Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/11/1952

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 218. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.

Heinz Matthes (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001437

Es sucht für längere Zeit um Urlaub nach der Abgeordnete Dr. Schellenberg für weitere drei Wochen ab 10. Juni 1952 wegen Krankheit.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich darf annehmen, daß der Urlaub genehmigt ist. - Das ist der Fall.

Heinz Matthes (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001437

Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Siebel, Wagner, Kahn, Mißmahl, Reimann, Frau Strohbach, Vesper, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Dr. Baur ({0}), Dr. Orth, Albers.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich danke schön. Zur Tagesordnung habe ich folgendes zu sagen. Es ist gebeten worden, den Punkt 1 der Tagesordnung zurückzustellen, bis der Herr Staatssekretär des Bundesjustizministeriums aus Karlsruhe zurückgekehrt ist. Das wird im Laufe des Vormittags der Fall sein. - Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist. Im übrigen ist mir mitgeteilt worden, daß unter den Fraktionen ein Einvernehmen darüber herbeigeführt worden ist, daß der Punkt 3 a) und b) auch heute von der Tagesordnung abgesetzt wird und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden soll. Darüber besteht Einmütigkeit. - Ich darf annehmen, daß das Haus mit der Absetzung des Punktes 3 einverstanden ist. Ich rufe auf den Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der Deutschen Partei und Genossen betreffend Gewährleistung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit ({0}). Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und, falls eine Aussprache gewünscht wird, eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor. Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Walter. Darf ich vorher noch mitteilen, daß der Vorsitzende des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen bittet, bekanntzugeben, daß der Ausschuß heute vormittag 11 Uhr 15 zu einer kurzen wichtigen Besprechung im Zimmer 206 Süd zusammentritt. Bitte, Herr Abgeordneter Walter. Walter ({1}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der Anlaß für unsere Anfrage an die Regierung liegt schon ein Vierteljahr zurück. Die Störungen der Versammlungen in Hessen, besonders in Frankfurt, in Wiesbaden und einigen anderen Orten Hessens, während der Wahl im Frühjahr sind fast vergessen. Aber im Laufe der Wochen seit den Ereignissen hat sich eigentlich erst recht deutlich gezeigt, daß die Anlässe zu den Störungen der Versammlungen doch eine ernstere Bedeutung haben, besonders soweit die Aufrechterhaltung des Prinzips der Freiheit, der Demokratie und der Menschenrechte in Betracht kommt. ({2}) - Jawohl, ich werde darauf kommen, Herr Mellies, auf d i e Demokratie, die S i e jeden Tag glauben durch Reden verteidigen zu müssen. Wenn es aber zu Taten kommt, haben wir immer wieder erfahren müssen, daß eine gewaltige Kluft zwischen dem, was Sie sagen, und dem, was Sie tun , besteht. ({3}) Sie werden nicht behaupten können, daß Ihre Versammlungen von unserer Seite gestört worden seien. ({4}) Dafür haben Sie es sich angelegen sein lassen, nicht nur in Hessen, sondern überall, wo Ihnen die Möglichkeit gegeben war, nicht allein Versammlungen zu stören, sondern Sie haben großen Wert darauf gelegt, mit jenen Kreisen gemeinsame Sache zu machen, von denen man nicht behaupten kann, daß sie demokratisch sind oder daß sie die Demokratie anerkennen, und die daher keinen Anspruch auf demokratische Rechte erheben können. ({5}) Ich will mich gar nicht in die Einzelheiten der Versammlungen einlassen, denn das, was sich dort ereignete, war derart beschämend für die störenden Elemente, daß Sie allen Grund haben, darüber ernsthafte Betrachtungen anzustellen. Womit ich mich besonders beschäftigen muß, das ist das Verhalten der Polizei ({6}) in unserem Bundesland Hessen. Es waren genügend Polizisten anwesend, um die Versammlungsfreiheit zu schützen; doch sie taten es nicht und handelten wahrscheinlich ({7}) auf Befehl ihres Innenministers, ihres Innenministeriums. Den Beweis dafür werde ich Ihnen bringen. Das Schreiben, das der hessische Innenminister an unsere Fraktion zu richten sich erlaubt hat, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Zustände im hessischen Innenministerium und darauf, was man in Hessen unter Demokratie verstehen zu müssen glaubt. ({8}) - Das haben wir begriffen, lieber Herr Kollege! - Da lautet z. B. ein Satz in dem Schreiben: Daß die Teilnehmer an einer politischen Versammlung das Recht haben, ihrer von der Auffassung des Veranstalters abweichenden politischen Meinung Ausdruck zu geben, kann nicht zweifelhaft sein. Niemand hat bestritten, daß ein Versammlungsteilnehmer seine politische Meinung äußern kann. Aber wie man in Hessen von gewisser Seite die politischen Meinungen zu äußern beliebt, das haben wir in Frankfurt, in Wiesbaden und anderen hessischen Städten erleben können. Diese politische Meinung äußerte sich zuerst einmal so, daß man, ohne den Redner auch ({9}) nur vier Sätze sprechen zu lassen, dazu überging, die „Internationale" anzustimmen. Aber das genügte nicht. ({10}) - Jawohl, aber wir sind klug geworden. Nur Sie sind es noch nicht, und es hat den Anschein, Herr Ritzel, als ob es noch längerer Zeit bedürfen wird, ehe Sie klug werden. ({11}) Im übrigen, Herr Mellies, Ihnen möchte ich mit einem Wort Goethes antworten: Es will der Spitz aus jenem Stall Uns immerfort begleiten, Und seines Kläffens lauter Schall Beweist nur, daß wir reiten. ({12}) Die Methode, die der hessische Innenminister empfehlen zu können glaubt, um politische Meinungen in Versammlungen zu äußern, besteht darin, daß man nach dem verlängerten Singen der Internationale dazu übergeht, Stühle und Tische zu zerbrechen und Gläser, Flaschen und Uhren zu zerschlagen. Das nennt man dann ..Äußerung der politischen Meinung". So ist jedenfalls die Auffassung des hessischen Innenministeriums zu verstehen. ({13}) Aber ein anderer Satz in dem Schreiben ist ebenso bezeichnend für die Auffassung des Herrn Innenministers in Hessen: ({14}) Zu einem Eingreifen der Polizei hätte erst dann Anlaß bestanden, wenn der Versammlungsleiter entweder ohne Erfolg den Versuch gemacht hätte, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen, oder wenn durch das Verhalten der Versammlungsteilnehmer die Versammlung unfriedlich geworden wäre. Nun möchte ich Sie, meine Damen und Herren, um ein Urteil über „friedlich oder unfriedlich" bitten. Wenn Tische und Bänke zerschlagen werden, der Redner angegriffen wird und der Innenminister dies noch nicht als unfriedlich anerkennt, dann muß man schon sagen, daß das Gewissen des Herrn Innenministers in Hessen sehr robust sein muß. ({15}) Wenn diese Tätlichkeiten noch nicht ausreichten, um das unfriedliche Verhalten einer Versammlung festzustellen, kann einem der hessische Innenminister nur leid tun. Aber das ist nicht das Entscheidende. Ich will jetzt etwas noch Ernsteres behandeln. ({16}) Sie, meine Herren von der SPD, haben sich in Hessen nicht gescheut, diese Störung gemeinsam mit einer Organisation vorzunehmen, die laut dem Spruch in Nürnberg zu den „verbrecherischen Organisationen" gehört. Der Beweis dafür ist nicht schwer zu erbringen. Täglich wird uns bewiesen, daß dies weder eine deutsche noch eine demokratische, sondern eine verbrecherische Organisation ist. Welcher Beweise bedarf es denn noch, wenn wir täglich hören, daß deutsche Menschen in Zwangslagern gequält und gepeinigt werden? Welcher Beweise bedarf es noch, da wir wissen, daß jene Weder vor Menschenraub noch vor Mord zurückschrecken und ihn täglich an deutschen Menschen verüben? Und mit diesen Kreisen haben Sie es gewagt, sich für die Störungen demokratischer Versammlungen zusammenzutun, um die Demokratie zu schützen! Wir werden das nicht vergessen! ({17}) Ich will Ihnen aber auch einige Beweise dafür vorlegen, daß es nicht die unteren Organe Ihrer Organisation sind, die die Schuld an diesen Vorgängen tragen. In der Zeitung „Freies Volk" wird geschrieben: In der KPD-Wahlversammlung in Vilbel sprach der 1. Vorsitzende der SPD, Dr. Muth. Er erklärte, daß, wenn Adenauer wagen sollte, die KPD zu verbieten, sich die SPD schützend vor sie stellen werde. ({18}) - Ja, da will ich Ihnen nur sagen, daß es gar nichts schaden könnte, wenn Sie einen guten Rat annehmen würden. ({19}) - Ganz richtig, nur nicht wie Sie, Herr Kollege Greve! ({20}) Diese Meinung des Sozialdemokraten Dr. Muth liegt auf derselben Ebene wie die gefaßten Beschlüsse in der Bürgerschaft in Hamburg, wo SPD und KPD gemeinsam den Antrag ablehnten, die Thälmannstraße in ihren alten Namen umzubenennen. ({21}) - Darüber könnte ich Ihnen mehr sagen. - Sie liegt auf derselben Ebene wie der Beschluß, den die Bürgerschaft in Bremen auf Antrag der Kommunisten mit Hilfe der Sozialdemokraten annahm, der Regierung in Bonn Schwierigkeiten zu machen. Und so könnte man eine zusammenhängende Kette von Beweisen bringen, die immer wieder darlegen, daß ein Zusammengehen der SPD mit den Kräften der Zerstörung zum Programm gehört. ({22}) Man soll sich hüten, die Worte Demokratie, Freiheit und Menschenrechte täglich zu vergewaltigen. ({23}) Ich will Ihnen aber noch etwas sagen. Meine Herren von der Sozialdemokratie, vergessen Sie eines nicht. Es ist noch nicht so viele Jahre her, da lautete die Parole jener Kreise: „Die Sozialfaschisten sind schlimmer als die Faschisten!" Dies, meine Herren, sollte Ihnen ein wenig zu denken geben. ({24}) Aber auch die Auswirkungen solcher Demonstrationen wie das Stören der Versammlungen in ({25}) Hessen auf das Ausland sind zu bedenken. Es hat nicht erst der Erklärungen von Mr. George Meany bedurft, des Schatzmeisters der AFL, der den deutschen Sozialdemokraten und den deutschen Gewerkschaftlern allen Ernstes sagte: „Ich habe den Eindruck, daß wir die einzigen sind, die gegen die Tyrannis im Osten eine wirklich entschlossene Haltung einnehmen. In Deutschland habe ich das leider vermissen müssen." ({26}) - Herr Ritzel, bemühen Sie sich doch, ein wenig weiser zu sein! Sie hätten es nötig! ({27}) Ich will zum Schluß folgendes erklären: Wir müssen täglich Phrasen über Freiheit, Menschenrechte und Demokratie über uns ergehen lassen. Phrasen sage ich. Vergleichen wir damit die Taten, die wir täglich beobachten können, dann müssen wir sagen: es ist höchste Zeit, daß unsere Regierung wachsam, sehr wachsam wird. Denn die Gefahr für unser junges Staatswesen ist nicht zu unterschätzen, besonders wenn man es sich angelegen sein läßt, mit Organisationen zusammenzugehen, die es nur darauf angelegt haben, Staat und Volk zu zerstören. Es gab einen amerikanischen Präsidenten, Lincoln, ({28}) dessen Politik in der gleichen hypokritischen Weise von seinen politischen Gegnern behandelt wurde, wie Sie es mit der Regierung tun, und der ihnen das Wort zurief: „You may fool some people for some time, but you cannot fool all the people all the time." Das, meine Herren, mögen Sie als Lehre oder als Warnung annehmen, vielleicht als beides. Sie haben allen Grund, das zu tun. ({29})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, nachdem wir die Begründung der Großen Anfrage gehört haben, hat das Wort zur Beantwortung der Herr Bundesminister des Innern. ({0})

Dr. Dr. Robert Lehr (Minister:in)

Politiker ID: 11001304

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorfälle, um die es sich hier handelt, haben sich innerhalb der Wahlkämpfe zu den hessischen Gemeindewahlen abgespielt. Ich habe dem Hohen Hause schon wiederholt bei Fragen der inneren Sicherheit vorgetragen, daß die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung Sache der örtlichen Polizeibehörden bzw. der Landespolizeibehörden ist. Der Bund hat an sich, von bestimmten Ausnahmefällen abgesehen, die die Verfassung klar umreißt, keine Kompetenzen auf dem Gebiet der öffentlichen Ruhe, Sicherheit und Ordnung innerhalb eines einzelnen Landes. ({0}) Ich habe mich aber, um den ganzen Sachverhalt genau zu überprüfen und um zu sehen, ob für die Bundesregierung irgendwie ein Anlaß besteht, die verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten zu gewährleisten - deren Beachtung innerhalb der Länder ihr obliegt - an den Herrn hessischen Innenminister mit der Bitte gewandt, mir eine Aufklärung über die Tatbestände zu geben. Dieser Bitte hat der Herr hessische Innenminister entsprochen und hat mir eine ausführliche Darstellung von den Vorgängen und den Begleitumständen gegeben. Aus dem Gesamtinhalt dieses Schreibens war nicht zu entnehmen, daß die Vorfälle eine drohende Gefahr für den Bestand oder die demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes im Sinne des Art. 91 des Grundgesetzes darstellten. Nur unter diesen Voraussetzungen ist eine Bundesexekutive zulässig. Die hier vorliegenden Darstellungen, die sich zum Teil erheblich widersprechen, reichen außerdem nicht hin, die weitere Frage zu klären, ob die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 28 Abs. 1 und Abs. 3 des Grundgesetzes durch die zuständigen Landes- und Gemeindeorgane nicht gewährleistet war. Deshalb haben die Bundesregierung und namentlich ich selber als für die Verfassung verantwortlicher Innenminister ({1}) festgestellt, daß wir zu einem Einschreiten nicht befugt gewesen sind. ({2}) Die Bundesregierung - und das möchte ich bei dieser Gelegenheit dem Hohen Hause einmal mit einer eindringlichen Bitte ans Herz legen - hat bereits unter meinem Vorgänger im Mai 1950 eine Kabinettsvorlage beschlossen, um die Versammlungsfreiheit für alle demokratischen Parteien zu gewährleisten. ({3}) Der Entwurf eines Versammlungsordnungsgesetzes ist dem Hohen Hause bereits im Juni 1950 zugegangen und ist auch in den Ausschüssen des Bundestags durchberaten worden. Aber die zweite und dritte Lesung fehlen bedauerlicherweise noch. Sie sind immer wieder zurückgestellt worden. ({4}) Ich habe deshalb an den Herrn Bundestagspräsidenten die Bitte gerichtet, sich mit den Ausschüssen des Hohen Hauses einmal in Verbindung zu setzen und dem Hohen Hause meine Bitte zu unterbreiten, dieses Versammlungsordnungsgesetz in Bälde zu verabschieden. ({5}) Es ist dringend notwendig, daß endlich ein einwandfreier Rechtszustand auf dem Gebiete des Versammlungswesens geschaffen wird. ({6}) Die Fortgeltung des früheren Rechts in den einzelnen Ländern ist bestritten. Die Auffassungen sind ({7}) außerordentlich verschieden, und die vorliegenden Gerichtsentscheidungen haben leider diese Unsicherheit keineswegs behoben. Deshalb möchte ich meine Ausführungen mit einem dringenden Appell an das Hohe Haus schließen, den Entwurf eines Versammlungsordnungsgesetzes in Bälde verabschieden zu wollen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Darf ich fragen, ob eine Aussprache gewünscht wird? ({0}) - Die Aussprache wird gewünscht. Sie findet im Rahmen der vereinbarten Redezeit von 90 Minuten statt. Das Wort hat der Abgeordnete Fisch. ({1})

Walter Fisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000548, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Traditionskompanie des Nationalsozialismus in diesem Hause, ({0}) eine der wesentlichsten Stützen der Regierungskoalition, hat eine Große Anfrage eingebracht, in der sie Klage darüber führt, daß ihr nicht die erforderliche Meinungs- und Versammlungsfreiheit zugebilligt worden sei. Ich glaube, auf bessere Art könnte man nicht nachweisen, was die Regierungskoalition unter der „verfassungsmäßig zugesicherten Freiheit" versteht, und besser könnte man auch nicht nicht nachweisen, was sie unter Demokratie versteht. Ich vermisse nur eines. Ich vermisse, daß einer der feinen Herren der Fraktion der Deutschen Partei heute hier an diesem Pult die Große Anfrage vertreten hat: Herr Dr. von Merkatz, der uns doch sonst immer damit beglückt, uns philosophische Ergüsse über das Wesen der Demokratie vorzutragen. Ich wundere mich sehr, warum er sich die Gelegenheit hat entgehen lassen, seinen Parteifreund Dr. Krebs hier vor diesem Hause selbst zu vertreten. ({1}) Herr Dr. Krebs, um dessen demokratischen Schutz es hier geht, war in Frankfurt am Main Spitzenkandidat der Regierungspartei des Herrn Dr. Seebohm und des Herrn Hellwege. Herr Dr. Krebs, der ehemalige SS-Obersturmbannführer, der ehemalige erste Vorsitzende des Kampfbundes für deutsche Kultur in Frankfurt, der ehemalige Kreisleiter der NSDAP, der ehemalige Oberbürgermeister während der Nazizeit während der Dauer von zwölf Jahren, soll hier als Repräsentant der neuen demokratischen Ordnung gepriesen und verteidigt werden. Es ist nötig, etwas in die Vergangenheit zurückzugreifen. Warum haben die Sprecher der Deutschen Partei nicht vom Juni 1933 gesprochen? Ich möchte hier an das Datum des 13. Juni 1933 erinnern. An jenem Tage war dieser Nazi-Krebs bereits Oberbürgermeister. An jenem Tage wurden die demokratischen Stadtverordneten aus dem Bürgersaal der Stadt Frankfurt mit Koppelschlössern hinausgetrieben, ({2}) und zwar unter der verantwortlichen Direktion des Herrn Krebs. Der heutige Vorsitzende der sozialdemokratischen Stadtverordnetenfraktion in Frankfurt, Kirchhof, wurde von Krebs persönlich dazu abkommandiert, seinen Privatwagen unter Aufsicht seines mit einer Pistole bewaffneten und drohenden Fahrers zu waschen. Er wurde mit einem Gummischlauch traktiert und Tag und Nacht mit entwürdigender Arbeit beschäftigt. ({3}) Warum sprechen die Patentdemokraten der DP denn nicht von dieser „demokratischen" Vergangenheit ihrer Größen, die sie heute auf die Bühne der westdeutschen Politik stellen? ({4}) Herr Dr. Krebs hat tausendfach seinen Eid gebrochen, den er einst als Richter der Weimarer Republik abgelegt hat. Herr Dr. Krebs ist verantwortlich für einen unerhörten Terror gegenüber der Frankfurter Bevölkerung. Er ist verantwortlich für den Tod von 37 000 Frankfurter Juden. Er ist verantwortlich für die Zerstörung Frankfurts in den letzten Tagen und Wochen vor der Besetzung. Solch einen Mann stellen Sie hier als den Repräsentanten der Adenauer-Demokratie vor. ({5}) Der Fall Krebs steht nicht allein da. In den Städten Offenbach, Darmstadt und Wiesbaden hat man gleichfalls die ehemaligen Nazioberbürgermeister als Spitzenkandidaten der Deutschen Partei, eben dieser famosen Regierungspartei, präsentiert, ferner einen Dr. Derichsweiler, den ehemaligen Reichsstudentenführer, der schon in seiner ersten Rede vor der Stadtverordnetenversammlung von der Notwendigkeit sprach, „das alte Reich wieder zu erneuern". ({6}) Was hat sich in Wirklichkeit dort abgespielt, worüber sich die Herren von der Deutschen Partei beschweren? Das Volk hat bewiesen, daß es sich solche Provokationen einfach nicht gefallen läßt. ({7}) Es pfeift auf die Regeln der Demokratie, wenn sie dazu mißbraucht werden, notorische Verbrecher zu schützen. Es hat erwiesen, daß es sich nicht gefallen läßt, daß eine solche Sippschaft heute erneut versucht, wieder hochzukommen. Es hat erklärt, daß es nicht zuläßt, daß solche Leute erneut ein demokratisches Mandat ausüben. Man könnte über diese Angelegenheit zur Tagesordnung übergehen; man könnte sich darüber freuen, welch guten Instinkt die Frankfurter Bevölkerung durch ihr Vorgehen bewiesen hat. Was aber den Fall politisch bedeutsam macht, ist die hohe Protektion, die diese Leute hier von dieser Bank aus ({8}) genießen, ({9}) beispielsweise von dem Herrn Bundesminister des Innern, der seinen Revolver entsichert, wenn er das Wort Verfassung hört. ({10}) Man müßte jetzt die Frage behandeln, wer denn die Verantwortung dafür trägt, daß solche Leute auf die politische Bühne zurückkehren. Die Verantwortung trägt die Regierung Adenauer; die ({11}) Verantwortung tragen die führenden Regierungsleute. Die Verantwortung tragen ihre amerikanischen Hintermänner darum, ({12}) weil sie das Wiederaufleben der nazistischen Tradition brauchen, weil sie das Wiederaufleben der nazistischen Ideologie für ihren geplanten Marsch nach dem Ural, für ihre geplante „Neuordnung der Verhältnisse in Osteuropa" brauchen. ({13}) Darum brauchen sie auch die alte Goebbels-Propaganda. Sie brauchen die Nazi-Krebse auch in den Spitzen der Kommunen, nachdem sie die Nazi-Krebse hier in Bonn bereits seit langem in die höchsten Ämter eingeführt haben. ({14}) Sie brauchen die faschistischen Herrschaftsmethoden, um den Generalkriegsvertrag zu realisieren und im ganzen Lande Kirchhofsruhe zu schaffen. ({15})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Fisch, ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.

Walter Fisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000548, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren, diesmal noch hat es Herr Minister Seebohm dabei bewenden lassen, der Frankfurter Bevölkerung die Zunge herauszustrecken. ({0}) Er hat damit wohl einen Beweis für die Umgangsformen im Kabinett abgeben wollen. ({1}) Aber wenn er auch diesmal noch auf solche Art seine Ohnmacht demonstrierte in einem Fall, wo sich das Volk im Kampf gegen die Faschisten einig ist und zusammenschließt, ({2})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Fisch, bitte kommen Sie zum Schluß. Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Walter Fisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000548, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

- so möge er daran denken: es geht nicht nur um die Krebse, ({0}) denen die Frankfurter das Zurückkriechen in die politischen Positionen verwehren. Herr Adenauer und seine Freunde mögen vielmehr daran denken, daß auch diejenigen, die die Naziverbrecher salonfähig machen und sie als Werkzeug ihrer Politik benutzen, eines Tages zur Verantwortung gezogen werden. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.

Hans Ewers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000505, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf als einer der „feinen Männer" von der Deutschen Partei, nachdem der Herr Kommunist hier die Demokratie verteidigt hat, etwas zu den Ausführungen des Herrn Ministers und zur Debatte überhaupt beisteuern. Ich habe gewiß, wie das Haus weiß, Sinn für Humor und finde es auch meinetwegen komisch, wenn hier in diesem Hause irgendwo eine Traditionskompanie sein soll. Aber wenn hier behauptet wird, daß eine ganze Fraktion, die der Regierung angehört, nichts anderes betreibe als die Tradition der NSDAP, so, meine ich, wäre ein Ordnungsruf fällig gewesen. ({0}) Was die Sache selbst anlangt, so darf ich als einer der älteren Abgeordneten das gesamte Haus an die Zustände der Jahre etwa bis 1924 erinnern. ({1}) - Was ich sollte, geht Sie gar nichts an, sondern was ich spreche. Hören Sie zu! ({2}) Wir erinnern uns genau an die Jahre um 1924. Dort war derselbe Mob wie heute in den Versammlungen ({3}) und machte die Demokratie unmöglich, ({4}) und dann standen die „Völkischen" auf, und dann war zunächst Ruhe; und ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: unsere Anhänger werden, wenn es körperlich hart auf hart geht, Ihnen wiederum überlegen sein. ({5}) Deshalb haben uns die Erklärungen des Herrn Innenministers nicht befriedigt, ({6}) und wenn der Herr Minister nicht einsieht, daß die Entwicklung genau denselben Weg zu gehen droht, ({7}) dann sollte er, wenn Versammlungen gesprengt werden, ({8}) sich nicht lange in den Paragraphen des Grundgesetzes umzusehen brauchen. Wenn er nach diesen Anlässen in Frankfurt glaubt, noch keine Störung demokratischer Rechte feststellen zu können, so bedauere ich diese Haltung des Herrn Ministers, der für die Demokratie verantwortlich ist. ({9}) In den politischen Versammlungen, in denen ich gewesen bin, ist so etwas wie in Frankfurt noch nie vorgekommen. ({10}) - Herr Lehr soll dafür sorgen, daß die Versammlungen so verlaufen, daß Demokraten sich gegenseitig aussprechen. ({11}) - Daß Sie keine Demokraten sind, zeigt ja, daß Sie überhaupt nicht zuhören können. ({12}) ({13}) - Eben; „wir wollen keinen Quatsch hören", und das nennen Sie dann „Demokratie"! Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Auffassungen über Demokratie gehen sehr weit auseinander. ({14})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Greve, ich höre zweimal den Ausdruck „Quatsch". Ich rufe Sie zur Ordnung. Ich meine, daß wir hier doch nicht eine Wahlversammlung kopieren sollten. ({0})

Hans Ewers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000505, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Ich möchte diejenigen Herren der SPD ansprechen, die mit uns darum besorgt sind, daß sich nichts wiederholt, was die deutsche Geschichte in den letzten 20 Jahren gelehrt hat. ({0}) Die spreche ich an - nicht die Schreihälse -, sie mögen sozialistisch, wir mögen konservativ sein; im Grunde sollten wir alle dasselbe wollen, nämlich ein deutsches Volk, das reif und diszipliniert genug ist, sich auszusprechen, und das sich nicht gegenseitig die Köpfe einzukeilen braucht. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Stierle.

