Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 4/16/1997

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzung und rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Es ist die erste Regierungsbefragung nach der Osterpause. Die Bundesregierung hat als Themen der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Reform der beruflichen Bildung und Berufsbildungsbericht 1997 sowie Zweiter Bericht der Bundesregierung nach dem Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Dr. Jürgen Rüttgers.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist eine schier unmögliche Aufgabe, in fünf Minuten zu den beiden Themen zu berichten, die das Bundeskabinett heute behandelt hat, nämlich den Berufsbildungsbericht 1997 und den Bericht „Reformprojekt berufliche Bildung". Ich will deshalb versuchen, einige Schwerpunkte anzusprechen, und bitte um Nachsicht, wenn mein Bericht nicht vollständig sein kann. Der Berufsbildungsbericht ist auf gesetzlicher Grundlage erstellt worden. Das erfolgt jedes Jahr. Der zuständige Ausschuß und das Plenum des Deutschen Bundestages werden über ihn in der Folgezeit noch debattieren. Lassen Sie mich deshalb zur aktuellen Situation in diesem Jahr einige wenige Bemerkungen machen. Sie wissen, daß die Bundesregierung davon ausgeht, daß auch in diesem Jahr jedem jungen Mann und jeder jungen Frau, die dies wollen und können, in Deutschland eine Lehrstelle angeboten wird. Ich will allerdings nicht verhehlen, daß es in diesem Jahr noch schwieriger wird, als es im vergangenen Jahr war. ({0}) Das hat zwei Gründe: Wir wissen, daß es nicht nur in diesem Jahr, sondern auch im kommenden Jahr und in den neun folgenden Jahren erfreulicherweise viele junge Leute in Deutschland gibt, die eine Lehrstelle suchen. Ich finde, darüber sollten wir uns freuen. Im Klartext bedeutet dies allerdings, daß wir in den nächsten Jahren eine Steigerungsrate von 1 bis 2 Prozent bei den Bewerbern haben werden. Ich freue mich darüber; das empfinde ich als Herausforderung. Ich freue mich aber nicht darüber, daß trotz der breiten Diskussion des letzten Jahres die Anzahl der bisher angebotenen Lehrstellen wiederum zurückgegangen ist, und zwar um 30 000 im Vergleich zum Vorjahr. Das muß geändert werden. Die Debatte darüber führen wir jetzt schon seit einiger Zeit. Sie wissen, daß wir von seiten der Bundesregierung eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen haben, zum Beispiel die Änderung des Jugendarbeitsschutzgesetzes und der Ausbilder-Eignungsverordnung. Ich will ausdrücklich ankündigen: Es wird auch in diesem Jahr für das kommende Jahr ein Sonderprogramm Ost, also ein Sonderprogramm für die neuen Bundesländer, geben. Wir verhandeln mit den neuen Bundesländern bereits darüber. Ich gehe davon aus, daß wir relativ früh die konkreten Bedingungen bekanntgeben werden. Ich halte nichts davon, das zu lange hinauszuzögern. Ich finde vielmehr, die jungen Leute sollen schnell Bescheid wissen. Wir werden ferner noch einmal alles tun, um die Beteiligten zu mobilisieren. Sie wissen, daß wir eine große Kampagne dazu gestartet haben. Ich habe allerdings an die Beteiligten nach alledem, was im Hinblick auf dieses Jahr geschehen ist, auch einige klare Forderungen. Erstens. Ich erwarte, daß die Kammern dafür sorgen, daß Betriebe, die ausbilden, von Kammergebühren entlastet werden. Es ist nicht einzusehen, daß ein Teil der Betriebe ausbildet und dafür dann noch SonBundesminister Dr. Jürgen Rüttgers derkammergebühren bezahlt und daß andere nachher die Leute übernehmen. Zweitens. Ich halte es auch wegen der regionalen Ungleichgewichte für notwendig, daß es Bündnisse für Ausbildung gibt. Drittens. Ich erwarte von den Tarifparteien, daß es in diesem Jahr keinen Tarifvertrag ohne eine Vereinbarung über Lehrstellen, und zwar mit Steigerungsraten, gibt. Die Bundesregierung selbst wird mit gutem Beispiel vorangehen und auch in diesem Jahr die Anzahl der Lehrstellen erhöhen. Von den Ländern erwarte ich, daß die Berufsschulzeiten anders organisiert werden. Sie kennen das Stichwort „zweiter Berufsschultag". Inzwischen ist die Sache klar: In Niedersachsen, wo der zweite Berufsschultag abgeschafft ist, gab es im vergangenen Jahr eine Steigerung von 1,1 Prozent; in NordrheinWestfalen, wo in diesem Bereich nichts passiert ist, gab es ein Absinken von 2,5 Prozent. Nach den Ankündigungen des Oppositionsführers in der Vergangenheit werden wir über die Frage der Ausbildungsplatzabgabe sicherlich noch diskutieren. Ich glaube aber nicht, daß uns dazu nach zehnjähriger Debatte noch etwas Neues einfällt. ({1}) Ein anderer Punkt ist mir aber wichtiger - ich bin sehr dankbar, daß die Möglichkeit zur Umsetzung gemäß der ersten Stellungnahme des zuständigen Berichterstatters, des Kollegen Günter Rixe, besteht -: Das Bundeskabinett hat mit dem heutigen Tage ein Reformpaket für das duale Bildungssystem vorgelegt, welches von den aktuellen Zahlen losgelöst ist. Das ist das ambitionierteste Reformprojekt seit Bestehen des dualen Bildungssystems. Wir haben eine Vielzahl von Vorschlägen gemacht, die alle Beteiligten in einem Maße fordern werden, daß es in den nächsten Wochen - ich bin mir darüber im klaren - in erheblichem Umfang kontroverse Debatten geben wird. Frau Präsidentin, ich habe jetzt das Problem, daß meine fünf Minuten Redezeit vorbei sind. Jetzt würde es eigentlich anfangen, spannend zu werden. Ich weiß aber, daß dieses Thema nicht nur den heutigen Tag prägen wird, sondern daß sich der Deutsche Bundestag auf Grund der damit zusammenhängenden Ambitionen und Vorschläge noch mehrfach damit beschäftigen wird. Ich hoffe daher, daß Sie und das Hohe Haus mir nachsehen werden, daß ich die Einzelheiten jetzt nicht im Schweinsgalopp vortrage. Vielen Dank.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Im Gegenteil. Vielen Dank, daß Sie Ihre Redezeit eingehalten haben und daß die Fragestellerinnen und Fragesteller jetzt zum Zuge kommen können. Es paßt unmittelbar zum heutigen Thema, daß ich auf der Tribüne die Delegation des Ausschusses für Erziehung und Kultur der israelischen Knesset begrüßen kann. Ganz herzlich willkommen, Herr Zismann und Ihre Delegation! ({0}) Es war Ihnen wichtig, gerade bei diesem Thema unsere Erörterungen zu verfolgen. Wir hoffen, daß unsere Ausschußzusammenarbeit und unsere parlamentarische Zusammenarbeit gedeihlich verlaufen. Lassen Sie mich von dieser Stelle aus persönlich und im Namen aller Kolleginnen und Kollegen sagen: Uns ist die Fortsetzung des Friedensprozesses im Nahen Osten zwischen Israel und den palästinensischen Gebieten ganz wichtig. Anders kann es keine Befriedung in dieser Region geben, auch keine Befriedung für Ihr eigenes Land. Herzlich willkommen. ({1}) Herr Kollege Rixe.

Günter Rixe (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001861, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben wie im letzten Jahr der Presse das neue Konzept eher vorgestellt als uns, den Parlamentariern. Gewöhnen Sie sich doch einmal an, erst ins Parlament und dann vor die Presse zu gehen! Es wäre viel sinnvoller, erst die Parlamentarier und dann die Presse zu unterrichten. Das haben wir schon das letzte Mal kritisiert; das nur als Anmerkung. ({0}) - Doch, auch lesen können wir. Die Situation - Sie haben sie eben beschrieben - ist sehr schwierig. Ich habe gehört, daß Sie das Aufbauprogramm Ost fortsetzen wollen. Sind Sie nicht der Meinung, daß wir uns auch den Problemen der alten Bundesrepublik widmen müssen? Ich bin dafür, daß wir ein Sonderprogramm Ost auflegen. Aber wenn man sich die aktuellen Zahlen ansieht -190 000 Ausbildungsplätze und 380 000 Bewerber; eine Riesenlücke -, dann muß man fragen: Glauben Sie wirklich, daß Sie mit diesem Reformkonzept, das Sie jetzt vorgestellt haben, diese Lücke schließen können? Die Lücke bleibt nicht so; das ist auch mir klar. Wie beurteilen Sie eigentlich die Tatsache, daß es zu dieser Riesenlücke in diesem Jahr gekommen ist? Wir wußten beide schon immer, daß sich die Situation verschärfen würde. Sind Sie nicht auch der Meinung, daß wir für die gesamte Bundesrepublik ein Programm auflegen müssen und nicht nur für die fünf neuen Bundesländer?

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Bundesminister.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Kollege Rixe, zuerst bitte ich, mir abzunehmen - ich weiß, daß Sie das tun und meine Gründe kennen -, daß es überhaupt keine Mißachtung des Hohen Hauses ist. Als Minister kann man viel; aber manche Termine kann man wirklich nicht beeinflussen, denn man bekommt sie diktiert. Wir haben vorher darauf hingewiesen; es ging nicht anders. Es ist wirklich kein böser Wille. Ich bitte um Nachsicht. ({0}) - Ich habe ja Verständnis. Ich will nur, daß in diesem Punkt nichts zwischen uns bleibt. Der zweite Punkt, Herr Kollege Rixe. Ich weiß und habe versucht, das ein Stück weit deutlich zu machen: Das Reformkonzept, das wir heute vorgestellt haben, muß man - wenn man intellektuell redlich diskutiert - von der Frage der aktuellen Lehrstellenversorgung loslösen. Das eine ist ein drängendes Problem - dazu habe ich Stellung genommen -, das andere ist die Frage, wie wir das duale Bildungssystem für das nächste Jahrhundert gestalten. Da ich der Erfinder des Ausspruches „Alles hängt mit allem zusammen" bin, weiß ich, daß beides miteinander zu tun hat: Je weniger Lehrstellen wir haben, desto schwieriger wird es natürlich, das duale Bildungssystem zu retten. Wenn es zahlenmäßig weiter so abgebaut wird, blutet es uns aus. Unsere Bemühungen sind zunächst einmal kurz- und mittelfristig angelegt; dazu habe ich Stellung genommen. Beim Reformkonzept geht es darum, daß wir das System von den Inhalten her so gestalten, daß es erstens für junge Menschen und ihre Lebenschancen und zweitens - umgekehrt - auch für die Betriebe attraktiv bleibt. Es hat überhaupt keinen Zweck - das hat nichts mit Parteipolitik zu tun-, darüber hinwegzusehen, daß im Handwerk und in den Betrieben die Klagen über die mangelnde Ausbildungsreife junger Leute immer größer werden. Wir müssen feststellen, daß jedes Jahr 100000 junge Leute keine Ausbildung beginnen oder sie abbrechen. Das sind diejenigen, die wir dann im Arbeitsamt oder bei der Sozialhilfestelle wiederfinden, die sich irgendwo - im Hochbau oder in der Plattenbausiedlung - zusammenballen und die plötzlich als Skinheads oder mit Drogen- oder Alkoholproblemen auftauchen werden. Insofern ist das eine sehr wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe. Wir sind uns einig - das weiß ich aus anderen Debatten -, daß es unser Ziel sein muß, mehr Betriebe zur Ausbildung zu veranlassen. Dazu muß uns jeder Weg recht sein. Ich glaube, einer der Wege wird sein, die Zahl der Betriebe, die noch ausbilden - derzeit sind das 30 bis 35 Prozent -, dadurch zu erhöhen, daß wir andere, modernere Berufsbilder anbieten. Das entsprechende Verfahren haben wir gemeinsam verändert. Sie wissen, daß wir inzwischen nur noch ein oder zwei Jahre - im Gegensatz zu bis zu neun Jahren früher - brauchen: ein Jahr zur Modernisierung, zwei Jahre für ein neues Berufsbild. Im Sommer 1997 - also in der kurzen Zeit der vergangenen zwei Jahre - werden wir 50 modernisierte und 26 völlig neue Berufsbilder geschaffen haben. Ich habe heute im Kabinett angekündigt, daß wir allein in diesem Jahr 14 neue Berufe schaffen werden. Das hat auch etwas mit Lehrstellenzahlen zu tun. Vom Zentralverband der Elektroindustrie wissen wir, daß bei vier neuen Berufen aus dem Bereich der Computerindustrie alleine in diesem Jahr 5000 neue Lehrstellen von seiten der Industrie angeboten werden, bis zum Jahr 2000 dann 25 000. Je attraktiver das System ist, desto mehr Lehrstellen werden wir haben. Das ist ein inhaltlicher Punkt. Allerdings weiß ich, daß uns das nicht von der Verpflichtung entbindet, in diesem wie auch im nächsten Jahr und allen weiteren Jahren weiterhin alle Anstrengungen zu unternehmen, um attraktive Angebote zur Verfügung stellen zu können.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Danke. - Als nächster der Kollege Rainer Jork.

Dr. - Ing. Rainer Jork (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001033, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Bei der Diskussion fiel der Begriff Ausbildungsreife. Ich möchte zur Differenzierung der Ausbildungsgänge eine Frage stellen. Ein Teil der Lehrstellenbewerber erfüllt die fachlichen Anforderungen an die entsprechende Berufsausbildung weniger gut oder nicht. Herr Minister, bitte sagen Sie mir, ob die Bundesregierung in der Schaffung differenzierter Berufsausbildungsgänge und -abschlüsse für Begabte und eher praktisch Orientierte eine Möglichkeit sieht, die Chancen für einen interessen- und leistungsbezogenen Abschluß zu verbessern. Wenn ja: Wie und wann können wir Schlußfolgerungen daraus zur Kenntnis nehmen?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Kollege Jork, wir werden im Rahmen dieses Reformkonzeptes über eine Veränderung der Angebote bei den Berufsbildern sprechen müssen. Ich glaube, daß es in einer differenzierteren Welt notwendig ist, auch im Bereich der Berufsbildung differenziertere Angebote zu machen. Ich empfinde es als zutiefst ungerecht, wenn junge Leute, die praktisch begabt sind, bei uns während der Berufsausbildung mit Anforderungen konfrontiert werden, die sie überhaupt nicht erfüllen können. Ich habe eben die Zahl von 30 000 bis 40 000 jungen Leuten genannt - das ist keine zu vernachlässigende Größe -, die den theoretischen Teil der Lehrabschlußprüfung nicht schaffen. In Deutschland haben wir leider das System, daß denjenigen, die zwar den praktischen Teil bestanden haben, den theoretischen aber nicht, im Anschluß attestiert wird, sie seien durchgefallen. Wir brandmarken sie damit für ihr Leben. Ich weiß nicht, ob es Ihnen einmal genauso ging wie mir: Ich hatte am zweiten Weihnachtsfeiertag zu Hause einen Heizungsausfall. ({0}) - Das wollte ich gerade sagen. - Wer angesichts der damaligen Kälte an einem solchen Tag jemanden findet, der einem praktisch hilft, der weiß, daß es nicht um die Vermessung der Heizungsanlage geht, sondern schlichtweg um die Frage, ob der Brenner wieder ins Laufen kommt. Vor diesem Hintergrund schlage ich vor, daß wir erstens so etwas wie einen kleinen Gesellenbrief einführen. Wer die praktische Prüfung bestanden hat, bekommt dies bestätigt. Das ist dann nicht die klassische Gesellenprüfung und führt auch nicht in Richtung Meisterprüfung weiter. Er bekommt aber trotzdem eine Bestätigung für die bestandene praktische Prüfung. Ich glaube zweitens, daß wir insgesamt zu einer Modularisierung des Berufsbildungssystems kommen müssen. Das ist übrigens der eigentliche Knackpunkt dieser Reform. Das heißt, wir bieten in Zukunft - mehr als heute - zweijährige Berufsausbildungen an, woran sich allerdings dann im Wege der Stufenausbildung für diejenigen, die es wollen, ein drittes Berufsausbildungsjahr anschließen kann. Ich möchte nicht falsch verstanden werden - ich weiß, darüber werden wir noch diskutieren - und bitte sehr herzlich, daß wir an dieser Stelle nicht mit gegenseitigen Vorwürfen argumentieren: Es geht mir überhaupt nicht darum - als Sohn eines Handwerkers bin ich weit davon entfernt -, die Qualität der Berufsausbildung zu minimieren. Es geht mir vielmehr um das Gegenteil. Ich will die Berufsausbildung differenzieren, damit auf die vorhandenen Bedürfnisse einzelner Menschen besser reagiert werden kann, als das heute angesichts unserer ziemlich umfangreichen einheitlichen Regelwerke, die nicht mehr genau das treffen, was in einer differenzierten Welt notwendig ist, der Fall ist. ({1})

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Herr Jork, ich muß eine geschäftsleitende Bemerkung machen. Wir haben allein zu diesem Komplex noch zwölf Wortmeldungen vorliegen. Selbst wenn wir die Zeit für die Regierungsbefragung gleich verlängern, sollte die Befragung durch die Abgeordneten deshalb auf eine Frage beschränkt werden. Ich bitte um Verständnis; sonst kommen die anderen nicht zum Zuge. Vielen Dank. Frau Hermenau.

Antje Hermenau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002673, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Minister, es ist Ihnen, wie Sie in Ihren Reformplänen dargestellt haben, ein besonderes inneres Anliegen, die duale Berufsausbildung im Vergleich zur akademischen Ausbildung zu stärken. Sie haben auch für eine Begabtenstiftung einen Entwurf vorgelegt. Für mich ist allerdings wichtig, wie weit dies in der Praxis tauglich ist. Ich zweifle daran, daß die Begabtenstiftung dazu führt, daß mehr junge Leute praktische Ausbildungsberufe vorziehen. Für mich wäre interessant, wie hoch die Zahl von Abiturienten und Realschülern ist, die nach der Berufsausbildung ein Studium aufnehmen. Das müßten Sie einmal erläutern.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Wir gehen davon aus, daß etwa 100000 junge Leute vor ihrem Studium noch eine Lehre absolvieren. Nun ist natürlich klar - Sie haben damit einen ganz wichtigen Punkt angesprochen -, daß dies in Zeiten knapper Lehrstellen ein Problem ist. Denn diese nehmen anderen ungewollt Lehrstellen weg. Umgekehrt sagen wir ihnen bisher, daß es ihre Berufschancen vergrößert, wenn sie betriebliche Erfahrung haben. Das ist eine Botschaft, die wir alle miteinander - übrigens mit Recht - aussenden. Ich glaube, daß dies eines der typischen Beispiele dafür ist, daß unterschiedliche Signale ausgesendet werden, die von jungen Leuten nur schwer verstanden werden können. Das ist einer der Reformpunkte, an dem wir ansetzen müssen. Das muß miteinander abgestimmt werden. Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum wir in der Lage sind, das duale Berufsausbildungssystem Betrieb/Berufsschule zu organisieren, aber nicht in der Lage sind, ein duales System Betrieb/Fachhochschule zu organisieren. Warum hat man am Ende einer Fachhochschulausbildung nur Praktika gemacht und nicht parallel vielleicht auch einen Lehrabschluß, was zum Beispiel zu einer Entspannung bei den Zahlen führen würde? Frau Kollegin Hermenau, ich glaube, da liegt ein Mißverständnis vor. Die Begabtenförderung soll nicht dazu führen, daß weniger Leute studieren und mehr in das duale Bildungssystem gehen. Sie kennen meine Haltung dazu. Am Beginn einer Wissensgesellschaft können wir nicht genug gut ausgebildete Leute haben. Es sind reine Nullsummenspiele, wenn man sagt, daß es weniger Studenten und dafür mehr Lehrlinge geben sollte. Wir haben bei den Universitäten eine Überlast, und wir haben nicht genügend Lehrstellen. Das können wir hundertfach diskutieren. Ich meine, die jungen Leute sollten selbst entscheiden, wohin sie gehen. Was aber wirklich keinen Sinn macht, ist, daß die jungen Leute, weil die Systeme nicht koordiniert sind, mehrere Erstausbildungen hintereinander absolvieren. Das macht nun wirklich keinen Sinn. Am Schluß diskutieren wir in der Politik dann darüber, daß sie alle zu lange in der Ausbildung sind. Dann kommen solche Sprüche wie „vom BAföG in die Rente", die in der öffentlichen Debatte auftauchen. Ich finde, es muß möglich sein, das früher, konzentrierter und parallel zu machen. Das wird eine der Aufgaben im Zusammenhang mit diesem beruflichen Reformkonzept sein.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Danke. - Herr Kollege Dr. Guttmacher. - Ich bitte jetzt auch um kurze Antworten; sonst kommen wir nicht durch.

Dr. Karlheinz Guttmacher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000754, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Minister, in unserer Zeit müssen wir sicherlich alles mobilisieren, was uns ermöglicht, Ausbildungsstellen zur Verfügung zu stellen. Ich denke auch daran, daß wir unsere ausländischen Unternehmer mobilisieren müssen - ich denke insbesondere an den Einzelhandel -, damit auch sie Ausbildungsstellen zur Verfügung stellen. Meine Frage lautet: Kennen Sie Hemmnisse, die dem entgegenstehen, daß ausländische Unternehmer heute ausbilden dürfen? Wenn ja: Wie kann man dem begegnen?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Kollege Guttmacher, nach der Änderung der Ausbilder-Eignungsverordnung gibt es keine rechtlichen Hemmnisse mehr. Es gibt aber Unkenntnis. Es gibt inzwischen 245 000 selbständige ausländische Unternehmer in Deutschland. Wir haben eine Vielzahl von ausländischen Jugendlichen, die eine Lehrstelle suchen. Ich will das jetzt nicht deckungsgleich machen, daß die ausländischen Jugendlichen nur bei den ausländischen Unternehmen die Lehre machen sollen; das soll vielmehr gemischt sein. Es gibt keinen Grund, aus dem heraus ausländische Betriebsinhaber nicht eine normale Lehre anbieten sollten, wenn sie denn wissen, wie man es macht. Damit haben wir dasselbe Phänomen, das wir in den neuen Ländern mit den Ausbildungsplatzentwicklern hatten. Wir müssen zu den Unternehmern hingehen und es ihnen sagen. Ich glaube, daß da ein Potential ist.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Danke. - Herr Abgeordneter Thönnes.

Franz Thönnes (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002818, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, wir werden natürlich sehr genau prüfen, ob der Begriff „Reformprojekt berufliche Bildung" am Ende nicht den gleichen Inhalt hat wie manch andere Reformprojekte, die diese Bundesregierung aufgelegt hat und die diesen Namen nicht verdienen. Auf der letzten Seite gibt es an einer Stelle den Hinweis darauf, daß Sie alle 4000 Kreistagsmitglieder bzw. Städte- und Gemeinderäte anschreiben wollen und sie dazu bewegen möchten, sich mit der Herausforderung noch ernsthafter auseinanderzusetzen, als das bisher der Fall war. Eine zentrale Frage, die diese Entscheidungsträger in der Kommunalpolitik berührt, ist relativ häufig die Vergabeordnung. Nun hat die SPD-Bundestagsfraktion mehrfach gefordert, diese Vergabeordnung dahin gehend zu ändern, daß bei gleichwertigen Angeboten und dann, wenn qualitativ gleichwertige Leistungen zu erwarten sind, die Unternehmen bevorzugt werden, die sich der Zukunftsaufgabe der Ausbildung stellen und vielleicht auch über den Bedarf hinaus ausbilden. Uns ist ein Stück weit bekannt, daß Sie mit dieser Idee sehr sympathisieren. Inwieweit haben Sie mit dem Bundeswirtschaftsminister darüber gesprochen und ihn dazu bewegt, dementsprechende Aktivitäten einzuleiten, und wie war die Antwort aus dem Bundeswirtschaftsministerium dazu?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Thönnes, ich formuliere es einmal ausnahmsweise so: Ich bin in diesem Punkt der Auffassung, die Sie gerade vorgetragen haben. Ich persönlich halte es für richtig, das so zu machen, und auch für zulässig. Wir diskutieren zur Zeit innerhalb der Bundesregierung darüber, ob dies zu Veränderungen des Regelwerkes führen muß. Ich selber weiß noch aus eigener kommunalpolitischer Erfahrung, daß Anfang der 80er Jahre, als wir schon einmal eine solche Situation hatten, in den Kommunalparlamenten so verfahren worden ist. Ich habe unabhängig von der Klärung aller europarechtlichen Fragen, die damit verbunden sind, keine Hemmung, mich entsprechend zu verhalten. Dies habe ich auch in meinem Verantwortungsbereich, im Ministerium, veranlaßt.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Danke. - Ich kündige an, daß wir die Regierungsbefragung bis 13.50 Uhr verlängern, damit wir den Fragestellern gerecht werden können. Herr Kollege Lensing.

Werner Lensing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002722, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, ich möchte noch einmal auf die Ausführungen, die Sie gerade gemacht haben, Bezug nehmen. Jeder von uns weiß, wie sehr lebenslanges Lernen und Weiterbildung auf Grund der sich stets ändernden Qualifikationsanforderungen gerechtfertigt sind und somit auch mit Leben erfüllt werden müssen. Ich möchte Sie daher fragen: Können Sie Maßnahmen der Bundesregierung benennen, die entweder schon realisiert wurden oder aber geplant sind, um den Anforderungen an das lebenslange Lernen und an die Weiterbildung gerecht werden zu können?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Frau Präsidentin, es ist schwierig, diese Frage kurz zu beantworten. Ich will es deshalb holzschnittartig machen. Herr Kollege Lensing, in unseren Reden - um nicht zu sagen: in unseren Sonntagsreden - taucht seit vielen Jahren der Begriff vom lebenslangen Lernen auf. Unsere Systeme machen jedoch das Gegenteil. In allen Systemen wird immer noch versucht, in die Erstausbildung alles hineinzupacken, so nach dem Motto: Da mußt du alles lernen, was du bis zur Rente brauchst. Genau dies muß jetzt geändert werden. ({0}) Das ist das Grundziel unseres Reformkonzeptes. Dies bedeutet aber - da wird der Streit beginnen -, daß ein Teil dessen, was bisher in der Erstausbildung enthalten ist, in die zusätzlichen Ausbildungsabschnitte während des weiteren Berufslebens, also in die Zusatzqualifikationen, verlagert werden muß. Insofern habe ich eben gesagt, daß ich eine Verbesserung erreichen will. Ich wehre mich gegen den pauschalen Vorwurf, ich wollte etwas herausschmeißen und die Systeme damit schlechter machen. Wenn aber in Zukunft Wissen in diesem ungeheuren Umfange wichtig ist, dann müssen wir von der Illusion Abschied nehmen, das könnten wir den Leuten innerhalb von drei Jahren vermitteln. Das gilt nicht nur für das duale Bildungssystem, sondern auch für die anderen Bildungssysteme.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Frau Kollegin Odendahl.

