Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 10/16/1951

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 168. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich bitte Sie um Ihre freundliche Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.

Oskar Matzner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001442

Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Lohmüller ab 14. 9. für elf Wochen wegen Krankheit, Mensing ab 10. 10. für sechs Wochen wegen Krankheit Aumer für vier Wochen wegen Krankheit, Ahrens und Höfler für zwei Wochen wegen Krankheit.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich darf annehmen, daß das Haus mit der Erteilung dieses Urlaubs einverstanden ist. - Das ist der Fall.

Oskar Matzner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001442

Der Präsident hat für zwei Tage Urlaub erteilt den Abgeordneten Frau Dr. Steinbiß, Gockeln, Fürst Fugger von Glött, Dr. Schatz, Schmitz, Dr. Mühlenfeld, Dr. Becker ({0}), Loritz, Hoogen, Dr. Povel, Vesper, Dr. Orth. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Günther, Dr. Dresbach, Dr. Bleiß, Dr. Wellhausen, Naegel, Determann, Dr. Kopf, Wittmann, Dr. Laforet, Dr. Serres, Strauß.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen. Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 12. Oktober 1951 beschlossen, dem Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 gemäf Art. 78 des Grundgesetzes zuzustimmen. Der Herr Bundesminister für Verkehr hat am 9. Oktober 1951 die Anfrage Nr. 208 der Fraktion der SPD betreffend Behebung der durch den Bau der Autobahn zwischen Grünstadt und Frankenthal entstandenen Schäden ({0}) beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 2673 verteilt worden. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat am 12. Oktober 1951 die Anfrage Nr. 214 der Fraktion des Zentrums betreffend Steuererklärungen zur Einkommensteuer und Heran({1}) ziehung zur Körperschaftsteuer ({2}) beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2688 vervielfältigt werden. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages in der 159. Sitzung am 18. September 1951 den Geschäftsbericht nebst Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung der Überleitungsstelle für das Branntweinmonopol für das Rumpfgeschäftsjahr vom 1. April 1950 bis 30. September 1950 vorgelegt. Der Bericht wird als Drucksache Nr. 2682 verteilt werden. Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Fernmeldevertrag Atlantic City 1947 ({3}). Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, eine Aussprache nicht vorzunehmen. Ich darf annehmen, daß sich die Bundesregierung auf die schriftliche Begründung bezieht, die Ihnen als Anlage 2 der Drucksache vorliegt. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen zu überweisen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit .einverstanden ist. - Das ist der Fall. Ich rufe weiter auf Punkt 2 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts ({4}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht ({5}) ({6}). ({7}). Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Miessner. Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die allgemeine Aussprache der dritten Beratung eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden. Herr Abgeordneter Dr. Miessner, darf ich Sie bitten, das Wort zu nehmen. Dr. Miessner ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute soll nun Bericht erstattet werden über die Frage, wie die Beamtenbesoldung für dieses Haushaltsjahr endgültig werden soll. Schon bei der ersten Lesung dieses Gesetzes hat sich eine gewisse Divergenz zwischen der Regierungsvorlage einerseits und der Haltung sämtlicher Fraktionen andererseits ergeben. Diese Divergenz durchzog auch die Beratungen des Beamtenrechtsausschusses. Zunächst hat der Beamtenrechtsausschuß in der ersten der drei Beratungen, die er zu diesem Gesetz abhielt, die von den Sprechern aller Fraktionen vorgetragene Meinung, daß die gleiche Behandlung der verschiedenen Beamtengruppen oberster Grundsatz sei, durch einen einstimmigen Beschluß erhärtet. Wie diese Gleichstellung in dem vorliegenden Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts durchzuführen ist, will ich Ihnen nun an Hand der Drucksache Nr. 2660 vortragen. Der Beamtenrechtsausschuß hat den Gesetzentwurf der Regierung in den §§ 1 bis 4, 6 und 7 sowie 11 unverändert angenommen. Die §§ 8 bis 10, worin die für den Bund festgesetzten Bezüge auch für die Länder als verbindlich erklärt wurden, sind gestrichen worden. Hinsichtlich des § 5 hat der Ausschuß entscheidende Änderungen mit der Neufassung des § 5 und der Einfügung des § 5 a vorgenommen. In diesen §§ 5 und 5 a liegt das Schwergewicht der Änderungen. In ihnen kommt der Grundsatz gleicher Behandlung von aktiven Beamten und Pensionären zum Ausdruck, zu dem sich alle Fraktionen dieses Hauses sowohl bei der ersten Lesung im Plenum als auch bei den Beratungen im Beamtenrechtsausschuß bekannt haben. Im einzelnen behandeln die §§ 1 bis 4 die seit dem Reichsbesoldungsgesetz vom 16. Dezember 1927 eingetretenen Veränderungen. Es ist dies ein fast undurchsichtiges Gestrüpp von Gehaltskürzungen und wieder gewährten Zulagen für einzelne Gruppen. Bei diesen Paragraphen, die vom Ausschuß unverändert übernommen worden sind, handelt es sich nicht um neue Dinge insofern, als sie lediglich die gesetzliche Sanktionierung schon bestehender vorläufiger Regelungen darstellen. So sanktioniert z. B. § 1 den bereits erfolgten Fortfall der 6 % igen Gehaltskürzung seit dem 1. Oktober 1950. Bei § 4 sollte anläßlich der Berichterstattung klargestellt werden, daß er sich auch auf das Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes bezieht, weil dieses Gesetz nach dem in § 4 aufgeführten Zeitpunkt in Kraft getreten ist. § 6, der ebenfalls unverändert übernommen ist, bezieht sich auf die sogenannten „Königsteiner" Zulagen. Bei § 7, der Frage, ob jetzt schon die Ortsklasseneinteilung geändert werden kann oder muß, waren die Meinungen im Ausschuß sehr geteilt. An sich waren alle Mitglieder des Ausschusses der Meinung, daß die Ortsklasseneinteilung einer Revision unterzogen werden muß, insbesondere deshalb, weil die Höhe der Miete heute nicht mehr als Maßstab schlechthin angesehen werden kann. In verschiedener Hinsicht wurden aber Bedenken gegen den § 7 vorgetragen. Einmal ein sehr schwerwiegendes Argument: daß es sich nämlich hierbei um eine Frage handle, die der Legislative, dem Gesetzgeber vorbehalten sei und vorbehalten bleiben müsse. Diesem Einwand begegnete man mit der Feststellung, die Änderung der Ortsklasseneinteilung solle sich in der Tat nur auf besonders begründete Ausnahmefälle beziehen. Ferner wurde auf die technische Schwierigkeit hingewiesen, die dadurch entstehen würde, daß zu den bereits vorliegenden Anträgen noch eine große Anzahl weiterer eingehen werde, wenn der § 7 angenommen wird. Man hat sich aber im Ausschuß schließlich doch mit knapper Mehrheit dahin entschieden, den § 7 so zu belassen, weil man sich dem Argument nicht verschließen konnte, daß in einigen besonders krassen Fällen wirklich eine schnelle Hilfe nottut und daß man ein Ventil haben müsse, schon jetzt die dringlichsten Mißstände abzustellen. Ich habe aber den Auftrag des Ausschusses, ausdrücklich zu betonen, daß er bei der Billigung dieser Bestimmung des Regierungsentwurfs der Meinung war, daß sich die hiermit der Regierung erteilte Ermächtigung wirklich auf Ausnahmefälle beschränken solle. Die §§ 8 bis 10 der Regierungsvorlage sind gestrichen worden. Die Paragraphen sahen eine Sperrbestimmung gegenüber den Ländern vor, die abweichende Regelungen getroffen haben oder etwa noch treffen wollten. Obwohl man im Ausschuß an sich ein einheitliches Recht für die Beamten im gesamten Bundesgebiet für erstrebenswert erachtete, hielt man eine Sperrbestimmung im gegenwärtigen ({9}) Augenblick noch für verfrüht, da die Dinge beamtenrechtlich noch nicht ausgegoren sind. Man kann doch schlecht eine Lösung, von der man weiß, daß sie noch nicht die endgültige ist, sondern daß sie nur im Rahmen dieses Haushalts die bestmögliche Lösung war, auf alle anderen Länder übertragen wollen. Das erschien jedenfalls dem Ausschuß nicht zweckmäßig. Das hätte überdies auch eine sehr mißliche praktische Konsequenz gehabt. Da nämlich nach dem Entwurf keine Teuerungszulagen für Kindergelder gewährt werden, wäre die Folge gewesen, daß die in Nordrhein-Westfalen gezahlten Teuerungszulagen für das Kindergeld wieder hätten in Fortfall kommen müssen. Das wäre allein schon aus sozialen Gründen nicht tragbar. Der Ausschuß war daher auch der Meinung, daß im Grunde auch bei Kindergeld eine Teuerungszulage gewährt werden müßte. Eine entsprechende Entschließung des Ausschusses werde ich am Schluß meiner Ausführungen verlesen. Die Streichung des § 9, der die Sperrvorschrift hinsichtlich der Pensionäre enthielt, wurde vom Ausschuß einstimmig beschlossen. § 10 enthielt eine technische Regelung. Er nahm Bezug auf Kap. VIII des Gesetzes von 1933, worin die Angleichung der Länderbesoldung an die Reichsbesoldung erfolgt ist. Diese Bestimmungen gelten auch heute noch, und das sollte durch § 10 lediglich festgestellt werden. Der Ausschuß hielt eine solche Klarstellung für überflüssig und hat aus diesem Grunde den Paragraphen gestrichen. Er hat also damit nicht zum Ausdruck bringen wollen, daß nach seiner Meinung diese Bestimmungen etwa nicht mehr gelten. Ich komme nun zu dem Kernstück des ganzen Gesetzes, nämlich zu dem § 5 und dem neu eingefügten § 5 a. Die Rechtsfrage, ob etwa eine Änderung im Besoldungsrecht auch verbindlich und maßgeblich für die in diesem Zeitpunkt bereits pensionierten Staatsdiener sei, konnte man im Ausschuß dahingestellt sein lassen, da es sich in dem vorliegenden Gesetz nicht um Schaffung neuen Rechts, sondern im Grunde nur um eine rein geldmäßige Angleichung an die eingetretene Teuerung handelt. Es handelt sich also nicht etwa um eine neue Besoldungsform, sondern nur um einen Ausgleich gegenüber der eingetretenen Geldentwertung. Da das Gesetz jetzt mitten im Haushalts-j ahr behandelt werden mußte, waren dem Ausschuß die Hände ziemlich gebunden. Infolgedessen standen auch im großen und ganzen keine Dinge zur Debatte, für die die Ausgaben wesentlich über die nach der Regierungsvorlage entstehenden hinausgegangen wären. Ich möchte hier feststellen, daß sich sämtliche Fraktionen auch im Ausschuß im Bewußtsein ihrer Verantwortung das entsprechende Maß von Selbstdisziplin auferlegt haben. Deshalb standen nur Regelungen zur Debatte, die auch in den nun einmal gegebenen finanziellen Rahmen dieses Haushaltsjahres hineinpaßten. Die anläßlich der ersten Lesung dieses Gesetzes seitens der Regierungsparteien beantragte 15prozentige Zulage für alle ab 1. April dieses Jahres mußte einem besseren Vorschlag Platz machen, nach dem man lieber ab 1. Oktober dieses Jahres eine 20prozentige Erhöhung für alle in Kraft treten lassen wollte. Kostenmäßig schlagen sowohl diese Regelung wie auch die Regelung mit den 15 % ab 1. April dieses Jahres ebenso wie auch die Regierungsvorlage gleich stark zu Buche; sie belasten den Bundeshaushalt mit rund 25 Millionen DM. Die nunmehr vom Ausschuß getroffene Regelung bringt einen Kostenaufwand von 26,5 Millionen DM mit sich. ({10}) - Jawohl, plus 10 Millionen für die Übergangsgehälter. - Die Ausschußregelung sieht nun vor, daß die aktiven Beamten, die die 15 % schon ab 1. April im Wege des Vorschusses erhalten, diese auch weiter für die Zeit des ersten Halbjahres dieses Haushaltsjahres, also vom 1. April bis zum 30. September, behalten sollen. Darüber hinaus erhalten nun sowohl die aktiven Beamten als auch die Pensionäre des Bundes und die Empfänger von Übergangsgehältern nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes ab 1. Oktober 1951 einen 20prozentigen Zuschlag. Daneben ist der Vorschlag der Regierungsvorlage beibehalten worden, wonach in den unteren Gruppen bis zu 230 DM eine zusätzliche Teuerungszulage, gestaffelt von 6 bis 24 DM, gewährt wird. Diese Zulage ist auch vom 1. Oktober 1951 an ruhegehaltsfähig. Nach § 5 a Abs. 1 am Schluß werden in den Fällen, in denen der Berechnung ein Grundgehalt nicht zugrunde liegt, die Versorgungsbezüge nur um 16 % erhöht. Dieser Prozentsatz bedeutet aber praktisch dieselbe Erhöhung wie eine 20prozentige Erhöhung des Grundgehaltes. Die Öffentlichkeit möge daraus ersehen, daß es sich im Grunde genommen eben in Wahrheit überhaupt nur um eine 16prozentige und nicht um eine 20prozentige Erhöhung der Gesamtbezüge handelt! Den Ausschuß für Beamtenrecht in seiner Gesamtheit hat natürlich sehr stark die Frage berührt - und er hat sie demgemäß auch eingehend erörtert -, was nun mit den Pensionären nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes werden kann und soll. Hierbei war die Lage insofern haushaltsmäßig schwierig, weil es sich bei einer 20prozentigen Erhöhung der Pensionen der 131 er um einen Betrag von nahezu 100 Millionen DM im Haushaltsjahr handelt. Dieser Betrag konnte nicht mit dem für den Regierungsentwurf angesetzten Betrag von 25 Millionen DM ausgeglichen werden. Er war zu hoch, als daß man ihn - woran man ja denken konnte - durch Herabsetzung des Prozentsatzes für die übrigen Gruppen in irgendeiner Form hätte kompensieren können. Der Ausschuß - und das möchte ich namens des Ausschusses hier feststellen - hat diese Situation ausdrücklich bedauert und hat bei den Beratungen seinen Willen bekundet, eine weitere Fortsetzung einer ungleichmäßigen Behandlung der verschiedenen Beamtengruppen für die Zukunft auf jeden Fall zu vermeiden. Deswegen hat der Ausschuß von sich aus bereits eine Entschließung vorgelegt, die sicherstellen soll, daß die Mittel für das nächste Haushaltsjahr gleich bei Aufstellung des Haushaltsplanes eingesetzt werden, damit der vom Bundestag am 2. Dezember 1949 beschlossene Grundsatz der gleichen Behandlung aller Beamtengruppen spätestens vom 1. April des nächsten Jahres ab seine Verwirklichung finden kann. Nach dem Entschließungsantrag des Ausschusses für Beamtenrecht wird die Bundesregierung ersucht: 1. im Zusammenhang mit der neuen Regelung des Besoldungsrechtes auch die Ruhestandsbeamten und Versorgungsberechtigten auf Grund des Gesetzes zu Art. 131 GG in bezug auf die Erhöhung der Bezüge zu berücksichtigen, Deutscher Bundestag - 168- ,Sitzung. Bonn, Dienstag, den 16. Oktober 1951 6875 ({11}) 2. bei der Vorbereitung des neuen Besoldungsrechtes auch eine neue Regelung der Kinderzulagen mit dem Ziele der wirtschaftlichen Stärkung der Familien in Betracht zu ziehen, 3. die Sondervorschriften der bizonalen Sparverordnungen bei der bevorstehenden endgültigen Regelung des Bundesbeamtenrechtes zu beseitigen. Ich möchte noch nachtragen, daß die Regelung, die heute beschlossen werden soll, nicht nur für die unmittelbaren Bundesbeamten, sondern auch für die Beamten der Bundesbahn und der Bundespost gilt. Den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 2660 muß ich nun noch in technischer Hinsicht berichtigen. Die Nr. 2 b) - Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend § 52 Abs. 3 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen - ist zu streichen, da sie nicht im sachlichen Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetzentwurf steht. Der Ausschuß bittet im übrigen, den Gesetzentwurf in der Fassung anzunehmen, die der Ausschuß vorgeschlagen hat, und zwar möglichst in zweiter und dritter Lesung noch heute! Er beantragt ferner, die unter Nr. 2 aufgeführten Anträge des Zentrums, der Bayernpartei, der Freien Demokratischen Partei und der Deutschen Partei für erledigt zu erklären, ebenso die zu diesem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Meine Damen und Herren, außer dem Entschließungsantrag des Ausschusses liegen folgende inzwischen eingegangene Anträge vor: Antrag der Abgeordneten Dr. Kather und Genossen, der eine Zurückverweisung der Vorlage und des Mündlichen Berichts an den Ausschuß mit dem Ziel vorsieht, daß eine Schlechterstellung der Pensionäre gemäß Art. 131 des Grundgesetzes vermieden wird, weiterhin ein Änderungsantrag der Fraktion der Kommunistischen Partei zu §§ 3, 5, 5 a, 8 und 10 sowie ein Änderungsantrag der Abgeordneten Farke und Fraktion der Deutschen Partei zu § 5 Abs. 2. Meine Damen und Herren, eine Zurückverweisung an den Ausschuß würde eine sachliche Debatte überflüssig machen. Herr Abgeordneter Mellies, wollen Sie das Wort dazu nehmen?

Wilhelm Mellies (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Von einer Zurückverweisung an den Ausschuß können wir uns nicht viel Erfolg versprechen. Soweit ich unterrichtet bin, ist die Materie im Ausschuß sehr eingehend behandelt worden. Ich bedaure, daß der Kollege Kather nicht zu dem weiteren Entschluß gekommen ist, hier entsprechende Änderungsanträge vorzubringen. Sie dürfen davon überzeugt sein, daß die Sozialdemokratische Partei dem zustimmen würde, wie sie das auch schon im Ausschuß getan hat. Im Augenblick ist es aber doch so, daß die Verabschiedung des Gesetzes außerordentlich drängt und wir deshalb die Angelegenheit nicht durch Zurückverweisung an den Ausschuß noch weiter verzögern sollten. ({0}) .

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Dr. Kather zunächst zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung dieser Frage!

Dr. Linus Kather (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001072, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte dem Herrn Präsidenten schon bei Einreichung dieses Antrages gesagt, daß ich es für zweckmäßig halten würde, über diesen Antrag erst nach Ablauf der Debatte beschließen zu lassen. Ich möchte diesen Vorschlag aufrechterhalten und darum bitten, mir dann das Wort zur Begründung zu geben.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter, wir haben jetzt die Einzelbesprechung der zweiten Beratung, also keine allgemeine Aussprache. Ich müßte deshalb jetzt mit dem Aufruf der einzelnen Paragraphen und der Einzelaussprache dazu beginnen und dann darüber abstimmen lassen.

Dr. Linus Kather (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001072, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Dann werde ich den Antrag begründen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Bitte schön!

Dr. Linus Kather (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001072, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Der Vorschlag des Ausschusses, der uns jetzt vorliegt, bringt keine Gleichstellung der Ruhestandsbeamten, die unter das Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes fallen, mit den übrigen Beamten. Ich bin der Meinung, daß eine Schlechterstellung dieser Gruppe- aus rechtlichen, sozialen und politischen Gründen nicht tragbar ist. Es ist schon vom Herrn Berichterstatter erwähnt worden, daß der Bundestag am 2. Dezember 1949 einstimmig einen Beschluß gefaßt hat, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, einen Gesetzentwurf zur vollen Gleichstellung dieser Gruppen mit den übrigen Beamten und Pensionären vorzulegen. Ich erinnere an die Debatte anläßlich der dritten Beratung des Gesetzes zum Art. 131. Damals ist von den Rednern der verschiedenen Fraktionen ausdrücklich erklärt worden, daß mit diesem Gesetz dem bisherigen Unrecht ein Ende bereitet und damit die gesetzliche Gleichstellung dieser Gruppen verankert sein sollte. Ich darf weiter daran erinnern, daß hinterher von den verschiedensten Seiten erklärt worden ist: Wenn das Gesetz zum Art. 131 noch Wünsche offengelassen hat, wenn noch nicht die volle Gleichberechtigung wiederhergestellt worden ist, dann wird die künftige Gesetzgebung Gelegenheit geben, diese Unebenheiten auszubügeln. Und nun, meine Damen und Herren, stehen wir vor dieser künftigen Gesetzgebung. Wir stehen damit vor der Tatsache, daß erneut nur diese eine Gruppe von der Erhöhung der Beamtengehälter und Pensionen ausgenommen werden soll. Nach allem, was ich ausgeführt habe, bin ich der festen Überzeugung, daß dieses Gesetz, wenn es so verabschiedet wird, vor dem Bundesverfassungsgericht nicht bestehen kann. Man sagt uns: Das Geld reicht nicht für alle, und deshalb haben wir uns eine gewisse Selbstdisziplin auferlegen müssen und können diese eine Gruppe nicht in die übrigen einschließen. Meine Damen und Herren, wenn das Geld nicht für alle reicht, dann bleibt die einzige Konsequenz, die mit dem Gesetz in Einklang steht, mit dem Gesetz, das die Gleichheit aller verlangt, daß man eben allen weniger gibt. ({0}) Man kann niemals mit irgendwelchen finanziellen Erwägungen ein Abweichen vom Rechtsstandpunkt rechtfertigen. ({1}) ({2}) Ich bitte - und ich trage das sehr leidenschaftslos vor -, in aller Ruhe zu erwägen, ob wir mit dieser Begründung vor unserem Volke bestehen können. Ich bin der Meinung, daß wir es nicht können. Der Herr Kollege Mellies hat mir gesagt, ich hätte lieber entsprechende Anträge stellen und nicht eine Rückverweisung beantragen sollen. Ich bin der Meinung, daß man die Frage hier im Plenum nicht einer befriedigenden Lösung zuführen kann. Man nennt uns die Zahl von 100 Millionen DM, die erforderlich sein sollen. Ich habe es im Laufe der letzten zwei Jahre gelernt, gegenüber Zahlen eine gewisse Vorsicht zu üben. Wir haben j a auch beim Gesetz zum Art. 131 Zahlen gehört, die nachher einer Nachprüfung nicht standgehalten haben. Aber wenn es tatsächlich so ist - und um größere Beträge wird es sich ja handeln -, dann hätte man im Ausschuß vielleicht doch nach anderen Lösungen suchen müssen. Ich könnte mir eine Regelung z. B. in der Weise denken, daß man vielleicht nur die kleineren Pensionen an dieser Erhöhung teilnehmen läßt. Das würde mit der Gleichheit aller vor dem Gesetz durchaus im Einklang stehen. ({3}) - Nein, das ist durchaus logisch! Es ist schon immer so gewesen, daß der Mann mit dem größeren Vermögen auch höher besteuert wird. Mein lieber Wuermeling, so ist die Gleichheit vor dem Gesetz nicht aufzufassen! Es ist nur nicht möglich, zu sagen: Ich gebe dir weniger Pension, weil du Vertriebener warst oder weil du irgendeiner andern Gruppe angehörst. Das halte ich nicht für möglich. Meine Damen und Herren, wir würden es vom Standpunkt der Vertriebenen aus eher in Kauf nehmen, wenn man uns sagte: Jetzt können wir die Pensionen nicht erhöhen; wir müssen das auf einen späteren Zeitpunkt zurückstellen. Was wir aber nicht in Kauf nehmen können, ist, daß man erneut mit zweierlei Maß mißt und sagt: die Vertriebenen und die anderen Gruppen können an dieser Erhöhung nicht teilnehmen, weil es nicht ausreicht. Und nun die soziale Seite. Wenn man überhaupt schon einen Unterschied machen wollte und könnte, dann müßte man doch auf die soziale Situation sehen. Und die soziale Situation ist doch jedenfalls bei den Vertriebenen so, daß diese seit fünf Jahren entweder eine geminderte oder gar keine Pension bekommen haben und daß sie darüber hinaus auch noch ihr sonstiges Vermögen verloren haben. Aus diesen Gründen kann die Regelung, die hier vorgeschlagen worden ist, von uns nicht vertreten werden. Ich glaube auch nicht, daß die Entschließungen, die uns vorgelegt worden sind, daran irgend etwas ändern. Wir haben ja solch eine Entschließung vom 2. Dezember 1949, und wir wissen alle, daß sie die Regierung nicht bindet. Wenn die Regierung sagt: ich habe das Geld nicht, dann geht es eben nicht. Man wird mir entgegenhalten: Das Gesetz ist nicht länger hinauszuschieben, das geht nicht; wir können die Sache auch nicht um zwei oder um drei Wochen zurückstellen. Ich bin der Meinung: wenn es sich wie hier um die Grundsätze des Rechts handelt, sollte es auf zwei Wochen nicht ankommen! ({4}) Und ich kann das, glaube ich, mit um so größerem Nachdruck vertreten, als ja auch schon bei der Berichterstattung hervorgehoben worden ist, daß an die aktiven Beamten seit dem 1. April eine 15prozentige Erhöhung gezahlt worden ist. Ich glaube daher, daß der Antrag, den meine Freunde und ich gestellt haben, der Situation entspricht, und ich bitte, ihn anzunehmen. ({5})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Zur Geschäftsordnung wünscht Herr Abgeordneter Tichi das Wort zu nehmen.

Hans Tichi (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002323, Fraktion: Gesamtdeutscher Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB/BHE)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner Partei, des Blocks der Heimatvertriebenen und Entrechteten, habe ich folgende Erklärung abzugeben: Am 2. Dezember 1949 hatte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung beauftragt, ein Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 fallenden Personen nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung dem Hohen Hause vorzulegen. Der Regierungsentwurf dieses Gesetzes entsprach in keiner Weise dem Willen dieses Hohen Hauses und wurde damals von fast allen Fraktionen in seiner Grundtendenz abgelehnt. Um so erfreulicher war es, als nach der Beratung dieses Gesetzes im Ausschuß für Beamtenrecht ein Großteil der im Regierungsentwurf enthaltenen Härten ausgeglichen wurde. Insbesondere wurde die Gleichstellung der verdrängten Pensionäre mit den einheimischen durchgezogen. Bedauerlicherweise hat der Grundsatz der Gleichberechtigung in dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechtes keine Berücksichtigung gefunden. Dieses Gesetz schafft wiederum zwei verschiedene Klassen von Pensionären. Es ist ein schwerer Rückschritt gegenüber dem Gesetz nach Art. 131. Im besonderen ist es nicht einzusehen, weshalb gerade die verdrängten Pensionäre die 20prozentige Teuerungszulage nicht erhalten sollen. Gerade dieser Personenkreis hat durch den Krieg und seine Folgen in unvergleichlich höherem Maße gelitten als die einheimischen Pensionäre. Infolge der notwendigen Umrechnung erhalten die verdrängten Beamten bis zum heutigen Tage im allgemeinen noch nicht die ihnen nach dem Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 fallenden Personen zustehenden Pensionen. Man darf sich nicht darüber wundern, wenn dieser Personenkreis immer mehr in Verzweiflung und Radikalismus verfällt. Der BHE protestiert schärfstens gegen die Deklassierung der verdrängten Beamten im Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts und sieht sich aus diesem Grunde nicht in der Lage, dem Gesetz seine Zustimmung zu geben. Dem Antrag des Kollegen Kather werden wir zustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, diese Erklärung hätte ihren Ort ja in der dritten Beratung gehabt. Der Herr Abgeordnete Tichi hatte sich zur Geschäftsordnung gemeldet. Ich habe ihn loyalerweise nicht unterbrochen. Mit der Geschäftsordnung hatte das, was er gesagt hat, nichts zu tun. Es dreht sich um den Antrag, dessen Behandlung ich zweckmäßigerweise vorweggenommen habe, nämlich den Gesetzentwurf an den Ausschuß zurückzuverweisen. Ich bitte, im Augenblick das Ge({0}) spräch darauf zu begrenzen. - Herr Abgeordneter Bausch, wollen Sie dazu etwas sagen? ({1}) - Nicht! Herr Abgeordneter Mellies!

Wilhelm Mellies (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Es muß wohl doch noch einmal festgestellt werden, daß das Verhalten der Abgeordneten, die hier für die besonderen Belange der Vertriebenen eingetreten sind, einfach nicht zu verstehen ist. ({0}) Schließlich wissen sie seit langem, daß diese Materie beraten wird. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, an den Beratungen der betreffenden Ausschüsse teilzunehmen und sich von dem Stand der Dinge zu überzeugen. Sie hätten ihre Fraktionen veranlassen können, entsprechende Anträge auszuarbeiten, die dann hier heute zur Entscheidung gestellt worden wären. All das haben sie nicht getan. Sie begnügen sich mit rein deklamatorischen Erklärungen; und wenn ihrem Antrag entsprochen wird, dann bedeutet das, daß für die übergroße Masse der Beamten noch einmal wieder eine ganz wesentliche Verzögerung eintritt. Sie wissen, daß wir schon nach den Ferien bedauert haben, daß innerhalb der Koalitionsparteien noch keine Einigung vorhanden war und deshalb die Verhandlung vom Hause ausgesetzt werden mußte. Wir können Ihnen, Herr Kather, und auch Ihnen, Herr Tichi, nur folgendes sagen: Wenn Sie sich heute und morgen hinsetzen und einen entsprechenden Gesetzentwurf ausarbeiten, der die Gleichstellung garantiert, werden Sie übermorgen die Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion dazu haben. Bemühen Sie sich doch also bitte, hier eine entsprechende Vorlage zu unterbreiten und wirklich faßbare, konkrete Anträge zu stellen. Wir wollen aber doch die Verabschiedung des jetzt vorliegenden Gesetzes damit nicht mehr aufhalten! Wir werden also von uns aus für die Weiterbehandlung des Gesetzes stimmen, sind aber jederzeit bereit, konkrete Vorschläge und Anträge, die die Gleichstellung garantieren, hier mit zu unterstützen und solchen Anträgen zuzustimmen. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Noch einmal Herr Abgeordneter Dr. Kather. - Meine Damen und Herren, die Gesichtspunkte scheinen mir verhältnismäßig klar zu sein. Ich appelliere an Sie, die Debatte nicht zu lange auszudehnen.

Dr. Linus Kather (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001072, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Dem Beamtenrechtsausschuß gehören auch vertriebene Abgeordnete an, insbesondere auch Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei. Ich gehöre dem Ausschuß nicht an. Meines Wissens haben alle diese Abgeordneten dem bisherigen Vorschlag zugestimmt, und darum, Herr Mellies, will ich Ihnen etwas sagen: Auch wenn ich bei einer Ausschußberatung nicht mitgewirkt habe, kann ich mir als Abgeordneter doch nicht das Recht nehmen lassen, nun entsprechende Anträge zu stellen. ({0}) Daß wir dies nicht eher getan haben, Herr Mellies, enthebt S i e nicht der Verpflichtung, von sich aus zu prüfen, ob Sie nicht Anträge zu stellen gehabt hätten. ({1}) Und wenn Sie der Entscheidung bisher ausgewichen sind, ob das, was ich sachlich vorgetragen habe, richtig ist oder nicht, dann muß ich Ihnen sagen, daß Sie die Pflicht haben, das jetzt zu prüfen, und wenn Sie zu dem Ergebnis kommen, daß ich recht habe, müssen Sie für mich stimmen! ({2})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Dr. Miessner.

Dr. Herwart Miessner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001506, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich schließe mich namens eines Teiles der Fraktion der FDP dem Antrag der SPD auf Ablehnung des Antrags von Dr. Kather an. Das Haus kann davon überzeugt sein, daß sich sämtliche Fraktionen gerade die Sorge um die 131er ganz besonders haben angelegen sein lassen. Wir sind auch -- eingedenk des gemeinsamen Beschlusses vom 2. Dezember 1949 - für endgültige Gleichbehandlung aller Beamtengruppen. Wenn es nun einmal in diesem Augenblick nicht anders ging, so müssen wir den Tatsachen ins Auge sehen. Wir haben aber immerhin die Genugtuung, daß entgegen der Regierungsvorlage, die überhaupt nur eine Gruppe von Beamten berücksichtigte - nämlich die aktiven Beamten -, nun auch die Pensionäre sowie ein Teil der 131er - nämlich die Ärmsten der 131er, die Empfänger von Übergangsgehältern - in den Genuß der Teuerungszulage kommen sollen. Der gesamte Ausschuß ist, wie ich j a bereits als Berichterstatter dargelegt habe, der Ansicht, daß die endgültige Gleichstellung durch Einstellung in den nächsten Haushaltsplan mindestens und spätestens zum 1. April 1952 vollzogen werden muß. Herr Kollege Dr. Kather, es sind leider harte Tatsachen, vor denen wir stehen. Wenn wir Ihrem Antrag jetzt folgen würden, dann würden wir im Augenblick die ganze Regelung für die drei übrigen Beamtengruppen torpedieren; und Sie können versichert sein: Auch Sie können den Finanzminister, der Ihrer Partei angehört, nicht hindern, gegebenenfalls von seinem Vetorecht nach Art. 113 des Grundgesetzes Gebrauch zu machen. Es hätte also gar keinen Sinn, heute die zweite und dritte Lesung abzubrechen, weil das nur zur Folge haben könnte, daß wir in vierzehn Tagen wieder hier sind, ohne aber irgendwie die Möglichkeit zu haben, die letzte Gleichstellung für diesen Teil der „131er" noch in diesem Haushaltsjahr zu erreichen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Antrag liegen nicht vor. - Ich lese den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Kather und Genossen noch einmal vor, damit Sie sich klar sind, worüber Sie abstimmen: Der Bundestag wolle beschließen: 1. Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts ({0}) und der Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht ({1}) werden an den Beamtenrechtsausschuß zurückverwiesen. 2. Der Ausschuß wird beauftragt, die Neufassung des Gesetzentwurfs in der Weise vorzunehmen, daß eine Schlechterstellung der Pensionäre, die unter das Gesetz gemäß Art. 131 des Grundgesetzes vom 11. Mai 1951 fallen, vermieden wird. ({2}) Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - ich bitte um die Gegenprobe. - Mit ganz überwiegender Mehrheit abgelehnt. Meine Damen und Herren, ich rufe zunächst die §§ 1 und 2 im Kap. I des Gesetzes auf. - Dazu liegen keine Wortmeldungen vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen beiden Paragraphen zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die beiden Paragraphen sind angenommen. Zu § 3 beantragt die kommunistische Fraktion die Streichung des Paragraphen. Herr Abgeordneter Gundelach wünscht, den Antrag zu begründen. Bitte!

Gustav Gundelach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000752, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Der § 3 des vorliegenden Gesetzentwurfs sieht die Anrechnung der in Fortfall kommenden 6prozentigen Gehaltskürzung vor. Wir Kommunisten haben bereits früher wiederholt von dieser Stelle aus Gelegenheit genommen, zu dieser Frage des 6prozentigen Gehaltsabzugs Stellung zu nehmen, und haben immer wieder gefordert, daß dieser Gehaltsabzug nicht mehr stattfinden und auch bei Gehaltserhöhungen nicht in Anrechnung gebracht werden soll. - Aus diesem Grunde beantragen wir die Streichung des § 3.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat Herr Abgeordneter Böhm.

Hans Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000217, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Fraktion stimmt dem Antrag auf Streichung des Paragraphen zu, allerdings mit einer andern Begründung. Der § 3 regelt hier `Rechtsverhältnisse für solche Leute, die durch Tarifvertrag erfaßt werden. Es ist meiner Ansicht nach nicht möglich, ein Recht, das die beiden Vertragspartner für sich in Anspruch nehmen, d. h. die Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen der Angestellten im öffentlichen Dienst, durch ein Beamtengesetz zu regeln. Wir sind also der Meinung, daß dieser § 3 gestrichen werden muß, weil wir uns nicht denken können, daß durch eine beamtengesetzliche Regelung auch gleichzeitig arbeitsrechtliche Bestimmungen geändert werden können. Darum bitten wir, dem Antrage auf Streichung des § 3 zuzustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst!

Dr. Josef Ferdinand Kleindinst (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001120, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 3 bedeutet nicht eine neue Regelung, sondern eine Sanktionierung der bisher schon bestehenden Ordnung. Infolgedessen bitte ich, daß der § 3 aufrechterhalten wird.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Weitere Wortmeldungen zu § 3 liegen nicht vor, meine Damen und Herren. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage der kommunistischen Fraktion auf Streichung des § 3 zu entsprechen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, der Vorstand bedauert, sich über das Ergebnis nicht einigen zu können. Angesichts der verschiedenartigen Besetzung des Hauses bitte ich die Damen und Herren, die Mehrheitsverhältnisse im Wege des Hammelsprungs festzustellen. ({0}) Meine Damen und Herren, wer für die Streichung ist, der muß in diesem Falle durch die Ja-Türe gehen. Ich sage dies, damit keine Zweifel entstehen. ({1}) Ich bitte, daß Sie dies auch den noch dazukommenden Damen und Herren freundlichst mitteilen. ({2}) Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Räumung des Saales etwas beschleunigen würden. - Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. ({3}) Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. - Ich bitte, die Abstimmung zu schließen. Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den Streichungsantrag haben gestimmt: 149 Abgeordnete, dagegen: 144 Abgeordnete, bei 5 Enthaltungen. - Ich hoffe, daß Sie meine Feststellung als gerechtfertigt ansehen, daß man dieses Ergebnis von hier oben nicht auszählen kann. - § 3 ist demnach gestrichen. Meine Damen und Herren, ich komme zu § 4. ({4}) - Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Ihre freundliche Aufmerksamkeit; wir müssen ja hier unsere Aufgabe fortführen. § 4. - Keine Wortmeldungen. - Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 4 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war eindeutig die Mehrheit. Ich rufe auf Kap. II § 5. Zu § 5 liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der Kommunistischen Partei zu Abs. 1 und des Herrn Abgeordneten Farke zu Abs. 2 vor. Herr Abgeordneter Gundelach zur Begründung des Antrags der KPD!

