, die unmittelbar durchgreifen, etwa zur Finanzverfaßtheit. Die Gelder spielen sicherlich eine große Rolle. Insgesamt gesehen sollen die kommunalen Probleme entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip - Probleme sollen auf der untersten bzw. optimalen Ebene gelöst worden - auch dort gelöst werden. Dennoch ist eine Abstimmung der Politiken innerhalb der EU überaus sinnvoll. Die alte Bundesregierung hat das bisher blockiert und wollte es aus Gründen, die ich nicht geteilt habe, aber vor dem Hintergrund ihrer politischen Positionierung nachvollziehen konnte, nicht. Wir sind der Meinung, daß wir, vor allem in enger Abstimmung mit dem französischen Partner, gemeinsame Initiativen zu einer besseren Koordinierung der Bemühungen, zu entsprechenden Vorgaben, an denen sich die jeweiligen nationalen Politiken zu orientieren haben, ergreifen müssen. Daß es auch eine Bündelung von Anstrengungen gibt, ist die Intention. Das hat aber nichts mit der Lösung kommunaler Probleme zu tun. Im übrigen können Sie sich auf dem Junge-UnionDeutschlandtag begeistern lassen, von wem immer Sie wollen. Ich will auch nicht in Abrede stellen, daß Sie begeistert waren. Ich nehme an, in der gegenwärtigen Lage bedarf es nicht viel, um Sie zu begeistern. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Kollege Brauksiepe, Sie haben noch eine Zwischenfrage.

Dr. Ralf Brauksiepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich behalte jetzt einfach einmal den Informationsvorsprung, den ich als Teilnehmer auch Ihnen gegenüber, Herr Kollege Schlauch und Herr Kollege Fischer, habe. ({0}) Ich bin zuversichtlich und gehe davon aus, daß ich es noch erleben werde, daß sich die Rollen wieder vertauschen. ({1}) Ich möchte deswegen nur noch die Frage anschließen, ob ich es richtig verstanden habe, daß damit für Sie europäische Beschäftigungspolitik in erster Linie Koordinationspolitik ist und daß Sie sich allein von einer besseren Koordinierung durchgreifende Erfolge auf dem Arbeitsmarkt versprechen.

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Ich gehe davon aus, daß gegenwärtig das gesamte Spektrum der Handlungsmöglichkeiten - das hat auch die ausführliche Erörterung heute im Kabinett angesichts der Beschlußfassung über die Schwerpunkte unserer Präsidentschaft gezeigt - in den betroffenen Ressorts beraten wird. Wenn die Bundesregierung abschließend ihre Positionierung vorgenommen hat, werden wir den Deutschen Bundestag gern unterrichten. Im übrigen stimme ich Ihnen zu: In der Tat können Sie - im Gegensatz zu manch anderem Kollegen - davon ausgehen, daß Sie den Rollenwechsel noch erleben.

Dr. Ralf Brauksiepe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003055, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich habe Sie 15 Jahre aktiv verfolgt und werde das auch weiterhin tun.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Aribert Wolf, CDU/CSU.

Aribert Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ich möchte, weil es so schön ist, noch ein bißchen bei dem Thema bleiben. Sie haben davon gesprochen, daß es eine der Hauptaufgaben ist, die Ausgaben zu begrenzen und auf europäischer Ebene einen Beschäftigungspakt zu schaffen. Es ist schon interessant, zu erfahren, was eigentlich unter dieser Überschrift zu verstehen ist. Die bisherige Bundesregierung hatte im Rahmen der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit durchaus entsprechende Maßnahmen auf europäischer Ebene koordiniert. Jetzt ist meine Frage: Wollen Sie eigentlich, wenn Sie etwas Neues und etwas anderes auf europäischer Ebene machen wollen, nur wortreiche Erklärungen verabschieden, die sich in der Aussage erschöpfen, alles anders, aber vieles besser machen zu wollen, und dann aber keine Taten folgen lassen, oder wollen Sie auf europäischer Ebene zusätzlich zu den bisherigen EU-Ausgaben eben doch europäische Arbeitsbeschaffungsprogramme auflegen und finanzieren? Wir hätten gern ein bißchen konkreter gewußt, was unter den tollen Überschriften zu verstehen ist.

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Ich verstehe natürlich Ihre Neugierde und kann auch Ihrer Leidenschaft volles Verständnis entgegenbringen, daß Sie das gern konkreter gewußt hätten. Insofern kann ich Sie beruhigen. Sie werden es auch konkreter erfahren. Nur, da ist gegenwärtig Geduld angesagt. Die Bundesregierung hat ihre diesbezügliche Position noch nicht abschließend beraten. Solange wir sie noch nicht abschließend beraten haben, muß ich Sie auf die Tugend der Geduld verweisen. Wenn wir darüber abschließend beraten haben, werden Sie informiert, und dann werden Sie sicherlich auch zu einem profunden, politisch abgewogenen Urteil kommen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zusatzfrage.

Aribert Wolf (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003269, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das war ja ungeheuer konkret. Sie werden doch sicherlich ein Beispiel haben, über das Sie jetzt intensiv nachdenken. Ich bin ganz bescheiden, nur e i n Beispiel. ({0})

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Ich will Ihnen ein Beispiel nennen, über das wir intensiv nachdenken: Wir denken intensiv darüber nach, wie wir das drängende Problem - das drängendste, das wir von Ihnen geerbt haben - der Massenarbeitslosigkeit jetzt tatsächlich in eine positive Trendwende umwandeln können. ({0}) Darüber hinaus sage ich Ihnen nochmals: Wir sind jetzt in der konkreten Diskussion. Wir sind in der konkreten Ressortabstimmung. ({1}) - Wenn ich Sie wäre, Herr Koschyk, würde ich unter dem Gesichtspunkt „weiß nichts“ wirklich schweigen. ({2}) Darüber hinaus kann ich Ihnen heute keine konkreten Vorstellungen präsentieren. Es würde mich ja jucken, Ihnen konkret zu sagen, welche Subventionen wir zukünftig in Richtung Europa lenken, die wir bisher in südliche Richtung gelenkt haben. Aber leider kann ich Sie heute nicht damit ärgern, diese Vorstellungen zu konkretisieren. ({3})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Manfred Müller, PDS.

Manfred Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002740, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Bundesminister, auch ich will bei den drängendsten Problemen Europas bleiben. Ich finde es sehr erfreulich, daß nach den vielen Absichtserklärungen, die die abgewählte Bundesregierung zu diesem Thema abgegeben hat, Sie nun mit einem europäischen Beschäftigungspakt konkret handeln wollen. Es gibt ein gutes Beispiel dafür, daß geschlossene Pakte dadurch verbindlicher werden, ({0}) daß Sanktionen für diejenigen Mitgliedsländer vorgesehen sind, die sich nicht an diese Vereinbarungen halten: der Stabilitätspakt. Ist daran gedacht, daß im Rahmen des Beschäftigungpakts ähnliche Maßnahmen vorgesehen sind, die allein dafür sorgen können, daß die in diesem Pakt zum Ausdruck kommenden Absichtserklärungen auch verwirklicht werden? Zweite Frage: Ist auch daran gedacht, europäische Fördermittel zukünftig daran zu binden, daß durch ihre Vergabe Arbeitsplätze geschaffen werden sollen? Ist ferner daran gedacht, daß diese Fördermittel zurückzuzahlen sind, wenn die verbindlichen Zusagen bezüglich der Arbeitsplätze nicht eingehalten werden?

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Herr Abgeordneter, ich kann Ihnen nur die gleiche Antwort wie vorhin geben. Es gibt Überlegungen, die schon in Parlamentsdebatten und in anderen Debatten geäußert wurden. Aber die Bundesregierung sieht sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu keiner Konkretisierung in der Lage. Es wäre für unsere Absichten kontraproduktiv, Festlegungen zu einem Zeitpunkt zu treffen, wo es noch Diskussionen auf der regierungsinternen Arbeitsebene gibt und wo erste Abstimmungen mit unseren Partnern - bei allen Themen, die wir auf europäischer Ebene diskutieren, sind wir darauf angewiesen, daß unsere Partner mitmachen - begonnen haben. Es tut mir leid, daß ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr sagen kann.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Helmut Haussmann, F.D.P.

Prof. Dr. Helmut Haussmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000836, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Außenminister, Sie berufen sich auf die Kontinuität der bisherigen Europapolitik. Die Europapolitik von Union und F.D.P. ging immer von der Parallelität von Vertiefung und Erweiterung aus. Dem Bulletin und den Presseberichten können wir entnehmen, daß die Bundesregierung die französische Position übernommen hat. Demnach ist ein Abschluß der institutionellen Reform Voraussetzung für die Aufnahme neuer Mitglieder. Ich stelle Ihnen deshalb die Frage: Bedeutet dies, daß es für osteuropäische Länder auf absehbare Zeit kaum die Chance gibt, in die Europäische Union aufgenommen zu werden?

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Herr Kollege Haussmann, die Bundesregierung sieht sich nach wie vor als Anwalt des Erweiterungsinteresses der mittel- und osteuropäischen Staaten. Europa - das habe ich bei allen Besuchen und in allen Stellungnahmen gesagt; der Bundeskanzler hat sich genauso geäußert - darf nach dem Ende des kalten Krieges kein westeuropäisches Projekt bleiben, sondern muß ein gesamteuropäisches Projekt werden. Allerdings muß man sagen - diese Debatte hatten wir neulich schon einmal geführt; wir werden sie demnächst sehr viel konkreter führen -, daß die Probleme, vor denen wir heute stehen, vor allem die finanziellen und die strukturellen Probleme, in Dimensionen angesiedelt sind, die entsprechende Maßnahmen seitens der Mitgliedstaaten zwingend erforderlich machen. Ich habe mir erlaubt, mich auch bei der Vorgängerregierung kundig zu machen: Eine Erweiterung ohne eine Reform - die Bedeutung der Agenda 2000 wurde von der Vorgängerregierung niemals in Abrede gestellt; im Gegenteil: sie hat massiv darauf hingewirkt, daß dieser Reformprozeß vorankommt - wird die Frage der Finanzierbarkeit des Agrarmarktes aufwerfen und negativ beantworten. Die Bedeutung der Kofinanzierung besteht ja nicht nur darin, die Situation der Nettozahler zu verbessern. Sie ist vor allen Dingen unter dem Gesichtspunkt der Erweiterung von Bedeutung und spielt insoweit auch im deutsch-französischen Dialog eine Rolle, wobei Sie die Haltung Frankreichs, das diese Position ablehnt, sicherlich kennen. Aber die Frage nach der Zukunft des Agrarmarktes und der Handlungsfähigkeit der Union ist im Zusammenhang mit der Erweiterung natürlich aufgeworfen. Überzeugte Europäer in Brüssel - sowohl in der Kommission als auch an anderer Stelle - sowie in den Partnerstaaten sagen: Wenn wir vor der Erweiterung die institutionellen Reformen nicht hinbekommen, werden sie nach der Erweiterung garantiert noch schwerer hinzubekommen sein. All diese Überlegungen müssen angestellt werden. Das heißt für mich aber nicht, daß man das auf die lange Bank schiebt. Vielmehr muß man im Zusammenhang mit der Inkraftsetzung des Vertrages von Amsterdam und mit der Agenda 2000 die Voraussetzungen im Hinblick auf die Struktur der Finanzverfassung sowie die institutionellen Reformen schaffen. Auf diesem Gebiet müssen wir vorankommen, und ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich sage, daß wir von der Vorgängerregierung eine Debatte um genau diese Probleme übernommen haben, die wir jetzt mit unseren franzöBundesminister Joseph Fischer sischen Partnern fortführen und zur Entscheidung bringen wollen. Die institutionellen Reformen im Rahmen der EU halte ich für dringend geboten. Gerade heute haben wir im Kabinett die Ergebnisse der Finanzministerkonferenz erörtert. Der Finanzminister hat zu Recht darauf hingewiesen, daß Mitgliedstaaten eine Konsolidierung ihrer nationalen Haushalte über den Geldfluß aus Brüssel betreiben. Über solche Dinge wird man angesichts knapper werdender Mittel in Zukunft diskutieren müssen. Das ist bekanntlich auch der Grund, warum Deutschland bereits unter der Vorgängerregierung die Nettozahlerdiskussion begonnen hat, die eine Anerkennung im Eigenmittelbericht gefunden hat. Wir bewegen uns in diesem Spektrum. Es ist Realismus angesagt, um die Visionen zum Erfolg zu führen. Aber am Festhalten an diesen Visionen gibt es keinen Zweifel.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage des Kollegen Haussmann.

Prof. Dr. Helmut Haussmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000836, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Eine kurze Nachfrage mit der Bitte um eine Antwort mit Ja oder Nein, Herr Außenminister: Halten Sie den Abschluß der institutionellen Reform für eine unbedingte Voraussetzung für die Erweiterung?

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Ich halte einen Abschluß der institutionellen Reformen - was immer das sein mag; „Abschluß“ klingt sehr abschließend - nicht für zwingend erforderlich.

Prof. Dr. Helmut Haussmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000836, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Danke schön. ({0}) Das wollte ich hören.

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Herr Haussmann, wir sind hier nicht bei Gericht. Ich halte aber die institutionelle Reform für dringend erforderlich, damit wir uns nicht im Gestrüpp der Widersprüche auch zwischen den Interessen der Beitrittsländer und der heutigen Mitgliedstaaten verfangen. Deswegen müssen wir die institutionelle Reform voranbringen. Wir haben mit den Beitrittsverhandlungen ein Zeitfenster, das wir dazu nutzen sollten. Dieses Zeitfenster wollen und müssen wir nutzen. Ich sehe da keinen Widerspruch zu den Positionen, die wir von Frankreich gehört haben. Die Franzosen wollen eine handlungsfähige Europäische Union; wir wollen sie auch. Diese Handlungsfähigkeit muß man in Verbindung mit der Erweiterung sehen. Dies tun wir. So hat es der Bundeskanzler gestern gesagt, und so wiederhole ich es heute hier im Parlament.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Nächster Fragesteller ist der Abgeordnete Christian Schmidt, CDU/CSU.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesminister, ich habe mir einige Fragen aufgeschrieben, die ich nun nicht mehr in die Debatte bringen möchte. Eine jedoch möchte ich auch im Nachgang zu der Frage des Kollegen Haussmann aufrechterhalten. Institutionelle Reform heißt Vertragsänderung. Vertragsänderung heißt harte Arbeit und geht nicht nach dem Motto „Schauen wir einmal“. Vertragsänderung will man, oder man will sie nicht. Herr Lafontaine hat gestern eine persönliche Meinung geäußert, die besagt, wenn ich ihn richtig verstanden habe, er wolle im Bereich der Steuerharmonisierung vom Einstimmigkeits- auf das Mehrheitsprinzip übergehen. Das bedarf einer Vertragsänderung. Sind dies jetzt persönliche Meinungen? Ist das Bundeskabinett heute hinsichtlich der Ziele und Schwerpunkte der deutschen Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union, über die Sie eigentlich berichten wollten, zu einer weiteren Erkenntnis gekommen als nur zu derjenigen, daß es schwierige Fragen sind, die zu behandeln sind? Im Hinblick darauf, daß die deutsche Ratspräsidentschaft in vier Wochen beginnt, hätten wir im Deutschen Bundestag gerne gewußt, wann die Bundesregierung in der Lage sein wird, uns zu sagen, welche Schwerpunkte und Ziele sie sich im Rahmen ihrer Präsidentschaft vornehmen wird. ({0}) Ich weise vorausschauend darauf hin - am 24. Dezember wird Weihnachten sein -, daß wir in den nächsten Tagen und Wochen gerne etwas Konkreteres als dieses unqualifizierte „Schauen-wir-einmal“, mit dem Sie, Herr Minister, uns allen hier die Zeit gestohlen haben, erfahren würden. ({1})

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Angesichts der Vorbereitungen Ihrerseits, die wir nach dem Regierungswechsel vorgefunden haben, ({0}) sich hier hinzustellen und unser Vorgehen mit „Schauen-wir-einmal“ zu umschreiben ist - das muß ich Ihnen ehrlich sagen - ein starkes Stück Dreistigkeit. ({1}) Auf diese künstliche Aufregung möchte ich nicht weiter eingehen. Ich habe Ihnen vorhin gesagt - das wiederhole ich -: ({2}) Für uns ist ein erfolgreicher Abschluß der Agenda 2000, deren Eckpunkte Ihnen wohlvertraut sind - ich kann sie Ihnen hier nochmals auflisten; das ist unsere heutige Ausgangsposition in den Verhandlungen -, eines der wichtigen Ziele, die wir mit der deutschen Präsidentschaft verbinden, und zwar aus den Gründen, die ich Ihnen vorhin dargestellt habe. Dies betrifft die Tatsache, daß wir uns auf Grund des Beginns der Erweiterungsrunde, der Einführung des Euro und der Ratifizierung des Vertrages von Amsterdam in einer Situation befinden, in der wir die notwendigen strukturellen Reformen auf dem finanziellen Sektor, aber auch im Rahmen der Institutionen nicht in Form eines Stillstandes werden vertagen können. - Das ist die Begründung. Daß ich Ihnen heute keine definierte bzw. quantifizierte Verhandlungsposition auf den Tisch lege, müssen Sie verstehen. ({3}) Es wäre eine Eselei sondergleichen, wenn wir unsere Verhandlungsposition quantifiziert in der Öffentlichkeit vortragen würden. Wir sind gegenwärtig dabei, im Rahmen der Präsidentschaftsreise, so wie es bei der letzten deutschen Präsidentschaft war und wie es der Vorgänger, die österreichische Präsidentschaft, getan hat, endgültig die Positionen der anderen auszuloten. Das war ein Teil der Arbeit der letzten Wochen. Wir sind im Benehmen mit der Kommission dabei, dafür die notwendigen quantifizierten Vorbereitungen zu treffen, und wir hoffen, daß der Europäische Rat in Wien die Voraussetzungen noch dergestalt verbessern wird, daß all das, was streitfrei vorher gelöst werden kann, beseitigt wird, so daß wir uns auf die Behandlung der zentralen Frage, der Agenda 2000, konzentrieren können. Ich sage Ihnen aber nochmals: Wir wollen den Erfolg; aber nicht um jeden Preis. Das heißt, die Vorstellung, die manche Mitgliedsländer haben, nämlich daß Deutschland die Präsidentschaft habe und man sich daher auf eine Maximalposition zurücklehnen könne, da die Deutschen den Erfolg bräuchten und daher nach der bisherigen Methode irgendwann doch zusätzliches Geld fließen werde, wird angesichts der dramatischen Haushaltslage, aber auch der innenpolitischen Diskussion in diesem Lande und angesichts der anerkannten Ungleichgewichte, die man dem Eigenmittelbericht der Kommission entnehmen kann, nicht mehr gelten. Deswegen stelle ich fest: Wir wollen einen Erfolg im Hinblick auf den Abschluß der Agenda 2000; aber dieses Mal nicht um jeden Preis. Das muß allen klar sein. Ich bin gerne bereit, Ihnen Konkretisierungen darüber hinaus zu liefern, wenn Sie präzisere Fragen haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine kurze Zusatzfrage, Herr Schmidt.

Christian Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002003, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehe ich es richtig, daß der Verweis auf Ihre noch bevorstehenden Beratungen oder vertraulichen Gespräche in einem heftigen Gegensatz dazu steht, daß Sie beim Thema der NATO-Strategie nicht zimperlich sind, in aller Öffentlichkeit, bevor überhaupt ein vertrauliches Gespräch über Essentiale geführt worden ist, Positionen hinauszuposaunen, und wieso tun Sie das nicht bei diesen heutigen Fragen im Deutschen Bundestag? ({0})

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Ich finde es schon kurios: Da stellen Sie sich hier hin und fragen, warum ich das nicht im Deutschen Bundestag tue. Wir haben heute in zwei Ausschüssen über diese Frage diskutiert. Da kann ich nur sagen: Diese sind Teile des Deutschen Bundestages. Darüber hinaus weise ich die Behauptung, die Sie einfach so in den Raum stellen, daß vorher intern nicht darüber gesprochen worden sei, zurück. ({0}) Ich habe mit verschiedenen Kollegen über diese Themen diskutiert, bevor sie in einem Interview angesprochen wurden. Insofern kann ich Ihnen nur sagen: Die Opposition scheint wirklich ein sehr mühseliges Geschäft zu sein - zumindest so, wie Sie es betreiben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der nächste Fragesteller ist der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, Wolfgang Schäuble.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister Fischer, ich weiß nicht, ob ich das Ergebnis dieser Unterrichtung richtig verstanden habe. Der Chef des Kanzleramtes hat dem Deutschen Bundestag mitgeteilt - das muß man wohl als Ausgangspunkt festhalten -, daß die Bundesregierung beabsichtige, ihn über Ziele und Schwerpunkte der deutschen Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union zu unterrichten. Es ist Inhalt der Unterrichtung - dies hat die Bundesregierung angekündigt und nicht der Deutsche Bundestag -, daß Sie sich in der deutschen Präsidentschaft auf die Umsetzung der Agenda 2000 konzentrieren wollen. Darüber hinaus haben Sie uns darauf aufmerksam gemacht, daß das schwierig ist, was sicherlich zutreffend ist. Dann haben Sie uns noch auf die Fragen des Kollegen Hausmann hin darüber informiert, daß die Formulierungen im Bulletin des deutsch-französischen Gipfels in Potsdam von Ihnen als Außenminister so nicht aufrechterhalten werden, nämlich daß nicht der Abschluß der institutionellen Reformen die Voraussetzung für den Abschluß der Beitrittsverhandlungen gewesen ist. - Das war Inhalt Ihrer Unterrichtung gegenüber dem Deutschen Bundestag.

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Herr Schäuble, ich muß Sie in einem Punkt korrigieren: nicht mit dem Abschluß der Beitrittsverhandlungen. Es ging vielmehr um den Abschluß bei den Beitrittsverhandlungen; das ist der entscheidende Punkt. Insofern ist das, was Sie gerade gesagt haben, nicht das, was vorher Gegenstand der Frage war. Ich bitte Sie, da sehr präzise zu sein. - Ich sehe diesen Widerspruch nicht, antworte Ihnen aber natürlich immer gern. Ich habe natürlich wesentlich mehr gesagt als nur, daß es schwierig ist. Ich habe Ihnen versucht darzulegen, daß wir drei Schwerpunkte setzen, wobei ich einen Schwerpunkt, nämlich die Frage einer europäisch abgestimmten Initiative gegen die Arbeitslosigkeit, zum jetzigen Zeitpunkt nicht weiter konkretisieren kann, weil die Beratungen darüber auch und gerade mit den Partnern im Zusammenhang mit dem deutsch-französischen Gipfel erst begonnen haben. Zum zweiten Punkt im Hinblick auf die Agenda 2000: Hier haben Sie offensichtlich nicht zugehört. Ich bin gerne bereit, dies noch einmal zu präzisieren: Wir haben in den letzten Wochen versucht, die Positionen unserer Partner entsprechend abzuklopfen, zu fragen: In welchem Verhältnis stehen wir zu den Partnern, auf deren Zustimmung wir angewiesen sind, in den wichtigen Punkten betreffend die Agenda 2000? Wenn es für Sie eine abstrakte Angelegenheit ist, innerhalb der EU eine Ausgabenbegrenzung durchzusetzen, dann tut mir das leid; das ist es nämlich nicht. Wenn es uns nicht gelingt, eine Haushaltsobergrenze durchzusetzen - das wird sehr schwierig sein, ist aber einer der wesentlichen Punkte zur Stabilisierung des Ausgabenanstiegs -, werden wir als Nettozahler direkt und unmittelbar leiden - mit den Konsequenzen, die natürlich wiederum auch auf die Erweiterungsfähigkeit zielen. Die Frage, ob die drei Optionsmodelle im Eigenmittelbericht der Kommission auf dem Tisch bleiben oder nicht, ist unter den verschiedenen Partnern höchst umstritten. Es gibt verschiedene Partner, die die Kofinanzierung am liebsten vom Tisch hätten; das wissen Sie doch nur zu gut. Unsere Aufgabe ist es, jetzt durchzusetzen - und das haben wir durchgesetzt -, über das Gesamtpaket zu reden. Nur, jetzt beginnt die mühselige, teilweise bilaterale Arbeit, so etwa auf dem deutschfranzösischen Gipfel. Hier sind wir in der Frage der Kofinanzierung nicht zu einer Einigung gekommen. Dabei ist Kofinanzierung nicht nur ein entscheidendes, essentielles Element zur Reduzierung der deutschen Nettozahlerposition. Es stellt sich vielmehr die Frage - auch das habe ich vorhin gesagt -: Wie soll der Agrarmarkt, um Polen und Ungarn erweitert, sowohl von seinem Management und der Ausgabendisziplin her als auch vom Gesamtvolumen her noch ohne eine entsprechende Kofinanzierung - das heißt: einen nationalen Anteil bei den direkten Einkommensbeihilfen - gefahren werden können? Die Frage, um die es geht, lautet: Welches Modell im Rahmen der Ausgabenbegrenzung wird gewählt? Deutschland könnte mit dem Modell „Verabschiedung von der Berechnungsgrundlage Mehrwertsteuer und Übergang zum Bruttosozialprodukt“ sehr gut leben. Wir würden dabei ein gewisses Plus machen; andere - wie Italien - würden ein Minus machen. Daraus entsteht die Schwierigkeit. Die dritte Möglichkeit, das Kappungsmodell, findet sehr wenig Freunde. Aus all diesen Elementen werden wir einen Kompromiß formen müssen. Die Bundesregierung ist willens und bereit, diesen Kompromiß zu formen. Aber wir werden es auf der Grundlage machen müssen, daß sich alle bewegen, das heißt etwas abgeben. Insofern wird das ein Novum auf europäischer Ebene sein. Denn in der Vergangenheit ist das traditionellerweise - ich kritisiere das nicht - durch Mehrausgaben der reichen Länder geleistet worden. Also, beim besten Willen: Wenn wir das als einen der zentralen Schwerpunkte in den Mittelpunkt unseres Berichtes stellen, werden zumindest unsere Partner das nicht als abstraktes Gerede begreifen. Da wird sehr genau hingeschaut, da finden sehr konkrete Gespräche statt, ohne daß allerdings schon Zahlen eingerückt werden. Doch auch damit verrate ich Ihnen kein Geheimnis, und sie als Opposition würden uns doch - zu Recht angreifen, wenn wir bereits heute hier im Deutschen Bundestag Zahlen einrücken würden. Dann wäre der Vorwurf ein anderer, nämlich: „Was seid ihr denn für Anfänger und Amateure, daß ihr schon vorher Zahlen nennt! Anschließend wird es nur sehr viel teurer.“ Insofern lassen Sie uns, Kollege Schäuble, in dieser Frage doch wieder auf den Boden der Sachlichkeit, die in den vergangenen Jahren in diesem Hause auch regiert hat, zurückkehren. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage des Kollegen Schäuble.