Georg Stierle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002250, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist notwendig, die Vorgänge in Frankfurt am Main noch einmal etwas eingehender zu betrachten, als es bisher geschehen ist. Was in Frankfurt einmal war, wissen Sie alle. In Frankfurt lebten 37 000 Juden, die so gut wie restlos ausgerottet worden sind, ({0}) und zwar unter der Ägide eben dieses Herrn D r. Krebs. Die Deutsche Partei fragt die Regierung, was sie zu tun gedenke, den demokratischen Parteien die Ausübung der Grundrechte zu garantieren. Gerade darauf kommt es an für S i e, den Nachweis zu führen, daß S i e eine demokratische Partei sind! ({1}) - Sie rufen „Unerhört!" - gut, dann darf ich Sie daran erinnern, daß erst vor wenigen Tagen in Frankfurt am Main ein prominentes Mitglied Ihrer Partei erklärt hat: „Was der Nationalsozialismus getan hat, war richtig, ({2}) und wir sollten so schnell wie möglich wieder mit dem gleichen System beginnen, ({3}) dann hätten wir bald wieder Ordnung und Sauberkeit bei uns." ({4}) Das sind die Vertreter Ihrer Partei! Nun will ich Ihnen sagen, wie Herr Dr. Krebs glaubte, sich in Frankfurt am Main einführen zu müssen, wie er glaubte, sich der Frankfurter Wählerschaft vorstellen zu können. ({5}) Herr Dr. Krebs sprach in seiner ersten Versammlung etwa wie folgt: ({6}) „Ich bin ein Ehrenmann, ({7}) ich habe eine weiße Weste, ich habe ein reines Gewissen. Aber schauen Sie sich die Demokratie an: ein Saustall, Korruption, Unterschlagung, Betrug, Lug und Trug, wohin Sie schauen. Diese Demokratie ist vergleichbar mit einem Pelz, der voller Läuse sitzt. ({8}) Und Sie, meine Zuhörer, sind ja alle alte Frontsoldaten, und Sie wissen aus Erfahrung, wie man mit Läusen umgeht: man pickt sie heraus und knackt sie, daß das Blut spritzt." ({9}) Das waren die Vorstellungsworte des Herrn Dr. Krebs. Der Fraktionsführer der FDP, Herr Grosser, der diese Versammlung besucht hat, hat in Frankfurt am Main öffentlich erklärt: „Ich muß es als gewählter Stadtverordneter und Bürgerschaftsvertreter als eine Schande bezeichnen, was Herr Dr. Krebs dort ausgeführt hat." ({10}) Nun, Sie brauchen sich also nicht zu wundern, wenn die Frankfurter demokratischen Kreise daraus die Konsequenz gezogen haben: ({11}) Einmal Dr. Krebs und nicht wieder! ({12}) Wir haben in Frankfurt am Main erklärt: So lange sich die DP nicht sichtbar von diesen alten Nazi-Größen distanziert, betrachten wir sie nicht als eine demokratische Partei. ({13}) Aus eben diesen Gründen kam es auch in der Versammlung des Herrn Dr. Seebohm zu den Tumulten, weil auch dort wieder Herr Dr. Krebs als prominenter Vertreter der DP herausgestellt werden sollte. ({14}) Es ist sicherlich sehr anerkennenswert und verdienstvoll von Herrn Dr. Seebohm, wenn er einmal auf eine neue Art und Weise versucht hat, mit einer gegnerischen Zuhörerschaft fertig zu werden. Als es ihm nämlich zu bunt wurde, streckte er ihr kurzerhand die Zunge heraus ({15}) und machte die entsprechenden Gebärden dazu. ({16}) ({17}) Nun, wenn das etwa eine Einladung im Sinne eines klassischen Zitates gewesen sei soll, ({18}) die Frankfurter sind humorvoll, sie haben Herrn Dr. Seebohm ebenso eindeutig geantwortet, nämlich in dem Sinne: Du uns auch!, ({19}) nämlich so lange, so lange du den Dr. Krebs an der Spitze stehen hast! Nun aber frage ich doch im Ernst: was will Herr Dr. Seebohm oder die DP mit dieser Anfrage überhaupt? Ihr Versammlungsleiter hat die Versammlung selber geschlossen. Zu allem Überfluß hat Herr Dr. Seebohm der Frankfurter Polizei attestiert, daß sie sich in jeder Beziehung einwandfrei und korrekt benommen habe. ({20}) Trotzdem hier die große Anfrage? Ich glaube, die Frage, die sie an die Regierung stellen, sollte sich die DP selber stellen. ({21}) Die Antwort ist sehr leicht und eindeutig zu finden. Herr Dr. Seebohm sollte genau das tun, was der CDU-Abgeordnete Florian in Frankfurt in der Stadtverordnetenversammlung getan hat, als diese alten Nazi-Größen wieder aufkreuzten. Er rief ihnen nämlich kurz und lapidar zu: „Abtreten, meine Herren!" ({22}) Beweisen Sie von der DP, daß Sie nicht das Sammelbecken des Neofaschismus sind; und wenn Sie schon nicht glauben, meine Herren, auf diese wertvolle Gesellschaft verzichten zu können, dann bringen wenigstens Sie, Herr Dr. Seebohm, oder die verantwortlichen Leute das auf, was diese gescheiterten Größen nicht haben, nämlich politisches Taktgefühl, und stellen diese Leute wenigstens ins dritte oder vierte Glied Ihrer Bewegung, sofern dort überhaupt eine solche Gliedertiefe vorhanden ist. ({23}) Aber wenn Sie diese provozierenden Typen dem Volke präsentieren, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, daß die entsprechende Reaktion erfolgt. Viel besser ist es allerdings, wenn Sie diese Leute erst überhaupt nicht aufnehmen und sie dorthin verweisen, wo sie ihrer Herkunft und ihrer heutigen Gesinnung nach hingehören, nämlich in die SRP oder, wenn es geht, noch weiter rechts. ({24}) Schaffen Sie klare Fronten, dann laufen Sie auch nicht Gefahr, verwechselt zu werden, dann werden Sie auch jederzeit ohne jede Störung und auch in Frankfurt am Main in dem Genuß der demokratischen Grundrechte sein. Nun will ich Ihnen nur - weil Herr Kollege Ewers hier gesagt hat, in Frankfurt agierte der Mob - einige Äußerungen ({25}) der Parteivertreter zur Kenntnis bringen, die mit Ihnen hier in der Koalition sind; es dürfte für Sie ganz aufschlußreich sein. Herr Dr. Wilhelmy von der CDU hat in Frankfurt am Main in der Stadtverordnetenversammlung erkärt: Ich kann mir nicht denken, daß in dem liberalen Bürgertum irgendein Zweifel darüber bestehen könnte, daß eine Partei, die von Männern vertreten ist, wie hier die Gruppe der DP, daß diese Partei irgend etwas anderes sein könnte als eine neofaschistische Partei. ({26}) Meine Damen und Herren, ich sehe es als einen Mißbrauch des Namens der DP an, was uns hier vorgeführt wird, und ich sehe es als eine grobe Täuschung des Publikums an, was wir hier vor uns haben in den Vertretern, die die DP in das Stadtparlament entsandt hat. ({27}) Diese Leute gehören meiner Überzeugung nach nicht in die DP, sondern in die SRP. ({28}) Wir sind der Auffassung, daß es in der Tat nicht zumutbar ist, daß Männer unter einem falschen Namen, nämlich dem der DP, hier nationalsozialistische Politik in unseren kommunalen Sektor hineintragen wollen. Das ist der Grund, warum wir im Wege der Neufassung der. Geschäftsordnung nicht zulassen werden, daß diese Gruppe Fraktionsstärke hat. Die Fraktion meiner Partei wird, das erkläre ich mit aller Entschiedenheit, im Rahmen des gesetzlich Möglichen einen entschiedenen Kampf gegen diese DP, wie sie in Frankfurt am Main ist - und die keine echte DP darstellt -, mit aller Schärfe führen. Am Schluß seiner Ausführungen bezeichnet er diese Leute als „Wölfe im Schafskleid". Herr Grosser von der FDP hat im gleichen Sinne gesprochen. Er hat die Versammlung des Herrn 1) r. Krebs, wie erwähnt, als eine Schande bezeichnet und zum Ausdruck gebracht, daß es für ihn und seine Parteifreunde unmöglich sei, in der Art und Weise und in dem Geiste, wie Herr Dr. Krebs dort gesprochen hat, an den Aufbau Frankfurts heranzugehen. ({29}) Wir wollen aber nicht, - sagte er wörtlich gegen die Änderung der Geschäftsordnung stimmen, weil das heißen würde, daß wir Herrn Dr. Krebs, Herrn Bischof usw. Vorschub leisten wollten. Das darf auf keinen Fall geschehen. Ich möchte im Namen meiner Fraktion und in allem Ernst an die Deutsche Partei in Frankfurt am Main appellieren: reinigen Sie sich von den unerträglichen Leuten, die Sie hier in dieses Haus 'hineingebracht haben. ({30}) In einer Stadt, die einmal 37 000 Juden zu ihren Bürgern zählte, die zum größten Teil vernichtet worden sind, ist kein Platz für einen Herrn Dr. Krebs. ({31}) Das sind die Ausführungen von FDP- und CDU-Vertretern. Ich glaube, ich brauche dem nichts hinzuzufügen und brauche insbesondere nicht auszuführen, was der SPD-Vertreter dazu gesagt hat. ({32}) Nun überlegen Sie sich einmal, Herr Kollege Ewers, ob das der „Mob" ist. ({33}) Das, was von diesen Vertretern zum Ausdruck gebracht worden ist, ist genau das, was die Frankfurter Bevölkerung fordert. ({34}) Herr Kollege Walter meinte, wir sollten bei allem bedenken, welche Wirkung das auf das Ausland hat. Ich glaube, die Wirkung auf das Ausland ist um so eindeutiger und positiver, je deutlicher und energischer wir uns gegen solche Versuche eines Neofaschismus zur Wehr setzen. ({35}) Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang gleich noch auf eine andere Sache kurz zu sprechen kommen. Pfingsten veranstaltete der BDJ in Frankfurt am Main ein sogenanntes Freiheitstreffen. Sie sprachen von Menschenraub, Herr Walter. Nun, dieser Menschenraub wurde am Pfingstsamstag von Angehörigen des BDJ in Frankfurt praktiziert. ({36}) Ein Omnibus mit Teilnehmern fuhr am Pfingstsamstag durch die Stadt hinaus zum Stadion. In diesem Omnibus befand sich ein Mitglied der Bundesleitung des BDJ. ({37}) Etwa auf der Höhe der Villa Mumm auf der Forsthausstraße sahen die Omnibusinsassen, wie zwei Fünfzehnjährige eben dabei waren, Plakate des BDJ von einer Gartenmauer zu entfernen. Man schoß mit Scheintodpistolen auf diese Jungen. Der Omnibus wurde sofort gestoppt. Eine Gruppe der Insassen sprang heraus, verfolgte die zwei über die Gartenmauer nach der Villa Mumm hin. Den einen erwischte man, verprügelte ihn, drehte ihm die Arme auf den Rücken und schleppte ihn in den Omnibus. Bei der Jagd nach dem zweiten trat den Verfolgern ein in der Villa Mumm wohnender Polizeibeamter entgegen. Er war in Uniform, allerdings ohne Uniformrock. ({38}) Er trug ein 15 Monate altes Kind auf dem Arm. Er gab sich sofort als Polizist zu erkennen, hielt einen der Verfolger fest und versuchte, ihm einen Gummiknüppel abzunehmen. Daraufhin fiel die ganze Horde über den Beamten her, schlug ihn -mit dem Kind - zu Boden. ({39}) Das Kind wurde dabei verletzt. Dann prügelte man auf den am Bodern liegenden Beamten in der Weise ein, daß er mit erheblichen Verletzungen und einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus gebracht werden mußte. ({40}) Nach dieser .,Heldentat" entwischte die ganze Gruppe wieder in den Omnibus und flüchtete ins Stadion. ({41}) Das sofort alarmierte Überfallkommando stellte im Stadion die Tätergruppe fest, verhaftete sie und stellte auch die Scheintodpistole und weitere Schlagwerkzeuge sicher. Noch in der Nacht zum Pfingstsonntag berieten Oberbürgermeister und Polizeipräsident und kamen zu der Überzeugung: die geplante öffentliche Kundgebung auf dem Opernplatz mitten in der Stadt und der damit verbundene Demonstrationszug durch die Stadt werden verboten, ({42}) und zwar wegen Gefährdung der Ruhe und Sicherheit. ({43}) Die Veranstaltung mußte im Stadion stattfinden. Die darauf erfolgten Proteste und die Ankündigung einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht sind in Frankfurt am Main mit Gelassenheit entgegengenommen worden; sie werden die gebührende Antwort finden. Warum habe ich das hier erwähnt? Ich will damit erneut unter Beweis stellen, daß in Frankfurt am Main kein Platz ist für neofaschistische Experimente oder antidemokratische Provokationen irgendwelcher Art. ({44}) In keiner Weise wollen wir ein Wiederaufleben des Nazi- oder HJ-Geistes erleben. Die SPD wird alle diejenigen, die bewußt oder unbewußt einem solchen Wiederaufleben Vorschub leisten, auf das schärfste bekämpfen. Es liegt an Ihnen, meine Herren von der DP, ob Sie uns bei dem vielen, was uns sonst trennt, auch auf diesem Gebiete weiterhin als schärfsten Gegner finden. Bessern Sie sich in der Beziehung, indem Sie sich sichtbar und deutlich von diesen Leuten distanzieren. Es wäre wesentlich besser für uns, wenn sich die übergroße Mehrheit in diesem Hause einig darüber wäre: Nazi-Krebs-Gang nie wieder! Aber dazu genügen nicht Lippenbekenntnisse und pathetische Beteuerungen, dazu gehören eindeutige, sichtbare Maßnahmen. Welcher Art diese zu sein haben, sagen Ihnen sehr deutlich die Empfehlungen der Frankfurter demokratischen Kreise. Handeln Sie danach, Herr Minister Seebohm und die Anfragesteller, und Sie sind wahrscheinlich nie mehr in die Notwendigkeit versetzt, eine solche Anfrage hier zu stellen. ({45}) Handeln Sie aber nicht danach und versuchen Sie weiterhin, mit Euler-Spiegeleien in den Kreisen der ehemaligen Nazi die Gefolgschaft zu finden, die Ihnen offenbar sonst versagt ist, stellen Sie weiterhin Nazigrößen zum Gimpelfang heraus, nun, dann beklagen Sie nicht darüber, wenn man an Ihrer demokratischen Zuverlässigkeit zweifelt und entschlossen ist, Ihnen entgegenzutreten und dafür zu sorgen, daß diese Demokratie nicht ein zweites Mal ein schimpfliches Ende nimmt. ({46})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete von Merkatz.

Dr. Hans Joachim Merkatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001477, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die überaus unerfreulichen Erörterungen, ({0}) will ich auf ihren sachlichen und politischen Gehalt zurückzuführen versuchen. Hier ist vorhin das Wort gefallen, daß die Demokratie ein schimpfliches Ende finden könnte. Meine Damen und Herren, es ist der sicherste Weg für dieses schimpfliche Ende, wenn diese Gewaltmethoden, Ver({1}) sammlungsstörungen und, ich möchte mal sagen, wenn diese Ausübung einer „volksdemokratischen Kontrolle" ({2}) fortgesetzt werden. Sehen wir die Dinge einmal mit aller Ruhe und Klarheit an. Es sind gegen den Stadtverordneten Dr. Krebs in Frankfurt allerhand, Behauptungen in diesem Hohen Hause vorgebracht worden, das an und für sich nicht dafür da ist, über irgendwelche Personen Scherbengerichte abzuhalten. Es liegt im Falle Dr. Krebs ein sehr eingehend begründetes Urteil der Entnazifizierungskammer des Lagers Darmstadt vor. ({3}) Das genügt noch nicht; es liegt außerdem ein überaus sorgfältig begründetes Urteil des Disziplinargerichtshofes in Hessen vor, in dem die Hauptvorwürfe, die Sie gegen Herrn Dr. Krebs erhoben haben, ihre Widerlegung gefunden haben. ({4}) Natürlich sehen wir uns unsere Leute an, wenn wir sie anerkennen, ({5}) und wir haben gerade diesen Fall sehr eingehend durchgeprüft. ({6}) - Es ist hier nicht eine Frage des politischen Geschmacks, Herr Kollege Köhler, ({7}) sondern es handelt sich um die Durchsetzung eines klaren Rechts. Wir vertreten mit andern Freunden aus der Koalition die Auffassung, ({8}) daß wir bemüht sein sollten, unter die Vergangenheit einen Schlußstrich zu ziehen. Wir nehmen die Frage der Beendigung der Entnazifizierung außerordentlich ernst. ({9}) Wir wenden uns in dem Falle, in dem ein Mensch in seiner persönlichen Haltung keiner ehrenrührigen Handlung überführt ist, ({10}) dagegen, daß dieser deutsche Staatsbürger mit einer vorgefaßten Meinung und einem reinen Vorurteil diffamiert wird. ({11}) Das ist ein Grundsatz, den wir durchsetzen werden und für den wir zu stehen haben, weil wir glauben, daß damit eine der Grundlagen der Demokratie geschaffen wird. ({12}) Wir wenden uns dagegen auch, wenn gegen Personen, die nicht unserer Fraktion angehören, gegen irgendeinen Politiker in dieser Weise mit reinen Vorurteilen gearbeitet wird. ({13}) Es ist nötig, daß in dieser Welt wieder ein ruhiger und ehrlicher rechtlicher Maßstab Geltung erlangt. "({14}) Wer sich im einzelnen über die Behauptungen orientieren will, die ich in bezug auf die Person des Herrn Krebs aufgestellt habe, dem werde ich gerne die beiden Urteile zur Verfügung stellen, deren Abschriften in meiner Hand sind. ({15}) Meine Damen und Herren, es ist ein absolut falscher Weg, daß die eine Partei der andern Partei gewissermaßen Vorschriften darüber macht, was Demokratie ist oder was nicht Demokratie zu sein hat; so können wir nicht fortfahren. ({16}) - Wir nehmen es nicht so übermäßig ernst, wenn Sie uns von Ihrem Standpunkt aus die demokratische Legitimation versagen. ({17}) Es gibt in unserem deutschem Vaterland augenblicklich so viele Vorgänge, denen wir allerdings auch die demokratische Legitimation restlos zu verweigern genötigt sind. ({18}) Sie wissen, was ich meine. ({19}) Da ist der Fall Krebs, und an diesem Fall interessiert uns der Grundsatz, ({20}) daß ein ehemaliger Nationalsozialist, den wir nach seiner heutigen Haltung zu beurteilen haben, in der Öffentlichkeit nicht derart diffamiert werden darf. Darum geht es; das ist ein Grundsatz. ({21}) Im Grundgesetz sind nach einer Zeit der absuluten Staatswillkür, in der jede freie politische Meinungsäußerung verboten und unmöglich gemacht worden war, ganz klare Bestimmungen über die Ausübung der Meinungsäußerung und der demokratischen Grundrechte enthalten. Zur Abwehr etwaigen Mißbrauchs solcher Grundrechte sieht unser Grundgesetz ein rechtliches Verfahren vor. Wer also glaubt, daß eine Person oder eine politische Gruppe die Staatsgrundlagen gefährde, der mag sich mit dieser seiner Behauptung an das Bundesverfassungsgericht wenden, mag die in der Verfassung vorgesehenen Maßnahmen - und nur sie sind gesetzlich - ergreifen. Dann mag sich herausstellen, ob seine Behauptung wahr ist oder nicht. Meine politischen Freunde sind jedenfalls eisern entschlossen, unter allen Umständen diese klare rechtsstaatliche Grundlage in der Politik durchzusetzen. ({22}) - So, das ist Ihre Meinung. Unsere Meinung ist, daß ein ehemaliger Nationalsozialist, der den Beweis erbringt und die Gewähr dafür bietet, daß er ein anständiger Mensch ist und den heutigen Staatsgedanken bejaht, nicht durch Terrormaßnahmen behindert werden darf. ({23}) - Herr Abgeordneter Greve, Ihre Beleidigungen berühren mich absolut nicht. Lesen Sie das Urteil ({24}) des Ehrengerichtshofs der Anwaltskammer durch, dann werden Sie über Herrn Krebs das wirklich gültige, von besonnenen Männern gesprochene Urteil finden. ({25}) Es ist z. B. interessant, daß bei der Versammlung, die Herr Minister Seebohm abhalten wollte und bei der er überhaupt nicht zum Wort zugelassen worden ist, Herr Krebs gar nicht zugegen war, sondern daß die Bevölkerung Frankfurts offenbar Herrn Krebs gar nicht mehr gekannt hat. Denn der Mann, den sie da herausgeworfen haben wollten, war ein harmloser Sudetendeutscher, der auch äußerlich überhaupt keine Ähnlichkeit mit der Statur des Herrn Krebs hat. Daraus sehen Sie ja doch, daß die ganze Sache eine vorab bestellte Terrormaßnahme war. ({26}) Wenn Sie diese Maßnahme rechtfertigen wollen, dann möchte ich wissen, worin diese Vorstellung von der Demokratie sich noch von der Volksdemokratie, gegen die Sie doch angeblich so Front gemacht haben, so wesentlich unterscheidet. ({27}) Herr Dr. Seebohm war gar nicht in der Lage, überhaupt ein Wort zu sprechen, ({28}) so daß er allmählich zu einer Zeichensprache gelangen mußte, ({29}) die der ganzen Narretei angemessen war, die auf der anderen Seite exerziert worden ist. ({30}) Nun noch zu dem sachlichen Gehalt. Der Herr Innenminister hat uns die Frage vorgelegt, warum in diesem Hohen Hause das Versammlungsordnungsgesetz, das doch eine wirklich legale, eine gesetzliche Maßnahme bietet, um solche Vorgänge zu verhindern, nicht verabschiedet wird. Ich glaube, es wäre interessant, Ihr eigenes demokratisches Gewissen einmal dahingehend zu prüfen, ob es nicht besser wäre, wenn Sie die Waffe der Versammlungsstörung für die Zukunft aus der Hand legten und wenn wir in diesen Fragen zu einer anständigen rechtsstaatlichen Ordnung kommen könnten. ({31}) Deshalb haben wir die Interpellation eingebracht. ({32})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, es scheint etwas ansteckend zu wirken. Die Ausdrücke „Quatsch" und „Unverschämtheit" scheinen mir der Würde des Hauses nicht angemessen zu sein. ({0}) Ich darf bitten, doch auf dem Niveau des Parlaments zu bleiben, selbst wenn es aufgeregte Situationen gibt. ({1}) Das Wort hat Herr Abgeordneter Wuermeling. ({2})

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der wesentliche Tatbestand, der bei der heutigen Debatte im Vordergrunde steht, ist der, daß man sich in Frankfurt dagegen wehrt, daß der frühere Kreisleiter und Nazioberbürgermeister Krebs, der das von 1933 bis 1945 war, heute in Frankfurt wieder eine politische Rolle spielen will. In diesem Zusammenhang hat eine Versammlung, die offensichtlich mit diesem Herrn Krebs unter Beteiligung des Herrn Bundesministers Seebohm vorgesehen war, nicht durchgeführt werden können. Die einen führen Beschwerde darüber, daß die Versammlungsfreiheit nicht gewährleistet gewesen sei; sie beschweren sich über die Behinderung der Redefreiheit in politischen Versammlungen und glauben, formal im Recht zu sein, weil die Demokratie die freie Meinungsäußerung gewährleistet. ({0}) Die andere Seite will unsere junge Demokratie gegen diejenigen geschützt sehen, die schon einmal ihre Totengräber gewesen sind, ({1}) die namenloses Elend und Leid über unser Volk, ja über die ganze Welt gebracht haben und sich heute schon wieder auf die politische Bühne drängen. ({2}) Wir sind der Meinung, daß nach der ausführlichen Debatte zu diesen Dingen jetzt nicht mehr sehr viel gesagt zu werden braucht, aber es muß meines Erachtens einiges Wenige sehr klar und deutlich gesagt werden. Man sollte meinen, daß diese politischen Führer von einst das Bedürfnis hätten, in aller Stille durch Arbeit und Fleiß ihren Lebensunterhalt zu verdienen ({3}) und den von ihnen angerichteten Schaden zu ihrem bescheidenen Teil wieder gutzumachen, anstatt dem von ihnen ins tiefste Elend gestürzten Volke erneut ihre politischen Verführungskünste anzubieten, jenem Volke, dessen neue Demokratie so unendlich gnädig mit ihnen umgegangen ist. ({4}) Es wirkt wie eine Verhöhnung der Millionen Notleidender unseres Volkes, wenn führende Träger des nationalsozialistischen Systems es heute wagen, die von ihnen verschuldete Not für ihre politischen Ziele zu mißbrauchen. ({5}) Wenn sie das tun, brauchen sie sich nicht über die Folgen zu wundern, die dann im politischen Raum entstehen. ({6}) Dabei interessiert es uns nicht entscheidend, ob diese führenden Nationalsozialisten damals gerade zu den Schlimmsten gehört haben oder nicht ({7}) ({8}) oder ob sie sich heute mit Stapeln von Persilscheinen als Unschuldsengel präsentieren. ({9}) Wenn sie wirklich so anständig waren und wären, wie sie zu sein und gewesen zu sein vorgeben, dann wären sie der Geschmacklosigkeit und der politischen Taktlosigkeit nicht fähig, die darin besteht, daß sie unser gepeinigtes und geplagtes Volk heute durch ihr Wiederauftreten provozieren. ({10}) Art. 18 unseres Grundgesetzes besagt, daß die Vertreter eines undemokratischen Systems ihre Grundrechte verwirkt haben. Wenn die Existenz dieses Artikels allein nicht genügt, um in diesem Sinne geordnete Verhältnisse bei uns herbeizuführen, ({11}) dann werden wir rechtliche und gesetzliche Mittel und Wege finden und finden müssen, um die Dinge in Ordnung zu bringen. ({12}) Die deutsche Demokratie läßt sich nicht noch einmal überfahren, ({13}) und die demokratischen Rechte stehen nicht als Mittel zu ihrer Beseitigung zur Verfügung. ({14}) Der Herr Minister des Innern hat an die Erledigung des Versammlungsordnungsgesetzes erinnert. Ich möchte mich diesem Appell an unseren zuständigen Ausschuß eindringlich anschließen; ({15}) denn die Entwicklung der Dinge in den letzten Wochen und Monaten beweist, wie dringlich - nun von der anderen Seite her gesehen - die gesetzliche Regelung dieser Dinge ist. Es wird an uns in diesem Hause sein, die Dinge recht bald zu fördern. Unsere Bevölkerung aber - das möchte ich von der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union her sagen - kann sicher sein, daß wir alles tun, um die Freiheit und die Rechte der Demokratie sicherzustellen. Es ist beanstandet worden, daß ein aktiver Bundesminister durch Beteiligung an dieser mit Herrn Krebs vorgesehenen Versammlung in die Dinge hineingezogen worden ist. ({16}) Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen, daß auch wir das aufrichtig bedauern, und ich möchte mit dem Faust-Wort an Herrn Minister Seebohm schließen: „Es tut mir in der Seele weh', daß ich dich in der Gesellschaft seh'" ! ({17})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat Herr Abgeordneter Heiland.

Rudolf Ernst Heiland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000843, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, bei dieser Großen Anfrage ging es weniger um eine verhinderte Versammlung als darum, daß erstmalig mit einer unverschämten Frechheit sich dieses Haupt des Nationalsozialismus, dieses Mal noch getarnt unter dem Zeichen einer demokratischen Partei, in Deutschland wieder erhebt. Herr Kollege Merkatz, Sie sagten, man müsse doch den demokratischen Grundrechten Rechnung tragen, denn Herr Krebs sei durch die verschiedensten staatlichen Untersuchungsorgane wieder reingewaschen. Sie zogen auch das Urteil der Entnazifizierungskammer an. Nun wollen wir mal hören, was Herr Dr. Krebs auf dem Landesparteitag der DP in Hessen über diese Entnazifizierungskammern sagte. ({0}) - Frau Kollegin Kalinke, ich würde Ihnen empfehlen, vielleicht einen Moment ein ganz klein wenig Gefühl für politischen Anstand in der Hinsicht aufzubringen. ({1}) - Das werde ich Ihnen noch viel deutlicher sagen, Herr Mühlenfeld! Sie vergessen nämlich, daß Sie den politischen Hasardeur Hedler auch in dieses Haus gebracht haben! ({2}) Dieser Herr Krebs hat über die Entnazifizierungskammern folgendes gesagt: Die Entnazifizierungsgerichte waren alles Kriminelle, die eingesperrt gehören! ({3}) - Ach, wissen Sie, Herr von Thadden, ich würde Ihnen empfehlen, doch erst einmal das nachzuholen, was andere vor 1933 und in den Jahren nach 1933 für den Bestand des deutschen Volkes überhaupt geleistet haben! ({4}) - Sehr richtig, Frau Kalinke, und damit sie nicht wieder ans Ruder kommen, passen wir diesmal auf. ({5}) Aber ich glaube, wir befinden uns in sehr guter Gesellschaft. Herr Bundesminister Storch hat am 27. April in Offenbach gesagt: Es besteht die Aufgabe, sich von der Brut, die jetzt versucht, sich in demokratischen Parteien wieder breitzumachen, schnellstens zu säubern. - Ich kann mir nicht vorstellen, daß Herr Arbeitsminister Storch bei dieser Äußerung nicht ganz konkrete Vorstellungen gehabt hat. Aber wir sollten doch auch Herrn Minister Seebohm, der sich in seinen demokratischen Rechten beeinträchtigt fühlt, einmal fragen, was er denn unter Demokratie versteht, wenn er sich mit den Prototypen des Antidemokratischsten, was es in Deutschland überhaupt gegeben hat, liiert. ({6}) Herr Seebohm, ich möchte in diesem Falle in der Beurteilung Ihrer Person gar nicht mein eigenes Urteil anziehen, sondern ich würde Ihnen empfehlen, genau wie ich einmal eingehend die Freie Demokratische Korrespondenz zu lesen, und zwar die Ausgabe vom 13. Mai 1952. Da steht u. a. einmal über die DP und dann noch über Sie, Herr Minister Seebohm, im besonderen etwas, was ich - mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten - dem Hohen Hause nicht vorenthalten möchte und was ich deswegen wörtlich zitieren möchte. „Eine notwendige Zurechtweisung" ist die Sache überschrieben, und es steht darin: ({7}) Unter den drei Koalitionsparteien in Bonn ist die kleinste, wenn auch mitunter die lauteste, die Deutsche Partei ... Daneben stehen wenige liberale Elemente, einige in gutem Sinne Konservative und schließlich in den Hansestädten und in Hessen bewährte NSDAP-Funktionäre. Das bestätigt Ihnen also die Pressekorrespondenz der FDP. Und dann: Mit all dem haben auch der Ton und die Art nichts zu tun, mit der der Pressedienst der DP, einzelne ihrer Abgeordneten und einer ihrer Bundesminister Politik und Propaganda zu mengen belieben, in der sie sich von Zeit zu Zeit wichtigtuerisch über ihre Partner erheben und eine Propaganda pflegen, die oft dem Verstand und mitunter dem primitivsten Anstand Hohn spricht. ({8}) Die Freude Herrn Seebohms an langen und lauten Reden ist bekannt, die Notwendigkeit, sie hinterher zu korrigieren und Magnetophonbänder des Irrtums zu zeihen, auch. ({9}) - Fragen Sie einmal den Korrespondenten des Nordwestdeutschen Rundfunks der ja in dieser Angelegenheit an höchster Stelle Bericht erstattet hat! - Dann heißt es in dieser Pressekorrespondenz weiter: Und nun brüstet sich ein Bundesminister sogar eines Erfolges seiner Partei über den Herrn Bundespräsidenten. Nach solchem Vorgang und im vollen Wissen mindestens darum, daß das, was er sagte, sachlich unwahrhaftig war! ({10}) Ob der Herr Bundesminister daneben auch noch gefühlt hat, daß es unanständig und taktlos war, wagen wir nicht zu hoffen. ({11}) Vielleicht belehren ihn darüber die wirklich konservativen Männer und Frauen seiner Partei. Herr von Merkatz und Herr Ewers, vielleicht haben Sie Gelegenheit, sich hier einmal zu betätigen! - Die FDK schreibt: „Wir hängen niedriger!" - Ich kann nur sagen: so niedrig kann man gar nicht hängen! Meine Damen und Herren, ich bin aber auch der Meinung, daß man die Vorgänge in Frankfurt auf ihren wirklichen staatspolitischen Gehalt zurückführen sollte. Und, Herr Seebohm: Wer sich zum Sprecher für politische Gangster, einen Herrn Krebs macht, der hat verwirkt, in Deutschland sich noch als Demokrat zu bezeichnen. ({12}) Ob Herr Krebs saubergewaschen ist oder nicht, ist dabei völlig gleichgültig. ({13}) Keiner der Redner der DP, die heute an diesem Pult gestanden haben, hat etwas zur Rede des Herrn Krebs auf dem DP-Parteitag gesagt. Warum schweigen Sie sich denn zu dieser Frage aus? ({14}) - Weil Parteitage mit solchen verbrecherischen Reden, wie sie Herr Krebs auf Ihrem Parteitag gehalten hat, nicht nur nicht mehr ins deutsche Volksleben gehören, sondern dahin gehören, wo Sie die ganze Zeit anständige deutsche Leute hingebracht haben! ({15}) Und Sie, Herr v o n Merk a t z, haben keinen Satz zu dem 13. Juni 1933 gesagt. Sie verlangen für diesen Dr. Krebs die demokratischen Freiheiten, für denselben Dr. Krebs, von dem mein Parteifreund sagen konnte, daß er am 13. Juni 1933 nicht nur zugesehen hat, sondern aktiv an dem Auseinanderschlagen eines demokratisch gewählten Parlaments in Frankfurt beteiligt gewesen ist. ({16}) Es muß schon ein ziemlicher Verfall der politischen Sitten, sieben Jahre nach dem katastrophalen Zusammenbruch dieser Unterweltpolitiker gewesen sein, daß es heute in diesem Parlament Menschen gibt, die sich für solch eine Frage auch noch hier hinzustellen wagen. Ich möchte mich mit Ihnen, Herr Walter , nicht auseinandersetzen; ({17}) denn wer bis 1933 dadurch den Nationalsozialisten das Bett gemacht hat, daß er als Kommunist z. B. beim „roten Volksentscheid" in Preußen die demokratischen Organe lebensunfähig gemacht hat und dann erst mitten im Kriege seinen Weg zu Adolf Hitler erkannt hat, der hat das Recht verwirkt, hier noch über demokratische Grundrechte zu reden. ({18}) Aber, meine Damen und Herren, es geht ja viel tiefer! Es geht ja so tief, daß Ihr Kandidat bei der Bundestagsnachwahl in Bremen z. B. der SRP den Vorwurf macht, daß sie einen eigenen Kandidaten aufstellt, weil die Deutsche Partei ja längst das alles fordere und verwirkliche, was die SRP fordert_ ({19}) Ich möchte Ihnen auch hier - und zwar aus einer bürgerlichen Zeitung aus Bremerhaven - vorlesen, was Ihr Kandidat Schneider gesagt hat: ... daß sie durch die Nominierung eines eigenen Kandidaten die antimarxistischen Stimmen zersplittere und damit einen Betrug an den eigenen Wählern begehe. Schneider erinnerte weiter an die erfolgreichen Bemühungen seiner Partei bei der Lösung entscheidender Fragen und bei der Wahrung von Interessen, die sich heute, da es kein Risiko mehr bedeute, die SRP zu eigen mache. Meine Damen und Herren, Sie haben damit lediglich unter Beweis gestellt, daß Sie ja nur die verhinderte SRP sind. ({20}) - Ach, Herr Mühlenfeld, das ist so schwach, daß Sie vorhin, nachdem mein Parteifreund Ihnen die wirkliche Rede von Dr. Krebs vorgelesen hat, gar nicht einmal mehr gewagt haben, Zwischenrufe zu machen. Es hat Ihnen plötzlich auf Ihrer ganzen Seite die Stimme verschlagen. Wenn Sie wenigstens noch eines aufbrächten - mehr sollte man von Ihnen nicht fordern, denn zu mehr werden Sie nicht fähig sein -, Sie sollten endlich lernen, sich mit Anstand zu schämen. ({21})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich schlage vor, daß wir nun langsam wieder zur Sache kommen. Es handelt sich um die Gewährleistung der Meinungs und Versammlungsfreiheit, Herr Abgeordneter Heiland.