Doris Odendahl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001632, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, ich muß leider noch einmal mit einer quälenden Terminfrage auf Sie zukommen. Bekanntlich besagt das Berufsbildungsförderungsgesetz, daß der zuständige Bundesminister zum 1. April jeden Jahres - das war vor zwei Wochen - der Bundesregierung einen Berufsbildungsbericht vorzulegen hat. Laut § 3 BerBiFG sind in dem jährlichen Berufsbildungsbericht Stand und voraussichtliche Weiterentwicklung der Berufsbildung darzustellen. Erscheint die Sicherung eines regional und sektoral ausgewogenen Angebots an Ausbildungsplätzen als gefährdet - Sie sprechen von „alarmierend"-, sollen in den Bericht Vorschläge für die Behebung aufgenommen werden. Jetzt kommt das Unangenehme meiner Frage: Hält es die Bundesregierung mit diesem gesetzlichen Auftrag für vereinbar, daß das Kabinett nebenher, und zwar 14 Tage zu spät, ein sogenanntes Strukturkonzept beschließt, das pikanterweise den Mitgliedern des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsausbildung bei der Beratung des Berufsbildungsberichts nicht bekannt war? Ich stelle diese Frage insbesondere im Anschluß an die Bemerkung zum sogenannten kleinen Gesellenbrief. Die Frauen kennen dies ja aus leidvoller Erfahrung; den kleinen Gesellinnenbrief haben wir bei den Helferinnenberufen zum Teil wieder abgeschafft. Wäre es nicht sinnvoll, mit den zuständigen Fachleuten vorab zu beraten und dann wirklich ein handfestes Strukturkonzept vorzulegen?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Frau Kollegin Odendahl, es gibt nichts Handfesteres als den Vorschlag, der hier vorliegt, gerade weil wir das von Ihnen jetzt leicht kritisierte Verfahren gewählt haben. Ich bin nicht blauäugig; ich weiß doch, wie das läuft. Wenn wir bei den Ritualen der Erarbeitung des Berufsbildungsberichts und der Stellungnahmen dazu geblieben wären, dann hätten wir die Diskussion, die wir alle hier im Hause wollen, nie in Gang setzen können. Wir machen folgendes: Wir werden, losgelöst von der Frage des Berufsbildungsberichts - er hat übrigens wie in jedem Jahr eine exzellente Qualität; er enthält auch alles das, was Sie aufgezählt haben; er wird hier beraten werden -, nicht nur mit den Sozialpartnern im Hauptausschuß, sondern darüber hinaus auch noch mit anderen zu reden haben, zum Beispiel mit den Bundesländern. Wenn das, was ich eben in meiner Antwort auf die Frage des Kollegen Lensing angesprochen habe, umgesetzt sein wird, bedeutet es Veränderungen an den Berufsschulen. Das können wir nicht in Bonn machen; vielmehr muß das mit den Ländern besprochen werden, d. h. mit der Kultusministerkonferenz. Kollege Wernstedt hat inzwischen zu einem Workshop eingeladen, auf dem über diese Fragen diskutiert wird. Das heißt, es wird eine ganz breite Debatte werden. Daß wir dieses Problem von der Tatsache, daß wir demnächst über den Berufsbildungsbericht hier im Hause abschließend beraten werden, abgekoppelt haben, ist, finde ich, wirklich eine große Chance für uns alle.

Prof. Dr. Rita Süssmuth (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002287

Danke. - Als nächste Maritta Böttcher.

Maritta Böttcher (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002631, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, ich möchte noch einmal auf Ihre einführenden Worte zu Beginn eingehen und Sie dazu befragen. Sie haben gesagt, daß Ihnen jedes Mittel recht sei, um zu erreichen, daß ausreichend Lehrstellen zur Verfügung gestellt werden. Weiter haben Sie gesagt, daß Sie dafür sorgen wollen, daß das duale System nicht völlig ausblutet. Ich möchte Sie fragen: Warum lehnt die Bundesregierung dann jede Diskussion z. B. über das Modell der Umlagefinanzierung, wie es der DGB vorgeschlagen hat - inzwischen haben das einige Abgeordnete des Hauses aufgegriffen -, von vornherein ab? ({0}) Dr. Jürgen Rüttgers, .Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie: Frau Kollegin, die Bundesregierung lehnt eine Debatte über dieses Umlagemodell überhaupt nicht ab. Ich persönlich erlebe es in diesem Jahr zum zehnten Mal, daß in diesen Wochen diese Debatte ritualhaft neu geführt wird. Sie führt nur nie zu einem Ergebnis. Sie führt erstens deshalb zu keinem Ergebnis, weil es in diesem Hause bisher keine entsprechenden Mehrheiten gegeben hat. ({1}) Als zweiten Grund möchte ich folgende politische Bemerkung anführen: Mir hat noch niemand erklären können, wie das funktionieren soll. ({2}) - Ich sage das sine ira et studio. Ich habe zur Kenntnis genommen - das habe ich eben angesprochen -, daß der Oppositionsführer angekündigt hat, er wolle jetzt einen Gesetzentwurf einbringen. Das ist etwas Neues, weil nämlich, wenn ich das richtig sehe, bisher noch nie ein entsprechender Gesetzentwurf eingebracht worden ist. ({3}) Ich werde dann an Hand dieses Gesetzentwurfs lernen können, wie das funktionieren soll. Ich kann es mir bisher trotz der großen Zahl an sachverständigen Mitarbeitern, die mir als Minister zur Verfügung stehen, nicht vorstellen. Ich erwarte den Gesetzentwurf also mit Spannung. ({4}) Ich warte mit Spannung darauf, wie in dem Gesetzentwurf das Problem eines Bäckermeisters gelöst wird, der keinen Lehrling findet, weil die Leute morgens vielleicht nicht früh aufstehen wollen und darum die Stelle nicht annehmen. ({5}) - Entschuldigen Sie, Herr Kollege Tauss, das ist die Realität; machen wir uns doch nichts vor! Es gibt nach wie vor im Bäckerhandwerk Tausende von Lehrstellen, die nicht besetzt werden können. ({6}) - Nein. Das hat doch nichts mit irgendwelchen „Schuldigen" zu tun. Fragen Sie die Kollegen! Das ist die Realität. Es ist Realität, daß es in vielen Berufen freie Lehrstellen gibt, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht angenommen werden. ({7}) Mich interessiert die Frage - bleiben wir beim Bäckermeister -, ({8}) warum der bezahlen soll ({9}) und andere dafür, daß sie ausbilden, vielleicht Geld erhalten sollen. Das ist zum Beispiel eine der Fragen, auf deren Beantwortung im Gesetzentwurf ich mit Spannung warte. ({10}) Wir werden dann ja sehen, was im Gesetzentwurf steht.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Jetzt kommt eine Frage des Kollegen Christian Lenzer.

Christian Lenzer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001327, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte mich auf die Stimmung beziehen, die gerade eben durch Zwischenrufe der verehrten Opposition erzeugt wurde, schließe daraus, daß es sich um ein sehr diffiziles Thema handelt, und frage Sie, Herr Bundesminister: Welchen Beitrag wird die Bundesregierung, auch in ihren Gesprächen mit den Tarifpartnern, dazu leisten, daß die Realitäten wirklich zur Kenntnis genommen werden und daß man auch einmal darüber spricht, daß es ein Problem „Höhe der Ausbildungsvergütung" gibt und daß es ebenso ein Problem „Ausbildung vor Übernahme" gibt? Ich könnte mir vorstellen, daß sehr viele Vorurteile und sehr viele Verstimmungen auf seiten der Tarifpartner durch einen solchen Beitrag der Bundesregierung abgebaut werden könnten.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Kollege Lenzer, ich will zunächst einmal deutlich machen, daß entgegen dem, was dazu in den Zeitungen steht oder zu anderen Themen artikuliert wird, die Bundesregierung in einem sehr intensiven Gespräch nicht nur mit der Wirtschaft, sondern auch mit den Gewerkschaften ist, gerade auch in bezug auf das Thema der Lehrstellen. Die beiden von Ihnen angesprochenen Punkte sind mit beiden Gesprächspartnern mehrfach erörtert worden. Die Frage „Ausbildung vor Übernahme" ist konsenshaft beantwortet worden, und zwar sowohl von der Wirtschaft wie auch von den Gewerkschaften. Es ist inzwischen völlig klar, daß die Gewerkschaften von dem Betrieb, der über Bedarf ausbildet, keine Übernahme fordern. Wahr ist allerdings auch - das müssen wir fairerweise zugeben -, daß diese Zusage der Gewerkschaftsspitzen „unten" noch nicht überall angekommen ist. Das ist Realität. Da unterscheiden sich die Gewerkschaften aber - mit Verlaub gesagt - in keiner Weise von den Wirtschaftsverbänden und anderen Organisationen dieses Staates. Das zu ändern wird noch eine Zeitlang dauern. Die Wahrheit ist auch, daß die Ausbildungsvergütungen in einigen Bereichen inzwischen Höhen erreicht haben, in denen sie prohibitiv wirken. Ich sage das mit aller Vorsicht. Ich habe immer gesagt: in einigen Bereichen. Es gibt da ganz große Spreizungen. Ich weise in dem Zusammenhang übrigens auch immer darauf hin, daß wir zur Kenntnis nehmen müssen, daß mittlerweile 70 Prozent der Lehrlinge erwachsen sind. Das ist eine andere Situation als zu der Zeit, als die Stifte erst 14 Jahre alt waren. Insofern glaube ich, daß dieser Punkt nicht aggressiv gefahren werden darf. Man muß sehen, wer beteiligt ist. Weiterhin ist Wahrheit, daß in vielen Tarifverhandlungen der zurückliegenden Jahre - übrigens gerade in diesem Jahrzehnt - erhebliche Steigerungen der Ausbildungsvergütungen vereinbart worden sind, um dadurch in anderen tarifären Bereichen die Möglichkeit für Kompromisse zu haben. ({0}) Ich stelle nur fest, wie das in Verhandlungen so ist. Das kennen wir alle aus unserem eigenen Geschäft. Ich glaube, daß die Bereitschaft da ist, darüber nachzudenken, in diesem Punkt zu einer Korrektur oder zu einer Anpassung zu kommen; im wirtschaftlichen Bereich würde man von Produktivität sprechen: Wir sind in dieser Frage im Gespräch.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich rufe den Kollegen Stephan Hilsberg auf.

Stephan Hilsberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000904, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister Rüttgers, ich komme auf den von Ihnen zuletzt angesprochenen Punkt zurück und möchte Sie fragen: Wie beurteilen Sie die in letzter Zeit vermehrt zu beobachtende Erscheinung, daß sich Betriebe in starkem Maße von der Ausbildung zurückziehen, gleichzeitig aber die Wiederbereitstellung von Lehrstellen an die Forderung nach drastischen Kürzungen der LehrgelStephan Hilsberg der koppeln? Dabei versuchen sie in erpresserischer Weise, den Ausbildungsnotstand der Jugendlichen auszunutzen. Ich meine hier wirklich drastische Kürzungen, nicht Senkungen in Verhandlungen mit Tarifpartnern. Es geht vielmehr um Halbierungen bis zu Drittelungen von Lehrgeldern. .Die gleichen Betriebe scheuen sich aber nicht, Jugendliche im zweiten und dritten Lehrjahr als Produktionsarbeiter einzusetzen, wo sie volle Leistung bringen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Minister, bitte.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Kollege Hilsberg, ich glaube nicht, daß es meine Aufgabe ist, jedwede Äußerung von irgendwem zu kommentieren, auch nicht in dem Zusammenhang. Es gibt eine ganz einfache Antwort auf die Debatte, die Sie mit Recht ansprechen - das will ich doch sagen -, nämlich das zu tun, was ich eben in meinem Eingangsstatement gefordert habe: in jedem Tarifvertrag zu einer Vereinbarung zu kommen, sowohl im Hinblick auf die Zahlen wie im Hinblick auf die Tarifverträge. Ich habe da großes Zutrauen zu unseren Tarifparteien. Sie sind in der Lage, das Problem zu erkennen und zu lösen. Man muß allerdings fairerweise sagen: Es hat im letzten Jahr, als wir mit der Debatte angefangen haben, an der einen oder anderen Stelle leider Tarifverträge gegeben, die ohne entsprechende Vereinbarungen abgeschlossen wurden. Der öffentliche Dienst und die IG Chemie sind da vorbildhaft gewesen. Interessanterweise sind bei denen heute positive Effekte festzustellen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich die Abgeordnete Rosel Neuhäuser auf.

Rosel Neuhäuser (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002744, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Minister, Sie haben in Ihren Ausführungen vorhin die Zuversicht geäußert, daß alle, die ausbildungswillig sind, auch eine Lehrstelle bekommen. Beziehen Sie in Ihre Zuversicht die Ausbildungswilligen, die im vergangenen Ausbildungsjahr übriggeblieben sind, mit ein? Sie haben eben von neuen, modernisierten Ausbildungsberufen gesprochen und Zahlen genannt. Ich möchte Sie in dem Zusammenhang fragen: Wie hoch ist der Anteil zum Beispiel Lernbehinderter oder der von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen oder der von sozial benachteiligten jungen Menschen, die gerade in der Berufsausbildung immer am Rande stehen? Gibt es auch für diese Schulabgänger - zum Beispiel mit Hauptschulabschluß - entsprechend neue, modernisierte Ausbildungsberufe? Ich hatte im Januar eine Besuchergruppe zu diesem Thema in Ihrem Ministerium. Dort konnte darauf keine Antwort gegeben werden. Deswegen frage ich Sie heute.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Minister.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Ich finde es bedauerlich, daß da keine Antwort gegeben worden ist. ({0}) - Ich bestreite das nicht. Ich wollte nur mein Bedauern zum Ausdruck bringen. Unter den Ausbildungsberufen, die zum 1. August 1997 neu angeboten werden, sind auch solche, die durchaus nicht zum Bereich der Computerbranche gehören, so zum Beispiel Bauwerksabdichter, Verfahrensmechaniker in der Stein- und Erdeindustrie. Da ist ganz bewußt darauf geachtet worden, daß auch diejenigen, die mehr praktisch begabt sind, entsprechende Berufe angeboten bekommen. Das halte ich für ganz wichtig.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich die Kollegin Bärbel Sothmann auf.

Bärbel Sothmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002195, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister, sehen Sie Möglichkeiten, im Hinblick auf den dramatischen Wandel, der sich auf dem Arbeitsmarkt abzeichnet - ich denke jetzt an die Computerindustrie, an Multimedia usw. -, Mädchen und Frauen besonders zu fördern? Wir wissen, daß Frauen und Mädchen sehr oft frauenspezifische Berufe ergreifen wollen; manchmal werden sie auch in diese Situation hineingedrängt. Ich habe einfach Angst, daß durch diese Tatsache Frauen in der Zukunft benachteiligt werden. Schwieriger wird es noch dadurch, daß sich die Situation auf dem Lehrstellensektor verschärft. Sehen Sie oder Ihr Haus angesichts dieser Situation Möglichkeiten, für Mädchen eine Förderung anzubieten?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Frau Kollegin Sothmann, wir achten darauf, daß die von Ihnen angesprochenen Kriterien bei der Erstellung der Berufsbilder von Anfang an berücksichtigt bzw., wenn diese verändert werden, neu eingearbeitet werden. Es kann nicht sein, daß - gerade in den von Ihnen angesprochenen Bereichen der Informations- und Kommunikationstechnologie - plötzlich neue Hürden für Frauen und Mädchen entstehen. Denn gerade die Ausübung dieser Berufe wird es in Zukunft erleichtern, Beruf und Familie zu vereinbaren. Da gibt es ja neue Möglichkeiten - Stichwort: Telearbeit. Insofern muß dies bei den Ausbildungschancen von Anfang an berücksichtigt werden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich den Kollegen Horst Kubatschka auf.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Minister, Sie haben vorhin von der „Wissensgesellschaft" gesprochen. Das war ja keine Sonntagsrede, sondern eine Mittwochsrede im Parlament; insofern muß das ernst geHorst Kubatschka nommen werden. Für mich bedeutet „Wissensgesellschaft" : mehr Wissen, mehr Können. Gleichzeitig haben Sie in dieser Befragung von „modulare Ausbildung", „kleiner Gesellenbrief", „zweijährige Berufsausbildung" gesprochen. Das heißt: weniger Wissen, weniger Können. Deswegen meine Fragen: Wie wollen Sie verhindern, daß es in der Berufsausbildung zu einem Qualitätsabfall kommt? Wird der Abschluß per Zertifikat nachgewiesen, wird es der Facharbeiterbrief sein? Und vor allem: Wie können Sie verhindern, daß der Ausbilder die Ausbildung in diese Richtung - „kleiner Gesellenbrief", kurze Ausbildung - trimmt? Werden also die Auszubildenden Dreijahresverträge abschließen und dann nach eigenem Können bekunden: Ich stufe mich selber zurück? Oder wird diese Möglichkeit dem Ausbilder vorbehalten bleiben, was bedeuten würde, daß der Jugendliche in eine Richtung gezwungen wird, in die er eigentlich nicht will, nämlich zu einer niedrigeren Qualifikation?

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Kollege Kubatschka, genau gegen diesen Vorwurf habe ich mich schon dreimal gewehrt. Ich bitte Sie herzlich, mir das einfach so abzunehmen: Eine Differenzierung, die Einführung anderer Systeme bedeutet nicht weniger Wissen, weniger Bildung. Wenn wir diese Debatte aufkommen lassen, dann töten wir die Veränderung von Anfang an ab. Wir haben dann das Problem, mit einem System arbeiten zu müssen, das nicht flexibel genug ist, um die in der Zukunft nötigen Stellen zu liefern. Es wird dann immer schwieriger werden. Wir sind in der schlimmen Situation, daß sich mehr als die Hälfte der jungen Leute in zehn von 370 Berufen ausbilden lassen. Diese Basis muß einfach verbreitert werden. Sie wissen, daß ich ein Anhänger des Konsensprinzips bin, das in diesem Bereich herrscht. Das heißt: Es gilt, dieses Problem mit den Sozialpartnern gemeinsam anzugehen. Trotz der Vorwürfe, es würde nichts entschieden, haben wir es in den letzten zwei Jahren geschafft, viele Entscheidungen im Sinne des Konsensprinzips zu treffen. Insofern will ich das, was Sie angesprochen haben, mit den Tarif- und Sozialpartnern gemeinsam formulieren. Das haben wir auch bei den Berufen, deren Ausbildungszeiten zum 1. Juli in Kraft treten, bereits gemeinsam formuliert. Die Idee ist neu für mich. Ich finde sie interessant. Wir müssen einmal im Detail darüber diskutieren. Vorher müßte ich mich allerdings etwas sachkundiger machen. Aber gewiß: Einen dreijährigen Ausbildungsvertrag abzuschließen und aus ihm bereits nach zwei Jahren aus eigenem Antrieb mit Zertifikat herauszugehen, ist interessant. Ich bin offen für alle Lösungen, damit wir uns ganz klar verstehen. Es geht wirklich nicht darum, daß wir die alte Form des Anlernens durch die Hintertür einführen. Darüber habe ich bereits mehrere Streitigkeiten öffentlich ausgetragen. Es bleibt beim dualen Ausbildungssystem, es wird nicht unterlaufen und nicht ausgehöhlt. Es muß jedoch auf neue Herausforderungen reagieren können. Wir haben viele Gespräche miteinander geführt. Mich macht die Zahl von 100 000 jungen Leuten, die keinen Abschluß machen, genauso nachdenklich wie Sie. Für diese jungen Menschen müssen wir eine Antwort finden. Es hat keinen Zweck, mit irgendwelchen Fahnen durch die Straßen zu laufen, wenn keiner mehr hinter uns herläuft. Insofern sage ich: Wir werden sowohl zweijährige als auch dreijährige Ausbildungsformen brauchen. Damit auch das klar ist: Wir können nicht in jedem Beruf nur zwei Jahre ausbilden, wahrscheinlich bleibt es in der Mehrheit sogar bei der dreijährigen Ausbildung. Aber es wird mehr zweijährige Ausbildungen geben, als das heute der Fall ist; denn dafür ist Bedarf da. Es wird aber auch für diejenigen, die eine zweijährige Ausbildung durchlaufen, das Angebot geben, daß sie noch ein drittes Jahr anhängen können, wenn sie dazu Lust und ein Erfolgserlebnis haben. Das ist unsere Vorstellung in diesem Bereich; man muß sich das von Einzelfall zu Einzelfall ansehen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Vielen Dank. - Mir liegen keine weiteren Fragen vor. ({0}) - Herr Kollege Tauss, wollten Sie eine Frage stellen? - Bitte.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich dachte, Herr Präsident, die Frau Präsidentin hätte mich registriert. Ich bitte um Entschuldigung, ich hatte mich gemeldet.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Die Frau Präsidentin ist wahrscheinlich davon ausgegangen, daß Sie wissen, wie Sie sich melden können.

Jörg Tauss (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002813, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Davon ist auszugehen, Herr Präsident. Herr Minister, ich will gern auf die Frage zurückkommen, die mein Kollege Thönnes gestellt hat. Wir freuen uns sehr, daß offensichtlich in der Frage Einigkeit besteht - Sie haben das bestätigt -, daß Betriebe, die ausbilden, gerade bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen bei gleicher Qualität gegenüber Betrieben, die nicht ausbilden, also ihrer Pflicht nicht nachkommen, durchaus bevorzugt werden sollen. Die Frage des Kollegen Thönnes lautete, welche Initiativen Sie gegenüber dem Bundesminister für Wirtschaft ergriffen haben, was der Bundesminister für Wirtschaft dazu gesagt hat, wie der Stand der Initiative ist und ob wir Ihnen ein wenig dabei helfen können, dem Bundesminister für Wirtschaft den notwendigen Schub zu geben, um zu einer Einigung zu kommen. Das war seine Frage, vielleicht können Sie die noch beantworten. Danke schön.

Dr. Jürgen Rüttgers (Minister:in)

Politiker ID: 11001899

Herr Kollege Tauss, Sie wissen, daß ich ein geselliger Mensch bin. Ich habe gern viele Leute um mich herum, aber stark genug bin ich schon allein. Ich habe die Frage beantwortet, und der Kollege Thönnes hat das verstanden. Ich habe seinerzeit die Initiative gegenüber dem Bundeswirtschaftsminister ergriffen. Seine Antwort - in einem Stichwort zusammengefaßt - lautete: Europa. Sie kennen das genausogut wie ich. Dies ist eine komplizierte Geschichte mit schwierigsten juristischen Fragen, die noch nicht abschließend beantwortet sind. Ich habe aber meine Meinung und meine rechtliche Auffassung bereits dazu gesagt: Ich halte es auch nach den Erfahrungen der 80er Jahre - das war die Frage - für möglich, daß sich Kommunen entsprechend verhalten. Ich habe gesagt: Ich verhalte mich in meinem Ministerium bereits jetzt entsprechend. Klagen liegen nicht vor.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Wir haben noch eine Minute Zeit. Ich rufe jetzt die Frau Kollegin Enkelmann auf.

Dr. Dagmar Enkelmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000479, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Meine Frage betrifft den Bereich Verkehr. - Herr Staatssekretär, seit dem Wochenende geistern Agenturmeldungen durch die Welt, in denen es wieder einmal um die Kosten des Transrapid geht. Nun liegt der Verdacht nahe, daß diese Zahlen aus der längst überfälligen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung stammen. Ich will klarstellen: Das Parlament hat die Bundesregierung aufgefordert, eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorzulegen. Insofern haben wir auch einen Anspruch darauf, die Ergebnisse der Untersuchung als erste zu erfahren. Ich habe es langsam satt, immer erst aus der Presse zu erfahren, was tatsächlich anliegt, und anschließend von der Bundesregierung informiert zu werden. Meine klare Frage: Wann liegt die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung dem Parlament vor?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Frau Enkelmann, die in der Presse genannten Zahlen, auf die Sie sich beziehen, kann ich nicht bestätigen. Der Bundesminister für Verkehr wird die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, über die wir schon mehrfach im Verkehrsausschuß gesprochen haben, Ende dieses Monats vorlegen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann kommt noch eine weitere Frage, und zwar der Kollegin Altmann. Bitte.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Meine Fragen handeln vom selben Thema. Zum einen zu den Zahlen: Kann die Bundesregierung die Zahlen bestätigen, zu denen Herr Wissmann in der Presse schon Stellung genommen hat? Das sind die Erlöse, die auf 800 Millionen DM heruntergerechnet worden sind, und zwar bezogen auf 12 Millionen Fahrgäste pro Jahr und 3 Milliarden Personenkilometer. Die zweite Frage ist: Herr Wissmann hat sich in einer ddp-Meldung vom 15. April, also vom gestrigen Tage, darauf bezogen, daß sich die Investitionskosten für die Infrastruktur auf 6 Milliarden DM beschränken müßten. Können Sie diese Aussage konkretisieren? Ist das eine Deckelung, oder gibt es da noch eine Spannweite?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Frau Altmann, ich kann das wiederholen, was ich soeben gesagt habe: daß wir zur Zeit bei der Aktualisierung der Zahlen sind. Die Zahlen werden abgestimmt zwischen den externen Gutachtern, den Projektbeteiligten und dem Bund selbst. Wir werden die Arbeit an den Zahlen so abschließen, daß sie bis Ende des Monats vorgelegt werden können. Ich möchte jetzt Zahlen, die in der Presse erscheinen, weder bestätigen noch kommentieren.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Vielen Dank. Die vereinbarte Zeit für die Befragung der Bundesregierung ist abgelaufen. Damit beende ich die Befragung. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 13/7402 Ich rufe zunächst den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung auf. Zur Beantwortung steht Staatssekretär Wilhelm Hekker zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Abgeordneten Wolfgang Weiermann auf: Kann die Bundesregierung bestätigen, daß die benötigten und gebotenen ausreichenden Mittel für die Förderung lernbehinderter Schüler nach dem Arbeitsförderungs-Reformgesetz ({0}) ab 1. April 1997 tatsächlich zu diesem Zweck zur Verfügung stehen?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter Weiermann, lernbehinderte Jugendliche haben seit dem 1. April dieses Jahres wieder einen Rechtsanspruch auf berufliche Förderung durch die Arbeitsämter, wenn sie nach Einzelfallprüfung und Art und Schwere der Behinderung auf besondere, behinderungsspezifische Rehabilitationsleistungen angewiesen sind. Die hierfür erforderlichen Haushaltsmittel stehen der Bundesanstalt für Arbeit zur Verfügung.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Bitte Ihre Zusatzfrage.

Wolfgang Weiermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002447, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, auf Fragen an die zuständigen örtlichen Arbeitsämter ist - das wird Ihnen sicherlich bekannt sein - mir und vielen, die um Hilfe nachsuchen, die Antwort gegeben worden, daß bis vor wenigen Tagen ausreichende Mittel für diese Sache nicht zur Verfügung standen. Ich hatte bereits vor gut einem Monat dem Staatssekretär Günther gesagt, daß die bislang zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen würden. Denn Sie haben ja bei Wiedereinführung der Pflichtleistung die Summe, um die Sie vorher gekürzt hatten - 500 Millionen DM, glaube ich, eine halbe Milliarde DM also -, nicht wieder in diesen Etat aufgenommen, das heißt die Summe nicht aufgestockt. Insofern habe ich meine Befürchtungen: Da ist zwar eine Gesetzesänderung eingetreten, aber nicht eine Aufstockung des Geldbetrags vorgenommen worden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Staatssekretär, bitte.

Not found (Staatssekretär:in)

Es ist zutreffend, daß es in diesem Bereich in den vergangenen Wochen Irritationen in den Arbeitsämtern gegeben hat. Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit wird in den nächsten Tagen einen neuen Erlaß an die Arbeitsämter schicken, in dem die derzeitige Rechtslage eindeutig beschrieben ist. Es handelt sich hier um Rechtsansprüche, die zu bedienen sind, unabhängig davon, was an Haushaltsmitteln bereitsteht, wobei die vorhandenen Mittel nach derzeitigem Kenntnisstand - nach unserer Einschätzung und auch nach Einschätzung der Bundesanstalt für Arbeit - hinreichend sind.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Haben Sie eine weitere Zusatzfrage?