Dr. Wolfgang Schäuble (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001938, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesaußenminister, ich weiß gar nicht, wo Sie den „Boden der Sachlichkeit“ suchen. Sie, die Bundesregierung, haben angekündigt, den Deutschen Bundestag über Ziele und Schwerpunkte der deutschen Präsidentschaft zu unterrichten. Da wird man doch noch fragen dürfen, was der Inhalt dessen ist. Sie müssen es ja nicht ankündigen, wenn Sie nicht unterrichten wollen. Aber es gibt die alte Regel: Wenn einer nichts zu sagen hat, soll er still sein. Um wenigstens noch einen Punkt zu präzisieren, will ich noch diese eine Frage stellen: Sie sagen, wir brauchen eine Deckelung der Ausgaben. Heißt das, daß die europäische Beschäftigungspolitik nur im Rahmen der von Ihnen für notwendig gehaltenen Ausgabenobergrenze betrieben werden soll, oder denken Sie daran, im Rahmen der europäischen Beschäftigungspolitik zusätzliche Ausgaben für die Europäische Union vorzusehen?

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Ich kann Ihnen nur sagen: Wenn wir von einer Begrenzung der Ausgaben ausgehen, dann heißt das Begrenzung der Ausgaben. Das ist der entscheidende Punkt. Ich kann an diesem Punkt nur nochmals die Haltung der Bundesregierung verdeutlichen: Wir wollen eine Ergänzung der nationalen Politiken durch abgestimmte europäische Initiativen. Aber wir wollen an dem Gebot der Subsidiarität, daß das, was national, regional oder lokal zu regeln ist, auch dort geregelt wird, festgehalten. Auch darauf habe ich geantwortet. Offensichtlich war die Frageleidenschaft wesentlich stärker ausgeprägt, als Sie das jetzt darstellen. Da ich zu der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik vorhin nicht mehr gekommen bin - weil die Redezeit auf fünf Minuten begrenzt war -, will ich diesen Punkt gerne jetzt ansprechen: Im Rahmen der Strategiedebatte im Bündnis und im Rahmen der Möglichkeiten, die die Doppelpräsidentschaft bietet, werden wir versuchen, diese Fragen voranzubringen. Daß ich das zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht konkreter sagen kann, liegt an den europäischen Verhältnissen der gemeinsamen außen- und sicherheitspolitischen Identität. Aber sowohl die Initiative, die die Franzosen, namentlich Präsident Chirac, im Spätsommer dieses Jahres unternommen haben, als auch die Aufgabe der Blockadehaltung Großbritanniens, die Blair in seiner Rede in Pörtschach signalisiert hat, deuten darauf, daß Großbritannien und Frankreich eine gemeinsame außen- und sicherheitspolitische Identität ausloten und voranbringen wollen. Konkreter läßt sich dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf der Grundlage des Vorfindlichen nicht definieren. Das Vorfindliche ist: Ausgehend von den bisherigen Bemühungen der Bundesregierung, die noch nicht sehr konkret waren, hat eine Diskussion darüber begonnen, inwieweit eine Verzahnung verschiedener Wege möglich ist, inwieweit innerhalb der NATO eine europäische Säule geschaffen werden kann, die an die WEU gebunden ist. Denn es hat sich gezeigt, daß die WEU ein Instrument ist, das den Neutralen die Möglichkeit gibt, ihre sicherheitspolitischen Interessen nicht nur einzubringen, sondern die sicherheitspolitische Debatte auch mitzugestalten, so schwierig und mühselig das auch ist. Zudem wird der Vertrag von Amsterdam, wenn er denn ratifiziert ist, eine neue Dynamik für „Herrn oder Frau GASP“, das heißt die Ernennung eines Generalsekretärs oder einer Generalsekretärin für Sicherheits- und Außenpolitik, bringen. Die Debatte über diese Stellenbesetzung wird ebenfalls schwierig; sie wird nämlich im europäischen Spannungsverhältnis geführt. Die Frage ist also, ob die nationale „Wir-sind-jetzt-dran-Linie“ oder ob sachliche Aspekte, das Gewicht der jeweiligen Person, zum Zuge kommen. Meine persönliche Überzeugung ist, daß es hier in der Tat einer politischen Besetzung bedarf. Die Persönlichkeit, die diese Aufgabe wahrnehmen soll, muß überzeugend sein. Die Vorgängerbundesregierung hatte dazu - so habe ich gehört - eine andere Auffassung. Ich kann das nicht verifizieren; ich weiß das nicht. Ich kann nur sagen: Man kann sich diese ganze sicherheits- und außenpolitische Identität schenken, wenn man diese Position nach Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam nicht mit einer überzeugenden Persönlichkeit besetzt. Das sind die Fragen, die wir gegenwärtig im Zusammenhang mit der EU- und der WEU-Präsidentschaft zu klären haben. Das sind Fragen zur strukturellen Annäherung. Sie können dieser Bundesregierung keine Vorwürfe machen, daß diese Fragen noch nicht beantwortet sind. Sie gehören aber zu den ganz wichtigen Punkten, die auf die europäische Tagesordnung kommen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch zwei Fragesteller. Deren Fragen lasse ich noch zu. Ich möchte aber darauf verweisen, daß die Fragen und die Antworten zu Lasten der kommenden Fragestunde gehen. Ich erteile jetzt das Wort dem Abgeordneten Ernst Burgbacher, F.D.P.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, Sie haben jetzt mehrfach von Abstimmung der Politiken geredet. Es ist aber keinem meiner Vorredner gelungen, eine konkrete Antwort zu erhalten. Ich will es auf einem anderen Gebiet versuchen, das für mich eine ganz zentrale Bedeutung hat. Gibt es eine Abstimmung der Politiken, was die Rolle der Europäischen Zentralbank betrifft? Das heißt: Gibt es in Potsdam ein Ergebnis, bei dem wir sicher sein können, daß sich der unsägliche Waigelsche Vorstoß ({0}) - Entschuldigung, ich meine natürlich den Lafontainschen Vorstoß -, der zur Verunsicherung der Bevölkerung und der Wirtschaft beigetragen hat, nicht wiederholt? Ist klargestellt, daß die Rolle der Europäischen Zentralbank künftig unangetastet bleiben wird?

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Sie bekommen eine präzise Antwort. Punkt eins: Einen unsäglichen Waigelschen Vorstoß kenne ich; einen unsäglichen Lafontainschen Vorstoß kenne ich nicht. ({0}) Insofern ist auch nichts klargestellt. Punkt zwei. Die Rolle der Europäischen Zentralbank ist gesetzlich definiert. Dazu steht die Bundesregierung.

Ernst Burgbacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003063, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Heißt das, daß künftig Vorstöße unterbleiben werden, wie sie der neue Bundesfinanzminister gemacht hat?

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Auf die allgemeine Frage, ob die Vorstöße unterbleiben, die der Bundesfinanzminister gemacht hat, kann ich Ihnen in dieser Allgemeinheit keine Antwort geben. Sie müßten mir schon konkret sagen, welche Vorstöße Sie meinen, damit ich mich darauf beziehen kann. Sollten Sie allerdings die Frage der Bedeutung der Geldpolitik - auch und gerade jetzt, bei abnehmender Konjunktur - gemeint haben, dann wird man, finde ich, gut beraten sein, sehr ernsthaft darüber nachzudenken, welche Funktion die europäische Geldpolitik im Zusammenhang mit der rückläufigen konjunkturellen Entwicklung in Zukunft hat. Ich halte es für dringend geboten, darüber nachzudenken. Das ist nicht mehr und nicht weniger, als der Finanzminister dem Kabinett vorgetragen hat.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Der letzte Fragesteller ist der Abgeordnete Wolfgang Börnsen, CDU/CSU.

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, im Gegensatz zu Ihnen ist der Bundesfinanzminister gestern konkret geworden. Mir liegt eine englischsprachige Meldung vor, aus der hervorgeht, daß er zusammen mit seinem französischen Kollegen mitgeteilt hat, daß sich die Bundesregierung in Fortsetzung der Bemühungen der alten Bundesregierung darum kümmern wird, in der Frage „duty free“ eine Regelung zu finden. Sie strebt zumindest eine Fortsetzung für die nächsten fünf Jahre an. Es geht dem Bundesfinanzminister dabei um 140 000 Arbeitsplätze in Europa. Können Sie uns mitteilen, was diese Absichtserklärung des Bundesfinanzministers konkret bedeutet?

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Diese Frage darf ich an meine Kollegin weitergeben. Die universale Zuständigkeit des Außenministers in Ehren, aber das würde mich jetzt wirklich überfordern. Das Finanzministerium ist hier vertreten.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Börnsen, im Vorgriff auf die Fragen, die Sie für die anschließende Fragestunde gestellt haben, will ich Ihnen gerne schon jetzt eine Antwort geben. Der Bundesfinanzminister hat gestern die erste Gelegenheit genutzt, dies im Kreise seiner Kollegen im Ecofin-Rat anzusprechen. Leider hat die dort vorgenommene Abstimmung ergeben, daß sich sechs Länder für diese gemeinsame deutsch-französische Initiative und sechs Länder dagegen ausgesprochen haben. Drei weitere haben sich sehr abwartend verhalten; man kann es nicht als förmliche Enthaltung bezeichnen, aber es war eine abwartende Haltung. Dies läßt uns zu der Überzeugung kommen, daß weiterhin eher nicht damit zu rechnen ist, daß die EUKommission, die das alleinige Initiativrecht hat, zur Fortführung der Tax-free-Regelungen tatsächlich initiativ wird. Wir versuchen aber weiterhin, unsere Kolleginnen und Kollegen in den anderen Ländern zu überzeugen. Zur Zeit ist ein Schreiben des Bundesfinanzministers an alle seine Finanzministerkollegen in der Europäischen Gemeinschaft vorgesehen. Ich bin soeben davon informiert worden, daß die schleswig-holsteinische Landesregierung eine besondere Initiative mit den EUPartnern des Ostseeraums, also Finnland, Dänemark und Schweden, die sich bisher sehr zurückhaltend gezeigt haben, unternehmen wird. Wir versuchen es also weiterhin auf allen Ebenen. Aber die gestrige Abstimmung im Ecofin-Rat läßt uns nichts Gutes erahnen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Noch eine Zusatzfrage, bitte.

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, bedeutet das, daß die Frage der Dutyfree-Regelung nicht, wie gestern von seiten des Bundesfinanzministers angekündigt, auf die Tagesordnung der Ratspräsidentschaft der Deutschen kommt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Natürlich kommt das auf die Tagesordnung der deutschen Ratspräsidentschaft; das ist völlig klar. In Vorbereitung der Tagesordnung in der deutschen Ratspräsidentschaft werden jetzt noch andere Vorstöße unternommen. Ich habe Ihnen von den Briefen an alle EU-Finanzminister gerade berichtet. Das dient natürlich der Vorbereitung der deutschen Ratspräsidentschaft zu diesem Punkt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Damit ist die Regierungsbefragung beendet. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksachen 14/85, 14/88 Wir kommen zunächst zu den Dringlichen Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Beide Fragen des Abgeordneten Wolfgang Lohmann, CDU/CSU, werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes. Zur Beantwortung steht der Bundesminister Joseph Fischer zur Verfügung. Ich rufe die Frage 18 des Abgeordneten Hartmut Koschyk, CDU/CSU, auf: In welcher Art und Weise wird die Bundesregierung die Tibet-Resolution „Die Menschenrechtssituation in Tibet verbessern“ ({0}) in ihrer Politik gegenüber der Volksrepublik China aufgreifen und umsetzen?

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Herr Abgeordneter Koschyk, Ihre Frage wurde bereits mit der Antwort auf Ihre Frage aus der Fragestunde vom 18. November 1998 beantwortet. Es heißt dort: Die jüngsten Stellungnahmen der chinesischen Regierung zu den Aufenthalten des Dalai Lama in Deutschland und den USA zeigen den hohen Grad an Mißtrauen auf beiden Seiten. Voraussetzung für Fortschritte in der Tibet-Frage ist ein von Vertrauen auf beiden Seiten getragener Dialog zwischen der chinesischen Regierung und dem Dalai Lama. Das Zustandekommen solcher Gespräche zu fördern ist nicht nur zentrales Element der Politik der Bundesregierung, sondern auch der gemeinsamen TibetPolitik der Europäischen Union. Die Verbesserung der Menschenrechtssituation in Tibet ist ein beständiges Anliegen sowohl des im August 1997 wiederaufgenommenen bilateralen Menschenrechtsdialoges der Bundesregierung mit der chinesischen Regierung als auch des Menschenrechtsdialoges der EU mit China. Im August bzw. Oktober 1998 fanden hierzu weitere nützliche Gesprächsrunden in Peking statt.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesaußenminister, ich meine, daß meine Frage, zu der Sie gerade Stellung genommen haben, mitnichten beantwortet ist. Denn ich hatte gefragt, ob die Bundesregierung bereit sei, die Tibet-Resolution „Die Menschenrechtssituation in Tibet verbessern“, die der Deutsche Bundestag in der vergangenen Legislaturperiode mit allen Stimmen des Hauses angenommen hat, in ihrer Politik gegenüber der Volksrepublik China aufzugreifen und umzusetzen. Es hat mich schon gewundert, daß Herr Staatsminister Verheugen und auch Sie sich nicht klar dazu äußern, ob die Bundesregierung bereit ist, diese TibetResolution, die damals natürlich zu großem Befremden auf der chinesischen Seite geführt hat, in ihrer ChinaPolitik aufzugreifen und umzusetzen.

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Aber, Herr Kollege Koschyk, dann will ich Ihnen denselben Sachverhalt mit anderen Worten darlegen: Wir haben ein massives Interesse daran, daß die Menschenrechtssituation in Tibet verbessert wird. Dies setzt voraus, daß nicht nur die Menschenrechte der Tibeter in Tibet beachtet werden; vielmehr setzt dies auch voraus, daß ein Ausgleich zwischen der Führung der Volksrepublik China und dem Dalai Lama herbeigeführt wird. Die neue Bundesregierung steht mit ihrer Auffassung in der Kontinuität der alten Bundesregierung. Wir verfolgen eine „Ein China“-Politik, das heißt, wir unterstützen keine Sezessionsbestrebungen, setzen uns aber für die Beachtung der Menschenrechte und der Religionsfreiheit der Menschen in Tibet ein. Wir sind sehr hoffnungsvoll, daß gerade auch die jüngsten Gespräche auf parlamentarischer Ebene, die im Sommer stattgefunden haben, und weitere politische Gespräche durchaus zu einer Perspektive - mehr will ich dazu jetzt nicht sagen führen können, die zu einem Ausgleich, zu einer Überwindung des Mißtrauens zwischen beiden Seiten beitragen kann. Das ist die Voraussetzung dafür, daß sich die Dinge hier substantiell verändern. Wir wissen uns den politischen Zielen der Tibet-Resolution verpflichtet, der ich persönlich zugestimmt habe. Wir versuchen selbstverständlich, diese Politik mit den Möglichkeiten, die wir haben, jetzt weiter zu betreiben und voranzubringen. Insofern sehe ich hier keine Veranlassung zur Konfrontation.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Zusatzfrage, bitte.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Bundesaußenminister, gehört dazu auch, daß die Bundesregierung dann - wie das die Vorgängerregierung in der Vergangenheit auch getan hat -, wenn sich die Situation nach Beurteilung der Bundesregierung nicht verbessert, das Thema „Menschenrechtssituation in Tibet“ bei Bedarf auch zum Thema der jährlichen Beratung der UNMenschenrechtskommission in Genf machen wird?

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Es wäre in der gegenwärtigen Situation verfehlt, auf die Frage „was wäre, wenn“ zu antworten. Gerade in diesem Bereich, in dem über die Überwindung von Mißtrauen gesprochen wurde, wäre es verfehlt, wenn wir jetzt „Was wäre, wenn“-Debatten führten. Es ist selbstverständlich, daß wir für die Menschenrechte eintreten und daß wir alle Instrumente, die uns zur Verfügung stehen, nutzen, um die Menschenrechtssituation zu verbessern. Wo wir das nicht tun können, werden wir die Verletzung der Menschenrechte anprangern. Es ist vorstellbar, daß es in sehr harten Fällen zu Ächtungen kommen kann. Aber die Anwendung der Instrumente bezieht sich nicht auf einen einzelnen, konkreten Staat. Wir setzen gerade im deutsch-chinesischen Verhältnis - und ich bedauere sehr, daß es eine ganz erhebliche Belastung des Verhältnisses durch die Art und Weise der Festnahme eines deutschen Journalisten in Peking gegeben hat, die für uns bis heute nicht ausreichend aufgeklärt und erläutert werden konnte - auf eine Verbesserung, auch und gerade unter dem Gesichtspunkt der Verbesserung der Menschenrechtssituation in Tibet. Ich möchte betonen, daß die Ansätze der Gespräche, die auf parlamentarischer Ebene stattgefunden haben, weiterverfolgt werden sollen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Schwaetzer, Sie haben eine weitere Zusatzfrage, bitte.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Bundesminister, Ihr Menschenrechtsbeauftragter, der frühere Kollege Gerd Poppe, hat die frühere Bundesregierung und den früheren Außenminister gerade in der Frage der Umsetzung der Tibet-Resolution mehrfach massiv angegriffen. Sie antworten nun für die jetzige Bundesregierung in der Kontinuität der alten Bundesregierung. Sie berufen sich gleich mehrfach auf sie, was ich begrüße. Meine Frage ist: Ist Ihr Menschenrechtsbeauftragter mit Ihrer Linie einverstanden, oder hat er Ihnen noch nicht vorgeschlagen, wie Sie Ihre Aktivitäten verstärken können?

Joseph Fischer (Minister:in)

Politiker ID: 11000552

Frau Schwaetzer, Sie wissen doch ganz genau, daß es in den letzten Monaten interessante Veränderungen - um es einmal sehr zurückhaltend zu formulieren - in diesem gesamten Problemkomplex gegeben hat, und zwar derart, daß wir in der Tat hoffen können - das ist ein ganz zartes Pflänzchen -, daß es zu einer positiven Entwicklung und zu einem ersten Ansatz der Überwindung von Mißtrauen zwischen der chinesischen und der tibetischen Seite, soweit sie vom Dalai Lama repräsentiert wird, kommen könnte. Wir alle miteinander tun sehr gut daran - die Kolleginnen und Kollegen im Hause sind daran nicht ganz unbeteiligt -, diese zarten Pflänzchen, unbeschadet unserer klaren Haltung, zum Wachsen zu bringen, um damit substantielle Verbesserungen herbeizuführen. Das ist die Auffassung der Bundesregierung, das ist die Auffassung des Auswärtigen Amtes, des dafür zuständigen Ministers und aller seiner Mitarbeiter. ({0}) - Ich will mich jetzt darüber nicht streiten. Wenn Ihnen das so wichtig ist, dann sage ich Ihnen an diesem Punkt: Kontinuität unter veränderten Bedingungen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Simone Probst zur Verfügung. Ich rufe zunächst die Frage 1 des Abgeordneten Ulrich Heinrich, F.D.P., auf: Beabsichtigt die Bundesregierung in der 14. Legislaturperiode, auf eine Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes hinzuwirken?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Herr Kollege Heinrich, dankenswerterweise haben Sie die Frage sehr direkt gestellt. Deshalb ist sie ganz einfach mit Ja zu beantworten.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Es ist immer schön, eine klare Antwort von der Regierung zu bekommen. Deshalb gehe ich davon aus, daß Sie auch eine Nachfrage mit entsprechender Klarheit beantworten können. Sie haben gesagt, Sie wollen eine Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes in Angriff nehmen. Welche Schwerpunkte wird diese Novelle haben? Wird eine Ausgleichsregelung für die Forst- und Landwirtschaft, wie von mir in der Frage angesprochen, weiterhin substantiell erhalten bleiben?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Mit der Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes verfolgen wir das Ziel, ein großes Biotopverbundsystem zu erreichen. Unser Ziel ist es, 10 Prozent der Landesfläche unter Schutz zu stellen. Die dafür notwendigen Gesetzesänderungen prüfen wir gerade. Die Ausgleichsregelung ist in Frage 2 angesprochen. Ihre erste Frage war einfach, ob wir beabsichtigen, das Bundesnaturschutzgesetz zu novellieren. Können wir zu Frage 2 übergehen?

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen damit zur Frage 2 des Abgeordneten Ulrich Heinrich, F.D.P.: Wenn ja, wird die Bundesregierung dann der Ankündigung des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Jürgen Trittin, folgen und in dem betreffenden Gesetzentwurf die Ausgleichsregelung für Land- und Forstwirte aufheben bzw. einschränken oder den Forderungen des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, KarlHeinz Funke, nachkommen, der wiederum die Ausgleichsregelung in unveränderter Form beibehalten will?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

In der Frage der Ausgleichsregelung für Landund Forstwirte ist noch keine Entscheidung getroffen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Wie habe ich das zu verstehen? Sind nach wie vor die Meinungsverschiedenheiten zwischen Ihrem Haus, Minister Trittin und dem Landwirtschaftsministerium existent?

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Nein. Sie haben das so zu verstehen: In der nächsten Umweltausschußsitzung wird der Bundesminister das Vorhaben für die 14. Legislaturperiode vorstellen. Wir erarbeiten den Gesetzentwurf. Sie sind Geschäftsführer; Sie kennen den Gang der Dinge. Sie sind mit Ihrer Frage einfach zu früh. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage der Kollegin Schwaetzer, bitte.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Parlamentarische Staatssekretärin, wir möchten Ihnen mit unseren Fragen sozusagen schon Hinweise geben, in welcher Richtung Ihr Gesetzesvorhaben besonders durchleuchtet wird. Da interessiert mich ganz besonders, ob Sie auch bereit sind, Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und entsprechende Verbände in die Vorbereitung Ihres Gesetzes einzubeziehen. Denn eine Ausweitung, also das, was Sie als Ziel genannt haben, nämlich ein Verbundsystem von 10 Prozent, wird drastische Auswirkungen auf die Entwicklungsmöglichkeiten des ländlichen Raums haben.

Simone Probst (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002753

Wir wollen ein gutes Gesetz machen. Deshalb werden wir selbstverständlich möglichst viele Verbände einbeziehen. Ich denke, daß diese Diskussion im kommenden Jahr, in der kommenden Zeit einer der Schwerpunkte werden wird. Uns ist bewußt, daß die Ausgleichsregelung - das war die Frage von Herrn Heinrich - einer der zentralen Punkte ist, zu denen wir großen Diskussionsbedarf haben.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten auf. Zur Beantwortung steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär Dr. Gerald Thalheim zur Verfügung. Ich rufe die Frage 3 der Abgeordneten Dr. Sabine Bergmann-Pohl, CDU/CSU, auf: Wie wird Deutschland bei der im Dezember 1998 geplanten Abstimmung der EU-Staaten im Ausschuß für Tierernährung über das Verbot von Antibiotika im Tierfutter abstimmen, und um welche Antibiotika handelt es sich?

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Frau Kollegin Bergmann-Pohl, die Europäische Kommission hat Mitte November 1998 einen Vorschlag für die Rücknahme der Zulassung der antibiotischen Leistungsförderer Zink-Bacitracin, Spiramycin, Virginiamycin und Tylosinphosphat vorgelegt. Die Kommission begründet ihren Vorschlag mit der jüngsten Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation, derzufolge solche Antibiotika, die auch als Humanarzneimittel zugelassen sind oder die eine Kreuzresistenz gegenüber Humanantibiotika selektieren, nicht mehr als Futtermittelzusatzstoffe zugelassen werden sollten. Die Bundesregierung setzt sich für ein europaweites Verbot aller antibiotisch wirksamen Futtermittelzusatzstoffe ein. Deutschland wird deshalb dem Vorschlag der Europäischen Kommission zustimmen, zunächst die antibiotischen Leistungsförderer, die oben genannt wurden, zu verbieten. Die Bundesregierung wird darüber hinaus darauf drängen, daß auch auf die weiteren als Leistungsförderer eingesetzten antibiotischen Stoffe aus Vorsorgegründen so bald wie möglich verzichtet wird. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage bitte, Frau Kollegin.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin, ich muß erst einmal etwas klären. Herr Staatssekretär, ich glaube, Sie haben auf beide Fragen in einem Guß geantwortet. Oder haben Sie mir noch etwas zu Frage 2 zu sagen?

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Ja, selbstverständlich.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist prima. Dann stelle ich Ihnen eine Zusatzfrage zu Frage 1. Jetzt werden vier spezielle Antibiotika verboten; dem werden Sie zustimmen. Aber es gibt ja weitere Antibiotika, die unbedingt zu verbieten sind. Darin sind sich die Experten einig. Welche Antibiotika werden, ganz konkret, in Kürze noch verboten werden?