Rudolf Ernst Heiland (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000843, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Es geht hier um eine Grundsatzfrage, darum, daß das Parlament aufgerufen ist, den Schutz für alte Nazis zu übernehmen, den Schutz für die Leute, die schon einmal das deutsche Unglück bedeutet haben. Ich möchte Ihnen noch einen Satz dieses sauberen Herrn Dr. Krebs zu Gemüte führen. Der Herr Dr. Krebs spricht davon, daß die schöne Altstadt in Frankfurt früher ein Schmuckkästchen war und daß sie jetzt ein Trümmerhaufen und die Brutstätte des Lasters und Verbrechens ist. Dabei bezieht sich das „jetzt" auf die Demokratie nach 1945. Er sagt weiter: „Wir hatten früher eine saubere Verwaltung und heutzutage Korruption und Verschwendung." Das haben wir von diesem Herrn alles schon einmal gehört. ({0}) Sie können eins als ernstes Wort mitnehmen: ({1}) die deutsche Demokratie wird nicht ruhig zusehen, daß diese Leute in das politische Leben zurückkommen. Es gibt auch noch ein Notwehrrecht des einzelnen Staatsbürgers gegen Verbrecher, die Deutschland schon einmal zugrunde gerichtet haben. ({2}) Wir nennen die Leute, die den Nationalsozialismus verschuldet haben, die Leute, die heute mit denselben Methoden wieder ins politische Leben zurückkommen wollen, Verbrecher. Und diejenigen, die sie schützen wollen, müssen sich, wenn sie in den Sumpf steigen, nicht wundern, daß sie im Sumpf ersticken. ({3})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat noch einmal kurz Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz.

Dr. Hans Joachim Merkatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001477, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren, meine Herren von der Opposition! Wir haben nicht die Absicht, Ihnen das Vergnügen zu bieten, daß wir uns hier über Grundsatzfragen der Moral und der Geschichte in der Koalition verstreiten. Darauf zielten ja alle Ihre Bemerkungen hin. Ich billige nicht - das muß ich sagen -, was Herr Kollege Wuermeling hier zum Ausdruck gebracht hat. Aber untereinander werden wir das mit aller Deutlichkeit abhandeln; das gehört hier nicht hin. Ich möchte allen, die sich hier als die Saalwächter der Demokratie aufwerfen, empfehlen, einmal das durchzulesen, was Max Weber in seinen Schriften zum Begriff der politischen Schuld hinterlassen hat. Damals ist dieses Problem auch aufgeworfen worden. Dort sind die echten und richtigen Maßstäbe zu finden. Es ist geschmacklos, über moralische Grundsätze und über Grundsätze des Geschmacks zu streiten. Sie gehören nicht in eine politische Debatte. ({0}) - Nein, in die politische Diskussion gehören die nüchternen Tatsachen. Zu diesen Tatsachen gehört, daß in diesem Hause fast einmütig vor allen Wahlen der Abschluß der Entnazifizierung als einer der wichtigsten Belange herausgestellt worden ist. ({1}) Wir, die wir aus dem konservativen Lager kommen, vertreten den Grundsatz, daß kein Bürger dieses Staates rein auf Grund eines massentümlichen Vorurteils in seiner bürgerlichen Existenz geschmälert werden darf. Es gibt in der Politik eine Haftung für Handlungen, ({2}) für Handlungen, für die man aus innerem Anstand einstehen muß, auch in allen weiteren Zeiten. Diesen Grundsatz erkennen wir als konservative Menschen an; darüber kann gar nicht gestritten werden. Aber das sind Fragen der Morallehre, die nicht in einer lauten Debatte hier erörtert werden können. Ich komme auf die Rede von Herrn Krebs. Ich kann es mir in diesem Punkt leicht machen. Was uns hinsichtlich der Seriosität der Angriffe, die von Ihrer Seite vorgebracht worden sind, so bedenklich gemacht hat, ist der Umstand, daß die dem Dr. Krebs zur Last gelegten Äußerungen gar nicht in diesem Sinne und in dieser Form geschehen sind. Das haben wir sehr genau nachgeprüft. Immer wieder werden solche Dinge vorgebracht, und nachher ergibt sich, daß hinter der Anschuldigung gar nichts steht. ({3}) Es ist durchaus lohnend gewesen, wenn auch nicht erfreulich, daß wir uns heute mit dieser Frage, die immer noch unausdiskutiert in unserem deutschen Volke lebt, beschäftigt haben. Meine politischen Freunde haben festgestellt, daß in gewissen Grundsatzfragen der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und auch in der inneren, seelischen Bewältigung von Tatsachen der Vergangenheit im deutschen Volke und namentlich in diesem Hause noch sehr weitgehende Unterschiede der Auffassung vorhanden sind. ({4}) Wir - das werden Sie uns nicht verwehren können - werden für den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit eintreten ({5}) und dazu beizutragen suchen, daß dieses deutsche Volk die schwere, die schreckliche Vergangenheit, die es hinter sich hat, wirklich innerlich überwindet. Was uns im engeren Kreis der Koalition betrifft, das diskutieren wir nicht mit der Opposition, das machen wir untereinander aus. ({6})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden. von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ungemein beruhigend, zu wissen, daß wir unsere sozialdemokratischen Kapitolgänse hier haben, die immer dann laut Krawall machen, wenn sie glauben, daß sie irgendwelche Zensuren austeilen müßten, Zensuren darüber, wer nun Demokrat sei und wer nicht, Zensuren darüber, wer noch Deutscher sei oder nicht mehr und ähnliche Dinge mehr. Es ist ({1}) darüber hinaus sehr wesentlich gewesen, die Rede des Herrn Wuermeling zu verfolgen. Aber, meine Damen und Herren von der Linken: Sie sind immer nur dann empfindlich, wenn es Ihnen zufällig nicht in den Kram paßt. Wenn es Ihnen in den Kram paßt, sind Sie gegenüber ehemaligen Nationalsozialisten überhaupt nicht empfindlich. Sie machen sie unbesehen zu Ministern, wenn es eben nötig ist, ohne zu fragen, was der Betreffende früher war. ({2}) Es geht hier nach meiner Auffassung nicht um Vorgänge in Frankfurt oder um Frankfurt herum, sondern es geht darum, daß es allerhöchste Eisenbahn ist, einer Verwilderung der politischen Sitten mit entsprechenden Gesetzen entgegenzutreten. Und, Herr Minister, es ist nicht Schuld des Ausschusses, daß dieses Versammlungsordnungsgesetz noch nicht hier ist. Die Ausschußberatungen sind vor neun Monaten abgeschlossen gewesen. Es ist die Schuld einiger Parteien im Hause, die es im Ältestenrat nicht fertiggebracht haben, hier über das Gesetz eine Debatte anzusetzen. Dieses Versammlungsordnungsgesetz stand la schon einmal auf der Tagesordnung, und es hätte vor fünf Monaten schon verabschiedet sein können, wenn man es gewollt und nicht 24 Stunden vorher das fertige Gesetz von der Tagesordnung abgesetzt hätte. Es ist nicht so, daß nur gegen Leute der DP in Frankfurt Krawall gemacht worden ist. Es wird bei jeder passenden oder unpassenden Gelegenheit Krawall gemacht gegen denjenigen, der Ihnen nicht paßt, ob das nun Frau Wessel ist, die in Berlin mit Stinkbomben beworfen wird und mit Polizei aus dem Saal heraus muß, ob das in diesem Fall der Herr Minister Seebohm ist, der nicht sprechen kann. Herr Mellies, ich könnte aus meiner eigenen Erfahrung eine reichhaltige Kette von Fällen hier anbringen, wo Versammlungen am laufenden Band von Ihren Leuten zusammen mit Kommunisten gesprengt worden sind. Sie haben doch Ihre Parteischule in Kochel dazu hergegeben, daß von der sogenannten .,Demokratischen Aktion" des Herrn Schopen - dessen „Echo der Woche" Gott sei Dank schon krepiert ist ({3}) präzise durchgesprochen wurde, wie man eine Versammlung erfolgreich sprengt, eine Versammlung derjenigen, ,die nun eben, von welcher Richtung, ist egal. eine andere Meinung haben als die sogenannten Patentdemokraten. Es ist dringend erforderlich, daß das Versammlungsordnungsgesetz, wenn es hier ins Plenum kommt. noch eine Ergänzung erfährt. indem es darin heißt: „Wer eine Versammlung vorsätzlich sprengt, wird mit Gefängnis bestraft." Dann haben wir Ruhe. Ich wundere mich, daß Herr Marx von Ihnen hier nicht vorgetreten ist. Herr Marx, der ja in München als Redakteur oder als Organisator von solchen Versammlungssprengungen sich schon einen Namen gemacht hat. Von anderen Herren, die sich hier im Bundestag prügeln, möchte ich ganz absehen. ({4}) - Welche? ({5}) - Nein, Herr Feitenhansl ist noch nie mein Parteigenosse gewesen und wird es auch nicht werden. Nur weiß ich, was in München vor sich gegangen ist. Es ist sehr bedauerlich, daß das Münchener Gericht, obwohl Hunderte von Zeugen dafür dagewesen sind - Polizeibeamte, Kriminalbeamte -, die genau erlebt haben, wie diese Versammlung von einem organisierten Sprengtrupp von Ihnen hochgejagt worden ist, offenbar nicht den Mut hatte, die Leute, ,die klar als die vorsätzlichen Sprenger erkannt worden sind, zur Rechenschaft zu ziehen. Hoffen wir, daß das in Zukunft in größerem Umfang geschieht. ({6})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Goetzendorff. ({0}) Goetzendorff ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eben kam der Zuruf „Superdemokrat". Ich werde den Herren Freien Demokraten am Schluß eine Extrazugabe gewähren.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Aber bitte im Rahmen von drei Minuten! ({0}) Goetzendorff ({1}): Im Rahmen von drei Minuten. Meine Damen und Herren! Bei der Koalition herrscht auch nicht nur eitel Eintracht und Freundschaft. Das haben wir heute erlebt, als Herr Wuermeling den seltenen Genuß hatte, über so viel Beifall quittieren zu dürfen. Es ist für mich sehr erheiternd, hier festzustellen, wie man sich in der Frage der Behinderung der Meinungsfreiheit ereifert, wenn die Meinung in öffentlichen Versammlungen geäußert wird, erheiternd vor allem, wenn ich hier die Debatte verfolge und sehe, wie man sich gegenüber Rednern, 'die der Mehrheit des Hauses nicht genehm sind, benimmt: Der eine tippt sich an den Kopf, der andere sagt Ausdrücke, die zumindest von einer sehr schlechten Kinderstube zeugen. Ich meine, nicht nur ein Gesetz ist notwendig, um die Versammlungsfreiheit sicherzustellen, sondern jeder von Ihnen, die Sie am Born der Demokratie sitzen, müßte Einkehr halten und selbst in seinem persönlichen Lebenswandel und in seinem parlamentarischen Verhalten ({2}) die Demokratie vorexerzieren. - Meine Damen und Herren, Sie zwingen mich durch diesen Zwischenruf, heute - Sie, Herr Kollege von der SPD, kommen nächstes Mal dran! - eine kleine Episode zu erzählen. Zwei Abgeordnete des Hohen Hauses stimmten heute nacht im ,Fröhlichen Weinberg" zu Köln nach der zehnten Flasche Sekt das Lied an „Wir wollen unsern Adolf Hitler wieder haben". Ich würde der Fraktion der FDP einmal empfehlen, festzustellen, wer von ihren Mitgliedern heute im „Fröhlichen Weinberg" in Köln in dieser Weise die Demokratie vorexerziert hat. ({3})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter von Rechenberg legt Wert auf die Feststellung, daß er es nicht war. ({0}) ({1}) Außerdem fallen die Versammlungen im „Fröhlichen Weinberg" nicht unter das Thema dieser Debatte. ({2}) Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hammer.