Gustav Gundelach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000752, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! § 5 Abs. 1 besagt, daß ab 1. April 1951 eine 15 %ige Erhöhung und erst ab 1. Oktober dieses Jahres eine 20 %ige Gehaltserhöhung erfolgen soll. Es ist bekannt, daß die Beamtenorganisationen der verschiedensten Richtungen eine 20 %ige Gehaltserhöhung ab 1. April dieses Jahres selbst für unzureichend erklärt und zum Teil bereits die berechtigte Forderung erhoben haben, daß infolge der inzwischen weiter gestiegenen Kosten der Lebenshaltung eine Erhöhung der Gehälter um mindestens 33 % erfolgen müsse. Die Beamten haben erwartet, daß sie zumindest nun nach einer so langen Zeit des Hin und Her endlich eine 20 %ige Erhöhung ab 1. April dieses Jahres erhalten. Die Beamten können sich unserer Meinung nach nicht damit abfinden, daß sie sich mit Rücksicht auf ihre Ruhestandskollegen für die Zeit vom 1. April dieses Jahres bis zum 1. Oktober mit einer Erhöhung von nur 15 % einverstanden erklären sollen. Die Beamten vertreten den Standpunkt - einen berechtigten Standpunkt! -, daß auch die Ruhestandsbeamten ab 1. April dieses Jahres in den Genuß einer Erhöhung ihrer Bezüge um 20 % kommen sollen. Aus den von mir dargelegten Gründen beantrage ich, daß durch Änderung des § 5 die 20 %ige Erhöhung der Gehälter ab 1. April 1951 in Kraft tritt.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Farke.

Ernst August Farke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000518, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Meine Damen und Herren! Da es mit den vorhandenen Haushaltsmitteln nicht möglich war, eine höhere Zulage als 20 % ab 1. Oktober zu gewähren, war es nötig, die bisher gewährten Zulagen für die Grundgehälter bis 230 DM beizubehalten und sie ruhegehaltsfähig zu machen. Wenn wir aber diese Zulagen ruhegehaltsfähig machen, dann müssen wir beachten, daß bei den Übergängen von einer Gruppe zur anderen Ungerechtigkeiten entstehen. Beispielsweise bekommt jemand, der monatlich 154,99 DM Grundgehalt hat, 24 DM Zulage; hat er aber einen einzigen Pfennig mehr Grundgehalt, nämlich 155 DM, dann bekommt er nur 21 DM. Hat jemand 174,99 DM Grundgehalt, bekommt er 21 DM Zulage; hat er einen Pfennig mehr, also 175 DM, dann bekommt er nur 17 DM, also 4 DM weniger als im andern Fall. Diese Regelung ist, da die Zulagen ruhegehaltsfähig gemacht werden sollen, meines Erachtens unmöglich. Ich schlage deshalb vor, nach den Worten: „Dieser beträgt bei einem Grundgehalt oder bei Diäten . . ." und der anschließenden Skala einen Nachsatz anzufügen: mit der Maßgabe, daß die Bezüge jeder Gruppe die Anfangsbezüge der folgenden Gruppe nicht übersteigen dürfen. Damit sind die gekennzeichneten Unebenheiten und Ungerechtigkeiten, die sehr viel Ärger hervorrufen werden, ausgemerzt. Es ist ein einfacher Satz, der alle Ungerechtigkeiten beseitigt, der keine wesentlichen Änderungen herbeiführt, so daß derjenige, der einen Pfennig mehr Grundgehalt hat, nicht plötzlich 4 DM weniger Zulage bekommt. Für einige Grundgehaltsempfänger bedeutet das zwar ein Weniger von ein paar Pfennigen bis zu 3 oder 4 DM. Da wir aber die 20 %ige Zulage geben, ist das für die Betreffenden zu verkraften, und wir bekommen nach unserem Prinzip, gemäß dem wir eine einheitliche, gerechte Regelung herbeiführen wollen oder wenigstens den Versuch dazu machen, die Ausmerzung von Unebenheiten und Unregelmäßigkeiten. Ich bitte, diesen einfachen Zusatz, durch den die Unregelmäßigkeiten ausgemerzt werden, anzunehmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Ich darf namens meiner Fraktion zu der vorliegenden Fassung des § 5 - jetzt 5 und 5 a - folgendes erklären: Zunächst müssen wir sagen: En d l i c h, endlich ist nun heute der Zeitpunkt da, in dem wir in die Lage versetzt sind, diese Besoldungsaufbesserung auch für die Beamten des öffentlichen Dienstes entsprechend dem Vorschlage des Ausschusses zu beschließen. Dieses „Endlich!" möchte ich mit ganz wenigen Ziffern motivieren. Der Lebenshaltungsindex beträgt heute 167 % desjenigen von 1938; die Beamtenbesoldung betrug im Jahre 1950 94 %, und nicht von 1938, sondern von 1927; sie wurde 1950 auf 100 %, im Frühjahr 1951 für die aktiven Beamten auf 115 % erhöht und soll jetzt durch diese Vorlage auf 120 %, wohlgemerkt aber nur der Grundgehälter von 1927, ohne Berücksichtigung des Wohnungsgeldes und der Kinderzulagen, erhöht werden. Praktisch bedeutet das also, daß, wenn dieses Gesetz angenommen wird, die Beamten des Bundes 116 % ihrer Bezüge des Jahres 1927 erhalten, und das bei einem Lebenshaltungsindex von 167 %. ({0}) Wenn wir uns demgegenüber die Entwicklung ansehen, die erfreulicherweise dank dem Aufschwung unserer Wirtschaft die Löhne der Industriearbeiter nehmen konnten, so ergeben sich folgende Vergleichszahlen. Die Wochenverdienste der Industriearbeiter - und zwar ohne den Bergbau, wo die Steigerung noch stärker war - betrugen im Juni 1948 100,7 % von 1938, im Juni 1949 137 % von 1938, im Juni 1950 150 % von 1938 und im Juni 1951, wie das gestern verteilte Heft des Statistischen Amtes beweist, 181 % des Jahres 1938. Bei den Stundenverdiensten ist die Erhöhung sogar noch größer; da ist eine Steigerung auf 186 % bis Juni 1951 erfolgt. Übrigens, meine Damen und Herren von der SPD, auch eine Erläuterung zu dem in der vergangenen Woche hier behandelten Zustand des angeblichen „sozialen Ärgernisses", ({1}) - des sozialen Ärgernisses, bei dem die Löhne der Industriearbeiterschaft über den Lebenshaltungsindex von 167 hinaus im Verlauf dieser Zeit auf 181 bzw. 186 % - und zwar aus dem erhöhten Arbeitsprodukt - heraufgebracht werden konnten. Aber das ist im Moment nicht das Thema, sondern nur ein Vergleich. ({2}) Die Entwicklung der Bezüge der öffentlichen Bediensteten, wie ich sie soeben dargelegt habe, zeigt eine geradezu unmögliche Relation zu diesen Bezügen der Arbeitnehmerschaft. Die öffentlichen Bediensteten sind mit ihren Realbezügen in einem Ausmaß zurückgeblieben, daß man versucht ist, geradezu von einer Gefährdung des Staatsapparates zu sprechen, und daß man sich weiter fragen muß, ob die lange Aufrechterhaltung dieses Zustandes mit der Treupflicht, die ja nicht nur der Beamte, sondern auch der Staat hat, überhaupt noch zu vereinbaren gewesen ist. ({3}) Diese Dinge haben schon dazu geführt, daß eine Abwanderung von Spitzenkräften, von den tüchtigsten Kräften aus der Beamtenschaft in die freien Berufe eingesetzt hat. Wenn wir hier nicht endlich durch Besserungsmaßnahmen einen Damm setzen, laufen wir Gefahr, daß sich im öffentlichen Dienst nachher nur noch die minder leistungsfähigen Kräfte halten oder anziehen lassen. Das zum Grundsätzlichen, zur Begründung der unbedingten Notwendigkeit, daß nun endlich eine Erhöhung erfolgt. Wir geben ohne weiteres zu, daß die Erhöhung um 20 % auf die Grundbezüge und um 16 % auf die vollen Bezüge noch nicht das ist, was den öffentlichen Bediensteten von Rechts wegen heute zugestanden werden müßte. Aber wir stehen leider vor einer finanzpolitischen Situation, in der wir nur diese Maßnahme ermöglichen können. Auch das erfolgt nur mit allergrößten Schwierigkeiten und nach vielen Rechenkunststücken, die wir im Ausschuß haben machen müssen. Schließlich sind wir dazu gekommen, diese Erhöhung gleichmäßig für die aktiven Beamten und die Pensionäre ab 1. Oktober 1951 in Kraft treten zu lassen, um auf diese Weise sicherzustellen, daß die Pensionäre im Rahmen der haushaltsmäßigen Mittel in gleicher Weise mitziehen können. Die Einbeziehung der Pensionäre ist seitens der Regierungsparteien bereits bei der ersten Lesung als ({4}) eine unerläßliche Notwendigkeit bezeichnet worden. Wir waren damals schon der Auffassung, daß es das kleinere Übel gewesen wäre, für alle nur 15 % zu geben, statt nur den aktiven Beamten 20 % und den Pensionären gar nichts. Wir freuen uns, daß es jetzt durch unsere Rechenkunststücke möglich geworden ist, auch die Ruhegehaltsempfänger und vor allem die Hinterbliebenen, die Witwen und Waisen auf der Basis von 20 % an dieser Zulage zu beteiligen. Denn schließlich haben auch die Pensionäre und die Hinterbliebenen die gleiche Teuerung wie alle anderen zu tragen. Wir haben allerdings im Ausschuß davon abgesehen, für den Bund eine Maßnahme zu treffen, die man im Lande Hessen getroffen hat. Dort hat man nämlich alle Pensionen über 250 DM mönatlich bis zu 50 % gekürzt. ({5}) Das scheint uns mit den Grundsätzen des Berufsbeamtenrechts nicht vereinbar zu sein und auf eine gefährliche Gleichmacherei hinauszulaufen. ({6}) Ich habe soeben gesagt, daß die 20 %ige Erhöhung der Grundgehälter, d. h. die 16 % ige Erhöhung der Gesamtgehälter nicht der Teuerung entspricht und an sich hätte größer sein müssen. Hierzu darf ich darauf hinweisen, daß wir wenigstens in den unteren Einkommensgruppen bis zu 230 DM monatlich die bereits früher gewährten Zulagen in bestimmtem Umfange, in Höhe von monatlich 6 bis 24 DM aufrechterhalten haben. Wir bedauern allerdings besonders, daß es in den Beratungen des Ausschusses nicht möglich gewesen ist, auch die Kinderzulagen in diese 20 % ige Erhöhung einzubeziehen. Diese Möglichkeit war uns deswegen nicht gegeben, weil die Tarifvertragspartner, die die Gehälter der öffentlichen Angestellten regeln, uns mit einer Regelung zuvorgekommen waren, die eine 20 % ige Erhöhung in sich birgt und die Kinderzulagen leider ausgeschlossen hat. Wir hatten jetzt bei der Durchrechnung der finanziellen Möglichkeiten zu unserem schmerzlichen Bedauern nicht mehr die Möglichkeit, zusätzlich auch die Kinderzulagen zu erhöhen, weil diese Erhöhung sich auch auf die sämtlichen Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst hätte ausdehnen müssen. Dafür waren die Mittel im Augenblick einfach nicht aufzubringen. Wir bemerken aber ausdrücklich, daß wir mit besonderem Nachdruck der Entschließung des Ausschusses zustimmen, nach der bei der endgültigen Besoldungsreform gerade auf dem Gebiete der Kinderzulagen unbedingt etwas geschehen muß. Man braucht nicht des längeren auszuführen, daß in einer Familie mit mehreren Köpfen eben jedes Paar Schuhe, jeder Anzug, jede Nahrung mehrfach gekauft und bezahlt werden muß. Wenn wir das Alimentationsprinzip beim Berufsbeamtentum haben, das einen angemessenen Lebensstandard der Familien gewährleisten soll, dann dürfen wir uns einer Erhöhung auf die Dauer gerade auf diesem Gebiete am allerwenigsten entziehen. Im übrigen vertrauen wir insgesamt darauf, daß es uns möglich sein wird, bei der endgültigen Besoldungsreform, die im nächsten Jahre erfolgen soll, dieser vorläufigen Lösung eine bessere folgen zu lassen. Jedenfalls kann mit dieser Lösung noch nicht das letzte Wort gesprochen sein. Nun aber noch ein Wort zum Personenkreis des Art. 131 des Grundgesetzes, über den ja bei der Geschäftsordnungsdebatte vorher schon eine ziemlich eingehende Sachdebatte stattgefunden hat. Meine Damen und Herren, wir haben es zunächst unter Zusetzung eines Ausgabenbetrages von 10 Millionen DM ermöglicht, daß wenigstens die ja außerordentlich geringfügigen Übergangsgehälter der 131er - hier einschließlich des Wohnungsgeldzuschusses, der ja bisher nur teilweise gezahlt wird - in diese Teuerungszulagen einbezogen werden. Damit helfen wir wenigstens dem Personenkreis aus Art. 131, der bei der Regelung durch das Gesetz zweifellos am allerungünstigsten behandelt worden ist und für den im Gesetz selber ja ausdrücklich schon eine baldmöglichste Aufbesserung vorgesehen wurde. Wenn wir die übrigen Pensionäre nach Art. 131 jetzt in diese Regelung noch nicht einbeziehen können, meine Damen und Herren, so sind wir uns dabei dessen bewußt, daß wir uns mit dieser Regelung in Widerspruch zu einem Bundestagsbeschluß setzen, der bereits am 2. Dezember 1949 in diesem Hause einmütig gefaßt worden ist. Aber wir können auf diesem Gebiete nur im Rahmen der effektiv gegebenen Möglichkeiten handeln, so berechtigt auch die Beschwerden und Beanstandungen aus dem Personenkreis des Art. 131 sind. Ich habe hier eine Zuschrift des Allgemeinen Beamtenschutzbundes vor mir liegen, in der folgende Worte stehen, die ich mit wenigen Zeilen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten kurz vortragen darf:

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Wobei ich darauf hinweisen darf, Herr Abgeordneter, daß wir augenblicklich § 5 und noch nicht § 5 a erörtern.

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Also es heißt da: Mit einer solchen Regelung - also der Herausnahme der Pensionäre aus Art. 131 würde der Grundsatz des gleichen Rechts wieder gerade zu Lasten solcher Ruhestandsbeamten und Witwen verletzt werden, die schon in der Vergangenheit lange Jahre unter minderes Recht gestellt waren und noch unter der Not dieser Jahre schwerer zu leiden haben als andere. Das müßte als Unrecht empfunden werden und erneut tief verbittern. Meine Damen und Herren, wir können einer solchen Formulierung sachlich nicht widersprechen. Wir können nur erläutern und erklären, warum wir trotz dieser Situation den berechtigten Forderungen nicht Folge geben können. Die Situation sieht leider - diese Zahlen müssen einmal genannt werden - finanziell so aus: Nach der ursprünglichen Vorlage des Finanzministers sollten ungefähr 26 Millionen DM Mehraufwand für den Bundesetat in diesem Jahre für die Besoldungserhöhung ausgegeben werden. Nach der jetzigen Vorlage, wie sie Ihnen vorliegt, ist einschließlich der Übergangsgehälter schon ein Mehrbedarf - aufs ganze Jahr gerechnet - von 55 Millionen DM erforderlich. Wenn wir die Pensionäre nach Art. 131 noch einbezögen, müßte sich dieser Betrag von 55 Millionen effektiv noch um 100 Millionen auf 155 Millionen erhöhen. wenn alle gleichziehen sollen. Und die Möglichkeit, diese 100 Millionen zu beschaffen, haben wir trotz aller eingehenden Bemühungen nicht gefunden und müssen darum bitten, Verständnis dafür zu haben, daß wir hier die Dinge erst weiterbehandeln können, wenn wir den erforderliche n Deckungsvorschlag machen können. ({0}) Meine Damen und Herren, dann nur noch ein Wort zur Frage der Sperrvorschriften für die Länder und Gemeinden - oder soll das zunächst nicht besprochen werden?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter, ich wäre dankbar, wenn wir uns etwas an die Regelung der Geschäftsordnung halten, daß wir eine Einzelbesprechung in der zweiten Beratung und eine Gesamtbesprechung in der dritten Beratung haben. Wir laufen sonst Gefahr, daß alles, was schon in der Berichterstattung gesagt ist, wiederholt wird und wir dann dasselbe zwei- und dreifach hören. Ich wäre also dankbar, wenn wir uns im Augenblick auf § 5 beschränken könnten.

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich darf dann zunächst mit der Bemerkung schließen, meine Damen und Herren, daß wir der Meinung sind, daß die in § 5 getroffene Regelung keineswegs das Ideal dessen darstellt, was wir uns wünschen. Wir halten sie aber für einen Fortschritt, den wir unserer Beamtenschaft unter keinen Umständen noch länger vorenthalten dürfen. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Bitte schön, Herr Abgeordneter Böhm, zu § 5.

Hans Böhm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000217, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Zu § 5 habe ich auch einige Ausführungen zu machen. Soweit die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Wuermeling in Frage kommen, gehen wir mit ihm vollkommen einig. Nur bin ich der Meinung, daß es nicht Schuld des Parlaments ist, wenn wir heute erst an die Regelung und dann noch ungenügend herankommen, sondern daß hier ganz unzweideutig die Schuld bei der Regierung selbst gesucht werden muß. ({0}) Zu dem Antrag, den der Abgeordnete Gundelach zu § 5 a gestellt hat, kurz folgendes. Wenn wir der Regelung, so wie sie hier vorliegt, in ihrer Auswirkung, auch in der finanziellen Auswirkung, zustimmen, so aus dem einfachen Grunde, weil wir den Beamten und den Pensionären tatsächlich helfen wollen, und zwar schnell helfen. Wir haben uns sowohl im Ausschuß wie in der ersten Lesung mit diesen Dingen sehr eingehend beschäftigt, und wir sind der Meinung, daß in dieser Regelung das Bescheidenste dessen liegt, was getan werden kann, und daß es eigentlich möglich sein müßte, den § 5 sowohl wie auch den § 5 a unverändert anzunehmen. Wir lehnen auch den Abänderungsantrag des Abgeordneten Farke ab, weil das, was er hier als, sagen wir mal, kleine Schönheitsfehler bezeichnet hat, eine durchaus vorübergehende Erscheinung sein kann. Es braucht es nicht im einzelnen Fall zu sein, sondern das Hineinwachsen in die einzelnen Besoldungsgruppen und Besoldungsstufen bügelt diese Dinge ganz von selber aus. Wir werden also von uns aus diesen beiden Paragraphen als der im Augenblick möglichen Regelung zustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Weitere Wortmeldungen zu § 5 liegen nicht vor. Meine Damen und Herren, es ist zunächst von der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 331, der Ihnen inzwischen vorliegt, beantragt worden, dem § 5 Abs. 1 eine neue Fassung zu geben. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag der KPD zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt. Zu Abs. 2 des § 5 liegt ein Antrag der Herren Abgeordneten Farke und Fraktion der Deutschen Partei vor mit dem Ziele, zwischen der Aufzählung der einzelnen Ziffern und Zulagen und dem letzten Absatz: „Der besondere Zuschlag ist vom 1. Oktober 1951 ab ruhegehaltsfähig", einzufügen: „mit der Maßgabe, daß die Bezüge jeder Gruppe die Anfangsbezüge der folgenden Gruppe nicht übersteigen dürfen". Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Damit sind also die Abänderungsanträge abgelehnt. Ich bitte nun Sie, meine Damen und Herren, die Sie dem § 5 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit; § 5 ist angenommen. Ich rufe auf § 5 a. Auch hierzu liegt ein Abänderungsantrag der KPD vor. Bitte, Herr Abgeordneter Gundelach!

Gustav Gundelach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000752, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Ich habe bereits bei § 5 davon gesprochen, daß wir Kommunisten auch für die Ruhestandsbeamten und sonstigen Versorgungsempfänger eine Erhöhung ihrer Bezüge um 20 % ab 1. April 1951 fordern. ({0}) Dieser unserer Forderung entspricht unser Änderungsantrag zu § 5 a. ({1}) - Herr Abgeordneter Wuermeling, wenn ich mir Ihre heutige Rede ein bißchen überlege, so muß ich sagen: sie ist voller Inkonsequenz. Man kann nicht einerseits feststellen, daß die Beamten heute gegenüber 1927 nur 116% bekommen und daß der Preisindex heute in Wirklichkeit 165, oder wieviel Sie gesagt haben, beträgt, um dann so einen Eiertanz aufzuführen, wie Sie ihn hier im Parlament aufgeführt haben. Das ist inkonsequent und hat mit einer Interessenvertretung der Beamtenschaft auch nicht mehr das geringste zu tun. ({2}) - Wir nehmen im Augenblick Stellung zu Fragen der Beamten in der Bundesrepublik; da nützt Ihre alte Walze von der Ostzone auch nicht das geringste und kann mich in keiner Weise beeinflussen. ({3}) - Ich bin hier genau so zuständig, sogar etwas mehr als Sie, Herr Wuermeling! ({4}) Denn die Arbeiterklasse in Westdeutschland ist immer noch etwas mehr als die CDU! ({5}) Meine Damen und Herren, wir können auch nicht einsehen, daß die Personen, die unter Art. 131 des Grundgesetzes fallen, sofern sie Übergangsbezüge erhalten, schlechter behandelt werden sollen als ihre übrigen Kollegen. Aus diesem Grunde beantragen wir zu § 5 a Abs. 2, auch diesen Beamten ab 1. April 1951 eine 20 %ige Erhöhung ihrer Bezüge zu gewähren. ({6})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der KPD auf Umdruck Nr. 331 Ziffer 3 betreffend Neufassung des § 5 a. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Neufassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist offenbar nicht die Mehrheit; ({0}) der Antrag ist abgelehnt. Ich komme zur Abstimmung über den § 5 a in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; der Paragraph ist angenommen. Ich rufe auf § 6, - § 7. - Keine Wortmeldungen? -Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 6, der Überschrift von Kap. III und § 7 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen. Herr Abgeordneter Gundelach, Sie stellen Anträge zu § 8 und zu § 10. Auch angesichts der Tatsache, daß der Ausschuß diese Paragraphen überhaupt wegfallen lassen will? ({1}) - Also diese Anträge werden nur für den Fall gestellt, daß der Antrag des Ausschusses, Kap. IV wegfallen zu lassen, nicht angenommen wird. Wird dazu das Wort gewünscht? - Nein. ({2}) - Ich kann nicht über etwas abstimmen lassen, was der Ausschuß gar nicht beantragt hat. Also das fällt ohne weiteres weg, da kein anderer Antrag gestellt worden ist. Ich rufe auf Kap. V, § 11, - § 12, - Einleitung und Überschrift. ({3}) - 12 entfällt ebenfalls; Sie haben recht. Also: § 11, - Einleitung und Überschrift! - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist die zweite Beratung des Gesetzes beendet. Ich komme zur dritten Beratung und bitte, im Rahmen einer Redezeit von 60 Minuten für die Gesamtaussprache das Wort zu nehmen. Gleichzeitig darf ich bitten, im Rahmen dieser Redezeit auch den Entschließungsantrag zu begründen. Wünscht jemand, im Rahmen der allgemeinen Aussprache noch das Wort zu nehmen? - Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling, Sie hatten sich zuerst gemeldet. Wünschen Sie zuerst das Wort im Rahmen der allgemeinen Aussprache? ({4}) Herr Abgeordneter Pannenbecker bitte! Dann Herr Abgeordneter Gundelach und Herr Abgeordneter Dr. Nöll von der Nahmer.

Otto Pannenbecker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001674, Fraktion: Deutsche Zentrumspartei (Z)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß es wenigstens teilweise gelungen ist, die Ruhestandsbeamten, Witwen und Waisen in die Erhöhung der Bezüge einzubeziehen. Das ist ein wesentliches Anliegen der Zentrumsfraktion gewesen, das in ihrem Antrag vom 28. März dieses Jahres niedergelegt ist. Zwar hat man - das ist aus der Spezialdebatte eben hervorgegangen - wiederum nicht die Pensionäre usw. einbeziehen können, die unter das Gesetz aus Art. 131 des Grundgesetzes fallen. Das ist an sich bedauerlich; aber wir haben nun einmal ein Gesetz, das auf der Grundlage des Stotterns zusammengestellt worden ist. Wir werden Anträgen, die hier eingebracht werden - es ist ja eben davon die Rede gewesen, auch die Pensionäre aus Art. 131 einzubeziehen -, ohne weiteres zustimmen. Wenn das heute nicht geschehen ist und wenn wir in der zweiten Lesung dem Gesetzentwurf, wie er vorliegt, zugestimmt haben, dann deshalb, um nicht das ganze Gesetz zu gefährden. Die Hauptsache ist für uns gewesen, daß die Pensionäre, Witwen und Waisen in das Gesetz einbezogen worden sind und damit die Rechtsgleichheit aufrechterhalten oder wenigstens ab 1. Oktober wiederhergestellt wird. Wir sehen also den Anträgen nach der Seite der 131er entgegen, und ich kann Ihnen genau wie der Sprecher der SPD nur nochmals sagen, daß auch wir solchen Anträgen zustimmen werden. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Gundelach.

Gustav Gundelach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000752, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Obwohl von der überwiegenden Mehrheit dieses Hauses die Änderungsanträge meiner Fraktion, die absolut den Forderungen und Wünschen der Beamtenschaft entsprechen, abgelehnt worden sind, werden wir dem Gesetz unsere Zustimmung geben, das keineswegs auch nur annähernd den berechtigten Forderungen und Ansprüchen der Beamten entspricht. Aber wir wollen uns nicht schuldig machen und Ihnen keine billige Propagandamöglichkeit geben, zu erklären, daß selbst dieses Flickwerk von Gesetz, das den Beamten nur ein bißchen entgegenkommt, von den Kommunisten abgelehnt worden wäre. Den Gefallen tun wir Ihnen nicht. Wir stimmen dem Gesetz zu. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Nöll von der Nahmer.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über den Mangel, den dieses Gesetz hat, ist genug gesprochen worden. Es ist einwandfrei nachgewiesen, daß hier im Hause wohl allgemein bedauert wird, daß wir nicht schon in diesem Gesetz die Gleichstellung der Ruhestandsbeamten und Empfängern von Versorgungsbezügen haben, die unter das Ausführungsgesetz zu Art. 131 fallen. Meine Fraktion ist aber der Ansicht, daß wir die Lage, so wie sie ist, nun einmal hinnehmen müssen und zunächst jedenfalls dieses Gesetz verabschieden sollen, damit wenigstens den aktiven Beamten und den altansässigen Pensionären endlich eine Gehaltserhöhung zuteil wird. Wir möchten aber das Hohe Haus bitten, unsere Entschließung auf Umdruck Nr. 330 anzunehmen, die wir sehr konkret gefaßt haben, konkreter, als das in Ziffer 1 der Entschließung des Ausschusses für Beamtenrecht geschehen ist. Ich möchte deshalb beantragen, daß unsere Entschließung als weitergehend zuerst zur Abstimmung kommt, so daß mit der Annahme, woran wir nicht zweifeln, Ziffer 1 der Entschließung des Beamtenrechtsausschusses - nur Ziffer 1 - als erledigt gilt. Es genügt uns nicht, wenn es in der Fassung des Ausschusses für Beamtenrecht lediglich heißt, daß die Bundesregierung ersucht wird, die unter das Ausführungsgesetz zu Art. 131 fallenden Personen ({0}) bei der Neuregelung des Besoldungsrechtes „zu berücksichtigen". Das ist zu schwach. Wir wollen, daß der Wille ganz klar zum Ausdruck kommt, daß absolute Gleichberechtigung nötig ist, daß für die Pensionäre, die unter Art. 131 fallen, dieselben Bezüge gezahlt werden sollen wie für die anderen Pensionäre. Wir sind uns nun aber auch weiter darüber klar -- das ist j a hier auch bereits von einem Kollegen erwähnt worden -, daß das natürlich Geld kostet, und dieses Geld muß eben da sein, wenn wir im nächsten Haushaltsjahr die Gleichstellung vornehmen. Die Sachverständigen sind nach meiner Kenntnis wohl ziemlich übereinstimmend der Überzeugung, daß im Haushaltsplan XXVI Kap. 3a und 3b, die gegenseitig deckungsfähig sind, die Ausgabenansätze, wie wir sie im Nachtragshaushalt finden, nicht voll benötigt werden, um die Ausgaben zu leisten, die in diesen beiden Kapiteln vorgesehen sind. Wir rechnen also damit, daß hier Minderausgaben eintreten. Deshalb sind wir der Ansicht, daß in erster Linie bei gleichem Haushaltsansatz im nächsten Jahr zunächst einmal diese zusätzlichen Aufwendungen aus diesen Kapiteln bestritten werden können. Aber, meine Damen und Herren, wir wollen doch hier ganz offen sprechen! Wir wissen nicht, ob diese Beträge wirklich ausreichen werden, um die zusätzlichen Ausgaben zu decken. Im Auftrag meiner Freunde möchte ich deswegen hier unsere Auffassung zum Ausdruck bringen, daß die Anpassung der Bezüge als vordringliche Ausgabe angesehen werden muß, d. h. daß in erster Linie für diese Ausgaben die erforderlichen Mittel bereitgestellt werden müssen; und wenn wir auf der andern Seite keine zusätzlichen Einnahmen beschaffen können oder wollen, dann müssen wir uns auch über die Konsequenz klar sein, daß der Herr Finanzminister bei anderen Sachausgaben Abstriche vornehmen muß. Wir legen jedoch besonderen Wert darauf, daß auf alle Fälle im kommenden Bundeshaushaltsplan die Gleichstellung durchgeführt wird. Die entsprechenden Mittel wünschen wir im kommenden Haushaltsplan bereitgestellt zu sehen. Die Angelegenheit ist deswegen so entscheidend, weil es hier j a nicht einfach um irgendein Finanzproblem oder eine Beamtenfrage geht, sondern weil es sich hier um eine Rechtsfrage handelt. Für jeden, der der Ansicht ist, daß gewisse Grundprinzipien im Staatsleben gewahrt werden müssen, ist es keine Kleinigkeit, jetzt bei der dritten Lesung diesem Gesetz zuzustimmen. Unter Juristen ist es sehr zweifelhaft, ob das Gesetz überhaupt verfassungsmäßig haltbar ist. Das große Bedenken gegenüber diesem Gesetz - Herr Kollege Kather hat vorhin schon diese Frage angeschnitten -, ist, daß wir nicht wissen, ob es nicht eine Verletzung des Gleichheitsprinzips beinhaltet. Deswegen müssen wir dafür sorgen, daß die Frage auf alle Fälle vom nächsten Haushaltsjahr ab einwandfrei gelöst ist. Wir bitten Sie daher, unserer Entschließung an Stelle der Entschließung unter Ziffer 1 des Ausschußantrags - Umdruck Nr. 332 - zuzustimmen. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, ich darf darauf hinweisen, daß inzwischen von der Fraktion der Bayernpartei ein weiterer Änderungsantrag zum Entschließungsantrag des Ausschusses eingegangen ist, folgenden Wortlauts: In dem Entschließungsantrag des Ausschusses ist folgende Ziffer 2 einzufügen: im Zusammenhang mit der neuen Regelung des Besoldungsrechts auch für die Versorgungsberechtigten des § 5 a Abs. 1 besondere Zuschläge nach den Grundsätzen des § 5 Abs. 2 vorzusehen, Ziffern 2 und 3 werden Ziffern 3 und 4. Unterzeichnet ist der Antrag von den Abgeordneten Dr. Etzel ({0}) usw. Wünschen Sie, den Antrag zu begründen, Herr Abgeordneter Dr. Etzel? - Bitte!

Dr. Hermann Etzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000498, Fraktion: Bayernpartei (BP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es muß anerkannt werden, daß der Beamtenrechtsausschuß in verdienstvoller Weise eine wesentliche Verbesserung der Regierungsvorlage bewirkt hat. Daß nicht alle Erwartungen und Hoffnungen erfüllt werden konnten, hat der Ausschuß selber zum Ausdruck gebracht, und niemand bedauert das mehr als die Fraktionen, die zu dieser Verbesserung der Regierungsvorlage durch ihre Initiativanträge beigetragen haben. Uns alle hat es wohl vor allem mit Befriedigung erfüllt, daß der Beamtenrechtsausschuß einstimmig die Notwendigkeit der Einheitlichkeit der Regelungen für die Beamtenbesoldung betont und festgestellt hat. ({0}) Diese Einheitlichkeit ist unter dem Aspekt der finanzpolitischen Lage in zwei Beziehungen durchbrochen worden. Es herrscht wohl kaum ein ernsthafter Zweifel darüber, daß nach strengen rechtsstaatlichen Gesichtspunkten eine Kategorisierung innerhalb der Besoldungsregelung nicht vertreten werden kann. Die Nichteinbeziehung der Beamtengruppen, die unter den Art. 131 des Grundgesetzes fallen, ist beklagenswert. Aber auch hinsichtlich einer zweiten Gruppe ist eine Differenzierung vorgenommen worden, ohne daß das selbstverständlich eine Diskriminierung sein kann. In § 5 Abs. 2 sind besondere Zuschläge zu den Erhöhungszulagen für die aktiven Beamten und Richter vorgesehen, die ab 1. Oktober 1951 ruhegehaltsfähig sein sollen. Diese besonderen Zuschläge, die zum sozialen Ausgleich der unteren, besonders schlecht besoldeten Gruppen dienen sollen, sind den Ruhestandsbeamten und sonstigen Versorgungsberechtigten nach § 5 a versagt. Sie schon jetzt einzubeziehen, sehen wir keine parlamentarische Möglichkeit. Aber wenigstens dem Vorsatz Ausdruck zu geben, daß in Zukunft diese Differenzierung gegenüber den Ruhestandsbeamten und sonstigen Versorgungsberechtigten beseitigt werden soll - in gleicher Weise, wie dies für die Versorgungsberechtigtengruppen nach Art. 131 geschehen soll -, ist der Zweck unseres Antrages, der darauf abzielt, den Entschließungsantrag des Ausschusses durch eine Ziffer 2 dieses Inhalts zu erweitern. Wir möchten vermeiden und verhindern, daß die notwendige rasche und draußen von der Beamtenschaft mit Ungeduld erwartete Verabschiedung des Gesetzes irgendwie verzögert wird. Wir glauben aber, daß es wichtig ist, für die Zukunft der Bundesregierung eine Direktive, eine Richtlinie zu geben und der rechtsstaatlichen Grundauffassung des Parlaments Ausdruck zu verleihen, daß eine Differenzierung innerhalb der Beamtengruppen grundsätzlich nicht eintreten darf. Diese Gesinnung soll dadurch in Erscheinung treten, daß die von uns beantragte Ziffer 2 in den Entschließungsantrag des Beamtenrechtsausschusses eingefügt wird. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.