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Frau Kollegin Bergmann-Pohl, es steht noch nicht fest, ob sie verboten werden. Sie wissen, daß die Kommission einen Vorschlag gemacht hat, über den natürlich erst noch zu entscheiden ist. Zum zweiten Teil Ihrer Frage: So einig sind sich die Experten leider nicht. Es gibt sehr viel Skepsis und wenig belastbare wissenschaftliche Ergebnisse, daß die Gefahren tatsächlich in dieser Dimension vorhanden sind.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann würde ich gleich zu meiner zweiten Zusatzfrage kommen, Herr Staatssekretär. Damit die Experten mehr Sicherheit bekommen, müßten ja mehr Forschungen durchgeführt werden. Welche Forschungen werden von Ihrem Ministerium unterstützt?

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Frau Präsidentin, wenn ich an dieser Stelle zur Beantwortung der nächsten Frage kommen könnte, die die Antwort zum Teil enthält, wäre ich Ihnen dankbar.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ja. Es gibt aber zuerst noch eine Zusatzfrage des Kollegen Ulrich Heinrich.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatssekretär, sind in Ihrem Ministerium Arbeiten für einen nationalen Alleingang bei Verboten von bestimmten Antibiotika in Vorbereitung?

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Sie wissen, daß sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Koalitionsvereinbarung dazu verpflichtet haben, einen entsprechenden Vorstoß auf EU-Ebene zu unternehmen. Sie wissen aber auch, daß es dazu notwendig wäre, eine Richtlinie auf europäischer Ebene zu ändern und daß dazu die entsprechenden Mehrheiten erforderlich sind. Vor allen Dingen sind eben belastbare wissenschaftliche Daten erforderlich, die zur Zeit noch nicht vorliegen.

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Darf ich noch einmal nachfragen?

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Das steht Ihnen leider nicht zu. Nur der Fragesteller hat zwei Zusatzfragen. ({0}) Ich kann Ihre Frage nicht zulassen.

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Nein. Das ist nicht möglich, weil wir hierbei an die europäischen Regelungen gebunden sind. Vizepräsidentin Petra Bläss

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe jetzt die Frage 4 der Kollegin Dr. Bergmann-Pohl auf: Wird die vom Bundesministerium für Gesundheit initiierte interministerielle Arbeitsgruppe ein generelles Verbot von Antibiotika im Tierfutter im Rahmen der Massentierhaltung in der Europäischen Union empfehlen? Bitte, Herr Staatssekretär.

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Frau Kollegin Bergmann-Pohl, Ziel der vom Bundesministerium für Gesundheit im Juli des Jahres einberufenen interministeriellen Arbeitsgruppe ist eine umfassende Analyse der Anwendung von Antibiotika in Humanmedizin, Veterinärmedizin und Tierernährung unter dem Aspekt der Resistenzproblematik. Die Arbeitsgruppe hat bisher zweimal beraten. Zur Zeit wird das vorhandene Datenmaterial analysiert. Schlußfolgerungen aus den Aktivitäten der Arbeitsgruppe werden erst nach weiteren Beratungen möglich sein; diesen Schlußfolgerungen und Empfehlungen der Arbeitsgruppe wird die Bundesregierung nicht vorgreifen. An diesem Punkt möchte ich zur Beantwortung Ihrer vorangegangenen Frage kommen: Der im September abgewählten Bundesregierung wäre es anheimgestellt gewesen, schon viel früher eine derartige Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen. Damit hätten wir heute in viel stärkerem Umfang wissenschaftliche Erkenntnisse, die Aktivitäten der Bundesregierung in dem Sinne, wie sie von Ihnen gefordert werden, möglich machen würden. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage bitte, Frau Kollegin.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, vielleicht ist Ihnen nicht entgangen, daß diese interministerielle Arbeitsgruppe von mir initiiert und auch eingesetzt wurde. Das war ein nicht ganz leichtes Unterfangen, auch im Hinblick auf die Meinungen der Beamten im Landwirtschaftsministerium. Aber ich bin ja froh, daß Sie das vorantreiben wollen, und möchte Sie dabei gern unterstützen. Da Sie vorhin davon gesprochen haben, daß man ein generelles Verbot von Antibiotika als Leistungsförderer im Tierfutterbereich anstrebt, hätte ich jetzt noch die Frage. Da Herr Minister Funke gesagt hat, wenn es zu keiner EU-weiten Regelung käme, würde er einen nationalen Alleingang befürworten: Wie ist das mit Ihrer Antwort auf die Frage von Herrn Heinrich zu vereinbaren? Denn das ist ja nun in einem Interview im „Focus“ dokumentiert. Wie will Herr Minister Funke das realisieren, und welchen Nutzen hätte dieser nationale Alleingang?

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Frau Kollegin, wir müssen uns hier natürlich an das Verfahren halten und als erstes belastbares Datenmaterial vorlegen. Sie kennen ja die entsprechende Richtlinie auf europäischer Ebene. Es muß dargestellt werden, daß die Zulassungsvoraussetzungen für derartige Stoffe nicht mehr gegeben sind, indem die Wirksamkeit in Zweifel gezogen wird und die gesundheitliche Unbedenklichkeit nicht mehr bescheinigt werden kann um diese dreht es sich ja offensichtlich an diesem Punkt -, die Kontrollierbarkeit usw. Erst wenn wir dort scheitern, ist es möglich und wird es entsprechende Vorstöße geben, die Ratsrichtlinie insgesamt aufzuheben. Aber wie Ihnen zweifellos bekannt ist, müssen wir - da kann ich mich nur wiederholen - entsprechend belastbares wissenschaftliches Datenmaterial vorlegen, weil auch in diesem Fall die Wettbewerbsregeln der Europäischen Union greifen und uns am Ende, wenn wir ohne entsprechende Begründung, vor allem im Hinblick auf die gesundheitliche Gefährdung, vorgingen, ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln unterstellt würde.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Zusatzfrage.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000155, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Staatssekretär, was würden Sie in der Wertigkeit höher einstufen, die Resistenzentwicklung gegenüber Antibiotika in der Humanmedizin oder den ungezielten Einsatz von Antibiotika als Leistungsförderer in der Tiermedizin?

Dr. Gerald Thalheim (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002311

Selbstverständlich ist der Gesundheitsschutz höher einzustufen. Aber ich kann mich nur wiederholen: Wenn diese These, die Sie hier in den Raum stellen, so belegbar wäre oder wenn Sie die Gefährdung so sehen, hätten Sie zu einem viel früheren Zeitpunkt in Ihrer Verantwortung damals als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit entsprechende Forschungsaufträge initiieren können, ({0}) damit das Material heute vorläge. Es liegt offensichtlich nicht vor, und es gibt im Rahmen der europäischen Union auch eine sehr unterschiedliche Bewertung, wobei schon das Verbot der von mir genannten Antibiotika als Zusatzstoffe für die Tierernährung in Zweifel steht, erst recht ein generelles Verbot, zumal auch weltweit entsprechende Stoffe eingesetzt werden. ({1})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Ulrike Mascher zur Verfügung. Ich rufe die Frage 5 der Abgeordneten Christine Ostrowski, PDS, auf: Wird der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Walter Riester - in Anbetracht der Tatsache, daß die Verhandlungen über den Verkauf von ca. 72 000 Wohnungen der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten ({0}) bereits durch die ehemalige Bundesregierung unter dem Vorbehalt der Genehmigung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung abgeschlossen wurden -, die Genehmigung für den Verkauf von ca. 72 000 Wohnungen an private Käufer erteilen, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Frau Abgeordnete Ostrowski, die Verhandlungen über die Veräußerung der Beteiligung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte an der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Angestellten-Heimstätten - das ist die volle Bezeichnung der GAGFAH - sind noch nicht abgeschlossen. Die Einwilligung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zur Veräußerung wird nur erfolgen, wenn die im Gesetz, nämlich in § 293 Abs. 3 SGB VI, genannten Bedingungen erfüllt sind.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Ostrowski, bitte, eine Zusatzfrage.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Sie sind ja Vertreterin einer SPD-geführten Regierung. Die SPD hatte sich seinerzeit, als sie noch in der Opposition war, mehrmals auch zu dem geplanten Verkauf der GAGFAHWohnungen geäußert, unter anderem in der Drucksache 13/7091, andere Wege aufgezeigt. Damals ging es um eine Holding. In der Koalitionsvereinbarung haben sich beide regierungstragenden Parteien geäußert: Bei der Privatisierung bundeseigener Wohnungsbestände gehen wir sozialverträgliche Wege - jetzt kommt es, darauf kommt es mir an wie Kaufangebote an Kommunen und Länder, Genossenschaftsgründungen, Mieterprivatisierung zur Vermögensbildung und Altersvorsorge oder Erhalt einzelner Gesellschaften bei größerer Wirtschaftlichkeit. Ich will als erstes nachfragen: Sehen Sie denn noch Chancen, Ihre eigenen Zielstellungen, zum Beispiel in bezug auf die GAGFAH-Verhandlungen, zu erfüllen, so daß Sie den Verkauf an dieses japanische Bankenkonsortium zum Beispiel noch zurückfahren können, oder wie sehen Sie das?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ich kann Ihnen dazu im Moment keine Antwort geben, weil der Veräußerungsprozeß noch nicht abgeschlossen ist. Wir werden eine Veräußerung nur vornehmen, soweit sie sozialverträglich und sozial verantwortbar ist. Sie können sich darauf verlassen, daß auch die Regierungsfraktionen sehr darauf achten werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine zweite Zusatzfrage.

Christine Ostrowski (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001662, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Es gibt Warnungen auch von seiten der SPD-Kollegen. Man warnt vor dem Verkauf der GAGFAH-Wohnungen an Dritte deshalb, weil die GAGFAH in die Schwankungsreserve der Rentenversicherung einbezogen ist und man durch den Verkauf an Dritte eine Belastung der Rentenbeitragszahler erwartet. Wie sehen Sie das?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Frau Kollegin Ostrowski, Sie können sicher sein, daß wir hinsichtlich der Veräußerung von GAGFAH-Wohnungen nichts tun werden, was die Schwankungsreserve zusätzlich belastet. Wir haben gerade Maßnahmen ergriffen, den Rentenversicherungsbeitrag ab dem 1. April nächsten Jahres zu senken. Wir werden diese Absicht, den Rentenversicherungsbeitrag zu senken, nicht durch einen Verkauf, der die Schwankungsreserve mindert, gefährden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Damit kommen wir zur Frage 6 des Abgeordneten Wolfgang Meckelburg, CDU/CSU: Beabsichtigt die Bundesregierung, die bisherige Methode bei der Ermittlung der Arbeitslosenquote und/oder bei der Ermittlung der Zahl der Arbeitslosen zu ändern, und wenn ja, in welcher Art und Weise?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Abgeordneter Meckelburg, die Bundesregierung beabsichtigt weder die Methode bei der Ermittlung der Arbeitslosenquote noch bei der Ermittlung der Zahl der Arbeitslosen zu ändern.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage, bitte, Herr Kollege.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich möchte dennoch nachfragen. Da Sie in der Vergangenheit in der Rolle der Opposition häufig den Vorwurf erhoben haben, die Arbeitslosenstatistik werde durch bestimmte Maßnahmen, die wir für richtig hielten, unberechtigterweise nach unten korrigiert: Kann man nun davon ausgehen, daß Sie die damalige Kritik jetzt umsetzen und diese Kriterien ändern?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Meckelburg, unsere Kritik hat sich ja darauf bezogen, daß sich die Arbeitslosenquote im Wahljahr durch kurzatmige Maßnahmen, zum Beispiel ABM, günstiger dargestellt hat, als die reale Lage leider immer noch ist. Diese Kritik bleibt historisch auch richtig. Diese hat sich nicht auf die statistische Erfassung bezogen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bitte, Herr Kollege Meckelburg.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, im Zuge der anstehenden europäischen EntVizepräsidentin Petra Bläss scheidungen möchte ich noch die Frage stellen, ob Sie sich möglicherweise im Rahmen einer irgendwie gearteten europäischen Harmonisierung auch im Bereich der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik aktiv daran beteiligen oder sich notfalls zwingen lassen, bei der Arbeitslosenstatistik zu anderen Zählweisen zu kommen.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

In der Tat besteht das Problem, daß sich zwischen der Veröffentlichung der Arbeitslosenquote durch die Bundesanstalt für Arbeit und der Veröffentlichung durch die EUKommission eine gewisse Differenz ergibt. Dazu ist festzustellen, daß die Mitgliedsländer der EU jeweils eigene Arbeitslosenstatistiken haben. Diese folgen nationalen rechtlichen Vorschriften der Arbeitslosenversicherung. Dadurch sind die nationalen Arbeitslosenquoten nicht miteinander vergleichbar. Um die Arbeitslosenquoten dennoch vergleichen zu können, führen die nationalen statistischen Ämter im Auftrag der EU jedes Jahr eine Arbeitskräfteerhebung mit einem einheitlichen Fragenkatalog durch. In Deutschland geschieht dies im Rahmen des Mikrozensus. In dieser Arbeitskräfteerhebung wird unter anderem nach eventueller Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche sowie nach Erwerbstätigkeit gefragt. Wegen der unterschiedlichen Erfassung der Arbeitslosen in unserer bundesrepublikanischen Statistik und in der Arbeitskräfteerhebung für die EU weichen die jeweils errechneten Quoten voneinander ab. So kann zum Beispiel von der Bundesanstalt für Arbeit eine Person als arbeitslos registriert werden, die bis zu 14 Stunden pro Woche arbeitet, nach der EU-Statistik sind dagegen alle Personen, die auch nur eine Stunde pro Woche Arbeit haben, erwerbstätig und nicht arbeitslos. Hierdurch erklären sich auch manche sehr guten Arbeitslosenstatistiken anderer europäischer Länder. Die einmal jährlich im Rahmen der Arbeitskräfteerhebung ermittelten Arbeitslosenzahlen liegen erst nach etwa einem Jahr vor. Um aktueller zu sein, müssen sie daher an Hand der monatlichen nationalen Arbeitslosenstatistiken fortgeschrieben werden. Unter dem Strich heißt das: Es gibt eine solche europaweite Arbeitslosenstatistik, die nach anderen Verfahren ermittelt wird als unsere bundesrepublikanische Statistik. Sie ist notwendig, um überhaupt Vergleichszahlen zu haben.

Wolfgang Meckelburg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001452, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich hatte aber gefragt, ob Sie anstreben, in Richtung europäische Harmonisierung zu gehen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Meckelburg, Sie haben schon zwei Zusatzfragen gestellt.

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Über die Versuche, zu einer einheitlichen europäischen Statistik zu kommen, hinaus gibt es gegenwärtig keine Anstrengungen, weitere Harmonisierungen vorzunehmen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt noch eine Zusatzfrage des Kollegen Peter Dreßen, SPD.

Peter Dreßen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002642, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, könnte es vielleicht sein, daß die Ängste des Kollegen Meckelburg daher rühren, daß die alte Bundesregierung permanent an der Arbeitslosenstatistik herumzufeilen versucht hat, und er vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen Angst hat, daß das jetzt so weitergeht?

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Ich habe keine Zweifel an der Seriosität der statistischen Erhebungen der Bundesanstalt für Arbeit. Ich habe schon bei meiner ersten Antwort darauf hingewiesen, daß die Manipulationen bei den Arbeitslosenzahlen sich vor allen Dingen dadurch ergeben haben, daß im Wahljahr ganz kurzfristige Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Gang gesetzt worden sind, um die Arbeitslosenstatistik besser und erfreulicher zu gestalten. Diese wären am Ende des Jahres ausgelaufen. Die jetzige Bundesregierung wird für eine Stabilisierung der Arbeitsmarktpolitik sorgen; ich hoffe, daß alles das, was hier begonnen worden ist, zu einer Verbesserung der Arbeitslosenzahlen jenseits irgendwelcher statistischer oder sonstiger politischer Manipulationen führt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Weiß, Sie haben auch noch eine Zusatzfrage, bitte.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem Sie so nachhaltig auf das Thema Entlastung für den Arbeitsmarkt durch ABM und die Auswirkungen auf die Arbeitslosenstatistik hingewiesen haben, möchte ich Sie fragen: Haben Sie zur Kenntnis genommen, daß der DGB kürzlich mitgeteilt hat, daß der deutsche Arbeitsmarkt heute schon und vor allen Dingen künftig durch die demographische Entwicklung und den Rückgang der Migrationszahlen massiv und nachdrücklich entlastet wird, weil die Zahl sowohl der Spätaussiedler als auch der zuziehenden Ausländer generell zurückgeht, so daß wir in diesem Jahr zum ersten Mal ein Minus in der Bevölkerungsstatistik Deutschlands haben werden? Ist die neue Bundesregierung bereit, diese sich durch die demographische Entwicklung und die Wanderungsbewegungen ergebenden Entlastungen auch gesondert in ihren Arbeitslosenstatistiken auszuweisen? ({0})

Ulrike Mascher (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001432

Herr Kollege, es wäre ja durchaus wünschenswert, wenn die demographische Entwicklung eine solche nachhaltige Entlastung auf dem Arbeitsmarkt bringen würde. Aber alle Untersuchungen, auch die der vom Bundestag eingesetzten Enquete-Kommission für den demographischen Wandel, haben gezeigt, daß der Arbeitsmarkt durch die demographische Entwicklung frühestens ab den Jahren 2005 bis 2010 entlastet wird. Darüber hinaus ist Ihnen sicherlich auch bekannt, daß wir eine erhebliche stille Reserve insbesondere von Frauen haben, die zwar nicht arbeitslos gemeldet sind, aber durchaus eine Erwerbstätigkeit wünschen und für sich zu realisieren versuchen. Ich denke, daß durch den demographischen Wandel jedenfalls im Jahr 1999 keine Entlastungen entstehen. Deshalb halte ich eine gesonderte statistische Ausweisung nicht für besonders erkenntnisfördernd. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es steht Ihnen keine Zusatzfrage zu, da Sie nicht der Fragesteller sind. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesminister der Verteidigung. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte zur Verfügung. Ich rufe die Frage 7 des Abgeordneten Norbert Hauser, CDU/CSU, auf: Wie steht der Bundesminister der Verteidigung zu den Plänen des Katholischen Militärbischofsamtes ({0}), nach Berlin umzuziehen vor dem Hintergrund des Berlin/Bonn-Gesetzes vom 26. April 1994, in dem festgelegt ist, daß das Bundesministerium der Verteidigung mit dem ersten Dienstsitz und der gesamte Politikbereich Verteidigung in Bonn verbleiben, sowie angesichts der Beschlußfassung des Deutschen Bundestages vom 20. Februar 1997 ({1}) zur Petition 5-1314-5821-027004, in der es heißt, daß sich aus der Geschichte des KMBA in Verbindung mit Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 der Päpstlichen Statuten für die Militärseelsorge in der deutschen Bundeswehr eindeutig ergebe, daß das KMBA dort seinen Sitz haben sollte, wo das Bundesministerium der Verteidigung seinen ({2}) Dienstsitz habe, und ist der Bundesminister bereit, den Umzug des KMBA zu stoppen?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Hauser, das Thema der Verlegung des Katholischen Militärbischofsamtes von Bonn nach Berlin hat bereits den letzten Deutschen Bundestag beschäftigt. Die Entscheidung zur Verlegung des Katholischen Militärbischofsamtes von Bonn nach Berlin ist aber ein Ergebnis der Konsensbildung zwischen dem Katholischen Militärbischof, Erzbischof Dr. Dr. Dyba, und dem damaligen Bundesminister der Verteidigung, Dr. Stoltenberg. Grundlage hierfür sind die „Päpstlichen Statuten für den Jurisdiktionsbereich des Katholischen Militärbischofs“. Diese im Benehmen mit der damaligen Bundesregierung 1989 erlassenen Päpstlichen Statuten regeln die Ordnung, die Leitung und die Gestaltung der katholischen Militärseelsorge. Die Bundesrepublik Deutschland ist danach verpflichtet, für die Kurie des Katholischen Militärbischofs am Sitz der Bundesregierung ein geeignetes Haus zur Verfügung zu stellen. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland wird ihre vertraglichen, völkerrechtlichen Verpflichtungen gegenüber der katholischen Kirche erfüllen und die Umzugsentscheidung nicht in Frage stellen. Auf die Sitzbestimmungen des Verteidigungsministeriums nach dem Berlin/Bonn-Gesetz kommt es in diesem Fall nicht an. Entscheidend ist vielmehr die gesetzliche Sitzbestimmung der Bundesregierung für die Bundeshauptstadt Berlin. Ich zitiere aus dem Text der einschlägigen Vereinbarung: Der Militärbischof errichtet seine Kurie am Sitz der Bundesregierung. Dort wird die Bundesregierung die erforderlichen Diensträume bereitstellen. Auch das Petitionsverfahren in dieser Angelegenheit konnte zu keiner abweichenden Erkenntnis führen. Auf den „Erwägungsbeschluß“ des Deutschen Bundestages vom 20. Februar 1997 hin ist die Bundesregierung nach einschlägiger Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, daß es keine andere Regelung gibt.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Hauser, Sie haben das Wort zu einer Zusatzfrage.

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, kann ich daher davon ausgehen, daß die Petition auf Drucksache 13/7031 und deren Ergebnis, dem der Deutsche Bundestag, auch die heutigen Regierungsfraktionen, zugestimmt hat, inhaltlich falsch gewesen sind?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Nein. Wir werden uns nicht erlauben, bezüglich der Kollegen der 13. Wahlperiode zu behaupten, sie hätten nicht qualifiziert gearbeitet. Sie haben am 20. Februar 1997 im Deutschen Bundestag einen Erwägungsbeschluß gefaßt. Darin baten sie die Bundesregierung noch einmal um eine eingehende Prüfung. Die Bundesregierung hat diesen Wunsch erfüllt und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß eine andere Handhabung nicht möglich ist, wenn sie nicht Recht und Ordnung widersprechen soll.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen zur Frage 8 des Abgeordneten Hauser: Sollte die Frage danach, ob der Bundesminister der Verteidigung bereit ist, den Umzug des KMBA zu stoppen, verneint werden, ist die Bundesregierung dann bereit, Mitarbeiter des KMBA in die bereits existierende überressortliche Stellenbörse im Rahmen der Personalwirtschaftlichen Gesamtkonzeption der Bundesregierung vom 29. Juni 1995 einzubinden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Herr Kollege Hauser, der Bundesminister der Verteidigung nimmt auf Grund erheblicher eigener organisatorischer und personeller Reduzierungen an der überressortlichen Stellenbörse nicht teil. Die Personalführung wird sich aber nachhaltig darum bemühen, die 19 Mitarbeiter von den 37 hier beschäftigten, die nach heutigen Erkenntnissen nicht umzugsbereit - man muß fairerweise sagen: auch nicht umzugswillig - sind, im Zuge der Verlegung des Katholischen Militärbischofsamtes bei Dienststellen der BunParl. Staatssekretärin Ulrike Mascher deswehr im Großraum Köln - Bonn - Koblenz sozialverträglich unterzubringen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage, bitte!

Norbert Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003141, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wird der Haushaltsausschuß bei den Beratungen über die Bereitstellung der Mittel für das KMBA - man geht von etwa 10 Millionen DM aus - unmittelbar beteiligt werden, oder wird das nur mittelbar insoweit geschehen, als die Mittel aus dem Haushalt des BMVg bereitgestellt werden?

Brigitte Traupe (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002099

Selbstverständlich ist es einem Ausschuß des Deutschen Bundestages, zumal dem Haushaltsausschuß, möglich, diese Frage erneut zu behandeln. Aber auch er kann sich über Rechte nicht hinwegsetzen. Der Betrag von 10 Millionen DM ist im Bundeshaushalt eingeplant. Die darüber hinaus benötigten Mittel - Sie wissen, es sind fast 20 Millionen DM - stellt die katholische Kirche selbst zur Verfügung.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Damit rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf. Zur Beantwortung steht Frau Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Uschi Eid zur Verfügung. Ich rufe die Frage 9 des Abgeordneten Peter Weiß, CDU/CSU, auf: Welche finanziellen Mittel aus welchen Haushaltstiteln hat die Bundesregierung bislang für Hilfen zugunsten der Opfer der vom Wirbelsturm „Mitch“ betroffenen Länder Zentralamerikas bereitgestellt?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Herr Abgeordneter Weiß, aus Kapitel 0502 Titel 686 12 - humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes - wurden für Zentralamerika bisher 3,7 Millionen DM, davon 2,24 Millionen DM für Honduras und 1,13 Millionen DM für Nicaragua, bereitgestellt. Aus Kapitel 2302 Titel 896 03 - Technische Zusammenarbeit - stammen insgesamt 18 Millionen DM, davon 5,6 Millionen DM für Honduras und 6,7 Millionen DM für Nicaragua. Aus Kapitel 2302 Titel 686 25 - Nothilfe - werden insgesamt 6,2 Millionen DM eingesetzt, davon 2,6 Millionen DM in Honduras und 1,7 Millionen DM in Nicaragua. Schließlich können für Honduras weitere 10 Millionen DM aus Kapitel 2302 Titel 866 01 - Finanzielle Zusammenarbeit - verwendet werden, die vorher wegen Schuldendienstrückständen gesperrt waren.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bitte, eine Zusatzfrage, Herr Kollege Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Nein, danke.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe die Frage 10 des Abgeordneten Weiß auf: Über welche Organisationen, vor allem Nicht-Regierungsorganisationen, kommen diese Mittel zum Einsatz, und wer übernimmt in den einzelnen Ländern die Koordination der internationalen Hilfeleistungen sowie der Wiederaufbauarbeit?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Die humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes wird insbesondere über „Medico International“, die Johanniter-Unfallhilfe und das Deutsche Rote Kreuz abgewickelt. Die Umsetzung der Sofortmaßnahmen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erfolgt insbesondere über laufende Projekte der technischen Zusammenarbeit, die von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit durchgeführt werden. Diese Projekte schalten in vielen Fällen ihrerseits im örtlichen Umfeld bewährte NichtRegierungsorganisationen wie zum Beispiel die Caritas, „Ärzte ohne Grenzen“ und lokale Nicht-Regierungsorganisationen ein und koordinieren die Maßnahmen mit anderen Gebern in der gleichen Region. Auf diese Weise kommt die Hilfe rasch und bedarfsgerecht zu den Bedürftigen. Die unterschiedlich leistungsfähigen staatlichen Koordinierungsstellen werden informiert. Hinsichtlich der Koordinierung der Wiederaufbaumaßnahmen wird vor allem die Interamerikanische Entwicklungsbank über eine Konsultativgruppe mit allen Gebern die Bemühungen der Regierungen unterstützen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bitte, Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege Weiß.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie Sie ausgeführt haben, werden die vom BMZ zur Verfügung gestellten Mittel bislang über die GTZ bewirtschaftet, und die Nicht-Regierungsorganisationen müssen sich an die GTZ wenden. Ist dies ein neues Verfahren, welches die Bundesregierung in ähnlichen Katastrophenfällen künftig anwenden will? Werden sich die Nicht-Regierungsorganisationen daher künftig stets an die GTZ zu wenden haben, wenn sie in solchen Katastrophenfällen tätig werden?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Nein, dies wird künftig nicht der Fall sein. Die Frage ist nur, ob in dem entsprechenden Titel des Einzelplans 23 Geld für Nicht-Regierungsorganisationen vorgesehen ist.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Bitte, eine zweite Zusatzfrage.