Dr. Richard Hammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000795, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren, ich war es auch nicht. Ich könnte mir aber vorstellen, daß ich nach einigen Flaschen Wein, die zu trinken ja keine Sünde ist, sogar im Jux einmal die Marseillaise singen würde. ({0}) - Nun, eben drum. Meine Damen und Herren, Scherz, Ironie und tiefere Bedeutung! Davon also jetzt kein Wort mehr! Die Diskussion scheint heute hier drei Dinge völlig durcheinandergeworfen zu haben. Das eine ist der Fall Krebs; nicht nur der Fall Krebs, sondern eine ganze Reihe von Fällen, von „Krebsschäden", die wir im Augenblick im öffentlichen und im parlamentarischen Leben Deutschlands immer wieder feststellen müssen. Ich habe keine Unterlagen, um nachprüfen zu können, ob die Zitierungen der Ausführungen des Herrn Dr. Krebs auf einer Parteiversammlung in Frankfurt am Main der Wahrheit entsprechen. Ich weiß nicht, ob ein Verfahren schwebt. Wenn ich das wüßte, würde ich meinen Mund halten, um in ein solches Verfahren nicht einzugreifen. Wenn der Herr Dr. Krebs dort tatsächlich dieses schöne Beispiel von dem Pelz voll Läusen, die zu knacken seien, gebraucht haben sollte - und er würde darunter uns alle miteinander verstehen -, dann, meine Damen und Herren, wollen Sie von mir verlangen, daß ich ein scharfes Urteil fälle? Oder unterstellen Sie mir nicht ohne weiteres, daß ich dann Herrn Dr. Krebs auf das allerschärfste verurteilen würde? Aber was hat das eigentlich mit der Entnazifizierung zu tun? ({1}) Die Grundgedanken der Entnazifizierung sind doch folgende gewesen, und der größte Teil des deutschen Volkes hat sie ja inzwischen längst akzeptiert. Die Freiheit des demokratischen Bürgers beruht darauf, daß er das Recht hat, sich zu irren, daß er das Recht zum Bekenntnis hat. Die Idee des Gesinnungstäters oder des Gesinnungsverbrechers stand doch am Anfang des vergangenen Jahrhunderts, als die modernen Staatsideen reiften. Wenn ich mich nicht täusche - ich bin kein Staatsrechtler -. stammt das schon aus der Zeit von Montesquieu. Dieser Gedanke des Gesinnungsverbrechers, des Überzeugungstäters, der zu respektieren ist, dessen Taten nicht das übliche Crimen darstellen, hat uns geleitet, die Forderung der Entnazifizierung aufzustellen. Sie ist letzten Endes in dem geistigen Denken des Abendlandes viel, viel länger fundiert. Sie basiert auf dem Gedanken der Ritterlichkeit gegenüber demjenigen, der besiegt ist und der sich geirrt hat. Also demjenigen, der einmal, ohne gegen Strafgesetze und Anständigkeit verstoßen zu haben, eine andere politische Meinung hatte, darf diese Meinung dann nicht mehr vorgeworfen werden. ({2}) - Nein, Herr Kollege Wuermeling, wenn er bereit ist, aus echter Überzeugung heraus wiedergutzumachen ({3}) Millionen, die unter dem Gesetz der Massenpsychologie, ohne daß sie eigentlich verantwortlich sind, Nationalsozialisten waren, fallen darunter. ({4}) - Nein, das ist das Thema, das hier irrtümlicherweise mit dem Fall Krebs verwechselt wurde. ({5}) Das ist die Geschichte. ({6}) Ich habe es nicht nötig, den Nationalsozialismus zu verteidigen, weil ich kein Nationalsozialist war. Aber eine glückliche Zukunft unseres Volkes ist nur dann abzusehen, wenn es gelingt, alle Gutgläubigen und alle, die bereit sind, Demokraten zu sein, mit offenen Armen aufzunehmen. ({7}) Und nun das dritte Problem: Versammlungsschutz, Versammlungsgesetz, üble Sitten in Deutschland! Wenn wir den Fall Krebs generalisieren wollen, dann schauen wir bitte über die Grenzen der Parteien hinaus. Ich muß doch empfehlen, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie sich auch anderer Vorfälle erinnern. Wissen Sie nicht, was bei jener Versammlung in Wiesbaden passiert ist, in der der Saalschutz der KPD, nachher unterstützt von der Polizei, die Zwischenrufer verprügelt hat und die mit einem Choral aus dem Gesangbuch geendet hat? Ist das keine Verwilderung der politischen Sitten in Deutschland? Sollten wir nicht alle miteinander langsam wieder lernen, was ganz einfacher Anstand ist? ({8})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, die Redezeiten sind verbraucht. ({0}) Wortmeldungen liegen nicht vor. Anträge sind nicht gestellt. ({1}) - Die Frage, was mit Herrn Krebs wird, ist hier nicht zu entscheiden, Herr Rische. ({2}) Der Punkt der Tagesordnung ist damit erledigt. Ich gebe bekannt, daß der verteilte Antrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck Nr. 572 zur Großen Anfrage auf Drucksache Nr. 3324 zurückgezogen ist. Da der Herr Staatssekretär des Bundesjustizministeriums noch nicht anwesend ist, rufe ich auf Punkt 4 der Tagesordnung: a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Hebung des Fischkonsums ({3}); b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten der Fraktion der Deutschen Partei und Genossen betreffend Förderung der deutschen Fischerei ({4}). Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von je 15 Minuten und, falls eine AusDeutscher Bundestag - 21E. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Juni 1952 9585 ({5}) sprache gewünscht wird, eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden. Zur Begründung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU Herr Abgeordneter Brookmann! Brookmann ({6}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor Ihnen liegt die Drucksache Nr. 3324, eine Große Anfrage, die die Hebung des Fischkonsums betrifft. Gestatten Sie mir dazu einige Ausführungen. Wir haben uns in diesem Hohen Hause bereits wiederholt mit Fragen der Fischwirtschaft beschäftigt, insbesondere aber nur mit Fragen der Fischerei, also der Produktion. Die Fischereipolitik des Bundesernährungsministeriums ist bisher eine sogenannte reine Flottenpolitik gewesen, und sie konnte auch nichts anderes sein. Inzwischen haben sich aber auf dem Absatzmarkt Schwierigkeiten bemerkbar gemacht, die einer näheren Untersuchung bedürfen. Die Fischereiflotte, die mit Hilfe der Bundesregierung aufgebaut worden ist, hat sich zu einer Leistungsfähigkeit entwickelt, wir wir sie 1938 gehabt haben. Seit dem vorigen Jahre aber macht sich nun mit wachsender Schärfe bemerkbar, daß Fische fangen wohl leicht, Fische essen aber sehr viel schwieriger ist. Jedenfalls haben sich Absatzschwierigkeiten eingestellt, die zutiefst bedauerlich sind. Im Jahre 1946 hatten wir in der Bundesrepublik Anlandungen in Höhe von ungefähr 250 000 t. Die Anlandungen haben im Jahre 1951 bereits eine Höhe von 600 000 t erreicht. Wenn man die Anlandungen im Jahre 1939 für das damalige deutsche Reichsgebiet mit 700 000 t vergleichsweise den Erfolgen unserer heutigen Fischerei gegenüberstellt, muß man anerkennend konstatieren. daß auf diesem Gebiete wirklich Hervorragendes geleistet worden ist. Darüber hinaus kann festgestellt werden, daß mit dem Neuaufbau auch eine beachtliche Modernisierung unserer Fischereiflotte verbunden gewesen ist. Es mag interessant sein, zu wissen. daß in Europa die Anlandungen der deutschen Fischereiflotte an dritter Stelle hinter Norwegen und England stehen. Sie wissen alle, meine Damen und Herren, daß das Schwergewicht der deutschen Fischerei im nordwestdeutschen Raum und in Schleswig-Holstein . liegt, insbesondere an den Anlandeplätzen Bremerhaven. Cuxhaven, Hamburg und seit 1949 auch in Kiel. Die Anlandungen in der heutigen sowjetisch besetzten Zone, die früher mit 50- bis 100 000 t veranschlagt werden konnten, stellten nur einen kleinen Prozentsatz der gesamten deutschen Produktion dar. Die deutsche Verbraucherschaft ist mit der Spaltung Deutschlands kleiner geworden, und man könnte nun meinen, daß für die Aufnahme des gewaltig gesteigerten Fanges in der Bundesrepublik seit 1946 die verringerte Verbraucherschaft nicht ausreicht. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß das meiner Meinung nach ein Trugschluß ist. Dieser Zustand müßte bei richtiger Handhabung des gesamten Apparats des Fischabsatzes überwunden werden. Wir haben 'uns in diesem Hohen Hause wiederholt mit dem Aufbau der Flotte beschäftigt, und Sie alle haben diesen Aufbau auch stark unterstützt. Wir müssen dafür sorgen, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dieser wertvollen Flotte erhalten bleibt, und zwar dadurch, daß ein gesunder Absatz zu angemessenen Preisen sichergestellt wird. Das ist leider heute nicht der Fall, und zwar erstens deswegen nicht, weil die Betriebskosten für Fischdampfer, Kutter und Küstenfischereifahrzeuge zu hoch geworden sind - über diesen Punkt könnte noch in Verbindung mit der Drucksache Nr. 3347, die im Anschluß hieran behandelt wird, Ausführlicheres gesagt werden -, und zweitens deswegen nicht, weil kein ausreichender Absatz zu den den Betriebskosten gerecht werdenden Preisen vorhanden ist. Innerhalb der Fischwirtschaft herrscht im Augenblick ein gewisses Durcheinander, das zu Absatzstörungen und Absatzstopps geführt hat. Die Bemühungen innerhalb der Wirtschaft selbst, zu einer Ordnung zu kommen, sind bisher leider erfolglos gewesen. Wir müssen daher an die Bundesregierung die Forderung richten, hier endlich Wandel zu schaffen und entscheidende Schritte zur Förderung des Absatzes und damit auch zur Regulierung eines gesunden Preises für Produktion, Handel und Industrie zu unternehmen. Was nützen uns alle Anstrengungen zur Förderung und Steigerung der Produktion, wenn ihre Wirtschaftlichkeit nicht in gleicher Weise durch einen gesunden Absatz ermöglicht wird? Ich bin der Auffassung: es liegen entscheidende volkswirtschaftliche und besonders auch ernährungspolitische und gesundheitliche Gründe dafür vor, sehr viel mehr zu tun, um den Fischabsatz, den Fischverzehr erheblich zu steigern. ({7}) - Kommt noch! - Dies ist allgemein bekannt, und diese Erkenntnis sollte uns. zumal jetzt die hohe Fischproduktion zur Verfügung steht. die wir mit der Förderung der Flotte ja auch angestrebt haben, wirklich ernsthaft veranlassen, entscheidende Schritte zur Förderung des Fischabsatzes zu tun. Eine derartige Absatzwerbung, die auch aus gesundheitlichen Gründen wichtig ist, sollte bei dem heutigen Streben nach leichter Kost, die ja beim Fisch gegeben ist, nicht so schwierig sein. Wenn man 'darüber hinaus berücksichtigt, daß sich der Verbrauch bei uns um zirka 13 kg je Kopf und Jahr - 1939 waren es 15 kg - bewegt, während in Norwegen 50 bis 60 kg, in Island 50 kg, in Portugal 45 kg, in Großbritannien 24 kg, in Schweden 20 kg Fisch pro Kopf und Jahr verzehrt werden, dann sollte man beim Vorhandensein des Fischs in Deutschland und bei der Devisenarmut unserer Wirtschaft aus volkswirtschaftlichen Gründen eine derartige Absatzwerbung bei großzügiger und verantwortungsbewußter Handhabung anstreben. Welche Methoden entscheidend und zweckmäßig sind, müßte wohl von der Bundesregierung am besten gemeinsam mit der Wirtschaft erarbeitet werden. Die deutsche Fischwerbung hatte in den letzten anderthalb Jahren ihres Bestehens - allerdings wohl mit unzureichenden Mitteln - schon gewisse Erfolge zu verzeichnen. Der nach 1949 mit der Verbesserung der Fleischversorgung zurückgegangene Verbrauch ist auch schon wieder um zirka 1 bis 1,5 kg pro Kopf und Jahr angestiegen. Die Ansätze dieser Fischwerbung lassen erkennen, daß durch Werbung, Kochkurse und ähnliches vieles erreicht werden kann, und es sollten wirklich für diesen Zweck größere Mittel bereitgestellt werden, damit der bisher nur bescheidene, aber erkennbare Erfolg wesentlich gesteigert werden kann. ,Auch sollten in diesem Zusammenhang Mittel und Wege gefunden werden. um eine regelmäßige Oualitätskontrolle durchzuführen, da einwandfreie Qualität die Grundvoraussetzung für das Vertrauen zu dem Fisch und für die Steigerung des Absatzes ({8}) darstellt. Außerdem scheinen mir darüber hinaus gewisse zusätzliche Maßnahmen notwendig zu sein, um die Stabilisierung der Preise zu erreichen. Wir müssen es erreichen, daß wir sowohl mit dem Hering als auch mit dem Frischfisch zu einer gesunden Vorratswirtschaft kommen, genau so wie wir in den andern Sektoren der Ernährungswirtschaft über die bekannten Vorratsstellen Vorratswirtschaft betreiben, damit bei den saisonbedingten Schwankungen der Überfänge - natürlich nur, soweit es sich um erstklassige Qualitäten handelt - nichts mehr zu Schleuderpreisen an die Fischmehlfabriken abgegeben zu werden braucht, sondern der Ernährung und dem Verbraucher erhalten bleibt. Im letzten Jahr mußten infolge Absatzmangels von den Fischmehlfabriken in einzelnen Monaten übernommen werden bis zu 40 % der Kabeljaufänge, bis zu 27 % der Schellfischfänge, bis zu 26 % der Seelachsfänge und bis zu 25 % der Heringsfänge. Eine planmäßige Lagerhaltung und Stapelung der Salzheringe z. B. ist in früheren Jahren schon wiederholt erfolgreich durchgeführt worden und läßt sich bei Einführung entsprechender Qualitätskontrollen auch wieder durchführen. Die hierzu aufzuwendenden Kosten für den Ankauf der Ware und der notwendige Verwaltungsapparat brauchten keine allzu hohen Aufwendungen zur Folge zu haben, wenn man z. B. einen Vergleich mit den Beträgen anstellt, die für andere Ernährungsgüter in ähnlichen Fällen aufgewandt werden müssen. Auf dem Gebiet des Frischfisches ist durch die moderne Tiefkühlung ebenfalls die Möglichkeit einer einwandfreien Vorratshaltung geschaffen worden, was früher noch nicht in dem Umfang möglich war. Es wird in diesem Hohen Hause nicht allzu bekannt sein, daß gerade in den letzten Monaten auch an den deutschen Küstenplätzen erhebliche Mengen Frischfisch sowohl als Filet als auch als Fisch ohne Kopf eingefroren worden sind, um - neben dem Export nach benachbarten europäischen Ländern und nach Amerika - auch während des Frischfischmangels in der Heringssaison auf den Markt gebracht zu werden. Inwiefern im Zuge der Absatzwerbung die Bestrebungen zum weiteren Ausbau der Tiefkühlung noch besonders unterstützt werden müßten, müßte meines Erachtens ernstlich geprüft werden. Ebenso müßten meines Erachtens auch Wege dazu gefunden werden, daß Deutschland durch den Bau moderner kombinierter Fang- und Gefrierschiffe Anschluß an die Seegefrierung findet, die im Ausland bereits beachtliche Fortschritte gemacht hat. Dann möchte ich mir noch die Anregung gestatten, daß durch Bund und Länder auch wohl noch manches getan werden kann, daß bei staatlichen Anstalten wie Krankenhäusern, Gefängnissen, Kantinen, Organisationen, bei der Polizei usw. usw. ein- bis zweimal in der Woche Fisch gegessen wird, und zwar nicht nur mittags, sondern auch abends, wo eine Fischkonserve oder Fischmarinade mehr und mehr Wurst- und Fleischauflagen ersetzen kann. ({9}) Diese meine Ausführungen sollen Anregung und Empfehlung an die Bundesregierung sein. Abschließend möchte ich folgendes feststellen: Das, was bisher seitens der Bundesregierung -einmal vorn Bundesernährungsminister und zweitens auch vom Herrn Bundesfinanzminister - für die Fischerei getan worden ist, muß anerkannt werden. Ich muß aber darauf hinweisen, daß sie jetzt möglichst schnell einen Richtungswechsel in ihrer Fischereipolitik vornehmen und sich jetzt mehr oder weniger der Absatzfrage und der Konsumfrage zuwenden mögen, um damit vielleicht einmal über den Weg der Fischwerbung und zum zweiten über die Absatzförderung dem eigentlichen Sinn und Zweck unseres Antrags zu einem Erfolg zu verhelfen. ({10})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage unter Punkt 4 b der Tagesordnung hat Abgeordneter Dr. Mühlenfeld. Dr. Mühlenfeld ({0}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die soeben vor Ihnen erfolgte Betonung der volkswirtschaftlichen und ernährungspolitischen Bedeutung der Fischwirtschaft für die Bundesrepublik war eine ausgezeichnete Vorbereitung für die Erörterung der Anliegen, die Gegenstand unserer Großen Anfrage auf Drucksache Nr. 3347 sind. Sie haben höchstwahrscheinlich damit auch akzeptiert, daß es im Interesse unserer Volksernährung läge, wenn der Anteil des Nahrungsmittels Fisch in unserem Haushalt noch stärker werden würde. Sie haben ferner von der Bundesregierung gefordert, Maßnahmen zur Steigerung des Fischkonsums durchzuführen. Wir billigen diese Forderung und machen sie uns mit allem Nachdruck zu eigen. Darüber hinaus ist es unserer Ansicht nach jedoch dringend erforderlich, daß die Bundesregierung parallel zur Konsumsteigerung auch alle jene Schritte unternimmt, die erforderlich sind, um eine hochleistungsfähige Fischerei zu erhalten, fortzuentwickeln und gegenüber dem Ausland konkurrenzfähig zu machen. In dieser Hinsicht wird nach unserer Auffassung von der Bundesregierung zu wenig getan, weniger, als möglich wäre, und weniger, als in den anderen großen Fischereiländern getan wird. Viele Zweige unserer Fischwirtschaft haben seit Jahren große Sorgen, schleppen Schulden mit sich herum und stehen nicht nur in den Küstengebieten, sondern auch mit der Verarbeitung und im Handel vor erheblichen Schwierigkeiten. Ich möchte dabei einschalten, daß beispielsweise die große Seefischerei ja nicht vom Bund in ihrem Wiederaufbau die Unterstützung finanzieller Art erfahren hat, die die allgemeine Handelsschiffahrt durch das Verkehrsministerium und die Bundesregierung erhalten hat. Warum man hier zwischen der allgemeinen Seeschiffahrt und der Fischerei Unterschiede macht, ist uns nicht verständlich. Wir haben diese Probleme in diesem Hause anläßlich der Treibstoffdebatte wiederholt behandelt, ohne daß es jedoch von der Regierungsseite her zu den geforderten durchgreifenden Maßnahmen gekommen ist. Wir bedauern das, weil die Regierung durch ihre Haltung praktisch auf Möglichkeiten zur Besserung unserer Ernährungslage und damit auch unserer Devisenlage verzichtet. Gerade die Devisenfrage sollte nicht außer acht gelassen werden, denn immerhin hat allein der Leistungsanstieg bei der Fischerei in den Jahren 1950/51 zu einer Devisenersparnis von rund 100 Millionen DM geführt. Wir legen Wert darauf, daß diese Möglichkeiten stärker ausgenutzt werden. Hauptunkostenfaktor in der auf diesem Sektor ausschlaggebenden Hochseefischerei ist der Brennstoff. Das Hohe Haus hatte gerade vor Jahresfrist bei der Verabschiedung des Mineralölgesetzes vom ({1}) 30. Juni 1951 beschlossen, die Preisvergünstigungen für Mineralöl, welche bis zum 1. April 1951 bestanden haben, beizubehalten. Am 6. Juni 1951 erließ der Herr Bundesfinanzminister auch tatsächlich die entsprechenden Durchführungsverordnungen und sah darin in § 7 auch Beihilfen für die Verbilligung von Dieselkraftstoff für die Hochseefischerei vor. Der Herr Bundesfinanzminister hat in der Praxis jedoch nur unrentable Motortrawler in den Genuß dieser Beihilfen setzen wollen und unseres Wissens bisher erst einmal eine Beihilfe ausgezahlt. Damit ist dem Wunsch dieses Hauses nicht Rechnung getragen worden. Die deutsche Hochseefischerei zahlt heute je Tonne Gasöl 260 DM, während bis zum 1. April 1951 der privilegierte Preis 120 DM betrug. Mit 260 DM je Tonne kann die deutsche Fischerei aber gegenüber dem Ausland nicht konkurrenzfähig sein, wenn z. B. die Engländer ihre Fischdampfer mit 160 DM je Tonne bunkern lassen, wobei sie dann noch höhere Preise für ihre Fänge erzielen, als sie von der deutschen Fischerei erzielt werden. Die Bundesregierung muß Möglichkeiten finden, einmal um hier dem Willen des Hauses zu entsprechen, zum andern um die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Fischerei wiederherzustellen. Wir sprechen hier mit Nachdruck den Wunsch aus, daß die Bundesregierung unverzüglich Verhandlungen aufnehmen möge, die der deutschen Hochseefischerei wieder das Bunkern zum Weltmarktpreis ermöglichen, wobei vielleicht zu erwirken ist, daß diese Schiffe genau so wie die Großschiffahrt in Konsignationslägern bunkern dürfen. Gelingt es der Bundesregierung nicht, hier eine Lösung zu finden, dann ist zu befürchten, daß der so erfolgreich angelaufene Bau von Motorschiffen für die deutsche Fischerei wieder abg schnitten wird. In einem Atemzug mit dem Gasölpreis muß auch der dominierende Brennstoff der Fischerei genannt werden, die Bunkerkohle, von der jährlich 500 000 t verbraucht werden, wobei die deutsche Fischerei preislich praeter propter mit 7 Millionen DM mehr belastet ist als die englische. Im Interesse niedriger Fischpreise, die die wirksamste Methode zur Hebung des Fischkonsums sind, sollte man bei der Regierung darauf achten, daß die Betriebskosten bei der Fischwirtschaft nicht durch neue Belastungen, d. h. etwa durch eine Kohlenfrachterhöhung, gesteigert. werden. Zu Punkt 3 unserer Großen Anfrage habe ich zum Ausdruck zu bringen, daß wir dem Herrn Bundesfinanzminister nahelegen möchten, der deutschen Hochseefischerei die entsprechenden Steuervergünstigungen für Export zu gewähren. Hier sehen wir eine der größten Ungerechtigkeiten, die nur von formalen Gesetzesvorschriften existieren kann, aber nicht dem Sinn der deutschen Wirtschaft entspricht und auch nicht im Sinne des Gesetzgebers liegt. Das Ausfuhrförderungsgesetz sieht nämlich generell steuerliche Vergünstigungen für Ausfuhrlieferungen vor. Zweck des Gesetzes ist, der Ausfuhr einen besonderen Steueranreiz zu geben, sie damit zu heben und dadurch den Devisenanfall für die Bundesrepublik zu erhöhen. Vor dem Kriege landete die deutsche Hochseefischerei weit über 50 000 t ihrer Fänge im Ausland an. Sowohl sie wie die kleine Hochseefischerei haben die Auslandslieferungen im Vorjahre zum ersten Male wieder aufgenommen und durch Anlandungen in England in Höhe von über 14 000 t Devisen im Betrage von 5,8 Millionen DM eingebracht. Das ist aber erst ein Anfang, wenn die Bundesregierung sich bequemt, auch diesen für uns vor allen Dingen in Norddeutschland wichtigen Gewerbezweig zu fördern. Der Herr Bundesfinanzminister hat der Hochseefischerei aber keine steuerlichen Ausfuhrvergünstigungen eingeräumt, und außerdem mußte sie in England noch den Einfuhrzoll zahlen. Die formalen Gründe - ich betone: ausschließlich formalen Gründe -, die für die Ansicht des Herrn Bundesfinanzministers maßgebend waren, sind uns bekannt, aber keineswegs einleuchtend. Allerdings hat er selbst gelegentlich der Beratungen über die Bunkerkohlenpreise der deutschen Hochseefischerei empfohlen, in stärkerem Maße von den Fischanlandungsmöglichkeiten im Ausland Gebrauch zu machen. Ja, Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie der deutschen Hochseefischerei diesen Rat geben, dann geben Sie ihr auch bitte Ihre gesetzliche Hilfe, um das durchführen zu können. Es stimmt ohne Zweifel, daß die von der Hochseefischerei im Ausland abgesetzten Fische unmittelbar nach ihrem Fang ins Ausland gebracht werden, ohne erst einen Umweg über das deutsche Inland zu machen. Da aber die deutsche Hochseefischerei ihre Erzeugnisse mit in Deutschland ausgerüsteten und mit deutscher Besatzung fahrenden Fischdampfern aus dem freien Meer gewinnt, ist ihr Fischabsatz im Ausland eine reine Deviseneinnahme für unsere Bundesrepublik, die ohne wesentliche inländische Aufwendungen und Materialien erreicht wird und damit im Sinne des Ausfuhrförderungsgesetzes geradezu erstrangig förderungswürdig ist. Außerdem, Herr Bundesfinanzminister, sollten Sie auch in der Auslegung dieses Gesetzes den anerkannten völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Grundsatz gelten lassen, der sonst überall gilt, daß ein Schiff auf See als Inland angesehen wird und dem Hoheitsrecht des betreffenden Landes unterliegt. Wenn der Herr Bundesfinanzminister nach der heutigen Fassung des Ausfuhrförderungsgesetzes die steuerlichen Vergünstigungen für die Fischanlandungen nicht gewähren kann - und wir sehen nicht ein, daß die Interpretation, wie ich sie eben gegeben habe, möglich sein sollte -, so müssen wir darum bitten, eine entsprechende Änderung des Gesetzes beschleunigt vorzubereiten. Bereits unter dem 17. März 1952 ist dem Bundestag ein Antrag der SPD, der CDU/CSU und der DP zugegangen, in dem die Bundesregierung um die Mittel zum Bau eines Fischereiforschungsschiffes - damit komme ich zu Punkt 4 unserer Anfrage - ersucht wird. Die Fraktionen waren sich über die Dringlichkeit und die Notwendigkeit der beschleunigten Indienststellung eines deutschen Fischereiforschungsschiffes einig. Die Fischereiforschung ist ein integrierender Bestandteil der modernen und leistungsfähigen Hochseefischerei. Genau wie früher das Deutsche Reich Fischereiforschungsschiffe unterhielt, fahren heute für die USA 6, für England 4 und für Norwegen 2 Fischereiforschungsschiffe, und weitere sind geplant. Auch andere europäische Länder haben derartige Schiffe eingesetzt. Die deutsche Fischerei wird auf lange Sicht gesehen erheblich zurückfallen, wenn deutsche Forschungsschiffe ihre Tätigkeit nicht sehr bald wieder aufnehmen, denn die alten Fanggründe reichen nicht mehr aus, es müssen neue, entferntere Fanggründe mit unbekannten Fischvorkommen aufgesucht werden. Dazu brauchen wir dringend das Forschungsschiff. Die Tatsache, daß gestern zwei Fischdampfer einer deutschen Reederei mit Unterstützung des Bundesernährungsministeriums zur Durchführung ({2}) von Fischereiforschungsaufgaben für kurze Zeit - wohlgemerkt! - in die grönländischen Gewässer abgefahren sind, ist äußerst begrüßenswert; aber wir werden damit nicht der Notwendigkeit enthoben, alles zu tun, um in kürzester Frist wirkliche Forschungsschiffe wieder in Dienst zu stellen. Die Auffindung neuer Fanggründe für die deutsche Hochseeschifferei gehört zu den vordringlichsten Anliegen, und wir bitten die Bundesregierung, nunmehr die vom Herrn Bundesfinanzminister zugesagten 1 Million DM für den Neubau von Fischereiforschungsschiffen auch unverzüglich auszuschütten und den dann noch fehlenden Betrag von 1,5 Millionen DM in den neuen Etat einzusetzen. Wenn die Bundesregierung auf allen Gebieten begrüßenswerterweise Anstrengungen unternimmt, um die berufliche Ausbildung der Jugend zu fördern, dann sollte sie dabei auch wieder stärker an die jungen Seeleute und die Jungfischer denken. Wir wünschen, daß in das Schiffsjungenheim, das jetzt in Bremerhaven für 45 bis 65 junge Seeleute aus Mitteln der Stadt, der Kirche, der Gewerkschaften, der Hochseefischerei und des Landes Bremen errichtet wird, auch die dort schon lange geplante Jungfischerschule mit einbezogen wird und dieser Neubau so ausgestaltet wird, daß von dort aus 80 und später 160 Jungfischer ausgebildet werden können. Eine Beteiligung der Bundesregierung an den Baukosten, und sei es nur in Höhe des noch bestehenden Fehlbetrages von 90 000 DM, erscheint uns dringend wünschenswert und notwendig. Ein Teil dieser aktuellen Probleme in der deutschen Fischwirtschaft wäre vielleicht schon gelöst oder zumindest weiter behandelt, wenn die von diesem Hause beschlossene Errichtung der Abteilung „Fischwirtschaft" im Bundesernährungsministerium bereits durchgeführt wäre. Wir bedauern, bei dieser Gelegenheit unserem starken Befremden darüber Ausdruck geben zu müssen, daß die Bundesregierung diesem Beschluß des Plenums noch nicht nachgekommen ist. Die äußerst bescheidene Verstärkung des gegenwärtigen Fischereireferates durch zwei Beamte stellt nach unserer Kenntnis keineswegs die Schaffung einer ausreichenden Vertretung der Fischwirtschaft im Bundesernährungsministerium dar. Nicht nur die Tatsache, daß im Reichsernährungsministerium eine Abteilung „Fischwirtschaft" gearbeitet hat, auch nicht die Tatsache, daß es in den meisten nordatlantischen Küstenländern besondere Fischereiministerien gibt, ist dafür allein ausschlaggebend. Man darf nicht übersehen, daß heute bereits wieder Milliardenbeträge in der deutschen Fischerei investiert sind, daß 2 1/2 Tausend Fahrzeuge von den deutschen Küsten ausfahren, die in der Lage sind, mehr als 700 000 t Seefische zu fangen, und daß allein im vergangenen Jahr 140 Millionen DM aus den Anlandungen der Hochseefischereiflotte erlöst wurden. Zum Sektor Fischwirtschaft gehören ja nicht nur die Schiffe, sondern auch die gewaltigen Anlagen auf dem Lande, die modernen Anlagen der Verarbeitungsindustrie, die umfangreichen Spezialeinrichtungen des Handels, die Werften, die Zulieferindustrie. die zahlreichen anderen Sparten, die bis tief ins Binnenland für die Fischwirtschaft tätig sind. Die Seefischerei der Bundesrepublik ist auf dem Wege, hinter Norwegen und Großbritannien wieder die dritte Stelle in der europäischen Fischproduktion einzunehmen. Wenn wir bedenken, daß es noch gar nicht lange - ungefähr drei Jahre - her ist, daß die Existenzfrage der deutschen Hochseefischerei so gestellt war, daß man von der außenpolitischen Seite her ihr Verschwinden forderte, dann dürfen wir dies wohl als eine gewaltige Anstrengung ansehen, die auch aus diesem Grunde schon der Unterstützung der Bundesregierung wert ist. Die umfangreichen Aufgaben, die auf diesem Gebiete anfallen, können unmöglich durch einen einzigen Referenten und wenige Mitarbeiter erledigt werden. Wir betonen mit allem Nachdruck, daß hierfür eine entsprechend besetzte eigene Abteilung „Fischwirtschaft" geschaffen werden muß. Die ständige Intensivierung der deutschen Fischwirtschaft, die wiederhergestellte internationale Verflechtung der deutschen Fischerei mit der ausländischen, ihr ständiger Kampf gegen ausländische starke Konkurrenz, die sich reicher Unterstützung organisatorischer und finanzieller Art ihrer Regierungen erfreut, die Betreuung aller fischereiwissenschaftlichen Bundesinstitute, die diffizile Behandlung der Fischimportfragen in den Handelsverträgen halten den gegenwärtig aufs äußerste überlasteten Referenten des Ernährungsministeriums oft viele Wochen von Bonn weg - allein in letzter Zeit ist er mit einer kurzen Unterbrechung 16 Wochen von Bonn fortgewesen -, so daß die Bundesregierung einfach nicht umhin kann, dem Beschluß des Plenums zu folgen und die Fischerei-Abteilung in der erforderlichen Personalstärke auszubauen. Wenn wir in diesem Rahmen die Aufmerksamkeit der Regierung noch besonders auf die kleine Hochseefischerei und die Küstenfischerei lenken, so hat das sehr ernste Gründe. Auch hier stehen an der Spitze die Sorgen, die durch die hohen Treibstoffpreise verursacht werden. Es ist nicht gelungen, die vor dem 1. April 1951 geltenden privilegierten Treibstoffpreise auf diesem Sektor wiederherzustellen. Die Fischerei erhält zwar eine Betriebsbeihilfe in Höhe von 7 DM pro 100 kg und die Kutter und Küstenfischer zusätzlich 3 DM Beförderungsbeihilfe. Trotzdem liegt der Preis bei 15 DM je 100 kg, während er früher bei 12 DM lag. Die Wiederherstellung dieses Kraftstoffpreises ist ein ernstes und bedeutendes Anliegen der Kutter und Küstenfischer. Wir halten es ferner für notwendig, daß die Bundesregierung sich mit der Schaffung eines ausreichenden Darlehensfonds für die kleine Hochseefischerei und die Küstenfischerei beschäftigt, der mit den vorgesehenen 1,5 Millionen DM nicht ausreichend ist, sondern wenigstens 3 Millionen DM betragen sollte. Auch die dringend erforderliche Bildung von Rückversicherungsverbänden bedarf der Förderung durch die Bundesregierung, da es der Wirtschaft bis heute nicht gelungen ist und auch nicht gelingen konnte, die vor 1945 arbeitenden Rückversicherungsverbände wieder neu zu bilden. Meine Damen und Herren, in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit darf ich auf eine weitere Begründung verzichten. Ich hoffe, daß die Antwort der Regierung eine befriedigende sein wird. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort zur Beantwortung der großen Anfragen hat der Herr Bundesminister Dr. Niklas.

Dr. Dr. h. c. Wilhelm Niklas (Minister:in)