Paul Bausch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Wir haben die Begründung gehört, die der Herr Kollege Nöll von der Nahmer für den von ihm vorgelegten Antrag gegeben hat. Wir sind der Meinung, daß dieser Antrag sehr sorgfältig geprüft werden sollte. Aber es sollte auch eine andere Frage sehr sorgfältig geprüft werden. Daran liegt uns sehr viel. Wir wissen, daß es eine ganze Anzahl von Männern gibt, die auf Grund des Gesetzes nach Art. 131 Bezüge erhalten, die aber keine Bedenken haben, heute im Lande herumzureisen und gegen diesen Staat zu Felde zu ziehen, der ihm Bezüge zahlt und den Unterhalt sichert. ({0}) Dazu gehört eine Anzahl von Generalen, die unsagbar dumm herausreden, so dumm, daß wir Deutschen dadurch vor der ganzen Welt lächerlich gemacht und in der öffentlichen Meinung herabgesetzt werden. ({1}) Dazu gehören aber auch die Leute, die sich heute in die Mitgliederlisten staatsfeindlicher Parteien eintragen. ({2}) Es sind nicht wenige, die das tun, die aber trotzdem keine Bedenken haben, von diesem Staat, dessen Todfeinde sie sind, Gelder zu beziehen. ({3}) Nun wissen wir ja, daß wir seinerzeit, als das Gesetz nach Art. 131 geschaffen wurde, eine Rechtshandhabe eingebaut haben, die gewährleistet, daß Leute, die sich so verhalten, auf Grund jenes Gesetzes keine Bezüge erhalten. Wenn der vorliegende Antrag geprüft und behandelt wird - wofür wir durchaus sind -, dann muß auch die Frage geprüft werden, was das zuständige Ministerium bisher getan hat, um solche Mißbräuche zu verhindern und um zu gewährleisten, daß das Gesetz nach Art. 131 auch bezüglich desjenigen Artikels durchgeführt wird, der dazu bestimmt ist, zu verhindern, daß sich Feinde dieses Staats von diesem Staat noch bezahlen lassen. Ich möchte jetzt schon das Bundesministerium des Innern, das j a wohl für die Behandlung dieser Angelegenheit zuständig ist, darum bitten, dem zuständigen Ausschuß praktische und konkrete Anträge und Vorschläge vorzulegen, um diese Angelegenheit sauber und so zu bereinigen, wie es unserem Willen entspricht. ({4})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Bezug auf die letzten Ausführungen meines verehrten Fraktionskollegen Bausch möchte ich doch Wert darauf legen, festzustellen, daß wir in § 9 des Gesetzes zu Art. 131 ausdrücklich und im vollen Bewußtsein dessen, was wir taten, die Regelung vorgesehen haben, die hier für erforderlich gehalten wird. Ich darf mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten den Absatz gerade verlesen. Es ist vielleicht auch für die Öffentlichkeit wichtig, das zu wissen. Er lautet wie folgt: Gegen einen Beamten zur Wiederverwendung, einen Ruhestandsbeamten oder einen früheren Beamten, der vor o der nach dem 8. Mai 1945 ein Dienstvergehen oder eine als Dienstvergehen geltende Handlung im Sinne des § 22 des Deutschen Beamtengesetzes begangen hat, wegen deren die Entfernung aus dem Dienst oder der Verlust des Ruhegehaltes gerechtfertigt wäre, kann das förmliche Dienststrafverfahren mit dem Ziele der Aberkennung der Rechte aus diesem Gesetz nach den Vorschriften der Reichsdienststrafordnung eingeleitet und durchgeführt werden. Als Dienstvergehen gilt es auch, wenn ein Ruhestandsbeamter oder ein früherer Beamter sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätigt. ({0}) Damit ist also in diesem Gesetz allen Erfordernissen nach dieser Richtung hin Rechnung getragen. Meine Damen und Herren, darf ich im übrigen zur allgemeinen Aussprache meinerseits Bezug nehmen auf das, was ich eben in der zweiten Lesung zu § 5 und § 5 a im einzelnen ausgeführt habe. Ich möchte nur einen Punkt noch kurz behandeln, zu dem wir unsererseits von der CDU hier noch nichts gesagt haben, nämlich die Frage der Sperrvorschrift, die ursprünglich für die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände im Regierungsentwurf vorgesehen war. Ich bedauere - namens sehr vieler meiner Freunde -, daß diese Sperrvorschrift im Ausschuß gefallen ist, weil wir es doch sehr gern gesehen hätten, wenn eine gleichmäßige Behandlung dieser Dinge im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden Platz gegriffen hätte. Wir haben allerdings in diesem Falle einen besonders wichtigen Grund gehabt, die Frage dieser Sperrvorschrift für die Gehälter der aktiven Beamten nicht gerade jetzt akut werden zu lassen. Denn die Sperre nach oben hätte im Augenblick die ausschließliche Folge gehabt, daß die Kinderzulagen, die im Lande Nordrhein-Westfalen ebenfalls erhöht worden sind, unter die Sperrvorschrift gefallen wären und dann ausgerechnet diese Erhöhung hätte rückgängig gemacht werden müssen. Das wäre natürlich ein Ergebnis gewesen, das wir unter keinen Umständen vertreten können. Was im übrigen die Sperrvorschrift für die Ruhestandsbeamten angeht, so liegen da die Dinge allerdings in den Grundlagen der Ruhegehaltsberechnungen in den einzelnen Ländern so verschiedenartig, daß man im Augenblick eine solche Sperrvorschrift schwer realisieren kann. Ich glaube aber, wir müssen schon jetzt in Aussicht nehmen, bei der endgültigen Regelung des Bundesbeamtenrechts weitgehend vom Rahmengesetzgebungsrecht Gebrauch zu machen, damit das Beamtenrecht nicht in Bund, Ländern und Gemeinden völlig auseinanderläuft. Dann noch ein letztes, was die Anträge bezüglich des Personenkreises nach Art. 131 angeht: Wir haben in dem Entschließungsantrag des Ausschusses ausdrücklich dokumentiert - und wir bitten darum, daß der Bundestag das bestätigt -, daß wir auch die Ruhestandsbeamten und Ver({1}) sorgungsberechtigten nach Art. 131 in bezug auf die Erhöhung der Bezüge künftig mitberücksichtigt wissen wollen. Wenn wir diesen Willen des Bundestags jetzt durch einen Beschluß bekunden, dann tun wir das, was wir im Augenblick können. Der FDP-Antrag, der dazu gestellt worden ist, geht in einem Punkt weiter, indem er bereits einen Deckungsvorschlag für diese Erhöhung der Bezüge ab 1. April 1952 macht. Es handelt sich aber dabei um einen Deckungsvorschlag, meine Damen und Herren, von dem an Hand des Textes und an Hand der heutigen Situation noch niemand beurteilen kann, ob er ausreichend ist. Es sind ja auch von der FDP Zweifel geäußert worden, ob er ausreichend sei. Ich möchte deshalb vorschlagen, daß wir diesen FDP-Antrag, gerade weil er haushaltsmäßig wegen des Deckungsvorschlags geprüft werden muß, dem Beamtenrechtsausschuß und dem Haushaltsausschuß als mitberatend überweisen, damit da das Vorliegen der Voraussetzungen entsprechend geprüft werden kann. Das gleiche möchte ich bezüglich des vorher vorgetragenen Antrags der Bayernpartei vorschlagen, weil auch hier finanzielle Aufwendungen bestimmter Art gefordert werden, deren Deckungsmöglichkeit in den beiden zuständigen Ausschüssen geprüft werden muß, selbstverständlich mit dem Ziele, in beiden Fällen die Deckungsmöglichkeit zu schaffen. Wir müssen bei dieser Gelegenheit auch einmal zum Ausdruck bringen, daß, wenn es um die Deckungsmöglichkeiten geht, es in Zukunft nicht immer wieder so gehen und bleiben kann, daß für alle anderen Dinge, die gefordert werden, immer die Mittel - wenigstens in einem gewissen Ausmaß - verfügbar gemacht werden können, daß es aber dann, wenn es um die öffentlichen Bediensteten des Bundes geht, zuletzt kein Geld da ist. ({2}) Auch die öffentlichen Bediensteten müssen einmal im Vordergrund der Verhandlungen stehen. Das sind wir meines Erachtens unserer Berufsbeamtenschaft schuldig. die trotz ihrer geringen Gehälter gerade in den letzten Monaten und Jahren in vorbildlicher Weise ihre Pflicht getan hat. ({3})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden. von Thadden ({0}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich ganz außerordentlich über die Ausführungen, die Sie, Herr Kollege Bausch, soeben gemacht haben, und über die sich manch einer noch freuen wird. Ich freue mich insofern besonders über Ihre Äußerungen, Herr Kollege Bausch, ({1}) weil Ihre Bemerkungen ein treffendes Schlaglicht auf Ihre Haltung gegenüber den Leuten wirft, denen ja Ihre Partei im Augenblick unter dem Zwang der Verhältnisse einigermaßen nachläuft. ({2}) - Sie, Herr Kollege Bausch, kritisieren Äußerungen von Generälen. Ich bin ein eifriger Zeitungsleser, ({3}) habe aber bisher noch keine staatsfeindlichen Äußerungen von dieser Seite gehört. ({4}) - Einen Augenblick, ich habe bisher noch keine Äußerungen staatsfeindlichen Inhalts dieser Leute gehört. ({5}) - Herr Kollege Greve, lesen Sie bitte die letzten Pressekonferenzen Ihres Parteivorsitzenden nach, dann werden Sie das bestätigt finden. ({6}) Herr Bausch, Ihnen meinen tiefgefühlten Dank für Ihre Bemerkungen, ({7}) die ich noch häufig zu verwenden wissen werde. ({8})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Fisch, dann Herr Abgeordneter Bausch.

Walter Fisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000548, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir nur eine kurze Bemerkung zu dem Thema, das der Kollege Bausch angeschnitten hat. Ich weiß nicht, wer Ihnen, Herr Kollege Bausch, den Tip gegeben hat, diese Debatte zum Anlaß zu nehmen, um hier eine Distanzierung von den politisierenden nazistischen Generälen vorzuführen. Ich kann die Situation einiger Ihrer politischen Freunde sehr gut verstehen, denen es jetzt vor den Geistern, die sie selbst gerufen haben, etwas bange geworden ist. ({0}) Sie sehen auf einmal, daß die guten Hilfskräfte, die Sie bestellt haben, das etwas zu laut herausschreien, was Sie selber vorläufig noch etwas behutsamer ausgedrückt haben möchten. ({1}) Aber ich denke, Sie sollten Ihren Freunden, die Ihnen den guten Rat gegeben haben, heute hier zu sprechen, nachträglich eines sagen, nämlich, daß sie sich das nächste Mal für solche politischen Husarenritte einen geeigneteren Sprecher als Sie, Herr Kollege Bausch, heraussuchen sollten; ({2}) denn wer selbst einmal guter Freund dieser Herren Generäle gewesen ist, der sollte heute schweigen. Herr Kollege Bausch, wenn Sie sich jetzt vorbereiten, hier heraufzukommen und zu antworten, dann sagen Sie bitte dem Hohen Hause zuerst, wo Sie am 21. März 1933 standen, ({3}) wo und wie Sie Ihre Stimme abgegeben haben, als die Frage der Ermächtigung für Adolf Hitler und seine Politik zur Entscheidung stand. ({4}) Erst wenn Sie hierauf eine klare Antwort gegeben haben, dann sind Sie entweder legitimiert, Ihre Bemerkungen gegen die nazistischen Generäle zu wiederholen, oder aber Sie sollten schweigen. ({5}) ({6}) Mag sein, daß Sie sich später irgendwann von Ihren Auffassungen des März 1933 erholt haben - vielleicht ist das so -, aber das spielt keine Rolle: für uns bleibt entscheidend, daß Sie einer derjenigen waren, die aus dem bürgerlichen Lager Hitler 1933 geholfen haben, in den Sattel zu steigen. Solche Leute sollten heute zu diesem Thema schweigen. ({7})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Bausch. Meine Damen und Herren, ich würde aber vorschlagen, daß wir dann langsam zum Thema des Beamtenbesoldungsrechts zurückkehren. ({0})

Paul Bausch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Dem Herrn Vorredner, dem Herrn Abgeordneten Fisch, möchte ich nur eines sagen. Er hat auf die Vorgänge im Frühjahr 1933 Bezug genommen. Ich stelle fest: Damals saß der Herr Hitler bereits im Sattel, und Sie und Ihre Freunde haben ihm geholfen, in den Sattel zu kommen. ({0}) So lagen die Dinge. Ich höre es jetzt noch in den Ohren, wie ein Fraktionskollege von Ihnen, ein Abgeordneter der Kommunistischen Partei, mir im alten Reichstag gesagt hat: „Herr Bausch, es gibt keinen andern Weg, wir müssen den Herrn Hitler zur Macht kommen lassen". ({1}) Das war die Auffassung Ihrer Partei. ({2}) - Wer das war, das will ich Ihnen sagen: Das war der kommunistische Abgeordnete Torgier. ({3}) Das war der kommunistische Abgeordnete Torgier, ({4}) der eigentliche Sprecher der Kommunistischen Partei im alten Reichstag!({5}) Sie sind diejenigen, die dem Herrn Hitler in den Sattel geholfen haben. ({6}) Was die Äußerung des Herrn von Thadden anbelangt, so will ich dazu folgendes sagen: Er meinte, es gäbe keine staatsfeindlichen Generale; er habe noch nie staatsfeindliche Äußerungen von Generalen gehört. Ich will dazu nichts weiter sagen. Manchmal kann man sich wirklich fragen: Sind diese Äußerungen staatsfeindlich oder sind sie nur dumm? Eines von beiden sind sie in jedem Fall. ({7}) Aber das kann ich Ihnen sagen: Wenn Sie glauben, wir hätten irgendeinen Grund, solchen Herren nachzulaufen, so irren Sie sich ganz gewaltig. ({8}) Diese Herren werden, wenn es etwa zum Aufbau einer neuen Wehrmacht kommen sollte, ({9}) in keinem Fall benötigt. Darauf können diese sich in jedem Fall verlassen. ({10})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, zur allgemeinen Aussprache der dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich rufe im Rahmen der Einzelberatung der dritten Beratung auf: § 1, - § 2, - § 4, - § 5, -§ 5 a, - § 6, - § '7, - § 11, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldung. ({0}) Ich schließe die Besprechung. ({1}) Der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums hat das Wort.

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte ein Wort zu § 3 sagen. Es ist eben bezweifelt worden, ob diese Vorschrift rechtsgültig sein würde. Man hat gesagt, die Kürzung beim Tarifvertragsrecht und die Änderung der Kürzungen könnten nicht durch Gesetz erfolgen. Ich möchte dazu sagen, daß die Kürzung seinerzeit durch Gesetz erfolgt ist. Also kann auch eine ganze oder teilweise Aufhebung der Kürzung durch Gesetz erfolgen. Der Wirtschaftsrat hatte im Sommer 1949 schon ein dementsprechendes Gesetz angenommen. Der Länderrat hatte zugestimmt. Nur die Militärgouverneure haben ihre Zustimmung nicht mehr erteilt. Es würde sich also nach § 2 eine Ungerechtigkeit auch gegenüber den Be am t en ergeben, wenn § 3 nicht bestehenbleiben würde.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, ich verstehe die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs nicht ganz. Der § 3 ist in der zweiten Beratung gestrichen worden. Ein Antrag auf Wiederherstellung des Paragraphen liegt nicht vor. ({0})

Not found (Staatssekretär:in)

Mir steht das Antragsrecht nicht zu. Ich hatte anregen wollen, daß ein solcher Antrag gestellt würde. ' ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Es besteht kein Zweifel, Herr Kollege Greve, daß durch die Ausführungen des Herrn Vertreters der Bundesregierung die Aussprache wieder eröffnet ist. ({0}) ({1}) Wünscht jemand, das Wort zu nehmen? - Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling! ({2})

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Durch die Erklärung des Regierungsvertreters ist die Aussprache über die Paragraphen des Gesetzes wieder eröffnet. ({0}) Nach der Erklärung des Regierungsvertreters erscheint es zur Aufrechterhaltung des derzeitigen tatsächlichen Zustandes unerläßlich, daß der § 3 des Gesetzes wiederhergestellt wird. Ich stelle deshalb namens der drei Regierungsparteien den -Antrag, den § 3 in der Ausschußfassung wiederherzustellen. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir kommen weiter, wenn wir uns nicht erregen. Der Vorgang ist völlig eindeutig. Ich hatte die Besprechung geschlossen. ({0}) In diesem Augenblick hat sich der Vertreter der Bundesregierung, der jederzeit berechtigt ist, das Wort zu nehmen, zum Wort gemeldet. Damit ist ({1}) - Ich hatte weder zur Abstimmung aufgefordert noch sie begonnen, Herr Abgeordneter Greve, auch durch Wiederholung wird das nicht zutreffend! ({2}) - Herr Abgeordneter Greve, die Bundesregierung hat nach der Geschäftsordnung jederzeit das Recht, das Wort zu nehmen, und ich erinnere mich, daß Ihre Fraktion mit Recht wiederholt darauf bestanden hat, daß dadurch die Aussprache wieder eröffnet wird. ({3}) Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.

Wilhelm Mellies (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Das geschäftsordnungsmäßige Recht der Bundesregierung, jederzeit das Wort zu ergreifen, ist selbstverständlich nicht anzuzweifeln. Aber, meine Damen und Herren, hier liegt doch der Fall etwas sehr eigenartig. In der zweiten Lesung ist beantragt und beschlossen worden, den Paragraphen zu streichen. Offenbar haben die Vertreter des Finanzministeriums sehr lange gebraucht, um sich zu einer Antwort aufzuraffen und sich über den Sachverhalt klar zu werden. Herr Staatssekretär, es wäre doch wohl die Aufgabe der Vertreter des Finanzministeriums gewesen, dann in der zweiten Lesung hier etwas dazu zu sagen. Denn ich nehme doch an, daß Ihnen die Bedeutung dieses Antrages völlig klar war. Es ist ein unmöglicher Zustand, daß plötzlich der Vertreter der Regierung hier im Hause wieder das Wort zu einer Sache nimmt, die nach dem Beschluß längst erledigt ist, ({0}) um gewissermaßen die Regierungsparteien erst mal aufzumuntern, das zu erkennen, was sie jetzt zu tun haben. Ich glaube, das sollte auch das Haus in seinem eigenen Interesse nicht tun und nicht dulden, und die Regierungsparteien sollten sich nicht dazu hergeben, in solchen Fällen willige Werkzeuge für die Regierung zu sein. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat Herr Abgeordneter Euler.

August Martin Euler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000500, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf noch ein Wort der Erklärung hinzufügen, warum wohl der Antrag unterblieb, den § 3 in dritter Lesung wiederherzustellen. ({0}) Dem Herrn Präsidenten ist nämlich das Versehen unterlaufen - es wird sich das an Hand des Protokolls herausstellen -, daß er bei der Aufzählung der Paragraphen den § 3 aussparte. Er zählte §§ 1, 2, 4, und daraus schlossen wir, daß er den § 3 noch besonders aufrufen würde. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Euler, ich bin nicht zum ersten Male mit Ihnen in der Auslegung der Geschäftsordnung uneinig. ({0}) Ich darf darauf hinweisen, daß die Grundlage der dritten Beratung die Beschlüsse der zweiten Beratung sind. In der zweiten Beratung ist der § 3 gestrichen worden. Ich hatte keine geschäftsordnungsmäßige Möglichkeit, den Paragraphen noch einmal aufzurufen. ({1}) Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wenn von der SPD angezweifelt wird, ob dieser Antrag noch gestellt werden konnte - nämlich y o r der Abstimmung! -, dann darf ich nur daran erinnern, daß wir beim Mitbestimmungsgesetz nach der Abstimmung ({0}) noch einen neuen Antrag entgegengenommen haben, gegen dessen nachträgliche Einbringung die SPD damals nichts einzuwenden hatte. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Wuermeling, ich hatte mich auch bereits daran erinnert, ({0}) wollte es nur nicht aussprechen, um die Sache nicht noch mehr zu verlängern. Das Wort hat der Abgeordnete Gundelach.

Gustav Gundelach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000752, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren, das Verfahren in der Angelegenheit des § 3 ist, wie man sagen kann, wirklich einmalig. ({0}) Bisher haben wir eine solche Rettungsaktion von der Regierungsbank nicht gekannt, daß daraufhin erst die Regierungsparteien den Tip haben, ein bißchen aufzuwachen, um nun noch einen Antrag ({1}) in letzter Minute zu stellen. Die Beamten im Bund mögen sich ganz besonders merken, von welcher Seite aus ein solcher Trick hier gemacht worden ist, der gegen ihre Interessen gerichtet ist. Ich beantrage zu § 3 namentliche Abstimmung. ({2})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, vor der Abstimmung kann namentliche Abstimmung von 50 Abgeordneten beantragt werden. Darf ich fragen, ob 50 Abgeordnete diesen Antrag unterstützen? - Nach übereinstimmender Auffassung des Vorstandes sind es keine 50 Abgeordnete. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich hatte sämtliche Paragraphen, Einleitung und Überschrift in zweiter Beratung aufgerufen. Zu § 3 ist der Antrag gestellt worden, den Paragraphen in der Ausschußfassung wiederherzustellen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, auch in diesem Fall ist der Vorstand zweifelhaft über das Ergebnis. Ich muß Sie bitten, im Wege des Hammelsprungs das Ergebnis festzustellen. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Wiederherstellung des § 3 sind, sich durch die Ja-Tür in diesen Saal zu verfügen, und Sie alle bitte ich, den Saal möglichst bald zu verlassen. ({0}) Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. ({1}) Ich bitte, zum Schluß der Abstimmung zu kommen. - Ich bitte, die Türen zu schließen. Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: Mit Ja, d. h. für die Wiederherstellung der Ausschußfassung des § 3, haben gestimmt 176 Abgeordnete, mit Nein 149, Enthaltungen 3. ({2}) Damit ist § 3 in der Ausschußfassung wiederhergestellt. Weitere Wortmeldungen zur Einzelberatung liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung der dritten Beratung und eröffne die Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({3}) Bei einigen Stimmenthaltungen angenommen. Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen und bei wenigen Enthaltungen angenommen. Hinsichtlich der Entschließungen, meine Damen und Herren, liegt der Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling, die Entschließung der Abgeordneten Dr. Dr. Nöll von der Nahmer usw. und der Änderungsantrag der Bayernpartei zum Entschließungsantrag des Ausschusses vor. ({4}) - Herr Abgeordneter Nöll von der Nahmer!

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! Ich muß entschieden namens meiner Freunde diesem Antrage von Herrn Kollegen Wuermeling widersprechen. Ich weiß nicht, was der Antrag überhaupt soll. Es geht jetzt hier um die Entscheidung: Wollen wir wirklich ernsthaft mit dem neuen Haushaltsjahr die Gleichstellung der Pensionäre, die unter das Gesetz nach Art. 131 fallen? ({0}) Wollen wir diese Gleichstellung, dann müssen wir auch das Entsprechende zum Ausdruck bringen, und das ist tatsächlich in der Ziffer 1 des Antrags des Beamtenrechtsausschusses leider eben nicht der Fall. Ich weiß auch nicht recht, was eine Überweisung an den Haushaltsausschuß noch soll: In dem Antrag des Beamtenrechtsausschusses ist ja auch keine Deckung angegeben. Es hat doch keinen Zweck, nun erst wieder die Anträge an die Ausschüsse zu überweisen. Wenn aber Bedenken gegen unseren Absatz 3 bestehen, so kann dieser selbstverständlich auch fortbleiben. Ich beantrage deshalb, über unsere Resolution als die weitestgehende abschnittsweise abstimmen zu lassen. Ich bitte, unseren Antrag an Stelle der Ziffer 1 des Antrags des Beamtenrechtsausschusses anzunehmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, es ist zweifellos so, daß auch bei Entschließungsanträgen der Ausschußüberweisungsantrag vorgeht. Ich muß also zunächst erst einmal über den Antrag abstimmen lassen, den Antrag Umdruck Nr. 330 dem Beamtenrechtsausschuß und dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Überweisung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war zweifellos die ganz überwiegende Mehrheit. Die Überweisung ist erfolgt. Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen den Vorschlag machen, jetzt zuerst den Antrag der Bayernpartei, den Änderungsantrag zum Entschließungsantrag des Beamtenrechtsausschusses, vorzunehmen. Auch hier ist Überweisung an den Beamtenrechtsausschuß und Haushaltsausschuß beantragt. Ich bitte die Damen und Herren, die für diese Überweisung sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Darf ich die Frage stellen: Wünscht der Beamtenrechtsausschuß, das jetzt über seinen Antrag abgestimmt wird, oder soll er zur Prüfung mit den anderen Anträgen auch noch einmal an den Ausschuß überwiesen werden? ({0}) - Es wird also Rücküberweisung beantragt. Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling! ({1}) - Zu diesem Antrag muß man natürlich noch einmal sprechen können.

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich gegen die Rückverweisung dieses Antrags an den Ausschuß aussprechen, weil wir j a seinen Inhalt im Ausschuß eingehend geprüft und beraten haben und nach eingehender Beratung zu diesem Ergebnis gekommen sind. Wir ({0}) haben vorher erklärt, daß wir Wert darauf legen, die in den einzelnen Ziffern enthaltenen Gedanken als eine Entschließung des Hauses zu diesen Dingen herauszubringen, und ich weiß nicht, warum das noch einmal zurückverwiesen werden soll. Ich bitte also, dem Antrage des Ausschusses, der doch einstimmig, soweit ich mich erinnere, gefaßt wurde, in allen drei Punkten zuzustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Mellies!

Wilhelm Mellies (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Wenn man diesen Antrag nicht auch noch einmal an den Ausschuß überweist, dann hat die Überweisung der anderen Anträge keinen Sinn, vor allem nicht die Überweisung des Antrags der Bayernpartei, der j a ein Abänderungsantrag zu diesem Ausschußantrag ist. Ich glaube, Herr Dr. Wuermeling, Sie sollten das bei aller Hochachtung und Liebe, die Sie zur Arbeit des Beamtenrechtsausschusses haben, auch einsehen und aus diesen einfachen logischen Gründen dafür sein, daß noch einmal eine Gesamtprüfung erfolgt und dem Haus ein Gesamtvorschlag unterbreitet wird. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Wir streiten im Augenblick nicht über Logik, sondern über einen Antrag. ({0}) Ich bitte die Damen und Herren, die dem gestellten Antrag, auch diesen Antrag dem Beamtenrechtsausschuß und Haushaltsausschuß zurückzuverweisen, zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die überwiegende Mehrheit. Die Rücküberweisung ist erfolgt. Meine Damen und Herren, als letztes haben wir abzustimmen über die Ziffern 2 und 3 des Antrags des Ausschusses auf Drucksache Nr. 2660, die Anträge und Petitionen für erledigt zu erklären, wobei Sie bemerkt haben, daß 2 b aus dieser Reihe der erledigten Anträge gestrichen worden ist. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag des Auschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Auch dieser Antrag ist angenommen. Ich darf Sie zunächst darauf hinweisen, daß mich der Vorsitzende des Ausschusses davon unterrichtet hat, der Punkt 4 der Tagesordnung, betreffend Handelsvertrag mit der Republik Chile, möge heute abgesetzt werden, da weitere Beratungen im Ausschuß erforderlich seien. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist. - Das ist der Fall. Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Handelsabkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Königlich Ägyptischen Regierung ({1}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({2}) ({3}). Der Ältestenrat schlägt Ihnen Verzicht auf eine Aussprache vor. - Ich bitte Herrn Abgeordneten Freudenberg, das Wort zu nehmen. Freudenberg ({4}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Ich habe dem Hohen Hause über den Entwurf eines Gesetzes über das Handelsabkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Königlich Ägyptischen Regierung zu berichten. Wir haben diesen Gesetzentwurf im Außenhandelsbeirat und im Außenhandelsausschuß beraten und sind zu der Überzeugung gekommen, daß das Gesetz der Zustimmung des Bundestages in der Form eines Bundesgesetzes bedarf, weil es Bestimmungen wie die Meistbegünstigung oder die Inländerbehandlung in bezug auf das gewerbliche Schutzrecht und Urheberrechte enthält, die auf die Bundesgesetzgebung von Einfluß sind. Das genannte Handelsabkommen ist im Beirat behandelt worden. Es ist bereits am 7. Oktober 1950 paraphiert und am 21. April 1951 in Kairo unterzeichnet worden. ({5}) Ich darf im Namen des Außenhandelsausschusses den Antrag stellen: Der Bundestag wolle beschließen, dem Gesetzentwurf - Nr. 2410 der Drucksachen - unverändert nach der Vorlage zuzustimmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten ein in die zweite Beratung. Ich rufe auf: Art. I. Ich bemerke dazu, daß gemäß Umdruck Nr. 302 eine Berichtigung des Protokolls vorzunehmen ist, wonach in Art. VIII des Handelsabkommens auf Seite 5, Abs. 3 Zeile 3, in Art. VIII des Zahlungsabkommens auf Seite 7, Abs. 4 Zeile 3, und in der Schlußformel des Protokolls auf Seite 9 Zeile 3 das Wort „Englisch" in das Wort „Arabisch" zu ändern ist. Außerdem sind einige weitere Änderungen nur formaler Bedeutung vorzunehmen. Sie ergeben sich alle aus dem Umdruck Nr. 302. Wortmeldungen liegen nicht vor. Art. II, - Art. III, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. ({0}) - Gegen einige Enthaltungen! Damit ist die zweite Beratung erledigt. Ich rufe auf zur dritten Beratung und eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen. Ich rufe auf: Art. I bis III, - Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Enthaltungen der kommunistischen Fraktion angenommen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes im Ganzen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Enthaltungen der kommunistischen Fraktion angenommen. Damit ist der Punkt 3 der Tagesordnung erledigt. - Punkt 4 ist abgesetzt. Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über internationale Vereinbarungen auf dem Gebiete des Zollwesens ({1}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({2}) ({3}). Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Freudenberg als Berichterstatter. Freudenberg ({4}), Berichterstatter: Ich darf dem Hohen Hause über den Entwurf eines Gesetzes über internationale Vereinbarungen auf dem Gebiete des Zollwesens berichten. In diesem Gesetzentwurf liegt Ihnen eine Ergänzung des GATT-Gesetzes vor, dem wir vor den Parlamentsferien zugestimmt haben. Nach dem zur Beratung stehenden Gesetz stimmt der Bundestag dem Beitritt der Bundesregierung zu folgenden Abkommen zu, die von 13 europäischen Ländern beschlossen worden sind: 1. Abkommen über das Zolltarifschema für die Einreihung der Waren in die Zolltarife, 2. Abkommen über den Zollwert der Waren und 3. Abkommen über die Gründung eines Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens. Wegen der Auswirkungen auf die deutsche Zollgesetzgebung bedürfen diese Abkommen der Ratifizierung durch die gesetzgebende Körperschaft. Ich habe deswegen im Namen des Außenhandelsausschusses, der seinen Beschluß einstimmig gefaßt hat, den Antrag zu stellen: Der Bundestag wolle beschließen, dem Gesetzentwurf - Nr. 2519 der Drucksachen - unverändert nach der Vorlage zuzustimmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter und rufe auf zur zweiten Beratung: Art. I, - Art. II, - Art. III, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen. y Die zweite Beratung ist geschlossen. - Ich rufe auf zur dritten Beratung und eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen. Ich rufe auf Art. I, - Art. II, - Art. III, - Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen. Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion angenommen. Damit ist auch dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 ({0}); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses ({1}): a) Einzelplan IV - Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts ({2}); b) Einzelplan IVa - Haushalt des Auswärtigen Amts ({3}). Im Zusammenhang damit sollen sechs Anträge, die von verschiedenen Fraktionen eingereicht worden sind, beraten und abgestimmt werden, nämlich: Antrag der Fraktion der FDP betreffend Wegnahme der bundeseigenen, im Auslande gelegenen Dienstgebäude des ehemaligen Auswärtigen Dienstes ({4}), Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend Beschlagnahme deutschen Auslandsvermögens ({5}), Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Ungehinderter Verkehr mit den politischen Gefangenen der Besatzungsmächte ({6}), Antrag der Fraktion der SPD betreffend Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten ({7}), Antrag der Abgeordneten Kahn, Dr. Solleder, Dr. Schatz und Genossen betreffend Räumung des von der amerikanischen Besatzungsbehörde beschlagnahmten Raumes Hohenfels und Umgebung ({8}) ({9}). Ich schlage Ihnen - entsprechend einer Empfehlung des Ältestenrates - vor, daß der Berichterstatter über die beiden Einzelpläne im Zusammenhang berichtet und daß ebenso diese beiden Einzelpläne im Zusammenhang diskutiert werden, wobei es natürlich von Vorteil wäre, wenn die Fraktionen ihre Redner so einteilten, daß doch so etwas wie eine Erleidgung der Einzelpläne nacheinander in der Diskussion zum Ausdruck käme. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Blank ({10}) als Berichterstatter. Der Ältestenrat schlägt eine Gesamtredezeit zum Etat IV von 150 Minuten und zum Einzelplan IV a von 300 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden. Dr. Blank ({11}) ({12}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entsprechend dem Vorschlag des Herrn Präsidenten werde ich im Zusammenhang über die Drucksachen Nr. 2603 und Nr. 2604 - Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses über die Einzelpläne IV und IV a - berichten. Bezüglich des Haushalts des Bundeskanzleramts - Einzelplan IV, Nr. 2603 der Drucksachen - ist deshalb verhältnismäßig wenig zu berichten, weil sich gegenüber dem Haushaltsplan für das Vorjahr, den wir vor etwa vier Monaten beschlosssen haben, so gut wie keine Änderungen ergeben haben. Die Beratungen des Haushaltsausschusses über den Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts sind ohne Abänderungen und ohne besondere Bemerkungen abgeschlossen worden. Lediglich bei Tit. 25 des Kap. 2, den Sie auch auf der Rückseite der Drucksache Nr. 2603 erwähnt finden, hat sich noch einmal eine Debatte über die Angelegenheit des Professors Arntz ergeben, die einmal Gegenstand einer Erörterung auch im Plenum dieses Hauses gewesen ist. Es handelte sich, wie die Damen und Herren sich erinnern werden, um einen von Professor Arntz verfaßten Artikel in der „Europäischen Illustrierten" mit der Überschrift: „Totengräber im eigenen Haus". Der Herr Präsident des Bundestages, den der Haushaltsausschuß um eine Äußerung zu diesem Punkte gebeten hatte, hat dem Ausschuß berichtet, daß sich in der erfolgten dienstlichen Vernehmung herausgestellt hat, daß Professor Arntz sich im Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels noch nicht im Bundesdienst be({13}) funden hat und daß die Beanstandungen zum überwiegenden Teil dadurch entstanden sind, daß die Redaktion der Zeitschrift eigenmächtig Abänderungen vorgenommen hatte, die die ursprüngliche Absicht des Artikels entstellten. Der Herr Präsident hat dann noch darauf hingewiesen, daß im Zusammenhang mit dem genannten Artikel ein weiterer Artikel geplant war, der etwa zur gleichen Zeit erscheinen sollte. Dieser Artikel ist erheblich später erschienen; er hat zu Beanstandungen dann keinerlei Anlaß gegeben, sondern konnte als einwandfrei bezeichnet werden. Der Auffassung des Herrn Präsidenten, daß diese Angelegenheit auf Grund der Ergebnisse dieser Verhandlungen als erledigt zu betrachten sei, hat sich der Haushaltsausschuß in seiner Mehrheit angeschlossen, nachdem auch der Leiter des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung erklärt hatte, daß eine Wiederholung derartiger Vorgänge unmöglich gemacht sei. Auf eine Anfrage, ob die „Europäische Illustrierte" aus Bundesmitteln subventioniert werde, hat der damals im Ausschuß anwesende Staatssekretär in der Bundeskanzlei Dr. Lenz erklärt, daß irgendein Zuschuß des Bundes an diese Illustrierte nicht gezahlt wird. Zur Veranschlagung selbst bei diesem Titel ist festgestellt worden, daß es sich um einen notwendigen Zuschuß handelt, der nach Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben dieser Bildstelle verbleibt. Der Haushaltsausschuß hat die Bundesregierung ersucht, im künftigen Haushaltsplan zur Wahrung der Haushaltsklarheit die gesamten Einnahmen und Ausgaben dieser Stelle zu veranschlagen. Namens der Mehrheit des Haushaltsausschusses habe ich das Hohe Haus zu bitten, dem Einzelplan IV - Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts - die Zustimmung zu erteilen. Ich darf dann gleich mit dem Bericht zum Einzelplan IV a fortfahren. Mit der Bildung des Auswärtigen Amtes am 15. März 1951 ist auch ein neuer Einzelplan für das Auswärtige Amt entstanden, der die Bezeichnung „Einzelplan IV a - Haushalt des Auswärtigen Amts -" trägt. Dabei handelt es sich um eine provisorische Lösung, da es für den Überrollungshaushalt nicht zweckmäßig war, eine neue Numerierung der Einzelpläne des Bundeshaushalts durchzuführen, und da für 1952 ohnehin eine formelle Neugestaltung des Bundeshaushalts und damit auch eine Neugliederung des ganzen Haushalts vorgenommen werden soll. Es handelt sich beim Einzelplan IV a um die aus dem früheren Einzelplan IV herausgelösten Kapitel 3, 4, 5, E 13 und E 14. Diese Kapitel erscheinen nunmehr im Einzelplan IV a als Kap. 1 - Inlandshaushalt -, Kap. 2 - Auslandshaushalt -, Kap. 3 - Sonstige allgemeine Haushaltsausgaben für Inland und Ausland -, Kap. E 11 - Einmalige Ausgaben Inland - und Kap. E 12 - Einmalige Ausgaben Ausland -. Stellt man die Ausgaben des Jahres 1950 denen des Jahres 1951 gegenüber, so wird man feststellen können, daß der Zuschußbedarf sich insgesamt auf 24 043 400 DM erhöht hat. Auf der Einnahmeseite ist der Mehransatz gegenüber dem Vorjahr im wesentlichen daraus zu erklären, daß die Gebührenerlöse der zehn Paß- und Sichtvermerkstellen für neun Monate veranschlagt worden sind, während 1950 wegen der erst am 15. Januar bzw. 15. März erfolgten Übernahme dieser Stellen in deutsche Hand eine Veranschlagung lediglich für zweieinhalb Monate bzw. einen halben Monat vorgesehen war. Bei den Ausgaben ist folgendes zu berücksichtigen. Eine Personalvermehrung gegenüber dem Rechnungsjahr 1950 ist außer der eingesetzten Stelle für den Bundesminister des Auswärtigen nicht eingetreten. Dessen Gehalt ist als Amtsgehalt des Bundeskanzlers im Einzelplan IV veranschlagt. Die Erhöhung der Ansätze für 1951 erklärt sich aus der vollen Veranschlagung für ein Jahr, während für 1950 nur der im Rahmen des allmählichen Aufbaus erforderliche Teilbetrag veranschlagt worden war. Der Haushaltsausschuß hat sich bei der Beratung der Personaltitel nochmals mit der Frage der Besoldung der unteren Angestellten bei den konsularischen Vertretungen befaßt. Seitens mehrerer Mitglieder des Ausschusses ist die Auffassung vertreten worden, daß die derzeit gezahlten Bezüge gegenüber den Preisverhältnissen im Ausland nicht immer als ausreichend angesehen werden können. Die Verwaltung hat hierzu erklärt, daß der derzeitige Stand der Besoldung zwar als knapp, aber doch als ausreichend angesehen werden müsse. Der Ausschuß hat darauf aufmerksam gemacht, daß eine Regelung dieser Fragen in der neu festzulegenden Besoldungsordnung für den Auslandsdienst unbedingt erfolgen müsse. Es ist auch über die Frage der Beschäftigung von deutschen Arbeitskräften bei den deutschen Vertretungen gesprochen worden. Insbesondere wurden bei dieser Gelegenheit die derzeitigen Verhältnisse bei den deutschen Vertretungen in der Schweiz kritisiert. Es ist von mehreren Mitgliedern des Ausschusses darauf hingewiesen worden, daß alle Möglichkeiten wahrgenommen werden müßten, um an Stelle der jetzt beschäftigten Schweizer Staatsangehörigen deutsche Staatsangehörige bei den deutschen Vertretungen zu beschäftigen. Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes hat erklärt, daß es sich bei der derzeitigen Regelung in der Schweiz um eine Übergangslösung handle und daß nach und nach die zur Zeit beschäftigten Kräfte durch deutsche Arbeitskräfte ersetzt würden. Eine solche Regelung sollte auch in allen anderen Ländern Platz greifen. Bei Kap. 2 ist ein neuer Tit. 1 a eingesetzt worden, dessen Zweckbestimmung Sie aus der Ihnen vorliegenden Drucksache Nr. 2604 ersehen können. Es handelt sich lediglich um eine Herauslösung des bisher bei Tit. 1 des Kap. 2 ausgebrachten Betrages, ohne daß sich der Ansatz insgesamt ändert. Der Tit. 7 des Kap. 2 weist lediglich einen Merkposten auf. Da es nicht möglich ist, eine getrennte Veranschlagung durchzuführen, sind die Ansätze für Trennungsentschädigungen in den Titeln 1, 3 und 4 des Kap. 2 mit enthalten. Der Zusatzvermerk zum Tit. '7 ist aus Gründen der Deckungsfähigkeit mit den genannten Titeln aufgenommen worden. Die ausgebrachten Bewilligungen für dienstunfähig gewordene Angestellte und sonstiges Hilfspersonal fremder Staatsangehörigkeit bei den Vertretungen des Bundes im Ausland bei Kap. 2 Tit. 26 sind entsprechend der allmählich sich herausstellenden Notwendigkeit auch auf Angestellte und sonstiges Hilfspersonal fremder Staatsangehörigkeit bei den Vertretungen des ehemaligen Reiches im Ausland ausgedehnt worden. ({14}) Die sonstigen allgemeinen Haushaltsausgaben haben gegenüber dem Haushaltsjahr 1950 Veränderungen nicht erfahren. Im ersten Nachtrag zu diesem Haushalt wird eine Erhöhung eintreten. Es handelt sich um den Beitrag des Bundes an die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, an die UNESCO. Die einmaligen Ausgaben haben sich gegenüber dem Rechnungsjahr 1950 nur unwesentlich in ihrer Höhe geändert. Bei den einmaligen Ausgaben sind die Ansätze für Dienstkraftwagen, Dienstkleidung für Amtsboten und verschiedene andere Punkte in Wegfall gekommen, weil die Beschaffungen abgeschlossen waren. Neu aufgenommen wurden die Titel 6, 7 und 8 des Kap. E 11, während einige Titel von Kap. E 11 und Kap. E 12 abgeändert bzw. erweitert werden mußten. Bei Tit. 7 des Kap. E 11 ist es zu einer kurzen Aussprache gekommen. Der Vertreter des Auswärtigen Amtes hat erklärt, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt eine genaue Veranschlagung noch nicht möglich ist, da zum Zeitpunkt der Aufstellung des Haushaltsplans genaue Unterlagen noch nicht vorhanden waren. Eine Aufgliederung dieser Verfügungssumme soll im Nachtragshaushalt erfolgen. Die Auffassungen im Haushaltsausschuß über diesen Titel sind auseinandergegangen; jedoch hat die Mehrheit des Ausschusses der jetzigen Form des Titels zugestimmt unter der Voraussetzung, daß eine genaue Aufgliederung im Nachtragshaushalt nachgeholt wird. Damit bin ich am Ende meiner Berichterstattung. Ich habe Sie namens des Haushaltsausschusses zu bitten, auch dem Einzelplan IV a in der vorliegenden Form Ihre Zustimmung zu erteilen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000009