Peter Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003255, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, werden die in solchen Katastrophenfällen vom BMZ über die GTZ zur Verfügung gestellten Mittel für Hilfsmaßnahmen nur für deutsche NichtRegierungsorganisationen oder auch für Nicht-Regierungsorganisationen anderer Staaten, zum Beispiel USamerikanische Hilfsorganisationen, die im jeweiligen Katastrophenland tätig werden, abrufbar sein?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Herr Abgeordneter Weiß, wenn ich die Frage unterstelle, die Sie wirklich stellen wollen, dann muß ich Ihnen sagen, daß kirchliche Organisationen Anträge beim BMZ gestellt haben. Da es sich in diesen Fällen aber um überplanmäßige Ausgaben handelt, müssen diese Anträge erst beraten werden. ({0})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe die Frage 11 des Abgeordneten Carsten Hübner, PDS, auf: Wie hoch ist der Betrag der für 1998 zugesagten Entwicklungshilfemittel der finanziellen und technischen Zusammenarbeit für Pakistan und Indien, deren Zahlung die Bundesregierung in Reaktion auf die Atomtestversuche Indiens und Pakistans im Frühsommer dieses Jahres ausgesetzt hatte, und sind die damals ausgesetzten Mittel in der Zwischenzeit an Indien bzw. Pakistan ausgereicht worden?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Herr Abgeordneter Hübner, Indien und Pakistan erhielten aus der Verpflichtungsermächtigung 1998 für die finanzielle und technische Zusammenarbeit bisher keine Zusagen. Die Bundesregierung beabsichtigt, Indien und Pakistan über die deutschen Botschaften Förderungen für laufende Vorhaben der technischen Zusammenarbeit zuzusagen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Keine Zusatzfrage? Dann rufe ich die Frage 12 des Abgeordneten Hübner, PDS, auf: Welchen Plan gibt es für den Fall, daß dies nicht geschehen ist, diese Mittel noch im Haushalt 1998 möglicherweise an andere Länder und in anderen Schwerpunktbereichen bzw. konkreten Projekten auszureichen?

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Die Bundesregierung prüft derzeit andere Optionen zur Verwendung der übrigen Mittel. Der Prozeß ist noch nicht abgeschlossen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Zusatzfrage des Kollegen Hübner.

Carsten Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003154, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Mich würde interessieren, ob Planungen für den Haushalt 1998 existieren bzw. in welchem Zeitraum die Entscheidungsfindung abgeschlossen sein wird und nach welchen Kriterien dabei verfahren wird.

Ursula Eid-Simon (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000454

Wir reden im Moment nur über 1998. Wir haben im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit über dieses Thema schon gesprochen. Ich denke, daß der Prozeß in den nächsten zwei Wochen abgeschlossen sein wird.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Ich rufe nun den Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes auf. Zur Beantwortung der Fragen steht der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Dr. Michael Naumann, zur Verfügung. Wir kommen zur Frage 13 des Abgeordneten HansJoachim Otto, F.D.P.: Was ist nach Auffassung der Bundesregierung unter einer „Reform der medialen Außenrepräsentanz“ zu verstehen, die in der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20. Oktober 1998, dort auf Seite 39, in Aussicht gestellt wurde, und wie will sie diese Reform umsetzen? Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Herr Abgeordneter, die Medien prägen eindeutig das Deutschlandbild im Ausland. Leider sind es nicht nur unsere Medien, sondern zumeist ausländische Medien. Das Deutschlandbild im Ausland ist im Augenblick nicht sehr erfreulich, weil es sich vor allem der furchtbaren deutschen Vergangenheit widmet; jedenfalls ist das in Amerika der Fall. Wir werden in den nächsten Wochen versuchen, die Effektivität einiger Medien, die mit der Selbstdarstellung Deutschlands im Ausland befaßt sind, zu überprüfen. Dazu zählt selbstverständlich auch die „Deutsche Welle“. Nach einer solchen Überprüfung, die schätzungsweise zwei Monate dauern wird, weil sie auch Marktforschung im Ausland beinhalten wird - einige Marktforschungsergebnisse liegen bereits vor -, werden wir hoffentlich eine positivere, erfreulichere Bilanz der Selbstdarstellung der Bundesrepublik im Ausland ziehen können.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Herr Kollege Otto, eine Zusatzfrage, bitte.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister - ({0}) - In spe. Herr Beauftragter, sieht die Bundesregierung Veranlassung, das erst in der letzten Legislaturperiode geänderte „Deutsche Welle“-Gesetz erneut zu reformieren, oder denkt sie bei den Plänen, die Sie eben geschildert haben, eher an eine Reform im finanziellen, personellen oder programmlichen Bereich? Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: In der Tat gibt es die von Ihnen angesprochene Gesetzesnovelle. Es gibt allerdings auch, wie Sie sicherlich wissen, Bestrebungen zum Beispiel der „ARD“ und des „ZDF“, in eine engere Kooperation mit der „Deutschen Welle“ einzutreten und dafür zu sorgen, daß die benötigten Filme, Materialien, Dokumentationen, Nachrichten, Unterhaltungssendungen usw. in Zusammenarbeit mit der unabhängig arbeitenden „Deutschen Welle“ und somit preisgünstiger hergestellt werden können. Diesen Vorschlag der beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten prüfen wir, und wir werden ihn sicherlich auch mit der gebotenen Distanz, die wir gegenüber der öffentlich-rechtlichen Anstalt „Deutsche Welle“ zu wahren haben, weitergeben und die dortige Intendanz bitten, sich der Sache ebenfalls anzunehmen. Inwieweit das zu einer Novellierung des „Deutsche Welle“-Gesetzes führen wird, steht dahin.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine zweite Zusatzfrage, bitte, Kollege Otto.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Dr. Naumann, ist Ihnen bewußt, daß die Gremien der „Deutschen Welle“ auch im Hinblick auf die Defizite, die Sie genannt haben, von sich aus und parteienübergreifend eine umfassende Reform des Programmes zum Beginn des Jahres 1999 beschlossen haben, und welche Änderungen dieser Programmentwicklung könnten nach Ihrer Meinung Einfluß auf Ihre Absicht haben, die mediale Außenrepräsentanz zu verändern? Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Tatsache ist, daß mir dies bewußt ist. Tatsache ist ebenfalls, daß diese Veränderungen, um es einmal ganz kraß auszudrücken, vor allem zu einer Dekultivierung des Programms geführt haben. Das heißt, es sind Kultursendungen aus dem Programm geflogen. Jedenfalls höre ich das aus der „Deutschen Welle“ und übrigens auch von Schriftstellern. Die Konzentration des Senders auf Nachrichten- und Informationssendungen jeglicher Art zum Nachteil kultureller Sendungen, die weniger harte News verbreiten, wird beklagt. Inwieweit diese Klagen berechtigt sind oder nicht, vermag ich jetzt nicht zu sagen. Aber ich nehme sie zur Kenntnis.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Es gibt eine weitere Zusatzfrage. Bitte, Herr Kollege.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Naumann, ist Ihnen bekannt, daß die alte Bundesregierung nicht in der Lage war, die technische Ausstattung beispielsweise deutscher Botschaften so voranzutreiben, daß dort der Empfang der „Deutschen Welle“ überhaupt möglich war, ({0}) so daß zum Beispiel der deutsche Botschafter in China gelegentlich zum britischen Botschafter gehen mußte, um dort die „Deutsche Welle“, wenn es sein mußte, hören zu können, und würden Sie angesichts dieser bedeutenden Fragen nicht sagen, daß wir uns zunächst um die technischen Ausstattungen kümmern und dann in einem weiteren Fortgang über die „Deutsche Welle“ insgesamt diskutieren sollten? Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Herr Abgeordneter, nach dem Einzug in das Bundeskanzleramt und der vergeblichen Suche nach einem Computer sind derartige technologische Rückständigkeiten auf der einen Seite für mich keine wirkliche Überraschung mehr. Auf der anderen Seite muß man sagen: Das Senden mittels Kurzwelle ist eine ewige Glückssache. Ich selbst habe als junger Mann einmal bei der „Deutschen Welle“ gearbeitet, und zwar in der Afrika-Redaktion, und bekam enthusiastische Briefe aus Thule in Grönland. Diese Schwierigkeiten haben unter anderem etwas zu tun mit den solaren Flecken, aber auch mit dem Sachverhalt, daß die Kurzwelle manchmal macht, was sie will. Die wirkliche Frage, die sich jedenfalls für mich stellt, lautet: Wie viele Kurzwellenempfänger gibt es zum Beispiel in den Vereinigten Staaten, und wie viele von diesen sind nicht deutscher, sondern englischer Zunge und hören die „Deutsche Welle“ auf Englisch? Das ist meistens leider kein akustischer Genuß. Eine statistisch wirklich hieb- und stichfeste Belegung dieser Hörerzahl existiert nicht. Sie muß geschätzt werden.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Frau Kollegin Schwaetzer, auch Sie haben noch eine Zusatzfrage. Bitte.

Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002120, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Dr. Naumann - das Wort „Beauftragter“ ist ein Übergangsbegriff; ich halte ihn für nicht sehr glücklich -, ist Ihre Antwort auf die Kritik des Kollegen an der materiellen Ausstattung der „Deutschen Welle“ so zu verstehen, daß Sie dafür sorgen werden, daß im Bundeshaushalt 1999 zusätzliche Mittel für die technische Ausstattung nicht nur der Botschaften, sondern zum Beispiel auch der Sender der „Deutschen Welle“ zur Verfügung gestellt werden? Denn auch da ist eine Modernisierung notwendig, die nicht zu gering eingeschätzt werden sollte. Würde sich das dann mit Ihren Bestrebungen verbinden, die journalistische Qualität dieses von mir ansonsten sehr geschätzten sowie häufig gehörten und gesehenen Senders deutlich aufzuwerten? Hans-Joachim Otto ({0}) Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Erstens. Es ist nicht meine Aufgabe, die journalistischen Qualitäten von öffentlich-rechtlichen Anstalten auf- oder abzuwerten. ({1}) Darauf lege ich Wert. Zweitens. Was die Bereitstellung von Geldern zum Beispiel zur Verstärkung bzw. Verbesserung von Kurzwellensendern betrifft, so muß man sagen: Das Senden von Kurzwellen ist außerordentlich stromintensiv. Dies mit einer Ökosteuer zu versehen würde sich für den Staat gewiß lohnen. Die Wahrheit ist, daß es Bestrebungen gibt, digitalisierte Kurzwellensender zu entwickeln. Hier stellt sich wiederum die nächste Frage: Wo bekomme ich in Amerika überhaupt einen digitalisierten Kurzwellenempfänger her, der nicht mehr als 100 DM kostet? Die besten digitalisierten Kurzwellenempfänger, die zur Zeit auf dem Markt sind, werden übrigens in Deutschland produziert und kosten über 100 000 DM. Meine Antwort auf Ihre Frage lautet also: Mir ist das Problem der Kosten, die im Rahmen einer technologischen Modernisierung entstehen würden, selbstverständlich bewußt. Ehe in digitalisierte Kurzwellensender investiert wird, müssen wir uns fragen, wer die Empfänger sind. ({2})

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Wir kommen damit zur Frage 14 des Abgeordneten Norbert Röttgen, CDU/CSU: Wann hat das Bundeskabinett beschlossen, daß ein Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien bestellt wird und daß dies Michael Naumann sein soll? Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Die Frage 14 beantworte ich folgendermaßen: Der Bundeskanzler hat durch Organisationserlaß vom 27. Oktober 1998 entschieden, daß ein Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien bestellt wird, und hat ihm entsprechende Aufgaben übertragen. Der Kabinettsbeschluß zur Bestellung von Dr. Michael Naumann erfolgte noch am selben Tag.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Eine Zusatzfrage, Kollege Röttgen? - Bitte.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich finde es bemerkenswert, daß Sie diese Frage selbst beantworten. Ich möchte folgendes unterscheiden: Ist im Bundeskabinett beschlossen worden, daß das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien eingerichtet wird, und ist durch das Bundeskabinett auch darüber entschieden worden, daß Sie mit diesem Amt betraut werden? Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Beide Fragen beantworte ich mit Ja. Was den Sachverhalt anbetrifft, daß ich hier selber antworte: Das zeigt ganz einfach, daß ich im Amt bin. ({0}) - Frau Schwaetzer, Sie sprechen doch auch oft in eigener Sache. ({1}) - Na ja, diese Trennung habe ich bei Ihnen noch nicht beobachtet.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Damit rufe ich die Frage 15 des Kollegen Röttgen auf: Ist der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Michael Naumann, Behördenchef, Vorgesetzter oder Dienstvorgesetzter? Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Hierauf kann ich so antworten: Ihre implizit gestellten drei Fragen sind zu bejahen.

Petra Bläss-Rafajlovski (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000189

Auch dazu gibt es eine Zusatzfrage. Kollege Röttgen, bitte.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie haben gerade ausgeführt, daß eine neue Behörde eingerichtet worden ist, weil Sie Behördenchef geworden sind. Darum möchte ich Sie fragen: Ist nun eine oberste oder eine obere Bundesbehörde eingerichtet worden, und wie heißt diese Behörde? Dies würde mich interessieren. Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: In der Tat handelt es sich hier um eine Behörde, so wie auch das Bundespresseamt eine Behörde im Bundeskanzleramt ist. ({0})

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist mir bekannt. Die Frage lautete, ob es eine oberste Bundesbehörde oder eine obere Bundesbehörde ist. Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Ich finde diese Frage deswegen in Grenzen amüsant, als mir von einem Ihrer Koalitionsmitglieder Titelsucht vorgeworfen wurde. ({0}) Jetzt wollen Sie mir gar unterstellen, eine oberste Bundesbehörde zu leiten. ({1}) - Ja, es ist eine eigene Bundesbehörde.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich den Hintergrund der Frage erläutern, da sie offensichtlich nicht verstanden worden ist? Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Ja.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Unsere Fragen zielen darauf ab - es geht gar nicht um Ihre persönliche Titelsucht -, daß die Institutionen des Staates, die des Staatsministers, aber auch die innerhalb des Kanzleramtes, nun dem Versprecher des Spitzenkandidaten der SPD im Bundestagswahlkampf angepaßt werden. Wir halten das für einen schlechten Vorgang. Sie sind der Kulturbeauftragte. Wir glauben, daß hier der Rechtskultur in diesem Land ein schlechter Dienst erwiesen wird, ({0}) wenn man die Institutionen des Staates nach einem Versprecher im Wahlkampf organisiert. Sind Sie der Chef einer obersten oder einer oberen Bundesbehörde, und wie heißt diese Behörde? Mich hat die Antwort sehr überrascht; das muß ich schon sagen. Ich muß die Frage aber wiederholen, da sie nicht beantwortet worden ist. ({1}) Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Ich kann mich nur wiederholen: Es ist eine eigene Behörde mit dem Namen „Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien“.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das ist keine Beantwortung meiner Frage. Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Es ist eine eigene Behörde.

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Naumann, es geht nicht darum -

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Röttgen, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihr Fragerecht leider erschöpft ist. Der Beauftragte der Bundesregierung, Herr Naumann, hat das Wort. Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien:

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Darf ich noch einen Hinweis machen: Sowohl die obersten als auch die oberen Bundesbehörden sind eigene Bundesbehörden. Das ist also kein Unterscheidungsmerkmal zwischen oberster und oberer Bundesbehörde. Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Wenn eine oberste Bundesbehörde keine nachgeordnete Behörde haben kann, dann wäre dies eine oberste Bundesbehörde. Ich muß Ihnen aber ehrlich sagen: Für mein politisches Verständnis ist diese Frage relativ unwichtig. Wenn Sie sie aber für wichtig halten, dann beantworte ich sie gerne. ({0})

Dr. Norbert Röttgen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002765, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich stelle fest: Dann haben wir einen neuen Bundesminister.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Herr Kollege Röttgen, das geht nun wirklich nicht. Sie haben Ihr Fragerecht ausgeschöpft. Wir sollten doch auf die Verfahrensweisen, die wir in diesem Hause haben, Rücksicht nehmen. Es besteht der Wunsch nach einer Zusatzfrage vom Abgeordneten Otto.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Dr. Naumann, nachdem Sie eben bestätigt haben, daß Sie Behördenchef, Vorgesetzter und Dienstvorgesetzter sind, möchte ich Sie fragen, ob Sie das im Hinblick auf den Organisationserlaß des Bundeskanzlers vom 27. Oktober 1998 auch für die Beschäftigten sind, die aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die Zuständigkeit für Medienpolitik begründet haben? Falls nein: Warum nicht? Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Es ist für einige Abteilungen aus diesem Ministerium begründet worden und für andere nicht. ({0}) Beauftragter der Bundesregierung Dr. Michael Naumann - Ganz einfach, weil die Aufgaben in diesen Ressorts derartig unterschiedlich sind, daß, wenn Sie so wollen, einige in meinen Beritt passen und andere nicht. ({1}) - Der Organisationserlaß gilt. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Fromme.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Dr. Naumann, würden Sie vielleicht mir die Frage beantworten, ob Sie nun einer oberen oder einer obersten Bundesbehörde vorstehen? ({0}) Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Wenn es keine nachgeordnete Behörde gibt, dann handelt es sich um eine obere. Wenn es eine obere wäre, dann gäbe es nach Ihrer Definition noch eine oberste. Dieser Komparativ ist für mich insofern sinnlos, als wir die einzige Behörde sind, die sich mit diesem Sachverhalt beschäftigt. ({1}) Es kann ja sein, daß Sie sich noch eine imaginäre oberste wünschen. Für mich ist der Bundeskanzler mein Dienstchef. Das ist meine oberste Behörde. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Andreas Schmidt ({0}) auf: In welchem Amts-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis befindet sich der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Michael Naumann, zur Bundesrepublik Deutschland und mit welchen finanziellen Bezügen einschließlich ergänzender Zusagen ({1})? Herr Dr. Naumann, bitte. Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Zunächst einmal lassen Sie mich sagen, daß man in der Wirtschaft, aus der ich komme, diese Fragen ungern beantwortet. Aber ich weiß, daß ich in einem gläsernen Haus stehe, also lautet meine Antwort ganz einfach so: Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und mir ist ein Vertrag abgeschlossen worden, der hinsichtlich der Rechte und Pflichten, insbesondere der Vergütung und Versorgung, auf die für Parlamentarische Staatssekretäre des Bundes geltenden Vorschriften verweist, soweit sie nicht die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag voraussetzen. Weitere finanzielle Zusagen gibt es nicht.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage, bitte.

Andreas Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001999, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Naumann, endet dieser Vertrag dann, wenn Sie die Position des Staatsministers bekommen, oder setzt er sich in der anderen Position fort? Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Ich nehme an, daß er dann in einer juristischen Sekunde umgeschrieben wird und sich - ich bedauere, das sagen zu müssen - mit derselben Bezahlung fortsetzt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Keine Zusatzfragen. Dann kommen wir zu Frage 17 des Abgeordneten Andreas Schmidt ({0}): Wer ist sein Dienstvorgesetzter, und wer verantwortet seine Tätigkeit gegenüber dem Deutschen Bundestag im Sinne von Artikel 65 Satz 2 des Grundgesetzes? Herr Dr. Naumann, bitte. Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Der Beauftragte für Angelegenheit der Kultur und der Medien ist dem Bundeskanzler unmittelbar unterstellt. Dieser trägt die Verantwortung gemäß Art. 65 GG.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Es liegen keine weiteren Fragen vor. ({0}) - Entschuldigung, eine Zusatzfrage.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Vielen Dank für die Lorbeeren, Herr Hörster. Halten Sie es in der Tat für dringlich für die deutsche Kulturpolitik, daß diese Fragen, die jetzt in den Mittelpunkt gestellt werden, zuerst geklärt werden? Sollten wir nicht vielmehr ein Aufbruchsignal für die deutsche Kultur geben, und ist nicht dies mit der Einrichtung ihres Amtes beabsichtigt? Dr. Michael Naumann, Beauftragter der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien: Herr Abgeordneter, ich danke für diese Flanke. In diesem Hause sind ja, vor allem im letzten Wahlkampf, viele Flanken geschlagen und dann - ich denke vor allem an diese Flanke aus Bayern - nicht aufgenommen worden. Beauftragter der Bundesregierung Dr. Michael Naumann Selbstverständlich halte ich diese Debatte für außerordentlich wichtig. Sie wird auch in die Rechtsgeschichte eingehen. Ergänzend kann ich dazu nur sagen, was mir in dieser Debatte aufgefallen ist: Dieses Hohe Haus, in dem ich mich mit Vergnügen und mit dem entsprechenden Ernst und Verantwortungsgefühl bewege, ist, wie ich glaube, das in Deutschland einzige Milieu, in dem die Würde des Titels so außerordentlich ernst genommen wird. Insofern bin ich etwas verdutzt, daß ausgerechnet mir - der mir mit dem Gewinn der Tischtennismeisterschaft Mittelrhein 1958 der letzte Titel, der mich befriedigt hat, zugefallen ist - Titelsucht vorgeworfen wird. - Danke schön, Herr Abgeordneter. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereiches des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes. Ich danke Ihnen, Herr Dr. Naumann. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern auf. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Cornelie SonntagWolgast zur Verfügung. Der Kollege Zierer hat um schriftliche Beantwortung seiner Frage 22 gebeten. Ich rufe die Frage 23 des Abgeordneten Tauss auf: Welche Erkenntnisse liegen dem Bundesministerium des Innern über die stark gestiegene Kriminalität im Internet vor?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Herr Kollege Tauss, das dem Bundesministerium des Innern vorliegende Zahlenmaterial reicht nicht aus, um die in der Frage enthaltene Feststellung, daß die Kriminalität im Internet stark angestiegen sei, zuverlässig zu bestätigen. Die „Polizeiliche Kriminalstatistik“ weist die Kriminalität im Internet nicht gesondert aus. Ein polizeiinterner Meldedienst für diese Fälle besteht erst seit Mitte 1997. Die dem Bundeskriminalamt seit Mitte 1997 gemeldeten Fallzahlen weisen allerdings eine steigende Tendenz auf. Deswegen werden zusätzliche Aktivitäten seitens des BKA ergriffen. Sie haben gefragt, welche Erkenntnisse sich daraus ergeben. In zirka 85 Prozent der Fälle handelt es sich um die Verbreitung strafbarer Pornographie, insbesondere von Kinderpornographie. Aus dem Anstieg der Zahl der gemeldeten Fälle auf eine tatsächliche Zunahme der Kriminalität zu schließen ist nicht zwingend. Von Unzulänglichkeiten des Meldedienstes abgesehen, können auch verstärkte polizeiliche Aktivitäten im Internet zu einer vermehrten Entdeckung von Straftaten geführt haben. Als sicher ist jedoch anzunehmen, daß auch Kriminelle noch nicht alle Möglichkeiten entdeckt haben, wie sie das Internet für ihre Zwecke nutzen könnten. Sie befinden sich insofern noch in einer Lernphase. Die Bandbreite des kriminellen Mißbrauchs reicht schon heute von verbotenen Glücksspielen und Urheberrechtsverletzungen über das Anbieten von Diebesgut, Drogen und Waffen und das Anleiten zum Bau von Sprengkörpern bis zum Verbreiten extremistischen Gedankenguts, gewaltverherrlichender Schriften und strafbarer Pornographie. Auch wenn derzeit kein aussagekräftiges Zahlenmaterial vorliegt, muß daher zumindest für die Zukunft mit einem tatsächlichen Anstieg der Kriminalität im Internet gerechnet werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage, bitte schön.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, ich denke, daß ich angesichts der negativen Entwicklung, die das Internet in Deutschland genommen hat - was auch auf eine sehr hysterische Debatte in der vergangenen Legislaturperiode zurückzuführen ist -, davon ausgehen kann, daß solche Erkenntnisse - bei allen Sorgen, die die Organe der inneren Sicherheit selbstverständlich haben müssen - dazu beitragen, daß auch Ihr Haus Signale zur Entwarnung gibt, um die, wie ich finde, sehr hysterische Debatte, die öffentlich geführt wird, ein bißchen abzuschwächen.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Herr Abgeordneter, ich bin mit Ihnen der Meinung, daß zu diesem Thema eine sehr sachliche Auseinandersetzung nötig ist, zumal sich Statistiken immer nur auf das beziehen, was gemeldet wird. Ich will aber auch darauf hinweisen, daß die Bekämpfung von Straftaten im Internet zuallererst Aufgabe der Länder ist und daß das Bundeskriminalamt in diesem Zusammenhang überwiegend im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion tätig ist. Ihnen ist vielleicht bekannt, daß sich zur Zeit gut 20 Beamte speziell mit dieser Aufgabe beschäftigen. Sie haben den Auftrag, die Durchführung des Austausches von nationalen und internationalen Nachrichten mit Europol, Interpol und den G-8Staaten sowie die zentrale Sammlung und Auswertung aller verfügbaren Daten und Bilder aus dem In- und Ausland unter Nutzung der eingerichteten Verbunddatei „Kinderpornographie“ vorzunehmen. Zu den Aufgaben des BKA als Zentralstelle gehört auch, im offenen Bereich des Internet anlaßunabhängig zu recherchieren. Wenn es bei seinen Recherchen auf konkrete Verdachtsfälle stößt, werden diese zur Bearbeitung an die zuständigen Landespolizeidienststellen weitergeleitet. Die ständige Konferenz der Innenminister der Länder hat sich mit dieser Frage erst kürzlich befaßt. Ich will auch noch einmal darauf hinweisen: Gerade weil wir uns eine sachliche Behandlung der Thematik wünschen, brauchen wir eine Selbstverpflichtung der Provider, hier ein wachsames Auge zu haben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 24 des Abgeordneten Tauss auf: Welche Hinweise hat die Bundesregierung hinsichtlich einer Zunahme von Störfällen und Angriffen auf IT-abhängige ({0}) Infrastrukturen? Beauftragter der Bundesregierung Dr. Michael Naumann

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Herr Abgeordneter Tauss, meine Antwort ist sehr kurz: Die Bundesregierung verfügt nicht über Informationen, die auf eine Zunahme von Störfällen oder Angriffen auf IT-abhängige Infrastrukturen hinweisen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Otto ({0}) auf: Wieviel kostet die Steuerzahler die Entscheidung des Bundesministers des Innern, Otto Schily, die vom Bundesrechnungshof angeregte Konzentration des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie auf den Standort Frankfurt am Main mindestens bis zum Ende des Jahres 2005 zu verschieben?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Herr Kollege Otto, mit Erlaß vom 15. Oktober 1998 wurde Frankfurt am Main als zukünftiger Standort des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie, abgekürzt BKG, festgelegt. Der Schließungszeitpunkt der einzelnen Außenstellen stand noch nicht fest, da ein Umsetzungsplan erst zum Jahresende vorgelegt werden sollte. Die Kriterien für die Kosten ergeben sich aus den durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen. Darüber hinausgehende Aussagen können erst gemacht werden, wenn die Detailplanungen der Umsetzung vorliegen. Das wird Mitte des Jahres 1999 der Fall sein.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage, bitte schön.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ihre Antwort überrascht mich, offen gesagt, sehr. Es gibt eine Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums, die besagt, daß jegliche Veränderungen am Standort Leipzig bis zum Ende des Jahres 2005 ausgeschlossen werden. Wie verträgt sich das mit der Antwort, die Sie mir eben gegeben haben?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Das verträgt sich völlig damit, weil bekannt ist, daß die Entscheidung insofern gefallen ist. Sie wollten gerne wissen, welche Kosten mit der Aussetzung bis in das Jahr 2005 verbunden sind. Dazu habe ich Ihnen die Information gegeben, daß wir Details erst Mitte des Jahres 1999 mitteilen können.