Politiker ID: 11001614

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zur Anfrage ({0}) Drucksache Nr. 3324 - Fischkonsum. Bedingt durch die Entwicklung der Ernährungslage in der Welt, insbesondere aber durch die Abhängigkeit der Bundesrepublik von Nahrungs- und Futtermitteleinfuhren für die Versorgung der Bevölkerung mit tierischem Eiweiß, gewinnt der Fischverbrauch in der Ernährungspolitik der Bundesrepublik eine ständig steigende Bedeutung. Auch die Ergebnisse der ernährungsphysiologischen Forschung haben den Fisch als wertvolles Nahrungsmittel zunehmend in den Vordergrund treten lassen. Die Bundesregierung hat deshalb schon seit ihrem Bestehen Maßnahmen getroffen, um die großen Nahrungsreserven, die im Meere liegen, durch Steigerung der deutschen Fischanlandungen für die deutsche Ernährung nutzbar zu machen. Diese Maßnahmen erstreckten sich zunächst in der Hauptsache auf den Wiederaufbau und die Modernisierung der deutschen Fischereiflotte. Der Wiederaufbau der deutschen Fischereiflotte ist im wesentlichen abgeschlossen. Eine gewisse notwendige Ergänzung einer Anzahl veralteter Schiffe wird laufend stattfinden. Durch diese Maßnahmen ist die deutsche Fischereiflotte heute in der Lage, den Bedarf der deutschen Bevölkerung an Fischen zu decken. Darüber hinaus könnte auch noch ein erheblich größerer Verbrauch aus der eigenen Produktion befriedigt werden. Nachdem durch die Schaffung einer leistungsfähigen Fischereiflotte die Voraussetzungen für eine gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung gegeben sind, müssen die weiteren Maßnahmen in erster Linie eine Steigerung des Fischverbrauchs zum Ziele haben. Sie liegt sowohl im ernährungswirtschaftlichen als auch im volkswirtschaftlichen Interesse. Die Eiweißversorgung durch erhöhten Verzehr von Fischen ist nicht nur für den Verbraucher vorteilhaft, sondern erspart auch der Volkswirtschaft Devisen. Außerdem würde ein steigender Fischverbrauch eine nachhaltige Gesundung der gesamten Fischwirtschaft, insbesondere der Fischindustrie und des Fischhandels auf natürlichem Wege sicherstellen. Die bisherige Entwicklung des Fischkonsums je Kopf der Bevölkerung stellt sich wie folgt dar. Im Jahre 1932 waren es 8,5 kg. Der Höchststand vor dem Kriege wurde im Jahre 1937 mit 12,2 kg erreicht. Während des Krieges ging der Verbrauch infolge der fehlenden Anlandungen sehr zurück. In den Jahren 1948 und 1949 wurde jedoch bereits ein neuer Höchststand mit 14,9 und 15,2 kg erreicht. Hierzu trug im wesentlichen die unzureichende Versorgung der Bevölkerung mit tierischem Eiweiß in den Nachkriegsjahren bei, die dazu führte, daß die Militärregierung große Mengen Fisch importierte. Mit zunehmender Normalisierung der Ernährungsverhältnisse setzten sich die früheren Verbrauchsgewohnheiten in verstärktem Maße wieder durch. Außerdem war auch eine gewisse Übersättigung mit Fisch eingetreten. Jedenfalls ging der Fischverbrauch im Jahre 1950 auf 11 kg zurück. Inzwischen ist aber wieder eine steigende Tendenz zu verzeichnen, und im Jahre 1951 wurden in der Bundesrepublik 12,3 kg verbraucht. Damit ist der Höchststand der Vorkriegszeit bereits überschritten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß in der Vorkriegszeit der Hauptverbrauch in der Sowjetzone und in Teilen der jetzt polnisch verwalteten Gebiete lag. Die Durchführung der Werbemaßnahmen zur Steigerung des Fischverbrauchs muß nach Auffassung der Bundesregierung in erster Linie eine Angelegenheit der Fischwirtschaft selbst sein, und zwar sowohl der Fischerei wie auch der Fischindustrie und des Fischhandels, zumal die öffentliche Hand bereits beträchtliche Mittel für den Wiederaufbau der Fischereiflotte und zur Förderung des Fischfangs zur Verfügung gestellt hat und noch zur Verfügung stellt. Bei der bekannten Haushaltslage des Bundes war es bisher schwierig, Haushaltsmittel für die Förderung des Fischverbrauchs verfügbar zu machen. Immerhin ist es gelungen, erstmalig im Haushaltsjahr 1950 in den Haushalt meines Ministeriums für die landwirtschaftliche Absatzförderung und die ernährungswirtschaftliche Verbraucheraufklärung einen Gesamtbetrag von insgesamt 150 000 DM einzustellen. Im Haushaltsvoranschlag 1952 ist dieser Betrag auf 250 000 DM erhöht worden. Diese Mittel sind jedoch nicht nur für den Fischereisektor, sondern für die gesamte Ernährungs- und Landwirtschaft bestimmt. Bei meinem Ministerium besteht ein Verbraucherausschuß für Ernährungsfragen, der sich aus Vertretern der Hausfrauenverbände, der konfessionellen Frauenverbände, der Gewerkschaften, der Werkküchen und der Konsumgenossenschaften zusammensetzt. Zur Unterrichtung dieses Ausschusses wird in regelmäßigen Abständen ein „Ernährungswegweiser" herausgegeben, in dem besonders auf die Lebensmittel hingewiesen wird, denen aus gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Gründen eine besondere Bedeutung zukommt. Daß der Fisch in diesem Wegweiser eine große Rolle spielt, möchte ich besonders betonen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß sowohl die im Verbraucherausschuß vertretenen Verbände als auch viele Hausfrauen-Zeitschriften das Material des „Ernährungswegweisers" weitgehend auswerten und unverändert oder in Form von Rezeptvorschlägen an den Verbraucher heranbringen. Auf dem Gebiete der Verbraucheraufklärung liegt auch die Broschüre „Ernähren wir uns richtig?", die im Auftrage des Verbraucherausschusses in einer Auflage von 200 000 Stück herausgegeben wurde und die den Hausfrauen wertvolle Hinweise zur wirtschaftlichen Haushaltsführung und zweckmäßigen Ernährung gibt. Auch in dieser Broschüre sind die Vorzüge des Fischverbrauchs besonders hervorgehoben. Von meinem Amt ist ferner eine Wanderausstellung geschaffen worden, die unter dem Motto „Mehr Milch, mehr Gemüse, mehr Fisch" steht und in Schulen, bei ernährungswirtschaftlichen Veranstaltungen und Vorträgen in anschaulicher und leicht verständlicher Form auf den Wert der genannten Nahrungsmittel hinweisen soll. Weiterhin ist die Herausgabe einer Schriftenreihe in Arbeit, in der ein Heft besonders dem Verbrauch von Fischen gewidmet sein wird. Diese Schriftenreihe soll die Ergebnisse der oben geschilderten Wanderausstellung vertiefen und richtet sich als Lehr- und Lernmaterial an die gleichen Kreise wie die Wanderausstellung. Am Rande darf ich noch erwähnen, daß in einigen größeren Städten mit beachtlichem Erfolg ein sogenannter Telefon-Rezeptdienst eingerichtet wurde, bei dem sich die Hausfrauen Ratschläge für die täglichen Mahlzeiten holen können. Im Rahmen dieses Rezeptdienstes nimmt der Fisch selbstverständlich die ihm gebührende Stelle ein. Auch mit den Jugendverbänden und den Jugendherbergen besteht eine enge Zusammenarbeit, um die Jugend besonders an den Fischgenuß heranzuführen. ({1}) Die Bundesregierung hat sich bisher schon im Rahmen des Möglichen um die Steigerung des Fischverbrauchs bemüht und wird dieser Frage auch in Zukunft ihre besondere Aufmerksamkeit widmen. In meinem Hause sind Vorarbeiten im Gange, um die Aufklärung des Verbrauchers auf breiterer Grundlage durchzuführen. Ich hoffe, daß diese Pläne in Kürze fertiggestellt sind. Neben der Bereitstellung von Haushaltsmitteln des Bundes ist es gelungen, im Jahre 1951 aus ERP-Mitteln Kredite in Höhe von 700 000 DM für den Fischeinzelhandel und den ambulanten Fischhandel bereitzustellen, damit die Einzelhandelsgeschäfte hygienisch einwandfrei ausgestattet werden konnten. Aus Abgaben der Fischwirtschaft, die auf gesetzlicher Grundlage erhoben werden und dem sogenannten Ausgleichsstock Fischwirtschaft zufließen, der unter anderem zur Förderung des Fischabsatzes dient, sind Betriebsmittelkredite in Höhe von 2,3 Millionen DM an Betriebe der Fischindustrie, des Fischimports, des Küsten- und Binnenfischgroßhandels gegeben worden. Aus den gleichen Mitteln erhielt die Werbeorganisation der deutschen Fischwirtschaft, die Deutsche Fischwerbung e. V., Zuschüsse in Höhe von 1,4 Millionen DM. Hierzu muß jedoch leider gesagt werden, daß auf Betreiben der Fischwirtschaft selbst die Erhebung von Abgaben für Werbezwecke ab 1. Januar 1952 eingestellt wurde und daß die Deutsche Fischwerbung seitdem auf freiwillige Beiträge seitens der fischwirtschaftlichen Organisationen angewiesen ist. Es bleibt abzuwarten, ob auf dieser Basis eine schlagkräftige Werbeorganisation bestehen kann. In Kürze wird dem Bundeskabinett der Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Fischen und Fischwaren, das sogenannte Fischgesetz, vorgelegt werden. In diesem Entwurf ist u. a. die Schaffung eines Fonds zur Förderung des Fischverbrauchs vorgesehen. Hierzu gehören besonders solche Maßnahmen, die zur Aufklärung der Bevölkerung über den Wert des Fischgenusses und zur Erweiterung des Fischabsatzes dienen. Ferner sollen auf Grund des Fischgesetzes Maßnahmen durchgeführt werden, die eine geordnete und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Fischen zum Ziele haben. Nur bei gleichmäßiger Versorgung und damit bei gleichbleibenden Preisen wird die Hausfrau bereit sein, mehr und öfter Fisch zu kaufen. Für die Fischwirtschaft wird außerdem die Möglichkeit geschaffen, daß ein Zusammenschluß der übergebietlichen Organisationen zu einem Marktverband anerkannt werden kann. Dem Marktverband soll die Förderung der Fischwirtschaft, insbesondere des Absatzes und der Werbung, obliegen. Schließlich sei noch erwähnt, daß auf Grund des Handelsklassengesetzes an der Vorbereitung einer Verordnung über Qualitäts-, Sortierungs und Verarbeitungsvorschriften gearbeitet wird, um auch auf dem Gebiet der Fischwirtschaft dem Verbraucher eine größere Garantie für eine gleichbleibende Qualität der Ware zu geben und ihn dadurch zum stärkeren Fischverbrauch anzuregen. Zusammengefaßt noch eine Zahl, auf die der Herr Abgeordnete Mühlenfeld soeben hingewiesen hat: Die deutschen Fischanlandungen im Jahre 1951 betrugen 650 000 t. Wir rechnen damit, daß 1952 700 000 t erreicht werden. Die gleiche Anlandung hatten wir im alten Deutschen Reich im Jahre 1938. Man kann aus diesen beiden Gegenüberstellungen ersehen, daß die Entwicklung des Fischverbrauchs doch recht befriedigend ist. Nun komme ich zur Beantwortung der Großen Anfrage Drucksache Nr. 3347. Die Bundesregierung ist sich der großen ernährungswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Bedeutung der Fischwirtschaft bewußt. Wir haben uns infolgedessen mit besonderer Energie dem Wiederaufbau der deutschen Fischereiflotte zugewandt. Die Bundesrepublik besitzt wiederum eine moderne Fischereiflotte, deren Durchschnittsalter sogar unter dem der Vorkriegszeiten liegt. Vor dem Kriege war das Durchschnittsalter unserer Schiffe 14 Jahre; gegenwärtig ist es 12 Jahre. Die deutsche Fischereiflotte ist damit die modernste in Europa. Die vor allen im Fischhandel und in der Fischindustrie aufgetretenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sich naturgemäß auch auf die Fischereiflotte auswirken, sind in erster Linie in der Zweiteilung Deutschlands begründet. Während die Hauptstandorte der Fischwirtschaft schon immer im Bereich der Bundesrepublik lagen, befanden sich die Hauptabsatzgebiete in der jetzt sowjetisch besetzten Zone und in Teilen der polnisch verwalteten Gebiete. Die neun Punkte der Großen Anfrage der Fraktion der Deutschen Partei darf ich wie folgt beantworten: Zu 1 und 2: Die Bundesregierung ist ebenfalls der Meinung, daß die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochseefischerei gegenüber dem Ausland gesichert sein muß. Ob dies der Fall ist, kann nach Auffassung der Bundesregierung aber nur durch Vergleich der gesamten Kostenstruktur der deutschen Hochseefischerei mit der Kostenstruktur ihrer ausländischen Konkurrenz beurteilt werden. Ein Vergleich einzelner Kostenelemente ist keine geeignete Beurteilungsgrundlage. Auf die Entscheidung, wer zum Bezug von Dieselkraftstoff aus Konsignationslagern berechtigt sein soll, hat die Bundesregierung keinen Einfluß. Der Herr Bundesminister für Verkehr und ich haben uns darum bemüht, ein entsprechendes Zugeständnis von den hierfür maßgebenden Öl-gesellschaften zu erreichen. Die ausländischen Muttergesellschaften dieser Ölfirmen haben dies jedoch bisher mit dem Hinweis darauf abgelehnt, daß in anderen Ländern die Hochseefischerei ebenfalls nicht aus Konsignationslagern tanken kann. Der Verband der deutschen Hochseefischereien bemüht sich augenblicklich in Verhandlungen mit den Öl-gesellschaften um eine Sonderregelung; diese Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Im Zusammenhang mit der Neuregelung der Preise für Dieselkraftstoffe hat sich der Deutsche Bundestag bereits mit diesem Fragenkreis beschäftigt. In seiner 195. Sitzung hat er den Bundesminister der Finanzen ersucht, u. a. die wirtschaftliche Lage der deutschen Hochseefischerei einer Prüfung zu unterziehen und darüber dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu berichten. Der Bundesminister der Finanzen hat in Durchführung des genannten Ersuchens des Deutschen Bundestages den Verband der deutschen Hochseefischereien um die Überlassung geeigneter Unterlagen gebeten, um die zu prüfenden Firmen bestimmen zu können. Der Verband der deutschen Hochseefischereien hat bis heute die erbetenen Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt, sondern auf die entsprechenden Schreiben des Bundesfinanzministers lediglich mitgeteilt, daß er keine Subventionierung durch den Bund beim Ankauf von Gasöl, sondern nur eine Gleichstellung mit der ausländischen Konkurrenz verlange und daß sich daher eine Untersuchung ({2}) über die Wirtschaftslage der deutschen Hochseefischerei erübrige. Zur Frage der Kohlenpreise darf ich darauf hinweisen, daß nach der Verordnung PR 41/52 zur Änderung der Anordnung über Preise für Steinkohle vom 13. Mai 1952 die Hochseefischerei von neuen Erhöhungen der Kohlenpreise ausgenommen ist. Es trifft nicht zu, daß der Bundesminister der Finanzen die Verlängerung des Notgesetzes für die Hochseefischerei verhindert hat. Er hat lediglich seine Zustimmung zu einer Verlängerung dieses Gesetzes vom Ergebnis seiner Überprüfung der wirtschaftlichen Lage der deutschen Hochseefischerei abhängig gemacht. Wie bereits oben dargelegt, hat der Verband der deutschen Hochseefischereien aber eine solche Untersuchung für überflüssig erklärt und auf Subventionen ausdrücklich verzichtet. Zu 3: Auf Grund des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr vom 28. Januar 1951 werden bei Vorliegen von im Gesetz genau bezeichneten Lieferungen und sonstigen Leistungen bestimmte Steuererleichterungen gewährt. Für die in der Großen Anfrage der Deutschen Partei gemeinten Anlandungen der deutschen Hochseefischerei im Ausland trifft keiner der im Gesetz bezeichneten Fälle zu. Es ist so, wie der Herr Abgeordnete Mühlenfeld sagte, daß zur Erreichung dieses Zweckes eine Änderung der Vorschriften notwendig wäre. Ich werde die Angelegenheit weiter im Auge behalten. Zu 4: Für die Anschaffung und innere Einrichtung eines Fischereiforschungsschiffes sind im Haushalt meines Ministeriums für 1952 1 Million DM eingesetzt. Es laufen Verhandlungen mit dem Herrn Bundesminister für den Marshallplan, um den Restbetrag von 1,2 Millionen DM aus ERPMitteln zu erhalten. Es besteht Aussicht, daß dieser Betrag zur Verfügung gestellt wird. Zu 5: Bisher ist von keiner Seite an die Bundesregierung das Ersuchen gestellt worden, die Errichtung einer Jungfischerschule in Bremerhaven zu fördern. Meine auf Grund der Großen Anfrage der Deutschen Partei in dieser Angelegenheit angestellten Ermittlungen haben ergeben, daß bei keiner hierfür etwa zuständigen Stelle greifbare Pläne über die Errichtung einer solchen Schule in Bremerhaven vorliegen. Eine Stellungnahme der Bundesregierung zu dieser Frage im gegenwärtigen Zeitpunkt ist daher um so weniger möglich, als mit dieser Frage auch wesentliche Belange des zuständigen Landes unmittelbar berührt werden und entsprechende Erklärungen nur im Einvernehmen mit der zuständigen Landesregierung abgegeben werden können. Die Bundesregierung ist im Rahmen ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit bereit, sobald ein eingehend begründeter Antrag vorliegt, im Benehmen mit den zuständigen Stellen die Frage der Errichtung einer Jungfischerschule in Bremerhaven zu prüfen. Zu 6: Das Referat Fischerei und Fischwirtschaft hatte bisher folgende Stellenausstattung: 1 Ministerialrat, 1 Regierungsrat, 1 Regierungsoberinspektor, 1 Angestellter des höheren Dienstes und 2 Mitarbeiter. Nach eingehender Prüfung soll jetzt als erste Maßnahme das Fischereireferat erweitert werden. In der Ergänzung zum Ersten Nachtrag 1951, der zur Zeit dem Hohen Hause zur Beratung vorliegt, werden daher folgende Stellen zusätzlich beantragt: 1 Oberregierungsratsstelle, 1 Amtsratsstelle und je eine Angestelltenstelle der Tarifgruppen VI b und VII. Die Bundesregierung will mit diesem Vorgehen der Verpflichtung der gebotenen Sparsamkeit nachkommen, andererseits der Bedeutung der Fischwirtschaft im Vergleich zu anderen wichtigen Versorgungsreferaten in angemessener Weise Rechnung tragen. Zu 7: Im Außerordentlichen Haushalt meines Amtes sind bei Kap. 1 Tit. 7 für das Rechnungsjahr 1952 1,5 Millionen DM für Darlehen an die Kutterfischerei vorgesehen. Darüber hinaus sind im Haushalt 1952 Mittel eingeplant, um die bisherige Treibstoffverbilligung für die Kutterfischerei fortzuführen. Zu 8: In der Frage der Konsolidierung der Kredite für die Fischdampferneubauten hat sich mein Ministerium ständig um eine langfristige Umfinanzierung bemüht. Auf meine Vorstellungen bei der Bank deutscher Länder hat sich der Zentralbankrat hiermit eingehend befaßt und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß er sich aus grundsätzlichen notenbankpolitischen Erwägungen nicht in der Lage sieht, in dieser Richtung etwas zu unternehmen. Für eine Refinanzierung mit Hilfe von Haushaltsmitteln des Bundes besteht keine Möglichkeit. Zu 9: Der Entwurf eines Gesetzes über den Verkehr mit Fischen und Fischwaren bedarf wegen der besonders unterschiedlich gelagerten Verhältnisse in den einzelnen Sparten der Fischwirtschaft zeitraubender Vorarbeiten. Er wird in Kürze dem Bundeskabinett vorgelegt werden. Meine Damen und Herren, ich darf zum Schluß meiner Freude Ausdruck geben, daß nunmehr für die deutsche Fischerei wiederum die Möglichkeit gegeben ist, allüberall zu fischen hinauf bis zur Barentsee, wenn auch die von den Russen eingeführte 12 Meilen-Zone gewisse Schwierigkeiten bietet. Besonders hervorheben darf ich - worauf Herr Mühlenfeld eben schon hinwies - den gestringen Auslaufs zweier Schiffe nach Grönland, um dort neue Fischgründe zu erschließen. Denn wir haben erfreulicherweise in den letzten Jahren eine zunehmende Erwärmung des Atlantiks. Wir fangen heute Thunfische in viel größeren Mengen als früher, und die Sardine, die früher nur an der spanischen und portugiesischen Grenze auftrat, hat sich mirabile dietu auch an der Nordseeküste gezeigt. Hoffen wir, daß die gestern begonnene Aktion, das Riesengebiet von Grönland auch der deutschen Fischerei zu erschließen, Erfolg hat und daß wir die Eiweißversorgung des deutschen Volkes immer stärker auf dem billigen und gesunden Fisch aufbauen können. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wird die Besprechung der Großen Anfrage verlangt? - Wird der Antrag von 30 Mitgliedern des Hauses unterstützt? - Es sind offensichtlich mehr als 30 Mitglieder, die die Besprechung verlangen. Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Gröwel.

Dr. Margarete Gröwel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000733, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nicht, weil in der ganzen Welt der Fisch im Augenblick das vermehrte Interesse der Ernährungsphysiologen und der Poliker gewinnt, sondern weil es für uns bei dem wirtschaftlichen Aufbau in der Bundesrepublik naheliegt, bemüht zu sein, die durch das Anwachsen der Bevölkerung fühlbare Eiweißlücke zu schließen, darum sind wir an dieser Frage lebhaft interessiert. Wenn auch die Ernährungswissenschaftler uns, den Verbrauchern, ich möchte sagen, den Hausfrauen insbesondere, vorrechnen, daß ({0}) z. B. - und nun lassen Sie mich wirklich als Frau etwas sagen - 100 gr Kabeljau 72, die Scholle 83, der Seehecht 88 und der gemeine Hering sogar 210 Kalorien enthalte, so wissen wir, daß diese Zahlen heute für uns Hausfrauen gar keine Anziehungskraft mehr besitzen. Es ist ja schon so, daß Ziffern überhaupt nie appetitanregend wirken. ({1}) Das beweist uns die Tatsache, daß der Verbrauch je Kopf der deutschen Bevölkerung - der Herr Minister erwähnte es eben schon - im Jahre 1948 und 1949 15,2 kg betrug und sofort mit der Besserung der Ernährungsverhältnisse auf 11,5 kg fiel. Diese Zahl mag vielleicht relativ nur einen geringen Rückgang darstellen; aber für die Fischwirtschaft ist diese Zahl deshalb so entscheidend und einschneidend, weil durch den Eisernen Vorhang sich die Zahl der Verbraucher um über 20 Millionen vermindert hat. In den durch die Zonengrenze abgetrennten Gebieten Mecklenburg und Thüringen - es ist sehr wichtig, daß wir das hier noch einmal sagen - lag der Fischverzehr je Kopf der Bevölkerung weit über dem damaligen Reichsdurchschnitt. 40 % aller westdeutschen Fischprodukte sind vor dem Kriege 'in Mittel- und Ostdeutschland abgesetzt worden. Kein anderer Wirtschaftszweig - und die Fischwirtschaft ist derjenige Wirtschaftszweig, der das am schnellsten verderbliche Lebensmittel umsetzt - ist deshalb von der Teilung Deutschlands so betroffen worden wie die Fischwirtschaft. Hinzu kommt noch die Tatsache, daß 90 % der deutschen Fischwirtschaft immer im deutschen Bundesgebiet, im Westen gelegen haben. Daraus. ergibt sich wohl das ungeheure Mißverhältnis zwischen der Produktionskapazität und den Absatzmöglichkeiten. Also ist die Hauptursache der katastrophalen Notlage der Fischwirtschaft in der durch die weltpolitischen Ereignisse hervorgerufenen Teilung zu suchen. Es ist deshalb wichtig und notwendig, daß die Fischwirtschaft wieder den Kontakt mit ihrem Hauptabsatzgebiet aufnehmen kann. Ich 'bin sehr erstaunt, daß in der Begründung und auch in der Antwort des Ministers nicht auf das sogenannte Berliner Abkommen eingegangen worden ist, das doch eine Summe von 50 Millionen DM für die Lieferung von Fischen und Fischwaren eingesetzt hat. Diese Summe ist, wenn sie uns auch im Augenblick vielleicht groß erscheint, nicht annahernd mit der Warenmenge vergleichbar, die vor dem Kriege in die abgetrennten Gebiete hineingegangen ist. Es 'ist zum anderen nur ein Bruchteil der heutigen Aufnahmefähigkeit dieser Gebiete. Aber diese Zahl 50 Millionen zeigt uns deutlich die Notwendigkeit und die Wünsche, die für die Bezieherseite und die Lieferseite bei den Verhandlungen zugrunde lagen. Aber leider sind heute die Lieferungen nach dem sogenannten Berliner Abkommen überhaupt noch nicht getätigt. Geringe Teillieferungen - einmal von 9 Millionen DM und einmal, glaube ich, von 4,4 Millionen DM - sind zwar im Jahre 1951 schon durchgeführt worden; aber das Berliner Abkommen ist bis jetzt noch nicht entscheidend zum Zuge gekommen. Da aber die fertiggestellten Waren die Aufnahmefähigkeit unserer westdeutschen Märkte so ungeheuer überfluten und die Waren eine längere Lagerung einfach nicht mehr zuließen, sind die Produzenten eben gezwungen gewesen, unter erheblichen Verlusten am westdeutschen Markt abzustoßen; und es ist vielleicht auch gut, daß wir das hier einmal in aller Offenheit sagen: wir wissen, daß diese Wirtschaftszweige zu dem Mittel gegriffen haben, in den Zeitungen des Ostens Annoncen zur Anpreisung ihrer Ware aufzugeben. Aber trotzdem glauben wir mit allem Nachdruck sagen zu müssen - und wir sind eigentlich dankbar, daß der Herr Minister uns schon die Zusicherung gegeben hat -, daß Handel und Produktion eine gewisse staatliche Förderung erfahren müssen, nicht durch Zwangsmaßnahmen, aber durch Zahlungsgarantien und Ratschläge, wie sie uns eben vom Minister schon zugesagt worden sind. Die aufgezeigten Schwierigkeiten mit dem Osthandel geben uns auch als Hausfrauen um so mehr Veranlassung, den Absatz im Bundesgebiet entscheidend zu steigern. Leider stehen bei der Fischwirtschaft verschiedene Störungsmomente diesen Bestrebungen gegenüber. Das Wichtigste - das ist hier schon gesagt worden, ich möchte es aber als Hausfrau noch einmal betonen - ist die Preiswillkür in der Fischwirtschaft, die ja gerade die Hausfrau am leichtesten feststellt und am empfindlichsten merkt. Vielleicht ist es interessant, hier einmal - nur in Klammern - zu sagen, daß im sogenannten „kaiserlichen" Deutschland die so viel besprochene Seezunge 2 Mark kostete, während sie heute, eben infolge der technischen Intensivierung des Fischfanges und der Vergrößerung der Fanggründe, zu einem wesentlich billigeren Preis auf den Markt gebracht 'wird. Die Fischwirtschaft selbst gibt ja uns Hausfrauen recht, wenn sie sagt, daß das Haupthindernis ihres Absatzes in den ungeheuren Preisschwankungen zu suchen ist. Wir haben doch Preisschwankungen bis nahezu 300 % zu verzeichnen. Natürlich wissen wir - wir Hausfrauen, und wir da oben in Hamburg zuvörderst -, daß wir das Element des Zufälligen bei der Fischwirtschaft nur sehr schwer einschränken können. Ich erinnere Sie an die Unberechenbarkeit 'der Anlandungen, ich erinnere Sie an den Witterungsfaktor. So ist eben im Fischhandel schon ein sehr starkes spekulatives Moment gegeben, dessen letzte und empfindlichste Auswirkungen die Hausfrau dann beim Einzelhändler zu spüren bekommt. Darum ist es schon wichtig, daß man für eine gewisse Marktordnung Sorge trägt, eben um hier eine größere Stabilität zu erreichen. Die Schaffung eines sogenannten Marktverbandes, wie sie schon im Ministerium vorbereitet worden ist, ist also außerordentlich zu begrüßen, eines Verbandes, der durch Übernahme von Kontrakten, vielleicht nach dem Muster der landwirtschaftlichen Ordnung, die Lenkung der Anlandungen vornimmt. Das Zuviel an Anlandungen könnte so abgefangen und zur Verwertung in der Fischmehlindustrie, in ,der Konservenindustrie oder durch Tiefkühlung und Trocknung umgelenkt werden. Als letztes möchte ich nicht vergessen, das Ministerium, das schon von den verschiedenen Propagandamittein gesprochen hat - von der Wanderausstellung, von den Schriften, die herausgegeben worden sind -, darauf hinzuweisen, daß, wie ich glaube, das lebendige Wort dabei doch noch etwas zu kurz gekommen ist. Es wäre 'deshalb gut, wenn durch Bekanntmachung im Rundfunk die Hausfrauen jeweils zeitig genug unterrichtet würden, welche Fischsorten in den verschiedenen Fangperioden anfallen, und wenn durch entsprechende Ratschläge und eben auch durch verlockendere Rezepte die Vorzüge des jeweiligen Marktes hervorgehoben würden. Der englische Ernährungsminister Woolton hat sich durch seine feinen Werbeaktionen in England, mit denen er die Hausfrauen ({2}) so geschickt anzusprechen wußte, geradezu Popularität erworben. Ich glaube, daß unser Herr Ernährungsminister durchaus die Fähigkeit hätte, das gleiche zu tun. Wir wollen es aber nicht dabei bewenden lassen, den Ernst der Situation aufzuzeigen mit dem Wort „Eßt mehr Fisch, und ihr bleibt gesund!" oder „Eßt Fisch morgens, mittags und abends!" Weil wir uns vielmehr darüber klar sind, ,daß die Hebung des Fischkonsums ihre besonderen Vorteile hat - da wir mit eigenen Schiffen, mit eigener Kohle und mit deutschen Besatzungen arbeiten und somit unsere wertvollen Devisen sparen -, sind wir Hausfrauen daran interessiert, dem Fisch einen größeren Raum auf unserem täglichen Speisezettel einzuräumen. Der Herr Minister hat gesagt, daß der Jahresverbrauch für den Kopf der Bevölkerung 11,5 kg beträgt.. Es würde genügen, meine Hausfrauen - und an Sie wende ich mich besonders -, wenn wir den jährlichen Umsatz pro Kopf der Bevölkerung um 1,5 bis 2 kg steigerten. Das ist ein Auftrag und eine Aufgabe für die deutsche Hausfrau. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Loritz. Loritz ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Herrschaften von den Regierungsparteien und auch der Regierung Adenauer zu dem jetzt angeschnittenen Thema nur einige Sätze sagen. Sie bräuchten keine solchen Anfragen wegen des heute so mangelnden Fischabsatzes zu stellen, wenn Sie, meine Herren von der Regierung Adenauer und von den Regierungsparteien, den Hunderttausenden von Familien, die sich heute noch keinen Fischkonsum oder nur ganz selten Fischkonsum zu ihren Pellkartoffeln leisten können, Gelegenheit gäben, sich alle Woche ein oder zweimal in ganz Deutschland Seefische kaufen zu können. Dann wäre der Absatz gesichert, dann bräuchten Sie hier nicht mit scheinheiligen Anfragen zu kommen oder solche Anfragen zu begründen, wie Sie, Herr Mühlenfeld, das getan haben. Die Regierung Adenauer ist daran schuld, ({1}) daß breiteste Schichten der Bevölkerung sich heute noch nicht so viel an Fisch kaufen können, wie sie es gern tun würden. ({2}) - Ihr Zwischenruf ist dermaßen töricht, Herr Mühlenfeld, daß er nur für Ihre Geisteshaltung eine treffende Illustration darstellt. Herr Mühlenfeld, Sie haben sich des langen und breiten darüber ausgelassen, daß unsere deutsche Hochseefischerei schwerstens dadurch gehandicapt wird, daß die Preise für Treiböl und für Kohle bei uns so hoch liegen. Ich habe nicht gesehen, daß Sie und Ihre Deutsche Partei und die anderen Regierungsparteien mit uns gegen die Erhöhung der Treibstoffpreise gestimmt hätten. Wir haben uns damals schärfstens dafür eingesetzt, daß die Treibstoffpreise nicht erhöht werden. Sie aber haben damals brav mit der Adenauerregierung mitgestimmt und haben Ihre Zustimmung zu dem Programm der Regierungsparteien gegeben, wodurch die Preise für Dieselöl und alle möglichen anderen Sachen unerhört zu steigen begannen. Und was die Kohlepreise betrifft, so ist unterdessen das eingetreten, was ich vorhergesagt habe. Damals, als uns anläßlich der Schumanplan-Debatte von der Regierungsseite her versichert wurde: Wenn Sie, meine Abgeordneten, den Schumanplan annehmen, wird die Kohle wahrscheinlich sogar billiger werden, jedenfalls nicht teurer, habe ich erklärt: Ich will einen Besen fressen, wenn die Kohle nach Annahme des Schumanplans billiger wird! Den Besen werde ich Ihnen demnächst überreichen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, damit Sie ihn essen können. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Es gehört nicht zu den parlamentarischen Gepflogenheiten, Besen zu essen, Herr Abgeordneter. Loritz ({0}): Denn Sie selber haben bis jetzt mit Ihren eigenen Augen gesehen, daß die Kohlepreise hinaufgegangen sind. Sie werden in absehbarer Zeit noch weiter hinaufgehen. Die Erhöhung der Treibstoffpreise wirkt sich natürlich für alle möglichen Industrien in Deutschland und insbesondere für die deutsche Hochseefischerei ungünstig aus. Deswegen, meine Herren von den Regierungsparteien, sind die Anfragen, die Sie heute gestellt haben, und die Begründungen dazu, in denen Sie sich zum Schein so „warmherzig" für die Interessen der Hochseefischerei und im besonderen für die Interessen der deutschen Fischkonsumenten eingesetzt haben, nichts anderes als der Versuch, die öffentliche Meinung darüber zu täuschen, wer in Wirklichkeit an dem Zurückgehen des Fischkonsums und an der schweren Benachteiligung der deutschen Hochseefischerei in ihrer Konkurrenz gegenüber ausländischen Unternehmungen schuld ist. Schuld daran ist lediglich Ihre völlig verfehlte Wirtschaftspolitik und Steuerpolitik, für die Sie und die Regierung Adenauer sich in spätetsens einem Jahr vor der deutschen Öffentlichkeit zu rechtfertigen haben werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Glüsing.