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner Sitzung vom 27. September dieses Jahres beschlossen, daß die Bundesregierung ihm bis zum 15. Oktober über den Erfolg der von ihr bei den Alliierten wegen der gesamtdeutschen Wahlen unternommenen Schritte berichten soll. Ich habe Ihnen dazu entsprechend diesem Beschlusse folgende Regierungserklärung abzugeben. Die Bundesregierung hat an die Hohen Kornmissare der Vereinigten Staaten von Amerika, Großbritannien und Frankreich als Vertreter ihrer Regierungen den Antrag gestellt, dem deutschen Volk baldmöglichst Gelegenheit zu geben, durch freie Wahlen unter internationaler Kontrolle eine Nationalversammlung für das Gebiet der vier Besatzungszonen und Berlin zu wählen. Um sicherzustellen, daß die für freie Wahlen notwendigen Voraussetzungen gegeben sind, hat die Bundesregierung vorgeschlagen, eine internationale Untersuchung durch eine von den Vereinten Nationen einzusetzende Kommission in allen vier Zonen baldmöglichst stattfinden zu lassen. Die Bundesregierung hat auf diese Note gestern abend spät folgende Antwort erhalten: Ihr Schreiben vom 4. Oktober wurde an die drei in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Regierungen weitergeleitet und wurde von ihnen einer Prüfung unterzogen. In Ihrem Schreiben wiederholten Sie die von der Bundesregierung am 22. März und 14. September 1950 sowie am 9. März 1951 gemachten Vorschläge für die Abhaltung freier, allgemeiner, gleicher, geheimer und direkter Wahlen in ganz ' Deutschland. Sie baten auch die Regierungen der vier Besatzungsmächte, dem deutschen Volk sobald wie möglich Gelegenheit zu geben, unter internationaler Kontrolle sowie unter den rechtlichen und psychologischen Voraussetzungen, die in den verschiedenen Vorschlägen der Bundesregierung im einzelnen dargelegt sind, eine verfassung- und gesetzgebende Nationalversammlung zu wählen. Die drei Regierungen, die stets die Wiedervereinigung Deutschlands unterstützt haben und unterstützen werden, sobald sie nach demokratischen Grundsätzen stattfinden kann, welche die Schaffung eines freien Deutschlands sichern, das imstande ist, seine Rolle bei der friedlichen Vereinigung freier europäischer Nationen zu spielen, unterstützen nunmehr von neuem den Gedanken einer Wahl unter den Sicherheitsbedingungen, die im einzelnen als notwendig bezeichnet wurden, um' die individuellen und nationalen Freiheiten des deutschen Volkes zu schützen. Die drei Regierungen beziehen sich u. a. auf die Schreiben, die von den Hohen Kommissaren des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Vereinigten Staaten in Deutschland am 26. Mai 1950 und am 10. Oktober 1950 an General Tschuikow gerichtet wurden, auf die Erklärungen, die von den Außenministern des Vereinigten Königreichs, Frankreichs und der Vereinigten Staaten am 14. Mai 1950 in London und am 19. September 1950 in New York abgegeben wurden, sowie auf die Vorschläge, die am 5. März 1951 von den Stellvertretern der Außenminister , der drei Mächte auf der Pariser Viermächtekonferenz gemacht wurden. In Ihrem jüngsten Schreiben haben Sie einen weiteren Vorschlag gemacht. Sie schrieben: „Die Bundesregierung fühlt sich verpflichtet, alles zu tun, um Gewißheit zu schaffen, daß die tatsächlichen Voraussetzungen für die Abhaltung der von ihr vorgeschlagenen gesamtdeutschen Wahlen gegeben sind. Das kann vor der Weltöffentlichkeit nur dadurch geschehen, daß eine neutrale internationale Kommission unter der Kontrolle der Vereinigten Nationen in der Sowjetzone und auf dem Gebiet der Bundesrepublik untersucht, inwieweit die bestehenden Verhältnisse die Abhaltung freier Wahlen ermöglichen. Die Bundesregierung beantragt, eine entsprechende internationale Untersuchung für das Bundesgebiet unverzüglich durchzuführen, und bittet die in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Regierungen, die Bildung einer solchen Kommission möglichst bald bei den Vereinigten Nationen in Vorschlag zu bringen. Die Bundesregierung wird einer solchen Kommission die Durchführung ihrer Aufgabe in jeder Weise erleichtern, ihr insbesondere Zugang zu allen Stellen der Bundes- und Länderverwaltungen und Einsicht in alle amtlichen Akten und Dokumente geben, deren sie zur Erfüllung ihres Auftrages bedarf." ({0}) Die drei Regierungen begrüßen wärmstens den konstruktiven Schritt, den Sie unternommen haben, indem Sie den Vorschlag unterbreiteten, daß eine Kommission der Vereinigten Nationen untersuchen soll, inwieweit die bestehenden Verhältnisse die Abhaltung freier Wahlen in der Bundesrepublik und in der Sowjetzone Deutschlands gestatten. Die drei Regierungen haben mit Aufmerksamkeit von dem Wunsche der Bundesregierung Kenntnis genommen, daß eine solche Untersuchung im Bundesgebiet unverzüglich stattfinden soll. Die drei Regierungen hegen den Wunsch, Ihnen mitzuteilen, daß sie bei der ersten sich bietenden Gelegenheit ({1}) Ihre Auffassung den Vereinigten Nationen unterbreiten und den Antrag stellen werden, daß die Vereinigten Nationen gemäß der in Ihrem Schreiben enthaltenen Anregung eine Untersuchung durchführen, die sich auf das ganze deutsche Gebiet erstreckt. ({2}) Die drei Regierungen sind zu der Auffassung gelangt, daß nur durch solche Maßnahmen zweckmäßig und zufriedenstellend festgestellt werden kann, ob im Gesamtgebiet Deutschlands Voraussetzungen vorliegen, welche die Abhaltung allgemeiner Wahlen als praktisch durchführbar erscheinen lassen. Meine Damen und Herren! In der Sitzung des Bundestages vom 27. September 1951 ist außerdem der Antrag auf Ausarbeitung eines Gesetzesvorschlages für ein Wahlgesetz gestellt worden. Die Bundesregierung hat einen solchen Gesetzesvorschlag zur Zeit in Bearbeitung. Er wird dem Bundesrat und dem Bundestag vorgelegt werden. Was die Erklärung des Herrn Grotewohl vom 10. Oktober 1951 angeht, so hat Herr Grotewohl zu keinem einzelnen Punkt der Erklärung der Bundesregierung und des Beschlusses des Bundestages positiv Stellung genommen. Von den 14 Punkten sagt er, daß eine Mehrzahl annehmbar sei. Mit welchen Punkten er sich einverstanden erklärt und mit welchen nicht, hat er nicht gesagt. Zu dem Verlangen nach einem Untersuchungsausschuß der Vereinten Nationen hat er geschwiegen. Er hat jedoch die Forderung erhoben, daß der Bundestag den Verhandlungen der Bundesregierung mit den Westalliierten über den künftigen Status der Bundesrepublik Einhalt gebieten solle. Herr Grotewohl geht also nicht auf unsere positiven Vorschläge ein, weil er sich dabei auch zu der Frage wahrhaft freier Wahlen äußern müßte. Vor dieser Frage weicht er aus, indem er auf die schon früher von ihm vorgeschlagenen gesamtdeutschen Beratungen zurückkommt, die am 15. Januar 1951 von Bundesregierung und Bundestag mit dem Hinweis abgelehnt worden waren, daß nur mit denjenigen in Besprechungen über die Wiedervereinigung Deutschlands eingetreten werden könne, die willens seien, eine rechtsstaatliche Ordnung, eine freiheitliche Regierungsform, den Schutz der Menschenrechte und die Wahrung des Friedens vorbehaltlos anzuerkennen und zu garantieren. Augenscheinlich hat Herr Grotewohl diese Forderung jetzt gestellt, um die Verhandlungen der Bundesregierung mit den Westalliierten zu stören, Verhandlungen, die das Endziel haben, die Freiheft für Gesamtdeutschland zu erwirken. ({3}) Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich ganz wenige Sätze zu der Note der drei Regierungen sagen. Ich unterstreiche zunächst nochmals: es handelt sich nicht um Erklärungen der drei Hohen Kommissare, sondern es handelt sich um Erklärungen der Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs. In dieser Note ist wiederum in feierlicher Form erklärt, daß diese drei Regierungen die Wiedervereinigung Deutschlands erstreben. Mit besonderem Dank und mit besonderer Wärme müssen wir aber auch die Erklärung entgegennehmen, daß diese drei Regierungen bei der UNO den Antrag stellen werden, eine Kommission einzusetzen, die die Verhältnisse in ganz Deutschland daraufhin untersucht, ob freie Wahlen durchführbar sind. ({4}) Der UNO, meine Damen und Herren, gehört auch Sowjetrußland an. Sie wissen, daß die eigentlichen Herren. der Sowjetzone nicht die Herren Grotewohl, Pieck und Ulbricht sind, sondern daß die eigentlichen Herren der Sowjetzone in Moskau sitzen. ({5}) Meine Damen und Herren, es wird nunmehr Sowjetrußland vor der UNO Gelegenheit geboten werden, zu zeigen, ob es die Durchführung geheimer, freier und direkter Wahlen in ganz Deutschland will oder ob es sie nicht will. ({6}) Bei diesen Verhandlungen vor der UNO wird Klarheit darüber geschaffen werden, ob die Einheit Deutschlands in Freiheit auch von Sowjetrußland herbeigeführt werden will oder ob Sowjetrußland diese Vereinigung hindern wird. ({7})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich erteile das Wort zur Geschäftsordnung dem Abgeordneten Mellies. ({0}) - Ich erfahre das jetzt erst! ({1})

Wilhelm Mellies (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Als der Ältestenrat in der vorigen Woche die Tagesordnung für die Plenarsitzungen vereinbarte, wurde von Herrn Minister Kaiser im Namen der Bundesregierung dem Ältestenrat mitgeteilt, daß am Mittwoch eine Erklärung der Bundesregierung zu dieser Frage zu erwarten sei. Bis zum Beginn der heutigen Sitzung hat, vielleicht außer den Fraktionen der Regierungskoalition, niemand in diesem Hause gewußt, daß diese Regierungserklärung schon heute erfolgen würde. ({0}) ({1}) 1 Herr Bundeskanzler, ich glaube, diese Methode entspricht nicht dem Stil einer parlamentarischen Demokratie. ({2}) Sie müssen zudem überzeugt sein, daß ein derartiges Verfahren auch das Vertrauen in die Sache entscheidend berührt und beeinflußt. ({3}) Meine Damen und Herren, die Teile des Hauses, die zur Regierungskoalition gehören, sollten im Interesse des Hauses selbst über diesen Stil, der hier vom Herrn Bundeskanzler beliebt wird, das Parlament ohne Verständigung der Fraktionen mit einer solchen Erklärung einfach zu überfahren, etwas nachdenken; dann würden sie vielleicht zu anderen Beschlüssen kommen. Daß eine Aussprache über diese wichtige Erklärung der Bundesregierung notwendig ist, steht außer Frage. Sie wird heute nicht möglich sein. Ich stelle deshalb namens meiner Fraktion den Antrag, daß die Aussprache über die Regierungserklärung als Punkt 1 auf die Tagesordnung der morgigen Sitzung gesetzt wird. Sollte sich für diesen Antrag keine Mehrheit hier im Hause finden, stelle ich den Eventualantrag, daß die Plenarsitzung um zwei Stunden unterbrochen wird, damit den Fraktionen die Möglichkeit gegeben ist, zu dieser Regierungserklärung Stellung zu nehmen. ({4})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000009

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ({0}) Der Bundestag ({1}) hat am 27. September beschlossen, daß die Bundesregierung bis zum 15. Oktober über den Erfolg ihrer Schritte bei der Hohen Kommission Bericht erstatten solle. ({2}) Diese Note der Hohen Kommissare ist gestern abend sehr spät beim Bundeskanzleramt eingegangen. ({3}) Sie war heute morgen, soviel ich weiß, in der „Neuen Zeitung" veröffentlicht. ({4}) Ich kann also annehmen, daß diese Note schon heute früh zur Kenntnis der meisten Mitglieder dieses Hauses gelangt ist. ({5}) Meine Damen und Herren, ich glaube weiter, daß ich mich einem berechtigten Vorwurf ausgesetzt haben würde, wenn ich nicht zum frühestmöglichen Termin entsprechend diesem Beschlusse des Bundestags Ihnen den Bericht gegeben hätte. ({6}) Ich glaube auch, daß die deutsche Öffentlichkeit und insbesondere die Deutschen in der Sowjetzone es nicht verstanden haben würden, ({7}) wenn ich nicht in der heutigen Sitzung des Bundestags die Auskunft gegeben hätte, die ich gegeben habe. ({8})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Renner.

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was Herr Kollege Mellies eben vorgetragen hat, ist eine wahrheitsgemäße Wiedergabe des Ablaufs der Besprechungen im Ältestenrat. Herr Minister Kaiser hat im Ältestenrat sinngemäß gesagt, daß der Herr Kanzler am kommenden Mittwoch zur Abgabe einer Regierungserklärung bereit sei, wobei er auf den Vorschlag der Bundesregierung für ein Wahlgesetz einzugehen gedächte, das Wahlgesetz in Form der 14 Punkte, das inzwischen, ohne dem Bundestag zur Kenntnis vorgelegt worden zu sein, bereits den Hohen Kommissaren überreicht worden ist. Herr Kaiser hat ferner gesagt, daß der Herr Bundeskanzler diese Erklärung zum Anlaß nehmen würde, auf seine Rede am Sonnabend vor acht Tagen in Berlin einzugehen, und Herr Kaiser hat wörtlich gesagt, daß bei dieser Gelegenheit der Herr Bundeskanzler ganz selbstverständlich auch auf die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik ({0}) - ich gebe ihm den Titel, der ihm gebührt! ({1}) eingehen wird. Das zur Vorgeschichte. Ich habe heute morgen den Bundestagspräsidenten, Herrn Ehlers, gefragt, was er von dem Ablauf dieser Regierungserklärung wisse. Ich bitte, den Herrn Bundestagspräsidenten Dr. Ehlers hierher zu zitieren ({2}) und ihn zu bitten, das hier zu wiederholen, was er mir heute morgen gesagt hat. Er hat mir gesagt, daß er vom Bundeskanzleramt mit keinem Ton darüber informiert ist, ob und wann der Herr Bundeskanzler seine Erklärung abzugeben gedächte. ({3}) Er hat einige andere Bemerkungen daran geknüpft; die soll e r hier wiederholen. Aber noch eine Bemerkung. Was ist das für eine ungeheuerliche Zumutung, die wir hier wieder einmal aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers gehört haben: in der Zeitung von heute morgen hat die Mitteilung der Hohen Kommissare gestanden, ({4}) und er mutet uns zu, -

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Renner!

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

- unser Wissen darüber aus der Zeitung zu schöpfen!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Sie sprechen nicht mehr zur Geschäftsordnung!

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Doch!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Nein! Sie sprechen zur Sache!

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Ich spreche zur Geschäftsordnung! ({0}) Das ist Auffassungssache, Herr Präsident; aber ich werde mich bemühen!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich mahne Sie, bei der Geschäftsordnung zu bleiben; sonst muß ich Ihnen das Wort entziehen.

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Also ich stelle fest, daß der Herr Bundeskanzler heute die Auffassung ausgesprochen hat, daß es für den Bundestag genügt, die „Neue Zeitung" zu abonnieren und sich aus ihr zu informieren. ({0}) Wir sind aber der Auffassung, daß der Bundeskanzler seine Abmachungen mit dem Petersberg dem Bundestag bekanntzugeben hat. ({1}) Wir sind der Ansicht, daß mit dieser Geheimdiplomatie im Stile eines ehemaligen Kölner Oberbürgermeisters hinter dem Rücken der Parteien und nur mit Kenntnis gewisser Herren aus diesem Hohen Hause Schluß gemacht werden muß. ({2}) Deshalb schließen wir uns dem Antrag des Herrn Kollegen Mellies an ({3}) und verlangen, daß die Regierungserklärung entweder morgen als Punkt 1 der Tagesordnung behandelt wird oder daß, falls sie noch heute abend behandelt werden sollte, der Bundestag jetzt für zwei Stunden vertagt wird, um den Parteien Gelegenheit zu geben, auf Grund der Rede des Herrn Kanzlers und nicht auf Grund von Zeitungsartikeln ihre Stellungnahme zu dem, was wir eben gehört haben, auszuarbeiten. Der Herr Bundeskanzler hat sich an einer Stellungnahme zu dem Vorschlag des Herrn Kollegen Mellies glatt vorbeigeredet. Er hat nicht gesagt, ob er bereit ist, hier eine Diskussion über sich ergehen zu lassen. Die Frage muß geklärt werden. ({4})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Renner, kommen Sie zum Schluß!

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Daß Sie das verhindern wollen, verstehe ich. Ihnen genügt der Petersberg; aber uns genügt der Petersberg nicht. ({0}) Wir wollen, daß die Stimme des Volkes hier zum Ausdruck kommt. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Euler. ({0})

August Martin Euler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000500, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der Freien Demokraten möchte ich die Vorwürfe zurückweisen, die Herr Mellies hier eben gegen den Bundeskanzler erhoben hat. ({0}) Zwar ist es richtig, daß der Ältestenrat die Behandlung dieser Materie für morgen beschlossen hatte; aber inzwischen ist ein außerordentlich wichtiges Ereignis eingetreten, die Übermittlung der Note der Hohen Kommissare an die Bundesregierung vom gestrigen Abend. Die Bundesregierung ist nicht daran schuld, daß diese Note bereits heute morgen veröffentlicht war. Nun standen heute nachmittag hier die Haushalte des Bundeskanzleramts und des Auswärtigen Amts zur Debatte an. Sollte der Herr Bundeskanzler hier erscheinen und zu diesem wichtigen Ereignis, das mit der Note ({1}) der Hohen Kommissare eingetreten ist, nichts sagen? Dann hätte er sich in eine groteske Lage begeben. ({2}) Vielleicht kann man verstehen, daß Herr Mellies etwas enttäuscht darüber ist, daß sich der Herr Bundeskanzler in diese groteske Lage nicht begeben hat. ({3}) Wir begrüßen, daß der Herr Bundeskanzler die erste Möglichkeit, die sich bot, ergriffen hat, um im Anschluß an die Mitteilung der Note die Erklärungen zu knüpfen, über die sich eigentlich alle Deutschen einig sein sollten. ({4}) Wir haben aber Verständnis dafür, daß die sozialdemokratische Fraktion eine Pause erbittet, um zu der Erklärung Stellung nehmen zu können. Wir sind deshalb damit einverstanden, ({5}) daß die Sitzung für zwei Stunden unterbrochen wird, damit dann die Fraktionen ihre Stellungnahme zu der Regierungserklärung abgeben. können.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Tillmanns.

Dr. Robert Tillmanns (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002327, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe wirklich keinen Anlaß, daß wir in einer so aufgeregten Weise, wie es geschehen ist, über diese Frage debattieren. ({0}) Ich kann den Herrn Abgeordneten Renner beruhigen: die Frage, ob wir hier eine Diskussion führen oder nicht, wird nicht vom Herrn Bundeskanzler entschieden, sondern von diesem Hause. ({1}) Der Herr Bundeskanzler ist lediglich dem Beschluß dieses Hauses, der am 27. September von der SPD beantragt worden ist - nämlich, daß die Regierung bis zum 15. Oktober über das Ergebnis ihrer Schritte bei den Hohen Kommissaren Bericht erstatten solle -, nachgekommen. ({2}) Ich kann nicht einsehen, warum diese Antwort, die die Regierung in ihrer heutigen Erklärung auf Grund eines Beschlusses dieses Hauses gegeben hat, irgendwie kritisiert werden muß. ({3}) Im übrigen haben wir, die wir ja selbst durch die Note, die heute morgen veröffentlicht worden ist, vor eine neue Situation gestellt wurden, bei erster sich bietender Gelegenheit, nämlich schon in den Mittagstunden des heutigen Tages, der Op({4}) positionspartei davon Mitteilung gemacht. Es ist also kein Grund zu einer solchen aufgeregten Stellungnahme gegeben. Wenn aber die Fraktionen den Wunsch haben, sich zunächst einmal darüber zu verständigen, wie weiter prozediert werden soll, sind auch wir damit einverstanden, daß eine Unterbrechung stattfindet. Vielleicht könnte die Unterbrechung auch dazu benutzt werden, sich darüber klar zu werden, ob die Diskussion über die Regierungserklärung, die wir gehört haben, heute abend oder zu einem anderen Zeitpunkt stattfinden soll.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Mellies, ebenfalls zur Geschäftsordnung. Ich nehme an, daß wir dann die Rednerliste abschließen können.

Wilhelm Mellies (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler sowie die Abgeordneten Euler und Tillmanns haben sich die Sache wirklich sehr leicht gemacht. Auf den Kernpunkt meiner Einwendungen sind sie nicht eingegangen. Sie werden nie von der sozialdemokratischen Fraktion hören, daß sie gegen die schnelle und sachliche Unterrichtung des Hauses durch die Bundesregierung und vor allen Dingen durch den Bundeskanzler etwas einzuwenden hat. Im Gegenteil, wir hätten nur gewünscht, der Herr Bundeskanzler wäre sich dieser Aufgabe in den verflossenen Jahren immer bewußt gewesen. ({0}) Was wir hier beanstandet haben, ist die Tatsache, daß bei Beginn dieser Plenarsitzung niemand in diesem Hause - außer vielleicht die Regierungsparteien ({1}) gewußt hat, daß die Aussprache kommen sollte. Es ist lediglich ein Anruf bei dem Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten erfolgt, daß der Herr Bundeskanzler eine Erklärung in dieser Frage abgeben wolle. ({2}) Das ist das, was hier beanstandet worden ist. Herr Bundeskanzler, was hätte Sie denn gehindert, heute morgen in Ihrem Amt den Auftrag zu geben, die Fraktionen des Hauses zu unterrichten, daß die Regierungserklärung kommt? Wenn Sie ein gutes und echtes Verhältnis zum Parlament hätten, wäre das für Sie eine Selbstverständlichkeit gewesen, ({3}) und Sie hätten es in dieser wichtigen und entscheidenden Frage der Nation nicht auf das ankommen lassen, was hier jetzt vor sich gehen mußte. ({4})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, es ist der Antrag gestellt, die Diskussion über die Regierungserklärung auf morgen zu vertagen, eventuell aber die heutige Sitzung für zwei Stunden zu unterbrechen und die Diskussion heute abend zu führen. Ich glaube nicht, daß es viel Sinn hätte, heute abend zu diskutieren. Die Sache ist nun doch einmal zu bedeutend und die Tagesordnung, die wir vor uns haben, auch. Ich schlage Ihnen vor, daß Sie beschließen möchten, die Diskussion auf morgen zu verschieben. Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag ist, den der Herr Abgeordnete Mellies eingebracht hat, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! ({0}) - Am weitesten geht der Antrag auf Vertagung auf morgen. ({1}) - Eventuell auf Unterbrechung. - Ersteres war die Mehrheit. ({2}) - Ersteres war die Mehrheit! ({3}) - Bitte, es ist sehr schwer, mehrere Zurufe gleichzeitig zu verstehen. Ich habe abstimmen lassen. Es ist zweifelsfrei festgestellt worden, daß die Erstabstimmenden die Mehrheit gewesen sind, d. h. daß dieses Haus für Vertagung der Diskussion auf morgen gestimmt hat. ({4}) - Das Wort zur Abstimmung hat der Abgeordnete Kunze.

Johannes Kunze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bezweifle, daß die Abstimmung in der notwendigen Klarheit erfolgt ist. ({0}) Wir haben folgende Situation. ({1}) Wir haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Mellies, entweder auf morgen zu vertagen oder die Sitzung auf zwei Stunden zu unterbrechen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Kunze, ich habe abstimmen lassen. Ich habe das Abstimmungsthema genau präzisiert. ({0}) Es konnte keinen Irrtum geben, es sei denn, daß man nicht zugehört hätte, und das kann ich von dem Hohen Haus nicht annehmen. ({1})

Johannes Kunze (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Es ist weiter so, daß die Fraktionen der Regierungsparteien sich den Eventual-antrag zu eigen machten. ({0}) Es liegt meines Erachtens ein Mißverständnis des Hauses vor, und dadurch ist die Abstimmung nicht so erfolgt, wie sie bei genauer Kenntnis der beiden Fragestellungen erfolgt wäre. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Euler.

August Martin Euler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000500, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Abgeordneten, die gegen den Hauptantrag der sozialdemokratischen Fraktion stimmen wollten, haben zum Teil deswegen nicht dagegen gestimmt, ({0}) ({1}) weil sich, als Sie, Herr Präsident, die Abstimmung abhalten wollten, eine Unterhaltung zwischen Ihnen und dem Abgeordneten Kunze ergab. Dadurch ist ein Mißverständnis eingetreten. ({2}) Es ist unzweifelhaft der Wille der Regierungsparteien gewesen - das ist ja auch durch zwei Fraktionssprecher erklärt worden -, die Vertagung abzulehnen, aber der Unterbrechung auf zwei Stunden zuzustimmen. Ich bitte deshalb, unter allen Umständen die Abstimmung zu wiederholen. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden. von Thadden ({0}): Meine Damen und Herren! Es ist ein sehr merkwürdiger Vorgang, der sich hier abspielt. Der Präsident hat einen sehr klaren Vorgang in Kenntnis der Dinge, die in diesem Hause bei Abstimmungen möglich sind, noch einmal einwandfrei präzisiert. ({1}) Er hat gesagt: „Wer für die Vertagung der Geschichte auf morgen früh ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. Wer dagegen ist, möge die Hand runterlassen bzw. nachher abstimmen." - Es hat sich eine ganz klare Mehrheit für die Vertagung auf morgen ergeben. Wenn Sie hier in der Mitte nicht zuhören bzw. nicht mitkriegen, um was es im Augenblick geht, ({2}) dann ist es sehr bedauerlich, ändert aber nichts an dem Abstimmungsergebnis, das festliegt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen zur Abstimmung liegen nicht vor. Meine Damen und Herren, das geschäftsführende Präsidium ist sich darüber einig, daß die Mehrheit des Hauses für Vertagung der Diskussion auf morgen gestimmt hat. ({0}) - Herr Abgeordneter Hasemann, das amtierende Präsidium ist sich darüber einig, und es ist in keinem Parlament der Welt üblich, daß man in einem solchen Falle die Geschäftsführung anzweifelt. ({1}) Ich stelle fest: die Diskussion ist auf morgen - als erster Punkt der Tagesordnung - vertagt. ({2}) - Wozu melden Sie sich? ({3}) - Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Hasemann!

Dr. Walther Hasemann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000821, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Ich glaube, kein Mitglied dieses Hauses bestreitet das Abstimmungsergebnis. Es ist aber von verschiedenen Rednern schon erklärt worden, daß Unklarheit über den Gegenstand der Abstimmung bestand, und es war eine Übung - ({0}) - Meine Herren, Sie haben dieses Recht für sich wiederholt in Anspruch genommen! ({1}) Wenn eine Unklarheit war, hat der Präsident immer die Abstimmung wiederholen lassen. Ich weiß gar nicht: haben Sie denn Angst vor der Wiederholung dieser Abstimmung? Das scheint mir so zu sein! ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete von Merkatz.

Dr. Hans Joachim Merkatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001477, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Abstimmung, wie das Präsidium festgestellt hat, eine Mehrheit für die Vertagung ergeben hat. Daran haben wir auch keinerlei Kritik geübt. Es ist aber, wie mein Vorredner bereits gesagt hat, in allen Fällen, in denen sich die Abgeordneten über den Gegenstand der Abstimmung nicht restlos im klaren waren, üblich gewesen, eine solche Abstimmung zu wiederholen. Das haben wir mehrfach gemacht. ({0}) Es handelt sich hierbei um einen so ernsten Sachverhalt, daß man diese Abstimmung wiederholen sollte, ({1}) denn es besteht bei vielen der Wunsch, daß zu dieser ernsten Frage, zu diesem Erfolg einer deutschen Politik ({2}) bereits heute Stellung genommen wird. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Richter. Dr. Richter ({0}) ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den Reihen der Regierungsparteien ist anläßlich der Abstimmung über den Sitz der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung einmal das Wort geprägt worden: „Man soll auch mit Haltung verlieren können!" ({2}) Und nun hat man hier einmal verloren, ({3}) dann soll man auch die nötige Haltung zeigen und soll das zugeben. ({4})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Richter, das ist keine Bemerkung zur Geschäftsordnung; das ist eine Kritik an dem Verhalten einiger Mitglieder dieses Hauses, und die gehört nicht in eine Bemerkung zur Geschäftsordnung. Dr. Richter ({0}) ({1}): Es ist klipp und klar festgestellt worden, daß die Abstimmung eine Mehrheit für den Antrag des Abgeordneten Mellies ergeben hat. Und wenn ein Teil des Hauses geistig weggetreten war, dann soll man das zugeben. ({2}) Der Abgeordnete Mellies hat auf jeden Fall den Antrag durchgezogen, und das muß beachtet werden, sonst ist das kein Parlament mehr!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete von Brentano.

Dr. Heinrich Brentano (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000263, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten diesem grausamen Spiel ein Ende machen. ({0}) Es kommt uns allen, das glaube ich wohl sagen zu können, auf eines an, nämlich daß wir diese entscheidende Frage in möglichster Sachlichkeit, aber auch in möglichster Ausführlichkeit zu diskutieren vermögen. ({1}) - Ach, geben Sie mir doch Ihre Ratschläge schriftlich. ({2}) Deswegen möchte ich anregen: Wir wollen es bei der Abstimmung, die vorhin stattgefunden hat, belassen. Ich beantrage aber darüber hinaus, daß wir jetzt eine kurze Unterbrechung der Sitzung eintreten lassen, damit sich die Fraktionen schon jetzt über die Art und Weise der weiteren Behandlung am morgigen Tag verständigen können. Ich glaube, daß das der sachlichen Erledigung nur dienlich ist, und beantrage Unterbrechung der Sitzung vorschlagsweise um etwa 30 bis 40 Minuten. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Ewers zur Geschäftsordnung.

Hans Ewers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000505, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Meine verehrten Kollegen! Nachdem einige jüngere Herrschaften von rechts etwas peinliche Bemerkungen gemacht haben, gestatten Sie einem Älteren aus derselben Fakultät einige sachliche Hinweise. Ich bitte zunächst einmal das ganze Haus inständig darum, aus dem Vorfall zu lernen, daß Unterhaltungen während einer Abstimmung schädlich sind. Es wird nur e i n m a l abgestimmt, und dann ist diese Aufgabe des Parlaments erledigt. ({0}) - Sie unterhalten sich jetzt z. B. auch schon wieder mit mir; aber ich habe keine Zeit dazu. Wer sich während der Abstimmung unterhält, begibt sich des höchsten parlamentarischen Rechts. Was nun die Geschäftsführung anlangt, so hat die Feststellung des Präsidenten vollkommenen Wahrheitsgehalt, mit einer Einschränkung: hier hat der Herr Mellies zwei Sachen nebeneinander zur Wahl gestellt: Unterbrechung der Sitzung oder Verhandlung am nächsten Tag. ({1}) - Jawohl, das hat er getan: zur Wahl, entweder - oder. ({2}) Nun ist die Sache so. ({3}) - Bitte, hören Sie doch einmal zu. Nun ist die Sache so: Unterbrechung der Sitzung ist ein Geschäftsordnungsvorgang; sie kann außerhalb jedes Tagesordnungspunktes beantragt werden. Das geht normalerweise einem Antrag auf Übertragung des Punktes auf die nächste Tagesordnung der nächsten Sitzung vor. Der Herr Präsident hat es anders gemeint. Er hat deutlich erklärt, er fasse den Antrag auf Vertagung als den Hauptantrag auf. Das haben die Herren nicht gehört. Nun sage ich zum Schluß noch eines. Ob wir eine Abstimmung nun wiederholen oder nicht, ist allein eine Frage der Fairneß. Erzwungen kann die Wiederholung nicht werden. Aber ob es fair ist, auf einem Versehen in einer reinen Ordnungsfrage zu bestehen, das bitte ich alle Herren Kollegen sich zu überlegen. ({4})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mellies.

Wilhelm Mellies (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Wir sind mit dem Vorschlag, den der Abgeordnete Brentano eben gemacht hat, durchaus einverstanden. Ich habe nur das Wort genommen, um eine Richtigstellung der Ausführungen des Kollegen Ewers vorzunehmen. Ich habe nicht entweder - oder gesagt, Herr Kollege Ewers, sondern ich habe beantragt, diesen Punkt: Aussprache über die Regierungserklärung, als Punkt 1 auf die morgige Tagesordnung zu setzen, und für den Fall der Ablehnung dieses Antrags stellte ich dann den Eventualantrag. So war meine Formulierung, und ich glaube, daran können Sie nicht zweifeln.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ehlers.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000438, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich eine Richtigstellung treffen. Der Herr Kollege Renner hat mich heute morgen gefragt, ob ich etwas von einer Regierungserklärung wisse. Ich habe ihn zutreffend darüber unterrichtet, daß mir nichts bekannt sei. Ich habe dem Hause alles das gesagt, was ich wußte oder nicht wußte. Dann schlage ich Ihnen vor, da wir doch in der morgigen Tagesordnung eine Änderung vornehmen müssen, daß unmittelbar nach dem Eintreten dieser kurzen Unterbrechung der Ältestenrat zusammentritt, um sich über die Tagesordnung von morgen zu verständigen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung liegen nicht vor. Nach dem Antrag des Abgeordneten von Brentano kann ich wohl annehmen, daß die Beanstandungen zurückgezogen werden und das Haus damit einverstanden ist, die Diskussion der Regierungserklärung auf morgen zu vertagen, und daß der Vorschlag angenommen wird, sie als ersten Punkt auf die Tagesordnung zu setzen. Dann unterbreche ich antragsgemäß die Sitzung für 30 Minuten. Das Haus wird sich um 17 Uhr 30 Minuten wieder versammeln. Außerdem wird der Ältestenrat einberufen auf ({0}) sofort! ({1}) ({2}) Die Sitzung wird um 17 Uhr 33 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, wir fahren in der Sitzung fort. Der Ältestenrat hat beschlossen, Ihnen vorzuschlagen, die Einzelpläne IV und IV a heute in zweiter Le({0}) sung zu behandeln, die heutige Regierungserklärung morgen etwa von 15 Uhr ab zu diskutieren, im übrigen die morgige Tagesordnung erheblich zu verkürzen und die Sitzung, wie vorgesehen, um 13 Uhr 30 zu beginnen. Das Wort hat der Abgeordnete Fisch. - ({1}) - Das war sehr hübsch; mein Kompliment, Herr Kollege Mayer! Herr Abgeordneter Fisch, Sie haben das Wort!