Hans Joachim Otto (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001666, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Parlamentarische Staatssekretärin, in dem erwähnten Erlaß Ihres Hauses vom 15. Oktober 1998 steht ausdrücklich drin: Auch die sogenannte Abteilungslösung läßt sich nicht ohne größere Baumaßnahmen realisieren. Die Gebäude in Leipzig . . . sind für die Unterbringung der Abteilung nicht geeignet. Heißt das - im Gegensatz zu diesem Erlaß -, daß in Leipzig bis zum Jahre 2005 keinerlei bauliche Veränderungen durchgeführt werden, bis zum Jahre 2005 also einfach Stillstand gepflegt wird?

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Herr Kollege Otto, darf ich noch einmal betonen: Sie fragten nach den Kosten und nach den Kriterien. Ich habe darauf eine Antwort gegeben. Diese Kriterien werden in den nächsten Monaten bis Mitte 1999 erarbeitet. Wir geben Ihnen dann Auskunft.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Petra Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Darf ich Ihrer Antwort entnehmen, daß Sie in Ihrem Bereich keinen Bedarf einer Prüfung der letzten Entscheidung des ehemaligen Ministers Kanther sehen und daß daraus folgt, daß die einzigen Ausbildungs- und kartographischen Einrichtungen in Ostdeutschland, in Berlin, Potsdam und Leipzig, endgültig abgewickelt werden? ({0})

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002191

Nein, das können Sie daraus nicht schließen. Vielmehr befaßt sich das Bundesinnenministerium weiterhin sehr intensiv mit der Zukunft dieses Instituts. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Frage 26 des Abgeordneten Austermann wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Ich danke Ihnen, Frau Parlamentarische Staatssekretärin. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Eckhart Pick zur Verfügung. Ich rufe die Frage 27 des Abgeordneten Norbert Geis auf: Wann wird die im Jahr 1998 beim Bundesministerium der Justiz eingesetzte Kommission „Strafrechtliches Sanktionssystem“ voraussichtlich ihren Abschlußbericht vorlegen, und beabsichtigt die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf zur Reform des strafrechtlichen Sanktionssystems in den Deutschen Bundestag einzubringen, bevordie Ergebnisse der Kommission „Strafrechtliches Sanktionssystem“ vorliegen?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Sehr geehrter Herr Kollege Geis, die Bundesregierung ist der Auffassung, daß das bestehende strafrechtliche Sanktionenrecht einer Überarbeitung bedarf, um den kriminalpolitischen Herausforderungen der kommenden Jahre gerecht zu werden und auf unterschiedliche und auch neue Kriminalitätsformen mit möglichst auf den Einzelfall zugeschnittenen angemessenen und wirksamen Sanktionen zu reagieren. Die Bundesregierung mißt daher der Arbeit der im Bundesministerium der Justiz eingerichteten und aus hochqualifizierten und erfahrenen Fachleuten aus Justiz und Wissenschaft zusammengesetzten Kommission zur Reform des strafrechtlichen Sanktionensystems einen hohen Stellenwert für die Gesetzgebungsvorhaben in der beginnenden Legislaturperiode bei. Nach dem Planungsstand bei ihrer Einsetzung soll die Kommission ihren Abschlußbericht im Herbst des Jahres 1999 vorlegen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage, bitte schön.

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Beabsichtigt die Bundesregierung, vor Abschluß der Arbeiten der Kommission Gesetzentwürfe einzubringen, die das Sanktionensystem, also die Arbeit der Kommission, betreffen?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege, die Bundesregierung wird die Arbeit dieser Kommission - sie ist ja bei uns im Hause angesiedelt - sehr aufmerksam verfolgen. Sie wird zu gegebenem Zeitpunkt darüber entscheiden, ob entsprechende Gesetzesvorschläge in den Bundestag eingebracht werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zweite Zusatzfrage.

Norbert Geis (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wie habe ich dann Äußerungen der Frau Bundesjustizministerin zu verstehen, bestimmte Gesetzgebungsvorhaben - beispielsweise die Frage, ob der Entzug der Fahrerlaubnis bzw. das Fahrverbot in das Sanktionensystem aufgenommen werden soll -, sehr schnell ins Parlament einzubringen, also zweifellos vor Abschluß des Kommissionsberichtes? Habe ich Ihre Äußerungen nun so zu deuten, daß solche Gesetzgebungsvorhaben in jedem Fall nicht vor Herbst des kommenden Jahres eingebracht werden?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Meine Antwort, Herr Kollege, ist nicht so zu verstehen. Wie gesagt, wir werden die Ergebnisse dieser Kommission, die zum Teil schon vorliegen, werten und dann entscheiden, ob daraus Gesetzesvorschläge unsererseits gemacht werden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 28 des Abgeordneten Geis auf: Ist von der Bundesregierung beabsichtigt, den Arbeitsauftrag der Kommission um bestimmte Themen, wie zum Beispiel das sogenannte „Strafgeld“, zu erweitern, und wenn nein, warum nicht?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Auf Ihre Frage, Herr Kollege, antworte ich kurz: Darüber ist jetzt noch nicht entschieden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe Frage 29 des Abgeordneten Pofalla auf: Ist von der Bundesregierung beabsichtigt, den Arbeitsauftrag der im Jahr 1998 beim Bundesministerium der Justiz eingesetzten Kommission „Strafrechtliches Sanktionssystem“ um bestimmte Themen, wie zum Beispiel „Strafbarkeit juristischer Personen“ oder „Gemeinnützige Arbeit als Hauptstrafe“, zu reduzieren, und wenn ja, warum?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Kollege Pofalla, ich darf auf meine Antwort auf die Frage des Kollegen Geis verweisen und wiederholen, daß darüber noch nicht entschieden ist.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe Frage 30 des Abgeordneten Pofalla auf: Ist von der Bundesregierung beabsichtigt, die Kommission vorzeitig aufzulösen bzw. von ihrem Auftrag zu entbinden, und wenn ja, warum?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Auch hier ganz kurz: Bisher nein.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Ronald Pofalla (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001726, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wann ist denn damit zu rechnen, Herr Staatssekretär? Zu welchem Zeitpunkt werden diese Entscheidungen getroffen?

Prof. Dr. Eckhart Pick (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001715

Herr Pofalla, schon der Respekt vor der Arbeit der Kommission, vor der wir große Hochachtung haben und die, wie ich schon ausführte, qualitativ hochkarätig besetzt ist - wie Sie wissen, leitet sie unser früherer Kollege Eylmann, der ehemalige Vorsitzende des Rechtsausschusses -, gebietet es, hier nicht vorschnell irgendwelche zeitlichen Festlegungen zu treffen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Keine weiteren Fragen. Dann danke ich Ihnen, Herr Dr. Pick. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks zur Verfügung. Die Fragen 31 und 32 werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 33 des Abgeordneten Hartmut Koschyk auf: Welche Maßnahmen hat die Bundesrepublik Deutschland im Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der Europäischen Union zur vollständigen Aufklärung und Verhinderung von auch in der Öffentlichkeit stark diskutierten Fällen unkorrekter Mittelverwendung auf EU-Ebene gefordert, und welche Maßnahmen hat der Rat gegenüber der Kommission auf den Weg gebracht?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Koschyk, der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der EuroParl. Staatssekretär Dr. Eckart Pick päischen Union hat in den einstimmig verabschiedeten Schlußfolgerungen auf seiner Tagung am 23. November 1998 klargestellt, daß Betrügereien und Unregelmäßigkeiten innerhalb wie außerhalb der europäischen Organe in keiner Weise geduldet werden dürfen. Er hat die Kommission und die übrigen Organe wörtlich aufgefordert - ich zitiere -, „unter Achtung der Rechte der betroffenen Personen die bestehenden Verfahren und Regelungen energisch, strikt und rasch anzuwenden und alle Affären systematisch und zügig in der jeweils geeigneten Weise disziplinarrechtlich und gerichtlich zu verfolgen“. Diese Haltung wird von der Bundesregierung uneingeschränkt unterstützt. Die Kommission hat zugesichert, noch vor Jahresende einen Bericht mit erforderlichen Verbesserungsvorschlägen vorzulegen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, hat die Bundesrepublik Deutschland bei dieser Ratssitzung - wie es der Europäische Rechnungshof getan hat - auch auf das sehr undurchschaubare Zusammenwirken von Kommission, Beratern und Lobbyisten bei der Vergabe von Förder- und Hilfsmitteln hingewiesen? Hat die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auch Anstrengungen beim Rat unternommen, die auf eine Reform des EU-Förderwesens hinauslaufen? Es wird ja immer deutlicher, daß das Förderwesen und die Förderpraxis der EU, auch nach Meinung des Europäischen Rechnungshofs Anlaß für die jetzt aufgetretenen Fälle von Korruption und Mißwirtschaft auf der Ebene der Europäischen Union gewesen sind?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Bundesregierung wird zum Jahresbericht des Europäischen Rechnungshofes erst nach eingehender Prüfung Stellung nehmen. Sie hat dies bisher nicht tun können. Ebenso werden auch die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission zu den Feststellungen des Europäischen Rechnungshofes Stellung nehmen. Sie werden nach dem üblichen Verfahren ausführlich in den Ratsgremien behandelt. Der Rat wird im Frühjahr des Jahres 1999 auf dieser Basis gegenüber dem Europäischen Parlament eine Empfehlung zur Frage der Entlastung der Kommission abgeben. Die europäischen Gremien werden sich in diesem Zusammenhang sicherlich auch grundsätzlich mit der Bekämpfung der Korruption befassen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wird der Umgang mit Finanzmitteln auf der Ebene der Europäischen Union und die Frage, wie man das in den Griff bekommt, auch ein Thema der deutschen Präsidentschaft sein? Da es hier im Hinblick auf den deutschen Finanzbeitrag für die EU auch um deutsche Steuermittel geht, hat die deutsche Öffentlichkeit nach meiner Meinung Anspruch darauf, etwas mehr zu wissen, wie die Bundesregierung dazu steht, als von Ihnen heute nur zu hören, daß die Bundesregierung erst ihre Auffassung zum Prüfbericht des Europäischen Rechnungshofs erarbeiten wird. Wir lesen täglich in Zeitungen Artikel zu diesen Vorgängen. Sich da nur hinter Beschlüssen des Rates zu verschanzen, ohne aus der Sicht der Bundesregierung konkret zu sagen, ob sie das auch zu einem Thema ihrer Präsidentschaft machen wird und wie sie sich zu diesem Thema gegenüber dem Rat und der Kommission einlassen wird, halte ich nicht für ausreichend. Meinen Sie nicht, daß mehr Informationen über die konkrete Vorgehensweise der Bundesregierung erforderlich wären?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Koschyk, gleichwohl wird es sicherlich notwendig sein, daß die Bundesregierung zuerst in einem geordneten Verfahren eine Stellungnahme zum Prüfbericht des Rechnungshofes erarbeitet, wie dies auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung üblich ist. Den Bericht des Europäischen Rechnungshofs zur Kenntnis nehmen zu müssen ist natürlich außerordentlich bedauerlich. Es ist sicher in unser aller Interesse, den damit verbundenen Verlust von Vertrauen in die europäischen Gremien - mein Kollege Fischer hat vorhin schon darauf hingewiesen - zu verhindern. Dies wird die Bundesregierung sicherlich tun, indem sie zusammen mit den anderen EU-Mitgliedstaaten dafür sorgen wird, daß solche Praktiken möglichst abgestellt werden. Gleichwohl wissen wir - auch aus der Erfahrung auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung -, daß alle Jahre wieder Prüfungsberichte der Rechnungshöfe kommen, die uns natürlich alle jeweils immer sehr beunruhigen, und wir jeweils wieder dafür sorgen müssen, die Beanstandungen für die Zukunft abzustellen. Ich hatte Ihnen im übrigen gesagt, daß sich die Ratsgremien im Jahre 1999 mit dieser Fragestellung befassen werden. Es ist also von daher schon automatisch ein Thema der deutschen Präsidentschaft. Ich will aber jetzt nicht für die Bundesregierung sagen, daß dies ein wesentlicher Schwerpunkt der Präsidentschaft wird. Ich täte dies gern, aber ich kann in diesem Zusammenhang nicht die ganze Bundesregierung darauf festlegen, sich einen weiteren wesentlichen Schwerpunkt ihrer Präsidentschaft auf Grund Ihrer Frage im Plenum vorzunehmen, so wünschenswert dies auch wäre. Aber Prioritäten bedeuten auch immer Posterioritäten. Die deutsche Präsidentschaft dauert ein halbes Jahr, und man muß einfach sehen, was man sich vornehmen kann.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 34 des Abgeordneten Dr. Martin Mayer ({0}) auf: Welche Haltung hat die Bundesregierung zu den Erwägungen der Kommission der Europäischen Union im Bericht zur Finanzierung der Europäischen Union vom 7. Oktober 1998 KOM ({1}) 560 endg., Telekommunikationsanlagen und Telekommunikationsdienstleistungen zu besteuern?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Mayer, die Bundesregierung bewertet die Ausführungen der Kommission als lediglich hypothetische Überlegungen zu neuen Einnahmequellen der Europäischen Union.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Dr. Martin Mayer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001448, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Gibt es dennoch keine Stellungnahme und Bewertung der Bundesregierung?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Bundesregierung sieht sich nicht veranlaßt, zu solchen Überlegungen aus der Mitte der Kommission heraus Stellung zu nehmen; denn sowohl nach Ansicht der Kommission in ihrer Gesamtheit, die maßgeblich dafür ist - es mag einzelne Bedienstete der Kommission geben, die solche hypothetischen Überlegungen anstellen -, wie auch nach Ansicht der Bundesregierung deckt das Eigenmittelsystem den Finanzbedarf der EU ausreichend, so daß für weitergehende hypothetische Überlegungen kein Raum besteht.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe nun die Frage 35 des Abgeordneten Dr. Martin Mayer ({0}) auf: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, daß mit einer derartigen Steuer der technische Fortschritt und die Wettbewerbsfähigkeit behindert würden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Mayer, die aktuelle Entwicklung im deutschen Telekommunikationsmarkt ist gekennzeichnet durch eine hohe Wachstums- und Innovationsdynamik, eine Vielzahl neuer Anbieter, Angebotsverbreiterungen und insbesondere massive Preissenkungen für Geschäfts- und Privatkunden. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist diese Entwicklung durchaus positiv einzuschätzen. Die volkswirtschaftlichen Kosten der Kommunikation sind gesunken, wodurch die Entwicklung neuer, zukunftsträchtiger Märkte - Stichworte: Informationsgesellschaft, Electronic Commerce, Internet - gefördert wird. Vor diesem Hintergrund wäre die steuerliche Sonderbehandlung von Telekommunikationsdienstleistungen ausgesprochen kontraproduktiv.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 36 des Abgeordneten Wolfgang Börnsen ({0}) auf: Welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Umstand, daß nunmehr auch die schwedische Regierung signalisiert hat, sie könne sich auch eine Verlängerung der Dutyfree-Regelung vorstellen, Großbritannien eine dreijährige Verlängerung für denkbar hält und damit anders, als vor dem Deutschen Bundestag am 18. November 1998 festgestellt, sich die Mehrheitsverhältnisse zu einer Verlängerung hin bewegen, und welche Aktivitäten plant die Bundesregierung, um insbesondere die einer Verlängerung noch skeptisch gegenüberstehenden Staaten in Skandinavien und im Benelux von der Richtigkeit einer Verlängerung zu überzeugen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Börnsen, ich weiß nicht, ob ich die Beantwortung noch vornehmen soll, weil wir uns im Rahmen der Regierungsbefragung eigentlich schon zu diesem Thema ausgetauscht haben. Wenn Sie wollen, kann ich dies aber gerne noch tun.

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich würde darum bitten, weil meine Frage, die ich schriftlich gestellt habe, anders gelautet hat.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die schriftliche Frage bezieht sich auf eine veränderte Haltung des Mitgliedstaates Schweden. Insofern habe ich darauf jetzt nicht so relativ allgemein formuliert antworten wollen, wie es bis gestern vorbereitet war; denn gestern hat Schweden im Ecofin eben doch keine neue Haltung eingenommen, sondern weiterhin zu den Ablehnenden gehört. Bis gestern hätte ich es also noch ein bißchen allgemein formuliert, aber das ist nun schon wieder anders. Da ist alles immer im Fluß, wie das mit den Schiffen nun einmal so ist.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich weiß um Ihr auch persönliches Engagement in dieser Frage. Aber es ist schon so, daß die Problematik der Duty-free-Regelung bei uns in Norddeutschland eine zunehmende Dramatik annimmt. Erst in der vergangenen Woche sind bei einer Flensburger Reederei 365 Entlassungen ausgesprochen worden. Sie wissen, es gibt 5 700 gefährdete Arbeitsplätze. Das, was gestern im Ecofin-Rat passiert ist, wird in Norddeutschland als schwere Schlappe für Bonn angesehen. Ich teile diese Auffassung nicht. Ich weiß selbst, wie die frühere Bundesregierung im Ecofin-Rat hat kämpfen müssen ebenfalls nicht mit dem Erfolg, den sie sich gewünscht hat. Aber ich frage Sie doch: Welche einzelnen Maßnahmen gerade gegenüber den skandinavischen Ländern, die sich in anderen Bereichen ja Privilegien ausgehandelt haben, hat man jetzt vor?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Ich hatte schon eben im Rahmen der Regierungsbefragung Gelegenheit, darauf zu antworten. Der Bundesfinanzminister sieht zur Zeit vor, einzelne Briefe an alle seine Finanzministerkollegen zu schreiben. Es wird auch noch eine Auswertung der gestrigen Sitzung des Ecofin in der Weise erfolgen, daß man die atmosphärische Stimmung mißt und sich überlegt, wo man überhaupt noch Chancen hat, tatsächlich etwas zu bewegen, so daß dann noch Einzelgespräche anhand dieser atmosphärischen Stimmung und der Schlüsse daraus stattfinden können. Dies wird in den nächsten Tagen und Wochen sicherlich erfolgen. Ich hatte Ihnen eben im übrigen schon sagen können, daß insbesondere die schleswig-holsteinische Landesregierung im Rahmen ihrer Ostseezusammenarbeit mit den EU-Mitgliedstaaten Finnland, Dänemark und Schweden noch initiativ werden wird. Das begrüßt die Bundesregierung außerordentlich.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine weitere Zusatzfrage.

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sie wissen, daß der Bundeskanzler in einem Schreiben vom 13. November den Bundesfinanzminister aufgefordert hat, persönlich in dieser Frage tätig zu werden. Nun hat der Bundesfinanzminister vermutlich nicht ausreichend Zeit dafür gehabt, sich mit allen Mitgliedstaaten einzeln um diese Problematik zu kümmern. Können Sie sagen, welcher Zeitrahmen für die Gespräche mit den einzelnen Mitgliedstaaten vorgesehen ist?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Börnsen, das kann ich zum heutigen Tag noch nicht sagen, weil der Ecofin erst gestern zu diesem Thema getagt hat. Die Briefe an die einzelnen Finanzministerkollegen sind vorgesehen. In Auswertung der gestrigen Sitzung des Ecofin muß noch überlegt werden, an welcher Stelle sich einzelne Gespräche besonders erfolgversprechend anlassen. Ich darf Ihnen in diesem Zusammenhang sagen, daß ich dazu in der vergangenen Woche mit meiner britischen Kollegin, der Staatsministerin Dawn Primarolo, ein Gespräch geführt habe. Ich werde sie in der übernächsten Woche in London aufsuchen und das Thema noch einmal verstärkt ansprechen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 37 des Abgeordneten Börnsen ({0}) auf: Hat der Bundesminister der Finanzen, Oskar Lafontaine, das jüngste Treffen mit seinem Amtskollegen auf Europaebene - wie in der Fragestunde vom 18. November 1998 ({1}) in Aussicht gestellt bereits zum Anlaß genommen, über das Thema Duty-free und die damit verbundenen Arbeitsplatzverluste mit seinen Amtskollegen zu diskutieren, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Börnsen, ich kann Ihnen hierzu das sagen, was ich auch eben in der Regierungsbefragung sagen konnte. Wir sind dabei leider nicht sehr positiv vorwärtsgekommen. Gestern hat die französisch-deutsche Initiative vorgelegen. Sechs Mitgliedsländer haben Zustimmung signalisiert, sechs haben abgelehnt, und drei haben eine abwartende Haltung eingenommen. Daraus ist zum jetzigen Zeitpunkt in der Tat der Schluß zu ziehen, daß sich die Europäische Kommission vor einem solchen Abstimmungshintergrund nicht veranlaßt sehen wird, von sich aus initiativ zu werden. Es ist ja rechtlich die einzige Möglichkeit, daß die Europäische Kommission von sich aus initiativ wird.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich begrüße es, daß Sie auch vorhin schon mitgeteilt haben, daß das Thema auf jeden Fall bereits Anfang des nächsten Jahres auf die Tagesordnung der deutschen Ratspräsidentschaft kommt. Aber sind Sie nicht mit mir einer Auffassung, daß es eine Entwürdigung der nationalen Parlamente und der Regierungen ist, wenn das Initiativrecht ausschließlich bei der Europäischen Kommission liegt, und daß es notwendig ist, dieses Initiativrecht auf die nationalen Regierungen auszudehnen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Es kann sein, daß ich Ihnen jetzt aus dem Kopf eine falsche Antwort gebe. Wenn das der Fall sein sollte, bitte ich, das zu entschuldigen. Sie dürfen aber nicht vergessen, daß die Beschlußfassung darüber, daß die Tax-free-Regelung im Sommer 1999 ausläuft, eine Beschlußfassung aus dem Jahre 1991 - soweit ich das weiß - mit einer siebenjährigen Übergangsfrist ist. Das ist eine Richtlinie, die ja einstimmig beschlossen worden ist. Das wäre dann so, als wollte man ein bestehendes Gesetz wieder umkehren. Es ist ja nicht sozusagen eine neue Initiative, sondern es geht im Prinzip um die Aufhebung einer einstimmig beschlossenen Richtlinie. Da hat eben die Kommission das alleinige Initiativrecht. Das ist vor dem Hintergrund des Einstimmigkeitsprinzips in sehr weiten Teilen der Europäischen Kommission sicherlich die logische Folgerung, denn sonst könnte jeder, der mal nicht zufrieden ist, sofort wieder versuchen, etwas umzudrehen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Noch eine Zusatzfrage.