Wolfgang Weiermann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002447, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie sind mit mir in der Beurteilung sicherlich einig, daß eine Rechtsveränderung - in diesem Fall eine positive Rechtsveränderung - zwar ein Schritt in die richtige Richtung ist, aber das Projekt zum Scheitern gebracht wird, wenn nicht die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Genau das bezweifle ich an dieser Stelle, daß diese Mittel vorhanden sein werden. Ich nehme Sie beim Wort, wenn Sie mir sagen, daß letztlich und endlich eine weitere Anweisung erfolgen wird mit dem Ziel, so gut es geht zu helfen. Ich will an dieser Stelle nur deutlich machen: Bis jetzt ist in den örtlichen Arbeitsämtern keine Aussicht vorhanden, daß den Problemen der Lernschwachen 'zufriedenstellend nachgekommen werden kann und die Probleme beseitigt werden können - mangels finanzieller Masse.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Staatssekretär.

Not found (Staatssekretär:in)

Für diesen Bereich stehen im Haushalt der Bundesanstalt für Arbeit speziell für die lernbehinderten Jugendlichen 2,1 Milliarden DM zur Verfügung. Dies ist exakt der Betrag, der auch im Haushalt 1996 für diesen Bereich von der Bundesanstalt zur Verfügung gestellt wurde. Falls wider Erwarten die vorhandenen Mittel nicht ausreichend sein sollten, gibt es ein entsprechend geregeltes Verfahren im Rahmen des Haushalts der Bundesanstalt, wie die Mittel hier bereitgestellt werden müssen, weil es sich um Rechtsansprüche handelt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine weitere Zusatzfrage, der Abgeordnete Dr. Thalheim, bitte.

Dr. Gerald Thalheim (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002311, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, kann ich Ihre Eingangsbemerkungen so interpretieren, daß die Zugangskriterien etwas härter gefaßt werden mit der Konsequenz, daß möglicherweise weniger Jugendliche Zugang zu derartigen Ausbildungsmaßnahmen hätten? Ich frage dies, weil mir bekannt ist, daß diese Regelungen in der Vergangenheit zum Beispiel in Ostdeutschland relativ großzügig gehandhabt wurden und deshalb die Sorge besteht, daß trotz der Änderung der gesetzlichen Regelung am 1. April der Zugang nicht so erfolgen kann wie in der Vergangenheit.

Not found (Staatssekretär:in)

Für alle Jugendlichen, die auf Grund ihrer besonderen, behinderungsspezifischen Situation einer derartigen Maßnahme bedürfen, besteht nach einer Einzelfallprüfung ein Rechtsanspruch. Das heißt, alle diese Jugendlichen können in Zukunft an einer derartigen Maßnahme teilnehmen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Bitte schön, Frau Kollegin Schwall-Düren zu einer Zusatzfrage.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie erklären Sie sich die Aussage der Arbeitsämter, daß eine neue Konkurrenzsituation entsteht und eine ganze Reihe von Maßnahmen nicht mehr wird durchgeführt werden können? Sind Sie der Meinung, daß das an der Unfähigkeit der Arbeitsämter vor Ort liegt? Oder welche andere Erklärung für diese Aussage, die ich nicht nur in einem Arbeitsamt, sondern in verschiedenen Arbeitsämtern gehört habe, haben Sie?

Not found (Staatssekretär:in)

Die Arbeitsämter sind nach unserer Einschätzung eine Verwaltung, die sehr gut funktioniert. Die Arbeitsämter sind im Augenblick erheblichen Belastungen und Anstrengungen ausgesetzt. Mir ist diese Äußerung, wie von Ihnen dargelegt, als offizielle Äußerung der Bundesanstalt für Arbeit bisher nicht bekannt. Ich bin aber, wenn Sie mir entsprechende Arbeitsämter benennen, gerne bereit, dem nachzugehen und Sie darüber schriftlich zu unterrichten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann kommen wir zu der Frage 2 der Abgeordneten Heidemarie Lüth: Unter welcher gesetzlichen Regelung werden ältere jüdische Menschen, die aus Rußland nach Deutschland kommen, als Sozialhilfeempfänger eingestuft, ohne wie Spätaussiedler eine Rente zu erhalten?

Not found (Staatssekretär:in)

Frau Abgeordnete Lüth, die Beantwortung der Frage, ob die von Ihnen angesprochenen jüdischen Zuwanderer aus Rußland, die offenbar zu keinem Zeitpunkt Beiträge zur deutschen Rentenversicherung gezahlt haben, gleichwohl eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung erhalten können, richtet sich danach, ob diese Zuwanderer Personen im Sinne des Fremdrentenrechtes sind oder solchen Personen gleichgestellt sind. Zu dem nach dem Fremdrentenrecht berechtigten Personenkreis gehören jüdische Zuwanderer aus Rußland vor allem dann, wenn es sich bei ihnen um Spätaussiedler handelt oder wenn sie jedenfalls dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehören. Die weiteren Voraussetzungen sind im Fremdrentengesetz und im Bundesvertriebenengesetz im einzelnen geregelt. Außerdem sind Verfolgte des Nationalsozialismus im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes dem vorgenannten Personenkreis unter bestimmten Voraussetzungen gleichgestellt. Jüdische Zuwanderer aus Rußland, die weder Deutsche sind noch dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehören und die auch nicht Verfolgte des Nationalsozialismus sind, haben ohne eigene Beitragsleistung keinen Anspruch auf Rente aus der deutschen Rentenversicherung. Die Aufnahme dieser Zuwanderer erfolgt in entsprechender Anwendung des Kontingentflüchtlingsgesetzes. Dieser Personenkreis hat unter den Voraussetzungen des Bundessozialhilfegesetzes Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Heidemarie Lüth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002727, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, gab es zu diesem gesamten Themenkreis mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland schon ein Gespräch, oder wurde vom Zentralrat ein Handlungsbedarf an Sie signalisiert, in dieser Hinsicht eine gesetzliche Veränderung vorzunehmen?

Not found (Staatssekretär:in)

Ein entsprechendes Anliegen des Zentralrates der Juden ist mir persönlich nicht bekannt. Ich bin aber gerne bereit, auch dies noch einmal nachzuprüfen und es Ihnen gegebenenfalls schriftlich mitzuteilen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Weitere Zusatzfrage.

Heidemarie Lüth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002727, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Staatssekretär, gibt es in Ihrem Ministerium irgendwelche Bemühungen mit Blick auf diejenigen, die letztlich „nur" als Kontingentflüchtlinge hier in Deutschland leben können, die aber ihren Lebensmittelpunkt auch zukünftig in Deutschland behalten wollen, die Gesetze zu ändern?

Not found (Staatssekretär:in)

Unser Rentenversicherungssystem ist auf den Prinzipien der Lohn-, Beitrags- und Leistungsbezogenheit aufgebaut. Unter gewissen Voraussetzungen, die ich eben genannt habe, gibt es in Teilbereichen ein Abweichen von diesen Grundsätzen. Bei uns im Hause gibt es keinerlei Überlegungen - das wäre auch für die Rentenversicherung finanziell nicht verkraftbar -, den von Ihnen genannten Personenkreis in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Das würde auch der Systematik unseres Rentenversicherungssystems widersprechen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf. Die Frage 3 der Abgeordneten Heidemarie Lüth ist zurückgezogen. Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz auf. Die Fragen 4 und 5 des Kollegen Robert Antretter werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlage abgedruckt. Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft auf. Die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Erich Fritz sowie die Fragen 8 und 9 des Abgeordneten Hans Wallow werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Nun rufe ich den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit auf. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann-Pohl zur Verfügung. Ich rufe die Frage 10 der Abgeordneten Regina Schmidt-Zadel auf: Aufgrund welcher Bedarfszahlen plant die Bundesregierung derzeit die Versorgung mit ambulanter Psychotherapie - außer den Zahlen, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung angibt?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Kollegin Schmidt-Zadel, außer den Zahlen, die die Kassenärztliche Bundesvereinigung für die vertragsärztliche psychotherapeutische Versorgung angibt, liegen der Bundesregierung für das Bundesgebiet keine verläßlichen Bedarfszahlen vor.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfrage.

Regina Schmidt-Zadel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich habe Zusatzfragen, würde sie aber gerne nach Beantwortung der zweiten Frage stellen. Ist das möglich?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Frau Staatssekretärin, können Sie beide Fragen im Zusammenhang beantworten?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Ja, gerne.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich auch die Frage 11 der Abgeordneten Schmidt-Zadel auf: Wie viele Patienten befinden sich derzeit in psychotherapeutischer Behandlung im Verhältnis zu Personen auf Wartelisten unter Angabe von deren Wartezeiten?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Die Antwort auf diese Frage ist sehr kurz, Herr Präsident: Der Bundesregierung liegen dazu keine verläßlichen Zahlen vor.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Frau Abgeordnete, nun sind Sie mit Ihren Zusatzfragen dran.

Regina Schmidt-Zadel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse über die Kosten vor, die durch eine psychotherapeutische Unterversorgung der Bevölkerung entstehen, und vor allen Dingen über die Kosten, die dadurch, daß mehr stationäre Aufenthalte angestrebt werden müssen, im ambulanten Bereich entstehen?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Kollegin, dazu liegen uns keine Zahlen vor. Wir gehen auch nicht davon aus, daß es eine Unterversorgung gibt bzw. daß stationäre Behandlungen deshalb notwendig wären, weil ambulante Behandlungsplätze fehlten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre zweite Zusatzfrage.

Regina Schmidt-Zadel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Besteht die Möglichkeit, Frau Staatssekretärin, daß Sie mir dazu noch schriftliches Material geben? Denn meine Erkenntnisse sind andere. Mir wird immer wieder mitgeteilt, daß gerade im Bereich der Versorgung von psychisch Kranken viele stationäre Aufenthalte erfolgen müssen, weil die ambulante Behandlung nicht ausreicht.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Kollegin, ich werde der Sache gerne nachgehen. Ich müßte dazu die Krankenkassen anschreiben, ob auch ihnen derartige Erkenntnisse vorliegen. Deren Antwort werde ich Ihnen gern zur Verfügung stellen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine dritte Zusatzfrage.

Regina Schmidt-Zadel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Was beabsichtigt die Bundesregierung für die Versorgung der psychisch und somatisch Kranken zu tun oder was beabsichtigt sie zu unternehmen, um die sachlich gebotene Kooperation zwischen Ärzten und psychologischen Psychotherapeuten weiter zu ermöglichen?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Diese Zusammenarbeit ist im Rahmen des Delegationsverfahrens möglich. Sie wissen, daß wir darüber hinaus in der letzten Legislaturperiode ein Psychotherapeutengesetz vorgelegt haben, das letztendlich an der Mehrheit der SPD-regierten Länder gescheitert ist.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre vierte und letzte Zusatzfrage.

Regina Schmidt-Zadel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Was beabsichtigt die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen zu tun, um Pläne verwirklichen zu können, daß bei einer Änderung des Sexualstrafrechts die vorgesehenen Therapien für Sexualstraftäter ermöglicht werden können?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Ich gehe davon aus, daß diese Therapien schon jetzt möglich sind. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine Zusatzfrage des Kollegen Schmidbauer.

Horst Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001996, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, mich würde interessieren, welchen Sinn es macht, wenn die Bundesregierung Gutachten zur Lage der psychiatrischen Versorgung in Auftrag gibt, wenn darin auch Angaben zum Bedarf und zum Versorgungsumfang gemacht werden und Sie heute erklären, daß Sie zum Bedarf keine Aussagen machen können, weil der Regierung keine Erkenntnisse vorliegen.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Kollege Schmidbauer, das Landessozialgericht hat auch dazu Stellung genommen. In dem Urteil steht unter anderem: Der Senat sieht sich außerstande, festzustellen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Versorgung der Versicherten mit Psychotherapie nach den Richtlinien generell und bundesweit nicht sichergestellt ist. Es stellt weiter fest, daß gegenwärtige wissenschaftliche Erkenntnisse nicht ausreichen, um überhaupt eiParl. Staatssekretärin Dr. Sabine Bergmann Pohl nen objektiven Bedarf zu bestimmen. Außerdem heißt es in diesem Urteil: Ein individuelles Bedürfnis nach Psychotherapie bedarf der fachkundigen Diagnosestellung und der Einstellung in ein unter Umständen interdisziplinäres Behandlungskonzept. Dem entspricht die vom Senat für bedeutsam gehaltene Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde. Des weiteren kann ich ausführen, daß in dem Bericht zu einem Modell, das wir in Koblenz vom Juni 1992 bis September 1995 durchgeführt haben, zum Beispiel ausgeführt wird, daß als Hauptgründe für erfolglose Therapieplatzsuche für 45 Prozent der Patienten subjektive Faktoren in der Persönlichkeit des Patienten oder therapiehemmende Umstände im psychosozialen Umfeld angegeben werden und daß es Sinn macht, Koordinierungsstellen einzurichten, um diesen Patienten zu helfen und entsprechende Therapieplätze zuzuweisen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Frau Kollegin Schwall-Düren, Sie wollten eine Frage stellen? - Bitte schön.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, Sie hatten vorhin ausgeführt, die Kooperation zwischen Ärzten und psychologischen Psychotherapeuten funktioniere. Ist der Bundesregierung bekannt, daß in der Folge der Landessozialgerichtsurteile von ärztlichen Standesorganisationen zunehmend darauf hingewirkt wird, die bisherige funktionierende Kooperation zwischen Fachärzten und psychologischen Psychotherapeuten in der Kostenerstattung zu unterbinden, und was will die Bundesregierung dagegen tun?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Mir ist nicht bekannt, daß diese Zusammenarbeit unterbunden werden soll. Im Gegenteil, Sie wissen, daß man in den Gesprächen, die wir nach dem Scheitern des Psychotherapeutengesetzes in der letzten Legislaturperiode geführt haben, für ein neues Psychotherapeutengesetz ein sogenanntes Integrationsmodell ins Auge gefaßt hat, wobei man zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den entscheidenden Psychotherapieverbänden auf Bundesebene zusammenarbeiten möchte, und daß es eher innerhalb der Psychotherapieverbände, was die Zusammenarbeit mit den Ärzten betrifft, uneinheitliche Meinungen gibt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine weiteren Zusatzfragen. - Dann rufe ich die Frage 12 des Abgeordneten Horst Schmidbauer auf: Welche Maßnahmen will die Bundesregierung ergreifen, so daß vor dem Hintergrund des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 1996 ({0}) im Rechtsstreit zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Techniker-Krankenkasse zur Rechtmäßigkeit der sog. „Techniker-Krankenkassen-Regelung" die psychotherapeutische Versorgung auf qualitativ hohem Niveau, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der quantitativen Versorgung, sichergestellt wird? Bitte, Frau Staatssekretärin.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Kollege Schmidbauer, die psychotherapeutische Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland ist auch ohne die sogenannte TK-Regelung auf qualitativ hohem Niveau sichergestellt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfrage.

Horst Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001996, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, meine Frage bezieht sich auf zwei Urteile des Landessozialgerichts in Essen. Im zweiten Urteil ist die Kostenerstattung für die psychologischen Psychotherapeuten angesprochen, die Verträge mit Innungskrankenkassen bzw. Betriebskrankenkassen hatten. Da die sogenannten Erstattungspsychologen die Versorgung im ambulanten Bereich zu 50 Prozent übernommen hatten, bedeutet das Urteil, daß dann, wenn diese Kostenerstattung nicht mehr möglich ist, 50 Prozent der ambulanten Versorgung in der Psychotherapie wegbrechen. Das hat immense Konsequenzen für die Patientinnen und Patienten und natürlich auch für die Menschen, die den Beruf des Psychotherapeuten ausüben. Meine Frage ist: Was gedenkt die Bundesregierung im Lichte des Urteils des Landessozialgerichts zu unternehmen, damit die latente Unterversorgung mit all ihren Folgen ein Ende findet?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Kollege Schmidbauer, ich muß noch einmal sagen, daß ich zu meiner Antwort auf Ihre Frage stehe, daß ich nicht sehe, daß ohne die sogenannte TK-Regelung eine Unterversorgung eintritt. Es gäbe darüber hinaus, wenn unterversorgte Gebiete vorhanden wären, die Möglichkeit, daß zusätzlich ärztliche Psychotherapeuten durch Ermächtigung die ambulante Behandlung durchführen. Des weiteren kann ich Ihnen mitteilen - darüber haben wir im Ausschuß heute morgen bereits gesprochen -, daß die Bundesregierung bzw. die Koalitionsparteien sehr wohl erwägen, ein Psychotherapeutengesetz auf den parlamentarischen Weg zu bringen. Es werden dazu noch Gespräche mit den Beteiligten nötig sein. Aber wir sind guten Willens; ich hoffe, Sie sind dies ebenfalls.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Haben Sie noch eine Zusatzfrage?

Horst Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001996, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, natürlich. - Wird nicht angesichts der Antwort, die Sie gegeben haben, und der Situation, in der wir uns befinden, so etwas wie ein Doppelspiel der Bundesregierung sichtbar? Denn es handelt sich ja nicht nur um das Urteil des Landessozialgerichts; vielmehr ist die Horst Schmidbauer ({0}) Regierung von sich aus tätig geworden. Im September letzten Jahres hat Herr Zipperer bei der Aufsichtsbehörde, nämlich beim Bundesversicherungsamt in Berlin, reklamiert, daß der vertragswidrige Zustand, das heißt der Abschluß zwischen den Erstattungspsychologen und den Krankenkassen, aufzulösen ist. Das bedeutet, es hat gar nicht erst des Urteils bedurft, sondern die Regierung ist vorher tätig geworden. Meine Frage lautet: Ist es nicht ein Widerspruch, wenn Sie auf der einen Seite sagen, die Versorgung sei gewährleistet, wenn die Bundesregierung auf der anderen Seite beanstandet, daß Erstattungspsychologen 50 Prozent der Versorgung übernehmen, und Sie gleichzeitig erklären, daß das kein Problem ist, weil durch ärztliche Psychotherapeuten ein Ausgleich da ist, der aber in weiter Ferne liegt?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Schmidbauer, ich sehe da keinen Widerspruch. Sie wissen, daß diese Verträge rechtswidrig waren. Die zuständigen Aufsichtsbehörden mußten deshalb tätig werden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Jetzt kommt die Zusatzfrage der Kollegin Sigrun Löwisch.

Sigrun Löwisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002725, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, ich möchte Sie fragen und um Auskunft bitten, ob sich das Problem der sogenannten TK-Regelung, die Herr Kollege Schmidbauer angesprochen hat, überhaupt stellen würde, wenn das nach langwierigen Verhandlungen im Vermittlungsausschuß vorgelegte Psychotherapeutengesetz, das der Bundesrat damals abgelehnt hat, angenommen worden wäre? Sind Sie der Meinung, daß sich das Problem der TK-Regelung nicht mehr stellen würde, wenn wir eine Integrationslösung hinbekommen würden?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Kollegin Löwisch, ich muß Ihnen da zustimmen. Wir hatten ein Gesetz vorgelegt, das übrigens von den Psychotherapeutenverbänden weitestgehend getragen wurde. Wir haben es damals sehr bedauert, daß dieses Gesetz am Widerstand des Bundesrates gescheitert ist. Andernfalls bräuchten wir uns über diese Problematik heute in der Tat nicht zu unterhalten.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine weitere Zusatzfrage? - Bitte schön, Frau Kollegin.

Regina Schmidt-Zadel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002026, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, es wird dauernd auf die angebliche Verweigerungshaltung des Bundesrates hingewiesen. Sind Sie der Meinung, daß sich alle, die der Psychotherapie bedürfen, einer psychotherapeutischen Behandlung hätten unterziehen können, wenn dieses Gesetz, wie es die Bundesregierung beabsichtigt hatte, gekommen wäre? Sind Sie nicht auch der Meinung, daß gerade für Frauen, die kein eigenes Einkommen haben, eine sehr schwierige Situation entstehen würde, weil sie diese Zusatzleistungen aus dem häuslichen Budget finanzieren müßten?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Kollegin Schmidt-Zadel, ich glaube, daß diese Probleme, die wir heute besprechen, nicht aufgetreten wären, wenn das Gesetz verabschiedet worden wäre. Trotzdem sehe ich bei der Psychotherapie keine Unterversorgung. Die Zuzahlungsregelungen, so wie wir sie im Entwurf vorgesehen hatten, wären auch für Frauen, die einer Therapie bedürfen, sozialverträglich gewesen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine weitere Zusatzfrage. ({0}) - Es tut mir leid, ich kann immer nur eine Zusatzfrage zulassen. Ich bitte um Ihr Verständnis. Dann rufe ich die Frage 13 des Kollegen Schmidbauer auf: Was gedenkt die Bundesregierung gegen die in der Folge des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. Oktober 1996 eingetretene Reduzierung von Therapiemöglichkeiten zu tun?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Kollege Schmidbauer, auf Grund des Delegationsverfahrens nach der Psychotherapievereinbarung, die zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbart wurde, und der Psychotherapierichtlinie des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen ist die Versorgung mit Psychotherapie gewährleistet.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage? Horst Schmidbauer ({0}) ({1}): Ja. Mir geht es immer noch um die Frage der Kostenerstattung. Für mich stellt sich die Frage, ob nach § 13 Abs. 3 SGB V eine Kostenerstattung im Einzelfall grundsätzlich möglich ist. Und wenn dieser Anspruch besteht: Wie gedenkt die Bundesregierung, die Realisierung dieses Rechtsanspruches der Versicherten sicherzustellen?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Kollege Schmidbauer, da ich das SGB V jetzt nicht vorliegen habe, würde ich Ihnen diese Frage gern schriftlich beantworten. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine weitere Zusatzfrage.

Horst Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001996, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine zweite Zusatzfrage bezieht sich noch einmal auf das Horst Schmidbauer ({0}) Urteil, in dem es um außervertragliche Regelungen mit verschiedenen Krankenkassen ging. Jetzt gibt es unterschiedliche Interpretationen. Wie beurteilt die Bundesregierung das Urteil in bezug auf die Leistungen der anderen Krankenkassen, zum Beispiel der AOK, die in diesem Urteil nicht angesprochen werden? Sind sie nach der Interpretation der Bundesregierung in die Rechtsprechung mit einbezogen, oder gibt es eine gesonderte Bewertung?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Meine Interpretation ist die, daß auch andere Verträge, die rechtswidrig sind, nicht weiter fortbestehen dürfen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 14 der Abgeordneten Dr. Schwall-Düren auf: Wann wird die Bundesregierung einen Entwurf für ein Psychotherapeutengesetz vorlegen, das sowohl einen berufsrechtlichen als auch einen sozialrechtlichen Teil, der auch gegenüber dem Bundesrat zustimmungspflichtig wäre, enthält?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Kollegin, wenn Sie einverstanden sind, würde ich beide Fragen gerne im Zusammenhang beantworten.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich auch die Frage 15 der Kollegin Dr. Schwall-Düren auf: Durch welche Maßnahmen will die Bundesregierung ihre bisherige Auffassung umsetzen, im Wege eines Psychotherapeutengesetzes eine Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung der Bevölkerung durch Einbeziehung der bereits in der Kostenerstattung qualifiziert tätigen Psychotherapeuten in das Leistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung zu erreichen?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Die Koalition prüft derzeit, ob und gegebenenfalls mit welchem Inhalt sie den Entwurf eines Psychotherapeutengesetzes noch in dieser Legislaturperiode einbringen wird.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann haben Sie vier Zusatzfragen - natürlich nur, wenn Sie wollen, Frau Kollegin.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, ich möchte Sie fragen, auf welche Weise die Bundesregierung beabsichtigt, durch ein Psychotherapeutengesetz sicherzustellen, daß Patienten grundsätzlich zwischen einem ärztlichen und einem psychologischen Psychotherapeuten wählen können.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Kollegin, da unser Gesetzentwurf in der letzten Legislaturperiode gescheitert ist, müssen wir uns grundsätzlich - das habe ich schon vorhin als Antwort auf eine Zusatzfrage gesagt - noch einmal mit allen Beteiligten unterhalten, wie ein neuerlicher Entwurf der Koalition bzw. der Bundesregierung aussehen kann. Wir stehen vor diesen Gesprächen. Deswegen haben Sie bitte Verständnis dafür, daß ich jetzt noch keine Antwort zu Detailfragen geben kann.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zweite Frage.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich möchte dennoch einen Versuch unternehmen. Wir haben vorhin schon über die Frage der Kooperation gesprochen. Deshalb meine Frage: Wie sehen Sie die Wahrung der Interessen der ärztlichen und der psychologischen Psychotherapeuten in dem von Ihnen vorhin schon angesprochenen Integrationsmodell?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Für mich ist das Integrationsmodell eine sehr gute Basis für die Zusammenarbeit zwischen ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten. Soweit mir bekannt ist, wird das von den Verbänden der psychologischen Psychotherapeuten auch weitestgehend mitgetragen. Leider gibt es zwischen diesen Verbänden offensichtlich unterschiedliche Meinungen. Wahrscheinlich wird der Gesetzgeber - wenn keine Einigung innerhalb dieser Verbände möglich ist - die Entscheidung über die Form der Zusammenarbeit treffen müssen, was ich sehr bedauern würde. Denn ein Gesetz kann nur dann funktionieren, wenn die Bereitschaft der Beteiligten vorhanden ist, miteinander zu arbeiten. Ich halte das Integrationsmodell für eine sehr gute Basis.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine weitere Frage.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie will die Bundesregierung im Rahmen eines solchen Integrationsmodells sicherstellen, daß das für die psychotherapeutische Versorgung der Bevölkerung vorgesehene Finanzvolumen tatsächlich dafür verausgabt wird?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Kollegin, wenn ein Finanzvolumen für eine bestimmte Behandlung zur Verfügung gestellt wird, dann sehe ich nicht die Notwendigkeit, alle Anstrengungen zu unternehmen, daß es auch ausgeschöpft wird. Die Kostenfrage ergibt sich vielmehr aus der Anzahl der Behandlungsbedürftigen und nicht daraus, wieviel Geld zur Verfügung gestellt wird.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine letzte Frage.

Dr. Angelica Schwall-Düren (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002795, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Eventuell könnten auf diese Art und Weise Kosten gespart werden, indem nämlich stationäre Behandlungen überflüssig werden. Deshalb erneut meine Frage, ob Sie nicht in dieser Richtung Überlegungen anstellen müssen, um festzulegen, daß das entsprechende Budget für diese Maßnahmen auch tatsächlich eingesetzt wird.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Frau Kollegin, Ihre Frage wird in den Gesprächen mit den Beteiligten und bei der Festlegung der Finanzierungsgrundlage natürlich eine Rolle spielen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage des Kollegen Fink.

Ulf Fink (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002651, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Staatssekretärin, nachdem Sie vorhin bereits gesagt haben, daß das Psychotherapeutengesetz, das die Koalition in der letzten Legislaturperiode vorgelegt hat, am Widerstand der SPD-Mehrheit im Bundesrat gescheitert ist, frage ich Sie: Haben Sie Hinweise darauf, daß die SPD- Mehrheit im Bundesrat ihre unverantwortliche Blokkadehaltung beim Psychotherapeutengesetz - im Unterschied zur Gesundheitsreform - aufgibt?

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Kollege Fink, zu meiner großen Freude habe ich heute früh im Ausschuß von Herrn Kollegen Schmidbauer vernehmen können, daß die SPD bereit ist, mit uns bei einer neuen Gesetzesvorlage konstruktiv zusammenzuarbeiten, daß man das Integrationsmodell für eine gute Grundlage der Zusammenarbeit zwischen den Psychologen und den Ärzten hält und daß man sich auch in der Frage der Finanzierung dieser neu in die gesetzliche Krankenversicherung kommenden Gruppe von Psychotherapeuten einigen möchte. Ich denke, das wäre sicherlich eine gute Grundlage, um erneut über die Einbringung eines solchen Gesetzes nachzudenken.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine Zusatzfrage, Herr Kollege Schmidbauer.