Walter Fisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000548, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Im Vorwort zum Haushalt des Bundeskanzleramtes findet sich ein Hinweis auf das Grundgesetz, und zwar auf den Artikel, in dem es heißt, daß der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik der Bundesregierung bestimmt. Nun weiß der Herr Bundeskanzler selbst - und wir alle wissen es -, daß es sich in Wirklichkeit ganz anders verhält. Die Richtlinien der Politik der Bundesregierung bestimmt hier der Petersberg, ({0}) während alle Sorgfalt und die ganze Tätigkeit der vielseitigen Persönlichkeit des Herrn Bundeskanzlers darauf gerichtet sind, die Wünsche und die Absichten der amerikanischen Vertreter auf dem Petersberg in Westdeutschland zu realisieren. ({1}) Für diese Einschränkung seiner Souveränität hält sich allerdings der Herr Bundeskanzler auf andere Weise schadlos. Die Bestimmung des Grundgesetzes, daß er persönlich die Richtlinien der Politik der Bundesregierung zu bestimmen hat, legt er sehr weitgehend aus. Er schlägt einen autoritären Kurs ein, ({2}) mittels dessen er alle gesetzmäßigen Vorschriften über die Mitsprache des Parlaments beiseite schiebt und mit dem er vor allem erreichen will, daß das Volk über die entscheidenden Lebensfragen im unklaren gelassen wird. Wir haben vor wenigen Minuten einen drastischen Anschauungsunterricht dafür erlebt, wie der Bundeskanzler die Bestimmung des Grundgesetzes auslegt, nach der er die Richtlinien der Politik zu bestimmen hat. Nicht nur, daß er in Lebensfragen der Nation ohne das Volk und gegen das Volk Entscheidungen trifft, nein, er maßt sich an, selbst ohne und gegen das Parlament entscheidende Fragen durch selbstherrliche Vorentscheidungen zu regeln, und zwar in einer gefährlichen und verhängnisvollen Richtung zu regeln. ({3}) Der Herr Bundeskanzler tut das in einer Art, daß selbst seine eigenen Koalitionspartner mit Besorgnis die Resultate dieser ungeschickten und autoritären Politik verfolgen. Seine eigenen Koalitionspartner sind in immer steigendem Maße darüber entrüstet, wie wenig Rücksicht der Bundeskanzler nimmt auf ihre Bedürfnisse nach einer populären Agitation, ({4}) und auf die Sonderinteressen, die sie zu vertreten haben. Ja selbst die eigenen Kabinettskollegen sind des öfteren vor vollendete Tatsachen gestellt worden, und ich denke, daß das ehemalige Mitglied der Bundesregierung Dr. Heinemann uns hier sehr viel darüber aussagen könnte. Diese autoritären und selbstherrlichen Regierungsmethoden kommen auch darin zum Ausdruck, daß der Bundeskanzler in seiner Person bzw. in seinem Amt mehrere Ministerien vereinigt. Er maßt sich noch immer an, nicht nur Bundeskanzler, sondern auch Außenminister zu spielen ({5}) und außerdem Kriegsminister zu spielen, wenn auch die betreffende Behörde, die in seinem Etat figuriert, noch nicht offiziell diesen Titel führt, sondern sich vorläufig noch mit dem etwas anspruchsloseren Namen „Dienststelle Blank" zufrieden gibt. Er stellt in seiner Person bzw. in seinem Amt auch das Wirtschaftsministerium, das er durch seine Kommissarwirtschaft repräsentiert. Und schließlich ist auch die Leitung des Propagandaministeriums in seinen Händen, des Ministeriums, das heute noch unter dem Namen des Bundespresse- und Informationsamts figuriert. Nun, die gelegentliche Kritik, die sich in den letzten Monaten selbst aus den Reihen der Koalition des Herrn Bundeskanzlers erhoben hat, ist in den letzten Tagen und Wochen immer stärker geworden. Oberflächlich betrachtet erscheint diese Kritik aus den eigenen Reihen der Regierungskoalition als eine Kritik an gewissen Charaktereigenschaften des Herrn Bundeskanzlers, an gewissen herrischen Umgangsformen. Ich denke, daß der Herr Minister Kaiser zu dieser Frage ein besonderes Liedlein singen könnte. Man kritisiert gewisse Dinge und entschuldigt sie gelegentlich mit der Überbelastung dieses armen, einsamen Mannes. In Wirklichkeit aber liegen die Dinge doch sehr viel tiefer. In Wirklichkeit sammelt sich die Kritik in immer stärkerem Maße um politische Probleme. In Wirklichkeit handelt es sich immer mehr um eine politische Kritik an einem Verhalten, das geradewegs zur Katastrophe steuert. Es handelt sich um eine Kritik, die entsteht aus der Besorgnis der Koalitionsfreunde über das Ende dieser hundertfünfzigprozentig amerikanisierten Politik. Es handelt sich um eine Kritik, die resultiert aus den Besorgnissen, die selbst aus der eigenen Partei kommen; und ich denke, daß das Wahlergebnis von Bremen auch manche Parteistellen der CDU zu der Überlegung veranlaßt hat, ob man diesem Bundeskanzler und Parteivorsitzenden denn so weiterwirtschaften lassen darf, wenn man nicht riskieren will, schließlich noch die letzten Anhänger im Lande zu verlieren. ({6}) Die Kritik aber kommt vor allem aus den Massen der Bevölkerung, die empört sind über den Kurs der Remilitarisierung, über das selbständige Betreiben des Schumanplans und seine Realisierung auch auf westdeutschem Boden, die empört sind über die reaktionäre Steuer- und Sozialpolitik der Bundesregierung, die empört sind schließlich über die offene Sabotage aller Verständigungsversuche, die gegenwärtig über die künstlichen Zonengrenzen hinweg von Deutschen beiderseits dieser Grenzen unternommen werden. Wenn der Herr Bundeskanzler etwa weitere Beweise wünscht für die Unbeliebtheit seiner Politik unter den Massen der Bevölkerung und in immer steigendem Maße selbst in seinen eigenen Reihen, - nun gut, er kann solche zusätzlichen Beweise haben und er wird sie haben! Darauf kann er sich verlassen. ({7}) Ich möchte nun einige Worte zu den Sonderministerien sagen, ({8}) die im Etat des Herrn Bundeskanzlers aufgezählt sind. Zunächst zum Bundespresse- und Informationsamt. Seine Aufgaben sind in der Einleitung mit der Formulierung umschrieben, es diene der Erforschung der öffentlichen Meinung. Wenn das Tatsache wäre, dann hätte diese Forschungstätigkeit des Bundespresse- und Informationsamts schon einige nützliche Resultate erzielen können. Sie hätte z. B. feststellen können, daß 90 % der Bevölkerung Westdeutschlands entschieden gegen die Remilitarisierung und gegen die Politik Adenauers für einen sogenannten Wehrbeitrag sind ({9}) und ganz entschieden gegen den amerikanischen Kurs, den Herr Adenauer steuert. Aber offensichtlich stimmt diese Funktion, wie sie in Wirklichkeit ist, doch nicht überein mit den Formulierungen im offiziellen Text des Haushaltsplans. Der Wirklichkeit kommt die Feststellung viel näher, daß die Aufgabe des Bundespresseamts darin besteht, die öffentliche Meinung zu täuschen. Es heißt, es sei dazu da, die deutsche Bevölkerung aufzuklären. In Wirklichkeit dient es dazu, die deutsche Bevölkerung irrezuführen und ihr die wichtigsten Informationen über die Tätigkeit der Bundesregierung und insbesondere des Bundeskanzlers vorzuenthalten. Ich könnte dafür eine ganze Serie von Beispielen anführen, ich beschränke mich auf einige wenige ganz krasse. Wie war es denn, Herr Bundeskanzler, im Januar, als auf Ihr Geheiß die ehemaligen Nazigenerale Speidel und Heusinger die Geheimgespräche auf dem Petersberg über den westdeutschen Wehrbeitrag begonnen haben? Haben Sie damals nicht Ihrem Pressechef die Anweisung gegeben, er möge der Presse nahelegen, über den Inhalt dieser Beratungen zu schweigen? Oder wie war es seinerzeit, als Tschiangkaischek-Piraten ein deutsches Handelsschiff kaperten? Waren Sie es nicht, der dem Bundespressechef die Anweisung gegeben hat, er möge der Presse nahelegen, über diesen Fall zu schweigen, weil man sonst die Amerikaner verschnupfen könnte? Oder, Herr Bundeskanzler, wie war es nach dem ersten Angebot der Volkskammer vom 15. September? Waren Sie es nicht, der das Bundespresseamt beauftragt hat, eine' Antwort an die Volkskammer vorweg zu erteilen - obwohl Sie gar nicht gefragt worden waren -, noch ehe der Bundestag, an den der Appell der Volkskammer gerichtet war, Gelegenheit hatte, sich dazu zu äußern? Haben Sie nicht dem Bundespresseamt die Weisung gegeben, zu sagen, das sei alles Propaganda und die Frage der Einheit Deutschlands sei ausschließlich eine Angelegenheit der Besatzungsmächte? Und schließlich, waren Sie es nicht, Herr Bundeskanzler, der dem Bundespresseamt aufgetragen hat, am 2. Oktober der hier im Bundeshaus zugelassenen Presse nahezulegen, auch über den Stand der Verhandlungen auf den verschiedenen Schlössern der Hohen Kommissare zu schweigen? Haben Sie nicht erklären lassen, es sei nicht opportun, in diesem Augenblick über den Stand der Verhandlungen etwas zu sagen? Nun, Herr. Bundeskanzler, äußern Sie sich hierzu, über diese sonderbare Pressepolitik, über diese sonderbare Methode, mit einem Amt, das die Steuerzahler bezahlen, die öffentliche Meinung irrezuführen und die Menschen, die Bevölkerung über Fragen von wahrhaft nationaler Bedeutung zu täuschen! Es gibt in Ihrem Etat einen besonders interessanten Punkt. Während in den Titeln 11 bis 30 der Sachausgaben des Presseamts insgesamt Ausgaben in Höhe von 580 000 DM ausgewiesen werden, gibt es den Titel 31 mit der Ausstattung von allein 3,8 Millionen Mark. Dieser eine Titel wird so kommentiert, daß die Mittel daraus allein zur Verfügung des Bundeskanzlers zur Förderung des Nachrichtenwesens stehen. Die Mittel sind übertragbar und die Ausgabenkontrolle unterliegt nicht Organen des Bundestags, sondern ausschließlich der Prüfung des Präsidenten des Bundesrechnungshofs, der auch die Entlastung zu erteilen hat. Mit anderen Worten: es handelt sich bei diesem Posten ausgesprochenermaßen um einen Geheimfonds. Es ist interessant, daß dieser Geheimfonds gegenüber dem Vorjahre auf das Achteinhalbfache angewachsen ist und daß er 87 °/o der gesamten Sachausgaben des Bundespresse- und Informationsamts ausmacht. Meine Damen und Herren, in diesem Geheimfonds haben wir die Lösung des Rätsels, woher diese Schmutztraktätchenproduktion stammt, die in gemeinsamer Arbeit mit dem Ministerium Kaiser draußen auf das Land geworfen wird. Hier ist die Antwort auf die Frage, woher diese unsaubere, unflätige Goebbelspropaganda finanziert wird, die heute von dem alten Spezialisten aus dem Goebbelsministerium, Dr. Taubert, nunmehr im Dienste des Herrn Bundeskanzlers, neuaufgelegt wird.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Fisch, für diese Ausdrücke erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf. Ich mache Sie außerdem darauf aufmerksam, daß Ihre Zeit abgelaufen ist. Was Sie jetzt noch sprechen, geht Ihrem Redner zum Einzelplan IV a ab. ({0})

Walter Fisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000548, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Alle diese Propaganda, die sich der Anonymität, die sich der perversen Spekulationen auf die primitvsten Instinkte des Hasses und der Dummheit der Menschen bedient, geschieht mit Wissen und Unterstützung des Bundeskanzlers und seiner Beauftragten. ({0}) Das Bundespresse- und Informationsamt steht, das muß einen nicht wundern, unter der Leitung eines Mannes, der bei Ribbentrop in die Schule gegangen ist, der bei Ribbentrop Leiter des Kulturressorts gewesen ist. Hier wird deutlich, wie sich der Bundeskanzler eines feinen Instruments des Doppelspiels bedient, mit Hilfe dieses obskuren Amtes und seines Leiters Dinge auszusprechen, die er in seiner offiziellen Eigenschaft nicht so deutlich aussprechen kann und aussprechen möchte. Schließlich ist in gleicher Weise auch die Politik der sogenannten Dienststelle Blank zu beurteilen. Diese Dienststelle, die auf der Grundlage der New Yorker Remilitarisierungsbeschlüsse vom September 1950 geschaffen wurde, ist offiziell als Quartiermeisterei für die vermehrten alliierten Besatzungstruppen tituliert. Ja, meine Damen und Herren, wenn das so wäre, dann hätten wir hier auch den Verantwortlichen für die brutalen Austreibungen der Bevölkerung im Gebiet von Hammelburg und Hohenfels. Aber es ist nicht allein das. In Wirklichkeit haben wir hier die Keimorganisation des westdeutschen Generalstabs ({1}) und des neuen Kriegsministeriums. Hier haben wir im kleinen die Nachfolgekörperschaft für das sogenannte Büro Schwerin, die ehemalige „Zentrale für Heimatdienst", in Wirklichkeit aber, wie gesagt, das neue Kriegsministerium.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Fisch, kommen Sie zum Schluß!

Walter Fisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000548, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Ja, ich bin sofort fertig. - Wir brauchen nicht darüber zu streiten, wer darin tonangebend ist, ob der Zivilist und ehemalige Oberleutnant Herr Blank oder die Generale, die ihr Handwerk im Generalstab Adolf Hitlers gelernt haben. Tatsache ist: ihre entscheidenden Handlungen sind den Interessen unseres Volkes entgegengesetzt. Sie treiben uns in das Kriegsabenteuer, sie treiben uns in die Katastrophe, in die Zerstörung. Ob es sich nun um die militärischen Geheimverhandlungen auf dem Petersberg, oder ob es sich um die ebenso geheim gehaltenen Beratungen in Paris zum Thema der Schaffung einer Europa-Armee auf der Grundlage des Pleven-plans handelt, in beiden Fällen ist das Ziel des Bundeskanzlers und seines neu aufgebügelten alten Hitlergeneralstabes, in bezug auf die Rüstung und die Remilitarisierung fertige Tatsachen zu schaffen. Es ist sein Ziel, das Volk und die Volksvertretung zu übergehen und die Einbeziehung Westdeutschlands in den Atlantikpakt zu beschleunigen -

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Fisch, kommen Sie zum Schluß, sonst muß ich Ihnen das Wort entziehen!

Walter Fisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000548, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

- und die Bereitstellung der ersten zwölf Fremdenlegion-Divisionen unter Eisenhowers Kommando vorzubereiten. Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion lehnt den Etat des Bundeskanzlers ab, weil er der Mann ist, der hauptverantwortlich ist für die Sabotage der deutschen Verständigungsversuche, und insbesondere weil er für die Politik der getarnten und geheimen Wiederaufrüstung verantwortlich ist. Wir hoffen, daß in dieser Ablehnung alle diej engen mit uns gehen, die Adenauer die Gelegenheit, eine letzte Warnung zu erfahren, geben wollen, um ihm klarzumachen, daß nicht weiter wie bisher Politik gemacht werden kann und darf. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete 011enhauer. 011enhauer ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich jetzt zu dem Etat des Herrn Bundeskanzlers spreche, so ergibt sich aus der Sache und aus der Person eine gewisse Schwierigkeit. Nach dem Grundgesetz bestimmt der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik. Selbstverständlich werden auch die Richtlinien der Außenpolitik durch den Herrn Bundeskanzler bestimmt. Die Dinge werden noch weiter dadurch kompliziert, daß wir in der Bundesrepublik eine Personalunion zwischen dem Bundeskanzler und dem Außenminister haben. Ich werde deshalb in meinen Ausführungen in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit sowohl auf einige innen- als auch auf einige außenpolitische Fragen eingehen müssen, ohne dabei im wesentlichen der Rede meines Freundes Luetkens zum Etat des Auswärtigen Amtes vorzugreifen, Wir haben bereits bei der Behandlung des letzten ordentlichen Etats durch die Ausführungen meines Kollegen Mellies unsere kritische Einstellung zum Bundeskanzleramt in sehr konkreter Form zum Ausdruck gebracht. Wir haben damals kritisiert die Organisation des Amtes, wir haben damals kritisiert die mangelnde Koordinierung im Kabinett, und wir haben damals sehr kritisch Stellung genommen zu dem Wesen oder besser Unwesen der Kommissare, das sich unter der Leitung des Herrn Bundeskanzlers im Bundeskanzleramt entwickelt hat. Ich möchte heute dieses Thema nicht im einzelnen wieder behandeln; aber das heißt nicht, daß wir durch die inzwischen eingetretene Entwicklung in irgendeiner Weise befriedigt oder beruhigt sind. Im Gegenteil, ich glaube, wir haben gerade heute einige Illustrationen für die Richtigkeit unserer Kritik auf den verschiedensten Gebieten erlebt. ({1}) Ich kann mir denken, daß sich der Herr Bundeskanzler für die Behandlung seines Etats wohl kaum einen schwärzeren Tag als den heutigen vorstellen könnte. ({2}) Ich nehme an, daß der Herr Bundeskanzler heute morgen z. B. auch den Bericht über eine Versammlung gelesen hat, die sein Minister Seebohm am 15. September in der Nähe von Stuttgart abgehalten hat. Es ist ein Bericht, der sehr interessant ist als ein Beispiel für die so außerordentlich starke demokratische und republikanische Gesinnung, die heute anscheinend bei einem Teil der Kollegen des Herrn Bundeskanzlers vorhanden ist. ({3}) Es ist eine erstaunliche Tatsache, daß es der Herr Bundeskanzler und das Bundeskabinett nicht für nötig gehalten haben, sich in aller Öffentlichkeit von einem Kollegen abzusetzen, der sich in rein nationalsozialistischer Weise geäußert hat und sich in rein nationalsozialistischer Weise hat feiern lassen. ({4}) Und schließlich - der Abend war noch nicht gekommen - hat der Herr Bundeskanzler die wohl nicht ganz einfache Frage zu lösen gehabt, wie er den Herrn Justizminister Dr. Dehler davon abhalten könne, heute abend durch eine Rundfunkrede noch mehr Porzellan zu zerschlagen, als er dies ohnehin schon getan hat. ({5}) Ich hatte mir vorgenommen, im Zusammenhang mit diesen Ausführungen auch noch einiges über das leidige Kapitel der Kooperation zwischen Regierung und Parlament zu sagen und an Hand von Beispielen noch einmal darzustellen, daß die autoritäre Form des Herrn Bundeskanzlers gegenüber dem Parlament mit einer effektiven Zusammenarbeit zwischen Parlament und Regierung nicht zu vereinbaren ist. ({6}) Ich will jetzt nach dem, was wir hier heute nachmittag erlebt haben, auf einen Kommentar zu diesem Punkt verzichten, weil es zu billig wäre, diese neue unmittelbare Erfahrung durch irgendeine Bemerkung noch zu unterstreichen. ({7}) Meine Damen und Herren! Was wir hier an dieser Stelle ganz unabhängig von den politischen Meinungsverschiedenheiten, die zwischen der ({8}) gegenwärtigen Regierung und der sozialdemokratischen Opposition bestehen, jedenfalls in erster Linie als Kritik zum Ausdruck bringen wollen, das ist die Kritik an der schlechten, falschen und unmöglichen Praxis, die die erste Regierung der Bundesrepublik unter Führung des Herrn Bundeskanzlers entwickelt hat. ({9}) Wir bedauern das sehr, weil wir gewünscht hätten, daß die Bundesrepublik, die unter so außerordentlich schwierigen Umständen an ihre Arbeit gegangen ist, wenigstens auf dem Gebiet, auf dem wir in der Gestaltung unserer Lebensformen frei sind, Formen gefunden hätte, die von allen demokratischen Kräften innerlich als loyal, sauber und anständig hätten akzeptiert werden können. ({10}) Ich will mich nicht auf Einzelheiten einlassen. Ich möchte nur noch eine Bemerkung machen. Wir möchten noch einmal dem Herrn Bundeskanzler den dringenden Rat geben, den Unfug der Bundespressestelle endlich einzustellen. ({11}) Das, was wir von dieser Stelle erleben - und ich meine mit „wir" die deutsche Öffentlichkeit -, ist nicht die Erfüllung der Aufgabe, durch Information und die Bekanntgabe von Fakten der politischen Auseinandersetzung eine wirkliche sachliche Grundlage zu geben, sondern immer wieder erleben wir, daß eine Stelle der Bundesregierung benutzt wird, um rein parteipolitische Argumentationen unter offiziöser Flagge an die Öffentlichkeit zu bringen. Ich möchte nur an das letzte Beispiel erinnern, damit Sie wissen, was ich meine. Ich glaube, es gehört nicht zu den Aufgaben einer amtlichen Stelle, z. B. das Bremer Wahlresultat so zu kommentieren, wie es auf der Pressekonferenz der Bundesregierung geschehen ist. Ich sage gar nichts über den Inhalt; denn die Sozialdemokratie hat von derartiger Auslegung von Wahlresultaten nichts zu fürchten. Im Gegenteil, ich glaube, wenn die Regierungsparteien sich weiter über Wahlniederlagen mit vagen Hoffnungen auf eine mögliche Zersplitterung der Sozialdemokratie hinweghelfen, dann werden sie selber die Rechnung bezahlen. ({12}) Die wirkliche Ursache für diese immer wieder zutage tretende völlige Unfähigkeit, die Sozialdemokratie zu verstehen, liegt doch einfach darin, daß sie es hier mit einem politischen Körper zu tun haben, der in der Freiheit der Meinungsbildung politische Entscheidungen vorbereitet und in diesem Stadium sehr viele verschiedenen Meinungen auch öffentlich diskutiert. Aber ich sage ihnen eines: Immer wieder, wenn diese Partei in Aktion geht, dann werden sie eine geschlossene und einige Sozialdemokratie finden! ({13}) Und nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu einer Angelegenheit sprechen, die nach meiner Meinung grundsätzliche Bedeutung hat und die ich deshalb in Verbindung mit der Beratung dieses Etats hier vorbringen möchte. Ich komme auf eine Diskussion zurück, die wir in der vorigen Woche, am 10. Oktober, bei der Beratung des Etats des Herrn Innenministers gehabt haben. Wir sind da mit einemmal in eine Diskussion über Wert oder Unwert der Monarchie gekommen; es gab in diesem Hause sehr handfeste Bekenntnisse zur Monarchie, und es gibt solche Bekenntnisse zur Monarchie ja auch von einer maßgebenden Regierungspartei. Es war immerhin bemerkenswert, daß der Beifall, den diese Bekenntnisse hier auslösten, uns zeigte, daß einer ganzen Reihe von Mitgliedern dieses Hohen Hauses mit einem Male die schwarz-weiß-roten Herzen wesentlich höher schlugen. ({14}) Man hat dann gesagt, wir sollten keine Gespenster wieder ins Leben zurückrufen, wir sollten nicht über so fernliegende Dinge diskutieren. Es tut mir leid: ich kann diesen Gesichtspunkt vom Standpunkt der Staatsführung unserer Bundesrepublik nicht akzeptieren. Denn im Laufe dieser Diskussion ist eine sehr bemerkenswerte Feststellung getroffen worden, ich glaube, von unserem Herrn Kollegen von Merkatz. Er hat nämlich im Laufe der Dikussion Demokratie und Monarchie gegenübergestellt und die These vertreten, die Erfahrung anderer Völker beweise, daß die monarchistische Staatsform und die Demokratie sehr wohl vereinbar seien; das erlebe man in Großbritannien und Skandinavien. ({15}) Meine Damen und Herren, gerade an diesem Punkte möchte ich sagen, daß diese Fragestellung für die deutsche Politik nicht zutrifft. ({16}) Denn hier geht es nicht um die Frage „Monarchie oder Demokratie?", in Deutschland ist die Frage „Monarchie oder Republik?". ({17}) Das Grundgesetz spricht ausdrücklich von der Bundesrepublik Deutschland, ({18}) und bei uns ist die demokratische Lebensform verfassungsrechtlich verbunden mit der republikanischen Staatsform. ({19}) Diese Feststellung ist wichtig für die Gegenwart und vielleicht auch für die Zukunft; denn sie bedeutet - das hier auszusprechen, halten wir für eine Notwendigkeit! -, daß das Bekenntnis zur Monarchie in Deutschland genau so im Gegensatz zum Grundgesetz steht wie das Bekenntnis zu einer neofaschistischen Diktatur oder zu einer kommunistischen Diktatur. ({20}) Ich nehme dabei an, daß das monarchistische Bekenntnis des Herrn von Merkatz nicht ganz frei ist von opportunistischen Überlegungen; ({21}) denn wenn man Opposition im Regierungslager spielen will, dann muß man möglichst viele Fähnchen schwingen. ({22}) Aber wir möchten über den Standpunkt der Sozialdemokratie von vornherein keine Klarheit aufkommen lassen. ({23}) - Keine Unklarheit aufkommen lassen! Sie wissen j a, was ich meine. Ich gönne Ihnen die Freude! In der Bundesrepublik - das ist unsere Meinung - ist die monarchistische Propaganda ein Schlag Deutscher Bundestag - 16e. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 16. Oktober 1051 6903 ({24}) gegen das Grundgesetz; sie ist ein Element der Zersetzung und der Schädigung der Demokratie. ({25}) Ich sage das, damit sich niemand später beklagt, wenn er die Konsequenzen seines Tuns zu tragen hat. ({26}) Es gibt in diesem Zusammenhang noch einen speziellen Fall des Herrn von Merkatz. Wir haben in der vorigen Woche die Herbeirufung des Herrn Bundeskanzlers beantragt, als dieser Fall aufkam. Glücklicherweise haben wir ihn heute in unserer Mitte, und ich möchte deshalb unser Anliegen wiederholen: Der Herr Minister Hellwege hat dem Bundestag mitgeteilt, daß Herr von Merkatz die Geschäfte eines Staatssekretärs in seinem Ministerium führt und daß er in dieser Eigenschaft zeitweise auch an Kabinettssitzungen teilgenommen hat. Das heißt nach den eigenen Erklärungen des Herrn Kollegen von Merkatz, daß ein überzeugter Monarchist einer der höchsten politischen Vertrauensleute der Bundesregierung und der Bundesrepublik ist. ({27}) Herr Bundeskanzler, ich glaube, das geht Sie an. Ich glaube, daß hier die Notwendigkeit einer Prüfung dieses Falles gegeben ist. Wir wissen, daß Sie sonst in der Prüfung der Gesinnung und Überzeugung Ihrer Mitarbeiter und Ihrer Beamten sehr genau sind. Es würde uns interessieren, ob es in der Schematik für den Aufbau Ihrer Verwaltung auch einen Prozentsatz von monarchistischen Beamten oder Vertrauensleuten gibt. ({28}) Es ist für uns wichtig, zu wissen, ob Sie die monarchistische Überzeugung des Herrn von Merkatz früher kannten und, wenn Sie sie gekannt haben, welche Schlußfolgerungen Sie gezogen haben oder jetzt zu ziehen gedenken, nachdem dieser Sachverhalt in die Öffentlichkeit gekommen ist. Wir jedenfalls glauben, daß Monarchisten als Repräsentanten oder Beamte der Bundesrepublik Deutschland untragbar sind. ({29}) Wir hoffen, daß Sie, Herr Bundeskanzler, durch Ihre Entscheidung beweisen, daß Sie in diesem Punkt mit uns übereinstimmen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch eine andere Frage aufwerfen die uns allerdings als die bedeutsamste, jedenfalls in diesem Augenblick, erscheint. Wir glauben, daß sie von einer zentralen Bedeutung für die Politik der Bundesrepublik ist. Ich bringe sie deshalb hier vor, weil sie zweifellos in die Entscheidung des Herrn Bundeskanzlers als des Mannes fällt, der die Richtlinien der Politik der Bundesrepublik nach innen und außen bestimmt. Sie wissen, wir haben hier am 6. Juli eine Saardebatte gehabt. Ich will diese Debatte in diesem Augenblick nicht aufnehmen, sondern nur eine Bemerkung machen. In dieser Saardebatte hat uns der Herr Bundeskanzler erklärt, daß die ganze Saarfrage in gar nicht zu langer Zeit so gelöst werden wird, wie wir es uns wünschen. Ich stelle heute nur fest, das war vor mehr als einem Vierteljahr. Damals erfuhren wir nicht, worauf sich dieser Optimismus stützt, und in der Zwischenzeit haben wir nichts erlebt, was den Optimismus des Herrn Bundeskanzlers rechtfertigt. ({30}) Der Herr Bundeskanzler hat in derselben Diskussion auch davon gesprochen, daß er die Saarfrage im Ministerrat in Straßburg zur Sprache bringen werde. Ich frage mich, ob das inzwischen geschehen ist, in welcher Weise und mit welchem Erfolg. Aber das ist in diesem Fall für mich nicht der wesentliche Punkt; das Wesentliche ist folgendes. Die Alliierten haben die Saarnote der Bundesregierung vom 29. Mai am 3. August beantwortet. Sie kennen den Text dieser Note. Abgesehen von der Beantwortung der Fragen hinsichtlich des Saargebietes enthält die Note eine außerordentlich erstaunliche Feststellung. Ich möchte sie mit Genehmigung des Herrn Präsidenten im Wortlaut vorlesen. In dieser Note wird nämlich gesagt: Der gegenwärtige Status der Saar steht nicht im Widerspruch zu der alliierten Erklärung vom 5. Juni 1945, in welcher die Bemerkung „Deutschland innerhalb seiner Grenzen, wie sie am 31.Dezember 1937 waren" ausschließlich als Feststellung des Gebietes zur Verteilung der Besatzungszonen gemeint war. Schon sehr bemerkenswert! Aber dann geht es weiter: In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, daß die Zuständigkeit der Bundesregierung nicht über ihre territorialen Grenzen .hinausgeht. ({31}) Das ist eine absolut neuartige und merkwürdige Auslegung der alliierten Erklärung vom 5. Juni 1945. Die Beschränkung der Zuständigkeit der Bundesregierung auf das jetzige Territorium der Bundesrepublik schafft nach meiner Auffassung eine außerordentlich ernste Situation vor allem in bezug auf alle Besprechungen, die die Bundesregierung auf außenpolitischem Gebiet zu führen hat. Denn sie steht in direktem Widerspruch zu bisherigen Handlungen und Erklärungen der Alliierten. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß in der Präambel des Grundgesetzes gesagt wird: Das deutsche Volk „hat auch für jene Deutschen gehandelt" - nämlich in der Schaffung des Grundgesetzes -, „denen mitzuwirken versagt war". ({32}) Diese Präambel ist von den drei Westalliierten genehmigt worden. Darüber hinaus gibt es noch etwas anderes, nämlich die Note der Alliierten vom 23. Oktober 1950, in der die deutsche Bundesregierung über die Beschlüsse der Außenministerkonferenz in New York hinsichtlich der deutschen Auslandsschulden informiert wird. In dieser Note heißt es wiederum wörtlich: Die drei Regierungen sehen in der Bundesregierung die einzige deutsche Regierung, die für Deutschland sprechen und das deutsche Volk bis zur Wiedervereinigung Deutschlands in internationalen Angelegenheiten vertreten kann. ({33}) Sie sind daher der Ansicht, daß die Bundesregierung bis zu der endgültigen Friedensregelung und ohne deren Bedingungen vorzugreifen, die einzige Regierung ist, die berechtigt ist, die Rechte des früheren Deutschen Reiches zu übernehmen und dessen Verpflichtungen zu erfüllen. Meine Damen und Herren, der eklatante Widerspruch zwischen diesen beiden Standpunkten liegt auf der Hand. Die Konsequenzen dieses Wider({34}) spruchs für alle internationalen Verhandlungen sind unabsehbar. Die Saarnote der Alliierten wurde der Bundesregierung am 3. oder 4. August übermittelt, also vor mehr als zwei Monaten, und vor der Washingtoner Konferenz, über deren Resultate jetzt unsere Bundesregierung verhandelt. Ich frage hier in allem Ernst und in aller Form den Herrn Bundeskanzler: Welche Schritte hat die Bundesregierung unternommen, um den deutschen Standpunkt von der Zuständigkeit der Deutschen Bundesregierung für ganz Deutschland erneut und in aller Form den Alliierten zur Kenntnis zu bringen, und welche Schritte hat sie unternommen, um den Widerspruch in den beiden alliierten Noten in dieser Kardinalfrage deutscher Politik zu klären? Meine Damen und Herren, hier ist eine klare Antwort des Herrn Bundeskanzlers notwendig. ({35}) Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang und nur in diesem Zusammenhang, ohne auf Einzelheiten einzugehen, ein Wort über die Washingtoner Verhandlungen sagen. Zur Sache selbst werden wir später zu sprechen haben, und ich glaube, es wird eine sehr ernste und schwerwiegende Diskussion werden. Aber ich will hier ebenfalls in aller Klarheit und Offenheit erklären: Die Sozialdemokratische Partei hat das stärkste Mißtrauen gegenüber Form und Inhalt der Verhandlungen, die Sie, Herr Bundeskanzler, gegenwärtig führen, und wir müssen protestieren gegen die Art, in der die deutsche Öffentlichkeit informiert oder irregeführt wird. Wir erkennen ausdrücklich den Grundsatz an, man soll öffentliche Diskussionen über internationale Verhandlungen solange nicht führen, solange die Verhandlungen selbst im Gange sind. Aber die Anerkennung dieses Grundsatzes muß für alle gelten, und ich will Ihnen hier sagen: Das Interview, das der Herr Staatssekretär Hallstein am 14. Oktober abends, ich glaube, im Südfunk gegeben hat, ist einfach eine unverantwortliche Beeinflussung der öffentlichen Meinung. ({36}) Wir haben schon einmal, zu einem früheren Zeitpunkt, in aller Sachlichkeit darauf aufmerksam gemacht: Es scheint uns nicht mit den Prinzipien einer demokratischen Regierungspolitik in Übereinstimmung zu sein, daß die Herren Staatssekretäre die Mundstücke der Regierung sind und nicht nur das, sondern durch ihre Reden selber Politik machen. ({37}) Die Staatssekretäre sind keine Redesekretäre, wer immer es ist. Und. wenn Herr Staatssekretär Hallstein einen solchen unbezwingbaren Drang zum Reden hat, dann soll der Herr Bundeskanzler ihn zum Leiter der Pressestelle machen; da ist sowieso nichts mehr zu retten. ({38}) In der Sache ist das Verhalten des Sprechers der Regierung absolut unmöglich. Meine Damen und Herren, Sie sind alle Zeugen. der dramatischen Verhandlungen der letzten drei Wochen gewesen. Sie wissen so gut wie wir, mit welcher inneren Spannung und Anteilnahme das ganze deutsche Volk an diesen Verhandlungen teilnimmt. Sie wissen, mit welcher Sorge und mit welchem Ernst die Mitteilungen in der Öffentlichkeit aufgenommen wurden, die erkennen ließen, daß es in der Verhandlung über die Durchführung der Washingtoner Beschlüsse schwerwiegende Gegensätze zu geben scheint. Das war der Stand der öffentlichen Information und Diskussion bis Sonntag abend. Am Sonntagabend spricht einer der Verhandlungspartner der deutschen Regierung ohne jede nähere Begründung und Beweisführung davon: Wir sind uns grundsätzlich einig. ({39}) Meine Damen und Herren, was geht denn hier vor? Was soll denn das deutsche Volk von einer solchen Erklärung denken, wenn noch im Bewußtsein des Volkes all die anderen Argumente und all die anderen Hinweise auf die Schwierigkeiten lebendig sind? Und so entsteht, jedenfalls bei uns, mehr und mehr die Überzeugung, daß vielleicht die grundsätzliche Einigung, von der Herr Staatssekretär Hallstein spricht, dadurch erfolgt ist, daß die deutschen Unterhändler den alliierten Standpunkt in den Grundsatzfragen akzeptiert haben und daß vielleicht die heutige-- deutsche Verhandlungsposition so ist, daß man auf der Seite der Regierung unter allen Umständen in die westeuropäische Gemeinschaft auch unter den Bedingungen der Washingtoner Beschlüsse kommen will. Und dann steht die Frage: Sind denn das, was jetzt an Besprechungen geschieht, tatsächlich noch Verhandlungen im eigentlichen Sinne des Wortes? Ich will hier nicht über Einzelheiten sprechen. Es wären eine ganze Reihe von hochinteressanten Fragen der Regierung zu stellen. Ich will nur eines sagen: Wir haben den Verdacht, daß Herr Hallstein durch seine Rede am Sonntag das deutsche Volk auf ein neues Kapitel der verhängnisvollen Politik der Vorleistungen und der einseitigen Bindungen vorbereiten wollte. ({40}) Und wir wollten in diesem Augenblick ausdrücklich zum Ausdruck bringen, daß die Sozialdemokratische Partei sich von einer solchen Politik in aller Schärfe und aller Eindeutigkeit abgrenzt. Lassen Sie mich noch mit einem Wort auf die erwähnten beiden alliierten Noten zum Schluß zurückkommen. An diesem Punkt, an dem Punkt der Washingtoner Verhandlungen wird die ganze Bedeutung dieser Unterschiede in der alliierten Auffassung und ihre Auswirkung für die deutsche Politik klar. Wie kann eine deutsche Bundesregierung Verhandlungen über die Washingtoner Beschlüsse führen, ohne vorher verbindlich zu wissen, mit welcher Zuständigkeit die Bundesregierung in die geplante Vertragsgemeinschaft nach Meinung der Alliierten eintritt? Sie wissen doch, daß die Frage der Einigung Deutschlands eine der Kardinalfragen der Unterhandlungen ist. Wenn der Standpunkt der Alliierten, der in der Saarnote vertreten wird, weiterhin gültig ist, dann ist die Frage der Zuständigkeit der deutschen Bundesregierung für ganz Deutschland vom Standpunkt der Alliierten sehr einfach geklärt. Ich meine, es wäre die Pflicht der Bundesregierung, des Herrn Bundeskanzlers gewesen, sofort nach dem Empfang der Note vom 3. August einen Schritt bei den Alliierten zu unternehmen. Man kann in Fragen dieser Größenordnung nicht auf die Entwicklung vertrauen. Man kommt zu keiner dauerhaften, tragfähigen europäischen und internationalen Zusammenarbeit, wenn man alle Probleme von Bedeutung im Dunkeln läßt. ({41}) Schweigen heißt in der internationalen Politik Zustimmen oder Sich-abfinden, und in der nächsten ({42}) Runde erscheinen Deklarationen als stillschweigend anerkannte Tatbestände. ({43}) Ich möchte Sie nur an die bittere Erfahrung erinnern, die die Mehrheit des Bundestages und die Bundesregierung gemacht haben, als es um die gleichzeitige Mitgliedschaft des Saargebietes und der Bundesrepublik in der Beratenden Versammlung ging. Im Februar dieses Jahres hat der französische Außenminister Schuman die Tatsache, daß wir den Beitritt auf dieser Basis akzeptiert haben, als einen Beweis dafür angeführt, daß die Bundesrepublik sich mit dem status quo im Saargebiet abgefunden habe. ({44}) Meine Hoffnung ist, Herr Bundeskanzler, daß Sie uns auf die konkrete Frage, was Sie in der Aufklärung dieser Differenz und in der Vertretung des deutschen Standpunktes getan haben, eine befriedigende Antwort geben können. Sollte das nicht der Fall sein, dann betrachten Sie die Ablehnung Ihres Haushaltes nicht nur als den Ausdruck unserer allgemeinen Ablehnung Ihrer Politik, sondern auch als ausdrückliche Mißbilligung Ihrer Passivität oder Ihrer Unterlassung in einer Frage, die nach unserer Auffassung vitalste Lebensinteressen der deutschen Nation berührt! ({45})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000009

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Ollenhauer hat zwar als auch von ihm anerkannten Grundsatz proklamiert, daß man bei schwebenden internationalen Verhandlungen darüber nicht in der Öffentlichkeit spricht. Ich bedaure, daß er in seinen Ausführungen dem von ihm anerkannten Grundsatz nicht gefolgt ist. ({0}) Meine Damen und Herren, ich bedaure, daß er diesen seinen Grundsatz nicht befolgt hat. Es ist mir tatsächlich unmöglich - und das wird mir jeder, wenn er gerecht ist, zubilligen müssen -, über eine ganze Reihe internationaler Verhandlungsfragen, die Herr Kollege Ollenhauer angeschnitten hat, in diesem Stadium der Verhandlungen zu sprechen. ({1}) Ich bedaure weiter, daß Herr Kollege Ollenhauer durch seine Ausführungen in der deutschen Öffentlichkeit den Eindruck erweckt - ich zitiere seine Worte -, die Bundesregierung oder der Bundeskanzler bereite die deutsche Öffentlichkeit auf eine Politik der Vorleistungen vor, und alle Probleme würden im Dunkeln verhandelt. Meine Damen und Herren, der amerikanische Hohe Kommissar, Herr McCloy, hat die Herren Schumacher, Ollenhauer und Schmid über den Stand der Verhandlungen in der vorigen Woche unterrichtet. ({2}) Aus dieser Unterrichtung müßte Herr Ollenhauer wissen, daß es sich nicht um eine Politik der Vorleistungen handelt. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.