Wolfgang Börnsen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000227, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber, Frau Staatssekretärin, Sie teilen in Ihrer Antwort doch die Auffassung, daß es doch überlegenswert ist, über die Frage des Initiativrechts nachzudenken und auch nationale Regierungen zu beteiligen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Börnsen, ich glaube, daß Nachdenken sich immer lohnt. Aber ich will jetzt keine verfassungsrechtliche Aussage dazu machen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Fragen 38 und 39 des Abgeordneten Jürgen Koppelin werden schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 40 des Abgeordneten Norbert Schindler auf: Unterstützt die Bundesregierung den Vorschlag des Bundeskanzlers vom 18. November 1998, für die sog. „geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse“ im Zuge der Neuregelung auf die Pauschalbesteuerung gänzlich zu verzichten? Parl. Staatssekretärin D. Barbara Hendricks

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Schindler, die Bundesregierung beabsichtigt, die Entgelte aus „geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen“ künftig in die Sozialversicherungspflicht einzubeziehen und statt dessen auf die Pauschalbesteuerung nach § 40 a des Einkommensteuergesetzes zu verzichten.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Norbert Schindler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002776, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie soll die Gegenfinanzierung beim Bund laufen, und wie könnte es für den Bund noch kommen, wenn die Länder in der Gegenfinanzierung nicht mitmachen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Schindler, es hat am vergangenen Wochenende eine Verständigung zwischen dem Bundesfinanzminister und den Landesfinanzministern der sozialdemokratisch regierten Länder gegeben. Danach wird durch mehrere Tatbestände ein Ausgleich herbeigeführt, zum einen durch die Umsatzsteuer, die auf die ökologische Steuer anfällt, und zum anderen durch die steigende Einkommen- und Körperschaftsteuer, die durch den Tatbestand entsteht, daß die Unternehmensgewinne steigen, weil die Rentenversicherungsbeiträge abgesenkt werden. Zum dritten hat der Bundesfinanzminister zugesagt, noch weitere steuerrechtliche Maßnahmen zu prüfen. Die Länderfinanzminister haben vorgeschlagen, auf das sogenannte Dienstmädchenprivileg zu verzichten. Das wird im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum Steuerreformgesetz geprüft. Alle diese Maßnahmen führen dazu, daß die Steuereinnahmen anteilig auf Bund und Länder entfallen, entweder nach der Umsatzsteuer oder nach der Einkommensteuer oder nach der Körperschaftsteuer, so daß per saldo alle Ebenen des Staates nicht mit einer Mehrbelastung zu rechnen haben.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Kollegen Fromme.

Jochen Konrad Fromme (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003126, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie stellt sich die Bundesregierung die Kompensation bei den Gemeinden vor, die ja auch 15 Prozent der Steuerausfälle zu tragen haben?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Fromme, wenn alle Ebenen des Staates eine Kompensation erhalten, so erhalten selbstverständlich auch die Gemeinden die ihnen zukommende Kompensation.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 41 des Kollegen Schindler auf: Wie hoch sind die bisherigen Steuereinnahmen pro Jahr aus der pauschalen Besteuerung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Schindler, nach dem amtlichen Mikrozensus 1997 sind in der Erhebungswoche - das war die letzte Woche im April 1,9 Millionen Personen mit „geringfügiger Beschäftigung“ nachgewiesen. Es bestehen allerdings erhebliche Unsicherheiten, aus einer solchen Stichtagserhebung auf den Umfang der jährlichen „geringfügigen Beschäftigung“ zu schließen. Dabei betrifft die Unsicherheit sowohl die Fallzahl als auch die Höhe des Entgelts. Nach Einschätzung des Statistischen Bundesamtes dürften die im Mikrozensus ausgewiesenen Zahlen für die „geringfügige Beschäftigung“ eine Untergrenze darstellen, da die „geringfügige Beschäftigung“ zu anderen Zeiten als dem Erhebungszeitpunkt - wie gesagt, das war April -, also zum Beispiel in den Semesterferien, in der Urlaubszeit, im Weihnachtsgeschäft, höher ist. Die Bundesregierung geht daher schätzweise von 2,5 Millionen, also nicht von 1,9 Millionen steuerlich relevanten Fällen mit einem ganzjährigen durchschnittlichen Monatsverdienst von 500 DM aus. Bei einem Pauschsteuersatz von 20 Prozent errechnen sich hieraus Ausfälle an Pauschsteuer in Höhe von 3 Milliarden DM. Davon entfallen 1,275 Milliarden DM auf den Bund und 1,725 Milliarden DM auf Länder und Gemeinden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Hauser.

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, bei der pauschalen Lohnsteuer fällt immer auch eine pauschale Kirchensteuer an. Können Sie mir sagen, welche Größenordnung das ist und ob es diesbezüglich auch Pläne einer Kompensation gibt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Hauser, es ist richtig, daß bei Pauschalsteuern immer auch eine pauschale Kirchensteuer anfällt. Nach meinem Kenntnisstand beläuft sich der Kirchensteuersatz auf 8 Prozent des Lohnsteueraufkommens. ({0}) - Ich wußte es nicht genau. 7 Prozent. - Wieviel 7 Prozent von 3 Milliarden DM sind, kann man ausrechnen. Lassen Sie uns schnell zusammen rechnen. - Das müßten 210 Millionen DM sein. Der Ausfall betrifft beide Kirchen. Das ist bedauerlich, aber die selbstverständliche Folge einer Senkung im Lohn- und Einkommensteuerbereich. Sie werden sich erinnern, daß Sie in der vergangenen Wahlperiode erheblich höhere steuerliche Entlastungen versprochen hatten. Die Einnahmeausfälle, die die Kirchen damit zu tragen gehabt hätten, wären in keiner Weise kompensiert worden. Kompensation für Kirchensteuerausfälle kann die staatliche Ebene schon auf Grund der verfassungsrechtlich gebotenen Trennung zwischen Staat und Kirche nicht leisten. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Wir kommen zur Frage 42 des Abgeordneten Hans Michelbach: Sind Presseberichte zutreffend, nach denen der Bundesminister der Finanzen den Ländern und Gemeinden zugesagt hat, daß der Bund die sich aus der Neuregelung der „geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse“ ergebenden Steuerausfälle allein trägt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, aus der Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse werden den Ländern und Kommunen keine zusätzlichen Belastungen entstehen. Der Bundesfinanzminister hat den Ländern eine volle Gegenfinanzierung in Aussicht gestellt. Die Gegenfinanzierung wird unter anderem über die Streichung von § 10 Abs. 1 Nr. 8 Förderung hauswirtschaftlicher Beschäftigungsverhältnisse -, durch Mehreinnahmen aus der Umsatzsteuer im Zusammenhang mit der Ökosteuer und durch Mehreinnahmen bei den Unternehmensteuern auf Grund der Entlastung der Unternehmen bei den Sozialbeiträgen erfolgen. Diese Maßnahmen sind mit der großen Mehrheit der Länder abgestimmt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Sie sprechen die zusätzlichen Einnahmen der Länder und Gemeinden bei der Umsatzsteuer im Zusammenhang mit der Ökosteuer an. Ist dieser sogenannte Kaskadeneffekt nicht insofern für die Länder und Gemeinden unbedingt notwendig, als sie durch die Ökosteuer in ihren Gebäuden und Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten sehr stark belastet werden, ohne daß hierfür schon eine Gegenfinanzierung vorhanden ist? Werden nicht dadurch die Umsatzsteuermehreinnahmen unbedingt benötigt?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, ich darf darauf hinweisen, daß die Rentenversicherungsbeiträge in demselben Umfang gesenkt werden, wie die Verbrauchsteuern auf Energie erhöht werden. Sofern die Bediensteten der Kommunen keine Beamten sind, profitieren die öffentlichen Körperschaften als Arbeitgeber.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, wie sehen Sie das mit der Abschaffung der Pauschalsteuer verbundene verfassungsrechtliche Problem, daß nach Ihrem Gesetzentwurf über das gegebene steuerfreie Existenzminimum hinaus generell für alle geringfügig Beschäftigten 12 mal 620 DM, also 7 440 DM, steuerfrei ermöglicht werden, wohingegen für alle anderen Beschäftigten und Steuerzahler sofort die erste Mark nach dem steuerfreien Existenzminimum zu versteuern ist? Sehen Sie hierin nicht eine Verfassungswidrigkeit und auch eine Ungerechtigkeit?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Bundesregierung geht davon aus, daß das vorzulegende Gesetz verfassungsrechtlich einwandfrei sein wird. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 43 des Kollegen Michelbach auf: Wie hoch sollte die Staatsquote nach Auffassung der Bundesregierung langfristig sein, und in welchen Schritten will die Bundesregierung dieses Ziel erreichen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Die Bundesregierung strebt eine mittelfristige Begrenzung der Staatsquote an. Eine genaue Quantifizierung ist derzeit nicht sinnvoll. Soweit sich insbesondere durch die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Spielräume zur Ausgabenbeschränkung eröffnen, kann ein angemessener Teil zur Reduktion der Staatsquote verwendet werden.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, betroffen sind hier auch die Länder und Gemeinden. Es wird sicherlich notwendig sein, die finanzpolitischen Grundlagen in eine Gesamtkonzeption einzubinden. Eine Gesamtkonzeption zur Senkung der Staatsquote sehen wir zwar bisher nicht, aber es finden, wie Sie im Zusammenhang mit der Pauschalsteuer selbst angedeutet haben, Gespräche statt. Allerdings finden diese Gespräche immer nur mit den SPD-geführten Ländern statt. Finden Sie diese geschlossene Veranstaltung innerhalb der SPD richtig? Warum werden nicht auch Ministerpräsidenten von unionsgeführten Regierungen eingeladen? Ist es nicht dem föderalen Verhältnis in unserem Lande sehr abträglich, wenn in der Finanzpolitik eine solche Parteiveranstaltung stattfindet?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Michelbach, ich habe an der Veranstaltung der Finanzminister des Bundes und der Länder am vergangenen Donnerstag und Freitag in Düsseldorf teilgenommen. Es war zwar eine Veranstaltung, die ganz überwiegend von Sozialdemokraten besucht war, aber gleichwohl keine Parteiveranstaltung; es fand eine fachbezogene, sachlich fundierte Diskussion statt. Ich darf im übrigen darauf hinweisen, daß zur Stunde der Finanzplanungsrat unter Beteiligung aller Bundesländer tagt, selbstverständlich auch der CDU- und CSUgeführten Bundesländer. Die von der Verfassung vorgesehenen oder durch die Aufgabenstruktur der Bundesregierung zu beteiligenden Gremien beziehen wir selbstverständlich ein. Das steht gar nicht in Frage. Es ist aber selbstverständlich auch erlaubt, daß sich zunächst Menschen mit einer gleichen politischen Interessenlage zur Vorbereitung solcher Sitzungen zusammensetzen. Das ist nichts anderes, als wenn Sie beispielsweise eine Fraktionssitzung durchführen, bevor das Plenum beginnt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 44 des Abgeordneten Dr. Peter Ramsauer auf: Stimmt die Bundesregierung mit mir darin überein, daß ein Steuerpflichtiger trotz der im Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vorgesehenen Streichung des § 10i EStG dann noch für 1999 in den Genuß des Vorkostenabzuges kommt, wenn z.B. der Abschluß des obligatorischen Rechtsgeschäftes in 1998, der Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums sowie die Eigennutzung aber erst in 1999 erfolgen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Ramsauer, ja. Nach dem Entwurf eines Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 soll der Vorkostenabzug künftig entfallen. In den Genuß des Vorkostenabzugs können aber noch alle Eigenheimerwerber gelangen, die den notariellen Kaufvertrag für ihr Eigenheim vor dem 1. Januar 1999 abschließen. Der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums oder der Grundbucheintragung wie auch der Zeitpunkt des Einzugs ist in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Wer als Bauherr eines Eigenheimes noch den Vorkostenabzug nutzen will, muß den Bauantrag vor dem 1. Januar 1999 stellen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich möchte zur Verdeutlichung der Frage noch einmal nachhaken: Können damit also im genannten Fall die Vorkostenpauschale von 3 500 DM und mögliche Erhaltungsaufwendungen bis zur Höhe von 22 500 DM gegenüber dem Finanzamt für den Veranlagungszeitraum 1999 tatsächlich als Sonderausgaben geltend gemacht werden?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Entscheidend ist, wie ich Ihnen eben gesagt habe, daß der notarielle Kaufvertrag noch im Jahre 1998 abgeschlossen werden muß. Dann ist der Abzug dieser Sonderausgaben auch noch im Jahre 1999 möglich.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Das heißt, auch wenn der Übergang von wirtschaftlichen Nutzen und Lasten, also des Eigentums, erst im Jahr 1999 stattfindet, kann der Erwerber den Vorkostenabzug und die Erhaltungsaufwendungen für den Veranlagungszeitraum 1999 geltend machen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Der Zeitpunkt des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums ist nicht entscheidend. Insofern beantworte ich Ihre Frage mit Ja.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Kansy.

Dr. - Ing. Dietmar Kansy (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001064, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, halten Sie es angesichts der Tatsache, daß die SPD bis heute in der Wohnungspolitik eine stärkere Orientierung am Bestand propagiert und den leichteren Erwerb von Eigentum für weniger gut Verdienende wünscht, nicht für kontraproduktiv, wenn ausgerechnet der Vorkostenabzug abgeschafft wird, der ein Instrument zur Förderung des Bestands war und auch Wenigverdienern ermöglichte, Eigentum zu erwerben?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Bereits im Gesetzgebungsverfahren zum Eigenheimzulagengesetz 1995 haben sich SPD und Bündnis 90/Die Grünen für eine stärkere Förderung der Modernisierung von Altbauten ausgesprochen, weil wir wissen, daß eine höhere Altbauförderung insbesondere jungen Familien und Kindern in Ballungsgebieten zugute kommt. Eine Weiterentwicklung der Eigenheimförderung, so daß sie in Ballungsgebieten besser greifen kann, ist daher auch Bestandteil der Koalitionsvereinbarungen. Wenn im Gesetzentwurf gleichwohl eine Aufstockung der Altbauförderung nicht vorgesehen ist, hat dies seinen Grund in der angespannten Haushaltslage. So wünschenswert eine Aufstockung auch ist, es würden damit doch sehr hohe Steuerausfälle verbunden sein, die wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht verkraften können.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 45 des Abgeordneten Ramsauer auf: Welcher Teil der Steuermehreinnahmen aus dem Wegfall des § 10i EStG und der Verlängerung der Spekulationsfrist des § 23 EStG auf zehn Jahre im Entwurf des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 entfällt nach Auffassung der Bundesregierung auf die vom Bonn-Berlin-Umzug Betroffenen, und hält es die Bundesregierung - um den Betroffenen Planungs- und Finanzierungssicherheit geben zu können - für erforderlich, einen Ausgleich in anderer Weise zu schaffen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Ramsauer, die von Bonn nach Berlin oder in umgekehrter Richtung Umziehenden sind beim Eigenheimerwerb nur vom Wegfall des Vorkostenabzugs nach § 10i Einkommensteuergesetz betroffen. Von der im Gesetzentwurf vorgesehenen Verlängerung der Spekulationsfrist für Grundstücke von zwei auf zehn Jahre sind Eigenheimerwerber grundsätzlich nicht betroffen. Die Umzüge von Selbstnutzern zwischen Bonn und Berlin verteilen sich über einen mehrjährigen Zeitraum. In diesem Zeitraum sind von diesen Umzügen weniger als 1 Prozent aller Haushalte in Deutschland betroffen, die selbstgenutztes Eigentum erwerben. Einen besonderen Ausgleich hierfür hält die Bundesregierung nicht für gerechtfertigt.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Dr. Peter Ramsauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001772, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, Kern der Frage war eigentlich, wie viele aus dem Kreise der von der Neuregelung Betroffenen solche sind, die von Bonn nach Berlin bzw. von Berlin nach Bonn umziehen. Die Frage war so gemeint, ob von dem Wegfall dieser Regelung, bezogen auf die Zahl der Betroffenen insgesamt, vor allem solche betroffen sind, die einen Umzug in die eine oder in die andere Richtung vornehmen müssen.

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Ramsauer, darüber können naturgemäß keine Schätzungen vorliegen, weil wir zum Beispiel nicht wissen, ob von Bonn nach Berlin und in umgekehrter Richtung Umziehende Altbauten erwerben oder Neubauten errichten lassen. Insofern ist der Umfang des Vorkostenabzugs einfach nicht zu schätzen. Ich habe Ihnen aber gesagt, daß allenfalls 1 Prozent all derjenigen, die in den vor uns liegenden Jahren ein Haus erwerben werden, Menschen sein werden, die von Bonn nach Berlin oder in umgekehrter Richtung umziehen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hauser.

Hansgeorg Hauser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000832, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, habe ich es akustisch richtig mitbekommen, daß Sie gesagt haben, diejenigen - ich glaube, die Frage kann man weiter fassen -, die in den letzten acht Jahren ein Haus erworben haben, sind nicht von der Verlängerung der Spekulationsfrist betroffen?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Herr Kollege Hauser, selbstgenutztes Wohneigentum ist von der Verlängerung der Spekulationsfrist selbstverständlich in der Regel nicht betroffen. Es wird doch wohl um selbstgenutztes Wohneigentum gehen, wenn Menschen von Bonn nach Berlin und in umgekehrter Richtung ziehen. Sie werden ihr selbstgenutztes Wohneigentum, das sie bisher in der Stadt A oder B haben, gegen anderes selbstgenutztes Wohneigentum in der Stadt B oder A tauschen. Insofern kann die Frage der Spekulationsfrist keine Rolle spielen. ({0})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Wir kommen jetzt zu den beiden letzten Fragen im Rahmen dieser Fragestunde und danach zur Aktuellen Stunde. Ich rufe die Frage 46 der Kollegin Ilse Aigner auf: Wie steht die Bundesregierung zu einer Verlängerung des zwischen der Bundesrepublik Deutschland ({0}) und Radio Free Europe geschlossenen Gestattungsvertrages zum Betrieb einer Sendeanlage in Oberlaindern ({1}) über das Jahr 2005 hinaus?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Aigner, die Sendeanlage des Radio Free Europe, jetzt International Broadcasting Bureau, mit einer Fläche von 67,8 Hektar ist seit Anfang der 50er Jahre vom Bund an den damaligen Sender Radio Free Europe verpachtet. Mit dem International Broadcasting Bureau hat der Bund am 8. Juni 1995 einen Gestattungsvertrag, befristet bis zum 30. Juni 2005, abgeschlossen. Sollte der Sendebetrieb vorher einzustellen sein, kann das IBB jedoch fristlos kündigen. Aus heutiger Sicht besteht für den Grundstückseigentümer keine Veranlassung, über eine Vertragsbeendigung oder -verlängerung in sieben Jahren zu befinden.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich rufe die Frage 47 der Abgeordneten Ilse Aigner auf: Gibt es weitere vertragliche Bindungen bezüglich amerikanischer Sendeanlagen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Aigner, weitere amerikanische Sendeanlagen mit vertraglichen Bindungen wie bei der IBB gibt es nicht. Jedoch betreiben die US-Streitkräfte den Militärsender AFN. Die dabei benötigten Grundstücke sind den US-Streitkräften im Rahmen des NATO-Truppenstatuts überlassen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Zusatzfrage.

Ilse Aigner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003028, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Staatssekretärin, ist es nicht richtig, daß es Verträge für eine befristete Sendegenehmigung für amerikanische Anlagen bis zum Jahre 2090 gibt? Ist das de facto falsch?

Dr. Barbara Hendricks (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002672

Frau Kollegin Aigner, da bin ich überfragt. Das Jahr 2090 ist auch im Horizont der neuen Bundesregierung noch weit entfernt. Aber ich werde mich erkundigen.

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Die Frage 48 des Kollegen Dietrich Austermann wird schriftlich beantwortet. Ich danke Ihnen, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Fragen. Die Fragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sowie aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen werden bis auf folgende Ausnahmen schriftlich beantwortet: Die Fragen 56 und 57 des Kollegen Norbert Otto ({0}) und die Fragen 60 und 61 des Kollegen Dietmar Kansy sind zurückgezogen. - Damit sind wir am Ende der Fragestunde. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der PDS Haltung der Bundesregierung zu der mit der beabsichtigten Veräußerung von Metro-AGSparten verbundenen Gefährdung von über 34 000 Arbeitsplätzen sowie zu den Auswirkungen auf Mietverträge und Einnahmen der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Ursula Lötzer von der Fraktion der PDS.

Ursula Lötzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003174, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie müssen nicht befürchten, daß wir demnächst jede größere Fusion oder Firmenausschlachtung zum Anlaß einer Aktuellen Stunde machen werden. Was jedoch bei der Metro AG ansteht, ist rekordverdächtig, beispielhaft für die Sozialschädlichkeit der ShareholderValue-Politik und exemplarisch für das Versagen der Politik gegenüber der Arbeitsplatzvernichtung. Die Metro entledigt sich auf einen Schlag von 34 000 Arbeitsplätzen an 2 078 Standorten. Sie überführt in einer bisher einzigartigen Aktion einen beachtlichen Teil des deutschen Einzelhandels in eine neu zu gründende Gesellschaft, deren einziger Zweck das Ausschlachten und Abwickeln oder Versilbern von Kaufhäusern oder ganzen Ketten ist. Die für diesen Zweck geschaffene DIVAG übernimmt gewissermaßen die Rolle einer Sterbeklinik, die auf der einen Seite Tausende von Arbeitsplätzen entsorgen wird, auf der anderen Seite Milliardenbeträge erlöst, damit die Kasse der Metro für neue globale Strategien gefüllt wird. Wie gesagt, die gesamte Aktion ist rekordverdächtig. Sie ist aber auch außerordentlich beispielhaft, beispielhaft für das Scheitern der bisherigen Wirtschaftspolitik und beispielhaft für das, was die neue Regierung wird anpacken müssen. Das Abbruchunternehmen Metro ist keine Folge magerer Gewinne. Im Gegenteil: Es ist die Folge einer außerordentlich günstigen Konzernentwicklung. Allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres stieg der Konzernumsatz netto um 67,2 Prozent. Das Beispiel Metro zeigt, daß die Hauptargumente, mit denen Arbeitslosigkeit begründet wird, vorne und hinten nicht stimmen. Erstens sind die größten Arbeitsplatzvernichter nicht die wettbewerbsschwachen Unternehmen, sondern die Gewinner des Vernichtungswettbewerbs. Zweitens schafft ihre verbesserte Gewinnlage keine neuen Arbeitsplätze, sondern bildet die entscheidende Voraussetzung zur Vernichtung von Arbeitsplätzen. Drittens hat der Abbau von Arbeitsplätzen nicht das geringste mit zu hohen Lohnkosten zu tun, sondern mit überhöhten und ungebremsten Renditeerwartungen. ({0}) Jahrelang hat die Metro alles zusammengekauft, was zu haben war. Sie hat sich insbesondere zu Spottpreisen bei der Treuhand bedient. Jetzt, wo der Markt vermachtet ist, behält sie die Filetstücke, verscherbelt den Rest und kauft sich von Griechenland bis China in andere Märkte ein. Das Beispiel Metro zeigt aber auch den Handlungsbedarf der neuen Regierung: Die Sozialbindung des Eigentums macht sich gut in unserer Verfassung; aber ist es nicht endlich an der Zeit, diesen Verfassungsgrundsatz gegenüber der Shareholder-Value-Praxis in Schutz zu nehmen? ({1}) Die Metro wird nicht durch die vielzitierte Globalisierung zum Abstoßen von 34 000 Arbeitsplätzen getrieben, sondern ausschließlich dadurch, daß sie selbst zu einem der größten Global-Player werden will. Warum sollen wir die sozialen Kosten dafür tragen? Die Gewerkschaften und die Beschäftigten, nicht nur die der Metro, erwarten von dieser Regierung zu Recht eine Reformstrategie, die es Konzernen wie der Metro schwerer macht, sich durch Ausgliederungen vor sozialer Verantwortung zu drücken und die Kosten ihrer Globalisierungsambitionen auf die Bundesanstalt für Arbeit abzuwälzen. ({2}) Sie erwarten zu Recht eine Politik, die verhindert, Tarifverträge und Mitbestimmung zu umgehen. Die Politik, das heißt Sie, Kolleginnen und Kollegen aus der Regierung, sind gefragt, Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen nicht nur die Arbeit gerechter verteilt, sondern auch die Vernichtung von Arbeitsplätzen erschwert wird. 16 Jahre hat man in diesem Land den Unternehmen die Steuern gesenkt, die Gewerkschaften haben Lohnzurückhaltung geübt, und die Regierung hat den Unternehmern eine arbeitsrechtliche Hürde nach der anderen aus dem Weg geräumt - das alles, um angeblich Arbeitsplätze zu schaffen. Das Ergebnis ist bekannt: Konzerne wie die Metro demonstrieren heute, daß Gewinnsteigerung und Arbeitsplatzvernichtung zwei Seiten derselben Medaille sind. Sie nehmen die Vorleistungen von Politik und Gewerkschaften gerne in Kauf, pflegen den Shareholder-Value, indem sie Zehntausende von Arbeitsplätzen abbauen, und machen dann ihre Teilnahme am Bündnis für Arbeit auch noch davon abhängig, daß Politik und Gewerkschaften weitere Vorleistungen mitbringen. - Ich komme sofort zum Ende, Herr Präsident. - Ja, sie weigern sich, Zusagen über Arbeitsplätze zu machen, und ihre einzige Vorleistung besteht - sieht man davon ab, daß sie immer wieder neue Fusionen und Ausgliederungen ankündigen - in der Vernichtung Zehntausender von Arbeitsplätzen. Kolleginnen und Kollegen, haben Sie endlich den Mut, diesen Teufelskreis zu durchbrechen und dem Marktradikalismus Grenzen zu setzen! Die Sozialbindung des Eigentums ist keine Selbstverpflichtung der Arbeitgeberverbände, sondern gehört endlich wieder ins Pflichtenheft der Politik, wenn sie eine neue Politik sein will. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort für die Bundesregierung hat der Parlamentarische Staatssekretär Siegmar Mosdorf.