Hermann Glüsing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000693, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein paar wenige Sätze zur Großen Anfrage betreffend Förderung der deutschen Fischerei. Zunächst bedaure ich sehr, daß erst unter Punkt 7 auch einmal das Wort Kutterfischerei erwähnt wird. Die Kutterfischerei sollte eigentlich an erster Stelle stehen. Das soll nun nicht bedeuten, daß ich die Schwierigkeiten, die auch die deutsche Hochseefischerei hat, unterschätze. Ich bin aber der Meinung, daß die Schwierigkeiten bei der deutschen Kutter- und Küstenfischerei ungleich größer sind. Ich sage das deshalb, weil ich aus einem Gebiet komme, wo auf engstem Raum über 50 % der schleswig-holsteinischen Kutter- und Küstenfischerei beheimatet ist. ({0}) Ich habe also Gelegenheit, die Fischer bei ihrer praktischen Arbeit zu beobachten. Darüber hinaus habe ich Gelegenheit, mich tagtäglich, wo sich irgendwie die Zeit dazu bietet, über die Sorgen und Nöte der Kutterfischer zu unterrichten. Daß gerade die Kutter- und Küstenfischerei sich in einem so schwierigen Existenzkampf befindet, ist um so ({1}) bedauerlicher, als es sich bei den Kutterfischern meistens um reine Familienbetriebe handelt. Diese Fischereiboote haben meist nur eine Besatzung von Vater und Söhnen, in verschiedenen Fällen vielleicht noch einige Fischereijungen oder Fischereigehilfen dazu. Die Kutterfischerei wird meistens nicht nur unter großen Gefahren ausgeübt, sondern die Fischer fahren auch tagtäglich, auch sonn- und feiertags heraus, wenn nicht gerade eine Sturmwarnung gegeben ist. Diese Kutterfischerei befindet sich in einem schweren Existenzkampf. Fragen wir uns, woran das liegt, dann stellen wir fest, daß im Gegensatz zur deutschen Hochseefischerei die kleine Küstenfischerei keine Gelegenheit hatte, den großen Nachholbedarf, der nun einmal vorhanden war, zu decken, sondern daß die verwendeten Motoren und Maschinen völlig abgerissen sind und so hohe Gestehungskosten für die Fische verursachen, daß kaum eine Rente bei den Fängen übrig ist. Ich bin der Meinung, daß man mit sehr geringen Mitteln hier etwas tun könnte, womit man praktisch die kleine Kutter-und Küstenfischerei wieder in Ordnung bringen würde. Es wird oft gesagt, daß der Kutterfischerberuf übersetzt sei, zum Teil dadurch bedingt, daß aus der Ostzone die vertriebenen Fischer herübergekommen seien. Das ist nur bedingt richtig, meines Erachtens aber nicht entscheidend. Stellen Sie sich nun vor, wenn diese Fischerleute nach sehr schwerer Arbeit mit ihren oftmals sehr geringen Fängen zurückkommen und dann feststellen, daß sie für diese geringen Fänge auch noch einen sehr kleinen Preis bekommen oder daß sie sie überhaupt nicht verkaufen können, dann kann man hier bestimmt nicht von einem Fischerglück sprechen. Ich bin der Meinung, daß wir alles tun sollten, um diese Kutterfischer durch Bewilligung von zinsverbilligten Krediten in den Stand zu setzen, daß sie ihre Fischereifahrzeuge in Ordnung bringen können. Wir sollten keine Gelder dafür aufwenden, daß Neubauten erstellt werden; denn das trifft meines Erachtens nicht den Kern der Sache. Darf ich mir auch erlauben, noch ein Wort zur geplanten Fischereischule in Wilhelmshaven zu sagen. In Büsum in Schleswig-Holstein ist eine solche Fischereischule schon in Bau; sie ist halb fertig. Auch hier fehlen, ähnlich wie in Wilhelmshaven, 70- bis 90 000 DM. Dieses Fischereijugendheim soll einmal dazu dienen, die Fischereijungen menschenwürdig unterzubringen, zum andern ist die geplante Fischereischule auch die erste Schule im gesamten Bundesgebiet, die zur ordnungsgemäßen Beschulung der Fischereijungen dienen soll. Ich habe auch hier die dringende Bitte an den Herrn Bundesminister zu richten - er ist über die Verhandlungen genauestens unterrichtet -, daß dort die fehlenden 70- bis 90 000 DM aus irgendeinem Fonds zur Verfügung gestellt werden, damit das geplante Werk, das wie gesagt, schon halb fertig ist, der Vollendung entgegengeführt werden kann. Zusammenfassend möchte ich sagen: meine Bitte an das Hohe Haus geht dahin, alles zu tun, um neben unserer Hochseefischerei auch die kleine Kutter- und Küstenfischerei, die geradezu zum Landschaftsbild unserer Meeresküste gehört, zu erhalten, im Interesse dieser Fischer und letzten Endes auch im Interesse einer ordnungsmäßigen Ernährungswirtschaft. ({2})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dannemann.

Robert Dannemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000356, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesernährungsminister hat bereits in seiner Beantwortung der Anfragen auf die große ernährungs- und volkswirtschaftliche Bedeutung der gesamten deutschen Fischwirtschaft hingewiesen. Noch in den letzten Jahren haben wir nicht weniger als 40 % des gesamten Eiweißbedarfs der deutschen Volksernährung aus dem Auslande eingeführt und dafür erhebliche Devisen ausgeben müssen. Es liegt daher schon ein großes und starkes volkswirtschaftliches Bedürfnis vor, diese starke Abhängigkeit durch entsprechende Maßnahmen auf ein Mindestmaß herabzudrücken. Auf diesem Wege kann uns ohne Frage ein verstärkter Fischkonsum wesentliche Hilfe leisten. Das ist um so notwendiger, als früher die größten Fischmengen in den Ländern Sachsen, Thüringen und Schlesien abgesetzt worden sind, die uns leider heute nicht mehr zur Verfügung stehen. Wenn auch der Fischverbrauch heute wieder höher ist als vor dem Kriege und eine Höhe von 13 kg pro Kopf und Jahr erreicht hat, so kommt er doch nicht annähernd an den Verbrauch der benachbarten Länder heran. J a, in den süddeutschen Ländern beträgt der Fischverbrauch im Durchschnitt je Kopf und Jahr sogar nur 1 bis 3 kg, bedingt zweifellos durch die ungünstigen Transportverhältnisse, bedingt aber auch durch die dortigen Verzehrgewohnheiten. Wir wollen froh sein, daß unsere deutsche Fischereiflotte nach der Währungsreform modernisiert worden ist und bereits in den letzten Jahren eine Produktion von insgesamt 650 000 t aufzuweisen hatte. Sie kann aber noch wesentlich mehr leisten. Leider sind jedoch bereits bei der jetzigen Produktion in den letzten Jahren bei einer großen Zahl von Betrieben ernste Absatz- und Finanzschwierigkeiten entstanden. Dabei darf man nicht vergessen, daß immerhin mit der ganzen Fischwirtschaft im gesamten Bundesgebiet etwa 400 Industrie-, 350 Großhandelsbetriebe und rund 5 000 Fischfachgeschäfte auf das engste verbunden sind, ganz abgesehen von der großen Zahl kleinster Existenzen an den Küsten Nordwestdeutschlands, die mit einer rentablen Fischwirtschaft stehen und fallen. Sicher, Herr Bundesminister, ist die Werbung für einen verstärkten Fischverbrauch in erster Linie eine Angelegenheit der betreffenden Sparten der Fischwirtschaft selbst. Aber es ist nicht allein ihre Sorge, sondern wir sind der Meinung, daß auch der Staat ein großes volkswirtschaftliches Interesse daran haben sollte, auf diesem Gebiet von sich aus mehr zu tun, als in der Vergangenheit geschehen ist; denn mit geringsten Mitteln lassen sich die Reserven des Meeres stärker heranziehen, und damit läßt sich die Abhängigkeit vom Ausland auf ein Mindestmaß herabdrücken. Dabei stellt der Fisch ein außerordentlich billiges, nahrhaftes und bekömmliches Nahrungsmittel dar, das auch nebenbei wegen der in ihm enthaltenen Mineralien wie Jod und andere in gesundheitlicher Beziehung nicht zu verachten ist. Es wird nicht bestritten, daß die Qualität des Fisches in der Vergangenheit manchmal zu wünschen übrig ließ. Wir glauben aber doch, daß durch das jetzt geschaffene Handelsklassengesetz und das hoffentlich in Kürze erscheinende Fischgesetz eine ({0}) wesentliche Verbesserung zugunsten der Letztverbraucher eintreten wird. Wir möchten auch da die Regierung von uns aus inständig bitten, alles zu tun, nicht nur die Erzeugung zu heben, sondern insbesondere auch den Fischkonsum wesentlich zu verbessern. Wir können uns auch denken, daß durch die Schaffung geeigneter Kühlräume das Risiko, das bisher an den wenigen Auktionsplätzen gegeben war, herabgedrückt wird, und damit dem Wunsch entsprochen werden kann, der Hausfrau jeden Tag in der Woche frischen Fisch zur Verfügung zu stellen, auch an Plätzen, an denen sie bisher diesen frischen Fisch nicht jederzeit in genügenden Mengen bekommen Konnte. Nun noch einige Worte zu ,der Beantwortung der Fragen der Deutschen Partei. Unsere Fischereiflotte ist, wie anfangs schon ausgeführt wurde, modernisiert worden, und wir wollen froh darüber sein und wollen das anerkennen. Aber es läßt sich auch nicht bestreiten, daß die Wettbewerbsbedingungen unserer deutschen Fischereiflotte wesenlich ungünstiger liegen als in den Konkurrenzländern, insbesondere bei der stärksten Konkurrenz, in England, wo den Fischereibetrieben und -flotten 'besonders Kohlen und Heizöl zu bedeutend niedrigeren Preisen zur Verfügung stehen. Aus diesem Grunde haben wir uns auch - und damit möchte ich das richtigstellen, was Kollege Loritz eben fälschlicherweise behauptet hat - im Ernährungsausschuß immer einmütig für eine Verbilligung des Treibstoffs für die Fischerei eingesetzt und haben auch nachher im Plenum diesen Standpunkt nicht geändert, sondern sind nach wie vor der Meinung, daß im Interesse der gleichen Wettbewerbsbedingungen auch in Zukunft für die Fischerei dieselben Startbedingungen gegeben werden sollten wie in den Konkurrenzländern. Ich stimme auch dem Kollegen Glüsing darin zu, daß unser Interesse nicht nur der Hochseefischerei gilt. Auch wir sind der Meinung, daß mehr als bisher der kleinen Hochseefischerei und der Kutterfischerei geholfen werden sollte. Das wird um so notwendiger sein, als die Liberalisierung laufend zunimmt und damit der Kampf der Fischerei in Zukunft bedeutend härter sein wird. So gesehen liegt alle Veranlassung vor, daß die mit der Verordnung vom 30. Mai 1952 zunächst verbilligte Kohlenbereitstellung nicht nur begrenzt gegeben wird, sondern darüber hinaus der Fischerei eine unbedingte Kohlenverbilligung gegeben werden muß. Wenn es nicht möglich ist, Herr Minister, die Motoren der Fischereifahrzeuge aus den Konsignationslägern zu tanken, dann sollten doch nach Ihren Ausführungen auf jeden Fall mit aller Energie die Bemühungen fortgesetzt werden, eine Sonderregelung mit den Ölgesellschaften zu erreichen. Im Ernährungsausschuß herrschte auch Einmütigkeit in der Auffassung darüber, daß zur Erschließung neuer Fischgründe unbedingt ein Fischereiforschungsschiff gebaut werden sollte. Wenn auch nach Ihren Ausführungen bereits 1,2 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden sind, dann müssen wir schon bitten, daß in Kürze die restlichen 1,2 Millionen DM aus ERP-Geldern zur Verfügung gestellt werden, damit auch dieser dringendste Wunsch bald verwirklicht werden kann. Wie ich eben schon sagte, gilt unsere große Sorge genau so der kleinen Hochseefischerei und insbesondere der Kutterfischerei. Wenn ich vorhin von einer Treibstoffverbilligung gesprochen habe, dann trifft das gerade für diese Kategorien der Fischereiflotte zu. Wir wissen, daß besonders jetzt ein großer Teil dieser Betriebe in äußerste Not geraten ist, und wir sind der Meinung, daß diese Not gebannt werden kann, 'wenn den Betrieben in Zukunft der Treibstoff, 'wie im Bundestag beantragt und von ihm beschlossen worden ist, verbilligt gegeben wird. Es ist außerordentlich bedauerlich, daß es angeblich nicht möglich sein soll, die kurzfristigen Kredite in langfristige umzufinanzieren. Geschieht das nicht, dann sind wir uns darüber klar, daß bei einem Großteil der Betriebe erhebliche finanzielle Schwierigkeiten eintreten werden. Man sollte daher ernsthaft prüfen, ob nicht ein anderer Weg beschritten werden kann, diesen stark gefährdeten Betrieben in finanzieller Hinsicht zu helfen. Mit Genugtuung haben wir davon Kenntnis genommen, daß bezüglich der Betreuung im Ernährungsministerium selber das Referat Fischerei in personeller Hinsicht eine Verbesserung erfahren hat. Aber wir stimmen mit Herrn Kollegen Dr. Mühlenfeld darin überein, daß diese jetzt vorgesehene stellenplanmäßige Verbesserung keinesfalls ausreichend ist, um der wirklichen Bedeutung unserer Fischerei, zum mindesten für die Küstengebiete, genügend zu entsprechen. Wir wollen nicht verkennen, was die Fischwirtschaft für die Notstandsländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein an den Küstengebieten bedeutet. Wir haben in der Vergangenheit leider oftmals den Eindruck gehabt, daß man sehr wohl geneigt ist, für die Industrie im Binnenland erhebliche Gelder auszugeben, daß man aber wenig geneigt gewesen ist, für die kümmerlich verstreuten Industriebetriebe in den Küstengebieten, insbesondere im Norden, dasselbe zu tun. Wir meinen daher, daß in Zukunft, wenn schon diese Länder so wenig Industriebetriebe haben, alles getan werden sollte, um diesen zu helfen und um hier Industrien ansässig zu machen, helfen und die einer großen Zahl von Arbeitskräften an Ort und Stelle Arbeit verschaffen und damit die Versorgung des deutschen Volkes auch auf diesem Gebiete weitgehend sichern helfen. ({1})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Mertins.

Arthur Mertins (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001484, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Großen Anfragen, sowohl die der DP als auch die der CDU, erwecken in der Öffentlichkeit den Anschein, als ob sich auf dem Gebiet der Fischwirtschaft jetzt wirklich irgend etwas Neues getan habe und als ob jetzt hier im Bundestag ein besonders großes Interesse an der Fischwirtschaft vorhanden sei. Kenner der Fischwirtschaft wissen aber, daß diese beiden Großen Anfragen eigentlich nur der Tarnung der Verlegenheit über die tatenlose Bundesregierung zuzuschreiben sind. ({0}) Denn es ist ja nichts auf dem Gebiete der Fischwirtschaft passiert, was nicht schon vor eineinhalb Jahren vorhanden gewesen wäre. Bereits am 29. März 1950, also vor mehr als einem Jahr, hatte der Unterausschuß Fisch, den der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eingesetzt hatte, eine Empfehlung zusammengestellt, in der ausnahmslos alle Punkte, die jetzt in den Großen Anfragen der beiden Koalitionsparteien so herausgestellt sind, eingehend behandelt waren. ({1}) ({2}) Diese Empfehlung ist damals von dem Unterausschuß und auch vom Ernährungsausschuß positiv verabschiedet worden. ({3}) Meine Fraktion hat damals hervorragenden Anteil an der Formulierung und Erarbeitung dieser Empfehlung genommen, weil wir damals schon wußten - was uns heute erst wieder als anscheinend neue Erkenntnis präsentiert worden ist -, daß der Fisch eine volkswirtschaftlich große Bedeutung hat und daß er auch ernährungswirtschaftlich nicht mehr aus dem deutschen Leben wegzudenken ist. Wir haben aber damals bereits gewußt, daß es schwer sein würde, die einstimmig beschlossenen Empfehlungen des Unterausschusses wirklich in die Tat umzusetzen. Die damaligen Empfehlungen kann man in drei große Gruppen zusammenfassen. Wir haben damals Vorschläge zur Erneuerung der Hochseeflotte und zur Sicherung ihrer Rentabilität gemacht. Zweitens haben wir eine Marktbeobachtung verlangt und Vorschläge für die Absatzförderung und die Fischwerbung eingehend niedergelegt. Wir haben drittens Maßnahmen zur Ordnung des Marktes auf dem Gebiet der Fischwirtschaft einschließlich der Regelung der Importe verlangt. Der Ernährungsausschuß hat sich diesen Vorschlägen einstimmig angeschlossen und die Empfehlungen an den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten weitergegeben. Es haben dann weitere Besprechungen der Experten für Fischwirtschaft in diesem Hause mit dem Ernährungsministerium stattgefunden. Geschehen ist in der ganzen Zeit, also in eineinhalb Jahren, so gut wie nichts. ({4}) Denn es ist doch wirklich etwas dürftig, wenn der Herr Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten heute hier bei der Antwort auf die Großen Anfragen seine Zuflucht darin suchen muß, daß er aufzählt, welche Broschüren und Plakate für die Hebung des Absatzes und die Hebung des Konsums von ihm und seinem Ministerium herausgegeben worden sind. ({5}) Das sind doch Palliativmittel, denen die Basis fehlt, auf der allein die Neuordnung der gesamten Fischwirtschaft aufgebaut werden kann. Die Erneuerung der Flotte, die hier durch den Herrn Bundesminister festgestellt worden ist, ist j a durch die fast alleinige Hilfe der Länder geschehen. Die Konkurrenzfähigkeit mit dem Ausland durch Verbilligung von Diesel und Kohle ist doch immer nur auf Druck dieses Hohen Hauses durchgesetzt worden. Die Marktbeobachtung fehlt meines Erachtens völlig. Man müßte mich vom Gegenteil überzeugen, wenn ich es anders sehen sollte. Die Absatzförderung ist noch nicht einmal in den Anfängen des Versuchsstadiums. Die Fischwerbung ist vielleicht etwas angelaufen - es haben sich manche Leute sehr viel Mühe damit gemacht -, aber sie ist unzureichend und muß unzureichend bleiben, solange das Marktordnungsgesetz, das jetzt wahrscheinlich so die 25. Fassung haben wird, diesem Hohen Hause noch nicht zur Entscheidung vorgelegt wird. Angesichts dieser Tatsachen wirken die beiden Anfragen auf mich und auch auf andere Kenner der Verhältnisse etwas komisch. Ihre Regierung ist es doch, die die Beschlüsse von damals nicht durchgeführt hat. An Ihren Ernährungsminister waren die Beschlüsse schon vor eineinhalb Jahren gerichtet. ({6}) Ich bin weit davon entfernt, allein dem Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten den Vorwurf zu machen, daß er versagt habe. Die Schuld liegt in der Doppelzüngigkeit, verzeihen Sie, in der Zweigleisigkeit Ihrer Wirtschaftspolitik, in der Starrheit Ihres Finanzministers gegenüber den Erfordernissen dieses Zweiges der deutschen Wirtschaft. Ich hatte bis heute morgen den Eindruck, als suchten Sie durch diese Großen Anfragen bei der Opposition Bundesgenossen, um Ihre eigenen Minister wegen ihrer Unzulänglichkeit hier in offener Feldschlacht des Parlaments zu besiegen. ({7}) Wir hätten Ihnen diese Hilfestellung gern geleistet. Leider mußten wir erfahren, daß der Antrag der CDU/CSU dann während der Verhandlungen hier wieder zurückgezogen worden ist. ({8}) Wir wollen Sie aber nicht aus der Verantwortung entlassen, meine Damen und Herren. Daher erlaube ich mir, im Namen meiner Fraktion den Antrag zu stellen, den ich dem Herrn Präsidenten hiermit schriftlich übergebe und der lautet: Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag bis zum 15. September 1952 den Entwurf eines Fischgesetzes vorzulegen. Ich will auf die materiellen Dinge in der Fischwirtschaft nicht eingehen. Ich halte dafür, daß heute nicht Zeit und Ort dafür sind, eine große Debatte über Fischwirtschaft vom Zaune zu brechen. Dazu wird ausreichend Gelegenheit sein, wenn wir das hoffentlich mit Ihrer Hilfe jetzt bald vorzulegende Fischgesetz beraten werden. Ich bitte Sie aber im Namen meiner Fraktion im Interesse der Fischwirtschaft und im Interesse der Konsumenten: nehmen Sie unseren Antrag an! Wir haben die Befürchtung, daß sonst aus der ganzen Geschichte nicht mehr herauskommt als ein Hornberger Schießen. ({9})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Gundelach.

Gustav Gundelach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000752, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Wir haben uns bereits in der Vergangenheit wiederholt mit der Lage der Hochseefischerei und auch der Küstenfischerei beschäftigt. Wir haben dabei jedesmal festgestellt, daß in Verbindung mit den erhöhten Fangergebnissen Absatzschwierigkeiten zu verzeichnen waren. Es sind auch heute eine ganze Reihe von Anregungen gegeben worden, um den Verbrauch innerhalb des Bundesgebiets zu fördern und zu steigern. Aber damit ist die Kernfrage keineswegs gelöst. Nur eine gewisse Steigerung des Absatzes auf dem Markt des Bundes wird niemals die Hauptfrage lösen, wie wir über die Grenze des Bundesgebiets hinaus einen wesentlichen Absatz herbeiführen können. Wie in zahlreichen anderen Wirtschaftszweigen, so läßt auch die Lage in der Fischerei und der Fischindustrie mit aller Deutlichkeit erkennen, wie verhängnisvoll sich die Spaltung Deutschlands gerade auf unsere Wirtschaftslage auswirkt. ({0}) Zur Lage in der Fischindustrie Hamburgs bringt die Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr in ihrem Jahresbericht für 1951 u. a. folgendes zum Ausdruck: Solange die früheren Absatzgebiete der Hamburger Fischindustrie in Mittel- und Ostdeutschland infolge der Zonengrenzziehung mit regelmäßigen Lieferungen nicht mehr erreicht werden können, wird die Krise der Hamburger Fischindustrie andauern. Damit trifft die Hamburger Behörde für Wirtschaft eine Feststellung, die sowohl für die gesamte westdeutsche Fischindustrie wie auch für zahlreiche andere Wirtschaftszweige zutrifft. Es fehlt eben das natürliche Absatzgebiet für Fische und Fischkonserven; es fehlt der Handel mit der Deutschen Demokratischen Republik und mit jenen Ländern im Osten, die früher die natürlichen Abnehmer dieser und anderer Waren gewesen sind. ({1}) Dabei muß ausdrücklich festgestellt werden, daß die verantwortlichen Politiker sowohl in der Deutschen Demokratischen Republik als auch in den volksdemokratischen Ländern jederzeit bereit sind, Handelsbeziehungen auf der Grundlage der völligen Gleichberechtigung mit Westdeutschland aufzunehmen und auch zu erweitern. Aber die derzeitige Regierung im Bundesgebiet handelt auch in dieser Frage nicht vom Standpunkt der Interessen der in Frage kommenden Wirtschaftskreise, sondern unterwirft sich den Interessen der Westmächte. Ich erinnere hier an die Tatsache, daß die amerikanischen Besatzungsbehörden erst vor einiger Zeit eine schwarze Liste mit Namen von 85 westdeutschen Firmen aufgestellt haben, gegen die wegen ihres Handels mit der Deutschen Demokratischen Republik Repressalien gefordert werden. Zu diesem Skandal schweigt die Bundesregierung. Sie ist offenbar mit diesem Eingriff amerikanischer Stellen gegen deutsche Firmen und gegen deutsche Interessen einverstanden. Aus Kreisen der fischwirtschaftlichen Vereinigung in Bremerhaven wird bekannt, daß es vorgekommen ist, daß Fischlieferungen an der Zonengrenze von englischen bzw. amerikanischen Grenzstellen zurückgeschickt wurden. Diese Fischtransporte gingen dann in die Fischmehlfabriken. Den Schaden daraus hatte die Fischindustrie zu tragen. Für den Bundestag ergibt sich aus dieser Lage nach unserer Meinung die Notwendigkeit, die Bundesregierung zu veranlassen, alle Einschränkungen für den Handel mit Fischen und Fischerzeugnissen aufzuheben, um durch einen normalen Absatz der Fangergebnisse zu einer wirtschaftlichen Rentabilität der Fischerei und der Fischindustrie zu gelangen. Berechtigt sind unserer Meinung nach auch die Klagen der Fischerei über die zu hohen Unkosten, die ihr sowohl für das Instandhalten ihrer Fahrzeuge und der Fischereigeräte als auch für Kohle und Dieseltreibstoff entstehen. Die Küstenfischer z. B. zahlen für diesen Kraftstoff heute den dreifachen Preis gegenüber 1938. Ebenfalls eine dreifache Preissteigerung ist bei den Fangnetzen besonders der Küstenfischer zu verzeichnen. Ebenso berechtigt ist die Klage aus Fischereikreisen über die hohe Einfuhr von Fischen aus dem Ausland. Sie fordern mit vollem Recht die Beschränkung der Einfuhr von Fischen auf einen Stand, der für eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung erforderlich ist. Auch gegen überhöhte Handelsspannen des Zwischenhandels wenden sich die Fischer mit Berechtigung und fordern eine für sie und für die Konsumenten erträgliche Regelung. Die Kernfrage, um deren Lösung es geht, ist im Jahresbericht von 1951 der Hamburger Behörde für Wirtschaft und Verkehr in Verbindung mit der Lage in der Fischerei und der Fischindustrie angesprochen worden. Ich habe sie bereits zitiert. Solange die früheren natürlichen Absatzgebiete für die Fischerei und für die Fischindustrie ausfallen, wird die Krise in diesem Wirtschaftszweig anhalten. Die Politik der Regierung Adenauer, die eine Politik der Vertiefung der Spaltung Deutschlands ist, wirkt sich wie in zahlreichen anderen Wirtschaftszweigen auch auf die Gebiete der Fischerei verhängnisvoll aus. Deshalb - der Meinung sind wir - muß Schluß gemacht werden mit dieser verderblichen Politik. Es muß dem Willen der Mehrheit unseres Volkes entsprochen werden. Dieser Wille ist auf die Durchführung einer Politik zur Sicherung des Friedens und der baldigen Wiedervereinigung Deutschlands gerichtet. Das wird auch ein Ausweg aus dem krisenhaften Zustand der Fischerei sein. ({2})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat der Abgeordnete Brookmann.

Walter Brookmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000273, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur einige wenige Bemerkungen zu der Anfrage der Deutschen Partei. Vorweg jedoch eine kurze Erwiderung auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Mertins. Wenn Herr Kollege Mertins der Bundesregierung Tatenlosigkeit vorgeworfen hat, wenn er gemeint hat, daß bisher so gut wie nichts geschehen sei, so muß ich ihm allerdings bescheinigen, daß er die Entwicklung auf dem Gebiet der Fischerei in den letzten Jahren in keiner Weise richtig verfolgt hat. ({0}) - Das will ich Ihnen sagen, wozu wir sie brauchen. Ich darf dabei auf ein Wort des Herrn Bundesernährungsministers Bezug nehmen, der gesagt hat, daß der Aufbau der deutschen Fangflotte jetzt ,abgeschlossen ist. Unsere Anfrage zielt darauf ab, jetzt den Anschluß an das zu finden, was nunmehr zu geschehen hat. Wir wollen jetzt eine Absatzförderung, eine Unterstützung der Regierung in diesem Bemühen und damit eine Hebung des Fischkonsums. Doch nun zu der Interpellation, die Herr Dr. Mühlenfeld hier eingebracht hat. Ich will nicht zu allen Fragen Stellung nehmen, weil ich in den meisten Fragen mit ihm völlig übereinstimme. Zu den Punkten 1 und 2 ist zur Aufklärung aber zunächst folgendes zu sagen. Als Antriebsstoffe für Fischdampfer sind Kohle, Gasöl und auch Heizöl zu unterscheiden. In der Anfrage ist offenbar übersehen worden, außer den bekannten Sondermaßnahmen für die Kohle eine Förderung für Gasöl und auch für Heizöl zu verlangen. Die Tendenz, die Wirtschaftlichkeit der Fischereiflotte zu erhalten, kann nicht einseitig nur den Kohleschiffen zugute kommen, sondern wenn man diese Absicht verfolgt, muß man sämtlichen in der Fischerei eingesetzten Schiffen die gleichen Möglichkeiten und auch die gleiche Un({1}) terstützung geben. Das Heizölschiff ist in der gesamten Schiffahrt in den letzten Jahren dominierend geworden und hat auch aus betrieblichen und wirtschaftlichen Gründen das Kohleschiff zum Teil schon verdrängt. Auch die englische und die isländische Fischerei bevorzugt das Heizölschiff neben dem ebenfalls in den letzten Jahren in stärkerem Umfange aufgekommenen und eingesetzten Motorschiff. Es wäre meines Erachtens ein technischer Rückschritt, wenn sich die deutsche Hochseefischerei nicht ebenfalls diesem allgemein in der Schiffahrt sich durchsetzenden Fortschritt anschließen würde, zumal bereits jetzt erkennbar ist, daß sich das Heizölschiff für die Fischerei ausgezeichnet eignet und bewährt hat. Der Umstand, daß durch die Ihnen bekannte internationale Krise der Heizölpreis in ungesunder Weise angestiegen ist - von 47,70 DM im Jahre 1949 auf 98,80 DM pro Tonne im Jahre 1952 -, was vor Jahren noch in keiner Weise vorausgesehen werden konnte, dürfte die Bundesregierung nicht hindern, auch hier zur Beseitigung der Krisenerscheinung unterstützend einzugreifen, wie es für die Kohleschiffe der deutschen Hochseefischerei durch den stimulierten Kohlepreis der Fall ist, damit die Hochseefischerei nicht ebenfalls die am internationalen Markt üblichen Preise zu zahlen braucht. Gegenüber den Fischmärkten Bremerhaven, Cuxhaven und Hamburg würde es für Kiel eine unerhörte Benachteiligung bedeuten, wenn Kiel mit seinen 8 von insgesamt überhaupt nur 11 Heizölschiffen nicht auch eine verstärkte Unterstützung erführe, zumal sich der Seefischmarkt in Kiel noch im Aufbau befindet. In diesem Zusammenhang gestatten Sie mir, auf den Antrag Drucksache Nr. 1730 betreffend Mittel für die See- und Küstenfischerei zurückzukommen. Auch darüber muß ein Wort gesagt werden. Ich weiß um die Verhandlungen in den zuständigen Ausschüssen. Ich weiß auch um die Verhandlungen, die innerhalb der Bundesregierung zwischen dem Herrn Ernährungsminister und dem Herrn Finanzminister bisher stattgefunden haben. Sie haben aus bestimmten Gründen noch nicht zu dem gewünschten Erfolg geführt. Ich möchte aber hoffen, daß die Verhandlungen nicht abgebrochen sind, sondern daß wir demnächst vielleicht noch einmal mit dem Herrn Finanzminister über die Bedeutung dieses Antrags verhandeln; denn es ist außer allem Zweifel - und da beziehe ich mich auf die Ausführungen meines Kollegen Glüsing -,daß in dem gleichen Maße, wie der Hochseefischerei geholfen worden ist, seitens der Regierung auch der See- und Küstenfischerei geholfen werden muß. Der von dem Herrn Ernährungsminister angekündigte Ausbau seines Fischereireferats wird von uns sehr begrüßt. Das Referat ist mit ausgezeichneten Fachexperten besetzt; aber für die Bewältigung der Aufgaben, die nunmehr zu lösen sind, nachdem der Wiederaufbau unserer Hochseeflotte mehr oder weniger abgeschlossen ist, ist es zu klein. Ein letztes Wort noch zu dem Interzonenhandel. Meine Damen und Herren, eins wäre klar: wenn die Sowjets oder die sowjetzonalen Machthaber den Eisernen Vorhang nicht heruntergelassen hätten, dann hätten wir in Deutschland überhaupt keine Fischabsatzsorgen, und dann brauchten wir diese Debatte von annähernd zwei Stunden nicht. Ich möchte der Bundesregierung anraten, eine intensivere Wiedererschließung der sowjetisch besetzten Zone durch die Wiederaufnahme von Interzonenverhandlungen nicht aus dem Auge zu verlieren, wobei die Übernahme einer Produktions- und vor allem einer Zahlungsgarantie den Handel mit Fischen wesentlich erleichtern und sichern - könnte. Bei dem großen Verständnis, das der Herr Bundesernährungsminister und seine Fachexperten bisher der deutschen Fischerei schlechthin entgegengebracht haben, bin ich sicher, daß auf dem Wege von Verhandlungen, meinetwegen auch zwischen den einzelnen interessierten Kreisen und dem Herrn Minister, Wünsche, die noch offen sind, demnächst erfüllt werden können.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Mühlenfeld.