Horst Schmidbauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001996, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Staatssekretärin, unabhängig von der noch immer bestehenden Kernfrage, ob gerade bei psychisch Kranken im Rahmen der Selbstbeteiligung abkassiert werden darf, ist natürlich schwerpunktmäßig nach dem Integrationsmodell zu fragen. Meine Zusatzfrage geht in diese Richtung. Denn wir sehen darin eine Chance, eine gemeinsame Linie zu finden, allerdings unter einer Voraussetzung - darauf zielt meine Frage ab -: Auch wenn es unter dem Dach der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu einer Integration kommt - denn eine Integration findet nicht außerhalb, sondern innerhalb der Kassenärztlichen Bundesvereinigung statt -, wie wollen Sie dann sicherstellen, daß es im Rahmen der Psychotherapie tatsächlich zu einer Gleichbehandlung von Ärzten und Psychologen bei der Kostenerstattung kommt? Denn bei den betroffenen Berufsgruppen, die nicht der Berufsgruppe der Ärzte angehören, geht natürlich die Angst um, daß sie nicht integriert, sondern untergebuttert werden.

Dr. Sabine Bergmann-Pohl (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11000155

Herr Kollege Schmidbauer, diese Ängste waren nicht nur bei den Psychologen vorhanden. Man muß ganz offen sagen, daß diese Ängste auch bei den Ärzten vorhanden waren. In der letzten Besprechung, die im Ministerium vor gut eineinhalb Jahren mit den Beteiligten durchgeführt wurde, war mein Eindruck, daß die am Tisch Sitzenden in der Form des Integrationsmodells, so wie es gemeinsam erarbeitet wurde, eine gute Grundlage sahen, hier zusammenzuarbeiten. Das wird Gegenstand der vorgesehenen neuen Gespräche mit den Beteiligten sein.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine weiteren Zusatzfragen? - Dann sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich rufe den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr auf. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Johannes Nitsch zur Verfügung. Ich rufe die Frage 16 des Abgeordneten Wieland Sorge auf: Steht die Bundesregierung nach wie vor zu den Verkehrsprojekten, die sie als Teil der Transeuropäischen Netze angemeldet hat und die von der EU ins Programm TEN aufgenommen wurden und die sich bereits in der Bauphase befinden?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Sehr geehrter Herr Abgeordneter Sorge, die Bundesregierung ist nach wie vor der Auffassung, daß die deutschen Maßnahmen, die in den gemeinschaftlichen Leitlinien für den Aufbau eines Transeuropäischen Verkehrsnetzes enthalten sind, vordringlich verwirklicht werden sollen. Die Netzstruktur der TEN enthält in einem multimodalen Ansatz die bestehenden Fernverkehrsverbindungen sowie die Neu- und Ausbauvorhaben von gemeinsamem Interesse. Die in den 1996 verabschiedeten Leitlinien enthaltenen deutschen Projekte wurden bereits im Bundesverkehrswegeplan 1992 im vordringlichen Bedarf eingestuft.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine Zusatzfrage? ({0}) Dann rufe ich die Frage 17 des Abgeordneten Wieland Sorge auf: Ist die Rücknahme solcher Projekte aus neuen verkehrspolitischen Überlegungen heraus überhaupt möglich, und, wenn ja, welches Verfahren ist dafür erforderlich?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Herr Abgeordneter Sorge, die Änderung oder Streichung von Projekten, die Teil der Transeuropäischen Netze sind, aus der Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans auf Grund geänderter politischer Zielsetzungen oder mangelnder Realisierbarkeit ist gemäß Art. 21 nur im Rahmen der Anpassung der Leitlinien alle fünf Jahre und damit erstmalig am 1. Juli 1999 möglich. Die AnParl. Staatssekretär Johannes Nitsch passung unterliegt dann dem Mitwirkungsverfahren gemäß Art. 189 des Vertrages von Maastricht.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Haben Sie eine Zusatzfrage? ({0}) - Bitte.

Wieland Sorge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002193, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, gibt es bereits irgendwelche Überlegungen, bei bestimmten Projekten auf der Liste eine Änderung herbeizuführen, oder gibt es gegenwärtig überhaupt keine Überlegungen in diese Richtung?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Nein. Alle in den Leitlinien enthaltenen Projekte sind nach wie vor im vordringlichen Bedarf. An ihrer Realisierung wird gearbeitet. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Es gibt keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 18 des Abgeordneten Konrad Kunick auf: Welche Dringlichkeit und Verbindlichkeit hat die Verwirklichung der 14 vorrangigen Projekte der Transeuropäischen Verkehrsnetze für die Bundesregierung im Vergleich zu anderen Verkehrsplanungen?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Herr Abgeordneter Kunick, die in den spezifischen Vorhaben enthaltenen deutschen Projekte sind - ich sagte das bereits - im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans eingestuft. Auf Grund ihrer Bedeutung für das Zusammenwachsen Europas und des 1994 bekannten Projektstandes hat die Bundesregierung Sorge dafür getragen, daß sie in die Liste der 14 prioritären Projekte der Christophersen-Gruppe aufgenommen wurden, denen der Rat in Essen besondere Bedeutung beigemessen hat. Die Bundesregierung ist nach wie vor der Auffassung, daß sie diese Maßnahmen vordringlich zu verwirklichen hat. Allerdings müssen auch hier die planerischen Voraussetzungen auf nationaler und internationaler Ebene, insbesondere die grenzüberschreitenden Voraussetzungen, für einen Baubeginn vorhanden sein. Eine rechtliche Verpflichtung, diese 14 spezifischen Vorhaben noch vor den anderen vordringlichen zu realisieren, liegt nicht vor.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage? Konrad Kunick ({0}): Ja.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Bitte!

Konrad Kunick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002711, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das heißt, die Bundesregierung arbeitet nach wie vor mit Nachdruck daran und ist in ihrer Ansicht zu den Projekten betreffend die Strecke Paris-Saarbrücken-Frankfurt und die Strecke Berlin - Erfurt - München - Verona nicht erschüttert?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

So ist es, Herr Abgeordneter Kunick. Ich möchte darauf hinweisen, daß gerade zu dem ersten Vorhaben, das Sie nannten, am 21. März, also vor wenigen Wochen, hier im Haus eine ausgiebige Debatte stattgefunden hat.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Gibt es weitere Zusatzfragen? - Keine. Dann rufe ich die Frage 19 des Kollegen Kunick auf: Welche Ausbau- und Leistungsqualität hält die Bundesregierung für den Hochgeschwindigkeitszug, Kombinierter Verkehr Nord-Süd ({0}) für erforderlich?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Diese Trasse führt von Verona über München, Erfurt und Leipzig nach Berlin. Gestatten Sie, Herr Abgeordneter Kunick, daß ich zunächst auf den deutschen Abschnitt, und zwar aus Richtung der neuen Bundesländer, eingehe. Auf Grund der für 2010 prognostizierten Schienenverkehrsaufkommen, insbesondere im Güterverkehr, als auch der Schaffung der Voraussetzungen für den Hochgeschwindigkeitsverkehr durch die neuen Bundesländer kommt dieser Strecke besondere Dringlichkeit zu. Um aber beide Aufgaben erfüllen zu können, also die bezüglich der Hochgeschwindigkeitsstrecke für den Personenverkehr und die bezüglich des Schienengüterverkehrs, ist die neue Strecke als Mischstrecke trassiert. Für eine Trassierung als reine Hochgeschwindigkeitsstrecke für den Personenverkehr würde das Verkehrsaufkommen im Bereich der neuen Bundesländer nicht ausreichen. Im einzelnen ist die Ausführung dieser Strecke deshalb wie folgt vorgesehen: zunächst Ergänzung der vorhandenen Strecke Nürnberg-Ebensfeld um zwei Gleise für Streckengeschwindigkeiten von 200 km/h - ein rund 83 Kilometer langer Abschnitt -; dann folgt die Neubaustrecke Ebensfeld-Erfurt für eine Streckengeschwindigkeit von 250 km/h - ein Abschnitt von 107 Kilometern Länge -, dann der Abschnitt Erfurt-Leipzig, wiederum für eine Streckengeschwindigkeit von 250 km/h, mit der Einbindung nach Leipzig vom Norden. aus, dann ein Stückchen Ausbaustrecke von Schkopau nach Halle für eine Streckengeschwindigkeit von 200 km/h. Der dritte Abschnitt betrifft die Strecke Berlin-Genshagener Heide-Halle Hauptbahnhof, Nordkopf, mit einer Streckengeschwindigkeit von 200 km/h und eine Linienverbesserung im Bereich der Lutherstadt Wittenberg. Die Strecke von Berlin nach Halle ist weitgehend in der Realisierung und zu großen Teilen schon fertiggestellt. Hinsichtlich der Abschnitte im Bereich MünchenVerona haben sich die Verkehrsminister Deutschlands, Österreichs und Italiens im Juni 1994 darauf verständigt, daß die derzeit zweigleisige Strecke in Stufen viergleisig ausgebaut wird. Eine erste Stufe ist der Ausbau des österreichischen Inntals zwischen Wörgl und Innsbruck, wofür zur Zeit die Arbeiten zur Durchführung des Planrechtsverfahrens laufen. Der dann anschließende weitere Ausbau soll so erfolgen, daß für die zu erwartenden Verkehre rechtzeitig die Kapazitäten bereitstehen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage.

Konrad Kunick (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002711, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Bundesregierung beabsichtigt demnach auch nicht, eine Prioritätenänderung dahin gehend vorzunehmen, daß zunächst auf das „link" zwischen Thüringen und Bayern verzichtet wird, um die Mittel statt dessen vorrangig in Bayern zu investieren?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Nein. Wir haben mit den Bauarbeiten beim Abschnitt Ebensfeld-Erfurt in Thüringen am 16. April 1996 begonnen und werden auch in diesem Jahr die Arbeiten dort weiterführen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Noch eine Frage? - Kollege Sorge.

Wieland Sorge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002193, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, bei dem letzten Abschnitt, den Sie genannt haben, bei dem Bauvorhaben von Berlin in Richtung Halle, hat sich die EU bereits an den Kosten beteiligt. Erwächst daraus die Verpflichtung, daß die ganze Strecke gebaut werden muß?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Bitte, Herr Staatssekretär.

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Ich würde sagen, dies ergibt sich weniger daraus, sondern einfach aus dem vom Bundestag beschlossenen Bundesverkehrswegeplan, aus der Einordnung in den vordringlichen Bedarf und aus der Aufnahme in die 14 prioritären Projekte der Christophersen-Gruppe. Das sind meiner Meinung nach Verpflichtungen, die zu erfüllen sind.

Wieland Sorge (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002193, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Danke schön.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine weiteren Zusatzfragen. Herr Staatssekretär, ich kann mir die Bemerkung nicht verkneifen: Wenn ein Zug zwischen Schkopau und Halle 200 Stundenkilometer erreicht, braucht man sich gar nicht mehr hinzusetzen. ({0}) Ich rufe die Frage 20 der Kollegin Karin RehbockZureich auf: Wie beurteilt die Bundesregierung die Möglichkeit, Straßenbaumaßnahmen dadurch zu beschleunigen, indem bestimmte an die Baumaßnahmen gekoppelte Standards, wie z. B. im Bereich der Grundrißplanungen, bei Anschlußstellenanlagen, Überdeckelungen etc., so gestaltet werden, daß Kosten eingespart werden, ohne jedoch das Bauvorhaben an sich zu gefährden?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Herr Präsident, der Strekkenausbau erfolgt für diese Geschwindigkeit. Wenn der Zug diese Geschwindigkeit erreichen wird, gebe ich Ihnen recht. ({0}) Zu Frage 20: Frau Abgeordnete Rehbock-Zureich, auf Grund des § 7 der Bundeshaushaltsordnung ist die Bundesregierung verpflichtet, beim Bau von Bundesfernstraßen die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit zu beachten. Die Bundesfernstraßen werden von den Ländern im Auftrag des Bundes verwaltet. Die für den Straßenentwurf maßgeblichen Regelwerke werden unter Berücksichtigung der praktischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Verkehrssicherheit, des Verkehrsablaufs und der Betriebserkenntnisse aufgestellt und ständig aktualisiert. Mit Schreiben des Bundesverkehrsministers vom 8. September 1993 wurde den Ländern die Nutzung konkreter Einsparmöglichkeiten in 30 Sachgebieten aufgezeigt, und sie wurden aufgefordert, den in den Regelwerken enthaltenen Spielraum mit der Zielrichtung höchster Sparsamkeit auszunutzen. In jüngerer Zeit sind aus dem Bereich des Straßenentwurfs die einschlägigen Richtlinien überarbeitet worden, bei denen die Dringlichkeit von Einsparungen im Vordergrund stand.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfrage.

Karin Rehbock-Zureich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002756, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, wie schätzen Sie die Möglichkeit ein, bei Planungen und bereits planfestgestellten Projekten, die aus Zeiten stammten, wo die Finanzmittel des Bundesverkehrsministeriums ganz andere waren, auf abgespeckte Lösungen zurückzugreifen, ohne daß die gesamten Verfahren neu aufgerollt werden, damit Teillösungen zur Entlastung der Menschen zum Beispiel bei Umgehungsstraßen möglich sind?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Ich denke, es kann nur vorhabenkonkret entschieden werden, ob die Veränderungen, die Sie ansprechen, ein neues Planrechtsverfahren erfordern oder ob sie im Rahmen des Spielraums, der im Projekt festgelegt ist, realisiert werden können.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine weitere Zusatzfrage. Dann rufe ich die Frage 21 des Kollegen Horst Kubatschka auf: Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, daß auf der bayerischen Donau 1996 10% weniger Güter transportiert worden sind als 1995, und teilt sie die Ansicht der Wasser- und Schiffahrtsdirektion ({0}) Süd, daß dieser Rückgang der Transportzahlen neben der sechswöchigen Eissperre auf dem MainDonau-Kanal auf das Ende des Krieges in Ex-Jugoslawien zurückzuführen ist?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Die Bundesregierung kann bestätigen, daß der Gesamtverkehr auf der deutschen Donau gegenüber dem Vorjahreszeitraum um rund 10 Prozent zurückgegangen ist. Im einzelnen waren die Verkehre unterschiedlich starken Entwicklungen unterworfen. Während sich der grenzüberschreitende Verkehr an der Schleuse Jochenstein nur in geringem Maße, nämlich um zirka 6 Prozent, verringert hat, nahmen die Wechselverkehre nach Westen um 16 Prozent und der interne Donauverkehr zwischen Kelheim und Jochenstein sogar um fast 60 Prozent ab. Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß die Verkehrsentwicklung auf der Donau einerseits auf Eisblockaden und Behinderungen im Winter und teilweise natürlich auch auf Verkehrsverlagerungen auf andere Verkehrsträger, die in diesem Zusammenhang stehen, zurückzuführen ist. Sicherlich spielen andererseits aber auch konjunkturelle Entwicklungen, insbesondere in der Bauindustrie, eine Rolle. Ferner spielt, wenn auch zunächst in geringerem Maße, die Öffnung der Donau durch die Beendigung der kriegerischen Handlungen im ehemaligen Jugoslawien eine Rolle.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfrage.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, habe ich Sie richtig verstanden, daß es auf der Strecke Kelheim-Passau zu einem Rückgang von 60 Prozent gekommen ist?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Soweit sich das auf den Donau-Donau-Verkehr, also den internen Donauverkehr, bezieht, ist das richtig.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Welche Schlußfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem Rückgang der Transportmenge in bezug auf einen etwaigen Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Herr Abgeordneter, ich meine, im Moment hat das noch keine Relevanz für Schlußfolgerungen. Wir müssen die Entwicklung weiter beobachten. Es liegt uns eine zuverlässige Prognose für das Jahr 2010 vor, die von renommierten Instituten angefertigt wurde. Ich erinnere daran, daß wir in unserer Vereinbarung mit der Bayerischen Staatsregierung vorgesehen haben, für das Jahr 2000 noch einmal eine Bewertung der verkehrlichen Leistungen vorzunehmen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

An sich hatten Sie schon zwei Zusatzfragen. Aber bitte, ich gestatte Ihnen noch eine.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie sprachen von der Eisbildung. Es handelte sich dabei um 49 Tage. Welchen Sinn hat es, Flußstrecken, z. B. die 'Donau, auszubauen, so daß sie, bezogen auf den Wasserstand, an 100 Prozent der Tage schiffbar sein müssen, wenn wir mit einer Sperrung durch Eisbildung rechnen müssen? Das frage ich auch unter dem Gesichtspunkt, daß kanalisierte Flußstrecken schneller als frei fließende Flußstrecken vereisen.

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Es handelt sich um einen kumulativen Effekt. Wenn es im Winter Nichtbefahrbarkeit wegen Eisbildung und im Sommer Nichtbefahrbarkeit wegen zu geringer Ladetiefe gibt, dann addieren sich ja die Ausfallzeiträume. Also ist ein um so dringenderer Bedarf für unsere Strategie gegeben, je länger die Eisbildung andauert. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage von Herrn Kollegen Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, Sie sagten, im Moment habe die Abnahme des Verkehrsaufkommens keine Relevanz. Können Sie uns denn mitteilen, wann diese Ziffern Relevanz bekommen werden?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Herr Schily, Sie wissen ja, daß man immer längere Zeiträume betrachten muß, um zu verläßlichen Daten zu kommen. Ich habe am Ende der Antwort auch gesagt, daß die Vereinbarung, die wir mit der Bayerischen Staatsregierung im vorigen Jahr getroffen haben, vorsieht, im Jahre 2000 noch einmal eine verkehrliche Bewertung vorzunehmen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Rainder Steenblock.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Albert Schmidt ist mein Name.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Entschuldigung.

Albert Schmidt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002779, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Macht nichts. Wir sind oft verwechselt Albert Schmidt ({0}) worden. Der Kollege Steenblock ist inzwischen Minister in Schleswig-Holstein. Herr Staatssekretär, ich möchte es einmal anders versuchen und Sie fragen: Fühlt sich die Bundesregierung nicht bestätigt, daß sie in ihrer politischen Weisheit entschieden hat, sich von der Bayerischen Staatsregierung jetzt nicht in das Abenteuer eines völlig überzogenen Donauausbaus jagen zu lassen, sondern statt dessen in Ruhe die Verkehrsentwicklung abzuwarten und eventuell eher auf den Ausbau der Donau zu verzichten?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Herr Schmidt, so ist es leider auch nicht möglich. Wir haben natürlich auch durch die Probleme bei Vilshofen weniger Verkehr auf der Donau.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich die Frage 22 des Kollegen Kubatschka auf: Trifft es nach Kenntnis der Bundesregierung zu, daß die Linzer Schwerindustrie, die während des Krieges über den Main-Donau-Kanal verstärkt Rohstoffe im Hafen Rotterdam orderte, sich wieder vermehrt der über die Donau erreichbaren Schwarzmeerhäfen bedient und daß auch die ungarischen Reedereien diese wieder intensiver für den Export von Getreide und 01 nutzen?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Herr Abgeordneter Kubatschka, es trifft zwar zu, daß die österreichische Stahlindustrie und die ungarischen Verlader den Transport auf ihren traditionellen Verkehrswegen Richtung Schwarzes Meer wieder aufgenommen haben. Es ist aber nicht üblich, daß sich die Bundesregierung zu der Geschäftspolitik und den Transportpräferenzen der Linzer Schwerindustrie oder der ungarischen Reedereien äußert.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage?

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, beabsichtigt die Bundesregierung Maßnahmen, um das Güteraufkommen auf dieser Donau-Strecke bzw. auf der Kanalstrecke zu erhöhen?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Sie kennen unsere allgemeinen Unterstützungen der deutschen Binnenschifffahrt. Darüber hinausgehende Maßnahmen sind nicht vorgesehen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zweite Zusatzfrage.

Horst Kubatschka (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001234, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatssekretär, ergeben sich auf Grund des zurückgehenden Güteraufkommens wenigstens Veränderungen bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung für den Ausbau zwischen Straubing und Vilshofen?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Dazu möchte ich mich auf die Antwort beziehen, die ich Ihnen bereits gegeben habe, daß wir im Jahre 2000 eine neue verkehrliche Bewertung durchführen werden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich Frage 23 der Kollegin Gila Altmann auf: Beabsichtigt die Bundesregierung, das bei Gandersum geplante Ems-Sperrwerk nach dem Bundeswasserstraßengesetz planfestzustellen, und wenn nicht, warum nicht?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Frau Abgeordnete Altmann, nein, ein Planfeststellungsverfahren nach dem Bundeswasserstraßengesetz setzt einen Ausbau zu Verkehrszwecken voraus. Das Ems-Sperrwerk dient aber in erster Linie und ganz überwiegend - das möchte ich hier unterstreichen - wasserwirtschaftlichen Zwecken. Damit fällt das entsprechende Genehmigungsverfahren in die Zuständigkeit des Landes Niedersachsen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfragen?

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Könnten Sie Ihre Antwort konkretisieren? Sind „wasserwirtschaftliche Zwecke" Küstenschutzmaßnahmen?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Ich verstehe unter den ganz überwiegend wasserwirtschaftlichen Zwecken vor allen Dingen den Hochwasserschutz.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wie erklären Sie sich, wenn es um Hochwasserschutz geht, daß zum Beispiel Herr Seiters inzwischen genau dieses Ziel öffentlich revidiert hat? Er hat gesagt: Dieses Sperrwerk dient ausschließlich der Überführung von Kreuzfahrtschiffen. In dem Erläuterungsbericht der Bezirksregierung wird als Stauziel 2,70 Meter über Normalnull angegeben. Das ist genau das Gegenteil eines Sturmflutwehrs.

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Ich kann bestätigen, daß dieses Sperrwerk auch Schiffsüberführungen aus der Meyer-Werft zugute kommen wird. Das ändert an meiner Aussage aber überhaupt nichts.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich Frage 24 der Kollegin Gila Altmann auf: Welche Maßnahmen zieht die Bundesregierung in Erwägung, um die durchgängige Befahrbarkeit der Bundeswasserstraße Ems zu gewährleisten, wenn die derzeitige, unter Beteiligung der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes entstandene Planung des Ems-Sperrwerkes keine Schleuse für Binnen- und Küstenmotorschiffe vorsieht?

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Galt das als erste Frage?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ja, natürlich. Ich bitte um Nachsicht: Aber eine Frage ist eine Frage.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Danke schön, Herr Präsident. In § 8 des Wasserstraßengesetzes

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Eine Sekunde, Frau Kollegin. Ich habe die Frage 24 aufgerufen. Jetzt müßte zunächst die Antwort des Staatssekretärs kommen.

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Herr Präsident, Frau Altmann, die Zuständigkeit und Verantwortung für die Sperrwerksplanung liegt im Hinblick auf die Veranlassung beim Land Niedersachsen. Die Mitwirkung des Bundes beschränkt sich auf eine fachliche Beratung im Sinne der Einbringung der Belange der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung in der vom Land eingesetzten Arbeitsgruppe, die unter anderem auch eine Staulösung prüfen soll. In dem vom Land durchzuführenden Genehmigungsverfahren wird der Bund in jedem Fall, Frau Altmann, die Forderung stellen, daß die Schiffahrt nicht wesentlich beeinträchtigt wird.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage, bitte schön.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wenn das Sperrwerk ein Sturmflutwehr wäre, dann bedürfte es der Schleuse nicht; denn bei Sturmflut können ja auch die Binnenschiffe nicht fahren. Kommt für den Bund unter diesen Bedingungen - wenn klar ist, daß diese Schleuse während der Aufstauzeiten zur Überführung eines Schiffes gebraucht wird - überhaupt eine Mitfinanzierung in Frage? Ist daran gedacht, diese Schleuse aus dem 25-Milliarden-Programm für die Bauwirtschaft zu finanzieren?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

Frau Abgeordnete Altmann, im Moment sind die Finanzierungsfragen von seiten des Bundes noch nicht zu beantworten, weil entsprechende Anfragen nicht vorliegen. In der jetzt initiierten Arbeitsgruppe werden wir mit unserer Schifffahrtsverwaltung mitarbeiten und sicherlich für die erforderlichen Studien Mittel einsetzen, um Aussagen über die Verhältnisse, die durch das Sperrwerk entstehen, treffen zu können. Aber Fragen hinsichtlich einer Mitfinanzierung des Bauwerks selbst sind im Moment nicht zu beantworten, weil es keine entsprechenden Anträge gibt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zweite Zusatzfrage bitte.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sie sprachen davon, daß Sie in der Arbeitsgruppe, die sich mit dem Sperrwerk befaßt, mitarbeiten. Halten Sie vor dem Hintergrund der vielfältigen Beeinträchtigungen, die entstehen könnten - gemäß den §§ 8 und 12 des Wasserstraßengesetzes: Beeinträchtigungen aus wasserwirtschaftlichen Gründen, aus Gründen der Binnenschiffahrt, aus Gründen des Bildes und des Erholungswertes der Gewässerlandschaft -, nicht ein Raumordnungsverfahren für notwendig?

Johannes Nitsch (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11001616

In der Regel wird das Land zu entscheiden haben, ob man ein Raumordnungsverfahren braucht. Von unserer Seite würde man nicht unbedingt darauf bestehen. Wir werden allerdings, wie ich das bereits sagte, alle werkehrlichen Veränderungen, die sich ergeben, sehr genau beobachten und unsere Forderungen geltend machen. In erster Linie haben wir die binnenschiffahrtsverkehrlichen Fragen zu behandeln. Das andere sind Fragen, die das Land Niedersachsen zu klären hat.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine weiteren Zusatzfragen. Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereiches. Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Dann rufe ich den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Zur Beantwortung steht Herr Staatsminister Helmut Schäfer zur Verfügung. Ich rufe die Frage 25 des Abgeordneten Roland Kohn auf: Welchen finanziellen Beitrag leistet der deutsche Steuerzahler für den Wiederaufbau in Bosnien-Herzegowina bis zum Jahre 2000?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Weltbank hat für den Wiederaufbau in Bosnien und Herzegowina bis zum Jahre 2000 einen Finanzbedarf in Höhe von zirka 5,1 Milliarden US-Dollar ermittelt. Hiervon sind rund 1,8 Milliarden US-Dollar von der internationalen Gemeinschaft im Rahmen der beiden Geberkonferenzen zugesagt und davon wiederum 1,176 Milliarden US-Dollar bereits in konkrete Projekte umgesetzt worden. Die Bundesregierung ist daran mit bilateralen Leistungen in Höhe von 33,87 Millionen US-Dollar sowie einem zirka 30prozentigen Anteil am Beitrag der Europäischen Union, der sich auf 211,62 Millionen US-Dollar belief, und einem zirka 7prozentigen Anteil am Weltbankbeitrag, der 281,25 Millionen US- Dollar betrug, beteiligt. Die Höhe der aus dem Haushalt des BMZ zu finanzierenden bilateralen Leistungen für den Wiederaufbau in Bosnien-Herzegowina liegt bis zum Jahre 2000 noch nicht fest. Die Europäische Union dagegen hat bis Ende 1999 einen Beitrag von etwa 1 Milliarde ECU für den Wiederaufbau in Bosnien-Herzegowina in Aussicht gestellt, woran Deutschland entsprechend seinem Beitrag zum EU-Haushalt wiederum mit rund 30 Prozent beteiligt sein würde.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege.