Dr. Bernhard Reismann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001815, Fraktion: Deutsche Zentrumspartei (Z)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Erklärung, die der Herr Bundeskanzler soeben im Anschluß an die Ausführungen des Kollegen Ollenhauer abgab, kann weder die SPD, wie ich aus deren Ablehnung gemerkt habe, noch auch andere Teile des Hauses, die sich in der Opposition befinden, zufriedenstellen. ({0}) Es ist doch merkwürdig, daß der Herr Bundeskanzler sich darauf beruft, der Amerikaner McCloy habe ja die Opposition unterrichtet, und daß er meint, das sei der richtige Weg, den Deutschen Bundestag, die Repräsentanz unseres Volkes, zu unterrichten; ({1}) das sei der Weg, die Opposition im Bundestag zu unterrichten! Ich hoffe, daß er wenigstens seine Regierungsparteien unterrichtet hat! ({2}) Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, über eines habe ich mich bei dem Vorwort des Herrn Bundeskanzlers heute doch gefreut, bei der Erklärung nämlich, die, wie für viele Mitglieder des Hauses, so auch für uns etwas unerwartet kam, nachdem wir sie heute morgen auch von anderer Seite in der Zeitung hatten lesen können. Da freut es einen immerhin, wenigstens bei einem Thema feststellen zu können, daß der Bundeskanzler doch die Resonanz des Hauses nötig hat. Es ist nur die Frage aufzuwerfen, warum er die Resonanz des Hauses gerade bei diesem einen Thema braucht. Es ist aber immerhin erfreulich, daß er sie dort nötig hat, nämlich bei der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands. Wenn es im Grundgesetz heißt, daß der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt, so scheint es fast notwendig zu sein, hier daran zu erinnern, daß das nur für das Kabinett, nur für die Politik des Kabinetts und nicht für die deutsche Politik, für die Politik des Bundestages gilt. Die Politik, die das Kabinett zu betreiben hat, wird nicht vom Kanzler in den Grundlinien gegenüber dem deutschen Volk festgelegt, sondern dafür ist zuständig und verantwortlich das Parlament, die Vertretung des deutschen Volkes, und wir können weder auf das Recht verzichten noch uns der Pflicht entschlagen, uns das Heft hier nicht aus der Hand nehmen zu lassen. Ich kann dem Herrn Vorredner, Herrn Kollegen Ollenhauer nur zustimmen, wenn er soeben gesagt hat, daß es daran fehlt, daß der Herr Bundeskanzler über die grundlegenden Fragen, über die Grundfragen und die das ganze Volk bewegenden Fragen mit dem Parlament laufend Verbindung hält. Es ist doch nicht damit getan, daß er sich mit seiner Fraktion oder mit dem einen oder andern Herrn von der Opposition ins Benehmen setzt, daß er einen Sechsmännerausschuß berufen läßt, - unter Protest dagegen, daß er größer sein ({3}) könnte, oder dagegen, daß er mit Ausschüssen überhaupt über die Grundfragen spricht. Ich spreche nicht über die Einzelheiten von Beratungen, und das Geheimnis von Einzelberatungen will ich hier gar nicht in Frage stellen. Es ließe sich darüber etwas sagen, ob es richtig ist, das in der Allgemeinheit so zu verkünden, wie es der Herr Bundeskanzler soeben für richtig gehalten hat; aber das will ich gar nicht in Frage stellen. Jedenfalls: die das ganze Volk bewegenden Grundfragen der deutschen Politik müssen, bevor der Herr Bundeskanzler darüber verhandelt oder verhandeln läßt, hier im Bundestag zur Debatte gestellt werden, und dabei sollte man davon ausgehen, daß nicht nur die Mitglieder der Regierungsparteien, sondern auch die der Oppositionsparteien sehr wohl in der Lage sind, mit dem Takt, den bei anderen Gelegenheiten die maßgeblichen Vertreter des deutschen Volkes nicht immer an den Tag legen, und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl diese Fragen auch hier im Bundestag zu behandeln. Es ist nur ein halbes Bekenntnis zur Demokratie, wenn man glaubt, daß die wesentlichsten, die Außenpolitik wie auch die Innenpolitik entscheidend berührenden Fragen nicht vor dem Bundestag behandelt werden könnten oder dürften. Die Demokratie bedeutet nun einmal, den Mut zur Öffentlichkeit und zur Offenbarung der Politik, namentlich der poliischen Grundlinien, zu haben, und wenn der Herr Bundeskanzler so davon überzeugt ist, daß er in Übereinstimmung mit dem deutschen Volke handelt, so hat er in der Diskussion hier im Bundestage ja auch die Öffentlichkeit nicht zu scheuen. Langsam erheben sich erhebliche Bedenken gegen die bisherige Methode gerade der Verhandlungen in außenpolitischen Dingen, und die Außenpolitik ist ja eines der wesentlichsten politischen Fakten, mit denen sich der Herr Bundeskanzler zu befassen hat. Die formale Behandlung von Fragen, wie sie beim Schumanplan, beim Plevenplan und bei den sonst angeschnittenen Diskussionen bisher geschehen ist, kann nach unserem Dafürhalten so nicht weitergehen. Diese Art der Behandlung läuft schließlich darauf hinaus, daß das deutsche Volk einschließlich des Bundestages vor mehr oder minder abgeschlossene Verhandlungen gestellt wird und daß wir dann nur noch, nachdem an Einzelheiten überhaupt nichts mehr zu ändern ist, zu einem bereits fertig abgeschlossenen Vertrage ja oder nein sagen können, ja oder nein sagen müssen, nachdem uns die Regierung in eine Richtung, auf ein Gleis geschoben hat, daß man ohne Schaden und auch ohne die Möglichkeit, irgend etwas bessern zu können, kaum aus dieser Zwangslage herauskommen kann. Diese Art, das Parlament zu behandeln, die schon öfter von dieser Tribüne aus kritisiert wurde, wächst sich, je länger sie angewendet wird, zu einem um so größeren Schaden für die Demokratie aus. Das bedeutet, daß das deutsche Volk, das ohnehin nach der langen Entwöhnung von der Demokratie eine neue, bessere Methode vor Augen geführt zu sehen verdiente, weiterhin zum Führerstaat erzogen wird. Dabei wiederhole ich: es handelt sich um die Grundfrage und nicht um die Einzelheiten. Es handelt sich z. B. um die Frage der Rüstung. Wir lesen jetzt, z. B. heute, in der Zeitung: Blank meldet gute Fortschritte. Es erhebt sich die Frage: Worüber wird eigentlich verhandelt? Das dürfen wir nicht wissen! ({4}) - Ja, das deutsche Volk hat ein Anrecht darauf, zu erfahren, worüber verhandelt wird. ({5}) Es wird ja auch darüber verhandelt, was das deutsche Volk leisten soll! Im übrigen handelt es sich um eine Angelegenheit, bei der man letzten Endes die Zustimmung oder Ablehnung des einzelnen Bürgers gar nicht entbehren kann, oder aber man muß auf das demokratische Prinzip verzichten. Es handelt sich bei den Verhandlungen, die zur Zeit schweben, um die schwersten Verpflichtungen, die dem deutschen Volke auferlegt werden sollen, ob das nun Verhandlungen über den Plevenplan, den Schumanplan, den Atlantikplan, oder was sonst immer zur Debatte steht, sein mögen. Es sind die schwersten Verpflichtungen, die überhaupt in Frage kommen, und über die Grundlinien zu verhandeln, ist das Wesentliche dabei. Man hat den Eindruck, daß die Regierung hier übersieht, daß sie nur Exekutive ist. Die Regierung entschlägt sich inzwischen fast ganz der Richtung für ihre Politik, die sie aus dem Bundestag zu erhalten hat. Aber so läuft eine Demokratie nicht an, sondern höchstens tot. Statt dessen kommt man auf eine merkwürdige Art von Ersatzdebatten, auf eine Ausweichform der politischen Debatte. Man liest plötzlich morgens in der Zeitung, daß der Herr Bundeskanzler irgendwo, sagen wir: in Bad Reichenhall, eine Rede gehalten hat. Dort hat er dann dem deutschen Volke in einer Parteiversammlung oder in einer öffentlichen Versammlung tropfenweise etwas auch von dem zu verstehen gegeben, was er ihm für ein Schicksal in der Zukunft vorbereitet hat. Und dann sprechen andere Parteiredner, sei es von den Regierungsparteien oder von der Opposition, in Hamburg, Hannover, Berlin, Köln oder sonst irgendwo. Statt dessen verlangen wir, daß diese Fragen in Rede und Gegenrede hier an dieser Stelle bei solchen Gelegenheiten wie jetzt zur Debatte gestellt und besprochen werden und daß sie nicht erst auf Anfragen von seiten der Opposition mühsam ans Tageslicht gezogen werden müssen. Auch die Informierung des Bundestags und seiner Mitglieder in der von der Regierung bisher beliebten Art und Weise können wir nicht als ausreichend anerkennen. Man hat neulich von Vorgängen wie dem Aktendiebstahl usw. viel Aufhebens gemacht und in den Zeitungen mehr darüber gelesen, als die Sache wert ist. Es ist an sich verwunderlich, wenn man glaubt, Kabinettsprotokolle im Auszug - Auszuges-Auszug - eines Diebstahls wert halten zu müssen. Es sollte doch eigentlich ganz selbstverständlich sein, daß die Fraktionsführer über die wesentlichen Vorgänge bei den Kabinettsberatungen von der Regierung unterrichtet werden, ({6}) und wenn die Regierung das nicht tut, so verstößt sie nach meiner Meinung gegen eine an sich selbstverständliche Publizitätspflicht. ({7}) - Ich glaube, daß ich eher als irgendein anderer über diese Dinge sprechen kann, Herr Kollege Hasemann, da ja doch nie - bislang wenigstens nicht - der Verdacht aufgekommen ist, wir hätten mit diesen Dingen etwas zu tun. Außerdem ist ja die Indiskretion innerhalb der Regierungsbehörden, abgesehen hiervon, hinreichend groß genug, so daß man durch die Zeitungen und auf andere Art und Weise das Wesentliche daraus erfährt. Es erhebt ({8}) sich nur die Frage: Ist das der richtige Weg für eine Demokratie? Die Informierung des Bundestags und der Führer der Fraktionen ist ebenso unzulänglich wie die Verbindung, die die Regierung bisher zum Bundestag gezeigt hat. Meine Redezeit ist abgelaufen. Ich behalte mir vor, Ergänzendes hierzu, insbesondere zu der Erörterung des Etats des Auswärtigen Amts, noch weiter auszuführen. ({9})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.