Siegmar Mosdorf (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001535

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das von der Metro AG am 12. November beschlossene Maßnahmenprogramm stellt eine unternehmerische Entscheidung dar, die aus der Wettbewerbssituation in dieser Branche Vizepräsident Rudolf Seiters resultiert und unmittelbare Konsequenzen hat. Es gibt Anlaß, diesen Prozeß sehr aufmerksam zu verfolgen. Ob die von der Umstrukturierung betroffenen Arbeitsplätze der 34 000 Mitarbeiter - davon 29 500 Menschen in der Bundesrepublik Deutschland - gefährdet sind, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt allerdings nicht präzise gesagt werden. Man muß sich jeden einzelnen Standort und dessen Wettbewerbssituation genau ansehen. Nach Aussage der Metro AG - wir haben uns extra noch einmal danach erkundigt - könne von einer Gefährdung der Arbeitsplätze in vielen Einzeleinheiten, um die es dabei geht, nicht die Rede sein. Die Metro hat sich von verschiedenen Unternehmensteilen getrennt. Erwerber ist die DIVAG; das wissen Sie. Ein innerer Zusammenhang besteht darin, daß die Metro möglicherweise auch zu spät gehandelt hat. Ich bin immer sehr dafür, daß wir nicht nach Schema F diskutieren. Vielmehr sollten wir uns ansehen, was es möglicherweise vorher an unternehmerischen Fehlentscheidungen gegeben hat. Manche Unternehmen sind nämlich nicht wettbewerbsfähig, weshalb jetzt dringend Entscheidungsbedarf besteht und konkrete Maßnahmen ergriffen werden müssen. Für eine Reihe von Unternehmen ist die Vorbereitung eines Börsenganges vorgesehen. Für andere Unternehmen soll die DIVAG Erwerber suchen. In beiden Fällen aber muß es sich um Unternehmen handeln, die wettbewerbs- und leistungsfähig sind. Daher ist Kritik eher wegen Versäumnissen in der Vergangenheit als wegen der jetzigen Entscheidung zu üben. Der Erwerb vollzieht sich laut Angaben der Metro in den meisten Fällen durch Gesellschafterwechsel - das ist ausdrücklich bestätigt worden -, ohne Einfluß auf die Arbeitsverhältnisse. Das jedenfalls hat Metro zugesagt, und wir sollten sie im Hinblick darauf auch beim Wort nehmen. Gleichwohl schließt die Metro natürlich nicht aus - das hat sie uns wörtlich gesagt -, „daß für vereinzelte Standorte eine Schließung als einziger Weg verbleibt“. Die Notwendigkeit solcher Schließungen wird dann aber nicht erst durch den Übergang von der Metro auf die DIVAG hervorgerufen, sondern ergibt sich bereits aus den Versäumnissen der Vergangenheit. Im Falle von Schließungen soll laut Metro die Arbeitslosigkeit durch den Einsatz personalpolitischer Maßnahmen nach Möglichkeit vermieden werden. Jetzt zitiere ich wieder wörtlich - wir haben bei der Metro nachgefragt -: Hierzu zählen insbesondere das Angebot freier Arbeitsplätze innerhalb . . . des Metro-Konzerns . . . sowie die arbeitsmarktsorientierte Qualifizierung von Mitarbeitern auch im Rahmen von Beschäftigungsgesellschaften. Auch das sind Zusagen, die nicht jedes Unternehmen sofort gibt; das weiß jeder, der sich ein bißchen mit der Materie auskennt. An diese Zusagen sollten wir die Metro allerdings auch erinnern. Da wir ja fair miteinander umgehen wollen, möchte ich nur daran erinnern, daß bei der Entscheidung über diese Angelegenheit im Metro-Konzern die Arbeitnehmerbank - mit Ausnahme des hauptamtlichen HBVVertreters - diesen Entscheidungen zugestimmt hat. Das muß man einfach wissen. ({0}) Die Arbeitnehmerbank hat nämlich genau gesehen, wohin die Metro AG gerät, wenn sie die Situation treiben läßt, jetzt nicht handelt und nicht dafür sorgt, daß ihre Einheiten wettbewerbsfähig werden. Deshalb hat es eine entsprechende Entscheidung gegeben. Noch ein weiterer Zusatz: Metro selber ist dabei, sich auf den internationalen Wettbewerb einzurichten. Es spricht ja nichts dagegen, sich auf die Globalisierung einzustellen und zu versuchen, auch international leistungsfähig zu sein, zumal wenn man weiß, wer die Wettbewerber auf dem entsprechenden Sektor sind. Auch die Amerikaner sind da sehr engagiert. Aus diesem Grund hatte die Metro die Absicht, an die Börse zu gehen. Dies war auf Grund des gegebenen Portfolios nicht möglich, weil, hätte man das Portfolio insgesamt vorgelegt, ein Börsengang ausgeschlossen gewesen wäre. Das heißt, es gibt einen Zusammenhang zwischen der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens insgesamt und den jetzt - vielleicht zu spät - erfolgten Schritten. Ich möchte darum bitten - das ist der Unterschied zu der Art, wie Sie, Frau Lötzer, die Diskussion geführt haben -, nicht bei dem Punkt stehenzubleiben, daß man, wenn eine solche Situation entsteht, nur die Sorge der Menschen teilt. Das ist zwar wichtig. Aber wir müssen einen Schritt weitergehen und über die Wertschöpfung in solchen modernen Bereichen sehr frühzeitig nachdenken und dafür sorgen, daß in den jeweiligen Bereichen Wettbewerbsfähigkeit entsteht. Es ist vor allen Dingen Aufgabe der Unternehmen, das zu leisten. Da gibt es Versäumnisse; die muß man kritisieren. Es reicht aber nicht, wenn man in einer solchen Situation sozusagen nur den Tatbestand feststellt und ihn bedauert. Man muß unternehmerische Aktivitäten und entsprechendes Engagement vorher einfordern. Noch eine Bemerkung zur Frage der Auswirkungen auf Mietverträge und auf Einnahmen der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben. Dabei muß man folgendes berücksichtigen: Nach der in der Kürze der Zeit möglichen Prüfung hat die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben mitgeteilt, daß sie noch in vertraglichen Beziehungen zur Metro-Gruppe steht. Die BvS wird die Einhaltung der hieraus resultierenden vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere der Arbeitsplatzzusagen der Metro-Gruppe, kontrollieren. Das ist eine wichtige Zusage, die da gegeben worden ist und deren Einhaltung man auch in Einzelfällen - es geht ja um viele Standorte - beachten muß. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß nicht beendete Mietverträge von der BvS auf die TLG, die Treuhandliegenschaftsgesellschaft, übergeleitet wurden. Für die Mietverträge bei Objekten der TLG ergeben sich durch die Veränderungen bei der Metro AG keine Einnahmeauswirkungen. Bei Veräußerung von Gesellschaften, mit denen Mietverträge bestehen, ist von der weiteren Einhaltung dieser Verträge durch die Vertragspartner auszugehen. Kurz und gut, dies ist eine Entscheidung, die viele Menschen und viele Standorte betrifft. Man muß bei jeder einzelnen Entscheidung genau hinschauen, zu welchen Auswirkungen es kommt. Man muß im Zweifelsfalle auch mit der Metro AG darüber sprechen - das ist überhaupt keine Frage -, um diesen Prozeß so gestalten zu können, daß die davon betroffenen Menschen dabei nicht unter die Räder kommen. Das ist ein wichtiger Punkt. ({1}) Die Bundesregierung ist bereit, diesen Prozeß zu begleiten. Ich möchte ausdrücklich anbieten, Gespräche mit der Metro darüber zu führen, daß die Zusagen, die uns gemacht worden sind, auch im Einzelfall eingehalten werden. Es ist ganz wichtig, zu erkennen, daß die Entscheidung der Metro ein Prozeß der Modernisierung ist, der wirtschaftlich eine innere Logik hat und an dem auch wir ein Interesse haben sollten. Eine letzte Bemerkung. Denken Sie bitte auch darüber nach, daß wir uns lange Jahre, und zwar zu Recht, mit dem Konzentrationsprozeß auf dem Handelssektor auseinandergesetzt haben. Wenn die Metro jetzt Einheiten, die bisher das Profil des Unternehmens bestimmten, abgibt, dann ist das ein Dekonzentrationsprozeß, den man per se nicht negativ beurteilen kann. Wir haben die hohe Konzentration im Handelsbereich immer als gefährlich angesehen. Wir müssen also den Gesamtprozeß vor Augen haben und versuchen, uns ein objektives Urteil zu bilden. Vielen Dank. ({2})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort dem Kollegen Hans Michelbach, CDU/CSU.

Hans Michelbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002738, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Diese Aktuelle Stunde im Deutschen Bundestag zu einer unternehmerischen Entscheidung eines deutschen Unternehmens ist, wie ich meine, ein durchaus ernstzunehmender Tatbestand. Denn er zeigt uns, wohin wir in dieser Republik eventuell marschieren sollen, wohin uns - vielleicht zurück zur DDR-Wirtschaft - die Linke wieder bringen will. ({0}) - Weil Sie so protestieren, will ich dies an Hand einer aktuellen Ticker-Meldung belegen: Der SPD-Landwirtschaftsminister aus Mecklenburg-Vorpommern - er heißt Till Backhaus; ich kenne ihn nicht persönlich - hat heute verdeutlicht, daß er zurück zur Kollektivierung in der Landwirtschaft will. ({1}) - Da lachen Sie! Ich will nicht zurück zur Kollektivierung im Handel, ich will nicht zurück zur DDRWirtschaft. Daß wenige Jahre nach Überwindung der deutschen Teilung ein SPD-Minister Sehnsucht nach den alten sozialistischen Verhältnissen hat, ist für mich ein Armutszeugnis der SPD und nichts anderes, meine Damen und Herren. ({2}) Herr Staatssekretär, ich hätte schon erwartet, daß Sie bei dieser Gelegenheit Zitate eines Konzernunternehmens nicht sozusagen in dritter Person vortragen. Ich hätte erwartet, daß Sie als Vertreter des Bundeswirtschaftsministers klare ordnungspolitische Grundsätze aufstellen und darauf hinwirken, daß hier auf Grund eines Antrages, der von der PDS eingebracht worden ist, nicht diskriminierend über ein Unternehmen geredet wird. ({3}) Meines Erachtens darf die Diskussion in diesem Land nicht so geführt werden. Für mich ist dies eine Diskriminierung eines Unternehmens, eine Denunzierung unternehmerischer Entscheidungen und eine wahrheitswidrige Unterstellung gegenüber einem deutschen Unternehmen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Hier ist Verhetzungspotential mit Klassenkampf gegeben. ({4}) Das können wir in unserem Land nicht gebrauchen. Wir stehen für eine freiheitliche soziale Marktwirtschaft, für ein freies Unternehmertum und gegen die Planwirtschaft. Es muß für jedes Unternehmen im Rahmen klarer Ordnungspolitik eine Entscheidungsfreiheit, orientiert an der sozialen Marktwirtschaft, geben. Wir haben die Sozialbindung des Eigentums, aber natürlich auch die Entscheidungsfreiheit. Dieses Unternehmen sichert sich insgesamt die Zukunft und damit auch Arbeitsplätze; denn die Metro hat insgesamt fast 100 000 Mitarbeiter. Es ist doch wichtig, daß ein wesentlicher Teil der Arbeitsplätze gesichert wird und daß man die Teile dezentralisiert, die dann lebensfähiger sind. Letzten Endes zeigt man auch den Mitarbeitern dieser Sparte eine gute Chance für die Zukunft auf. Jedes Unternehmen muß Entscheidungen zur Bestandssicherung verantwortungsbewußt selbst treffen können. Ansonsten leistet man der Zahl der Arbeitsplätze einen Bärendienst. Niemand wird in den neuen Bundesländern auch nur eine Mark investieren, wenn er sich im Deutschen Bundestag in dieser Form diskriminieren lassen muß. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Vielleicht wird den Menschen mit einem solchen Antrag nach dem Mund geredet, vielleicht wird damit ein Verhetzungspotential gegeben. Aber das ist der falsche Weg; er hat Sie schon einmal in die falsche Richtung geführt. Das ist der Weg, den wir nicht wollen, ({5}) weil er nicht zum Erfolg führt. Jedes Unternehmen muß jeden Standort jederzeit unter unternehmerischen Gesichtspunkten prüfen können. Im übrigen sind die Behauptungen, die hier angestellt werden, falsch; darauf wird sicher noch von Kolleginnen und Kollegen hingewiesen. Alles ist im einzelnen geprüft worden; Sozialpläne sind vorhanden. Von diesem Unternehmen wird soziale Verantwortung wie von keinem anderen in der Welt wahrgenommen. Hier ist nicht beispielhaft für die bisherige Wirtschaftspolitik etwas falsch gemacht worden. Hier wurde vielmehr die Zukunft in einem globalisierten Markt gesichert. Das ist die Situation, mit der wir es zu tun haben. Es gibt einen harten Wettbewerb im Handel. Diese Wettbewerbssituation ist die schärfste auf der ganzen Welt, schärfer noch als in den USA. Deswegen müssen sich die Firmen zukunftssicher machen. Nichts anderes geschieht hier. Ich bin sicher, daß den Bürgern und den dort arbeitenden Menschen damit gedient ist. ({6})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für Bündnis 90/Die Grünen hat der Kollege Werner Schulz das Wort.

Werner Schulz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002108, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDS hat mit der Entscheidung der Metro AG, ihr Geschäft künftig auf vier Kernbereiche zu konzentrieren, zweifellos ein aktuelles Problem aufgegriffen. Mir ist allerdings, Frau Lötzer, bei Ihrem Debattenbeitrag verborgen geblieben - abgesehen von der Betonung der Verpflichtung des Privateigentums auf das Gemeinwohl, die das Grundgesetz sichert -, was Sie konkret von der Bundesregierung erwarten, was die Bundesregierung Ihrer Meinung nach in diesem Fall tun kann, wie sie darauf Einfluß nehmen soll. ({0}) Ich muß Sie als Anhängerin einer sozialistischen Staatsvorstellung und Wirtschaftspolitik in dieser Hinsicht wirklich enttäuschen. Wir leben nicht mehr in Zeiten der staatlichen Plankommission. ({1}) Weil Sie aus Köln kommen, konnten Sie nicht miterleben - oder vielleicht nur teilweise -, daß die staatliche Plankommission, beim Kombinat WTB oder bei der staatlichen Handelsorganisation HO, in unternehmerische Entscheidungen direkt eingreifen konnte. Sie hat sie also nicht nur beeinflußt, sondern konnte sogar Anordnungen treffen und Strukturentscheidungen herbeiführen. Das ist nun nicht mehr der Fall. ({2}) Die Metro hat eine unternehmerische Entscheidung getroffen. Das ist Sache des Unternehmens. Diese können wir zwar öffentlich diskutieren und kritisieren, aber solange der Wettbewerb nicht beeinträchtigt wird, hat die Bundesregierung keinen Einfluß darauf. ({3}) - Ich verstehe, Gregor Gysi, daß Sie das interessiert, bloß das ist kein Thema für eine Aktuelle Stunde. ({4}) Das muß man an anderer Stelle diskutieren. Das ist der entscheidende Punkt. Auch wenn Sie Fraktionsstärke erreicht haben, können Sie noch einiges dazulernen. Es ist kein Thema für eine Aktuelle Stunde. ({5}) Soweit ich das beurteilen kann - mir liegt nichts anderes vor, als Ihnen vorliegt: die Stellungnahmen der Metro AG, der Gewerkschaft HBV -, handelt es sich hier eben nicht um den Verlust von 34 000 Arbeitsplätzen. Die Formulierung des Themas der Aktuellen Stunde ist also eine völlige Verzerrung. Hier betreiben Sie Panikmache. ({6}) 34 000 Menschen sind von der Ausgliederung in die DIVAG betroffen. Diese Gesellschaft ist eigentlich nur eingerichtet worden, um Unternehmensteile zu verkaufen. Im übrigen sind hochprofitable Unternehmensbereiche dabei, also wettbewerbsfähige Teile. Hier erleben wir eben keine Konzentration, sondern eine Dezentralisierung durch Ausgliederung rentabler Bereiche. In welcher Größenordnung Veränderungen anstehen, kann im Moment offensichtlich noch keiner genau einschätzen. Gleichwohl gesteht die Metro zu, daß es möglicherweise zu Betriebsschließungen kommen wird. Aber diese Betriebsschließungen hätten auch dann durchgeführt werden müssen, wenn diese Unternehmen bei der Metro verblieben wären, einfach aus Rentabilitäts-, aus Kostengründen. Wir werden darauf achten müssen, ob die zugesicherten Sozialstandards - Herr Staatssekretär Mosdorf hat das hier dargestellt - eingehalten werden. Die Metro fühlt sich dazu verpflichtet. Sie sagt, sie werde alle tariflichen Bestimmungen einhalten, also auch die für die Metro geltenden Sozialstandards, und darauf auch bei der Überführung in die DIVAG bestehen. Darüber hinaus werde sie sowohl in der Metro AG als auch darüber hinaus Arbeitsplatzvermittlung anbieten und so für Beschäftigung sorgen, sei es durch Arbeitsplätze, die gestellt oder vermittelt werden können, sei es durch Qualifizierung. Ich finde, man geht an das Problem, das sich zweifellos stellt, durchaus verantwortungsvoll heran. Also, wir können gerne über das in diesem Land ausgebrochene Fusionsfieber sprechen, über die Konzentrationsprozesse und die Sorgen, daß das nur dem „value“ der „shareholder“ zugute kommt und nicht der Beschäftigungssituation. Das ist aber ein völlig anderes Thema. Hier macht sich die Regierung im Rahmen des Bündnisses für Arbeit große Sorgen. Ich bitte Sie von der PDS: Sie sollten keine Panikmache betreiben, keine Hysterie verbreiten, sondern sollten sich - wenn Sie denn überhaupt wollen - konstruktiv an diesem Bündnis für Arbeit beteiligen. ({7})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat für die F.D.P. der Kollege Jürgen Türk.

Jürgen Türk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002348, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich beim Staatssekretär für die sachliche Darstellung der Fakten bedanken. ({0}) Sicherlich kann man hinterfragen, ob es eine unternehmerische Glanzleistung der Metro AG ist, zuerst ein Unternehmen nach dem anderen aufzukaufen und dann zu der Erkenntnis zu kommen: Eigentlich passen die aufgekauften Unternehmen nicht zum Konzern. Außerdem ist es unternehmerisch viel besser, sich auf seine Kerngeschäfte zu konzentrieren. - Mir bleibt jedoch unverständlich, warum dieser Sachverhalt als Gegenstand einer Aktuellen Stunde im Deutschen Bundestag herhalten muß. ({1}) Der Redebeitrag der PDS gibt darüber beim besten Willen keine Auskunft. Die Metro AG hat Unternehmen, die ihr gehören, in eine neue Gesellschaft, DIVAG, unter der Führung der Deutschen Bank überführt. Aufgabe der Gesellschaft wird sein, die ehemaligen Metro-Unternehmen entweder zu veräußern oder ihren Börsengang einzuleiten oder sie selber weiterzuführen. Auch daran kann ich eigentlich nichts Anstößiges erkennen. Die in die neue Gesellschaft DIVAG überführten Unternehmen haben rund 34 000 Arbeitnehmer. Gesellschafterwechsel, die in der Wirtschaft tausendfach vorkommen und somit nichts Außergewöhnliches sind, haben keinen Einfluß auf Bestand und Inhalt von Arbeitsverhältnissen. Der Tatbestand des Gesellschafterwechsels an sich führt somit nicht zur Gefährdung von Arbeitsplätzen. Diese sind dann gefährdet, wenn ein Unternehmen nicht rentabel arbeitet. Die PDS unterstellt, 34 000 Arbeitsplätze seien in Gefahr. Das hieße aber, alle in die DIVAG überführten Unternehmen würden nicht rentabel arbeiten. Davon kann hier wohl nicht die Rede sein; diese Schlußfolgerung ist nicht richtig. Hier muß man differenzieren. Zu den Unternehmen, die in die DIVAG überführt werden, gehören sehr erfolgreiche Unternehmen, zum Beispiel die Textilkette Adler oder der Computerhersteller MAXDATA. Aber es gibt auch überführte Unternehmen, die Probleme haben; das muß man der Wahrheit halber sagen. Diese Probleme entstehen aber, wie gesagt, nicht erst durch Gesellschafterwechsel; sie bestanden schon vorher. Wichtig ist die Erklärung des Metro- und DIVAGVorstandes vom 12. November 1998: daß für die Arbeitnehmer der überführten Gesellschaften die tariflichen und sonstigen Arbeitsbedingungen sowie die sozialen Standards des Metro-Konzerns unverändert fortbestehen. Diese Zusage wurde am 28. November auch gegenüber der HBV gemacht. Unabhängig vom Gesellschafterwechsel ist jedoch von Bedeutung, daß bestimmte Firmen schlank saniert werden sollen und müssen. Das heißt zum Beispiel, daß die Kaufhalle Standorte aufgeben wird, womit Arbeitskräfte frei werden. Ob das unter Federführung der Metro oder der DIVAG geschieht, ist für die betroffenen Arbeitnehmer natürlich unwichtig. Das ist also, wie gesagt, kein Problem des Gesellschafterwechsels. Die Politik kann diese unternehmerische Entscheidung zwar nicht verbieten - das ist hier schon festgestellt worden -, aber sie kann die Rahmenbedingungen dafür schaffen, daß auch die nicht wettbewerbsfähigen Standorte wettbewerbsfähig werden. Eine wirkliche Steuerreform könnte einen Teil dieser Standorte vielleicht retten. ({2}) Das ist aber nicht das Thema, über das hier heute debattiert wird. Vielen Dank. ({3})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort dem Kollegen Manfred Hampel von der SPD-Fraktion.

Manfred Hampel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000798, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Haushälter will ich mich nur auf die Auswirkungen dieses Gesellschafterwechsels auf Mietverträge und Einnahmen der BvS konzentrieren. Das kann ich ganz kurz abhandeln. Gestatten Sie mir zu Beginn jedoch eine Bemerkung zu einem anderen Punkt. Als der Kollege Schulz ausgeführt hat, daß die Bundesregierung nicht über eine staatliche Plankommission verfügt - Gott sei Dank nicht verfügt -, über die der Staat konkret und direkt in unternehmerische Prozesse eingreifen und unternehmerische Strukturentscheidungen treffen kann, kam die Bemerkung: Ihr habt doch die BvS. Diese Bemerkung hat mich doch etwas erschreckt. Sie offenbart, wie wenig Sie trotz der acht Jahre, die Sie hier im Bundestag sind, von marktwirtschaftlichen Prinzipien verstehen. ({0}) Die Mietverträge bestehen ausschließlich mit der TLG. Sie haben da schon einen falschen Ausgangspunkt: Mit der BvS gibt es keine Mietverträge. Einnahmeausfälle auf Grund von ausbleibenden Mieteinnahmen können also nicht entstehen. Ich habe versucht, die Anzahl der Mietverträge - es sind nur wenige - zu erfragen; aber das konnte mir die TLG nicht sagen. Es ist Werner Schulz ({1}) davon auszugehen, daß der Erwerber dieser Immobilien selbstverständlich in diese Mietverträge einsteigt und daß ihm somit keine Mietausfälle entstehen. ({2}) - Das ist logisch; das ist ganz normales Vertragsrecht. Sie haben den Aspekt der vertraglichen Beziehungen, die es zur BvS noch gibt, nicht beachtet. Die meisten Objekte sind käuflich erworben; sie sind natürlich mit bestimmten Investitionsauflagen und Beschäftigungsgarantien verbunden. Wenn diese nicht erfüllt sind, greift möglicherweise die Pönale. Eine solche Pönale kann man nicht umgehen, indem man die Objekte verkauft. Sie geht ebenfalls auf den neuen Erwerber über. Das heißt, wenn die Auflagen nicht erfüllt werden, hat auch der neue Käufer die Pönale zu bezahlen. ({3}) - Herr Kollege Gysi, wir haben das schon in der 12. Legislaturperiode lang und breit diskutiert. Wir waren immer der Auffassung: Ein generelles Offenlegen der Verträge kann nicht in unserem Interesse sein. Denn wenn jemand einen Vertrag offenlegt, ist das logischerweise ein gefundenes Fressen für die Konkurrenz. Dann ist das Unternehmen so gut wie kaputt. Wenn es notwendig war, in bestimmte Verträge Einsicht zu nehmen, haben Parlamentarier auch Einblick in die Verträge bekommen. Wir haben zum Beispiel den Kali-Vertrag einsehen dürfen, wir haben in der 12. Legislaturperiode beispielsweise Einblick in den Vertrag Elf-Aquitaine bekommen. Das gilt natürlich nicht für jeden, sondern nur für einen ausgewählten Personenkreis, nämlich für die Obleute aus den entsprechenden Ausschüssen oder für von den Ausschüssen bestimmte Personen. - Teilweise, bei Kali zum Beispiel, war übrigens auch die PDS dabei. - Wenn es also notwendig sein sollte, einen bestimmten Vertrag einzusehen, dann würde es parlamentarisch auch möglich sein, das durchzusetzen. Die BvS hat die Zusicherung gegeben, daß, wenn eine Pönale nicht gezahlt wird, diese selbstverständlich eingetrieben wird. Ich mache auf den Fall des Cash-andcarry-Marktes in Leipzig aufmerksam, wo die Auflage der Schaffung von 50 Arbeitsplätzen nicht erfüllt worden ist. Die Pönale ist selbstverständlich von der BvS in Höhe von 3 Millionen DM eingetrieben worden. Es hat sogar noch eine gütliche Einigung gegeben, daß die fehlenden Arbeitsplätze ab dem Jahre 1999 bereitgestellt werden. Ich gehe also davon aus, daß die BvS ihren Pflichten nachkommen wird und daß bestimmte Investitionsauflagen oder Auflagen im Zusammenhang damit, daß Personal nicht oder nicht in entsprechender Größenordnung eingestellt worden ist, durchgesetzt werden. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort für die CDU/CSU-Fraktion hat die Kollegin Frau Susanne Jaffke.