Roland Kohn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001168, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, in den letzten Monaten gab es immer wieder Diskussionen über die Implementierung der Maßnahmen der internationalen Staatengemeinschaft. Ist eine sachgemäße Verwendung der Mittel auch der deutschen Steuerzahler inzwischen gewährleistet?

Not found (Gast)

Gerade weil eine sachgerechte Verwendung der auch von deutschen Steuerzahlern zur Verfügung gestellten Mittel notwendig ist, gab es gelegentlich Verzögerungen. Schließlich mußten wir auch darauf achten, daß die Behörden in Bosnien Nachweise vorlegen und Projekte ausweisen konnten, die im übrigen mit der dortigen Regierung abgesprochen werden mußten. Von daher sind manche kritische Beiträge, das Geld fließe zu langsam ab, eher in Ihrem Sinne positiv zu bewerten. Wir mußten darauf achten, daß das Geld nicht verschwindet, sondern sinnvoll verwendet wird. In letzter Zeit sind keine Verzögerungen auf getreten, und die Situation beim Abfluß der Mittel hat sich verbessert.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre zweite Zusatzfrage, bitte.

Roland Kohn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001168, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Staatsminister, darf ich aus der Beantwortung dieser Frage schließen, daß auch das Kompetenzgerangel innerhalb der Europäischen Kommission beigelegt ist?

Not found (Gast)

Ich will nicht ganz ausschließen, daß es da und dort noch Schwierigkeiten geben kann. Das kann man bei solchen Organisationen nie ganz ausschließen. Kompetenzgerangel soll es zum Teil ja auch bei nationalen Regierungen geben. Ich kann nur sagen, daß wir uns bemühen, alles zu tun, damit das Geld zeitgerecht und sinnvoll in Bosnien zum Wiederaufbau des Landes verwendet wird.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Weitere Fragen liegen zu diesem Thema nicht vor. Die Fragen 26 und 27 des Kollegen Dr. Jüttner werden schriftlich beantwortet. Die Antworten werden als Anlagen abgedruckt. Ich rufe die Frage 28 des Kollegen Gernot Erler auf: Welche Schlußfolgerungen hat die Bundesregierung bisher aus dem „Gutachten über die Koordinierung und Rationalisierung der Aktivitäten des Bundes im Bereich der Ostforschung" des Bundesrechnungshofes vom August 1996 gezogen, und wie sieht der Zeitplan zur Umsetzung dieser Schlußfolgerungen aus?

Not found (Gast)

Herr Kollege Erler, seit September 1996 liegt der Bundesregierung das Gutachten der Präsidentin des Bundesrechnungshofes in ihrer Eigenschaft als Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung „über die Koordinierung und Rationalisierung der Aktivitäten des Bundes im Bereich der Ostforschung" vor. Im Dezember 1996 wurde zudem das Gutachten der Arthur-Anderson-Managementberatung zur Struktur und Organisation der Stiftung Wissenschaft und Politik vorgelegt. Die Bundesregierung ist zu der Auffassung gelangt, daß nicht nur die ostwissenschaftliche Forschung, sondern der gesamte Bereich der politikberatenden außenpolitischen Forschung einer grundlegenden Überprüfung unterzogen werden sollte. Die wichtigsten Gründe hierfür sind einmal die angespannte Haushaltslage, die nach 1989 entstandene neue politische Gesamtlage sowie der Berlin-Umzug. Eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundeskanzleramts ist damit beauftragt worden, bis Ende des Jahres eine entsprechende Empfehlung für die Bundesregierung zu erarbeiten. Die erste Sitzung findet übrigens heute um 16.30 Uhr im Bundeskanzleramt unter meiner Mitwirkung statt. Die Umsetzung der Schlußfolgerungen aus dem Gutachten des Bundesrechnungshofs wird so lange zurückgestellt, bis diese Empfehlungen vorliegen. Bereits Ende Mai soll dem Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages ein Zwischenbericht vorgelegt werden.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfrage, Herr Kollege Erler.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, welche Gegenäußerungen der betroffenen Institute liegen der Bundesregierung vor, und wie bewertet sie die Gegenäußerungen, die in sachlicher Weise zu diesem Gutachten gemacht worden sind?

Not found (Gast)

Zunächst einmal werden wir uns in aller Ruhe alle Gutachten ansehen. Es gibt einen Fragenkatalog, den wir vorgelegt haben. Wir berücksichtigen natürlich auch die Wünsche und Vorstellungen der einzelnen Institute. Ich glaube, daß man zu Lösungen kommen wird, die auch dieses Haus billigt. Wir gehen nicht davon aus, Institute zu schließen, sondern wir wollen eine sinnvolle Zusammenarbeit ermöglichen, um die guten Leistungen der Institute auch in Zukunft in Anspruch nehmen zu können. Ich darf mir erlauben, zum Beispiel die Frage in den Raum zu stellen, inwieweit die Bezeichnung Ostforschung heute noch der aktuellen Situation entspricht. Ich frage mich, ob man sie nicht anders bezeichnen müßte. Aber nicht nur diese Frage muß in Zukunft beantwortet werden, sondern auch die Frage der Repräsentanz der Institute in Berlin. Daran muß den Instituten auch selbst gelegen sein. Wir müssen uns auch fragen, wo eine Zusammenlegung sinnvoll erscheint und die Arbeit der Institute möglicherweise sogar effizienter macht.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, Sie haben - das beunruhigt mich ein bißchen - eben gesagt, Sie würden das in einem Gesamtkontext der Bewertung und Umorganisierung von Politberatung im ganzen vornehmen wollen. Würden Sie mir nicht zustimmen, daß es nach wie vor eine besondere Situation in den Transformationsstaaten Ost- und Südosteuropas gibt, was die aktuelle Krise in den südosteuropäischen Staaten, die sich in erheblichen Kosten für die ganze Europäische Union niederschlägt, deutlich gemacht hat? Braucht man nicht hier gerade jetzt die Expertise dieser gewachsenen Strukturen von Instituten, die sich seit Jahrzehnten mit diesen Regionen befassen? Ist es da vernünftig, eine solche Unruhe und eine solche Androhung von Kürzung, Zusammenlegung, Verlegung zu machen, während wir einen aktuellen Handlungsbedarf haben, gerade was die Transformationsstaaten und Südosteuropa angeht?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich glaube, Mobilität tut nicht nur der Bundesregierung und dem Parlament gut, sondern auch solchen Instituten. Ich sehe überhaupt nicht ein, weshalb wir nicht angesichts einer völlig neuen Weltlage überprüfen könnten und sollten, inwieweit die Institute in Zukunft genauso hervorragende Expertisen liefern können, aber in einer Weise, die der neuen Situation gerecht wird. Ich glaube, das muß man machen, ohne daß - ich betone das noch einmal - ich uns selber schädigen will; denn natürlich legen wir großen Wert darauf, daß bewährte Institute nicht nur erhalten bleiben, sondern möglicherweise noch effizienter arbeiten. Aber man muß auch darüber nachdenken, wo sinnvollerweise Arbeiten zusammengelegt werden können.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine weiteren Fragen. Dann rufe ich Frage 29 des Kollegen Erler auf: Warum ist der Deutsche Bundestag bisher weder über das Gutachten noch über die Pläne der Bundesregierung zur Neuordnung der politikberatenden Ostforschung informiert, geschweige denn in die Planungen einbezogen worden, obwohl der Deutsche Bundestag, wie aus dem genannten Gutachten hervorgeht, neben den Bundesministerien zu den Nutznießern der politikberatenden Ostforschung gehört, und in welcher Weise soll der Deutsche Bundestag an dem Entscheidungsprozeß über die Neuordnung beteiligt werden?

Not found (Gast)

Herr Kollege, die Präsidentin des Bundesrechnungshofes hat ihr Gutachten im September 1996 nicht nur dem Bundeskanzleramt und den betroffenen Ressorts, sondern auch dem Deutschen Bundestag direkt übersandt. Die Umsetzung der Schlußfolgerungen aus dem Gutachten wird Gegenstand der Beratungen der von mir bereits genannten interministeriellen Arbeitsgruppe zur Überprüfung des Gesamtbereichs der politikberatenden Forschung in Deutschland auf dem Gebiet der Außenpolitik sein. An dieser Arbeitsgruppe werden auch Vertreter des Deutschen Bundestages beteiligt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfragen.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, ist sichergestellt, daß die Mitglieder des Deutschen Bundestages, die - das kann ich jedenfalls für meine Person sagen - nur durch eigene Anstrengungen in den Besitz dieses Gutachtens kommen können, die Ergebnisse und die Zwischenergebnisse dieser interministeriellen Arbeitsgruppe zur Verfügung gestellt bekommen, einschließlich der Stellungnahmen, die aus den Instituten vorliegen? Denn - da werden Sie mir zustimmen; das geht auch aus dem Gutachten hervor - es gibt nicht nur eine Nutzung ihrer Expertise durch die Bundesregierung, sondern auch, und zwar in erheblichem Umfang, eine Nutzung durch die Abgeordneten des Deutschen Bundestages.

Not found (Gast)

Selbstverständlich. Herr Kollege Erler, wir alle, auch ich - ich bin heute noch dankbar dafür -, haben immer wieder die Dienste solcher Institute in Anspruch genommen und ein Brainstorming miterlebt, das uns außerordentlich hilfreich war. Herr Kollege Schily und ich erinnern sich an gemeinsame Stunden im Institut für Wissenschaft und Politik. Es ist ganz klar, daß uns allen daran liegt, daß das erhalten wird, daß Sie natürlich frühzeitig informiert werden. Ich hatte schon gesagt, daß im Mai der Finanzausschuß unterrichtet wird. Im großen und ganzen wird es darauf hinauslaufen, daß wir den Rat der Bundestagsfraktionen bei diesen Beratungen mit hinzuziehen. Aber die Regierung muß finanzieren; die Regierung muß auch sehen, wie sie das hinbekommt. Selbstverständlich müssen wir hier auch Vorschlägen des Bundesrechnungshofes folgen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zweite Zusatzfrage.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie nicht nur die Mitglieder des Finanzausschusses, sondern auch besonders die Kollegen aus dem Auswärtigen Ausschuß und aus dem Verteidigungsausschuß, die diese Expertise sehr stark nutzen, informieren würden. Ich habe noch die Frage, ob sich die Bundesregierung den Standpunkt des Bundesrechnungshofes in bezug auf die - so möchte ich sagen - zentralistische Vorstellung, daß alle diese Institute nach Berlin umziehen sollten, zu eigen macht. Ich denke da zum Beispiel an das gewachsene Umfeld für die Südosteuropaforschung in München und kann mir nicht so recht vorstellen, daß es ein Vorteil wäre, wenn man dies alles verpflanzen würde. Wie steht die Bundesregierung zu diesem Vorschlag?

Not found (Gast)

Sie stellen hier - vermutlich ohne es zu wollen - Wünsche der Bayerischen Staatsregierung als VorStaatsminister Helmut Schäfer stellungen der SPD in den Raum. Das ist interessant. Wir können das natürlich gerne überprüfen. ({0}) - Herr Kollege Erler, das ist mir bekannt. Ich wollte nur sagen: Hier deckt sich Ihre Auffassung mit Vorstellungen, die wir wahrscheinlich aus München hören werden. Ich kann Ihnen garantieren: Die interministerielle Arbeitsgruppe wird natürlich nicht einen neuen Zentralismus beschließen und alle Institute nach Berlin versetzen. Das wäre vollkommen unsinnig; das geht gar nicht. Aber wir werden schon überlegen, ob das eine oder andere Institut in Zukunft nicht sinnvollerweise in Berlin besser repräsentiert ist, als es in Bonn repräsentiert war. Das sind zum Beispiel Fragen, die ich auch mit den Abgeordneten des Auswärtigen Ausschusses in aller Ruhe erörtern möchte. Ich werde Ihre Vorstellung, daß auch andere Ausschüsse beteiligt werden, jetzt gleich im Bundeskanzleramt mit einbringen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage, Kollege Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, Sie haben mit Recht auf die positiven Erfahrungen, die wir gemeinsam in Ebenhausen gemacht haben, verwiesen. Die Fragen des Kollegen Erler geben mir Veranlassung, zu fragen, ob die Bundesregierung beabsichtigt - jedenfalls speziell bezogen auf dieses Institut, das hervorragende Arbeit leistet -, die gewachsenen Strukturen so zu belassen. Es wäre eine Torheit, ein solch hervorragendes Institut zu zerschlagen oder zu verlegen. Damit würden wir uns alle keinen Gefallen tun.

Not found (Gast)

Ähnliche Überlegungen habe ich im Außenministerium bei der Vorbereitung meiner gleich anschließend erfolgenden Tätigkeit im Bundeskanzleramt schon angestellt. Herr Kollege Schily, Sie können sicher sein, daß wir gewachsene Strukturen natürlich berücksichtigen werden. Es wäre unsinnig, alles zu verlagern. Aber ich darf darauf hinweisen, daß auch das Institut für Wissenschaft und Politik in Zukunft wahrscheinlich mit einer, wenn Sie so wollen, Außenstelle oder mit einer größeren Repräsentanz in der Bundeshauptstadt Berlin vertreten sein sollte. Das war es auch in Bonn, aber in sehr geringem Umfang: in Gestalt eines einzigen Mitarbeiters. Wir wollen das alles überlegen, wie man das in Zukunft anders gestalten könnte. Es könnte sein, daß zu Ebenhausen noch etwas hinzukommt; das muß man sehen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Keine weiteren Zusatzfragen. Dann rufe ich die Frage 30 der Kollegin Dr. Elke Leonhard auf: Mit welchem Auftrag und mit welchem Ergebnis auf deutscher Seite wurde zwischen Bundesregierung, Duma und Föderationsrat der Russischen Föderation über die Rückführung des in der Russischen Föderation befindlichen sog. „Beutekulturguts" verhandelt?

Not found (Gast)

Frau Kollegin Leonhard, wenn Sie mir erlauben, würde ich gerne Ihre beiden Fragen gemeinsam beantworten.

Dr. Elke Leonhard-Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002723, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, gerne.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Dann rufe ich auch die Frage 31 der Kollegin Dr. Leonhard auf: Wie verliefen die Verhandlungen u. a. im Hinblick auf den Teilnehmerkreis, den Zeitraum der Verhandlungen sowie die Zahl der Verhandlungsrunden, und welche Instrumentarien hat die Bundesregierung im Verlauf dieser Verhandlungen eingesetzt, um angesichts der zunehmend ablehnenden Haltung sowohl des russischen Parlaments als auch der russischen Bevölkerung hinsichtlich einer Rückführung des sog. „Beutekulturguts" die Akzeptanz für den Rechtsstandpunkt der Bundesrepublik Deutschland zu erhöhen?

Not found (Gast)

Zwischen der Bundesregierung und der russischen Regierung haben mehrere Verhandlungsrunden zur Frage der Rückführung kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter stattgefunden, außerdem unterstützende Kontakte, zumeist über die deutsche Botschaft in Moskau, oder, anläßlich von Besuchsreisen russischer Parlamentarier, auch Präsidentenberater und anderer mehr, mit dem russischen Parlament. Die Bundesregierung wird wie bisher gegenüber der russischen Führung mit Nachdruck darauf dringen, daß eine einvernehmliche, dem Völkerrecht entsprechende und am beiderseitigen Interesse orientierte Lösung in der schwierigen Frage der Rückführung kriegsbedingt verlagerter Kulturgüter gefunden wird. Das Thema steht natürlich bei dem heutigen und morgigen Besuch des russischen Präsidenten Jelzin in Deutschland erneut auf der Tagesordnung.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ihre Zusatzfrage, bitte.

Dr. Elke Leonhard-Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002723, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, einmal abgesehen von dem Geschenk, das der russische Präsident höchstwahrscheinlich am heutigen Abend dem deutschen Bundeskanzler überreichen wird: Wie entkräftet die Bundesregierung den Vorwurf, daß sie jahrelang ohne greifbaren Erfolg verhandelt hat mit dem Ergebnis - das darf ich hinzufügen -, daß die russische Bevölkerung - immerhin eine Nation, die seit Glasnost und Perestroika sehr mit uns befreundet ist - irritiert zu sein scheint, die russische Duma, also die Volksvertretung, bereits zweimal unter Mißachtung der Rechtsgrundlage die sogenannte Beutekunst zu russischem Eigentum erklärt hat und der Föderationsrat einmal und just zu dieser Stunde, ich nehme an, ein weiteres Mal Selbiges tun wird? Also bleibt unterm Strich doch nur noch, daß der Präsident - das war von Anfang an der Fall - den deutDr. Elke Leonhard schen Rechtsstandpunkt teilt. - Das war die erste Zusatzfrage. Des weiteren haben wir gerade in der letzten Woche gesehen -

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Wollen Sie nicht erst die Beantwortung Ihrer ersten Zusatzfrage abwarten?

Dr. Elke Leonhard-Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002723, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister hat meine beiden Fragen zusammen beantwortet; deshalb habe ich mir die Freiheit genommen, das Selbige zu tun.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich bin damit einverstanden. Also kommt Ihre zweite Zusatzfrage jetzt sofort. Bitte schön.

Dr. Elke Leonhard-Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002723, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wie beurteilt die Bundesregierung den - ich sage das einmal so, obwohl ich mich solcher Vokabeln ansonsten nicht bediene - an Geschmacklosigkeit nicht zu überbietenden Vorwurf des Chefgutachters der russischen Akademie und des Beraters des russischen Parlaments, Professor Jewgenij Ussenko, Deutschland wolle den Zweiten Weltkrieg nachträglich gewinnen und einen Rechtsstandpunkt sozusagen in eine Siegerpose umkehren? Hat sich die Bundesregierung mit Entschiedenheit gegen die Verunglimpfung deutscher Nachkriegsgenerationen verwahrt?

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Frau Kollegin Leonhard, zunächst darf ich sagen, daß die Bundesregierung, aber auch die Parlamentarier dieses Hauses aus allen Fraktionen, die in Moskau und sonstwo über dieses Thema selber unmittelbar nachhaltige Gespräche geführt haben - im Falle der Bundesregierung Verhandlungen -, überzeugt gewesen sind, daß wir auf der völkerrechtlich vertraglich vereinbarten Zusicherung bestehen müssen, daß die nach Rußland verbrachten deutschen Kulturgüter zurückgegeben werden. Daß sich diese Verhandlungen schwierig gestaltet haben, daß in letzter Zeit psychologische Elemente - ich darf hier das Reiz- und Stichwort „NATO-Erweiterung" nennen - und anderes mehr hinzugekommen sind, was offensichtlich eine gewisse Verhärtung zur Folge hatte, sehen auch wir mit Besorgnis. Andererseits - das haben Sie zu Recht gesagt - hat der Präsident zweimal sein Veto eingelegt. Er erklärt auch öffentlich als russischer Präsident, daß er die Beschlüsse der Duma für völkerrechtswidrig hält - immerhin ein interessanter Verfassungsgegensatz zwischen Präsident und Parlament. Daß in dieser psychologischen Stimmung, die Sie auch angedeutet haben, eine gewisse Verhärtung spürbar geworden ist, wissen wir. Das macht die Verhandlungen schwieriger. Ich glaube nicht, daß man der Bundesregierung irgendwelche Schuld zuweisen kann, daß das Ergebnis bisher nicht besser ausgefallen ist. Wir müssen auch bei der Fortsetzung der Verhandlungen - wir halten an unseren Forderungen ja fest -, meine ich, sensibel vorgehen und dabei vermeiden, daß Unterstellungen in dem Brief, den Sie gerade zitiert haben, einen breiteren Rahmen finden, nämlich die Vorstellung, Rußland habe den Krieg verloren. Kenner der Situation in Moskau haben uns immer wieder gesagt, daß es auch innerhalb des Parlamentes angesichts bestimmter Entwicklungen eine gewisse Verstimmung gebe sowie die Vorstellung, Rußland werde sozusagen in eine Art Ecke gedrängt. In dieser Situation ist es besonders schwierig zu verhandeln. Wir müssen aber immer wieder deutlich machen: Wir bewegen uns auf einer völkerrechtlich mit Rußland vereinbarten Basis. Dabei muß es auch bleiben - bei allem Verständnis für russische Kritik. Den Brief selbst möchte ich hier nicht qualifizieren.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Frau Kollegin Leonhard, Sie können noch zwei weitere Zusatzfragen stellen. Bitte.

Dr. Elke Leonhard-Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002723, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

In diesem genannten Brief, der offensichtlich an viele verteilt wurde, sind auch der deutsche Botschafter und der Außenminister angegriffen worden. Zunächst einmal: Bestätigen Sie den Vorwurf, daß Materialien ausgeteilt wurden, und stimmen Sie mit mir überein, wenn ich feststelle, daß es nicht gerade zu den wirkungsvollsten Instrumentarien abendländisch-zivilisierter Diplomatie gehört, das offensichtliche Informationsdefizit der Duma am Vorabend einer Abstimmung mit Informationsmaterial kompensieren zu wollen? - Das wäre die eine Frage. Die weitere: Können wir uns nach dem Eingeständnis - das muß man bei aller Sensibilität sagen - des Scheiterns der Geheimdiplomatie und der „Chefsache" darauf verständigen, daß Sie alles unternehmen werden, damit die einzelnen Verfassungsorgane - das gilt insbesondere für die Zusammenarbeit mit dem Parlament - ihre Arbeit gegenseitig flankieren und der russischen Bevölkerung unzweideutig folgende Punkte klarmachen: Rußland kann selbstverständlich von der Bundesrepublik Deutschland weiterhin jegliche, dem wirtschaftlichen Aufbau dienende Unterstützung bekommen. Wir sind an einer Vertiefung der Beziehungen interessiert. Aber wir werden es nicht zulassen, daß die Geduld der Bürger der Bundesrepublik Deutschland überstrapaziert wird und über 50 Jahre nach Kriegsende und zehn Jahre nach Perestroika und Glasnost die Würde Deutschlands, ich sage einmal: verletzt wird.

Not found (Gast)

Frau Kollegin, es fällt mir schwer, Ihr Statement als Frage zu sehen. Das hätte ich auch geben können. Ich wäre allerdings etwas milder als Sie mit Rußland verfahren. Ich bin aber der Auffassung, daß das Wesentliche, was Sie in Ihren beiden Fragen zum Ausdruck gebracht haben, auch die Auffassung der Bundesregierung ist.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Zusatzfrage, Herr Kollege Schily.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, müssen sie nicht zugeben, daß die Bundesregierung in dieser Frage äußerst dilettantisch verhandelt hat, weil sie sich in die Position eines Bittstellers manövriert hat, anstatt auch die Kreditvergabe - Sie wissen ja, es gab 3 Milliarden ungebundenen Kredit in jüngster Zeit - zum Gegenstand der Gespräche zu machen und zu sagen: Gut, wir sind gerne bereit, entsprechende finanzielle Hilfestellung zu leisten; aber wir verlangen, daß diese Frage in diesem Zusammenhang geregelt wird? Das wäre doch ein möglicher Einstieg in eine Lösung gewesen.

Not found (Gast)

Herr Kollege Schily, über die Methode, wie man mit der russischen Regierung und dem Parlament verhandeln sollte, mag es verschiedene Auffassungen geben. Wir als Regierung mußten uns nach wie vor auf das Wort des russischen Präsidenten berufen, auf die völkerrechtliche Grundlage, die zwischen Rußland und Deutschland weiterbesteht. Wir mußten natürlich hinnehmen, daß das Parlament eine völlig andere Auffassung hat. Andererseits teilen der Präsident und die russische Regierung nach wie vor unsere Aufassung, daß das Behalten dieser Beutekunst völkerrechtswidrig ist. Da besteht ja kein Gegensatz. Nur liegt es am Parlament. Es hat dem Präsidenten die Schwierigkeiten gemacht. Normalerweise verhandeln Regierungen mit Regierungen und nicht so sehr mit den Parlamenten. Von daher glaube ich nicht, daß wir mit einer massiven Verbindung, mit einem Junktim von Kreditvergabe und Rückgabe dieser Güter sehr viel weiter gekommen wären. Möglicherweise hätte sich die Haltung noch mehr verhärtet. Ich glaube nicht, daß das erfolgreich gewesen wäre. Aber das ist eine Spekulation. Ich kann das nicht mit Sicherheit sagen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Schily, eine zweite Frage.

Otto Schily (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001970, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, ist im Außenministerium oder im Bundeskanzleramt oder bei den Verhandlungen, die über den Kredit geführt worden sind, überhaupt einmal überlegt worden, diese Frage auch zur Sprache zu bringen und zu sagen: Ihr erwartet von uns einen sehr großzügigen Kredit - wobei man darüber streiten kann, ob ein ungebundener Kredit eine ideale Form der Kreditvergabe ist; nach meiner Auffassung nicht -, oder ist man auf diesen Gedanken gar nicht gekommen?

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich kann nicht alle Erörterungen kennen, die in anderen Ressorts stattgefunden haben. Ich kann nur sagen: Natürlich sind solche Überlegungen angestellt worden. Aber ganz offensichtlich war die Auffassung, man sollte nicht mit zu harten Bandagen in diese Verhandlungen gehen, sondern versuchen, weiterhin auf der Basis des Vertrauensverhältnisses zum Präsidenten unsere nach unserer Auffassung berechtigten Forderungen zu stellen, dabei aber das Verhältnis zu Rußland nicht verletzen. Ich finde es aber gut, daß Sie hier solche kritischen Vorstellungen äußern, denn sie könnten jetzt in die weitere Diskussion einfließen, indem wir darauf hinweisen, daß die deutsche Opposition ein härteres Vorgehen der Bundesregierung für angebracht ansieht. Das wird unsere Position eher stärken.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Erler, bitte schön.

Dr. h. c. Gernot Erler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000489, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Staatsminister, bietet nicht der Besuch des russischen Präsidenten Jelzin in Baden-Baden einen Ansatz für eine unorthodoxe, aber nicht unbedingt den russischen Parlamentarismus fördernde Lösung des Problems? Bräuchte man nicht eigentlich nur die Intervalle der Begegnungen zwischen dem deutschen Bundeskanzler und dem russischen Präsidenten zu verkürzen, wenn er jedesmal ein kleines Stück aus der sogenannten Beutekunst mitbringt und dann doch der deutschen Öffentlichkeit über ein Kohl-Jelzin-Museum diese Kunst zugänglich macht? Wäre das nach Ihrer Auffassung ein gangbarer Weg?

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Das wäre ein denkbarer Weg. 672 Abgeordnete, die bei der Duma ähnlich verfahren, könnten noch schneller zur Rückgabe des Restes der Kulturgüter kommen. Ich bitte Sie alle, bei Ihren häufigen Reisen nach Rußland daran mitzuwirken.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich rufe die Frage 32 des Abgeordneten Beck auf: Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Lebenslauf des Honorarkonsuls von Malaga Hans Hoffmann ({0}) und/oder Albert Fuldner, insbesondere hinsichtlich ihrer Funktionen Gestapo-Agent laut spanischem Geheimdienst ({1}), Dolmetscher der Blauen Division ({2}), diplomatischer Dienst für das Dritte Reich in Spanien ({3}) zwischen 1933 und 1945 sowie 1945 bis heute, und inwiefern ist das „Lebenswerk dieses Mannes exemplarisch für viele Auslandsdeutsche" ({4})?