Dr. Hans Mühlenfeld (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001540, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Meine Damen und Herren! Die Beratung über diesen Gegenstand, d. h. über die Große Anfrage der CDU und über die Große Anfrage der DP, hat doch gezeigt, daß dabei eine Reihe von Problemen aufgetreten, Fragen offengeblieben und Mißverständnisse enstanden sind, nicht zuletzt auch, Herr Bundesminister, durch Ihre Beantwortung und vielleicht auch dadurch, daß der Herr Bundesfinanzminister hier nicht selber zugegen ist. Außerdem scheint mir die Behauptung ,des Kollegen Mertins, wir hätten uns bereits im Ausschuß über alle diese Fragen unterhalten und diese Ausschußberatungen seien ergebnislos oder vergeblich gewesen, weil angeblich die Bundesregierung nichts getan habe, Veranlassung dafür zu geben, die Erklärung der Bundesregierung dem zuständigen Ausschuß zur weiteren Beratung zu überweisen. Wir wollen uns vor allen Dingen auch mit den durch diese Beratung hier im Hause entstandenen Fragen beschäftigen und den ganzen Komplex der Fragen noch einmal aufrollen. Wir wollen auch einmal feststellen, Herr Kollege Mertins, was von Ihrer Behauptung, die Bundesregierung sei im Sinne ,der damaligen Entschließung des Ausschusses nicht genügend aktiv gewesen, richtig ist. Ferner erscheint es mir notwendig, daß wir uns mit den Problemen und der besonderen Situation, wie sie für die Fischwirtschaft aus dem mißlungenen Osthandelsgeschäft enstanden sind, befassen. Ich bitte daher das Hohe Haus um Zustimmung, die Erklärung der Bundesregierung dem Ausschuß zu überweisen. Den Antrag ,der CDU/CSU, der, wie ich vom Kollegen Mertins höre, zurückgezogen ist, nimmt meine Fraktion auf und bittet, ihn in dieser Form ebenfalls dem Ausschuß, also zusammen mit der Erklärung der Regierung, zu überweisen.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Herr Abgeordneter Mertins!

Arthur Mertins (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001484, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin mit dem Abgeordneten Dr. Mühlenfeld durchaus der Meinung, daß wir Gelegenheit haben müssen, im Ausschuß darüber zu debattieren. Ich freue mich auch darüber, daß die Deutsche Partei jetzt den Antrag der CDU/ CSU, der zurückgezogen war, aufgenommen hat. Meine Freunde werden für diesen Antrag, also für die Ausschußüberweisung stimmen. Ich bitte aber, den Antrag meiner Fraktion auf Vorlage eines Fischgesetzes bis zum 15. September schon hier im Plenum anzunehmen, denn ihn an den Ausschuß zu überweisen, wäre ja töricht.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Zunächst liegt ein Antrag der SPD vor, den Herr Abgeordneter Mertins eingebracht hat. Dieser Antrag ist ausreichend unterstützt; infolgedessen muß über ihn abgestimmt werden. Weiterhin ist von Herrn Abgeordneten Dr. Mühlenfeld, soviel ich ihn verstanden habe, der Antrag der CDU/CSU ({0}) wieder aufgenommen und für ihn gleichzeitig die Überweisung an den Ausschuß beantragt worden. Ferner haben Sie beantragt, die Erklärung der Regierung an den Ausschuß zu überweisen. Das ist geschäftsordnungsmäßig nicht möglich. Der Ausschuß kann sich lediglich auf Grund der Niederschrift mit dieser Angelegenheit beschäftigen. Ich glaube, eine derartige Überweisung ist nicht notwendig. ({1}) - Erklärungen der Regierung sind niemals überwiesen worden; das ist nicht möglich. ({2}) Wir kommen dann zur Abstimmung zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD, die Regierung zu ersuchen, ein Fischgesetz vorzulegen. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Weiter ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die der Überweisung zustimmen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Auch dieser Überweisungsantrag ist einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Ich rufe nun Punkt 5 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ordnung der Gartenbauwirtschaft ({3}). Es liegt eine Vereinbarung vor, auf die Begründung und auf eine Aussprache zur ersten Beratung zu verzichten und diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. - Ich höre keinen Widerspruch; ich stelle also das als beschlossen fest. Ich rufe sodann Punkt 6 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1952/53 und über besondere Maßnahmen in der Getreide- und Futtermittelwirtschaft ({4}) ({5}). Zu diesem Punkt liegt ebenfalls die Vereinbarung vor, auf eine Begründung und auf eine Erörterung zu verzichten. Auch in diesem Falle schlage ich die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor. - Es wird nicht widersprochen; also ist demgemäß beschlossen. Punkt 7 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Flurbereinigungsgesetzes ({6}). Dazu liegt ebenfalls die Vereinbarung vor, auf Begründung und Erörterung zu verzichten. Ich schlage die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführend und an den Ausschuß für Bau- und Bodenrecht vor. - Es wird nicht widersprochen. ({7}) - Und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Wird dem widersprochen? ({8}) - Nicht an den Ausschuß für Bau- und Bodenrecht? ({9}) - Also besteht die übereinstimmende Auffassung: Federführend der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, mitbeteiligt der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. ({10}) Damit ist Punkt 7 erledigt. Dann kommt Punkt 8: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Zusatzprotokoll zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung ({11}). Die Regierung hat auf die vorgelegte gedruckte Begründung verwiesen. Der Ältestenrat hat vorgeschlagen, auf eine Aussprache zu verzichten und die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik unmittelbar vorzunehmen. - Dem wird nicht widersprochen; die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik ist also beschlossen. Dann rufe ich Punkt 9 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen ({12}). Auch in diesem Falle ist im Ältestenrat vereinbart, im Hinblick auf eine unmittelbar vorausgegangene Debatte über den gleichen Gegenstand auf eine Begründung und eine Aussprache zu verzichten und zur Beschleunigung den Gesetzentwurf unmittelbar an den Ausschuß für Beamtenrecht zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Ich rufe nun Punkt 10 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten ({13}) über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Aufhebung von Sperrmaßnahmen und Freigabe der von der Besatzungsmacht auf den friesischen Inseln beschlagnahmten Hotels usw. ({14}). Dazu schlägt der Ältestenrat eine Gesamtaussprachezeit von 40 Minuten vor. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an. Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Hasemann. Dr. Hasemann ({15}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat sich mit dem Antrag Drucksache Nr. 2969 der Gruppe der KPD bezüglich Aufhebung der Sperrmaßnahmen und Freigabe der von der Besatzungsmacht auf den friesischen Inseln beschlagnahmten Hotels usw. befaßt. Zu diesem Gegenstand hat auf Rückfragen des Auswärtigen Ausschusses das Finanzministerium mitgeteilt, daß bereits im vorigen Jahre die beschlagnahmten Hotels und Gasthäuser auf der Insel Sylt bis auf das Hotel Wicking und eine Strandhalle freigegeben sind. Auf der Insel Norderney waren noch erhebliche Komplexe beschlagnahmt, unter anderem dreizehn Hotels, drei Wohnhäuser, das staatliche Kurhaus mit den Nebeneinrichtungen, zwei Tennisplätze, ein Golfplatz, ein Wellenschwimmbad, eine Reithalle und sieben ehemalige Wehrmachtgebäude. Nach Mitteilung des Finanzministeriums hat die britische Besatzungsmacht bereits in der zweiten Hälfte des Monats Februar sämtliche Objekte an die deutschen Besitzer zurückgegeben, so daß die Insel Norderney heute völlig frei ist und keine beschlagnahmten Hotels und Gaststätten mehr vorhanden sind. Weiter ist mitgeteilt worden, daß auch Maßnahmen des Bundesfinanzministeriums gemeinsam mit dem Finanzministerium des Landes Niedersachsen eingeleitet worden sind, um die Belegungsschäden festzustellen und die Vergütung für diese Schäden sofort in die Wege zu leiten. Außerdem hat sich auf Vorstellung des Bundesfinanzministeriums auch die britische Besatzungsmacht bereit erklärt, Vorschußzahlungen zu Lasten des Besatzungskostenhaushalts zu genehmigen. Der Ausschuß ist daher der Auffassung, daß der Antrag der KPD erledigt ist. Ich habe Sie im Namen des Ausschusses zu bitten, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen, der besagt, daß der Antrag der KPD Drucksache Nr. 2969 als erledigt zu betrachten ist.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Das Wort ist nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ausschußantrag auf Drucksache Nr. 3397 zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Wir kommen nun zu Punkt 11 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundesrates und des Bundestages zur Belastung eines Teiles der Liegenschaft der durch Entmilitarisierungsmaßnahmen zerstörten ehemaligen Torpedoversuchsanstalt Süd in Eckernförde mit einem Erbbaurecht zugunsten der Niederdeutschen Optik G.m.b.H. in Eckernförde ({1}). Die Berichterstatterin, Frau Abgeordnete Krahnstöver, ist abwesend. Ich glaube, wir können uns auch mit dem gedruckten Bericht begnügen. ({2}) Wird das Wort zur Aussprache gewünscht? Der Ältestenrat hatte keine Aussprache vorgesehen. - Das ist also nicht der Fall. Infolgedessen stelle ich den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3399 zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen. Wir kommen nun zurück auf Punkt 1 der Tagesordnung: Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Maßnahmen, um die Arbeitsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts zu sichern ({3}). ({4}) - Das Wort zur Begründung der Anfrage ({5}) - Herr Abgeordneter Dr. Greve zur Geschäftsordnung!

Dr. Otto Heinrich Greve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000724, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Behandlung dieses Punktes der Tagesordnung hat natürlich nur dann Sinn, wenn entweder der Herr Bundesjustizminister oder der Herr Staatssekretär des Bundesjustizministeriums anwesend ist. Beide Herren sind nicht anwesend. Ich muß daher bitten, Herr Präsident, diesen Punkt der Tagesordnung auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Bundestages zu setzen.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Herr Abgeordneter Dr. Greve, der Herr Staatssekretär ist im Hause. Wir sind etwas schneller vorangekommen, als die Zeiteinteilung vorgesehen hat.

Dr. Otto Heinrich Greve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000724, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, wenn Sie der Auffassung sind, daß wir so lange warten, -

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Nein, nein, ich habe nicht die Absicht, so lange zu warten. Aber ich weiß, daß es alles vorgesehen war.

Dr. Otto Heinrich Greve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000724, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Aber der Herr Staatssekretär des Bundesjustizministeriums ist nicht da! ({0}) - Nein, er ist nicht da. Ob er im Hause ist oder nicht, ist doch gleichgültig. Er sitzt nicht auf der Regierungsbank. Ich bin der Auffassung, das Haus hat nicht auf einen Staatssekretär des Bundesjustizministeriums zu warten, sondern er hat da zu sein. Deshalb bitte ich darum, diesen Punkt heute von der Tagesordnung abzusetzen und ihn auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. ({1})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Ich muß zum Tatsächlichen doch die Feststellung machen, daß darüber Vereinbarungen getroffen sind. Im übrigen hat der Herr Staatssekretär Dr. Strauß das Wort, der gerade kommt. ({0}) - Also Sie wollen erst die Anfrage begründen? ({1}) - Das Wort zur Begründung der Anfrage hat der Abgeordnete Dr Greve. Dr. Greve ({2}), Anfragender: Meine Damen und Herren! Gegen Ende des Jahres 1951 legte der Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts einen Entwurf zur Änderung der Geschäftsordnung beim Bundesverfassungsgericht vor. Er sah sich zu dieser Vorlage genötigt durch die Geschäftslage, wie sie sich beim Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts herausgestellt hatte. Die Vorlage des Herrn Präsidenten des Bundesverfassungs({3}) gerichts gab dem Herrn Bundesjustizminister Veranlassung, sich mit den Fraktionen der Regierungskoalition, der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei und der damaligen Fraktion des Zentrums und der der Bayernpartei in Verbindung zu setzen und einzelne Mitglieder dieser Fraktionen zu bitten, an einer Besprechung, die vom Herrn Bundesminister der Justiz einberufen werden sollte, teilzunehmen, um die prekäre Geschäftslage beim Bundesverfassungsgericht, insbesondere beim Ersten Senat, zu besprechen. Zu diesem Zweck wandte sich der Herr Staatssekretär Dr. Strauß vom Bundesjustizministerium an eine Reihe von Abgeordneten; es waren dies die Herren Kollegen Dr. Arndt, Kiesinger, Dr. Reismann, Dr. Schneider, Professor Wahl und ich selber. Herr Staatssekretär Dr. Strauß bat uns zu einer Besprechung am 7. Januar 1952. An dieser Besprechung nahmen von seiten des Bundesverfassungsgerichts dessen Präsident und sein Stellvertreter teil. Es wurden dabei alle die Dinge besprochen, die dem Herrn Präsidenten des Bundsverfassungsgerichts Anlaß gegeben hatten, sich wegen der immer schwieriger werdenden Geschäftsverhältnisse an den Herrn Bundesminister der Justiz zu wenden. Das Ergebnis dieser am 7. Januar 1952 stattgefundenen Besprechung war nach eingehender Erörterung all derjenigen Dinge, die zu besprechen waren, eine Übereinstimmung der Beteiligten, d. h. mit Einschluß des Herrn Staatssekretärs Dr. Strauß vom Bundesjustizministerium, der diese Besprechung leitete, daß alle Wege beschritten werden sollten, die der Hebung der Arbeitsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts dienen könnten. Die Beteiligten waren sich damals darüber einig, daß von seiten des Bundesjustizministeriums unverzüglich entsprechende eine Anzahl von Stellen für Hilfsrichter beim Bundestag bzw. beim Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags über den Herrn Bundesminister der Finanzen angefordert werden sollte. Es handelte sich damals um zehn Hilfsrichter, da der Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts und sein Stellvertreter bereits je eine Hilfskraft zur Verfügung hatten. Weiter sollte der Herr Bundesminister der Justiz dafür Sorge tragen, daß den Richtern die erforderliche Anzahl von Sekretärinnen - mindestens je eine für jeden Richter - für ihre Arbeit zur Verfügung gestellt wird. In dieser Besprechung hatte sich weiterhin herausgestellt, daß die räumlichen Verhältnisse beim Bundesverfassungsgericht geradezu katastrophal waren, soweit es sich um die Unterbringung der Richter handelte. Es zeigte sich hier wiederum, wie falsch es gewesen ist, das Bundesverfassungsgericht in dieser Stadt und dazu in einem Gebäude unterzubringen, das für die Ausübung der Tätigkeit der Richter in keiner Weise ausreichend war. Die Erstellung von neuem Arbeitsraum für die Richter war notwendig; es sollte wenigstens ein Raum für jeden Richter geschaffen werden. Es war übrigens interessant, in dieser Besprechung festzustellen, daß die nichtjuristischen Hilfskräfte des Bundesverfassungsgerichts zum Teil recht gut eingerichtete eigene Zimmer hatten, während die Richter selbst zu mehreren in einem mehr oder weniger großen Raum untergebracht waren, wo sie ihre Tätigkeit ausüben sollten, oder sie mußten in den noch dürftiger möblierten Zimmern, in denen sie in Karlsruhe bisher untergekommen waren, arbeiten. Es zeigte sich also hier ganz eindeutig, daß von seiten des Bundesjustizministeriums, das in diesem Fall dafür verantwortlich zu machen ist, nicht das getan wurde, was hätte getan werden müssen, um den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts die Möglichkeiten zu geben, vernünftig arbeiten zu können. Ich will in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, daß die Bibliotheksverhältnisse außerordentlich mangelhaft waren. Vielleicht sind sie es auch heute noch. Auch hier muß Abhilfe geschaffen werden. Meine verehrten Damen und Herren, man muß hier vor allem auch einmal feststellen, daß die Dinge wahrscheinlich überhaupt in ein völlig falsches Geleise gekommen sind; denn nicht nur nach unserer Auffassung, sondern auch nach der Meinung derjenigen, die das Grundgesetz gemacht haben, handelt es sich bei dem Bundesverfassungsgericht um ein eigenes Verfassungsorgan, das organisatorisch und - nach meiner Auffassung - auch haushaltsmäßig nicht beim Bundesjustizministerium unterzubringen ist. Schon bei der Ernennung der Richter des Bundesverfassungsgerichts zeigte sich, 'daß zumindest beim Bundesjustizministerium - ob auch bei der Bundesregierung, vermag ich im einzelnen nicht festzustellen - andere Auffassungen herrschen als wohl bei der Mehrzahl der Mitglieder dieses Hauses. Wir meinen, daß das Bundesverfassungsgericht auch haushaltsmäßig einen eigenen Einzelplan im Bundeshaushaltsplan haben sollte, den das Bundesverfassungsgericht - ich betone ausdrücklich: das Bundesverfassungsgericht - selber aufstellt. Das Bundesverfassungsgericht hat auch die ihm vom Parlament zur Verfügung gestellten Mittel selbst zu verwalten und hat nach unserer Auffassung auch die ihm vom Parlament bewilligten Hilfsarbeiter - das bezieht sich natürlich nicht auf die Richter des Bundesverfassungsgerichts, die durch das Wahlmännergremium gewählt werden - selber zu berufen, und nicht das Bundesjustizministerium, ,dem nach unserer Ansicht das Bundesverfassungsgericht überhaupt nicht unterstellt ist. Daher rühren zum Teil die Schwierigkeiten, die sich beim Bundesverfassungsgericht gezeigt haben. Ich habe eben vergessen zu erwähnen, daß sich schon bei der Ernennung der Richter herausgestellt hat, daß hier andere Auffassungen beim Bundesjustizministerium vorhanden sind. Denn nach unserer Auffassung hätten die Richter nicht bei ihrer Ernennung in der Urkunde die Gegenzeichnung des Herrn Bundesjustizministers sehen dürfen, sondern die Gegenzeichnung des Herrn Bundeskanzlers war notwendig, da es sich unseres Erachtens nicht um eine Angelegenheit handelt, die unter die Zuständigkeit des Bundesjustizministeriums zu bringen ist. Meine Damen und Herren, im Haushaltsplan 1951 finden Sie insgesamt für das Bundesverfassungsgericht 1 367 800 DM eingestellt. Das ist für die Hüter der Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Vorgänge im weitesten Sinne des Wortes in unserer Bundesrepublik nicht zuviel, wenn man bedenkt, daß für andere Dinge ganz andere Summen ausgegeben werden. Wenn Sie nun fragen: Was ist denn aus der Besprechung am 7. Januar 1952 im Bundesjustizministerium geworden?, so muß ich Ihnen sagen: bis zu dem Tage, an dem wir unsere Anfrage im Bundestag einreichten, nichts. Das war der 14. Mai dieses Jahres. Ich habe bisher auch nur in Erfahrung bringen können, daß das Bundesjustizministerium sich veranlaßt gesehen hat - insbesondere ({4}) ergibt sich das aber aus einem Schreiben des Herrn Staatssekretärs Dr. Strauß -, in Abweichung von der Vereinbarung, die wir damals getroffen haben, Herr Staatssekretär, nur sechs Hilfsrichterstellen anzufordern, während wir der Auffassung waren, daß für jeden Richter ein Hilfsrichter vom Bundesjustizministerium. angefordert werden sollte. Wir haben uns damals, wie Sie wissen, ausdrücklich damit einverstanden erklärt, daß es wegen der Einfachheit doch noch vom Bundesjustizministerium geschehen sollte, obwohl wir der Auffassung waren, daß der Bundestag selbst dem Bundesverfassungsgericht die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen sollte, damit das Bundesverfassungsgericht selbst alles das tut, was nach seiner Auffassung notwendig ist. Wir sind bis heute noch nicht soweit, sagen zu können, daß das Bundesverfassungsgericht arbeitsfähig geworden ist. Bisher hat es keine Vorwegbewilligung von Mitteln durch den Haushaltsausschuß gegeben, die eben für die Arbeitsfähigkeit unseres höchsten Verfassungsschutzorgans eingesetzt werden müssen und unerläßlich sind. Aus meiner Tätigkeit im Haushaltsausschuß erinnere ich mich, daß es bei anderen Gelegenheiten anders gewesen ist. Als etwa die Zöllnerschule in Bonn eingerichtet werden sollte, ging das sehr schnell, und als der Herr Bundesminister des Innern seinen Bundesgrenzschutz aufstellen wollte, da war das Tempo, das da vorgelegt wurde, -überhaupt nicht mitzumachen. Wenn es sich um die Bewilligung von Mitteln für das höchste Verfassungsschutzorgan unserer Bundesrepublik handelt, scheint man ein solches Tempo nicht zu kennen oder sogar gar nicht zu lieben. Jedenfalls sind, wie gesagt, aus anderen Anlässen dem Haushaltsausschuß Vorlagen wegen der Vorwegbewilligung von Mitteln zugegangen, die nach unserer Auffassung viel weniger dringlich sind als die Mittel, die eingesetzt werden müssen, um die Richter des Bundesverfassungsgerichts und damit das Bundesverfassungsgericht in seiner Gesamtheit arbeitsfähig zu machen. Der Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat auch verschiedentlich darüber Klage geführt, daß es ihm nicht möglich gewesen ist, das zu erreichen, was er schon Ende vorigen Jahres erreichen wollte. Vielleicht sind Sie so freundlich, Herr Staatssekretär, auch darauf einzugehen, wie Sie es für möglich halten, daß man diese paar tausend Mark beim Bundesfinanzministerium noch nicht hat locker machen können, wenn Sie etwa den Versuch unternommen haben sollten, während doch für die Bauten, in denen sich die Herren Kollegen Ihres Ministers mit ihren Beamten unterbringen, ganz ansehnliche Summen ausgegeben werden. Ich erinnere nur an das Bundesfinanzministerium selbst, das ja immerhin wohl so einige 2 Millionen DM kostet, und an den Erweiterungsbau des Wirtschaftsministeriums, für den so rund 1,5 Millionen bereitgestellt worden sind, an den Bundesrechnungshof in Frankfurt am Main, der die runde Summe von 1,9 Millionen kostet. Ich erinnere an die projektierten Bauten u. a. des Auswärtigen Amtes, für das so etwa 4,4 Millionen in den Haushaltsplan eingestellt worden sind. Ich erinnere weiter an die Vorhaben des Bundespost- und des Bundesverkehrsministeriums, des Vertriebenenministeriums, des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen und noch an einige andere Bauvorhaben, ,die bei nüchterner Betrachtung ein Kostenminimum von 20 Millionen, wahrscheinlich sogar einen Kostenaufwand von mehr als 25 Millionen verursachen. Herr Staatssekretär, vielleicht sind Sie so freundlich, uns auch einmal zu sagen, ob Ihr Herr Minister der Auffassung ist, daß es bei der Aufwendung derartiger Mittel für die Ministerien nicht auch möglich sein sollte, soviel Geld bei dem Herrn Bundesminister ,der Finanzen locker zu machen, daß wenigstens die Richter des Bundesverfassungsgerichts räumlich, sachlich und personell in die Lage gesetzt werden, die Aufgaben zu erfüllen, die sie als Mitglieder eines Verfassungsorgans, das dem Schutze der verfassungsmäßigen Zustände in der Bundesrepublik dient, erfüllen müssen. Es ist allerdings geradezu amüsant, wenn man sich vorstellt, daß die Bundesregierung selbst offenbar gar nicht so großen Wert auf die Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts legt, und zwar aus Gründen, die vielleicht in der gegenwärtigen politischen Situation zu erblicken sind. Denn der in Bonn mehr oder weniger unter Ausschluß der Öffentlichkeit erscheinende „General-Anzeiger" vom Freitag, dem 30. Mai 1952, teilt der erstaunten Öffentlichkeit mit, in Regierungskreisen, wie es da heißt, glaube man nicht, daß durch das Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts Schwierigkeiten bei ,der Ratifizierung der Verträge - es handelt sich urn den Generalvertrag, Verteidigungsbeitrag usw. usw. - entstehen könnten. Denn - so heißt es wörtlich dem zuständigen Senat des Gerichts liegen bisher 480 Gerichtssachen vor, von denen bisher nur 200 bearbeitet werden konnten. Bis zur Bearbeitung der SPD-Klage wird deshalb noch einige Zeit verstreichen. Was heißt denn das, meine Damen und Herren? Das heißt doch nichts anderes, als daß die gleiche Bundesregierung, die nichts unternimmt, um das Bundesverfassungsgericht, insbesondere den Ersten Senat dieses Gerichts, arbeitsfähig zu machen, sich im Falle der Wehrklage - man kann sagen: geradezu höhnisch - auf dessen Überbelastung beruft. Wie gesagt, dieser Bonner „General-Anzeiger" schreibt ausdrücklich, daß das aus Regierungskreisen komme. Meine Damen und Herren, die Sache ist wirklich ernst. Sie ist deswegen ernst, weil es sich beim Bundesverfassungsgericht um ein Organ handelt, das für die verfassungsmäßige Ordnung in der Bundesrepublik verantwortlich ist. Ich glaube auch, daß der von mir vorgetragene Sachverhalt die volle Aufmerksamkeit des Hauses verdient, das seinerseits der Bundesregierung seinen Willen eindeutig kundtun sollte. Dieses Haus sollte von der Bundesregierung verlangen, daß dem höchsten Verfassungsschutzorgan unserer Bundesrepublik die Stellung und die Mittel zuerkannt werden, deren das Bundesverfassungsgericht zur Durchführung seiner für das Leben unseres Staates höchst wichtigen Aufgaben bedarf. ({5})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Strauß.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Besprechung, die am 7. Januar bei mir stattfand, waren sich alle Beteiligten einschließlich des Bundesjustizministeriums darüber einig, daß alles verwaltungsmäßig Mögliche geschehen sollte, um die sehr schwierige Geschäfts({0}) tage des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts zu erleichtern. Ich darf Ihnen in Beantwortung der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion der zeitlichen Reihenfolge nach mitteilen, was wir in der Zwischenzeit unternommen haben. Am Tage nach unserer Besprechung hat mein Haushaltssachbearbeiter sich mit den Haushaltssachbearbeitern des Bundesfinanzministeriums in Verbindung gesetzt, um mit dem Bundesfinanzministerium die Einplanung der erforderlichen Mittel zu besprechen. In der gemeinsamen Besprechung mit den Herren Abgeordneten waren wir dahin übereingekommen, daß dem Ersten Senat Hilfsarbeiter - nicht Hilfsrichter, das ist nicht möglich - zur Verfügung gestellt werden sollten dergestalt, daß jedem Richter ein solcher Hilfsarbeiter beigegeben werden sollte. ({1}) - Nur für den Ersten Senat! ({2}) - Nein. Darf ich Sie darauf hinweisen, Herr Kollege Dr. Greve, daß der damals anwesende Präsident der Zweiten Senats ausdrücklich darauf verzichtet hat, Hilfsarbeiter für seinen Senat zu gewinnen und daß wir uns auf die Zahl von 11 - nicht von 10, wie Sie sagten - Hilfsarbeitern geeinigt hatten, weil nur die 12 Richter des Ersten Senats derartige Hilfsarbeiter zu benötigen glaubten und weil ein Hilfsarbeiter, nämlich der des Präsidenten, bereits vorhanden war. Ich bin daher so verfahren, daß ich für den Ergänzungshaushalt 1951, mit dessen baldiger Verabschiedung ich allerdings rechnen zu können glaubte, 6 Hilfsarbeiter und 6 Stenotypistinnen beantragt habe und daß ich die weiteren 5 mit dem Bundesfinanzministerium für das Haushaltsjahr 1952 vereinbart habe. In dieser Besprechung mit dem Bundesfinanzministerium am 8. Januar wurde insoweit Übereinstimmung erzielt. Wir haben die Ansätze in der Ergänzungsvorlage zum Haushaltsplan 1951 am 10. Januar eingeplant und dem Bundesfinanzministerium zugeleitet. Das Kabinett hat am 12. Februar seine Zustimmung erklärt. Wir haben nun nicht etwa gewartet, bis die Sache durch den Haushaltsausschuß durchging. Es war auch nicht erforderlich, die Bewilligung sofort zu beantragen; denn zunächst einmal mußten wir uns darum bemühen, die Hilfsarbeiter zu beschaffen. Die Ausgaben für die Hilfsarbeiter hätte uns das Bundesfinanzministerium in dem Augenblick, in dem diese verfügbar waren, vorwegbewilligt. Wir haben am 23. Januar an sämtliche Landesjustizverwaltungen geschrieben und um entsprechende Vorschläge gebeten, an sämtliche rechtswissenschaftlichen Fakultäten der deutschen Universitäten am 28. Januar. Der Eingang der Vorschläge war außerordentlich schleppend. Er erfolgte zwischen Mitte Februar und Mitte April, und zwar meistens derart, daß, falls überhaupt Vorschläge gemacht wurden, die Personalakten nicht beigegeben waren und erst beigezogen werden sollten. Das Gesamtergebnis war, daß von den rechtswissenschaftlichen Fakultäten keine geeigneten Vorschläge gemacht wurden, von den Landesjustizverwaltungen insgesamt 8. Nachdem wir die Personalakten beisammen hatten, haben wir zunächst 2 Hilfsarbeiter angefordert und erhalten, die der Senat vordringlich benötigte. Sie haben ihren Dienst Ende März bzw. Anfang Mai angetreten. Die übrigen Personalakten haben wir am 14. Mai - die Große Anfrage der Fraktion der SPD ist uns am 21. Mai zugegangen - dem Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts übersandt und ihn um Prüfung sowie um Vorschläge gebeten, die Einberufung welcher dieser Herren er wünsche. Die Vorschläge des Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts sind bei uns am 3. dieses Monats, also am 3. Juni, eingegangen. Wir haben die zuständigen Landesjustizverwaltungen am 4. Juni gebeten, die Herren abzuordnen. Drei von ihnen treten in diesen Tagen an, ein weiterer nach kurzer Zeit. Sowie wir weitere fünf Herren ermittelt haben, werden wir die entsprechenden Vorwegbewilligungsanträge für das Haushaltsjahr 1952 stellen. Sie sind vielleicht etwas überrascht, daß die Gewinnung von Hilfsarbeitern so lange dauerte. Ich glaube mich aber zu entsinnen, Herr Kollege Greve, daß ich in unserer Besprechung vom Januar auf die sachlichen und persönlichen Schwierigkeiten aufmerksam gemacht habe. ({3}) Denn ich bin ja selbst seit Jahren in der unglücklichen Lage, junge Menschen auszusuchen und zu versuchen, geeignete Kräfte für die Behörden zu gewinnen. Die Hilfsarbeiter, die mit einer Aufgabe der Unterstützung der Richter am Bundesverfassungsgericht betraut werden, bedürfen, wie ja auch wohl in unserer Besprechung anerkannt wurde, bestimmter Kenntnisse, die nicht jeder junge Jurist hat. Leider! Die Herren Juristen unter uns wissen alle, daß das Interesse für das öffentliche Recht lange nicht so vorhanden ist, wie wir das alle wünschen, und gerade aus den Antworten der rechtswissenschaftlichen Fakultäten geht hervor, daß sie an ähnlichen Erscheinungen leiden, daß auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts der junge Nachwuchs - wie früher übrigens auch - zahlenmäßig nicht sehr umfangreich ist. Ich bin auch der Auffassung, daß man möglichst nur junge Richter für diese Aufgabe verwenden soll, weil bei Herren vorgerückteren Lebensalters die Schwierigkeiten der Abordnung und auch andere Umstände dagegen sprechen. Ich bleibe weiter bemüht, die restlichen 5 Hilfsarbeiter ausfindig zu machen und so schnell wie möglich zur Verfügung zu stellen. In der Frage der Sekretärinnen bestehen keine Schwierigkeiten; sie sind in genügender Anzahl vorhanden. In der Frage der Räumlichkeiten des Bundesverfassungsgerichts teile ich völlig die Sorgen des Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts und bin ebenso wie mein Herr Minister genau so unglücklich wie der Herr Präsident Professor Höpker-Aschoff, daß wir in dieser Frage nicht schneller vorwärtsgekommen sind. Das Bundesjustizministerium hat sich dieser Frage seit November vorigen Jahres angenommen, also bevor wir unsere gemeinsame Besprechung hatten. Die Dinge sind, wie ich Ihnen damals darzulegen versuchte, dadurch etwas kompliziert, daß das Land - damals Württemberg-Baden - den Ausbau zu finanzieren in Aussicht gestellt hatte und der Hauseigentümer mit dem Lande verhandelt hat. Wir haben bei jeder sich bietenden Gelegenheit bei dem Lande nachgestoßen. Die Verzögerung, die eingetreten ist, ist besonders durch den Übergangszustand verursacht worden, der infolge der damals schwebenden Bildung des Südwestlandes vorhanden war. Der Finanzminister des neuen Lan({4}) des Baden-Württemberg hat uns nunmehr aber zugesagt, sich bei seinem Kabinett dafür einzusetzen, daß das erforderliche Darlehen - darum handelt es sich - in Höhe von 250 000 DM so schnell wie möglich zur Verfügung gestellt wird. Das Bundesjustizministerium kann von sich aus Mittel bekanntlich nicht zur Verfügung stellen, und man wird es nicht unverständlich finden, daß der Herr Bundesfinanzminister sich sträubt, Mittel dann zu gewähren, wenn ein Land bereits in Aussicht gestellt hat, die gleichen Mittel zu geben. ({5}) - Ja! Ebenso wie uns das Land Bayern etwa bei Bundesoberbehörden in seinem Bereich durch Zurverfügungstellung von Räumen geholfen hat und andere Länder das auch tun, ist es der Wunsch des Bundesfinanzressorts, daß in solchen Fällen die Länder, die durch Steuereinnahmen und Verkehrszunahmen Vorteile haben, bei der Unterbringung der Gerichte und Behörden mitwirken. Ich glaube nicht, daß hier das Bundesjustizministerium ein Vorwurf treffen kann. Die Lage bezüglich der Arbeitsräume für die Richter kenne ich persönlich, und sie beunruhigt mich sehr. Sie beunruhigt mich, nicht seit heute und gestern, sie beunruhigt mich seit vorigem September. Die von Ihnen mit Recht gerügten Zustände, daß nichtrichterliche Angehörige des Gerichts sich im Anfangsstadium - als allerdings die Arbeitslast der Richter für diese Herren noch nicht übersehbar war - einen etwas breiten Raum selber zur Verfügung gestellt haben, haben wir so schnell wie möglich abgestellt. Bei Beginn der Tätigkeit des Gerichts im Herbst 1951 standen drei normale Einzelarbeitsräume und sieben aushilfsweise benutzte Räume zur Verfügung. In den sieben aushilfsweise benutzten Räumen sitzen mehr als ein Richter, was unbefriedigend ist. Wir haben seit Anfang Mai vier weitere Einzelarbeitszimmer im Erdgeschoß durch Ausbau, der mit unseren Mitteln möglich war, erreicht. Das Endziel kann aber erst dann erreicht werden, wenn durch die Darlehnsgewährung durch das Land Baden-Württemberg der Ausbau des Erdgeschosses erfolgt ist, eine bauliche Arbeit, die wir dann mit allen zu Gebote stehenden Mitteln beschleunigen würden. Aber, meine Herren, ich bitte doch - aus den Erfahrungen der ganzen vergangenen Jahre, die die meisten von uns doch gemeinsam erlebt haben -, sich daran zu erinnern, daß beim Aufbau von Gerichten und Behörden - ich selbst habe es ja genügend oft durchexerziert - stets Schwierigkeiten bestehen, die sich nur allmählich lösen. Das gilt auch für eine Frage, die Sie nicht erwähnt haben, die ich aber auch als unbefriedigend bezeichnen möchte. Das ist die Wohnungsfrage. Ich glaube, das Bundesjustizministerium ist sogar bekannt dafür, daß es sich der Wohnungsfürsorge nicht nur für seine Angehörigen, sondern für die Angehörigen aller Instanzen, die es dienstlich, verwaltungsmäßig zu betreuen hat, besonders annimmt; das ist wiederholt anerkannt worden. Bis Oktober werden für alle Wohnungen vorhanden sein, mit Ausnahme der Professoren, die nur Ausweichzimmer oder Ausweichwohnungen benutzen und ihre eigentliche Wohnung an ihrer Universität behalten - das sind vier Herren -, und von zwei oder drei weiteren Herren, die Eigenheime bauen. Diese Frage wird also in absehbarer Zeit geklärt sein. Betroffen hat mich - verargen Sie es mir nicht, wenn ich das sage; ich weiß, daß dieser Eindruck auch in Karlsruhe besteht -, daß man gegen uns und damit gegen mich als den für die Haushaltsgebarung und Haushaltsdurchführung Verantwortlichen den Vorwurf erhebt, daß wir etwa mit Absicht Belange des Bundesverfassungsgerichts und seiner Angehörigen in dienstlicher oder persönlicher Hinsicht nicht hinreichend wahrnehmen. Ich bedaure, daß gewisse Spannungen entstanden sind. Ich will nicht leugnen, daß diese Spannungen entstanden sind. Sie sind vielleicht darauf zurückzuführen, daß wir uns nicht genügend häufig aussprechen. Insofern habe ich wahrscheinlich auch selber schuld. Aber Sie wissen, unter welchem Zeitdruck wir stehen. Ich möchte Ihnen, gleichzeitig für meinen Minister, die verbindliche Erklärung abgeben, daß uns niemals andere Erwägungen geleitet haben und leiten werden als die, in der Betreuung der Belange des Bundesverfassungsgerichts in verwaltungsmäßiger und dienstlicher Hinsicht das Äußerste zu tun, was wir können. Glauben Sie doch nicht, daß wir ein geringeres Interesse als die Mitglieder dieses Hauses daran haben, daß die Richter möglichst ungestört und ruhig arbeiten können. Ich kann mir ungefähr eine Vorstellung von der Arbeitsweise machen, die für einen Richter dieses Gerichts erforderlich ist. Er bedarf der Besinnung, er bedarf der Ruhe; er muß die technischen Mittel haben, die dazu notwendig sind. Was in dieser Beziehung noch nachgeholt werden kann, wird geschehen. Aber hier wie auch sonst so oft - ich bedaure, daß mein Kollege Herr Hartmann weggegangen ist, ich hätte es gern in seiner Gegenwart gesagt - ist das Bundesjustizministerium der Prügelknabe bzw. der Prellbock gegen über dem Bundesfinanzministerium. ({6}) Sie sollten in anderen Fragen, die Sie nicht erwähnt haben und über die ich gern bereit bin mit Ihnen noch persönlich zu sprechen, einmal unsere Akten ansehen, wie wir bei jeder Gelegenheit, mit meiner Unterschrift, uns bemüht haben, die Wünsche des Bundesverfassungsgerichts beim Finanzressort durchzusetzen. Auf der anderen Seite möchte ich zu bedenken geben, daß wir auch bei den Bundesverfassungsrichtern in verwaltungsmäßiger Hinsicht an Vorschriften gebunden sind. Wenn ich mich auch bemühe und zum Teil mit Erfolg bemüht habe, diese Vorschriften so weit wie nur irgend möglich auszulegen, so gibt es hier doch eine Grenze. Ich glaube, der Kern liegt doch etwas anders. Obwohl das nur mittelbar mit der großen Anfrage zusammenhängt, möchte ich es, zumal ich mich mit vielen Richtern von Karlsruhe über diese Dinge bei den verschiedensten Gelegenheiten ausgesprochen habe, am Rande doch einmal erwähnen. Ich kann mir vorstellen, daß es für einen Richter im Ersten Senat allmählich unerträglich wird, das Gefühl zu haben, soviel und so intensiv er auch arbeitet, er kommt durch die Aktenberge nicht durch. Der Grund hierfür - ich glaube das ganz objektiv feststellen zu können und zu sollen - liegt darin, daß die Zuständigkeiten durch Gesetz zwischen den beiden Senaten aufgeteilt worden sind und daß eine Änderung der Zuständigkeiten. die etwa dazu führen könnte - das haben wir ja damals bei unserer gemeinsamen Besprechung auch erörtert -, daß gewisse Zuständigkeiten von dem einen auf den anderen Senat verlagert werden oder daß man zu einer ganz anderen Regelung kommt, auch nur ({7}) durch Gesetz geschaffen werden könnte. Die Überlastung des Ersten Senats - in dem großen Umfang, in dem sie jetzt vorhanden ist und, ich glaube, eine geraume Zeit anhalten wird, ehe nicht gewisse grundsätzliche Fragen, etwa Fragen der Verfassungsbeschwerden, durch die Rechtsprechung vorab geklärt sind - werden wir auch nicht durch noch so fähige Hilfsarbeiter lösen können. Ich glaube, man muß vielmehr einmal den Mut haben, sich die Frage vorzulegen, ob man nicht doch an der Zuständigkeitsverteilung etwas ändern müßte, wenn man die Richter des Ersten Senats von dem beklemmenden Gefühl befreien will, daß quantitativ die Arbeit nicht zu schaffen ist. ({8})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Damit ist die Anfrage beantwortet. Ich frage das Haus, ob eine Aussprache gewünscht wird. ({0}) - Die Aussprache wird gewünscht. Die dafür erforderliche Stimmenzahl ist vorhanden. Ich empfehle nach den Vorschlägen des Ältestenrats eine Gesamtaussprachezeit von 60 Minuten. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses an. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.