Susanne Jaffke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001008, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist natürlich schwierig das ist von den Vorrednern mehrheitlich schon gesagt worden -, unternehmerische Entscheidungen im Deutschen Bundestag zu kommentieren. Das hat eine besondere und vielleicht auch irgendwo neue Qualität. Die Fakten sind vom Parlamentarischen Staatssekretär hinreichend genannt worden. Auch wenn die CDU/CSU-Fraktion zur Zeit Oppositionsfraktion ist, so gehe ich einmal für meine Fraktion davon aus, daß wir nicht unbedingt jeden populistischen Unsinn, der von anderen gemacht wird, in diesem Parlament gutheißen und daß wir uns nicht an diesem populistischen Unsinn beteiligen. ({0}) Lassen Sie mich einige wenige Worte zu den Aktivitäten sagen, die die Metro-AG-Filialen in MecklenburgVorpommern und in Schleswig-Holstein entfaltet haben; denn einer der Initiatoren des sogenannten ServerModells ist die Metro AG gewesen. Sie hat in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und SchleswigHolstein unter Beteiligung der Bundesanstalt für Arbeit jungen Arbeitslosen die Möglichkeit gegeben, über einen ein Jahr dauernden Förderarbeitsvertrag in Unternehmen der Metro AG tätig zu sein. Bei erfolgreicher Absolvierung dieses einen Jahres sind die jungen Leute in ein Ausbildungsverhältnis übernommen worden. Damit hat die Metro AG gezeigt, daß sie als Unternehmen ein Stückchen Verpflichtung übernimmt, indem sie jungen Leuten eine Chance gibt. Ich kann natürlich nicht jede unternehmerische Entscheidung, die zum Gesamtüberleben des Unternehmens beiträgt, im Parlament in Bausch und Bogen verteufeln. Das steht mir nicht zu. In diesem Sinne sollten wir uns bemüßigen und befleißigen, Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Aktivitäten in unserem Land zu fördern. Von allem anderen sollten wir die Finger lassen. Danke. ({1})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort für die PDS-Fraktion hat Frau Dr. Christa Luft.

Prof. Dr. Christa Luft (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002728, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn auf einen Schlag und dann auch noch in einem einzigen Unternehmen 34 000 Beschäftigte - mit ihren Familienangehörigen sind das über 100 000 Menschen - in eine ungewisse Zukunft gestoßen werden - wir sagen ja nicht: in die Arbeitslosigkeit -, dann ist das wohl ein Thema von bundespolitischer Relevanz. ({0}) - Herr Kollege Michelbach, mit irgendwelcher Klassenkampfpolemik kann man auf ein solches Problem überhaupt nicht reagieren. ({1}) Herr Kollege Türk, zu dem Hinweis, daß auszugliedernde Unternehmensteile in die DIVAG übernommen würden, möchte ich sagen: Sie haben doch im Zusammenhang mit den neuen Bundesländern ausreichend Erfahrung darüber, daß die Ausgliederung von Unternehmensteilen immer dazu führt, daß massenhaft Scheinselbständigkeit produziert und Personalabbau betrieben wird. Das ist doch überhaupt nicht zu übersehen. Das ist die Gefahr, die in dieser Dimension liegt. ({2}) Ich bitte Sie, zu bedenken: Im Zuschauerraum sitzen Menschen aus den alten und den neuen Bundesländern - Betriebsräte aus den betroffenen Unternehmen -, die unserer Diskussion folgen. Diese Menschen werden mit Klassenkampfparolen und dem Hinweis auf die DDRGeschichte überhaupt nichts anzufangen wissen. Natürlich handelt es sich um eine Unternehmensentscheidung. Aber wenn sich der Deutsche Bundestag - ausgehend von dieser Dimension - einmal mit solchen Problemen befaßt, dann könnte das ein Signal dafür sein, daß Politik die Sorgen der Menschen wirklich ernst nimmt. ({3}) Was bei der Metro passiert - das ist zugegebenermaßen ein sehr drastisches Beispiel -, ist nur die Spitze des Eisberges. Der Arbeitsplatzabbau, der in diesen Tagen in Ost und West passiert, ({4}) ist auf jeden Fall der Hinterlassenschaft der alten Bundesregierung zuzuschreiben. Das ist wohl wahr, Herr Kollege Mosdorf, darin stimme ich Ihnen völlig zu. Im übrigen habe ich Ihren Beitrag zu dieser Thematik als außerordentlich sachlich empfunden. ({5}) Es kann aber nicht sein - da stimmen Sie, Herr Kollege Mosdorf, mir sicherlich zu -, daß es in diesem Parlament, in den Medien usw. kontroverseste Debatten über die zu erwartenden Impulse einer künftigen, noch auf dem Papier stehenden Steuerreform auf den Arbeitsmarkt und auf die Beschäftigungssituation gibt und daß gleichzeitig stündlich Menschen in Gefahr kommen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Nur das ist der Punkt, auf den wir hier heute aufmerksam machen wollen. Es soll seitens der Metro Beschäftigungsgarantien geben. Niemand hat sie gesehen. ({6}) Wir finden, daß das mit Waffengleichheit nichts zu tun hat. Wir fordern nicht die Veröffentlichung der Verträge in den Medien. Aber wir fordern, daß zumindest die Betriebsräte in einer solchen Situation, in der sie sich mit ihren Belegschaften und mit den Familienangehörigen befinden, Zugang zu diesen Verträgen bekommen, selbstverständlich unter dem Aspekt der Verschwiegenheit. ({7}) Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich am Beispiel des Metro-Verhaltens drei Dinge nennen, von denen wir meinen, daß es bundespolitischen Handlungsbedarf gibt. Erstens. Der Metro-Konzern hat in der Vergangenheit - das tun andere im übrigen auch - massiv unrentable Betriebe im ganzen Land aufgekauft, die Verluste lukrativ steuerlich geltend gemacht und sich auf diese Weise beträchtlich saniert. ({8}) Das war offenbar leichter als das auch vom Kollegen Mosdorf Eingeforderte, nämlich unternehmerische Konzepte für tragfähige Arbeitsplätze in der Zukunft auszuarbeiten. ({9}) In diesem Jahr nun verstärkte das Unternehmen sein internationales Engagement und entzog sich durch globale Expansion der heimischen Steuerpflicht. Auch das wollen wir mal festhalten. Jetzt soll als neuer Weg zur Sanierung inländischer Personalabbau ins Auge gefaßt werden, um die Aktienkurse hochzuschrauben. Das gelingt ja auch, wie wir in der Presse sehen. Wir haben also den typischen Fall des Shareholder-value-Prinzips auf Kosten der Beschäftigten. Das müssen wir hier schon mal ganz deutlich aussprechen. ({10}) Wir erwarten von der Bundesregierung, daß sie bei ihren Vorhaben bleibt, die jetzt noch auf dem Papier stehen, nämlich Verlustvor- und -rückträge für Großunternehmen zu streichen, und daß sie sie nicht mehr durch Lobbys, die sicherlich noch vorstellig werden, schrumpfen läßt. Wenn wir das für Großunternehmen in der Tat beschränken oder gar ausschalten, wird die Motivation, pausenlos Unternehmen zu akquirieren und später massenhaft abzustoßen, zumindest eingedämmt. ({11}) Ein zweites, völlig ungelöstes Problem sind die sozialen Rechte von Scheinselbständigen, die auf diese Weise wieder produziert werden, auch von der Metro. Hier sehen wir dringendsten Handlungsbedarf der Bundesregierung. Wir fordern Regelungen, um die arbeitnehmerähnlichen Selbständigen in die RentenversicheDr. Christa Luft rung einzubeziehen und den sozialen Schutz der Betroffenen wiederherzustellen. Ich komme zum dritten und letzten Vorschlag: Die Arbeitsplatzgarantien und die Investitionszusagen, die im Privatisierungsprozeß seitens des neuen Eigentümers gegenüber der Treuhand abgegeben worden sind, dürfen nicht zu freiwilligen Aufgaben verkommen, sondern wir erwarten, daß die Bundesregierung - dies hat Herr Kollege Mosdorf versprochen zu tun - darauf Einfluß nimmt, daß sich die Metro an die Zusagen, die im Hinblick auf Arbeitsplätze und Investitionen gegeben worden sind, hält. Ich danke Ihnen. ({12})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Abgeordnete Christian Lange von der SPD-Fraktion.

Christian Lange (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003168, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch im Musterländle Baden-Württemberg ist nicht alles Gold, was glänzt. Das zeigt ein Beispiel aus meinem Wahlkreis, dem Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd, im Westen unseres Landes angesiedelt. Das Thema, das wir heute diskutieren, ist auch dort hautnah zu spüren. Hier äußern sich die Vorgänge um die Metro AG in der Sorge der Beschäftigten der Horten-Filiale in Schwäbisch Gmünd. Beschäftigte, Betriebsrat, die Gewerkschaft HBV, Gemeinderat und Stadtverwaltung sind beunruhigt. Es wird genau zur Kenntnis genommen, daß die Kaufhof Warenhaus AG sich strategisch neu positionieren will, sich angesichts der Konzentrationsentwicklung im Handelsbereich fitmachen will. Die Parameter der Auswahl sind freilich klar: Standorte, die auf Grund fehlenden Einzelhandelspotentials oder einer schlechten Lage oder fehlender Größe für die Umsetzung des sogenannten Galerie-Konzepts nicht nachhaltig in die Gewinnzone gebracht werden konnten, sollen an eine Gesellschaft namens DIVAG - es ist bereits erwähnt worden - veräußert werden. Schwäbisch Gmünd paßt nicht in dieses Konzept. Es ist zu klein. Die Filiale wird nicht erweitert. Deshalb findet sich auf der Liste der zwölf Kaufhof-Filialen, die abgestoßen werden sollen, auch der Name Schwäbisch Gmünd mit Horten. Ein Käufer steht fest. Es ist die besagte DIVAG, eine Neugründung. Ziel der Aktion, so die Metro, sei, die von Kaufhof übernommene Einzelhandelskette und die Einzelhandelshäuser in den kommenden drei Jahren zügig zu verwerten, und zwar zügig optimal. Aus Sicht der Metro heißt das, die Wettbewerbsfähigkeit wiederzuerlangen. Was bedeutet das aber für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, immerhin rund 85 Beschäftigte, und deren Familien? Der Geschäftsführer vor Ort macht auf Optimismus. Die DIVAG selbst macht keine Aussagen. Sie ist im Augenblick in Gründung. Der Betriebsrat freilich - ich denke, dafür muß man Verständnis haben - ist beunruhigt. Er erhielt, genau wie ich gestern telefonisch, bei seinem Besuch in der Kaufhof-Hauptverwaltung in Köln keine verbindliche Zusage. Selbst über die Umstrukturierung gab es keine Auskunft. Verwundert es da, wenn die Gewerkschaft HBV feststellt - ich zitiere -: Die DIVAG hat die alleinige Funktion, die ausgegliederten Bereiche, wie den Gmünder Horten, zu verkaufen oder im Falle eines Nichtverkaufs zu schließen. Die unternehmerische Tätigkeit der DIVAG soll lediglich bis ins Jahr 2001 gehen. Das heißt konkret, daß im Falle eines Nichtverkaufs das Kaufhaus Horten in Schwäbisch Gmünd von der Schließung bedroht ist. ({0}) Die HBV weiß, wovon sie spricht. Im Fall des Möbelhauses Unger ist dies genauso gelaufen. Die Möbelhauskette Unger wurde ebenfalls von der Metro ausgegliedert und weiterverkauft. Nunmehr wird Haus für Haus geschlossen. Davon betroffen ist Möbel Unger auch in Schwäbisch Gmünd. Die dortige Filiale soll zum 31. Januar 1999 dichtgemacht werden. ({1}) Das Ergebnis, der Verlust von Arbeitsplätzen bei Unger und knapp 85 Arbeitsplätzen bei Horten, würde die Stadt und die Region Schwäbisch Gmünd schwer treffen. Deshalb unterstütze ich zunächst einmal nachdrücklich, daß die Betroffenen die Initiative ergreifen und sich heute abend gemeinsam mit örtlichen Repräsentanten zu einem Solidaritätskomitee zusammenschließen. ({2}) Ziel ist, zu überlegen, wie sich das Kaufhaus selbst behaupten kann und wie es wieder eine Chance am Markt erhalten kann. Nicht überkommene Rezepte des fortgeschrittenen Kapitalismus, aber auch nicht plumpe Rhetorik des Klassenkampfes, Herr Michelbach, sondern moderne dezentrale Konzepte, die die Innovationskraft, das Engagement und die Ideen der Menschen aufgreifen, sind jetzt gefragt. ({3}) Die Beschäftigten diskutieren bereits Alternativkonzepte - Herr Michelbach, das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen -, wie die Gmünder Filiale eventuell als Einzelhaus weitergeführt werden kann. Jede Menge Ideen liegen vor. Deshalb begrüße ich ausdrücklich die Einlassungen der Bundesregierung und von Ihnen, Herr Staatssekretär. Die Gmünder werden die Metro sicher an Ihr Angebot erinnern. Ich komme auch gern auf das Gesprächsangebot Ihrerseits zurück. Ich will aber auch an die Metro appellieren: Gehen Sie offen in die Gespräche mit den Beschäftigen und ihrem Betriebsrat, und stellen Sie sich Ihrer Verantwortung! Herzlichen Dank. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Ulrich Klinkert, CDU/CSUFraktion.

Ulrich Klinkert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001134, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Werner Schulz, dem ich mich zu meinem eigenen Erstaunen im wesentlichen anschließen kann, hat unter anderem ausgeführt, daß die Bundesregierung nicht die staatliche Plankommission ist. Staatssekretär Mosdorf hat zu Recht darauf hingewiesen, daß selbst die Arbeitnehmer im betroffenen Aufsichtsrat mit der hier zur Diskussion stehenden Transaktion einverstanden sind. Das alles hätte die PDS natürlich wissen können. Aber die Art und Weise, wie sich die PDS mit Halbwahrheiten, mit Unterstellungen und günstigenfalls mit Unwissenheit diese Aktuelle Stunde erschlichen hat, ({0}) veranlaßt mich, über die Motivation der PDS zur Beantragung dieser Aktuellen Stunde nachzudenken. ({1}) Die PDS ist offensichtlich der Meinung, die Regierung solle alle Wirtschaftsbewegungen planwirtschaftlich leiten; ansonsten könnte sie schwerlich die Haltung der Bundesregierung zur Veräußerung von Firmen oder Firmenanteilen verlangen. ({2}) Aus dieser Logik heraus, Frau Kollegin Lötzer, könnte man hier tatsächlich jeden Tag eine Aktuelle Stunde veranstalten. Weil Ihnen die Veräußerung als solche selbst ein wenig dürftig erscheint, behaupten Sie dann auch noch, daß 34 000 Arbeitsplätze gefährdet seien. Das kommt an: die PDS als Retter in der Not. Da ist Ihnen der Wahrheitsgehalt einer solchen Aussage schon einmal zweitrangig. ({3}) Ein einfacher Anruf bei der Metro hätte genügt - ohne diese Aktuelle Stunde zu beantragen -, um in Erfahrung zu bringen, daß vom Erwerber die sozialen Standards einschließlich der Sozialpläne übernommen werden. Dies entspricht genau der Erklärung - auf die Herr Kollege Türk hingewiesen hat - vom 12. November, die von den Vorständen von Metro und DIVAG unterzeichnet wurde. Statt dessen betreibt die PDS Verunsicherung, baut Feindbilder auf und will sich selbst als Retter präsentieren. Meine Damen und Herren, hier wird es nachdenkenswert, denn genau das ist die Strategie radikaler Parteien. ({4}) Bei der Umstrukturierung handelt es sich um einen Gesellschafterwechsel ohne Einfluß auf Bestand und Inhalt von Arbeitsverträgen. Ziel dieser Umstrukturierung ist eben nicht die Schließung der Filialen, sondern im Gegenteil die Überführung in effiziente Strukturen. Wenn die Überlebensfähigkeit überhaupt gegeben ist sie ist gegeben -, dann nach einer solchen Umstrukturierung zumindest wesentlich besser, als wenn es bei den bisherigen Konzernstrukturen geblieben wäre. Noch einen Hinweis gestatte ich mir zu geben: Wenn überhaupt ehemalige Treuhand-Unternehmen betroffen sind, dann werden die gegenüber Treuhand und BvS gegebenen Zusagen einschließlich der Mietverpflichtung vom neuen Erwerber selbstverständlich eingehalten; denn hier gilt der rechtsstaatliche Grundsatz: Kauf bricht nicht Miete. Daß sich ausgerechnet die PDS Sorgen um Mieteinnahmen der BvS macht, meine Damen und Herren, kann ich so recht nicht glauben. Herzlichen Dank. ({5})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Das Wort hat der Kollege Matthias Schubert von der SPD-Fraktion.

Dr. Mathias Schubert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002787, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man aus den meisten Redebeiträgen die Polemik herauszieht, sind wir, glaube ich, zum großen Teil doch auf eine gemeinsame Basis gekommen, die ziemlich deutlich zeigt, daß der Hintergrund für die Aktuelle Stunde, die Sie hier beantragt haben, im Grunde genommen nicht so sehr der größte anzunehmende Unfall ist, der jetzt bei der Metro, insbesondere im arbeitsmarktpolitischen Bereich, passiert, sondern einfach der Wunsch, einmal eine Aktuelle Stunde zu haben. Ich will versuchen, ein paar Aussagen zusammenzufassen. Zunächst muß ja wohl schon gesagt werden, daß in unternehmerischer Hinsicht an der Metro-Führung Kritik dafür zu äußern ist, daß die Metro in diese Situation gekommen ist. ({0}) Das zeigt in einer gewissen Weise auch die Problematik, daß Managern in der Wirtschaft oftmals so eine Art Unfehlbarkeit unterstellt wurde. Das geht jetzt offensichtlich nicht mehr. Wir sollten das an dieser Stelle auch ein bißchen entmythisieren. Das zweite, was gesagt werden muß - der Herr Staatssekretär hat es deutlich festgestellt, und das soll von mir hier noch einmal unterstrichen werden -, ist, Christian Lange ({1}) daß die Bundesregierung, insbesondere das Bundeswirtschaftsministerium, bereit ist, hier im Sinne von Gesprächen begleitend mitzuwirken. Das halte ich für ausgesprochen wichtig. Es hat keinen Sinn, hier zu dramatisieren, wenn man die Probleme auf eine vorwärtsweisende Art und Weise behandeln kann. Das nun allerdings ziemlich schwierige Problem und das sollten wir auch nicht kleinreden - ist das Thema der Beschäftigten. Wenn es um sie geht, sollten wir immer sehr, sehr sensibel sein. Da stelle ich zunächst einmal fest, daß weder 34 000 Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit geführt werden noch 34 000 Arbeitsplätze unmittelbar vor dem Aus stehen. Das ist festzustellen, und darum können Sie auch nicht herumreden. Die Panik- und Angstmache an dieser Stelle halte ich für übertrieben. Sie dient eben gerade nicht der Lösung des Problems, sondern im Grunde genommen nur dazu, hier weiterhin Zwietracht zu säen. Andererseits ist festzustellen, daß nach Aussage des Staatssekretärs die HBV mit Ausnahme eines Vorstandsmitgliedes zugestimmt hat. Auch das sollten wir zur Kenntnis nehmen. ({2}) - Wir wissen ja so ungefähr, um wen es da geht, Herr Kollege Michelbach. ({3}) Weiterhin ist festzustellen, daß die Metro von sich aus der HBV am 28. November 1998 zugesagt hat, die Sozialpläne, über die ja auch gesprochen worden ist, einzuhalten und insbesondere bei Überführungen die beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach den tariflichen Vereinbarungen und unter den sonstigen Arbeitsbedingungen und sozialen Standards der Metro weiterzubeschäftigen. Das gilt auch für die DIVAG. Das ist der Gewerkschaft also schon seit dem 28. November bekannt. Das will ich noch einmal festhalten. Sie haben völlig recht, das hätte man alles mit einem Telefonat erledigen können. Dann bleibt noch das Problem BvS. Hierzu gibt es auch einen Briefwechsel. Ich zitiere aus einem Schreiben der Metro AG von gestern: Danach werden die Metro AG und die DIVAG-Beteiligungs-AG sowie die Tochtergesellschaften die gegenüber der Treuhand und der BvS eingegangenen mietvertraglichen Verpflichtungen bzw. die gegebenen Zusagen erfüllen. Von der BvS heißt es, daß diese noch in vertraglichen Beziehungen zur Metro-Gruppe stehe und daß sie die Einhaltung der hieraus resultierenden vertraglichen Verpflichtungen, insbesondere der Arbeitsplatzzusagen der MetroGruppe, kontrollieren werde. Es hat sich ohnehin schon - ohne den Bundestag eine Art Bündnis zur Erhaltung von Arbeitsplätzen geschmiedet. Insofern bitte ich herzlich darum, daß wir uns - das wird sich nicht vermeiden lassen - in dieser Legislaturperiode künftig über wesentlichere Themen und über das wirklich Politische hier im Bundestag auseinandersetzen und nicht über Dinge, die im Grunde genommen geregelt waren, bevor Sie die Aktuelle Stunde überhaupt beantragt haben. ({4})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Für die CDU/CSUFraktion gebe ich der Kollegin Claudia Nolte das Wort.

Claudia Nolte (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001621, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Schluß hat man das bekannte Problem, daß eigentlich schon alles gesagt ist, ({0}) zumal die Substanz dieses Antrages für eine Parlamentsdebatte ziemlich dünn ist. ({1}) Deshalb bin ich froh, daß ich zwar fünf Minuten reden kann, aber nicht muß. ({2}) Ich sage ehrlich, daß mir nicht ganz klar geworden ist, was die PDS mit dieser Debatte eigentlich bezweckt. ({3}) Sie machen eine Konzernumstrukturierung zum Gegenstand. Es ist sicherlich ein recht großer Konzern. Aber wo kommen wir eigentlich hin, wenn wir anfangen, Unternehmensentscheidungen im Einzelfall hier zu debattieren? Die Größe ist doch kein Argument. ({4}) Sie haben von Unterschieden gesprochen. Es ist abenteuerlich, davon zu sprechen, daß sämtliche Arbeitsplätze, die von einer AG in die andere kommen, deswegen wegrationalisiert würden oder gefährdet seien. ({5}) Sie betreiben Verunsicherung. Sie spielen mit den Ängsten der Leute. ({6}) Das machen Sie schon seit acht Jahren, seitdem Sie diesen Parteinamen tragen. Bevor Sie diesen Parteinamen hatten, haben Sie alles schöngeredet. Uns steht es nicht an, eine solche Konzernentscheidung zu bewerten. Jedes Unternehmen muß sich dem Wettbewerb stellen, muß sich den Marktbedingungen und den Marktanforderungen stellen. Nur das sichert Arbeitsplätze; das erhält Arbeitsplätze. ({7}) Ich glaube nicht, Frau Professor Luft, daß ausgerechnet Sie die Unternehmensentscheidung beurteilen können. ({8}) - Ich maße mir das im Unterschied zu Ihnen auch nicht an. - Ich denke, daß es schon gar nicht die Aufgabe einer Bundesregierung sein kann, Bewertungen abzugeben, obwohl ich gestehe: Ich habe bei dieser Bundesregierung große Angst, daß sie versucht sein könnte, ein Angebot zu stärkerer Kontrolle auch in Anspruch zu nehmen. ({9}) Es ist doch keine Frage, daß bestehende Verträge auch von neuen Eigentümern einzuhalten sind. Die angesprochenen Vereinbarungen sind zudem von den einzelnen Unternehmen, die zwar zum Konzern gehören, die aber doch eigenständig agieren, abgeschlossen worden; das heißt, sie sind doch von dieser Umstrukturierung überhaupt nicht tangiert. Für die Unternehmen muß es eine Selbstverständlichkeit sein, Verträge einzuhalten. Genauso erwarte ich von der BvS, daß sie Vereinbarungen und Verträge überprüft ({10}) und notfalls Konsequenzen zieht. Das ist doch gar keine Frage. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich zeigt der Antrag der PDS vor allem eines: daß nämlich diese Partei immer noch nicht in unserem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat angekommen ist. ({11}) Sie haben ein Staatsverständnis, das vor allen Dingen von Kontrolle geprägt ist, und Sie hegen ein Mißtrauen gegenüber sozialer Marktwirtschaft. Mich verwundert nur, werte Kollegen von der PDS, daß Sie diesen Weg für Ihren Kampf gegen die Marktwirtschaft wählen. So häufig, wie der Konzernname in dieser Debatte genannt worden ist und hier auch verteidigt wurde, haben Sie diesem Konzern einen Riesengefallen getan. ({12}) Sie bringen die Bundesregierung in eine Situation, wo sie diese Unternehmensentscheidung auch noch rechtfertigen und verteidigen muß. Ich finde schon, Herr Staatssekretär, daß Ihre Werbung für das Engagement dieses Unternehmens bei den Arbeitsplätzen und für seine Strategie recht gut gelungen ist. Der Konzern wird es Ihnen danken. Ich kann nur zusammenfassend festhalten, daß solch ein Thema nicht Gegenstand einer Parlamentsdebatte sein sollte. ({13})

Dr. Rudolf Seiters (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002156

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Wir sind am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 3. Dezember 1998, 9 Uhr ein. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Die Sitzung ist geschlossen.