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Herr Kollege Beck, dem Auswärtigen Amt sind keine Tatsachen bekannt, die Anhaltspunkte für die in dem Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 4. April dieses Jahres behauptete Personenidentität des Honorarkonsuls in Malaga, Herrn Hans Hoffmann, mit dem dort genannten Albert Fuldner bieten könnten. Herr Hoffmann selbst hat die in den genannten Veröffentlichungen verbreitete Behauptung zurückgewiesen. Er hat ausdrücklich erklärt, daß er zu keiner Zeit der NSDAP oder einer ihrer Organisationen angehört und daß er keinerlei Verbindung zu Gestapo, Abwehr oder sonstigen Diensten gehabt habe. Herr Hoffmann hat sich während seiner Amtszeit von nunmehr 35 Jahren als Honorarkonsul der BunStaatsminister Helmut Schäfer desrepublik Deutschland große Verdienste um den Ausbau der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu Spanien sowie der Betreuung deutscher Touristen und der in seinem Amtsbezirk ansässigen Deutschen erworben. Er genießt hohes Ansehen in Spanien, insbesondere auch in seinem Amtsbezirk.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Kollege?

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja, selbstverständlich. - Sie haben den einen Teil der Frage nach dem Lebenslauf des Herrn Fuldner nicht beantwortet. Haben Sie diesen Lebenslauf geprüft, um sichergehen zu können, daß hier keine Personenidentität besteht? Hierzu wäre es nützlich, zu wissen, ob diese Person noch lebt bzw. wann und wo sie verstorben ist.

Not found (Gast)

Herr Kollege, wir haben uns natürlich nach dem Lebenslauf des Herrn Hoffmann erkundigt und haben das auch über das Ihnen sicher bekannte Berlin Document Center getan. Bei der zweimaligen Untersuchung haben sich keinerlei Anhaltspunkte für die in Ihrem Schreiben angedeutete Verstrickung ergeben. Eine 1985 im Zusammenhang mit einem Ordensvorschlag erneut an das Berlin Document Center gerichtete Anfrage ergab wiederum keinen Befund.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Sie haben eine weitere Zusatzfrage?

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ich darf nur feststellen, daß zu dem Herrn Fuldner -

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Entschuldigten Sie, Herr Kollege Beck, eine Sekunde! Sie sollen nicht feststellen, sondern meine Frage war, ob Sie eine Zusatzfrage haben.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wie erklären Sie sich die Notiz, die von offiziellen Quellen des spanischen Außenministeriums bestätigt wurde - Quelle sind angeblich alliierte Spionagedienste -, die Herrn Hoffmann als gefährlichen Gestapo-Agenten kennzeichnet und worin es heißt, er sei ein engagiertes Mitglied der Nazi-Partei und gefährliches Mitglied der Gestapo sowie Mitglied der Presseabteilung der Botschaft gewesen, und dies vor dem Hintergrund, daß Sie auf die Frage, ob es einen anderen Herrn Fuldner gegeben hat, gesagt haben, daß Sie nicht wissen, ob er noch lebt, ob er gestorben ist und ob es ihn überhaupt gegeben hat?

Not found (Gast)

Nun können wir nicht jeder Notiz, jeder Behauptung und jeder Unterstellung nachgehen. Wir können, auch in den Kontakten mit der spanischen Regierung, nur immer wieder feststellen, daß Behauptungen, die in einer Zeitung erhoben worden sind, keinerlei Reaktionen in der spanischen Öffentlichkeit hatten. Wir haben uns um den Lebenslauf des Herrn Hoffmann gekümmert; Herr Fuldner, der hier als Herr Hoffmann, als eine Alias-Hoffmann-Figur bezeichnet worden ist, ist uns nicht bekannt. Zum Lebenslauf vielleicht zu Ihrer Information noch folgendes: Die Familie von Herrn Hoffmann war bereits 1929 nach Spanien gezogen. Nach Ablegung der Reifeprüfung in der deutschen Schule in Madrid kam er 1936 nach Deutschland, wo er als Fahnenjunker in eine Militärschule eintrat. Bereits im gleichen Jahr war er nach Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs mit einer dorthin verlegten Einheit in Spanien. Ab 1938 war er in einem zivilen Dienstverhältnis als Dolmetscher und Verbindungsmann zur spanischen Armee tätig. Von 1941 bis 1942 und von 1943 bis 1945 war er erst im Generalkonsulat Bilbao und dann an der Botschaft in Madrid beschäftigt. Von 1942 bis 1943 war er zum Kriegsdienst in Rußland eingezogen, wo er als Dolmetscher bei spanischen Einheiten Dienst getan hat. Der Lebenslauf zeigt also eine fast ständige Anwesenheit in Spanien. Es ist sehr schwer vorstellbar, daß Behauptungen, er sei Mitglied der Gestapo gewesen, ohne daß das Document Center irgend etwas in Erfahrung bringen konnte - wir ebenfalls nicht -, stimmen. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Kollege Beck, ehe ich die nächste Frage aufrufe, möche ich doch zum Ausdruck bringen, daß mich ein tiefes Unbehagen darüber erfaßt, daß wir hier die persönlichen Details des Lebens eines Menschen erörtern, der keine Möglichkeit hat, sich hier dazu zu äußern. Ich frage mich, ob man diese Probleme nicht in anderer Weise klären kann, wenn es um die Klärung der Sache geht. Dies vorausgeschickt, rufe ich nun die Frage 33 des Abgeordneten Volker Beck auf: Ist der Bundesregierung bekannt, wie in den spanischen Medien ({0}) und in der spanischen Öffentlichkeit die Debatte geführt wird, und welche Rolle spielt der Honorarkonsul bei der Aufenthlatsortswahl und dem Auslieferungsersuchen des rechtskräftig verurteilten ehemaligen Generalmajors Ernst Otto Remer, der sich in Marbella aufhalten soll und Kontakte zu anderen gesuchten Kriegsverbrechern unterhalten soll ({1})?

Not found (Gast)

Zu Ihrer Frage 33 - ich hatte das eben schon angedeutet -: Die in der Presseveröffentlichung in „El Pais" aufgestellten Behauptungen haben in der spanischen Öffentlichkeit keine Debatte ausgelöst. Herr Remer wurde am 22. Oktober 1992 vom Landgericht Schweinfurt wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhaß - also AuschwitzLüge - zu 22 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, konnte aber vor Haftantritt fliehen. Anfang Juli 1994 beantragte die Bundesregierung seine Auslieferung aus Spanien. Im Februar 1996 erklärte jedoch ein spanisches Gericht, die Audiencia national, die Auslieferung für unzulässig, da die Remer vorgeworfenen Taten nach spanischem Recht nicht strafbar seien. Am Auslieferungsverfahren war Generalkonsul Hoffmann, soweit hier ersichtlich, nicht beteiligt.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Haben Sie eine Zusatzfrage?

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Wie erklären Sie sich in diesem Zusammenhang, daß offensichtlich - zumindest gibt es solche Berichte - andere Kriegsverbrecher oder wegen rechtsradikaler Umtriebe gesuchte Verbrecher mit Personen Kontakt haben, die ausgerechnet im Einzugs- und Tätigkeitsgebiet von Herrn Hoffmann wohnen oder ihren Aufenthalt genommen haben?

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Ich muß Ihnen sagen: Ich kann Ihnen auf diese Frage keine Antwort geben, weil ich nicht weiß, in welchem Umfang Herr Hoffmann Kontakte mit Herrn Remer unterhielt, der in diesem Amtsbezirk offensichtlich wohnt. Ich habe darauf hingewiesen, daß die spanische Seite einem Auslieferungsersuchen der Bundesregierung nicht zugestimmt hat. Aber ich glaube, wir müssen vorsichtig sein mit Schlüssen, daß es hier Kontakte gegeben hat, und damit, daß sie zu einer Art Zusammenspiel zwischen zwei ehemaligen Nazis aufgebauscht werden. Das ist sehr kritisch, und das ist nach der Beweislage, die uns vorliegt, so nicht zu bestätigen.

Volker Beck (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002625, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Halten Sie es für angemessen, daß die deutschen Interessen in Spanien von jemandem vertreten werden, der, wie Sie selber zugegeben haben, offensichtlich auf seiten der Legion Kondor im Spanischen Bürgerkrieg gekämpft hat? Wenn ich die Ausführungen richtig verstanden habe, war er als Dolmetscher für deutsche Einheiten in Spanien - ich vermute einmal, daß es nicht die Internationalen Brigaden waren - tätig. Wie muß ich diese Ausführungen verstehen?

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Herr Staatsminister, ehe Sie antworten, möchte ich den Fragesteller darauf aufmerksam machen, daß er eine Frage auf Grund des Hörensagens stellt. ({0}) - Entschuldigen Sie bitte, Herr Kollege Beck. Es wird hier eine Aussage vom Hörensagen gemacht. - Herr Staatsminister, Sie müssen sich überlegen, ob Sie darauf eine mündliche oder eine schriftliche Antwort geben wollen.

Not found (Gast)

Herr Kollege, ich kann nur sagen, daß die Person, von der Sie hier sprechen, ein hohes Ansehen in Spanien genießt - das wissen wir -; sonst wäre der Herr nicht über 35 Jahre Generalkonsul. Damit ist Ihre Frage beantwortet.

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich beende damit die Fragestunde. Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Gruppe der PDS Schlußfolgerungen der Bundesregierung zum Erhalt der sanierungsfähigen Nachfolgebetriebe der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in Folge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1997 Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Günther Maleuda.

Dr. Günther Maleuda (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002730, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundestagsgruppe der PDS geht in ihrem Antrag zur heutigen Aktuellen Stunde von der Frage aus, wie mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu den Altschulden der LPG umzugehen ist. Sie richtet ihr Wort vor allem an die Bundesregierung, unmittelbar und nicht erst im Jahr 2000 aktiv zu werden. Die Mitglieder des Agrarausschusses hatten heute vormittag die Gelegenheit, einen ersten Meinungsaustausch dazu zu führen. Es zeigte sich bereits hier, daß es zu dieser Problematik recht unterschiedliche Positionen gibt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zu den Altschulden hat in einer großen Anzahl von Agrargenossenschaften, aber auch in Bauernverbänden zu einer großen Enttäuschung geführt. Ich stütze diese Bewertung vor allem auf Informationen und Erfahrungen, die ich nach Beschlußfassung des Bundesverfassungsgerichts in einigen Agrargenossenschaften in Mecklenburg-Vorpommern wie Lupendorf, Wipperow und Menzlin, aber auch in Waren und Anklam sammeln konnte. Die Erwartung auf Entschuldung, auf Teiltilgung oder auf Zinserleichterung wird nicht erfüllt. Man muß eindeutig sagen: Bleibt die gegenwärtige Regelung für die nächsten Jahre bestehen, werden die Altschulden einschließlich Zinsen von gegenwärtig etwa 10 Milliarden DM durch neue Zinslast weiter steigen und werden die Unsicherheiten vor allem aus der Sicht der Investoren und auch der Produktionsorganisation vieler Betriebe zunehmen, dies auch durch die Wirkungen der Verquickung von Altschulden, von Vermögensauseinandersetzungen und Bodenreformansprüchen. Es wird eingeschätzt, daß in den nächsten Jahren eine Anzahl von Agrarbetrieben Konkurs geht. Die Altschuldenfrage würde sich so für einen Teil dieser Betriebe von selbst klären, und - was natürlich auch problematisch ist - die Ansprüche der Bauern aus ihren Inventarbeiträgen würden nicht realisiert werden. Abgeleitet von dem bisher Gesagten erwarten wir von der Bundesregierung folgendes - gestatten Sie mir, hier einige konkrete Forderungen zu stellen -: Erstens. Die Bundesregierung sollte dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts unmittelbar und nicht erst im Jahre 2000 Folge leisten, die WirksamDr. Günther Maleuda keit der geltenden Entschuldungsregelungen zu überprüfen und nachzubessern. Nur so können der Konkurs weiterer LPG-Nachfolgeunternehmen und das Anwachsen unbegründeter Zinslasten verhindert werden. Zweitens. Die Überprüfung der Entschuldungsregelung muß das Ziel verfolgen, die Kreditbelastungen an die Werthaftigkeit des nutzbaren Vermögens anzupassen. Die Zinsen für die verbleibenden Kredite sind an die Zinsen von geförderten Neuinvestitionen anzupassen. Drittens. In den Fällen, in denen sich Nachfolgeunternehmen in Liquidation befinden, sind die Forderungen auf Rückzahlung der Inventarbeiträge der ehemaligen Genossenschaftsbauern vorrangig zu bedienen. Viertens. Forderungen der Bauern, die sich berechtigt aus den Kreispachtverträgen ergeben, sollten aus dem Bundeshaushalt gedeckt werden. Dazu gab es eine recht interessante Information aus Sachsen. Fünftens. Um die Anteile der ausgeschiedenen Genossenschaftsbauern an den LPG-Nachfolgebetrieben möglichst schnell auszahlen zu können, sollten den Unternehmen zinsgünstige Kredite zur Verfügung gestellt werden. Ich meine, das ist eine sehr wesentliche Problematik: Selbst die Betriebe, die ihre Belastungen gegenüber den ausgeschiedenen Mitgliedern begleichen möchten, sind nicht in der Lage, durch Aufnahme von Krediten an Geld heranzukommen. Die Illusion, daß man etwa aus dem umfangreichen Fonds vorhandener Immobilien schnell an Geld kommen würde, bestätigt sich nicht. Es zeigt sich in vielen Fällen, daß das gar nicht möglich ist. Sechstens und letztens. Um die Kreditrückzahlungsfähigkeit der LPG-Nachfolgebetriebe zu erhalten, ist zu prüfen, in welcher Weise der Pächterschutz verbessert werden kann. Diese Forderungen entsprechen weitgehend dem schon im Mai 1995 eingebrachten Antrag der PDS- Bundestagsgruppe zum Thema LPG-Altkredite. Wir sind natürlich herausgefordert, die nun seit langem auf Eis liegende Vorlage erneut einzubringen, damit die inhaltliche Aufgabenstellung einer ordentlichen Regelung zugeführt wird. Ich danke Ihnen. ({0})

Dr. Burkhard Hirsch (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000908

Ich gebe das Wort dem Abgeordneten Freiherr von Hammerstein.

Carl Detlev Hammerstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000797, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst muß ich feststellen, welche Begeisterung in der PDS herrscht, wenn eine Aktuelle Stunde auf ihren Antrag anberaumt wird. Man zählt bei Ihnen ganze sieben Leute; es ist beeindruckend, wie interessant das für Sie ist. ({0}) - Wir haben die Aktuelle Stunde nicht beantragt. Das ist der Unterschied zwischen uns und Ihnen. Immer häufiger werden die Urteile des Bundesverfassungsgerichtes von Politikern, egal welcher Partei, in Frage gestellt. Ich bedaure diesen Verfall politischer Kultur. So ist es auch dieses Mal. Stärker als bei anderen derartigen Aktuellen Stunden stellt sich die Frage, was sich der Antragsteller bei der Formulierung seines Themas gedacht hat. Ich weiß es nicht. ({1}) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt zum einen die gegenwärtige Rechtslage, zum anderen die Politik der Bundesregierung. Warum sollte die Regierung also eine neue Schlußfolgerung aus dem Urteil ziehen? Die Politik ist richtig, und sie bleibt auch richtig. Ich zitiere aus dem Verfassungsgerichtsurteil: Das Verfassungsgericht hat außerdem die gewählten Altschuldenregelungen zur Entlastung der landwirtschaftlichen Unternehmen, Teilentschuldung durch die Treuhandanstalt und finanzielle Entlastung, grundsätzlich gebilligt. Zweitens: Der Gesetzgeber durfte die genannten Maßnahmen zur Entlastung der Unternehmen auf sanierungsfähige Unternehmen beschränken. Damit hat das Gericht das zukunftsorientierte Konzept der Bundesregierung bei der Transformation der staatlichen Planwirtschaft in die freie Marktwirtschaft bestätigt. Gehen wir etwas ins Detail. Sanierungsfähige Nachfolgebetriebe werden wegen dieses Urteils des Verfassungsgerichts nicht pleite gehen. Bundesregierung, Länder und der Berufsstand sind sich sogar einig: Kein landwirtschaftliches Unternehmen wird wegen seines Schuldendienstes in Konkurs gehen. Denn es steht fest: Nur 20 Prozent des Gewinns müssen zur Tilgung der Kredite aufgewendet werden. Wenn man dann noch 80 Prozent für Neuinvestitionen und Weiterentwicklung der Betriebe zur Verfügung hat, ist das nach meiner Auffassung eine ideale Lösung. Diese Konditionen müssen Sie sich einmal vergegenwärtigen. Alle bäuerlichen Betriebe, sowohl im Osten als auch im Westen, würden davon träumen, generell solche Konditionen zu haben. Für die neuen Länder gilt weiter: Sanierungsfähige Betriebe werden durch den Schuldendienst nicht in die Pleite getrieben, und die Betriebe, die pleite gehen, gehen nicht wegen der Kredite pleite. Dies sind nicht nur Aussagen Abgeordneter aus diesem Hause, sondern auch von Politikern im Osten. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dies zu wissen. Einen flächendekkenden Konkurs von Agrarunternehmen erwartet niemand. Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der bei der Diskussion über Altschulden und LPGs zu beachten ist. Eine Streichung der Altschulden hätte einer Expansion von LPGs Tür und Tor geöffnet. Bäuerliche Privatexistenzen, die sich zum Teil ebenfalls verschulden müssen, wären den schuldenfreien oder so muß man besser sagen - den stark geförderten Ex-LPGs gegenüber im Nachteil. Dieses Urteil steht für Gleichbehandlung der verschiedenen bäuerlichen Betriebe. Dies sieht auch der Präsident des Landvolkverbandes Sachsen-Anhalt, Kurt-Henning Klamroth, so. Lassen Sie mich ein Resümee ziehen. Die Bundesregierung hat viel für die Landwirtschaft in den neuen Ländern geleistet. Es gibt Entschuldungsregelungen. Die Altschulden sind keine unzumutbare Belastung. Sie sind keine Gefahr für die wirtschaftliche Entwicklung. Es ist nicht Ziel der Bundesregierung, Unternehmen zu zerstören. Das weiß jeder. Wir bauen auf, und zwar mit Augenmaß. Im Jahre 2000 werden wir unsere Politik überprüfen. ({2}) - Nein, lieber Herr Sielaff, wir haben das bis zum Jahre 2000 fest im Griff. Dann kann man weitersehen. Die sanierungsfähigen Betriebe werden auch im Jahre 2010 noch weiterleben. Darauf können Sie sich verlassen. ({3}) - Da macht euch mal keine Hoffnung. Dieses Problem, Herr Weisheit, lösen wir im nächsten Jahr. ({4}) Zum Schluß erlauben Sie mir noch eine Bernerkung. Die Bundesrepublik ist stets bemüht, geschehenes Unrecht wiedergutzumachen. Aber - dies ist nicht nur mein Eindruck - für alles kann dieser Staat nicht einstehen. Die Ex-DDR ist ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte. Statt nur über Wiedergutmachung nachzudenken und vor Gerichten zu verhandeln, wäre der Blick nach vorne mindestens ebenso wichtig. Ich bedanke mich. ({5})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Hans-Joachim Hacker, SPD- Fraktion.

Hans Joachim Hacker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000771, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Enttäuschung und Verbitterung in der Landwirtschaft der neuen Länder über das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den sogenannten Altschulden aus der DDR-Zeit ist verständlich. ({0}) Kritische Leser des Urteils und Kenner der Ursachen für das Zustandekommen dieser Zahlungsverpflichtungen werden fragen: Quo vadis, Bundesverfassungsgericht? ({1}) Herr von Hammerstein, diese Fragestellung richtet sich jedoch an den falschen Adressaten. ({2}) Die Frage muß richtig lauten: Quo vadis, Bundesregierung Kohl? ({3}) Denn die sogenannten Altschulden im Bereich der ostdeutschen Landwirtschaft sind nicht in erster Linie ein juristisches, sondern ein politisches Problem, ({4}) das im Zusammenhang mit der deutschen Einigung hätte gelöst werden müssen - wenn nicht bereits 1990, dann auf jeden Fall in den Folgejahren. Die Bundesregierung war es, die dafür gesorgt hat, daß dem Bundesverfassungsgericht erneut ein Konflikt zur Entscheidung vorgelegt wurde, der politisch hätte gelöst werden müssen und den sie selbst verursacht hat. ({5}) Die SPD-Bundestagsfraktion war und ist bereit, an einer solchen Lösung mitzuarbeiten. Warum waren politische Lösungen gefordert? Die Antwort ist klar: Es handelte sich um politische Altschulden. Wir alle wissen, wie diese sogenannten Altschulden entstanden sind. Denn nur selten haben landwirtschaftliche Produktionsbetriebe in der DDR eigenständig über Investitionen entschieden. Die staatlichen Planaufgaben und Planauflagen ersetzten eigenverantwortliche betriebswirtschaftliche Entscheidungen. Im Zentralstaat DDR bestimmten Räte der Bezirke und Räte der Kreise im Rahmen ihrer Planungs- und Bilanzierungshoheit auch über Investitionen im landwirtschaftlichen Bereich, und zwar nicht nach Kriterien der Marktwirtschaft und betriebswirtschaftlichen Interessen, sondern nach sogenannten planwirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Erfordernissen. Dazu kamen Verpflichtungen, die den landwirtschaftlichen Unternehmen aus Kommunalverträgen und sonstigen Vereinbarungen und Verpflichtungen auferlegt wurden, egal, ob es sich um den ländlichen Wegebau oder die Errichtung von Kindertagesstätten handelte. Meine Kolleginnen und Kollegen werden auf diese Beispiele nachher sicherlich noch eingehen. Das bedeutet, der Staat traf damit direkt und indirekt Verfügungen zu Lasten von persönlichem Eigentum der Genossenschaftsmitglieder; denn sie hatten mit dem Grund und Boden und mit den Inventarbeiträgen die Genossenschaften gegründet. Ich will an dieser Stelle auf den Druck, vor allen Dingen den ideologischen Druck, und auf den Zwang bei der Kollektivierung nicht näher eingehen. Das ist ein anderes Thema, und dies ist heute nicht die Frage. Das Problem für die Bundesregierung und den Gesetzgeber war und bleibt, die dargestellten Zusammenhänge, die nur aus der Lebens- und Rechtswirklichkeit der DDR zu verstehen sind, endlich zur Kenntnis zu nehmen und die erforderlichen Entscheidungen zur Entlastung der ostdeutschen Landwirtschaftsbetriebe von staatlich verordneten Altschulden zu treffen. Hierbei sind die politischen Vorgaben, Herr Freiherr von Hammerstein, die Sie gemacht haben, genau kontraproduktiv. ({6}) Den landwirtschaftlichen Unternehmen die Altschulden überzuhalsen und das heute politisch zu verbrämen, denke ich, geht an der Lebensrealität weit vorbei. Für alle politisch Handelnden war klar, daß mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion ab 1. Juli 1990 endgültig das Ende der Planwirtschaft in der DDR gekommen war. Das hätte notwendigerweise die Entlastung der landwirtschaftlichen Unternehmen von staatlich verordneten Krediten zur Folge haben müssen. Das Hinausschieben von Lösungen und die Inkonsequenz bei der Entschuldung sind der Bundesregierung anzulasten. Die Genossenschaftsmitglieder und die heute in den landwirtschaftlichen Unternehmen Beschäftigten haben ein Recht darauf, daß sie auf den sogenannten Altschulden nicht sitzenbleiben. Denn warum sollen Privatpersonen für Entscheidungen von Staatsorganen einstehen und noch heute haften, wenn gleichzeitig die Staatsbetriebe der DDR fast vollständig entschuldet worden sind? Darüber hinaus bedeutet die Alternative zur Befreiung von Altschulden: Gefahr von Betriebsschließungen in oft strukturschwachen Regionen. Eine Hoffnung aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes ist zu schöpfen: Das Bundesverfassungsgericht sieht eine Kontroll- und Nachbesserungspflicht des Gesetzgebers, damit die bilanzierende Entlastung ihr Ziel erreicht und verhindert wird, daß die sogenannten Altschulden die wirtschaftliche Entwicklung der Nachfolgebetriebe gefährden. Die Pflicht zum Handeln des Gesetzgebers ist damit beschrieben. Die SPD-Bundestagsfraktion ist bereit, erneut in Verhandlungen über diese Fragen einzutreten. Ich danke Ihnen. ({7})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Steffi Lemke, Bündnis 90/Die Grünen.