Dr. Otto Heinrich Greve (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000724, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einigen wenigen Worten auf die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs des Bundesjustizministeriums eingehen. Nach seinen Ausführungen hat es sich tatsächlich so zugetragen - ich darf das unterstellen -, daß Bemühungen des Bundesjustizministeriums nicht zu verkennen sind, gewisse Schwierigkeiten, die bei der Arbeit des Bundesverfassungsgerichts aufgetreten sind, zu beheben. Aber, Herr Staatssekretär, es kommt uns nicht darauf an, ob Sie in diesem Falle nun der Prügelknabe sind und in Wirklichkeit Ihr Kollege Hartmann oder gar der Herr Bundesminister der Finanzen selber derjenige ist, der eigentlich angesprochen werden müßte. Das ist doch eine Angelegenheit, die Sie innerhalb der Bundesregierung abzumachen haben. Der Bundestag muß verlangen, gleichviel, wer zuständig ist, daß das Bundesverfassungsgericht in die Lage gebracht wird, die notwendig ist, damit seine Richter arbeiten können. Ob das das Bundesfinanzministerium oder das Bundesjustizministerium macht, ist für uns gleichgültig. Sie haben bisher die Federführung für das Bundesverfassungsgericht gehabt, deswegen mußten wir Sie auch ansprechen. Es war Ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, daß von seiten des Bundesfinanzministeriums die notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, und zwar so rechtzeitig, wie Sie sie benötigen, um die Arbeiten durchzuführen, die für die ordnungsmäßige Erledigung der Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts durchgeführt werden müssen. Sie haben die Wohnungsfrage angeschnitten. Ich verkenne nicht, daß Sie sich auch da Mühe gegeben haben, die schwierigen Verhältnisse, die aufgetreten sind, zu beseitigen. In diesem Zusammenhang möchte ich ein Wort zur Unterbringung von Bundesoberbehörden, Bundesgerichten usw. sagen. Wenn es sich darum handelt, derartige Behörden oder Gerichte in eine Stadt zu bekommen, werden vorher von den Magistraten und den Ländern Versprechungen gemacht, die so schön sind, daß man sich gar nicht vorstellen kann, wie es anders sein könnte. Wenn es aber dann nachher soweit ist, daß durch einen Beschluß des Bundestages oder durch eine Entscheidung der Bundesregierung die Behörden oder Gerichte in diese Stadt gelegt werden, kümmert sich von seiten der Gemeinde oder des betreffenden Landes kein Mensch mehr darum, wie die Schwierigkeiten zu beheben sind. Das haben wir schon beim Bundesgerichtshof erlebt, Herr Staatssekretär! Ich weiß, daß die Schwierigkeiten in der Unterbringung der Richter am Bundesgerichtshof heute noch nicht behoben sind und daß auch die Richter des Bundesverfassungsgerichts manche Wünsche haben, die - wir wollen es mal ruhig sagen - eigentlich nicht an die Adresse des Bundes gerichtet werden müßten, sondern an die Adresse des Magistrats der Stadt Karlsruhe bzw. an die Regierung des Landes -- jetzt - Baden-Württemberg. Ich will damit nicht zum Ausdruck bringen, daß das, was uns veranlaßt hat, diese Große Anfrage hier einzubringen, etwa vom Bundesjustizministerium abgeschoben werden könnte auf das frühere Land Württemberg-Baden, das jetzige Land Baden-Württemberg oder auf den Magistrat der Stadt Karlsruhe. ({0}) - Ja, ich weiß, Herr Kollege; mein Wunsch war es nicht, daß der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe gekommen sind. Ich habe auch nichts dazu getan, daß das so geworden ist, Herr Kollege Leonhard. Sie wissen, meine Freunde und ich waren der Auffassung, daß sowohl der Bundesgerichtshof als auch das Bundesverfassungsgericht in eine andere Stadt kommen sollten. Die Mehrheit des Hauses hat aber so entschieden, und - wie sagt man so schön? - nun stehen wir vor dem Riß, nun müssen wir uns mit allen diesen Fragen beschäftigen. Das nur am Rande. Ein paar Worte noch, Herr Staatssekretär, zu dem, was Sie zuletzt gesagt haben, ohne daß die Möglichkeit gegeben ist, heute diese Frage in dem Umfang zu erörtern, der notwendig ist, um das Problem zu lösen. Ich bin mit der Absicht nicht auf die schwierige Zuständigkeitsfrage in der Verteilung Erster Senat - Zweiter Senat eingegangen. Sie wissen, daß in der vorgeschlagenen Änderung der Geschäftsverteilung des Bundesverfassungsgerichts, die Herr Präsident Professor Dr. Höpker-Aschoff Ihnen und uns zugeleitet hat, Ausführungen darüber gemacht sind und daß wir uns auch in der Besprechung am 7. Januar 1952 darüber unterhalten haben, daß beispielsweise der Herr Präsident des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Bedenken, die der Herr Präsident des Ersten Senats vorgetragen hat, nicht teilt. Das ist eine Angelegenheit, die man sich aber zunächst einmal ansehen sollte. Sie wissen, daß sowohl mein Freund Arndt wie auch die anderen Herren, die an dieser Besprechung teilgenommen haben - ich selbst auch -, zum Ausdruck gebracht haben, daß wir nicht abgeneigt sind, dann, wenn es sich wirklich als notwendig herausstellen sollte, auch insoweit eine Änderung des Gesetzes ins Auge zu fassen, daß wir uns aber nicht dazu verstehen konnten, schon einige wenige Monate nach Aufnahme der Arbeit des Bundesverfassungsgerichts das Gesetz gleich im Hinblick auf die Zuständigkeit des Ersten und des Zweiten Senats zu ändern. Herr Staatssekretär, wenn sich nach einer Zeit, die man heute vielleicht schon übersehen kann, herausstellen sollte, daß nicht nur unter Berücksichtigung der Anlaufschwierigkeiten des Gerichts, insbesondere beim Ersten Senat, sondern bei normaler Arbeits({1}) verteilung die im Gesetz vorgenommene Verteilung der Zuständigkeit zwischen Erstem und Zweitem Senat änderungsbedürftig ist, werden Sie uns auch unter denjenigen sehen, die für eine solche Änderung des Gesetzes sind. Dann wird man aber nicht nur auf Grund solcher Vorschläge, wie sie der Herr Präsident Dr. Höper-Aschoff uns in seiner Denkschrift gegeben hat, zu einer Änderung kommen können, sondern dann muß man natürlich auch Gesichtspunkte ins Auge fassen, die bei der Verteilung der Zuständigkeit durch den Bundestag bei der Verabschiedung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht eine Rolle gespielt haben. Es handelt sich da beileibe nicht um politische Gesichtspunkte, sondern darum, dann dafür zu sorgen, daß eine Gleichmäßigkeit sowohl der Aufgaben wie auch der Zuständigkeiten zwischen Erstem und Zweitem Senat beachtet wird. Ich glaube, Herr Staatssekretär, wir sollten heute davon absehen, die nach Ihrer Auffassung nicht glückliche Verteilung der Zuständigkeit dafür verantwortlich zu machen, daß das Bundesverfassungsgericht in seiner Gesamtheit, insbesondere der Erste Senat, nicht so arbeitsfähig ist, wie wir es wünschten, und daß die Erledigung mancher anhängigen Sachen, insbesondere beim Ersten Senat, lange auf sich warten läßt. Dafür sind u. a. Gründe maßgebend, die mit Fragen zu tun haben, auf die der Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts in seiner Denkschrift auch eingegangen ist. Ich glaube aber, Herr Staatssekretär, wir sollten darauf verzichten, diese Dinge heute zum Gegenstand der Erörterung zu machen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Laforet.

Dr. Wilhelm Laforet (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001267, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Greve hat in nach meiner Ansicht durchaus überzeugenden Worten die besonderen Schwierigkeiten, wie sie bei der Errichtung dieses höchsten Verfassungsorgans gegeben sind, dargelegt. Es hat heute gar keinen Zweck, mehr Worte darüber zu verlieren, ob die Verfassungsbeschwerde für uns unerläßlich war. Die Meinungen waren geteilt. Die Belastung des Ersten Senats durch die Verfassungsbeschwerden hat die Größe erreicht, wie sie von einzelnen von uns erwartet worden war. Ich bin auch mit Herrn Kollegen Dr. Greve einverstanden, daß wir heute die Fragen der Neuverteilung der Zuständigkeit von Erstem und Zweitem Senat nicht erörtern. Wir werden, wenn das Dauerbild sich nicht verändert, sicherlich Wege finden, um diesem organisatorischen Fehler abzuhelfen. Ich habe mit Freude gehört, daß der Bundesminister der Justiz wie sein Staatssekretär sich bemühen wollen, alles zu tun, was notwendig ist, um das zu erreichen, was der Herr Dr. Greve mit Recht verlangt hat, den Richtern räumlich und sachlich die Möglichkeit zu geben, die Aufgaben zu erfüllen, die ihnen in ihrer besonderen Stellung zugewiesen werden. Ich würde nur auch dringend bitten, daß die Kollegen im Haushaltsausschuß die Folgerung daraus ziehen, wenn hier dringliche Anforderungen gestellt werden ({0}) - wenn sie gestellt werden -, und ich bitte schon heute darum, uns im Sinne der Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Greve die nachdrückliche Unterstützung zu geben. Ich persönlich bedauere eines: Damals, während der Verhandlungen habe ich den Standpunkt vertreten, daß das Bundesverfassungsgericht einen selbständigen Etat haben soll, den es unmittelbar beim Bundestag vertreten sollte. ({1}) Mit verehrten Kollegen anderer Fraktionen weiß ich mich einig, daß wir dieses Ziel noch nicht aufgegeben haben. Ich glaube, es wird möglich sein, bei der nächsten organisatorischen Erfassung des Problems auch dieses Ziel zu erreichen. Das Bundesjustizministerium wird sicherlich bei uns allen Unterstützung finden, wenn Forderungen gestellt werden, die unerläßlich sind, wie bei der Ausstattung der beiden Senate mit den nötigen Hilfskräften, so schwierig die Beschaffung des Nachwuchses sein mag. Ich bin überrascht, daß es den Fakultäten nicht gelungen ist, aus ihren Kräften eine genügende Anzahl von Herren vorzuschlagen. Vielleicht wird sich das etwas bessern, wenn allgemein bekannt wird, daß hier ein geeignetes Sprungbrett für einen jungen tüchtigen Juristen gegeben ist, der sich im öffentlichen Recht ausbilden will, um in einer späteren Lebensstellung gerade diese schwierige Zeit seiner Bewährung als Hilfsarbeiter im Bundesverfassungsgericht berücksichtigt zu finden. Die Fragen sind nicht parteipolitischer, sie sind rein sachlicher Art, und ich bin überzeugt, daß von allen unseren Kollegen alles getan werden wird, um die einmal nicht zu vermeidenden, aber in ihrer Größe sehr drückenden Schwierigkeiten der Errichtung des Bundesverfassungsgerichts zu überwinden. Jedenfalls was von unserer Seite geschehen kann, wird als Hilfe und Unterstützung gern gewährt. ({2})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002046, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was die Ausführungen des Herrn Kollegen Greve über die grundsätzliche Stellung des Bundesverfassungsgerichts anlangt, so teile ich die vollkommen und bin auch der Meinung, daß es uns gelingen sollte, wegen der grundsätzlichen Stellung, der Organstellung innerhalb der Institutionen unseres Staates in diesem Hohen Hause auch durchzusetzen, daß die haushaltsmäßigen Folgerungen daraus gezogen werden; d. h., daß das Bundesverfassungsgericht einen eigenen Haushalt haben soll, den es selbst hier einbringt. Das wird meines Erachtens auch gar keine Schwierigkeiten machen. Eigentlich ist es die logische Konsequenz aus der Stellung, die wir auch im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht verankert haben. Was nun die Schwierigkeiten in Karlsruhe anlangt, so zeigte es sich sehr bald, daß eben - ich muß doch wieder mit einem Wort darauf zurückkommen - die Zuständigkeitsverteilung der letzte Anlaß zu diesen Schwierigkeiten war. Auch ich war damals bei der von Herrn Kollegen Greve angezogenen Besprechung im Justizministerium am 7. Januar dieses Jahres anwesend. Eigentlich bin ich etwas überrascht, vom Herrn Staatssekretär heute zu hören, daß wir seiner Meinung nach der Grundfrage, auf die ich heute im einzelnen nicht weiter eingehen möchte, nämlich ob wir diese gesetzlich geregelte Zuständigkeit gesetzlich anders ({0}) regeln müßten, vielleicht doch nicht ausweichen könnten, weil - seiner Meinung nach - die Einrichtung der Hilfsarbeiter nicht genüge, um diese Vorbelastung, die eingetretene Belastung des Ersten Senats, auf die Dauer abzustellen. Damals war man der Meinung, das würde genügen. Ich habe damals schon einige Zweifel geäußert und wäre grundsätzlich bereit gewesen, in eine ernsthafte Erörterung der Frage einzutreten, ob man die Zuständigkeiten nicht anders verteilen sollte. Aber ich habe mich dann schließlich auch der allgemeinen Auffassung gefügt, die dahin ging, daß es politisch nicht zweckmäßig und nicht wünschbar wäre, so kurz nach Erlaß dieses Gesetzes schon wieder in eine Änderung einzutreten. Was die übrigen Schwierigkeiten in Karlsruhe anbelangt, so hat es sich jetzt wieder einmal gezeigt, daß die Wahl der Orte für diese höchsten Instanzen doch sehr wichtig ist. Wir waren ja damals auch nicht der Meinung, daß man den Bundesgerichtshof nach Karlsruhe tun sollte. Auch wir waren der Meinung, man hätte ihn besser nach Kassel oder sonstwohin gegeben, wo mehr Platz war. Man hat die Schwierigkeiten in Karlsruhe noch dadurch vermehrt, daß man jetzt beschlossen hat, das Bundesverfassungsgericht an den Ort des Bundesgerichtshofs zu setzen. Welche Schwierigkeiten daraus resultieren, haben Sie heute aus dem Mund des Herrn Staatssekretärs gehört. Aber wir können das nicht mehr ändern; das ist nun mal eine Tatsache. Es hat keinen Sinn, nachträglich darüber zu rechten. Sehr bedauerlich ist aber auch, daß der weitere Ausbau der Dienstzimmer und der Wohnungen - in der Hauptsache aber doch wohl der Dienstzimmer, wenn ich den Herrn Staatssekretär richtig verstanden habe - bisher eigentlich daran gescheitert ist, daß der doch relativ lächerlich geringe Betrag von 250 000 DM nicht irgendwoher zur Verfügung gestellt werden konnte. Bei einem Bundesetat von beinahe 20 Milliarden - wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe - spielt doch wahrhaftig eine Summe von 250 000 DM gar keine Rolle, wenn es sich darum handeln sollte, sie zu einem Zweck zu investieren, der doch höchst politisch und staatspolitisch notwendig ist, ({1}) nämlich solche Verhältnisse in Karlsruhe zu schaffen, daß die Richter dort in einer Atmosphäre arbeiten können, die sie einfach haben müssen, wenn sie ihre hohe Aufgabe erfüllen wollen. Ich bin deshalb der Meinung, daß wir vom Parlament aus alles tun sollten, um diese Dinge abzustellen. Das Bundesjustizministerium kann sicher sein, daß es die vollste Unterstützung meiner Fraktion immer haben wird. ({2})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Da keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, ist die Aussprache geschlossen und gleichzeitig der Punkt 1 der Tagesordnung erledigt. Ich darf noch bekanntgeben: Die nächste, die 219. Sitzung des Deutschen Bundestags, ist am Mittwoch, dem 18. Juni 1952, 13 Uhr 30. Der Ältestenrat tritt eine halbe Stunde nach Schluß der heutigen Plenarsitzung zusammen, wie mir mitgeteilt worden ist. ({0}) - Also 14 Uhr 30. Die 218. Sitzung des Deutschen Bundestages ist geschlossen.