Steffi Lemke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002720, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das Karlsruher Urteil ist eine herbe Enttäuschung für all diejenigen, die gemeinsam mit dem Antragsteller der Auffassung sind, daß die Altschulden aus DDR-Zeiten mit der DDR gemeinsam untergegangen sind. Ich stelle nicht, wie Herr von Hammerstein hier unterstellt hat, das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in Frage, das es - wie es bereits in einer Reihe vorhergehender Urteile der Fall gewesen ist - abgelehnt hat, Versäumnisse und Fehlentscheidungen der Politik nachträglich juristisch zu bereinigen; vielmehr richtet sich die Kritik an die Bundesregierung, die den vorhandenen Gestaltungsspielraum nicht für eine zukunftsweisende Lösung genutzt hat, etwa durch eine Annullierung sämtlicher DDR-Altschulden. ({0}) Das Bundesverfassungsgericht verweist in seinem Urteil immer wieder auf die Sondersituation der deutschen Einheit und den großen Gestaltungsspielraum, den die Bundesregierung bei den Altschulden gehabt hat. Herr von Hammerstein hat hier ausgeführt, daß er in dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Bestätigung der idealen Politik der Bundesregierung sieht. Ich denke, wenn man das Urteil vollständig liest, dann stellt man fest, daß das Urteil genau dies nicht ist; es enthält zwischen den Zeilen Töne, die das nicht bestätigen. Das Bundesverfassungsgericht verweist zwar darauf, daß die Altschuldenregelung nicht gegen das Grundgesetz verstoße und auch keine unzumutbare Belastung für die LPG-Nachfolgebetriebe darstelle. Ob jedoch die seitens der Bundesregierung getroffene Entscheidung zu den Altschulden in ökonomischer und finanzieller Hinsicht als sinnvoll oder positiv zu beurteilen ist, läßt das Urteil ausdrücklich offen. Wir haben die Situation, daß eine Nachbesserungspflicht auferlegt wurde. Ich denke, damit wird deutlich, daß das Bundesverfassungsgericht nicht in allen Bereichen mit dem Vorgehen der Bundesregierung übereinstimmt. Es ist heute bereits klar, daß die Landwirtschaftsbetriebe in den neuen Bundesländern die Altschulden nicht sämtlich und sonders werden tilgen können, auch wenn zunächst nur 20 Prozent für den Altschuldendienst eingesetzt werden müssen. Die Frage ist, ob die Betriebe die Möglichkeit haben, diesen Berg jemals abzutragen. Dies wurde bereits in der Anhörung des Landwirtschaftsausschusses im September 1995 von den dort Anwesenden in der Mehrheit verneint. Da eine Rückzahlung der Altschulden in einer Zeitspanne von 30 bis 50 Jahren nicht möglich sein wird, hat dort selbst die WestLB die Forderung nach einer generellen Streichung der Altschulden aufgestellt. Die Bundesregierung ist aus meiner Sicht gefordert, schnell eine Anschlußregelung zu finden; dies wurde inzwischen auch von seiten der CDU/CSU-Fraktion geäußert. Es ist auf keinen Fall die Zeit vorhanden, mit einer Nachbesserungsregelung bis zum Jahr 2000 zu warten, da davon letztendlich nur die Banken profitieren werden. Ich freue mich, Herr Kollege Heinrich, daß wir hinsichtlich dieser Forderung, wie Sie heute morgen im Ausschuß ausgeführt haben, übereinstimmen, und möchte Sie ausdrücklich ermuntern, sich in der Koalition für eine zügige Anschlußregelung einzusetzen. ({1}) Die Altschulden müssen sofort zinsfrei gestellt werden, um den Handlungsspielraum nicht noch weiter einzuengen. Es ist meines Erachtens untragbar, daß die Bundesregierung tatenlos zusieht, wie der Schuldenberg durch Zins und Zinseszins weiter anwächst. Ich hatte bereits ausgeführt, daß davon letztendlich nur die Banken profitieren werden. Außerdem ist es aus meiner Sicht unbedingt notwendig, daß die für betriebsfremde Leistungen angerechneten Altschulden den Betrieben vollständig erlassen werden. Es ist nicht hinnehmbar, daß die Agrargenossenschaften für von Dritten genutzte oder nicht mehr nutzbare Infrastruktur zur Kasse gebeten werden, die für sie betriebswirtschaftlich vollkommen irrelevant ist. Die Bundesregierung muß eine Neubewertung der Werthaltigkeit vornehmen. Sie ist gefordert, jetzt endlich ein schlüssiges Konzept für die Regelung der Altschulden vorzulegen. Das Bundesverfassungsgericht hat den Spielball an das Parlament, an die Bundesregierung, an die Abgeordneten zurückgegeben. Es hat es abgelehnt, eine abschließende Regelung und Bewertung vorzunehmen. Zum Handeln ist zunächst die Bundesregierung aufgefordert - und dies sofort und nicht erst im Jahre 2000. ({2})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ulrich Heinrich, F.D.P. ({0})

Ulrich Heinrich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000851, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Maleuda, wenn die PDS im Rahmen einer Aktuellen Stunde beantragt, die Schulden, die sie als Nachfolgepartei der SED mit verantwortet hat, schnellstens abzutragen und die Betriebe von den Schulden zu befreien, die sie selber den Betrieben auferlegt hat, dann ist das in gewissem Sinne bemerkenswert. Ich muß schon sagen: Man kann die Dinge kaum stärker auf den Kopf stellen, als Sie das getan haben. Das Bundesverfassungsgericht hat in der vergangenen Woche die geltende Rechtsprechung zur Altschuldenproblematik von ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften nicht im Widerspruch zum Grundgesetz gesehen. Gleichwohl teilen die Richter des obersten Gerichts in wesentlichen Punkten die Bedenken der Kläger; das ist bemerkenswert. So bestätigt das Bundesverfassungsgericht den Beschwerdeführern eine Ungleichbehandlung von LPG-Nachfolgebetrieben gegenüber anderen mit Altschulden belasteten Einrichtungen der DDR, insbesondere den volkseigenen Gütern und Betrieben. Weiterhin kann nach Auffassung der obersten Verfassungshüter der Begriff Kredit, wie man ihn zu DDR-Zeiten verstanden hat, nicht auf marktwirtschaftliche Verhältnisse übertragen werden. Ferner wird es als verfassungsgemäß bezeichnet, daß zwischen sanierungsfähigen und nicht sanierungsfähigen Betrieben unterschieden wurde. Juristisch mag das ja alles in Ordnung sein. Auch ich meine natürlich, daß wir das Verfassungsgerichtsurteil zu respektieren haben. Aber eine politische Beurteilung kann auch ganz anders ausfallen, und das ist das Problem. Auf der einen Seite gibt es die Bestätigung, daß die Handlungsweise der Bundesregierung verfassungsgemäß war, auf der anderen Seite gibt es die politische Beurteilung, die sehr, sehr schwer nachzuvollziehen ist auf Grund der Tatsachen, die ich eben beschrieben habe. Gerade weil diese politische Beurteilung - je nachdem, von wem sie vorgenommen wird - zu einem unterschiedlichen Ergebnis kommt, muß jetzt der Spielraum, den das Verfassungsgericht eröffnet hat, genutzt werden, und müssen die Vorgaben beachtet werden, nach denen die Entschuldungsmöglichkeiten im Rahmen einer bilanziellen Entlastung einer Kontroll- und Nachbesserungspflicht unterworfen werden müssen. Das zeigt ja schon, daß man nicht ausschließt, daß sich auf Grund der Altschuldenproblematik eine schwierige Situation für die Betriebe ergeben kann. In den Augen des Bundesverfassungsgerichts bedeutet das, daß man erst nach zehn Jahren in der Lage sei, einer entsprechenden Kontrollpflicht nachzukommen. Daran knüpft sich meine Aufforderung an die Bundesregierung. Ich möchte sie sehr herzlich darum bitten, diese Kontrollpflicht zu einem früheren Zeitpunkt vorzusehen. Wer nämlich heute, 1997, bei einer entsprechenden betriebswirtschaftlichen Prüfung eines Betriebes nicht in der Lage ist, zu entscheiden, ob der Betrieb mit den Problemen fertig werden wird oder nicht oder ob der Betrieb auf Grund der zusätzlichen Belastung durch die Altschulden stranguliert werden wird oder nicht, der wird es in zwei Jahren auch nicht können. Das sage ich Ihnen ganz deutlich. Deshalb lautet meine Forderung, noch einmal klar zu formulieren, daß die Kontrollpflicht sofort gilt. Die daraus resultierenden Schlüsse sind zu ziehen und ({0}) müssen im Rahmen eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens ihren Niederschlag finden. Die Betriebe haben ein Recht darauf, daß man ihnen heute sagt, was sie in der Zukunft zu erwarten haben. ({1}) Es kann nicht nach der Devise gehen: Macht mal weiter so bis ins Jahr 2000; dann überprüfen wir euch, und dann werden wir sehen, ob wir euch helfen oder nicht. Denn das Gericht sagt eindeutig, daß es auf Grund der Altlast, die der Betrieb zusätzlich zu bewältigen hat, nicht zu einem Bankrott kommen darf. Es darf also nicht zu einer Strangulation kommen. Deshalb wäre ein weiteres Zuwarten nicht zu verantworten. Ich darf noch einmal eindringlich an die Bundesregierung appellieren, dieses sofort umzusetzen. Herzlichen Dank. ({2})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Ich erteile jetzt das Wort dem Abgeordneten Hans-Ulrich Köhler, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Hans Ulrich Köhler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001151, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit dem Urteil vom 8. April 1997 festgestellt, daß die im Zusammenhang mit den LPG-Altschulden erhobene Verfassungsbeschwerde zurückzuweisen ist. Die Altschuldenregelung berührt weder die Eigentumsgarantie noch die Berufsfreiheit. Auch gegen die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit wurde nicht verstoßen. Ausdrücklich wird festgestellt, daß der Gesetzgeber die Entschuldungsmaßnahmen auf sanierungsfähige LPGs beschränken durfte. Für die Urteilsfindung war unter anderem von Bedeutung, daß die Aufrechterhaltung der Altschulden mit Entschuldungsögmlichkeiten einherging, die gerade den wirtschaftlichen Ruin belasteter LPGs verhindern sollten, daß die Kreditbeziehungen der LPGs mit den Banken nicht Ausdruck eines besonderen Unrechtsgehalts der Ordnung der früheren DDR waren und daß die gewählte Lösung der Teilentschuldung keine unzumutbare Belastung der LPGs oder ihrer Rechtsnachfolger darstellt, wenn die bilanzielle Entlastung ihr Ziel erreicht. Gerade zu diesem Punkt stellt das Bundesverfassungsgericht fest, es sei - ich zitiere noch nicht absehbar, ob die ... bezweckte Entlastung in verfassungsrechtlich gebotenem Maße eintritt. Wegen dieser Ungewißheit muß der Gesetzgeber die weitere Entwicklung beobachten und gegebenfalls eine Nachbesserung vornehmen. Weiter heißt es, eine ministerielle Arbeitsanweisung sei dafür nicht mehr ausreichend, die Neuregelung müsse vielmehr den Erfordernissen des Gesetzes- und Parlamentsvorbehalts Rechnung tragen. Daraus folgt, daß es einen verfassungsrechtlich gebotenen Maßstab für die Entlastung gibt und daß eine eventuelle Nachbesserung in diesem Hause zu diskutieren und zu verabschieden ist. Damit bleiben die weiteren Entscheidungen in dieser Angelegenheit dort, wo sie hingehören: in diesem Parlament. In der uns auferlegten Pflicht, die Entwicklung zu verfolgen und gegebenenfalls neue Maßnahmen zu treffen, sehe ich gerade für uns ostdeutsche Abgeordnete eine wichtige Aufgabe. Wir sollten nicht drei Jahre untätig sein, sondern mit allen Beteiligten und Interessierten im Gespräch bleiben, um zu gegebener Zeit, spätestens jedoch im Jahre 2000, schnell und sachlich fundiert zu handeln. Das ist die eine Sache. Die andere ist, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts richtig einzuordnen und zu würdigen. In Karlsruhe zählen nicht die wirtschaftlichen, auch nicht die politischen, sondern die verfassungsrechtlichen Argumente. Das Gericht hat sich mit seinem Urteil strikt an die Buchstaben der Verfassung gehalten und in kluger Selbstbeschränkung allen Handlungsspielraum bei der Politik gelassen. Es hat keine Ersatzpolitik betrieben. Dafür ist ihm ausdrücklich zu danken. Im politischen Handlungsspielraum ist auch die Möglichkeit enthalten, daß eine ungünstige oder zweitbeste Lösung verfassungsmäßig sein kann. Wie gut die im Zuge der deutschen Vereinigung getroffenen Regelungen sind, kann immer erst hinterher festgestellt werden. Ausdrücklich hat das Bundesverfassungsgericht den Handelnden in der besonderen Situation der Wiedervereinigung einen großen Spielraum eingeräumt, da es für diese Situation kein Vorbild gab. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat keinen Schlußpunkt unter eine Entwicklung oder ein Verfahren gesetzt. Wer dies erwartet hat, mußte enttäuscht werden. Das Urteil hat lediglich die Verfassungsmäßigkeit der von der Regierung der Bundesrepublik Deutschland getroffenen Maßnahmen bestätigt - nicht mehr, allerdings auch nicht weniger. Es ist ausdrückliches Recht der Bundesregierung, ihre Unterstützungs- und Förderungsmaßnahmen auf die sanierungsfähigen Betriebe zu konzentrieren. Diese Handlungsweise ist nur konsequent; denn sie muß sich an vergleichbaren Maßnahmen im BaugeHans-Ulrich Köhler ({0}) werbe, im Bergbau und anderen Bereichen der Wirtschaft messen lassen. ({1}) - Genau. Es kommt jetzt darauf an, daß alle Beteiligten ihre Aufgaben erfüllen und dabei im Gespräch miteinander bleiben. Sachliche Beiträge und konstruktive Kritik sind willkommen. Wenn ich die teils pragmatischen Auswertungen des Verfassungsgerichtsurteils durch die Bauernverbände und Landesregierungen lese, stelle ich fest, daß es dafür gute Voraussetzungen gibt. Wir haben alle ein gemeinsames Interesse. Der politische Handlungsspielraum ist in vollem Umfang erhalten. Wir sollten ihn nutzen. Vielen Dank, meine Damen und Herren. ({2})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Christel Deichmann, SPD- Fraktion.

Christel Deichmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002638, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit den „blühenden Landschaften" will es in den neuen Bundesländern nicht so recht werden, obwohl die Landwirtschaft einer der wenigen Bereiche ist, in denen die Entwicklung zumindest im Ansatz positiv verläuft. ({0}) In Mecklenburg-Vorpommern - aus dem Bundesland komme ich - sind ungefähr 250 landwirtschaftliche Betriebe mit Altkrediten in einer Höhe von zirka 500 Millionen DM belastet. Zur Zeit der Gründung dieser Betriebe betrugen die Altschulden 1214 DM pro Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche. Im Jahre 1996 waren die Altschulden schon auf 2 200 DM pro Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche angewachsen. Im Einzelfall ist ein Betrieb bis zu 10 Millionen DM verschuldet. Von diesen 250 landwirtschaftlichen Betrieben werden aus gegenwärtiger Sicht zirka 60 Prozent die Altschulden überhaupt nicht oder vielleicht bis zum Jahr 2050 abtragen können. Gleiches gilt für die Zinsen, die, wie eben ausgeführt, ständig anwachsen. Die Betriebe müssen heute den Kapitaldienst für einen Kredit leisten, hinter dem nach Ansicht des Bauernverbandes nur noch etwa 20 Prozent des Bilanzwertes stehen. Mein Kollege Hans-Joachim Hacker hat bereits auf die verschiedenen Ursachen der landwirtschaftlichen Altschulden hingewiesen. Gestatten Sie mir, daß ich noch einige Einzelbeispiele hinzufüge. Die LPG Bresegard zum Beispiel hat 488 000 DM in den Straßenbau investiert. Die Milchland Agrar GmbH hat 1,633 Millionen DM in eine Verkaufshalle und ein Kulturhaus investiert. Die Agrar GmbH in Bengerstorf hat 922 000 DM in Wegebau und eine Kinderkrippe investiert. Die LPG in Tessin-Kuhlenfeld wurde 1987 vom Rat des Bezirkes Schwerin mit der Haltung einer Schafherde von 1000 Stück beauftragt. Der Rat des Bezirkes nahm sich die Freiheit, Baubetriebe mit der Planung und Schaffung der baulichen Voraussetzungen zu beauftragen. Die LPG-Mitglieder, auch die Landbesitzer, hatten keine Einflußmöglichkeit auf die Höhe oder eine andere Gestaltung dieser Anlage. Die Investitionen in Höhe von 497 000 DM gingen aber zu Lasten des Investitionsfonds dieser LPG, die zusätzlich noch Verbindungswege zwischen den Gemeinden für 62 000 DM baute. ({1}) Die Agrarproduktion Krenzlin hat in Straßenbau und Wohnungsbau 671 000 DM investiert. Heute stellt sich heraus, daß diese Häuser trotz Maklereinsatz nicht veräußerbar sind. Diese aus den beschriebenen Ursachen entstandenen Altschulden sind ein Klotz am Bein der Landwirtschaft und können nicht in der vorgeschriebenen Art und Weise bedient und getilgt werden. Trotzdem kommt das BMF in der Pressemitteilung vom 8. April dieses Jahres zu der Aussage: Damit ist das zukunftsorientierte Konzept der Bundesregierung zur Überleitung der Zentralverwaltungswirtschaft der DDR in die soziale Marktwirtschaft bestätigt. Ich kann diesen Zusammenhang der Umgestaltung der Wirtschaft nicht erkennen. Weiter zu den Tatsachen: Im Altkreis Güstrow sind 26 eingetragene Genossenschaften mit mehr als 700 Mitgliedern von dieser Regelung betroffen. Über das Urteil gibt es unter den Landwirten eine große Enttäuschung in den Betrieben. Es erhebt sich die Frage nach dem Rechtsstaat; denn die LPG war im Dorf „Mädchen für alles". Die Bauern haben das Geld erwirtschaftet; genutzt wurde es von der ganzen Bevölkerung. Altschulden aber können nur für abgesicherte Werte beglichen werden, die vielerorts nicht mehr vorhanden sind. Die Landwirte erwarten eine differenzierte Entschuldung, orientiert an den tatsächlichen Werten der Grundmittel, und eine Befreiung von der Zinslast. Das muß umgehend passieren, zumal eine weitere Liberalisierung der Agrarmärkte absehbar ist. Im Bereich des Amtes für Landwirtschaft Bützow zum Beispiel bestanden 1991 Altkredite in Höhe von 115 Millionen DM. Durch die Treuhand entschuldet wurden 35 Millionen DM. Heute belaufen sich die Zinsen auf 37 Millionen DM. Geht man so mit Steuergeldern um? Heute morgen in der Ausschußsitzung hat die Bundesregierung nur geantwortet: Seit der Entschuldung in 1994 wird nur noch mit dem Fibor-Satz verzinst, das heißt, die Zinsen wachsen nicht mehr in dem Maße an, wie das in den ersten Jahren der Fall war. - Ich halte diese Aussage für makaber. Gleiches trifft für den Bereich des Amtes für Landwirtschaft in Parchim zu: Um 28 Millionen DM wurde entschuldet. Der jährliche Zinszuwachs beträgt in etwa 10 Prozent, das heißt, die Entschuldung ist auch hier wieder aufgefressen. Gestatten Sie mir, abschließend noch einen weiteren Aspekt in die Diskussion einzuführen, nämlich die aktuelle Arbeitsmarktsituation.

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Frau Abgeordnete, bitte kommen Sie zum Schluß. Ihre Redezeit ist auf fünf Minuten begrenzt.

Christel Deichmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002638, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ja, noch einen Satz. - Die Arbeitslosenquote beträgt in Mecklenburg-Vorpommern 20,7 Prozent. Spitzenreiter ist der Landkreis Demmin mit 26,1 Prozent, ein rein agrarischer Landkreis. So nimmt das Trauerspiel seinen Fortgang. Ich danke Ihnen. ({0})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Parlamentarische Staatssekretär im BMF Hansgeorg Hauser. Hansgeorg Hauser, Pari. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der bereits erwähnten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes wurde die Verfassungsbeschwerde als unbegründet zurückgewiesen ({0}) und damit auch das der Beschwerde zugrunde liegende Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. Oktober 1993 als verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden gewertet. Es verstößt nicht gegen die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Grundrechte. Für die LPG-Nachfolger bedeutet das: Landwirtschaftliche Altschulden sind rückzahlbare Verpflichtungen, die entsprechend den vertraglich vereinbarten Bedingungen zurückgezahlt und verzinst werden müssen. Das agrarpolitische Ziel der Bundesregierung ist, die landwirtschaftlichen Unternehmen in den neuen Ländern bei der Bewältigung der im Zuge der Anpassung an marktwirtschaftliche Verhältnisse erforderlichen Umstrukturierung und Sanierung zu unterstützen. Eine generelle Entschuldung der landwirtschaftlichen Unternehmen von diesen ursprünglich 7,6 Milliarden DM hohen Altkrediten konnte nicht in Betracht kommen. Dies widersprach den in der Währungsumstellung zugrunde gelegten Absichten. Die Altschuldenregelungen wurden allerdings bewußt auf solche landwirtschaftlichen Unternehmen beschränkt, die aus damaliger Sicht eine reelle Chance besaßen, sich nach erfolgter Umstrukturierung im Wettbewerb am europäischen Agrarmarkt behaupten zu können. Die Zulässigkeit dieser Vorgehensweise wurde jetzt auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Nach dessen Urteil durfte sich der Gesetzgeber hinsichtlich der Altschuldenregelung für ein zukunftsbezogenes Konzept entscheiden, das nicht auf die Kompensation von negativen Folgen des früheren Wirtschaftssystems, sondern auf die schnelle Herstellung marktwirtschaftlicher Verhältnisse im Beitrittsgebiet ausgerichtet war. Dieser Umstand rechtfertigte auch die Beschränkung von Entlastungsmaßnahmen auf sanierungsfähige Betriebe. Es bestand keine Verpflichtung, die knappen öffentlichen Mittel dort einzusetzen, wo sie zur Herstellung marktwirtschaftlicher Verhältnisse nichts beitragen konnten. Das ist doch ein Grundsatz. Sie verlangen in allen anderen Fällen vom Staat doch auch, daß er seine Mittel dort einsetzt, wo sie wirksam werden können, und nicht dort, wo sie verlorengehen; denn das wäre kein vernünftiger Umgang mit Steuergeldern. Ziel der landwirtschaftlichen Altschuldenregelungen der Bundesregierung war es, die sanierungsfähigen landwirtschaftlichen Unternehmen nicht auf Grund von Zahlungsverpflichtungen aus den Altschulden zusammenbrechen zu lassen und die Kreditwürdigkeit der Betriebe im Hinblick auf neu aufzunehmende Investitionskredite zu verbessern. Um dies zu erreichen, hat die Bundesregierung zwei Maßnahmen durchgeführt: Erstens die Teilentschuldung durch die Treuhandanstalt in Höhe von 1,4 Milliarden DM zuzüglich 400 Millionen DM aufgelaufener Zinsen. Zweitens die bilanziellen Entlastungsmaßnahmen: Diese Maßnahme beinhaltet keine Entschuldung, sondern die Stundung des fälligen Kapitaldienstes auf Altschulden bei Abschluß einer Rangrücktrittsvereinbarung. Zahlungen auf entlastete Altschulden brauchen nur bei Gewinnerzielung und dann auch nur in Höhe von 20 Prozent des Gewinns geleistet zu werden. Über denjenigen, der hier davon spricht, daß das eine Strangulierung ist, kann ich mich nur wundern. Es muß nämlich erstens ein Gewinn vorhanden sein, und von diesem Gewinn werden gerade einmal 20 Prozent für die Altschuldentilgung genommen. Eine bessere Lösung kann in diesem Fall weiß Gott nicht gefunden werden. Den Unternehmen verbleiben 80 Prozent des Gewinns für Investitionen, Eigenkapitalbildung oder Ausschüttungen an Gesellschafter. Für die Verzinsung der Altkredite kommt nicht der marktübliche, sondern der von den Banken untereinander für mittelfristige Kredite berechnete Drei-Monats-Fibor zur Anwendung. Das sind zur Zeit 3,25 Prozent. Richtig ist, daß es vor dem Rangrücktritt ein höherer marktüblicher Zins war; jetzt sind es aber 3,25 Prozent. Parl. Staatssekretär Hansgeorg Hauser Die Kollegin von den Bündnisgrünen hat das Plenum bereits verlassen, deshalb bitte ich, ihr mitzuteilen, daß Zinseszinsen nicht erhoben werden. ({1}) - Ich habe das nicht als Kritik gemeint, aber ich kann es ihr jetzt nicht mehr persönlich sagen. Ich bitte darum, ihr das mitzuteilen, damit nicht falsche Parolen auf den Weg gebracht werden. Zinseszinsen werden nicht erhoben. Bitte teilen Sie das Frau Lemke mit. Zahlungen des entlasteten Unternehmens auf vom Rangrücktritt betroffene Verbindlichkeiten werden zudem in einen Zins- und Tilgungsteil aufgegliedert. Mit jeder Zahlung wird somit auch der Altkredit und damit die Bemessungsgrundlage für die Zinsberechnung anteilig vermindert. Üblicherweise werden Zahlungen dagegen zunächst mit Kosten und Zinsen verrechnet und ein dann verbleibender Rest zur Tilgung eingesetzt. Die bei der bilanziellen Entlastung festgelegte Tilgungsmodalität stellt somit eine beachtliche Begünstigung im Vergleich zu gängigen Kreditverträgen dar. Auch das muß einmal gesagt werden: Hier erfolgt eine Aufteilung; deswegen ist grundsätzlich mit jeder Zahlung eine Tilgung verbunden. Insgesamt konnten Altschulden in Höhe von rund 4,9 Milliarden DM einer Entschuldung oder bilanziellen Entlastung zugeführt werden. Das sind 64 Prozent der ursprünglich 6,7 Milliarden DM. Berücksichtigt man, daß rund 2,1 Milliarden DM an Altschulden auf Unternehmen in Liquidation oder Gesamtvollstreckung entfallen, sind rund 30 Prozent der ursprünglichen Altschulden der als sanierungsfähig eingestuften Unternehmen von der Treuhandanstalt übernommen worden. Ich möchte noch einmal betonen: Die Umstrukturierung der landwirtschaftlichen Unternehmen in den neuen Bundesländern ist gut vorangekommen. Kein als sanierungsfähig eingestuftes landwirtschaftliches Unternehmen muß auf Grund seiner Altschulden aus dem Markt ausscheiden. Wenn Betriebe schließen, dann sind es in der Regel andere Gründe, die zum Konkurs oder zur Aufgabe geführt haben. Das Bundesverfassungsgericht hat gleichwohl dem Gesetzgeber hinsichtlich der bilanziellen Entlastung eine Kontroll- und gegebenenfalls Nachbesserungspflicht aufgegeben. Ausgehend von den Vorstellungen des Gesetzgebers, daß innerhalb einer Zeitspanne von 20 Jahren in der Mehrzahl der Fälle eine Schuldentilgung erreicht sein sollte, billigt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine angemessene Frist zur Beobachtung der Entwicklung zu. In dieser rund zehnjährigen Zeitspanne wird der Gesetzgeber sehr aufmerksam die wirtschaftliche Entwicklung der landwirtschaftlichen Unternehmen in den neuen Ländern beobachten. Sie haben bereits von der Halbzeitbilanz für das Jahr 2000 gesprochen. Wir sind der Meinung, daß die Forderung, schon jetzt eine Überprüfung der geltenden bilanziellen Entlastung mit dem Ziel einer die Unternehmen begünstigenden Regelung vorzunehmen, nicht angebracht ist. Wir weisen diese Forderung zurück. Auch die relativ geringe Höhe bisheriger Besserungsscheinzahlungen -154 Millionen DM; das ist Ihnen bekannt - ändert daran nichts. Denn sie muß vor dem Hintergrund folgender Tatbestände gesehen werden: Ein Großteil der Rangrücktrittsvereinbarungen wurde erst 1993 und 1994 abgeschlossen, so daß zum überwiegenden Teil erst die 1995 erstellten Bilanzen für Rückzahlungen auf Grund der RRV relevant waren. Daneben haben sich auch die Zahlungen aus dem Verkauf nicht betriebsnotwendiger Anlagegüter verzögert - Grundbuchprobleme usw.; eine Reihe von anderen Punkten ist hier zu erwähnen-, so daß das noch nicht voll wirksam geworden ist. Kritik an der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist unangemessen. Wenn hier von Enttäuschung und Verbitterung geredet wird, dann kann ich nur sagen: Das kommt daher, daß von bestimmten Seiten falsche Hoffnungen geweckt worden sind. Wir sind der Meinung, daß die Überprüfung erst im Jahre 2000 zu machen ist und daß wir hier ein klares Signal des Bundesverfassungsgerichts annehmen sollten, die Altschulden zurückzuzahlen und durch baldige Zahlungen im eigenen Interesse auch zur Verringerung der Altschulden beizutragen. ({2})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ernst Bahr, SPD.

Ernst Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002620, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatssekretär Hauser, besondere Ereignisse erfordern besondere Maßnahmen. In der Landwirtschaft - da unterstütze ich Ihre Auffassung - ist es weitgehend gut gelungen, die Umstrukturierung voranzubringen. ({0}) Da sind wir sicher einer Auffassung. Aber ein Problem bleibt im Moment zu behandeln. Über ein anderes hatten wir erst vor kurzem eine Auseinandersetzung; da sind wir uns leider nicht einig geworden, haben es aber glücklicherweise mildern können. Wenn Sie sich hierher stellen und sagen, eine Überprüfung zum sofortigen Zeitpunkt werde zurückgewiesen, dann ist das genau der falsche Ansatz. Es kann niemand in diesem Hause und niemand in Deutschland überhaupt ein Interesse daran haben, daß ein wesentlicher Wirtschaftszweig Deutschlands - die ostdeutsche Landwirtschaft ist nämlich ein solcher - geschwächt ist und geschwächt bleibt. Wer Deutschland in der Welt politisch und wirtschaftlich stabil halten will, der muß die Wirtschaft Ostdeutschlands schnellstens voranbringen und stabilisieren. Dazu gehört für uns in erster Linie die Aufgabe, die ostdeutsche Landwirtschaft so schnell wie möglich zu festigen. Das können wir nur dann tun, wenn wir die Situation berücksichtigen. Die Betriebe sind in aller Regel für ihre Schulden nicht ursächlich verantwortlich. ({1}) Vielmehr wurden ihnen die Schulden aufgedrängt und aufgezwungen. Ich will die Beispiele nicht wiederholen. Es gibt eine Reihe von Begriffen, die wir wiederholen könnten. Wir müssen schnellstens dafür sorgen, daß die Landwirtschaftsbetriebe in Ostdeutschland auch wegen ihrer infrastrukturellen Bedeutung für den ländlichen Raum unterstützt werden, der zur Zeit sehr stark leidet, weil dort Arbeitsplätze weggebrochen sind - in der Landwirtschaft übrigens zu 70, 75 Prozent. Diesem Problem müssen wir uns also sehr wohl widmen. Es muß eine möglichst sofortige Überprüfung her. Ich unterstütze vor allen Dingen Ihre gesamte Aussage heute hier dazu, Herr Heinrich. Ich freue mich, daß Sie, der sonst die ostdeutsche Landwirtschaft wenigstens in Teilbereichen sehr kritisch begleitet, hier sehr erfreuliche Aussagen gemacht haben. Ich bin sehr froh, daß Sie sich so geäußert haben. ({2}) - Das tut er ja auch. Wir unterstellen, daß er das tut. ({3}) - Auch das. Herr Heinrich ist ein redlicher Mann, und er wird das auch tun. Eine andere Auffassung habe ich zu dem, was Kollege von Hammerstein gesagt hat. Ich habe bis zu seinen Äußerungen hier noch nicht gehört, daß jemand von uns das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in Frage gestellt hätte. Diese Formulierung ist heute auch in der gesamten Debatte noch nicht gekommen. Daß es kritisch betrachtet wird, das ist wohl selbstverständlich. Ich denke, darüber darf man sich nicht beklagen, auch nicht darüber, daß einige mit diesem Urteil nicht zufrieden sind. Daß die Politik so, wie sie ist, richtig ist und so bleiben wird, wie Herr Hammerstein sagte, da habe ich erhebliche Zweifel, nicht nur im Bereich der Landwirtschaft. Daß die Strukturverbesserungen in Ostdeutschland unbedingt notwendig sind, habe ich schon ausgeführt. Es ist für meine Begriffe nicht hinnehmbar, daß Herr von Hammerstein sagt, sanierungsfähige Betriebe werden wegen der Altschulden nicht kaputtgehen. Das allein ist es ja nicht. Wir wollen doch nicht nur ein Dahindümpeln der ostdeutschen Landwirtschaft. Wir wollen sie vielmehr zu einem strukturstarken Wirtschaftszweig in Deutschland überhaupt machen. Dazu gehört auch, daß wir den landwirtschaftlichen Betrieben ermöglichen, ihre einseitige Produktionsweise zu verbessern. Bisher sind es überwiegend Marktfruchtbetriebe. Wir wollen dafür sorgen, daß sie auch Veredlung betreiben können. Dazu müssen sie investieren können. Das können sie nur, wenn sie finanziellen Handlungsspielraum bekommen. Die ostdeutschen Betriebe sind ja schon in der Schwierigkeit, daß sie nicht entsprechendes Eigenkapital haben. Sehen Sie sich die Anteile an Eigentumsflächen an. In Ostdeutschland sind 97 Prozent der Produktionsflächen in der Regel Pachtflächen; in Westdeutschland sind es nur 40, 50 Prozent. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Oder sehen Sie sich die Altschuldenproblematik an. Sie werden feststellen, daß 1 300 DM Neuschulden der ostdeutschen Betriebe - in Brandenburg ist das jedenfalls so - plus 2 100 DM Altschulden, die die Betriebe im Schnitt haben, eine Belastung sind, die auch der westdeutschen Hektarbelastung entspricht. Was kommt aber dabei heraus? ({4}) - So ist es. Das ist der entscheidende Punkt. Das muß man doch sehen. Nur die 1 300 DM Ostschulden sind mit dem vergleichbar, was wir sonst als Schulden bezeichnen. Da muß man wirklich eine politische Lösung erreichen, wie es das Verfassungsgericht vorgibt. Ich sehe, daß meine Redezeit so gut wie abgelaufen ist. Ich kann an dieser Stelle leider nur noch ganz kurz darauf hinweisen, daß wir natürlich auch die typischen Beispiele für Überschuldung haben, in einem Fall von 8 Millionen DM, bei der für den Betrieb eine jährliche Belastung von 209 000 DM Zinsen und 519 000 DM Kapitaldienst entsteht. Man kann sich vorstellen, was ein Betrieb, der gerade an der Rentabilitätsgrenze ist, damit anfangen kann. In anderen Fällen ist das ähnlich. Für Brandenburg insgesamt - das darf ich hier noch sagen - sieht die Situation so aus, daß wir 1,8 Milliarden DM Altschulden haben und daß sich diese Altschulden, wie ich vorhin schon sagte, auf 2 100 DM Altschulden pro Hektar und 1 300 DM Neuschulden pro Hektar aufteilen. 378 Betriebe wurden teilentschuldet. Es bleiben noch 1,25 Milliarden DM, von denen bisher erst 26 Millionen DM abbezahlt wurden. Man kann sagen: Die wollten ja nicht bezahlen. - Aber ich denke, wer sich die betriebswirtschaftliche Situation ansieht, weiß, wie es wirklich ist.

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ernst Bahr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002620, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich bin sofort fertig. - Bei den 6,5 Milliarden DM, die jährlich abbezahlt wurden, bleibt für die Zinsen bei einer Verpflichtung von insgesamt 360 Millionen DM ein jährlicher Abzahlungsbetrag von 90 Millionen DM. Wenn man sich diese Beträge ansieht, weiß man, daß da unbedingt etwas getan werden muß. Ich fordere die Bundesregierung auf, mit uns da schnellstens etwas zu tun. ({0})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Uwe-Jens Rössel, PDS.

Dr. Uwe Jens Rössel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002764, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den DDR-LPG-Altkrediten, Kollege Hauser, weist in seiner Begründung ausdrücklich darauf hin, daß es der Bundesregierung durchaus möglich gewesen und durch die Verfassung durchaus gedeckt wäre, mit Ausnahme externer Forderungen alle - ich betone: alle! - Guthaben und Forderungen, die in der DDR entstanden waren, zu verrechnen und aus öffentlichen Mitteln zu dekken. Diese Begründung halte ich für sehr wichtig, und wir sollten sie in der politischen Debatte nie unter den Tisch kehren. Diese Möglichkeit hat die Bundesregierung ganz offensichtlich verschenkt, und sie denkt offenbar auch nicht daran, hier eine andere Haltung zu beziehen. Es muß Gründe haben, daß die Bundesregierung volkseigene Betriebe, die zu privatisieren waren, immerhin zu 70 Prozent über die Treuhand entschulden ließ. Es muß Gründe haben, daß die Staatsgüter, volkseigenen Güter, völlig entschuldet wurden. Es muß Gründe haben, daß der Wohnungswirtschaft 31 Milliarden Mark Altschulden über das sogenannte Altschuldenhilfegesetz ermäßigt wurden. Es muß auch Gründe haben, daß - wenn auch in langwierigen Verhandlungen - Lösungen zwischen Bund und Ländern zu den sogenannten kommunalen Altschulden für Gesellschaftsbauten zwischenzeitlich gefunden worden sind. Insgesamt sind auf diesem Wege mit den benannten Beispielen 100 Milliarden DM in den Erblastentilgungsfonds als Entschuldungsregelungen eingestellt worden. Die genannten Altschuldenregelungen sind sicherlich in vielen Fällen unzureichend; das hat unsere PDS-Gruppe sehr deutlich gemacht. Sie zeigen jedoch - das soll man nicht verkennen - die Bereitschaft auch der Bundesregierung, in teilweise sehr langwierigen Verhandlungen doch zu einem Kompromiß zu gelangen. Allein die Nachfolgeunternehmen der LPG blieben weitestgehend auf ihren Altschulden sitzen. Das mag und wird Gründe haben. Zum einen ideologische, meinen wir; denn die Agrargenossenschaften sind wohl nach Auffassung mancher im Deutschen Bundestag - Kollege von Hammerstein hat das deutlich gemacht - die letzten Horte des Realsozialismus. Aber der Hauptgrund ist sicherlich ein ökonomischer. Bei dem Phänomen der Agrargenossenschaften gibt es eine knallharte Konkurrenz zum landwirtschaftlichen Betrieb im Altbundesgebiet. ({0}) - Das wissen Sie ganz genau, Kollege Junghanns; Sie kennen die Entwicklung aus der DBD in der DDR sehr gut; Ihnen kann man Sachkenntnisse immer bescheinigen. ({1}) Die größten Profiteure aus diesen von der Bundesregierung zu verantwortenden unzureichenden Altschuldenregelungen sitzen auch hier wieder bei den Banken. Größter Profiteur ist die Deutsche Genossenschaftsbank, die DG-Bank, die auf diesem Wege über Jahre Tilgungs- und Zinsleistungen von den betreffenden Agrarunternehmen beziehen wird. Immerhin wächst der Umfang der Altkredite durch den betreffenden Kreditzinssatz - auch wenn es jetzt, Kollege Hauser, der Libor-Zinssatz ist - kontinuierlich und beträchtlich an. Für 700 Millionen Mark hatte die DG-Bank Forderungen der DDR-Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft in Höhe von zusammen rund 16 Milliarden Mark erworben. Bei der DG-Bank - das hat hier noch keiner gesagt - handelt es sich bekanntlich um ein besonderes Kreditinstitut, nämlich ein Kreditinstitut, das Anfang der 90erJahre durch grobe Unregelmäßigkeiten im Rahmen der sogenannten Franzosengeschäfte - das sind Wertpapierpensionsgeschäfte mit französischen Banken - in erhebliche finanzielle Schieflage geraten war. ({2}) - Jawohl, Kompetenz war immer gut; auch in diesem Hause ist sie gut. Nur durch kräftige finanzielle Stützungsmaßnahmen - Kollege Schwalbe, Sie wissen, daß ich da nicht ganz unbeleckt bin - des gesamten Verbundes der Genossenschaftsbanken hatte damals die Pleite der DG-Bank verhindert werden können. In zeitlicher Nähe dazu mußten mehrere Vorstandsmitglieder der DG-Bank ihren Hut nehmen. Vor einigen Monaten wurde gar der Chef des Devisenhandels verurteilt. Jetzt, mit Bestätigung der Altschuldenregelungen, leistet die Bundesregierung - ich will das ein bißchen überspitzen - de facto gegenüber der DG-Bank sogar noch eine großzügige Sanierungshilfe, und das über Jahre hinaus. Das verurteilen wir. ({3}) Kollege Maleuda hat klar die Forderungen benannt, die jetzt zu erfüllen sind. Der Antrag der PDS- Gruppe liegt auf dem Tisch des Hauses. Notwendig ist die Entscheidung darüber, daß Altschulden nur in dem Umfang bedient werden, wie ihnen in der Tat ertragfähige Investitionen gegenüberstehen. Wo aus agrarpolitischen oder strukturellen Gründen Reduzierungen notwendig waren, müssen die Schulden von der Bundesregierung unbedingt erlassen werden. Da kann ich Ihren Vorschlägen, Kollege Hauser, ganz und gar nicht zustimmen. Dringend geboten ist darüber hinaus die Streichung der Zinsen auf die nachrangige Schuld.

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Bitte kommen Sie zum Schluß, Herr Kollege. Ihre Redezeit ist vorbei.

Dr. Uwe Jens Rössel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002764, Fraktion: Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS)

Diese Belastung bedroht die Unternehmen inzwischen viel stärker als die eigentlichen Altkredite. Ich danke für die Aufmerksamkeit. ({0})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Kollege Gottfried Haschke, CDU/CSU.

Gottfried Haschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000818, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 8. April 1997 Rechtsklarheit und Rechtssicherheit geschaffen. Die Altschuldenbelastung der ehemaligen LPGs stand bis zu diesem Tage bei den Fachleuten und den Bürgern im ländlichen Raum in den neuen Ländern wieder stark in der Diskussion. Spätestens nach der Altschuldenregelung für die Kommunen in den neuen Bundesländern wurden erneut Erwartungen geweckt, die sich nun nicht erfüllen. Das Gericht hat es sich nicht leicht gemacht. Die vorliegenden Unterlagen beweisen, mit welcher Gründlichkeit die Richter die Entstehungsgeschichte der Verbindlichkeiten untersucht haben, um zu diesem Urteil zu kommen. Die in der ehemaligen DDR geltenden Vorschriften für die Kreditvergabe und deren Anwendung wurden entsprechend gewertet. Aber Kredite sind Kredite, wenn sie auch unter anderen Vorzeichen gewährt wurden. Sie waren auch in der ehemaligen DDR zu verzinsen und zurückzuzahlen. Da müssen wir ehrlich sein. Das wird auch überall festgestellt. Ich möchte hinzufügen: Das Zinsniveau war niedrig. Das war politische Vorgabe in der Planwirtschaft. Als Zeitzeuge ist mir aber kein Fall bekannt - wie das oft behauptet wird -, bei dem Kredite aufgezwungen und der Eigenmitteleinsatz untersagt wurden. Der günstige Zinssatz für langfristige Kredite war interessant und wurde natürlich maximal genutzt. Meine Damen und Herren, ich meine, wir müssen nicht länger über die Entstehung der Altschulden sprechen, sondern über deren Behandlung beim Übergang in die Marktwirtschaft. Über die Werthaltung der Altschulden kann man gewiß streiten, aber es hat heute, sieben Jahre nach der Einführung der D-Mark und der sozialen Marktwirtschaft in den östlichen Bundesländern, wenig Sinn. Denn mannigfaltige objektive und subjektive Faktoren haben das Bild inzwischen verändert. Bekanntlich hat es für die betroffenen Betriebe die Entlastungen gegeben, die heute schon mehrfach angesprochen wurden. Von den 7,6 Milliarden DM Altschulden, die 1990 ermittelt wurden, sind 1,4 entschuldet worden. Selbstverständlich hätte die Landwirtschaft gerne mehr Entlastung gehabt. Grundlage für die Entschuldung waren bekanntlich die Arbeitsanweisungen des Finanzministeriums an die Treuhandanstalt. 1400 Unternehmen wurden dabei im Durchschnitt mit zirka 1 Million DM entlastet. Über die Summe der verbleibenden Schulden wurden - auch das ist heute schon mehrfach erwähnt worden - mit den sanierungsfähigen LPG-Nachfolgebetrieben sogenannte Rangrücktrittsvereinbarungen abgeschlossen. Auf gut deutsch: Die verbleibenden Schulden wurden auf Eis gelegt, Zinsen laufen aber weiterhin an, die aber auf einem gesonderten Konto geführt werden. Das Tagesgeschäft kann jedoch weitergeführt werden. Die 20 Prozent, von denen jetzt immer schon die Rede war, die von dem erwirtschafteten Gewinn für die Bedienung der Altschulden zu verwenden sind, wenn denn ein Gewinn erwirtschaftet wird, sind natürlich nicht die größte Hürde. ({0}) Zahlreiche betroffene Betriebe haben bereits begonnen abzuzahlen. Natürlich sind das Betriebe, bei denen die Summen nicht allzu groß waren; das ist ganz klar. Aber selbstverständlich warten die Betriebe und machen ihre Jahresabschlüsse entsprechend, weil sie annehmen: Es kommt ja irgendwie noch einmal eine Regelung; vielleicht werden wir die Altverbindlichkeiten noch los. Meine verehrten Damen und Herren, sicher wäre ein warmer Regen in Sachen Altschuldenerlaß den Betroffenen im Osten willkommen. Es wäre auch für die ausgeschiedenen Mitglieder interessant gewesen, wenn es zu einem Schuldenerlaß gekommen wäre; denn dann wären die Ansprüche der ausgeschiedenen Mitglieder und auch derer, die verblieben sind, durch die positive Bilanz verbessert worden. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der gegenwärtigen schwierigen finanziellen Lage unseres Staates - darin sind wir uns doch einig - sind Sonderzuwendungen derzeit nicht zu erwarten.

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Die Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege.

Gottfried Haschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000818, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Danke. - Die Auffassung des Gerichts, daß die Altschuldenangelegenheit zur Mitte der Vertragsdauer überprüft werden muß, begrüße ich. Ich glaube, wir brauchen uns an dieser Stelle heute nicht weiter darüber zu streiten. Die Sache auf dem Lande in den neuen Bundesländern ist nicht leicht. ({0})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Jetzt müssen Sie zum Ende kommen, Herr Kollege.

Gottfried Haschke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000818, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber trotzdem können wir nicht anders und müssen die finanzielle Situation unseres Staates beachten, wenn wir Forderungen stellen, wie sie heute wieder gestellt worden sind. ({0})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Gerald Thalheim, SPD-Fraktion.

Dr. Gerald Thalheim (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002311, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Hoffnung auf eine juristische Lösung des Altschuldenproblems hat sich leider nicht erfüllt. Die Konsequenz ist, daß die Entscheidung dort fallen muß, wo sie hingehört, nämlich in der Politik. Ich denke, es hätte eine ganze Reihe von Lösungen für dieses Problem gegeben, wenn ich an die Vorbilder, etwa die Entschuldung im Bereich der ehemaligen Volkseigenen Betriebe und der Volkseigenen Güter, denke. Herr Rössel, Sie haben nicht recht: 95 und nicht 70 Prozent der Altschulden mußte am Ende der Bund übernehmen. Auch die kommunalen Altschulden oder die Altschulden der Wohnungswirtschaft hat im wesentlichen der Bund übernommen. Leider wurde den ostdeutschen Landwirtschaftsbetrieben eine ähnlich großzügige Regelung verweigert. Das Fatale an der Entwicklung war, daß im deutschen Einigungsprozeß der Eindruck entstanden ist, daß man der ostdeutschen Landwirtschaft gezielt die Hilfe verweigert hat. Herr Haschke, da macht es auch wenig Sinn, die Frage philosophisch zu betrachten, ob dabei Zwang vorhanden gewesen sei oder nicht. Das ist im Grunde genommen die Frage nach dem Zwang in einer Diktatur. Mal ehrlich: Wollen Sie uns wirklich weismachen, daß Sie als Produktionsleiter einer ehemaligen LPG Ihre Mitglieder gefragt hätten, ob Schulden aufgenommen werden sollten, ({0}) und daß es, wenn sie dieser Meinung gewesen wären, tatsächlich von maßgeblicher Bedeutung gewesen wäre? ({1}) Die Bundesregierung besteht heute auf einer hundertprozentigen Erfüllung der Forderungen, obwohl nicht wenige Fachleute darauf aufmerksam machen, daß kaum eine dingliche Deckung vorhanden ist. Das wissen natürlich auch die Banken. Sie haben sich gegen eine Wertberichtigung abgesichert. Herr Staatssekretär, Sie wissen ganz genau, das Risiko der Nichtbedienung der Schulden ist durch die gesetzlichen Forderungen gegen den Ausgleichsfonds längst auf den Bund übergegangen. Es gibt also bei dieser Entwicklung Gewinner und Verlierer. Ich muß mich der Meinung anschließen: Die Gewinner sind eher bei den Westbanken zu suchen. Das liest sich in der Begründung des Bundesverfassungsgerichtes - ich zitiere - so: „In den Genuß dieser Regelung kommt die DG-Bank als Hauptgläubigerin der LPG-Altschulden." Das heißt: Die DG- Bank konnte 5 000 DM für den Abschluß der Vereinbarung kassieren; sie konnte bis zum Abschluß der Rangrücktrittsvereinbarungen Marktzinsen kassieren, ohne daß dem ein eigenes Risiko entgegenstand. Die Betriebe müssen heute noch eine Art Verwaltungsgebühr in Höhe von 0,25 Prozent jährlich auf die Schuldensumme bei der DG-Bank abliefern. Wenn man es weniger vornehm als das Bundesverfassungsgericht formuliert, dann muß man sagen: Es entsteht eher der Eindruck der Bereicherung und nicht nur der des Genusses. Ich denke, die Banken dürfen in dieser Frage nicht einfach außen vor gelassen werden. Die Verlierer des ganzen Prozesses sind eher auf ostdeutscher Seite. Hier sind vor allen Dingen die Inventarbeitragszahler zu nennen, die für die damalige Entscheidung in Haftung genommen werden. Diese müssen sich heute doppelt betrogen vorkommen: Erstens steht nun endgültig fest, daß dieses Geld nicht zurückfließt, weil vom Bundesverfassungsgericht die Schulden anerkannt worden sind. Zweitens besteht der Wortbruch der Bundesregierung. Herr Haschke, Sie sind einmal durch Ostdeutschland gezogen und haben gesagt: Für die Verluste aus Inventarbeiträgen werden wir einen Ausgleich schaffen. Sie haben Hoffnungen geweckt. Diese Hoffnungen wurden nicht erfüllt. Ich kann an dieser Stelle nur das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aufgreifen und sagen: Wir müssen sehr schnell eine Überprüfung im Sinne des zweiten Teils der Begründung herbeiführen und die Chance nutzen, nicht erst im Jahre 2000 die Überprüfung vorzunehmen, sondern früher, weil es auch um den Erhalt von Arbeitsplätzen in diesen Unternehmen geht. Vielen Dank. ({2})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ulrich Junghanns, CDU/CSU- Fraktion.

Ulrich Junghanns (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001042, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Nach dem Urteilsspruch des Bundesverfassungsgerichts zu den landwirtschaftlichen Altschulden habe ich für den Frust und für die Enttäuschung der unterlegenen LPG-Einheit Schlanstedt und für den Frust des oft zitierten 61jährigen Landwirtes aus Schlanstedt Manfred Leiste wegen des Inventarverlustes großes Verständnis. Da beißt die Maus keinen Faden ab: Wer diesen Weg gegangen ist und unterliegt, der ist frustriert und enttäuscht. Aber wer heute an dieser Stelle stehenbleibt und so tut, als könne man auf einem anderen Wege ganz einfache Lösungen finden, der weckt falsche Hoffnungen. Wenn die Aktuelle Stunde zu diesem Thema einen Sinn hat, dann sollte sie dazu beitragen, für die betroffenen Betriebe Klarheit zu schaffen und eine nüchterne Bestandsaufnahme zu betreiben, um nicht neue Unsicherheiten oder falsche Hoffnungen zu nähren. Aus diesem Grunde möchte ich von dieser Stelle aus - Sie wissen, wie differenziert und auch kritisch wir mit diesen ganzen Regelungen im Ausschuß umgegangen sind - hervorheben, daß es heute vor dem Hintergrund dieses Urteils und seiner Begründung gar nicht so einfach ist, zu sagen: Jetzt führen wir eine Entschuldung durch. Es ist nicht möglich, weil mit Hinweis auf dieses Gesetz natürlich die Begründetheit von der juristischen Seite hinterfragt wird. Letztlich gibt es dafür eine Bestätigung: Das Bundesverfassungsgericht hat zum Ausdruck gebracht, daß es nicht in der Lage ist, die Situation einzuschätzen. Aber es hat gesagt: Die Betriebe sind nach dieser Regelung wirtschaftlich nicht bedroht. Vor diesem Hintergrund einen neuen Schachzug zu organisieren ist schlechthin nicht möglich. Das muß man mit aller Offenheit sagen. Ich empfehle überhaupt, daß wir den Geschäftsführern und Vorständen sagen, welche Situation nach diesem Urteil des Verfassungsgerichtes eigentlich entstanden ist. Man muß den Leuten in die Augen gucken und sagen, daß mit den Wertungen, die dieses Gericht getroffen hat, nicht nur Unterlegene am Ende des Prozesses stehen, sondern daß auch ein paar Dinge festgeschrieben wurden, die wir vorher gerne diskutiert hätten. Als erstes hebe ich die Unbegründetheit der Behauptung von der ökonomischen Gefährdung des in Rede stehenden Unternehmens hervor. Ich leite zweitens daraus ab, daß es fast blinder Aktionismus wäre, wenn wir jetzt glauben machen wollten, wir könnten die Situation einfach ändern. Auch im Kontext mit anderen schwierigen finanziellen Konstruktionen, die wir gegenwärtig im Land bewältigen, muß man das dann natürlich stichhaltig erläutern. Drittens. Ich begrüße den Kontroll- und gegebenenfalls Nachbesserungsauftrag. Ich möchte aber auf ein Problem hinweisen: Die Feststellung, daß die Regelung kein Unternehmen strangulieren darf und daß gegenwärtig nicht einzuschätzen ist, ob dieses Ziel erreicht wird, gilt nicht nur bis zum heutigen Tag, an dem das vielleicht nachgewiesen werden kann, und ab dem Jahr 2000, sondern sie gilt auch von heute bis zum Jahr 2000. Wenn es einen Mangel in der gegenwärtigen Situation gibt, dann den, daß wir nicht über ausreichende Daten und nicht über einen ausreichenden Kontrollmechanismus verfügen, um die Ergebnisse einer Bewertung zu unterziehen. Der Auftrag, eine Kontrolle und eine Bewertung durchzuführen, ist auf das Jahr 2000 datiert; das bestätige ich auch. Aber wer sich diese Aufgabe einmal durch den Kopf gehen läßt, wer bis zu dem Zeitpunkt sachkundig entscheiden will, der muß sicher heute anfangen, ordentlich zu kontrollieren. Es darf eigentlich nicht passieren, daß auf dem Weg bis zur Erfüllung des Auftrags des Verfassungsgerichts ein Unternehmen - ich sage es einmal so - stranguliert wird. Deshalb ist meine Auffassung: Wir müssen jetzt beginnen, die Datenbasis und die Kontrollmechanismen und damit auch die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß wir im Jahr 2000 sachkundige Entscheidungen treffen können. Es muß sichergestellt werden - ich bitte die Bundesregierung, dafür gemeinsam mit den Banken zu sorgen -, daß auf diesem Weg keiner durch das Rost fällt. Dieser Auftrag gilt ab dem Zeitpunkt des Bundesverfassungsgerichtsurteils. Darüber hinaus sind wir angehalten, den Geschäftsführern und Vorständen mit aller Nüchternheit zu sagen: Auch am Ende dieses Weges steht nicht der Auftrag einer Entschuldung, sondern zuallererst der Auftrag, zu weitergehenden Regelungen zu kommen, die die vielleicht ungebührliche Belastung der Betriebe abwenden - nicht mehr und nicht weniger; da geht es nicht in erster Linie um Entschuldung. Deshalb empfehle ich den Geschäftsführern und den Vorständen, mit dieser Größe nüchtern zu kalkulieren, sich nüchtern darauf einzustellen. Was manchmal zum Ausdruck gebracht wird, nämlich daß mit Konkurs und allem möglichen geliebäugelt werde, ist völliger Quatsch. Bei den Zusammenhängen, denen ein Betrieb mit seinen Pachten und sonstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterworfen ist, wäre es töricht, auf der Altschuldenbasis eventuell solche unternehmerisch völlig falschen Gedanken zu entwickeln und damit im Grunde genommen die zukünftige Wirtschaftlichkeit in Frage zu stellen. Aus diesem Grund halten wir es von dieser Stelle aus mit den Präsidenten der ostdeutschen Bauernverbände, die nach ihrer Beratung am vergangenen Freitag gesagt haben, es bestehe nach diesem Urteil kein Grund zur Panik. Herr Gutzmer, der Präsident des Bauernverbandes von Sachsen-Anhalt, hat erklärt, daß die Betriebe eine reale Chance haben, marktwirtschaftlich zu bestehen.

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Herr Abgeordneter, bitte kommen Sie zum Schluß.

Ulrich Junghanns (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001042, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Wir werden das tun, was der Bauernverband von uns erwartet, nämlich alle Verbesserungen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und alle Förderungen auch weiterhin auf die Betriebe zu lenken, um ihnen damit entsprechende Hilfen zur Gewährleistung der Wirtschaftlichkeit zu geben. Danke schön. ({0})

Michaela Geiger (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000649

Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Vizepräsidentin Michaela Geiger Wir sind 'am Schluß unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages ein auf morgen, Donnerstag, den 17. April 1997 um 9 Uhr. Die Sitzung ist geschlossen.