Hans Ewers (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000505, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Möglichkeit, in der Debatte den Etat des Bundeskanzleramts von dem des Auswärtigen Amts zu trennen, besteht nicht, wie die beiden Herren Vorredner bewiesen haben. Es geht um so mehr eins ins andere über, als nun einmal der Herr Bundeskanzler gleichzeitig das Amt des Außenministers übernommen hat. Ich möchte daher zu beiden Reden der Oppositionsparteien, der SPD und des Zentrums, über das gesamte angeschnittene Thema - soweit sie von Interesse sind - Stellung nehmen. Ich möchte voranschicken, daß meine Fraktion auf das tiefste beklagt, daß wir uns in diesen Schicksalsstunden des deutschen Volkes über Einzelheiten der momentan in schwierigen außenpolitischen Verhandlungen auszurichtenden Politik der Regierung in einem Parlament vor der breitesten Öffentlichkeit unterhalten sollen, wenn es nach dem Wunsch der beiden Herren Vorredner geht. ({0}) Etwas Derartiges ist in keinem Parlament der Welt, das demokratische Tradition hat, bisher üblich gewesen und ist auch, wie sich für jeden Denkenden von selbst versteht, völlig unmöglich. Wir können uns über Etatsfragen, Organisationsfragen der Regierung unterhalten. Aber die Dinge, die hier zur Sprache gekommen sind, sollten wir, wenn uns daran gelegen ist, daß der Herr Bundeskanzler für das deutsche Volk das Bestmögliche herausholt, beileibe heute hier nicht erörtern. ({1}) Wir schließen uns dem Herrn Bundeskanzler darin völlig an, daß es undenkbar ist, hier dazu etwas zu sagen. ({2}) Deswegen nur das Grundsätzliche heute. Der Herr Ollenhauer hat die Saarnote der Alliierten, die während unserer Ferien eingegangen ist, herangezogen. Für meine Fraktion kann ich bekennen, daß sie während der Ferien noch andere Nackenschläge erlebt hat, sei es in der Frage der Ruhrbehörde, sei es in der Frage des alliierten Gesetzes bezüglich des Auslandsvermögens, sei es in anderen Dingen. Wenn wir schon zu diesen Dingen Stellung nehmen sollen, so darf ich für meine Fraktion erklären: Gott schütze uns vor einer Wiederholung der Zeit nach 1925! Was heute ein großes Geschenk von den Alliierten an uns ist, kann morgen eine Selbstverständlichkeit sein und übermorgen zuwenig. Denn wir haben es hier im deutschen Volk mit lebendigen Menschen zu tun, die jetzt sechs bis sieben Jahre auf Menschwerdung, Volkwerdung gewartet haben. Wir müssen allerdings - offen gesagt - erwarten, daß wir die Qualität des „Besiegten" endlich einmal verlieren und daß man Achtung vor unserer Historie hat, nicht vor der letzten, aber vor der Herkunft aus alten zentraleuropäischen Quellen, und daß man Achtung davor hat, was man von diesem Volk in Zentraleuropa erwarten kann und wie man ihm vertrauen kann. Daß wir insofern Vertrauen gutzumachen haben, meine sehr geehrten Herren von links, vergessen Sie doch bitte nicht! Sie dürfen auch nie vergessen, daß die Stellung des Herrn Bundeskanzlers in seinen Bemühungen für dieses deutsche Volk im Jahre 1951 denkbar schwer ist, daß sie nicht mit einem Federstrich zum Erfolg führen können. Daß man aber solche kitzligen Fragen wie, die des Saargebiets - darüber sind wir uns von ganz rechts bis ganz links im Bundestag einig; darüber bestehen doch keine Meinungsverschiedenheiten - nicht an die große Glocke hängen kann, wenn man Schicksalsfragen, ich hätte beinahe gesagt: für die Ewigkeit zu erörtern hat, das sollte auch die Linke verstehen. Wir fassen daher diese ganze Debatte, die hier mit Hilfe des Herrn Dr. Reismann geführt worden ist - der etwa gesagt hat: „mein SPD-Freund hat recht, ich zerrede das nur noch ein bißchen" - nur als Kritik um jeden Preis auf, die nach Möglichkeit erstrebt, daß dieser Herr Bundeskanzler, dessen Etat man von jener Seite auf jeden Fall ablehnen wird, nur keine Lorbeeren erntet. Das ist das Bedauerliche, meine sehr geehrten Herren von links. Herr Dr. Schumacher hat einmal gesagt, daß ein Abgeordneter einen Klassenplatz herunterkäme. Ich möchte ihm zurufen: in der Außenpolitik hat er noch nichts gelernt. Es soll uns ganz gleichgültig sein, welcher Kanzler das Bestmögliche herausholt. Dr. Adenauer gehört nicht meiner Partei an. Wir wollen nur einen Kanzler haben, der seiner Persönlichkeit, seinem Wissen, seinem deutschen Herzen nach das denkbar Beste erreicht. Wenn das die CDU bereichert, soll mir das recht sein. Und d a s deutsche Volk sollte sich schämen, das diese Dinge nur vom Standpunkt der engstirnigsten rosaroten Parteipolitik aus ansehen würde. ({3}) Das zum Allgemeinen. Des weiteren dazu nur noch das eine Wort, daß meine Fraktion in dieser Stunde dem Herrn Bundeskanzler jeden Erfolg wünscht, den ein Deutscher im Herbst und Winter 1951/52 für sein Volk und dessen fernste Zukunft nur irgend erreichen kann, und daß wir ihm Vertrauen schenken, daß er nach den Richtlinien seiner Politik, die uns bekannt sind, das Beste herauszuholen mit allen Mitteln versuchen wird. ({4}) Zum Schluß einige Bemerkungen zu Einzelheiten der Rede des Herrn Kollegen Ollenhauer. Ich muß sagen, daß der sachliche Ton seiner Ausführungen gegenüber anderen Rednern, die wir von links gehört haben, mir wohlgetan hat. Herr Ollenhauer ist auf die Debatte bezüglich der Monarchie beim Etat des Innenministers zurückgekommen. Herr Ollenhauer, diese Debatte hat Ihr Fraktionskollege Herr Dr. Bergstraeßer ja selbst gewollt. Er hat einen Beamten, der einen sehr sachlichen und von unserer Fraktion durchaus begrüßten Aufsatz in der „Frankfurter Allgemeinen" geschrieben hatte, wegen landesverratsähnlichen Vergehens unter Anklage zu stellen versucht. Darauf hat - auch zu der Frage, wieweit Minister bei einer monarchischen ({5}) Hochzeit, d. h. der Hochzeit ehemaliger Monarchen teilnehmen können - mein Fraktionsfreund Dr. Merkatz geantwortet, und zwar in einer durch Ihre Zwischenrufe zwar persönlich erhitzten und erregten, aber, wie ich betonen möchte, hochanständigen Form, die ihm in diesem Hause von ganz links bis ganz rechts viele danken, die ebenso denken wie er. Das vorweg! Und nun kommen Sie und erklären, es handle sich - da haben Sie recht - nicht um Demokratie oder Monarchie; nein, weiß Gott nicht! Denn allerdings die Monarchie, die man überhaupt nur theoretisch erörtern kann - praktisch spielt sie ja gar keine Rolle heute -, ist die konstitutionelle Monarchie nach schwedischem oder nach englischem Muster - um nur den möglichen Typ zu. nennen -, und das sind natürlich Demokratien. Wenn Sie meinen, es verstoße gegen das Grundgesetz, sich darüber auch nur Gedanken zu machen, so darf ich Ihnen erwidern: dann, bitte, gründen Sie Ihren totalen Staat sofort. Denn davon kann keine Rede sein. Eine Umwandlung der Republik in eine Monarchie mit Gewalt herbeizuführen, das ist natürlich Hochverrat; es aber nur zu erörtern, ist durchaus erlaubt. Und wir im Strafrechtsausschuß haben uns peinlich gehütet, ({6}) die Frage etwa nach der Stellung des Bundespräsidenten als verfassungswidrig zu unterbinden. ({7}) - Ich bitte, mich doch ausreden zu lassen! - Nein, wir haben es bei der Staatsgefährdung abgestellt auf die Frage der „demokratischen Grundordnung", und in der demokratischen Grundordnung wird die Frage, wie das Staatsoberhaupt gestaltet wird, überhaupt nicht berührt. Das allerdings ist selbstverständlich: Ehe wir legal etwa die Staatsform ändern könnten, wäre eine Änderung des Grundgesetzes notwendig. Darüber, meine sehr geehrten Damen und Herren, brauchen wir uns keinen Augenblick zu streiten. Und daß derjenige, der mit Gewalt die Monarchie einführen will, wenn er nicht obsiegt, wegen Hochverrats - heute nicht mehr zum Tode, sondern nur zu lebenslänglichem Zuchthaus - verurteilt wird, darüber besteht kein Zweifel. Aber das Bekenntnis dazu dürfte in einer freien republikanischen Staatsform demokratischer Natur eine selbstverständliche Möglichkeit sein. Und zu einem solchen Bekenntnis war mein Fraktionskollege Dr. von Merkatz hier durchaus berechtigt; und er tat dies, wie ich noch einmal betonen möchte, in einer äußerst eindrucksvollen Form, als vertriebener Deutscher aus dem Osten; das ist nicht namens der Fraktion geschehen, wenngleich in den Reihen unserer Wähler, wie wir uns klar sind und wie es keinem Zweifel unterliegen kann, genau wie übrigens auch in gewissen Wählerkreisen der SPD zum Beispiel die Frage aufgeworfen wird, ob nicht vielleicht Monarchie das Bessere sei. In unserem Parteiprogramm steht allerdings davon kein Sterbenswörtchen, wie ich betonen möchte! Diese Frage ist also nur angeschnitten worden, weil Herr Professor Dr. Bergstraeßer dazu Erklärungen wünschte. Und nun noch die Frage der Ministerreden und die des sogenannten autoritären Regiments des Herrn Bundeskanzlers. Meine sehr geehrten Herren von links und von der Mitte, wenn Sie annehmen, daß eine demokratische Staatsform ohne Führereigenschaften möglich und durchführbar wäre, so lassen Sie sich mit Ihrer ganzen Demokratie begraben! ({8}) Ich möchte glauben, daß Ihr Herr Dr. Schumacher ein typisches Beispiel dafür ist, daß es ohne Führerqualitäten gar nicht geht. ({9}) Die Frage ist nur die, ob nicht Dr. Schumacher schon ein totalitärer Führer ist. Wir aber sind glücklich darüber, daß Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer kein Politiker ist, der bei seinem Alter, seiner Reife und seiner Weisheit Neigung hätte, sich führen zu lassen, ({10}) sondern daß er vielmehr den inneren Mut und den inneren Zwang fühlt, selbst zu führen, indem er sein hohes Alter opfert für sein Volk und Vaterland. Und noch ein anderes! Sie haben uns besonders eindrucksvoll, Herr Ollenhauer, erklärt, im Erwägungsstadium einer Frage sei die SPD eine freie Partei, wo die Dinge erörtert werden könnten; zum Schluß aber bilden Sie dann mit Ihrem Fraktionszwang eine Linie. - Erstens lehnen wir den Fraktionszwang völlig ab und zwar in allen drei Fraktionen. ({11}) Zweitens wollen Sie aber bedenken: wir sind nicht die Regierung einer einzigen Partei, sondern drei Parteien haben sich zusammengeschlossen. Und da es drei sind, sollte Ihnen klar sein, daß da wohl noch gewisse Unterschiede obwalten dürften, und keiner unserer Minister - jedenfalls keiner meiner Partei - hat sich dadurch, daß er ins Kabinett ging, verpflichtet, eine Binde vors Maul zu legen. Auch Herr Dr. von Merkatz nicht! Sie lassen ja bei jeder Gelegenheit, wenn Herr Dr. Adenauer auf dem Spiel steht, die Merkatze aus dem Sack! ({12}) Und auch er ist mit einbegriffen. Diese Herren haben sich also dadurch, daß sie einer Koalitionsregierung beigetreten sind, nicht verpflichtet, ihrerseits nun mit zusammengeschlagenen Hacken dem Führer zu folgen und anbetend vor ihm zu stehen, sondern sich ihre eigene Meinung genau wie in ihren eigenen Reihen im Erwägungsstadium vorbehalten. Und was die Rede von Herrn Dr. Seebohm - übrigens in Nürtingen, einem sonst unbekannten kleinen Nest in Schwaben - angeht, so handelt es sich um ein Treffen von sudetendeutschen Flüchtlingen, die, wie Ihnen bekannt sein sollte, in der Art, wie sie zur Flucht gezwungen worden sind, allerhand Beschwerden auf dem Herzen haben. Und daß einer ihrer führenden Menschen diesen Gefühlen gerade angesichts europäischen Gemeinschaftsstrebens mit einer gewissen eindrucksvollen Entrüstung Ausdruck verleiht, das können Sie keinem Sudetendeutschen verdenken. ({13}) Deswegen möchte ich Sie bitten, solche Reden nicht aus dem Zusammenhang zu reißen, Herr Ollenhauer; das wird heute nur verbreitet, weil es der „Neuen Zeitung", dieser amerikanisch lizenzierten Zeitung, aus irgendwelchen trüben Gründen paßt. ({14}) ({15}) - Ich schäme mich keinen Augenblick; aber Sie sollten sich schämen, daß Sie sich auf solche trüben Quellen berufen, um Kritik zu üben. Diese Dinge zurückzuweisen, lag mir am Herzen. Im übrigen schließe ich mit den Worten: ich hoffe, daß durch die Reden von Herrn Ollenhauer und Herrn Reismann alles Porzellan, was zu zerschlagen war, endgültig zerschlagen ist und daß keiner meiner nachfolgenden Redner an diesem Polterabend noch weiter teilnimmt. ({16}) Dem Bundeskanzler wünsche ich, daß er bei seinen schweren Verhandlungen für das ganze deutsche Volk, also auch für die SPD-Mitglieder, den bestmöglichen Erfolg hat. ({17})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir möchten von der CDU aus zu den außenpolitischen Fragen, die in der Debatte zum Etat des Bundeskanzleramtes behandelt wurden, erst bei der Behandlung des Haushaltsplanes des Außenministeriums Stellung nehmen, wohin diese Fragen eigentlich auch gehören; sonst werden sie dort nur nochmals behandelt. Ich habe aber Veranlassung, zu einigen Bemerkungen des Herrn Kollegen Ollenhauer hier kurz Stellung zu nehmen. Wir waren eigentlich darauf gefaßt, daß in der Kritik am Herrn Bundeskanzler, seinen politischen Richtlinien und seiner politischen Arbeit die Kritik an der Gestaltung des Schicksals unseres Volkes im Innnern auch eine Rolle gespielt hätte. Wir sind etwas überrascht darüber, daß - vielleicht unter dem Eindruck der Debatte, die wir in der vergangenen Woche hier gehabt haben - in dieser Hinsicht heute vollkommenes Schweigen im sozialistischen Walde geherrscht hat. ({0}) Es ist manche Kritik an der Methode der Bundesregierung und des Herrn Bundeskanzlers, an mangelnder Information und an derartigen Dingen geübt worden. Diese Kritik endete in dem etwas überraschenden Satz, daß man die „Unfähigkeit, die Sozialdemokratie zu verstehen", nicht begreifen könne. Meine Damen und Herren, woran liegt es denn, daß die Regierungsparteien und auch die Bundesregierung oft nicht in der Lage sind, die Opposition zu verstehen? ({1}) Weil sie vielfach auch in gemeinsamen Anliegen eine solch einseitige unsachliche Opposition macht, daß es uns wirklich unverständlich ist, daß das heute in Deutschland möglich ist. ({2}) Und dann ein anderer Punkt. Es wurde zur Frage der Monarchie hier von der linken wie von der rechten Seite des Hauses manches gesagt. Von einigen Kollegen aus der Koalition wurde in diesen Tagen und auch heute wieder Anlaß genommen, hier ein freudiges Bekenntnis zu monarchischen Gedanken abzulegen. Meine Damen und Herren, ich meine, man sollte solche Dinge, die wirklich so unaktuell sind wie nur irgend etwas in Deutschland, heute nicht wichtiger nehmen, als sie sind, und sollte keine großen politischen Aktionen aus derartigen Erörterungen machen. ({3}) Aus diesem Grunde haben wir auch bei der Erörterung in der vergangenen Woche die Herbeirufung des Bundeskanzlers zu dieser Frage abgelehnt, weil wir es für überflüssig halten, daß man sich über Fragen unterhält, die für die praktische Gestaltung der Dinge überhaupt keine Rolle spielen. Dann wurde auch über die Saarfrage gesprochen. Der Herr Bundeskanzler hat hierzu schon kurz geantwortet. ({4}) Wir sind der Meinung, daß gerade die Saarfrage nicht durch Reden nach draußen, sondern durch außerordentliche politische Klugheit in internen Verhandlungen gelöst werden kann und gelöst werden muß. Deswegen haben wir unsererseits keine Veranlassung, uns hier an einer erneuten Saardebatte zu beteiligen. ({5}) Meine Damen und Herren, ich habe eingangs gesagt, daß Herr Kollege Ollenhauer zur sozialen und wirtschaftspolitischen Situation, die sich unter der vom Herrn Bundeskanzler geführten Regierung entwickelt hat, nichts ausgeführt habe. Ich möchte meinerseits diese Frage in einigen kurzen Streiflichtern zu behandeln, ({6}) Streiflichter übrigens auch in folgendem Zusammenhang: Wir bedauern es in der CDU/CSU außerordentlich, daß das Bundespresseamt bisher seiner Aufgabe zur Unterrichtung der Öffentlichkeit noch in keiner Weise gerecht wurde. ({7}) Wir haben den dringenden Wunsch, daß hier insbesondere durch einen Wechsel in der Leitung - in kürzester Frist eine Änderung herbeigeführt wird, nicht in dem Sinne, daß etwa das Bundespresseamt Parteipolitik macht und parteipolitische Auffassungen vertritt, wohl aber in dem Sinne, daß das Bundespresseamt die Bevölkerung über die tatsächlichen Verhältnisse und über die Entwicklung in der Bundesrepublik wahrheitsgemäß aufklärt und unterrichtet. Davon haben wir bisher - abgesehen von einzelnen größeren Denkschriften, die die meisten Leute nicht lesen können - leider nichts zu spüren bekommen. Wenn ich nun auf die wirtschaftspolitische und soziale Entwicklung unter der Leitung unseres Bundeskanzlers im Rahmen der Richtlinien der Politik zu sprechen komme, so darf ich folgenden Gedanken voranstellen. Unsere Wirtschaftspolitik verfolgt das Ziel, den sozialen Standard der breiten Massen unserer Bevölkerung zu heben. Daß wir hier im letzten Jahre in verschiedener Hinsicht Rückschläge erlitten haben, ist nicht unsere Schuld und vor allem nicht Schuld der sozialen Marktwirtschaft, sondern die Folge davon, daß, wenn Sie ({8}) es auch nicht wahrhaben wollen, seit der Koreakrise eine grundstürzende Änderung in der gesamten wirtschaftspolitischen Situation der ganzen Welt eingetreten ist. Meine Damen und Herren, wenn wir trotz dei Schwierigkeiten, die sich nach dieser Richtung hin immer wieder auftürmten, z. B. in der Entwicklung ({9}) unseres Außenhandels Zahlen zu verzeichnen haben wie die, daß wir im August 1948 für 223 Milliqnen DM exportierten, im August 1949 für 303 Millionen DM, im August 1950 für 751 Millionen DM und im August 1951 für 1 Milliarde 320 Millionen DM, dann scheint mir das ein Aufschwung in unserer wirtschaftspolitischen Situation zu sein, wie auch wir in den Regierungsparteien ihn uns vor zwei Jahren nicht hätten träumen lassen. ({10}) Wenn wir aus den Zahlen weiterhin entnehmen können, daß die Einfuhrziffern in der gleichen Zeit prozentual bei weitem nicht in gleicher Weise gestiegen sind und daß wir im zweiten Halbjahr 1948 nur 37 % unserer Importe durch Eigenfinanzierung bezahlen konnten, während wir im ersten Halbjahr 1951 bereits 83 % unserer Importe durch Eigenleistung finanzieren konnten, so scheint mir das ebenfalls eine Entwicklung zu sein, an der auch unsere Opposition nicht vorbeigehen sollte. Wenn man dann sagt: Ja, das ist auf die Marshallplan-Hilfe zurückzuführen und nicht auf Eure politische Arbeit!, meine Damen und Herren, dann müssen wir darauf antworten: Selbstverständlich ist uns die Marshallplan-Hilfe eine wichtige Hilfe bei unserer Arbeit gewesen. Aber wenn Sie hören, daß die Marshallplan-Hilfe im Marshallplan-Jahr 1948/49 nur 2,8 % und im Jahre 1949 nur 1,9 % des Sozialproduktes der Bundesrepublik finanziert hat, dann ergibt sich doch daraus, daß das Entscheidende durch die eigene Leistung der Arbeitnehmerschaft und der Wirtschaft des deutschen Volkes geschaffen worden ist. Demgegenüber haben England, Frankreich und Italien 1948/49 mit der Marshallplan-Hilfe 3,1 %, 4,9 % und sogar 5,5 % des Sozialproduktes finanzieren können. Ich hätte auch sehr gern einmal die Stellungnahme der Opposition zu der Tatsache der Erhöhung unseres Sozialproduktes in den letzten drei Jahren überhaupt gehört. Unser Sozialprodukt betrug 1949 83 Milliarden DM, 1950 92 Milliarden, ({11}) und wir kommen im Jahre 1951 auf über 100 Milliarden DM Sozialprodukt, also auf eine etwa 20 %ige Erhöhung des Sozialproduktes seit 1949. ({12}) Nun haben wir ja dieses vergrößerte Sozialprodukt wahrlich nicht etwa nur bestimmten Schichten des Volkes zugute kommen lassen, sondern wir haben dafür Sorge getragen, daß gerade die breiten Massen des Volkes an dieser Erhöhung des Sozialproduktes entscheidend beteiligt werden. ({13}) Ich hatte bereits heute nachmittag bei der Beratung des Besoldungsgesetzes Gelegenheit, Ihnen darzulegen, daß der Wochenverdienst der Industriearbeiterschaft von Juni 1948 bis Juni 1951 von 100 % auf 181 % gestiegen ist, daß also infolge der Steigerung des Sozialproduktes eine 80 %ige Erhöhung der Löhne möglich war. Ich hatte heute mittag weiter dargelegt, daß wir, wenn Sie die Ziffern für die Stundenlöhne nehmen, sogar auf eine Ziffer von 186 %, also eine noch höhere Zahl kommen. Das ist das, was für die schaffende Arbeitnehmerschaft, für die Industriearbeiterschaft geschehen ist und Gott sei Dank dank der Gestaltung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse geschehen konnte. Aber auch die notleidenden Schichten unseres Volkes, vor allem die 10 bis 11 Millionen Rentenempfänger, die wir auf den verschiedenen sozialen Sparten haben, sind an der Erhöhung des Sozialproduktes beteiligt worden, und zwar im Rahmen dessen, was überhaupt möglich war. Denn wenn wir im Jahre 1948/49 noch 4 Milliarden DM Sozialausgaben - damals in Bund, Ländern und Gemeinden - hatten, wenn diese Ausgaben im Jahre 1949/50 auf 6,9 Milliarden, im Jahre 1950/51 auf 8,3 Milliarden und im Jahre 1951/52 mit dem kommenden Nachtragsetat jetzt auf 9,2 Milliarden DM gestiegen sind, die Ausgaben für die notleidenden Schichten unseres Volkes sich also innerhalb von drei Jahren von 4 auf 9,2 Milliarden erhöht haben - dazu kommt noch die Soforthilfe mit 1,6 Milliarden! -, dann kann man wirklich nicht behaupten, daß wir das Schicksal der von der Kriegsfolgenot am härtesten Betroffenen etwa außer acht gelassen hätten. Wir bleiben bei der Forderung, daß eine weitere Erhöhung des Sozialprodukts in der Zukunft in erster Linie diesen Kreisen zugute kommen muß. ({14}) Nun weisen Sie, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang in der Propaganda draußen immer wieder auf die Preissteigerungen hin. Ich möchte noch einmal betonen, was bereits wiederholt von dieser Stelle ausgeführt wurde, daß es sich bei diesen Preissteigerungen um Preiserhöhungen handelt, die in der ganzen Welt viel stärker als bei uns - ich sage es noch einmal: in der übrigen Welt viel stärker als bei uns! - eingetreten sind, so daß gerade die geringere Preiserhöhung bei uns im Vergleich zu anderen Ländern der beste Beweis für die Richtigkeit unserer Politik der sozialen Marktwirtschaft sein dürfte. ({15}) Im übrigen, meine Damen und Herren, bitte ich, mir zu gestatten, Ihnen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten hier einmal eine Äußerung zur Kenntnis zu bringen, die der englische sozialistische Schatzkanzler Gaitskell vor einigen Wochen vor dem Gewerkschaftskongreß in England getan hat. ({16}) Das ist eine Rede, von der ich sagen möchte, daß sie wörtlich auch von unserem Wirtschaftsminister Erhard hätte gehalten werden können. Sie ist uns deswegen besonders interessant und wichtig, weil sie in einem Land mit sozialistischer Planwirtschaft mit genau demselben Wortlaut gehalten werden mußte. Schatzkanzler Gaitskell hat damals folgendes ausgeführt - zitiert nach der „Englischen Rundschau", einer offiziellen englischen Veröffentlichung, vom 8. 6. 1951 -: Die internationale Situation und die Aufrüstung in aller Welt brachten Preissteigerungen für Lebensmittel und Rohstoffe in einem Maß, daß Großbritanniens Einfuhr heute 40 % teurer ist als vor Jahresfrist. Ich glaube, die 40 % sind genau dieselbe Zahl, die der Herr Bundeswirtschaftsminister hier in diesen Tagen bezüglich unserer Nahrungsmittelimporte auch angeführt hat. Weder sei es für Großbritannien möglich, von einer Aufrüstung abzusehen noch die Bevölkerung vor einem Steigen der Lebenskosten völlig zu bewahren. Keinerlei einschneidende politische Maßnahmen, sondern vielmehr erhöhte Produktionsleistung und gesteigerter Export ({17}) könnten verstärkte inflationistische Erscheinungen verhindern und die Harmonie zwischen Löhnen und Preisen erhalten. Ich glaube, das haben ungefähr wörtlich die Herren Minister Erhard und Schäffer auch hier im Hause unter lebhaftem Widerspruch der Opposition erklärt. ({18}) Er - Herr Gaitskell setzte den Gewerkschaften in aller Deutlichkeit auseinander, daß weder die „Abschröpfung" der Reichen noch generelle Lohnerhöhungen eine Patentlösung bringen würden. Die Grenzen der wirtschaftlichen Tragfähigkeit direkter Steuern sei erreicht, - dort sind sie niedriger als bei uns! und durchgreifende Lohnerhöhungen würden nur zu weiteren Preissteigerungen führen, weil dem Inlandsmarkt im Zeichen der Notwendigkeit höheren Exports viele Waren nicht in größeren Mengen als gegenwärtig zugeführt werden könnten. Auch höhere Preissubventionen als gegenwärtig könne er nicht befürworten, weil dadurch der gesamte Etat aus dem Gleichgewicht gehoben werden würde. - Ich höre wörtlich wieder den Herrn Finanzminister Schäffer! Der Schatzkanzler empfahl den Gewerkschaften, sich bei Lohnforderungen zumindest zu mäßigen, scheute aber nicht davor zurück, gleichzeitig anzudeuten, daß sich eine weitere Verteuerung der Lebenshaltungskosten in den kommenden Monaten selbst dann nicht vermeiden lassen werde, wenn die Weltmarktpreise nicht weiter anziehen. ({19}) Und das, meine Damen und Herren, wie gesagt im sozialistisch-planwirtschaftlich regierten England! Und dann soll hier bei uns in der Bundesrepublik unsere Wirtschaftspolitik die Schuld daran tragen, daß die Verhältnisse hier ähnlich liegen. Meine Damen und Herren, ich darf mich auf diese wenigen Randbemerkungen zur wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Situation beschränken und mir nur noch den einen Hinweis erlauben, daß gerade bei der Beurteilung dieser Dinge immer wieder, wenn die Arbeitslosigkeitsfrage behandelt wird, die gewaltige Erhöhung des Arbeitskräftepotentials vergessen wird, die bei uns in Deutschland eingetreten ist. Das weiß ja leider kaum jemand draußen, daß wir im Juni 1948 13,9 Millionen Erwerbsfähige hatten - das sind also die Beschäftigten und die Arbeitslosen - und daß wir Ende Juni 1951 16 Millionen Erwerbsfähige hatten, also über 2 Millionen mehr als im Jahre 1948, ohne daß eine Steigerung der Erwerbslosenziffer inzwischen eingetreten wäre. Bekanntlich haben wir diesen ganzen Zugang an Arbeitskräften innerhalb unserer Wirtschaft dank unserer Wirtschaftspolitik verkraften und die Arbeitslosenziffer auf 1,23 Millionen ({20}) senken können. Ich glaube, meine Damen und Herren, daß es ganz nützlich ist, wenn man sich bei der Beratung des Haushaltsplanes des Bundeskanzlers, der die Richtlinien auch der Wirtschaftspolitik bestimmt, auch dieser Dinge einmal erinnert. Ich würde es wirklich ehrlich und herzlich begrüßen, wenn die Opposition bei nächster Gelegenheit endlich einmal den Mut fände, zu solchen sachlichen Tatsachen, wie ich sie Ihnen hier vortragen durfte, sachlich und nicht agitatorisch Stellung zu nehmen. Zum Abschluß ist es mir namens meiner Fraktion noch ein Herzensbedürfnis, unserem allverehrten Bundeskanzler, ({21}) der sich in seinem hohen Alter von früh bis spät für das ganze deutsche Volk plagt und müht, den heißen Dank der CDU zum Ausdruck zu bringen. ({22})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001933, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt, haben wir heute abend schon mehrfach vernommen. Ich unterliege trotzdem nicht der Versuchung, sämtliche denkbaren Richtlinien einer langen Erörterung zu unterziehen, sondern beschränke mich darauf, einige Bemerkungen über gewisse Grundzüge der Politik, die diesen Richtlinien zugrunde liegen, zu machen. Ich muß mich in diesem Zusammenhang mit den Dingen beschäftigen, die zunächst einmal von denen hier vorgetragen worden sind, die mit den Richtlinien nicht einverstanden waren oder die ihnen eine Deutung gegeben haben, die mir mit den Absichten der Koalition - insbesondere nicht mit den Ansichten und Absichten meiner Freunde - übereinstimmend scheinen. Meine Damen und Herren, neidlos stelle ich fest: Es ist wesentlich angenehmer, oppositionell zu sprechen; denn man hat ja die Möglichkeit, sich über alle Dinge auszulassen und selbstgefällig immer wieder festzustellen, daß dies oder jenes nicht geschehen ist. Man kann dabei wundervoll auf das etwas flüchtige Gedächtnis der Menschen speku- lieren. Viele haben heute vergessen, daß die Weltgeschichte nicht etwa 1945 oder gar mit der Gründung der Bundesrepublik angefangen hat und daß eben diese Bundesrepublik aus einer von vielen offenbar nicht mehr als aktuell empfundenen Vergangenheit Dinge hat übernehmen müssen und mit sich schleppen muß, die das Regierungsgeschäft weiß Gott sehr mühsam und sehr schwer machen. Ich glaube, das ist einmal in den Vordergrund zu rücken; j a, einige schlechte Gedächtnisse wieder an diese Tatsachen zu erinnern, scheint mir notwendig zu sein. Vor allen Dingen ist hervorzuheben, daß es im allgemeinen doch nicht zur wirtschaftlichen Einsicht gehört, den Konkursverwalter für Schäden und Mängel verantwortlich zu machen, die einstige Bankerotteure angerichtet haben, ({0}) also für die Dinge verantwortlich zu machen, die wir heute in Form von Nöten breiter Volkskreise mit uns herumschleppen, aber auch in der Form von Bindungen innerhalb einer gespaltenen Welt, zwischen großen Machtkomplexen im Osten und Westen, die sich in bedrohlicher Weise entzweien und gegeneinanderstellen. Wir stehen als Bundesrepublik dazwischen und müssen mühsam versuchen, für dieses deutsche Volk, das nach dem Zusammenbruch nun gespalten und geschwächt dasteht, allmählich wieder Leben zu gewinnen, ge({1}) wissermaßen Wiederbelebungsversuche zu machen, die Kräfte zu steigern und zu bewirken, daß es wieder schreiten kann. Ich will keine konkreten Maßnahmen und Erfolge im einzelnen hier erörtern; aber ist es nicht so, meine Damen und Herren, daß diese Schritte des Staates doch recht kräftig geworden sind, daß dieser Patient doch schon ganz tüchtige Atemzüge macht? Ich verzichte auf Details, aber man sollte dies nicht vergessen! ({2}) - Nein, nein, Herr Renner, das ist ein völliger Irrtum! Aber ich möchte mich mit Ihnen nicht unterhalten, nachdem der Sprecher, der von Ihrer Fraktion zu diesem Punkte gesprochen hat, mit einer solchen Serie von Auszügen aus dem Schimpfwörterlexikon operierte, daß mir allerdings der Geschmack insbesondere an der aus Ihrer Richtung kommenden Beratungsbereitschaft sehr weitgehend vergangen ist. ({3}) Neben der Spekulation auf das schlechte Gedächtnis gibt es nun noch die weitere Methode, Polemik zu machen, indem man die Sachverhalte vereinfacht. Das ist auch so eine schreckliche Sache, die wir übernommen haben: Wir hängen in einer unglaublich komplizierten Situation, in der ungeheuer verflochtene und verzweigte innere und äußere Bedingtheiten zu berücksichtigen sind, ehe man zu einer Entscheidung und zu einem Entschluß kommen kann. Es ist natürlich wundervoll, sich sein Urteil dadurch bequem zu machen, daß man die Flucht in die Vereinfachung antritt, daß man einige Ereignisse oder Erscheinungen des Vordergrundes isoliert betrachtet, sie gleichsam zum archimedischen Punkt befördert, an dem man seine ganze, ach so weltgeschichtliche Oppositionsentscheidung aufhängt. Eine solche Darstellungsweise ist verwerflich; denn sie ist im Grunde unrealistisch. Die Wirklichkeit, meine Damen und Herren, ist kompliziert. Nur wer die Verwickeltheit der Dinge in seine Betrachtungen hineinbezieht und nicht an einzelnen Symptomen herumkuriert, macht eine realistische Politik und stellt auch die Dinge wahrheitsgemäß dar. Eine Erscheinung, die wirklich sein mag, ist, aus dem Zusammenhang gelöst, noch nicht die Wahrheit; sondern die Wahrheit ist immer das Ganze einer Vielgestaltigkeit von Verwicklungen und Erscheinungen. ({4}) Eine andere Art der agitatorischen Auseinandersetzung ist eine Polemik in der Weise, daß man gegen Dinge polemisiert, die eigentlich gar nicht vorhanden sind, indem man dem politischen Gegner, in diesem Falle der Bundesregierung, Absichten unterstellt, die gar nicht vorhanden sind. Umso kräftiger zieht man gegen sie vom Leder. Dazu gehörte heute die Geschichte von der Politik der Vorleistungen, obwohl sie nie ausgesprochen, nie gefordert, nie getan worden sind. Dazu gehört die Geschichte *von der Saarerklärung, bei der man aus einer bestimmten Form der Behandlung einer bestimmten Note eine Zustimmung zu einer Auffassung erdichtet, die in einer bestimmten Erklärung der franzöischen Regierung enthalten gewesen ist. Nichts davon ist klar. Darüber aber herrscht doch wohl Klarheit, daß die Außenpolitik etwas Komplizierteres ist als einfach ein spontanes Reagieren auf irgendwelche Äußerungen. Auch in solchen Fragen wie die der Saar ist - ich glaube, in diesem Hause besteht über die Frage der Ansprüche, die , wir zu stellen haben, über die Forderungen und Erwartungen, die immer der Hintergrund unserer Haltung sind, überhaupt keine Meinungsverschiedenheit - der Blick sehr sorgfältig auf die verwickelten Zusammenhänge zu richten, die diese auch an sich einfach erscheinende Angelegenheit verwickelt machen. Ferner ist über die mangelnde Koordinierung des Kabinetts, über die mangelnde Koordinierung der Koalitionsparteien gespöttelt worden. Ich habe schon einmal früher an dieser Stelle erklärt, daß ja eine Regierungskoalition schließlich kein gleichgeschalteter Verein ist. In Wirklichkeit ist eine Koalition eine Summe von Individuen, oder man kann - nachdem das Wort von der Opposition in der Koalition gefallen ist - es auch eine Addition von Individualoppositionen nennen. Sie ist zugleich eine Integration, indem nämlich aus einer Reihe von Auseinandersetzungen sich eine bestimmte Einheitlichkeit der Grundauffassungen und der Entscheidungen im Einzelfall herausbildet. Und das ist in fast allen wesentlichen Dingen bisher der Fall gewesen. Und von ihr, meine Damen und Herren, ist doch im Grunde genommen die eigentliche staatliche Entwicklung der Bundesrepublik getragen worden. Denn was ist denn unsere Pflicht gewesen, seitdem wir hier zusammengekommen sind? Wir hatten eine ungeheure Fülle von Gesetzen zu machen. Der Staat war ja nicht mit dem Grundgesetz da. Im Grundgesetz waren nur ein paar Aufrisse, nach denen das staatliche Leben sich entwickeln soll. Davon ausgehend mußte die Fülle der konkreten Dinge gemacht werden. Es war nicht an eine Entwicklung der Vergangenheit anzuknüpfen. Es war ganz anders als in Weimar. Da machte man eine Verfassung, fuhr nach Berlin, und im Grunde genommen konnte man sich auf einen vorhandenen Apparat stützen, der weiterging. Hier war das nicht möglich, sondern die Apparatur mußte überhaupt erst errichtet werden. Es mußte eine Fülle von Gesetzen gemacht werden, die die auseinandergelaufene Rechtsentwicklung umkehrte oder anhielt. Es mußte die finanzielle Grundlage und aus ihr die Möglichkeit geschaffen werden, nun mit der Behebung der ungeheuer vielen Nöte und Mängel, die aus der Vergangenheit überkommen waren, zu beginnen. Wenn man die Dinge so sieht und in den geschichtlichen Zusammenhang rückt und dann die weltpolitische Situation würdigt, dann, glaube ich, hat man erst die richtigen Maßstäbe, um zu sagen, ob richtig, ob schlecht oder falsch gehandelt worden ist. Es ist hier eben von der Opposition ein Klagelied angestimmt worden, als man sagte: das wäre so schrecklich, daß man sich gar nicht bemühe, die Opposition zu verstehen. - Doch, meine Damen und Herren, wir haben sehr oft versucht, Sie zu verstehen; denn uns lag an diesem Verstehen. Wir waren der Meinung, daß zumindest in den Dingen der Außenpolitik eine gemeinsame Linie sein müßte und daß außenpolitische Maßnahmen und Geschehnisse niemals Gegenstand einer innerpolitischen Rivalität werden dürften. Das ist uns aber nicht möglich gewesen. Sehen Sie einmal: ich habe relativ früh mit politischer Betätigung angefangen und bemühe mich nun jetzt an die 40 Jahre im Sinne einer Demokratisierung des deutschen Lebens. Da haben wir sehr oft diesen Weg auch an der Seite der Sozialdemokraten beschritten. Ich muß Ihnen sagen, meine Damen und Herren, das ist heute in diesem Hause nicht mehr verständlich. Wir haben im Gegenteil das Gefühl, daß viel wichtiger als die ({5}) Idee der Demokratie bei ihnen der Wille geworden sei, alle Dinge irgendwie machtpolitisch zu sehen, ({6}) und daß hier aus einem Mißverstehen des Wesens der Macht in der Demokratie Haltungen und Handlungen entstehen, die letzten Endes von einer verhängnisvollen Wirkung für unser gesamtes staatliches Leben sind. ({7}) Wir sehen j a schon die ersten Wirkungen, indem sich nämlich anknüpfend an dieses Unmaß oppositioneller Kritik nun Bewegungen und Strömungen hervorwagen, die unzweideutig das Zeichen restaurativer Tendenzen an der Stirn tragen. Ich weiß nicht, ob das gut und klug ist, eine Form der innerpolitischen Auseinandersetzung zu betreiben, bei der letzten Endes die Republik in Gefahr gerät. Es kommt nicht nur auf die republikanischen Bekenntnisse an, sondern es kommt auf eine republikanische Haltung an, die aus dem Willen geboren sein muß, den Staatsgedanken höher zu stellen als die parteipolitische Macht. ({8}) Meine Damen und Herren, das sollte uns auch immer wieder veranlassen, alles zu vermeiden, was letzten Endes unsere Auseinandersetzung unnötig kompliziert. Ich habe eben gesagt: die Gefahr ist, daß man ein paar Details herausgreift und sein Urteil über die ganze Gegenwart an ein paar Äußerlichkeiten orientiert. Aber eine andere Gefahr liegt auch darin, daß man nämlich über unnötige Details redet. Ich glaube, wenn eben noch einmal die Frage angeschnitten worden ist, ob die republikanische oder die monarchistische Staatsform zur Debatte stehe, dann sind wir uns doch alle darüber klar, daß das nur ein Spiel mit Reminiszenzen ist, was bestenfalls dabei herauskommen könnte, aber niemals eine Erkenntnis, die für das deutsche Volk einen aussichtsreichen Weg in die Zukunft darstellt. Darauf kommt es letzten Endes an und nicht auf rückwärtige Orientierung, also auf eine verschiedenartige Vorstellung von dem, was in der Vergangenheit war. Es ist überhaupt immer wieder die Gefahr, sich auseinanderzureden, wenn man auf historische Betrachtungen kommt. Nichts ist umstrittener als eine wahrheitsgemäße geschichtliche Darstellung. Man kann nämlich die Ereignisse so wundervoll je nach Bedarf aneinanderreihen und deuten und dann zu diesem oder jenem Ergebnis kommen. Die Historie ist für die praktische Politik ein sehr, sehr fragwürdiges Instrument. Man kann gewisse negative Erfahrungen gelten lassen. Man kann sagen: man wiederholt bestimmte Dummheiten der Vergangenheit nicht. - Schön, meine Damen und Herren; einverstanden! Aber sind wir nicht im Begriff, bestimmte Dummheiten zu wiederholen, ({9}) - ja doch! -, gewisse Töne wieder zu erleben? Da weiß ich nicht, meine Damen und Herren auf der Linken, ob nicht manchmal bei Ihnen die Töne, namentlich wenn sie allmählich einen geradezu chauvinistischen Charakter anzunehmen drohen, auf einem falschen Geschichtsbild, oder wie Sie das nennen wollen, beruhen. Ich habe bisher nicht an die Seelenwanderung geglaubt; aber wenn ich manchmal gewisse Töne aus Ihren Reihen höre, dann habe ich das Gefühl, als wenn etwa der unselige Helfferich wieder lebendig geworden sein könnte. ({10}) Ich möchte nur nicht, daß diese Töne und die Zuspitzung der Leidenschaften im innerpolitischen Leben dann wieder zu Ergebnissen führten, die wir schon einmal durchgemacht haben. So ergibt sich bei all diesen Betrachtungen hier immer wieder nicht nur die Bewertung der konkreten Details, sondern wir müssen zu gleicher Zeit die Grundzüge der Entwicklung sehen. Wir stehen alle in der Gefahr, uns hier fortgesetzt in Einzelheiten zu verlieren, weil wir täglich zu einer solchen Fülle von praktischen Entscheidungen Stellung nehmen müssen. Aber wir dürfen doch den Blick auf die großen Zusammenhänge nicht verlieren. Meine Freunde und ich sind der Überzeugung, daß wir dann, wenn wir in einer ebenso eigenwüchsigen wie kritischen Beteiligung an dieser Koalition mitwirken, einer Aufwärtsentwicklung des deutschen Volkes dienen. ({11})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden als letzter zu diesem Punkt der Tagesordnung gemeldeter Redner. von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde hier mehrfach die Art der Regierung durch den Herrn Bundeskanzler kritisiert. Ich stelle zu meiner Freude fest, daß der Herr Bundeskanzler in seiner ganzen Art, wie er die Dinge macht, absolut konservativ geblieben ist. Als Oberbürgermeister von Köln ({1}) hatte der Herr Bundeskanzler einen Magistrat, der immer das machte, was er wollte, und er hatte außerdem eine absolut sichere Zentrumsmehrheit; in diesem Falle hat er die Regierungskoalition, die letzten Endes trotz gewisser Scheingefechte doch immer noch das macht, was er angibt. ({2}) Die Art, wie der Herr Bundeskanzler diese Regierungsform „betreibt", nötigt mir schlechthin Hochachtung und Bewunderung ab. ({3}) Dies ändert aber nichts daran, daß manches, was er macht, nun weder meine Hochachtung noch meine Bewunderung finden kann. ({4}) Meine Damen und Herren! Durch den Herrn Bundeskanzler ist auf die Zeitung als Orientierungsmittel hingewiesen worden. Die Sozialdemokratie wird wenigstens gelegentlich noch durch Herrn McCloy orientiert; ich kann mich nur auf Zeitungen, Kommuniques und ähnliches stützen, wenn ich die Politik des Herrn Bundeskanzlers irgendwie, sei es kritisch oder zustimmend, betrachen will. Das Ziel, das der Bundeskanzler zu verfolgen scheint und das zu erreichen er offenbar gewillt ist, sämtliche Rückschläge, die auf ihn zukommen, in Kauf zu nehmen, ist die Eingliederung der Bundesrepublik in die westlichen Gemeinschaften. Mit anderen Worten: Eingliederung der Bundesrepublik in die amerikanische Konzeption der globalen Aufrüstung und Strategie gegenüber Sowjetrußland. Das ist wohl der entscheidende Faktor. Frankreich und England sind da von untergeordneterer Bedeutung. ({5}) Nun, meine Damen und Herren, wenn die Bundesrepublik in diese klare Konzeption Amerikas eingebaut werden soll, dann hat der andere Teil außerdem das Bestreben, uns seinen Zielen nutzbar zu machen. Die Ziele, für die man uns einsetzen möchte, scheinen mir allerdings nicht das unbedingt Richtige für uns zu sein. Der Herr Bundeskanzler hat meines Erachtens im vorigen Jahre, und zwar in den ersten Septembertagen, recht falsch gehandelt, als er - das hatte eine recht erhebliche Kabinettskrise im Gefolge; Herr Kunze, auch wenn Sie sich vor die Brust schlagen, ich muß es sagen! - unseren größten Trumpf, nämlich unser Menschenpotential, vorzeitig ausgespielt hat. Die anderen haben es ihm meines Erachtens auch sehr schlecht gedankt. Der Herr Bundeskanzler möchte die deutsche Souveränität haben. Schön; ich habe volles Verständnis auch dafür, daß er aus der Rolle, die er als Bundeskanzler gegenüber den Hohen Kommissaren spielen muß, herauskommen will. Trotzdem aber scheint es mir im Augenblick so zu sein, - ({6}) - gewiß, es ist etwas anderes, aber es sind nur graduelle Unterschiede! -, daß die Souveränität uns nicht gegeben wird; vielleicht eine Scheinsouveränität, bei der wir, anstatt Diktate entgegenzunehmen diktatähnliche Verträge unterschreiben dürfen. Die augenblickliche Linie des Westens scheint zu sein, daß man uns einerseits benutzen, sich aber andererseits auch gegen uns sichern möchte. Beides ist nicht vereinbar. Ich habe hier drei Meldungen ernsthafter, ernst zu nehmender Zeitungen von einem Tage vor mir. Hier wird geschrieben, Herr Bundeskanzler, ({7}) daß Briten und Amerikaner sagen, die Forderungen in der Frage der deutschen Souveränität hätten die Grenze möglicher alliierter Zugeständnisse überschritten. Weiter wird gesagt, es gebe eben in diesem Handeln um die Souveränität gegenüber den Forderungen der Bundesrepublik gewisse Grenzen, wo nach Auffassung der britischen, französischen und amerikanischen Regierung das Handeln aufhöre. ({8}) - Ich nehme ja nur zu den Dingen Stellung, wie sie sich hier von amerikanischer Seite zeigen, und meine Auffassung dazu ist die, daß es in der Frage der Souveränität kein Handeln geben kann. ({9}) - Hören Sie mir doch bitte zu! ({10}) - Was ist eine Zumutung? Es ist absolut lächerlich, hier mit Zurufen zu operieren, wenn man dem Redner nicht zuhört. Ich höre Ihnen ja auch zu! ({11}) Ich glaube, daß die augenblickliche Linie des Herrn Bundeskanzlers nur einen Effekt, den aber ganz sicher, haben wird: daß nämlich die Reste Deutschlands, die westlich der Oder-Neiße-Linie liegen, in der nächsten Zeit ad infinitum geteilt werden, und zwar auf der Linie des Eisernen Vorhanges. Ich bin der Überzeugung, daß, wenn wir den Kurs, den der Herr Bundeskanzler fahren möchte, mitfahren, wir uns mitschuldig daran machen, ({12}) daß eine Wiederherstellung einer deutschen Einheit in Freiheit, wie es immer so schön heißt, auf absehbare Zeit, nein auf unabsehbare Zeit absolut unmöglich gemacht wird, indem wir nämlich dem westlichen Block unter der Regie Washingtons eingegliedert werden und das, was östlich von Helmstedt liegt, der Regie des Kreml ad infinitum untergeordnet wird. ({13}) - Wie. ich es machen will? ({14}) - Eine Minute habe ich noch! ({15}) Ich will Ihnen nur noch folgendes sagen, und ich bin der Auffassung, daß wir uns über diesen Punkt morgen zu unterhalten haben werden. Die Bundesregierung hat sich bisher zu sehr von den Westmächten ziehen lassen, anstatt den Westmächten plausibel zu machen, daß die Chancen des Westens in seiner Gesamtheit ({16}) - ich möchte nur den Nebensatz zu Ende bringen ({17}) absolut gekoppelt sind mit der Frage, ob wir es hier erreichen, die Gegensätze nicht mehr zu verschärfen, sondern in unserem und im Weltinteresse auszugleichen. Morgen werden wir das näher begründen und erläutern. ({18})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren! Inzwischen hat sich Herr Abgeordneter Dr. Richter zum Wort gemeldet. ({0}) Dr. Richter ({1}) ({2}): Meine Damen und Herren! Die Außenpolitik, die hier heute immer und immer wieder behandelt wurde, wird meiner Ansicht nach von einem Problem beherrscht: dem des Einbaues Deutschlands in eine Konzeption, die nicht den deutschen Interessen entspricht, nämlich in die westliche Konzeption. ({3}) Die Propaganda, die im großen Maße hier betrieben wird, soll auf der einen Seite durch eine Angstpsychose, die man hervorruft und die ganz besonders von denen hervorgerufen wird, die sich noch vor gar nicht allzu langer Zeit als diejenigen zeigten, die mit allen Mitteln dem deutschen Soldaten jede Ehre abstritten, eines erreichen: ein willenloses Folgen in einer Linie, die nicht unsere Linie sein kann. Eine ähnliche Politik, nur mit einem anderen Vorzeichen, treibt der Osten, der plötzlich in Frieden macht, der so tut, als ob er mit seiner Friedenspropaganda dem deutschen Volke einen großen Dienst erwiese, und der meiner Überzeugung nach dem deutschen Volk dadurch einen wirklichen Dienst erweisen könnte, daß er endlich die Hunderttausende deutscher Kriegsgefangener entlassen würde. Wenn wir uns nach der bedingungslosen Kapitulation und der darauf folgenden Morgenthau({4}) Politik heute einmal überlegen, warum die Vereinigten Staaten auf einmal ein so großes Interesse an Deutschland und überhaupt an Europa haben, so ergibt sich der einfache Grund, daß sie genau erkannt haben, in Asien können sie nicht zu dem entscheidenden Zug kommen, sie müssen dort die gesamte US-Wehrmacht einsetzen, die sie dann vielleicht in großen Räumen verlieren würden, hinter denen immer noch Rußland als sogenannte „neutrale" Macht stehen könnte, um den entscheidenden Schlag doch noch führen zu können. Auf der anderen Seite müssen wir uns darüber klar sein, daß neben Amerika allmählich auch England erkennt, welchen Wert Deutschland hat, England, das soeben durch den persischen Ministerpräsidenten und durch das persische Parlament, durch das persische Volk aus Abadan hinausgesetzt wurde, worauf nunmehr ein weiterer Schritt in Ägypten folgte. Beide Schritte zeigen klar und deutlich, welche Schwäche das perfide Albion heute zeigt, ({5}) jenes England, das bisher nichts anderes gewesen ist als ein Ausbeuter - ({6})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter, ich darf bitten, die gute Übung dieses Hauses zu beachten, daß man beleidigende Äußerungen unterläßt, auch im Hinblick auf andere Völker und auf Personen, die nicht im Hause anwesend sind. ({0}) Dr. Richter ({1}) ({2}): Ich möchte darüber hinaus darauf hinweisen, daß diese Länder letzten Endes doch aus ihrer eigenen Sorge, aus ihrer eigenen Not heute überall da, wo sich nur irgendeine Gelegenheit bietet, versuchen, plötzlich einen großen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen, einen Strich, den man auf deutscher Seite meiner Überzeugung nach nicht ziehen darf und kann, ohne die Ehre Deutschlands aufs Spiel zu setzen. ({3}) Dieser Strich kann deshalb nicht gezogen werden, weil heute noch zahlreiche Deutsche, vom Feldmarschall bis zum Gefreiten, in Gefangenschaft sitzen, angeklagt wegen angeblicher Verbrechen, deretwegen zahllose Engländer und Amerikaner, vor allem auch in Korea, hätten angeklagt werden müssen. ({4}) Wenn man heute von einer Verteidigung dieses Raums spricht, dann doch nur aus der Erkenntnis, daß für die Verteidigung dieses Raums Deutschland von entscheidender Wichtigkeit ist, aber nicht etwa, um verteidigt zu werden, sondern um Schlachtfeld, um Kampfplatz zwischen Ost und West zu werden. ({5}) Und mit wem will man diesen Raum verteidigen, etwa mit Menschen, denen der Landeskommissar der USA, Dr. Shuster, einmal vorgehalten hat, daß ihre eidgebundene Haltung „eine Sünde gegen das deutsche Volk" gewesen ist? Ich glaube, so geht es nicht. Man wird einen anderen Weg finden und einschlagen müssen. Das ist der Weg, sich aus den Kräften Ost und West herauszuhalten, um wirklich in der Lage zu sein, eine deutsche Politik treiben zu können. Zum Schluß möchte ich nur noch auf einen Punkt hinweisen; denn meine Redezeit ist zu Ende. ({6}) - Sie könnten noch allerhand lernen, wenn ich weiterfahren würde. ({7}) Darauf können Sie sich verlassen. ({8}) Ich möchte auf die Bemerkung hinweisen, die vorhin Herr Kollege Ewers gemacht hat. Herr Kollege Ewers hat vorhin gesagt, daß Herr Ollenhauer, wenn er Reden von Ministern zitiert, sich nicht auf die trübe Quelle-so sagte er -der amerikanisch lizenzierten „Neuen Zeitung" berufen sollte. Herr Kollege Ewers hat kürzlich als Berichterstatter des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität hier die Aufhebung meiner Immunität auf Grund einer Klage des Herrn Bundeskanzlers beantragt, die sich ebenfalls auf die „trübe Quelle dieser amerikanisch lizenzierten Zeitung" bezogen hat, wozu ich dem Herrn Bundeskanzler nur gratulieren möchte. ({9})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Einzelbesprechung der zweiten Beratung. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses auf Drucksache Nr. 2603. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag des Ausschusses ist angenommen. Ich gehe über zu: Einzelplan IVa - Haushalt des Auswärtigen Amts - ({0}). Der Bericht ist, wenn ich richtig unterrichtet bin, bereits erstattet. Ich schlage Ihnen vor, daß die mit der Beratung dieses Haushalts zu verbindenden Anträge ebenfalls begründet werden, zunächst der Antrag der Fraktion der FDP betreffend Wegnahme der bundeseigenen, im Auslande gelegenen Dienstgebäude des ehemaligen Auswärtigen Dienstes ({1}). Soll der Antrag jetzt begründet werden? ({2}) - Herr Abgeordneter Dr. Pfleiderer wird den Antrag im Rahmen der Aussprache begründen. Zu diesem Antrag liegt ein Änderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 329 vor. Ich nehme an, daß er auch im Rahmen der Aussprache begründet werden soll. Ferner liegt hierzu vor der Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend Beschlagnahme deutschen Auslandsvermögens ({3}). Darf ich annehmen, daß Herr Fürst zu Oettingen-Wallerstein den Antrag ebenfalls nachher begründet? - Ebenfalls. Ferner steht im Zusammenhang damit auf der Tagesordnung die Beratung des Antrags der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Ungehinderter Verkehr mit den politischen Gefangenen der Besatzungsmächte. Wann wird dieser Antrag begründet? ({4}) - Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz bitte! Dr. von Merkatz ({5}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte unserem Antrag nur eine ganz kurze Begründung geben. Ich habe nicht die Absicht, im Rahmen dieser Begründung zu dem sehr tiefgreifenden Problem der Kriegsverbrechen Stellung zu nehmen. Ich darf darauf hinweisen, daß beispielsweise im Gefängnis von Werl drei Kategorien von Gefangenen leben, erstens notorische Kriegsverbrecher, die vor jedem deutschen Kriegsgericht eine Verurteilung erfahren hätten, zweitens Menschen, die unter einem Strafmaß leiden, das weit über die zu vertretende Schuld hinausgeht, d. h. Deutsche, die bereits für ihre Taten gebüßt haben, und drittens eine Gruppe von Menschen, bei denen der Verurteilung fehlerhafte oder zweifelhafte Gerichtsverfahren zugrunde liegen. Ich habe also nicht die Absicht, zu diesen verschiedenen Problemen Stellung zu nehmen. Ich glaube aber, daß es eine politische Pflicht der Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften ist, d. h. nicht nur des Bundestages, sondern auch der Landtage, sich dieser Fragen anzunehmen. Das zu erreichen, ist der Sinn und das Ziel unseres Antrages. Da es sich nicht nur um Fälle und Beanstandungen hinsichtlich des Gerichtsverfahrens und des Strafprozesses, sondern zugleich um eminent politische Tatbestände handelt, glauben wir, daß es wesentlich sein wird, dem Abgeordneten sein Recht zuzugestehen, diese Deutschen zu besuchen, er darf nicht durch Hindernisse, die von der Gefängnisverwaltung 'gemacht werden, von der Ausübung des Rechtes auf Information und Aussprache ausgeschlossen werden. Wir sind davon überzeugt, daß das von uns für die Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften geforderte Recht sich nicht aus der Prozeßordnung unmittelbar begründen läßt. Es handelt sich aber auch nicht um Prozesse, die nur nach den Maßstäben der Prozeßordnung beurteilt werden können. Die Sachverhalte lasten immer noch auf unserem Volke. Sie müssen hinweggeräumt werden. Im Interesse Deutschlands und der Welt muß es zu einer Klärung kommen. Eine wesentliche Förderung würde es bedeuten, wenn die Möglichkeit der Aussprache zwischen den Mitgliedern der gesetzgebenden Körperschaften und diesen Gefangenen, die wir nach der Gesamtheit der Umstände als politische Gefangene bezeichnen müssen, gegeben wäre. Wir bitten das Hohe Haus, diesem Antrag, den wir nicht im Interesse einer Partei gestellt haben, und den wir auch nicht als propagandistisches Element zu werten bitten, die Zustimmung zu geben. ({6})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, die Anträge sollen jetzt nicht einzeln diskutiert werden. Wir wollen die Begründung vorwegnehmen und dann im Rahmen der Gesamtaussprache auch diese Anträge mitbehandeln. Herr Abgeordneter Dr. Etzel wünscht entgegen der eben geäußerten Meinung, den Antrag Nr. 2549 der Drucksachen auch zu begründen. Bitte schön! Dr. Etzel ({0}) ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nicht einen Sündenspiegel, ein Sündenregister dessen, was leider geschehen ist, hier aufmachen, auch nicht einen Leitfaden dafür zu geben versuchen, wie es nicht gemacht werden soll. Ich will weder die leidvolle, demütigende Sache mit der Saar hier auftischen noch von der erdrückenden Höhe der Besatzungskosten und der schweren Zwangsauflage des Kohlenexports und der Kohlenexportpreise sprechen, mich auch nicht über die Einmischung der Besatzungsmacht in die deutsche Rechtsprechung oder über die Außerkraftsetzung der soeben verabschiedeten Bestimmungen über Landesverrat für westliche Informanten, wie man so schön euphemistisch sagt, und über die Aufrechterhaltung der Produktionsverbote verbreiten. Ich will auch nicht näher die tragische 'Diaspora der deutschen Wissenschaftler, Forscher und Techniker schildern, die in fremden Diensten für fremde Zwecke arbeiten müssen, und möchte es mir versagen, im einzelnen auf die Wegnahme der Ergebnisse der deutschen Forschungsarbeit und Erfindungskraft der deutschen Patente einzugehen. Aber ich muß doch darauf hinweisen, daß bereits 1947 Stafford Cripps die Gesamtheit der deutschen Patente vor der britischen Industrie ausgebreitet hat und daß soeben die auf 29 Mikrofilmen aufgenommene, über 57 000 Karten umfassende Zentralkartei der IG-Farben, die die Forschungsergebnisse und die Geheimnisse der deutschen chemischen Fertigung der Weltmarkt-Markenartikel birgt, der britischen chemischen Industrie zugänglich gemacht wird. Ich beschränke mich auf das Schicksal der deutschen Auslandsvermögen, zu denen auch die 1945 durch das Besatzungsgesetz Nr. 53 bei den Landeszentralbanken zusammengezogenen und als Devisen gesicherten, neuerdings aber unter Berufung auf das Kontrollratsgesetz Nr. 5 und das HICOMGesetz Nr. 63 den deutschen Besitzern entschädigungslos weggenommenen, auf ausländische Währung lautenden Wertpapiere gehören. Am Vorabend der internationalen Konferenz über die deutschen Auslandsschulden hatte die alliierte Oberkommission eine Bitte der Bundesregierung um Erwirkung eines Liquidationsstopps rundweg abgelehnt. Die Antwort der Besatzungsmacht war die Fortführung der Veräußerung deutscher Vermögenswerte im Ausland wie der englischen Siemens-Gesellschaft, der italienischen RobertBosch-Gesellschaft, des deutschen Botschaftsgebäudes in Washington, der Villa Wolkonsky, der Villa Bonaparte in Rom, der Villa Crispi in Neapel und anderer. Das alles geschah unter dem Rundhorizont des Europarates und des Schumanplans im Angesicht der Proklamation über die Beendigung des Kriegszustandes gegenüber Deutschland und der Forderung nach einem westdeutschen Verteidigungsbeitrag. Wir wollen freimütig bekennen, was ein vergangenes deutsches System gefehlt und zu verantworten hat, und nicht verheimlichen, daß Hitler beispielsweise die von ihm beschlagnahmte Berliner Sowjetbotschaft in ein deutsches Amt verwandelt hat. Aber ich darf mich vielleicht für berechtigt halten, darauf zu verweisen, daß nicht Deutschland die Beschlagnahme von Privateigentum im Krieg oder nach dem Kriege erfunden hat, daß es vielmehr die Alliierten waren, die die Enteignung des Privatbesitzes in die Geschichte des 20. Jahrhunderts eingeführt haben. Sie taten es. bereits im ersten Weltkrieg und unmittelbar nach seinem Ende, nahmen überall im Ausland deutsche Unternehmen, deutsche Schiffe, deutsche Häuser, deutsche Besitztitel weg und überantworteten die Besitzer der Armut. In und nach dem zweiten Weltkrieg wurden von den Alliierten sogar neutrale Staaten gezwungen, das Eigentum der deutschen diplomatischen Vertretungen mitsamt dem Porzellan zu verkaufen. Welch ein Sturz in die Tiefe gegenüber dem hohen Stand der Gesittung, Zivilisation und Rechtsethik des vielgeschmähten ({2}) 19. Jahrhunderts, auf das die hochmütige Barbarität des 20. Jahrhunderts glaubt geringschätzig herabblicken zu können! Damals war nicht nur die Person des Gesandten oder Botschafters, sondern mehr und mehr auch das Gebäude unverletzlich, in dem er wohnte oder amtierte. Wie weit sich die Alliierten von dem früher geheiligten und in der internationalen Landkriegsordnung verankerten Grundsatz der Achtung des Privateigentums entfernt haben, wird ersichtlich, wenn man sich daran erinnert, daß die Amerikaner nach dem ersten Weltkrieg den deutschen Besitz von Wertpapieren respektiert und sogar die Nachholung der Zahlung von Zinsen und Dividenden für die Kriegsjahre erlaubt haben. Als sich England und Frankreich vor fast einem Jahrhundert in einem mörderischen Krieg mit Rußland, im Krimkrieg, befanden, verfügte die russische Regierung die Weiterentrichtung der Zinsen für die von britischen und französischen Geldgebern gezeichneten, übernommenen und aufgebrachten Anleihen. Und es gab kein Aufsehen deswegen; so selbstverständlich war die Achtung vor Eigentum und Schuldtitel. Erlauben Sie mir noch den Hinweis, daß die Felddienstordnung, welche die deutsche Armee des ersten Weltkrieges im Tornister oder Offiziersgepäck mit sich führte, auch die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung über den Schutz des Privateigentums enthielt, die so einen integrierenden Bestandteil derselben bildete. Das Besatzungsregime verwehrt uns, anerkannte und unverbrüchliche Grundsätze des Naturrechts und des Völkerrechts anzurufen. Nach Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 13 der alliierten Oberkommission darf kein deutsches Gericht eine Entscheidung fällen, welche die Gültigkeit oder Rechtmäßigkeit eines Gesetzes, einer Verordnung, Richtlinie, Entscheidung oder Anordnung verneint, die durch die Besatzungsbehörden verkündet oder sonst veröffentlicht worden ist. Auf der anderen Seite haben die Alliierten darauf gedrungen, daß in das Grundgesetz eine Bestimmung - es ist der Art. 25 - aufgenommen wird, wonach die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Elemente des Bundesrechts sind, den Gesetzen vorgehen und Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes begründen. Zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehören aber eben auch der Schutz und die Respektierung des Privateigentums im Kriege. Die Besatzungsmächte haben Restitutionsgesetze erlassen, um die Entziehung jüdischer und gleichgestellter Vermögenswerte im „Dritten Reich" rückgängig zu machen, und die gleichen Besatzungsmächte treffen Verfügungen, welche zu dem in dieser Rückerstattung zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Unverletzlichkeit des Privateigentums in einem scharfen und schroffen Gegensatz stehen. Welches Volk soll sich in einem solchen Dickicht und Wirrwarr unvereinbarer Widersprüche noch zurechtfinden können! Die Vorschriften des neuen alliierten Gesetzes Nr. 63 bestätigen die Maßnahmen, die auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 5 seit 1945 und auf Grund der in den alliierten Staaten erlassenen Gesetze sowie der interalliierten Vereinbarungen durchgeführt worden sind, und legen die Unanfechtbarkeit dieser Maßnahmen fest. Zugleich enthält das Gesetz die Legalisierung der vollzogenen Reparationen und Restitutionen. Auf Einzelheiten des Gesetzes kann ich hier nicht eingehen, auch nicht auf die Erläuterungen, welche die Oberkommission zu dem Gesetz veröffentlicht hat. Tatsache ist, daß es den Grundsatz der Unantastbarkeit des Privateigentums völlig ignoriert. Wiederum liegt ein Fall vor, wo Kriegsfolgen auf einzelne Bürger und Bürgergruppen abgewälzt werden, die enteignet werden, während doch die Verantwortung bei der Gesamtheit liegt. Die alliierten Gesetzgeber werden sich hoffentlich keiner Täuschung darüber hingegeben haben, daß durch die Wegnahme und Liquidierung des deutschen Auslandsvermögens die Möglichkeiten zur Bezahlung der deutschen Auslandsschulden vermindert werden. Der Grundsatz der Unantastbarkeit des Privateigentums ist Bestandteil des Gedankengutes der westlichen Welt. Indem ihm die Alliierten in einer so flagranten Weise entgegenhandeln, verleugnen und verlassen sie den Ausgangspunkt und das Fundament ihrer Politik. Sie arbeiten gegen sich selbst. Sie zerstören im deutschen Volke den Glauben an das Recht endgültig. Eine der wesentlichen Ursachen der großen Vertrauenskrise unserer Zeit ist der brüske Gegensatz zwischen dem, was wir verkündigen, und dem, was wir tun. Hier beginnt der Bereich der Psychologie, die bekanntlich gleichwohl nicht ins Feuilleton gehört, sondern ein Grundpfeiler der Politik ist und nicht ungestraft mißachtet oder vernachlässigt wird. Wenn die Bundesregierung klug, entschlossen und unnachgiebig den Alliierten gegenüber für die Rückkehr zu den Prinzipien der Unverletzlichkeit des Privateigentums eintritt, wird sie nicht nur, wie wir annehmen, an dem Bundestag, sondern an der gesamten Bevölkerung einen starken Rückhalt haben. Sie wird nicht nur für ein deut s c h es Anliegen, sondern für ein Anliegen der Zivilisation überhaupt streiten. Darum bitten wir sie; das erhoffen wir von ihr. ({3})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Zur Begründung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache Nr. 2577 hat das Wort der Abgeordnete Erler. Erler ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist heute das zweite Mal, daß das Hohe Haus in voller Öffentlichkeit zu dem Problem der sogenannten Deutschen Dienstgruppen bei den Besatzungsmächten Stellung nimmt. Einen kleinen Fortschritt können wir begrüßen. Als wir uns das letzte Mal anläßlich einer sozialdemokratischen Interpellation über dieses Thema hier unterhielten, wurde die Interpellation von dem Herrn Staatssekretär des Bundesministers der Finanzen beantwortet, und im übrigen war die Ministerbank leer. Heute behandeln wir dieses Thema dort, wo es hingehört. Wir behandeln es bei dem Haushalt eines politischen Ministeriums, beim Haushalt des Außenministeriums. Der Herr Bundeskanzler ist anwesend und kann endlich einmal von der politischen Bedeutung Kenntnis nehmen, die jedenfalls wir - ich hoffe aber auch, Sie alle miteinander - dieser Frage zumessen. Insofern begrüße ich den Fortschritt, der darin liegt, daß wir die Frage jetzt auf die politische Ebene gebracht haben. Niemand von uns leugnet, daß die Anwesenheit der Besatzungstruppen in Deutschland zwangsläufig einen erheblichen Bedarf an Arbeitskräften mit sich bringt. Niemand von uns leugnet, daß es billiger ist, wenn diese Arbeitskräfte Deutsche sind und nicht auch noch fremde Staatsangehörige, die vielleicht noch mit ihren Familien nach Deutschland kommen und hier aus dem Konto der Besatzungskosten unterhalten werden müssen. Das alles wird nicht bestritten. Wenn wir schon einmal ({1}) davon hören, daß die Besatzungstruppen in Deutschland keine reinen Besatzungstruppen mehr seien, sondern auch einen Sicherheitsfaktor für die Bundesrepublik darstellten, dann müssen wir auch zugeben, daß es selbstverständlich besser ist, wenn bei diesen Besatzungstruppen möglichst viel Kombattanten und möglichst wenig Hilfskräfte anderer, untergeordneter Art sind. Es ist also durchaus verständlich, daß sich die Besatzungstruppen für einfache Hilfsleistungen Deutscher bedienen. ({2}) Aber in welcher Form? Warum muß der Chauffeur, warum muß der Mann, der in einem Lebensmittellager Mehl abwiegt, warum muß derjenige, der Transporte ausführt, nun unbedingt in die Form einer echten militärischen Hilfstruppe gekleidet werden? Es hat doch bisher bei den Besatzungsmächten Dienstleistungen in einem zivilen Arbeitsverhältnis gegeben. Warum hat man das, beginnend in der amerikanischen Zone, übergreifend auf die englische Zone und neuerdings auch in der französischen Zone, von Grund auf geändert? Es handelt sich bei dem Dienstpersonal der Besatzungsmächte - ich spreche hier nicht von den Köchen und von den Stubenmädchen, sondern es handelt sich um ganz andere Formationen - in Wahrheit nicht um eine echte Freiwilligkeit. Es handelt sich um die Ausbeutung der sozialen Notlage von Heimatvertriebenen, von Menschen in zahlreichen deutschen Gebieten, die sonst der Arbeitslosigkeit anheimfallen würden. Dann gibt es ja noch kluge deutsche Behörden, die demjenigen, der zu einer solchen Truppe vermittelt wird, die Arbeitslosenunterstützung entziehen, wenn er diesen Arbeitsplatz nicht annimmt. ({3}) Dann gibt es noch Behörden, die der Meinung sind, daß man die Zahlung der Arbeitslosenunterstützung verweigern kann, wenn jemand nach Aufklärung über den echten Charakter der Dienstgruppe, der er jetzt angehört, sagt: Unter diesen Umständen bin ich kein ziviler Arbeiter mehr; zu einer militärischen Dienstleistung fühle ich mich weder verpflichtet noch berechtigt; ich quittiere den Dienst. Dann heißt es: Nach § 93 AVAVG steht unter diesen Umständen dem Mann kein Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung zu. ({4}) Herr Bundeskanzler, das ist die Meinung, die der zuständige Sachbearbeiter des Bundesarbeitsministeriums vertritt, ({5}) ganz im Gegensatz etwa zu den ausgezeichneten Darlegungen des Sozialministers in Niedersachsen, der schon längst zu der Erkenntnis gekommen ist und sie durch die Arbeitsämter praktizieren läßt, daß es in diesen Fällen keine Sperrfrist gibt und der Betreffende den Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung wahrt. Ich darf daran erinnern, daß die Dinge auch in der französischen Zone jetzt sehr aktuell werden. Der Rechtspflegeausschuß des Landtags des Landes Baden, eines Landes, von dem der Herr Bundeskanzler nicht behaupten kann, daß es etwa von den Freunden der Sozialdemokratischen Partei regiert würde, hat einen Beschluß gefaßt, der sehr interessant ist. In diesem Beschluß wird die Regierung ersucht, dafür zu sorgen, daß die Arbeitsämter künftig keine Arbeitsuchenden als kasernierte Arbeitskräfte für den Einsatz im ahmen militärischer Maßnahmen vermitteln. Die soziale Stellung der in Frage kommenden Deutschen ist völlig ungeklärt. Es gibt keinen ausreichenden Schutz bei einem Unfall, bei einem Todesfall; es gibt keinen Schutz gegen Ansprüche, die aus Haftpflicht entstehen können. Schließlich handelt es sich eben entgegen der Darstellung, die manchmal gegeben wird, bei diesen Einheiten nicht um eine reine Wach- und Schließgesellschaft. ({6}) Ich gebe zu, es ist örtlich verschieden, und nicht nur örtlich, sondern auch innerhalb der Besatzungszonen. Es handelt sich hier um Einheiten, die nach den verschiedensten Grundsätzen regiert und verwaltet werden. Aber im allgemeinen handelt es sich um kasernierte Formationen unter deutschen Offizieren mit nach Zonen sehr stark wechselndem Drill, mit Unterstellung unter die Militärgerichtsbarkeit der betreffenden Besatzungsmacht und sogar mit Teilnahme an Manövern. ({7}) Wir haben schon einmal über die Manöverfrage gesprochen. Inzwischen ist aber noch etwas mehr passiert als damals jenes entzückende Intermezzo, als die Amerikaner die Deutschen Dienstgruppen so lobten, weil sie als Teilnehmer an einem solchen Manöver das feindliche Hauptquartier gefangengenommen hatten. Viel ernster ist die Frage der völkerrechtlichen Stellung der Angehörigen dieser Dienstgruppen. Der englische Kriegsminister Strachey hat am 17. Juni im Unterhaus ausdrücklich versichert, daß die Angehörigen dieser Dienstgruppen im Kriegsfall Teil der englischen Armee sein würden. ({8}) Vielleicht ist es für das Haus nicht uninteressant, wenn ich einige Teile einer anläßlich der letzten alliierten Manöver in Deutschland erschienenen AP-Meldung - AP ist bekanntlich keine rein deutsche Agentur - aus Bonn vom 18. August zitiere. Sie wirft ein sehr deutliches Schlaglicht auf die Verhältnisse, von denen wir sprechen. Es heißt darin: 1. Mitte September werden 20 000 uniformierte deutsche „Zivilsoldaten" zusammen mit Truppenkontingenten der Besatzungsmacht 'und anderer europäischer Länder zu den größten auf deutschem Boden abgehaltenen Nachkriegsmanövern ins Feld ziehen. Die deutschen „Zivilsoldaten" sind Angehörige der bei der englischen Besatzungsmacht beschäftigten Deutschen Dienstgruppen ({9}), die nach Mitteilung britischer Stabsoffiziere zum erstenmal eine entscheidende operative Rolle in den kommenden Manövern übernehmen werden. ({10}) - Das alles ist nicht von mir; es steht alles in der AP-Meldung! -Die deutschen Diensteinheiten werden nicht unmittelbar an den eigentlichen Manöverkämpfen teilnehmen, aber für den gesamten Nachschub der britischen Streitkräfte verantwortlich sein. Sie werden ferner in Form von Pioniereinheiten für das Übersetzen von Truppen und Fahrzeugen über Flüsse und für die rechtzeitige Bereitstellung und Versorgung der Truppen mit Munition Sorge tragen müssen. Diese Tätigkeit wird die deutschen ({11}) Einheiten zuweilen „ in direkte Berührung mit dem Feind" bringen, wurde von britischer Seite erklärt. Was heute in einem Manöver gespielt wird, kann unter Umständen später einmal blutiger Ernst sein. Man muß sich also beizeiten über die rechtlichen Konsequenzen eines solchen Einbaues, eines solchen Anhängens an bestimmte kämpfende Einheiten im klaren sein. Nun zurück zu der Meldung. Ich würde mich freuen, wenn der Herr Bundeskanzler bei diesem Thema trotz seiner dringlichen Abhaltungen anwesend bleiben könnte. ({12}) In der Meldung heißt es weiter: Es wird in Kreisen des britischen Oberkommandos angenommen, daß die deutschen Dienstgruppen im Fall eines Kriegsausbruchs bei den britischen Truppen weiter dienen sollen. Sie würden in diesem Falle wahrscheinlich durch eine Proklamation des englischen Königs zu Angehörigen der britischen Streitkräfte erklärt werden. ({13}) Das deckt sich wörtlich mit dem, was der englische Kriegsminister im Unterhaus versichert hat. Natürlich kam prompt auf diese Meldung ein Dementi, ein Dementi der dpa vom 20. August. Aber dieses Dementi ist keines. Man muß es genau lesen. Es bestreitet nur die Zahl von 20 000 Beteiligten. Alles übrige wird in diesem Dementi nicht bestritten. Alles übrige ist also nach der Praxis der Dementiermaschine - die wir alle zu gut kennen, gelegentlich auch einmal bedienen ({14}) in Wirklichkeit wahr. - Sagen Sie doch nicht „aha"! Wir sind doch alle vom Metier und wissen, wie es dabei aussieht; wollen wir doch nicht so tun! ({15}) - Zu Kochel kann ich Ihnen bei der Gelegenheit auch etwas sagen, weil es gerade sehr aktuell ist. Ich möchte ein ganz offenes Wort mit Ihnen reden. Ihr Kommunisten behandelt Besprechungen mit früheren deutschen Offizieren, wenn sie nicht von Kommunisten geführt werden - wie etwa mit den Generalen Lattmann und Vinzenz Müller -, als eine Art Monopolbruch. Daß Ihnen das wehtut, kann ich verstehen. Im übrigen ist der restliche Teil Ihrer Meldung völlig frei erfunden. ({16}) Entweder hat also der Beteiligte, der Ihnen diese Dinge aufgebunden hat, nicht richtig begriffen, was dort gesagt wurde - ich habe nämlich den sozialdemokratischen Standpunkt, der sich völlig mit dem deckt, was ich jetzt sage, dort dargelegt -; dann müssen Sie sich nächstes Mal einen Intelligenteren suchen. Oder aber - die Anwesenden sahen mir gar nicht so dumm aus - er hat doch begriffen, und hat einen richtigen Bericht gemacht - das ist wahrscheinlicher -, und den haben Sie dann in der bei Ihnen bekannten Art von A bis Z völlig verlogen. ({17}) Ein Beispiel: Hier unten pflegt sonst der Abgeordnete Dr. Schumacher zu sitzen. In diesem Bericht der kommunistischen Zeitung wird geschildert, daß der Abgeordnete Schumacher in einem bestimmten Zusammenhang zornbebend aufgesprungen sei. Das soll uns mal mein Kollege Dr. Schumacher hier vorführen! Das nur zur Wahrheit des Inhalts Ihrer Meldung. ({18}) - Nein, das kommt noch dazu. Aber wir würden uns alle freuen, lieber Freund Schumacher, wenn Sie aufspringen könnten. Doch nun zurück zu dem eigentlichen Thema. Ich habe bei dieser Gelegenheit einmal eine Ente abschießen müssen. Wir sind der Meinung, nach dem Sachverhalt ist es mindestens erforderlich, daß den Angehörigen der Dienstgruppen für irgendwelche Notfälle ein außerordentliches Kündigungsrecht gewährt wird. Das steht in den Verträgen nicht drin. In einer Antwort vom 6. März 1951, die die Unterschrift des Herrn Bundeskanzlers selbst trägt, auf eine Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion, ob die Angehörigen der Dienstgruppen auch Befehle gegen deutsche Gesetze ausführen müßten, heißt es wörtlich: Es sind ganz allgemein und nicht nur beschränkt auf die Angehörigen der GSO Fälle denkbar, in denen ein Befehl der Besatzungsmächte im Gegensatz zu einem deutschen Gesetz steht oder bei einem deutschen Staatsangehörigen zu Gewissenskonflikten führen könnte. Würde die Ausführung eines solchen Befehls verweigert, - und das bezieht sich nun eindeutig auf die Angehörigen der Dienstgruppen so könnten die Besatzungsgerichte auf Grund von Art. 3 Ziffer 13 des Gesetzes Nr. 14 der Alliierten Hohen Kommission die Beschäftigten zur strafrechtlichen Verantwortung ziehen. ({19}) Das bedeutet, sie müssen die Befehle der Alliierten auch dann ausführen, wenn sie im Widerspruch zum deutschen Gesetz und zum deutschen Grundgesetz stehen. ({20}) All das, was ich Ihnen eben gesagt habe, beweist doch nur, daß es sich hierbei um eine hochpolitische Frage handelt, um eine Frage, die in Gegenwart des Herrn Kanzlers erörtert werden muß - ich freue mich, daß er meiner freundlichen Einladung Folge geleistet hat -, daß auf keinen Fall der Bundesfinanzminister und noch weniger sein Staatssekretär vom Standpunkt der Besatzungskostenersparnis aus diese Dinge weiterbehandeln darf. Es handelt sich in Wahrheit um nicht mehr und nicht weniger als einen stillschweigend von den Alliierten hinter dem Rücken des Bundestags in Deutschland vorexerzierten Vorgriff auf einen Verteidigungsbeitrag ohne deutsche Mitwirkung. ({21}) Dem muß man ein Ende setzen. Wenn die Alliierten der Meinung sind, die Deutschen hätten ais Folge des verlorenen und vielleicht nicht ganz unschuldig begonnenen Krieges Reparationen in Menschen zu leisten, dann sollen sie uns das ehrlich sagen, aber nicht in einer anderen Sprache ganz andere Dinge mit uns hier bereden und in Wirklichkeit das Gegenteil tun. Wir können es nicht zulassen, daß es hier auf deutschem Boden wider den Willen der Betreffenden eine Art Fremdenlegionäre gibt. Die Menschen selbst wollen das nicht sein. Sie sind sich der Zwie({22}) spältigkeit und Zwielichtigkeit ihrer Lage wohl bewußt. Sie hoffen darauf, daß der Bundestag in dieser Frage endlich Klarheit schafft und dafür sorgt, daß sie in ein normales Arbeitsverhältnis übergeführt werden. Vielleicht gibt uns der Herr Bundeskanzler freundlicherweise einmal Aufklärung darüber, ob es zutrifft, daß die Alliierten als Vorbedingung für die Erleichterung des Besatzungsstatuts die Einräumung des Rechtes auf Aufstellung und Unterhaltung deutscher Dienstgruppen verlangt haben. Das ist - ich stelle es mit Befriedigung fest - nach Auskunft des Herrn Bundeskanzlers nicht wahr. Aber in Besprechungen mit Persönlichkeiten, die ihm nicht sehr ferne stehen, wurde diese Version jedenfalls bisher gegeben. Ich glaube, daß man hier von Anfang an durch ein Wort in voller Öffentlichkeit ({23}) allen derartigen Bemühungen einen Riegel vorschieben muß. ({24}) Es geht nicht an, die Frage der Dienstgruppen und ihrer Tolerierung als Voraussetzung für etwaige Erleichterungen des Besatzungsstatuts hinzustellen. Hier muß die Bundesregierung politisch handeln, und nicht nur bei den Fragen der Besatzungskosten. Dort ist ein ganz anderer Komplex zu klären. In der „Welt" vom 22. September 1951 stand eine schöne Meldung. Da hieß es u. a., daß Überweisungsscheine für die französische Fremdenlegion den Briefkopf der Hochkommission tragen, daß die Fahrscheine in das betreffende Lager und das Werbelager selbst auf Besatzungsrechnung gingen. Vielleicht interessiert sich so nebenher einmal der Herr Bundesfinanzminister für diese merkwürdige Belastung seines Besatzungskostenhaushalts zugunsten der dann noch dazu im Ausland eingesetzten französischen Fremdenlegion. Aber zurück zu den Dienstgruppen! Ich habe also gesagt, es ist eine politische Frage, nicht nur eine Frage - so notwendig das auch ist - der sozialen Verteidigung der dort tätigen deutschen Menschen. Die Gewerkschaften, die ja doch immerhin in der Wahrnehmung der sozialen Interessen außerordentlich rührig sind, sind der gleichen Meinung, daß die Frage der Dienstgruppen zunächst politisch geklärt werden muß. Sie halten alle Arbeiten zur Einzelrevision der Arbeitsverträge für vollkommen sinnlos, weil die jetzigen Verträge im Prinzip falsch sind, weil sie keine echten Arbeitsverträge, sondern praktisch Einberufungen in den Dienst einer fremden Armee sind. Erst müssen die politischen Fragen geklärt werden. Die deutschen Länder sind zur Überraschung des Herrn Bundesfinanzministers der gleichen Meinung. In Königswinter hat am 25. September 1951 mit den beteiligten Ländern eine Konferenz stattgefunden. Dort haben die Länder erklärt, daß sie hinsichtlich der politischen Klärung des Sachverhalts und der rechtlichen Stellung der Dienstgruppen eine gemeinsame Erklärung mit dem Bundesfinanzminister wünschten. Zu meinem Bedauern habe ich bisher nicht erfahren, daß der Herr Bundesfinanzminister überhaupt auf diese Anregung der Gewerkschaften und der Länder eingegangen ist. ({25}) Die Gewerkschaften jedenfalls haben bisher keine Antwort auf die dort vorgebrachten Anregungen erhalten. Im Sinne unseres Antrags wäre die natürliche Lösung der Einbeziehung der für echte zivile Hilfsdienste verwendeten Angehörigen der Dienstgruppen in Kollektivverträge richtig, die es j a auch für die sonstigen Beschäftigten bei den Besatzungstruppen gibt. Warum zweierlei Art von Verträgen? Maßgebend hätte das deutsche Arbeitsrecht zu sein. Keine alliierte Militärdienststrafgewalt dürfte hier Ausnahmen von der deutschen Rechtsprechung im Falle des Vorkommens von irgendwelchen Delikten vorsehen. Die militärischen Formationen, in denen die Dienstgruppen heute zusammengefaßt sind, hätten aufgelöst zu werden, damit ein normales ziviles Arbeitsverhältnis daraus wird. Der Bundesregierung ist vielleicht eine solche Auflösung der militärischen Formationen nicht ganz erwünscht. Ich kann mir das vorstellen. Es gibt nämlich dort auch wieder merkwürdige Anregungen an einige der jetzigen Befehlshaber der Dienstgruppen, bei denen man durchblicken ließ, daß vielleicht bei künftigen deutschen Verbänden eine Übernahme der Männer in diese Dienste erwogen werden könnte. ({26}) Gerade um all dieser Fragen willen fordern wir unter Punkt 3 unseres Antrags, dem Sie durch die Art der Behandlung erfreulicherweise praktisch ja schon zugestimmt haben, daß die politischen Fragen aus dem Finanzministerium herausgelöst werden. Aber dabei habe ich eine Bitte: übertragen Sie diese Fragen nun um Gottes willen nicht Herrn Matzky im Innenministerium. Dann kommen wir nämlich vom Regen in die Traufe. Diese personelle Verflechtung mit dem Bundesgrenzschutz, die sich jetzt dadurch zeigt, daß der bisherige Befehlshaber der Dienstgruppen in der amerikanischen Zone nun ausgerechnet noch Grenzschutzinspekteur geworden ist, ist höchst unerwünscht, weil das beide Organisationen erneut ins Zwielicht oder vielleicht sogar ins Dunkel bringt. Die deutschen Führungskräfte in der amerikanischen Besatzungszone sind in das US-Kommando ziemlich eindeutig eingebaut. Sie befinden sich dort in einer ziemlich starken Abhängigkeit. Aber diese Abhängigkeit darf uns nicht hindern, frei zu entscheiden, was wir für richtig halten. Die politischen Fragen müssen bei einer deutschen politischen Stelle in einem deutschen Ministerium frei von einer jeden derartigen früheren Bindung auch des betreffenden Sachbearbeiters entschieden werden. ({27}) Weil das Interesse der Öffentlichkeit an dem Wortlaut unseres Antrags sicher ziemlich groß ist, möchte ich Sie daher bitten, dem Antrag in unserer Fassung zuzustimmen, wonach die Bundesregierung ersucht wird, 1. bei den Hohen Kommissaren darauf hinzuwirken, daß a) Deutsche bei den Besatzungsmächten nicht zum Dienst mit der Waffe herangezogen werden, b) Deutsche bei den Besatzungsmächten nur in einem normalen Arbeitsverhältnis tätig sein können, c) die deutschen Arbeitskräfte bei den Besatzungsmächten nicht zu militärähnlichen Formationen zusammengefaßt werden; 2. den Hohen Kommissaren zu eröffnen, daß eine Aufstellung bewaffneter deutscher Einheiten nur auf dem Wege der ordentlichen deutschen Gesetzgebung möglich ist ({28}) ({29}) und ein Abweichen der Hohen Kommissare von diesem Rechtsstandpunkt nicht hingenommen wird; 3. dafür zu sorgen, - was Sie praktisch schon getan haben daß die politischen Fragen der Dienstgruppen aus der Zuständigkeit des Bundesministeriums der Finanzen herausgelöst werden, 4. dem Bundestag über die ergriffenen Maßnah- men und ihre Auswirkungen bis zum 1. Dezember 1951 zu berichten. Wir hoffen alle miteinander, daß die Bundesregierung auf diesem wichtigen Gebiet endlich ihre mir vollkommen unverständliche Passivität aufgibt und nun nach der Annahme dieses Antrags h a n d e 1 t. Das liegt nicht nur im Interesse der Männer bei den Dienstgruppen, sondern auch im Interesse einer sauberen Haltung gegenüber den Alliierten. Man muß, wenn man über A verhandelt, wissen, daß man A meint und nicht B. Man muß, wenn man zivile Dinge bespricht, auch wirklich zivile Dinge entscheiden und nicht den Verteidigungsbeitrag. Und wenn man den Verteidigungsbeitrag diskutiert, dann muß man wissen, daß es darum geht, und darf nicht etwa über die Hintertür, über den Besatzungskostenhaushalt, aus einer Armee von Köchinnen und Chauffeuren, wie sich der Laie das vorstellt, in Wahrheit eine bewaffnete Streitmacht machen. Das dürfen wir nicht zulassen. Ich bitte Sie daher um die Annahme unseres Antrags. ({30})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, ich komme zur Drucksache Nr. 2597, Antrag der Abgeordneten Kahn, Dr. Solleder, Dr. Schatz und Genossen. Der Herr Abgeordnete Kahn wünscht, den Antrag zu begründen. Ich darf an Sie appellieren, die Begründung der Anträge möglichst abzukürzen. Ich fürchte sonst für diesen Abend. Kahn ({0}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Beratung des Antrages Drucksache Nr. 2597. Meine politischen Freunde und ich bitten durch den Ihnen vorliegenden Antrag die Bundesregierung, durch Verhandlungen mit den zuständigen amerikanischen Besatzungsbehörden zu erreichen, daß die endgültige Räumung des für militärische Zwecke beschlagnahmten Raumes Hohenfels und Umgebung bis zu einem Schlußtermin vom 1. Februar 1952 verschoben wird. Zugleich bitten die Antragsteller, eine sofortige Bereitstellung von 20 Millionen DM für die durch die Räumung entstandene Besitzablösung seitens des Bundes zu gewährleisten. Die Antragsteller sind der Meinung, daß die Bundesregierung durch die Bereitstellung dieser angeforderten Summe erst die Möglichkeit schafft, eine reibungslose Abwicklung und Räumung des genannten Gebietes zu gewährleisten. Es ist vielleicht nicht unangebracht, darauf hinzuweisen, daß die Gemeinden Geroldsee, Griffenwang, Lutzmannstein, Pielenhofen sowie noch eine Anzahl kleiner Orte in den Bereich des von der amerikanischen Besatzungsbehörde beschlagnahmten Raumes fallen. Aus einer Unsumme von an mich persönlich gerichteten Briefen, aus behördlichen Darlegungen, verbunden mit amtlichen Statistiken, habe ich den Eindruck bekommen, daß die endgültige Räumung des gesamten Gebietes Hohenfels und Umgebung bis zum 15. November unmöglich ist. Es darf darauf hingewiesen werden, daß Bayern bereits mit den Besatzungsbehörden Rücksprachen gepflogen hat, mit dem Ziel, die Räumungstermine, die äußerst kurz gesetzt wurden, auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Wer die Verhältnisse im Landkreis Parsberg, in dem das genannte Räumungsgebiet liegt, persönlich kennt, wird mir beipflichten, wenn ich dem Hause erkläre, daß bereits die allergrößten Schwierigkeiten entstanden sind und daß es unmöglich ist, das gesamte Gebiet bis zum 15. November zu räumen. Die Gesamtzahl der von der Beschlagnahme betroffenen Personen beträgt annähernd 4000; davon sind fast ein Drittel Heimatvertriebene. Ich darf mir für die heimatvertriebenen Siedler ein Wort erlauben, die in Nainhof, 15 km von Pars-berg und etwa 2 km von der Gemeinde Hohenfels entfernt, in einem Ausweichdurchgangslager leben. Diese Siedler, von denen der größte Teil früher selbst Höfe und Bauerngüter innehatte, haben sich in sauberen, freundlichen Baracken und unter größtem persönlichen Fleiß in jahrelanger, unvorstellbar harter Arbeit eine neue Heimat geschaffen. Keine der Siedlungen in dieser Gegend hatte Wasser und Licht. Trotzdem haben es diese Siedlerbauern in den letzten beiden Jahren vermocht, dem Boden eine gute Ernte abzuringen. Mir gegenüber hat man in Briefen verbittert erklärt, daß manche Flüchtlingsbauern nun zum dritten und zum vierten Male die Heimat verlieren und irgendwo anders wieder von vorne anfangen müssen. Ich verhehle nicht, daß die Stimmung unter den zur Absiedlung kommenden Familien sehr gedrückt und sehr gespannt ist, zumal sich herausgestellt hat, daß Versprechen gegeben wurden, die einfach nicht eingelöst wurden. Meines Erachtens hätte man sofort nach der Beschlagnahme des Gebietes Hohenfels die Arbeiten der einzelnen zuständigen Behörden und Ministerien koordinieren sollen, um klare Rechtsverhältnisse zu schaffen. Es soll nicht verkannt werden, unter welch schwierigen Verhältnissen bayerische Ministerien und das Bundesfinanzministerium die drängenden Probleme zu lösen versuchen. Ich kann aber nicht verschweigen, daß sich die aus den Kreisen der Umsiedler vorgebrachten Klagen und Beschwerden als berechtigt erwiesen haben. Im bayerischen Landtag wurde vor kurzem durch eine Interpellation des Kollegen Dr. Schedl der gesamte Fragenkomplex behandelt, den ich Ihnen hier, meine Damen und Herren, vortrage. Meines Erachtens liegen die Schwierigkeiten darin, daß viele Planungen vor lauter bürokratischen Rückfragen nicht zur Durchführung kommen können. So hat man z. B. den bayerischen Landesbehörden die weniger wichtigen Fragen der Umsiedlung aufgebürdet, während über das wichtigste und das schwierigste Problem, nämlich über das der Bereitstellung der notwendigen Gelder, ausschließlich in Bonn entschieden werden soll. Der bayerische Bauernverband für denRegierungsbezirk Oberpfalz hat sich als Berufsorganisation für die bäuerlichen Umsiedler eingeschaltet; ebenso hat es die Handwerkskammer Oberpfalz für die Fragen der geschädigten Gewerbetreibenden getan. Die Schwierigkeiten, die sich der Räumung entgegenstellen, sind teilweise aus dem Umstand zu erklären, daß der Großteil der umzusiedelnden Bauern kleine Landwirte sind und daß der oberpfälzische Bauer und Landwirt aus seiner angestamm({1}) ten Treue zur Heimat und zu seinem kargen Besitz eben dieses Stück Heimat nicht eher verlassen will, bevor er eine neue Bauernstelle oder ein neues Bauernanwesen erhalten hat. Diese Einstellung, diese Mentalität, die dem guten Sinn unseres Bauernstandes entspringt, kann man nur restlos bejahen und billigen. Zu alledem kommt noch, daß in dem 183 qkm großen beschlagnahmten Raum seit Wochen die gesamten Leichenfledderer von Holzgroßhändlern am Werke sind. Schätzungsweise - ich muß dies hier auch anführen - kommen 80 000 Festmeter schlagbares Holz aus diesem Gebiet. Eine ganz ungesunde Hochkonjunktur für Holzaufkäufer und Holzmakler ist die Begleiterscheinung der Räumung. Es sind aber nur 4 % der Bauern, die in den Besitz eines übermäßigen Gewinnes aus dieser Holzinflation gelangen. Man darf Einzelfälle eines ungesunden, raschen Reichwerdens nicht auf die Vielzahl der übrigen Angehörigen der betroffenen Bevölkerung übertragen. Über all den Vorgängen lagert die geheime Propaganda der Kommunistischen Partei, ({2}) die von Haus zu Haus geht, um sogenannte Volksbefragungen zu veranstalten. Ihre hetzerischen Flugblätter tragen als Verantwortungsvermerk die Unterschriften des Bundestagsabgeordneten Fisch ({3}) und des Herrn Scheringer von der bayerischen KPD. ({4}) Ich mache die Bundesregierung und das Hohe Haus besonders auf diese Vorgänge aufmerksam. Leider muß festgestellt werden, daß sich durch kommunistische Einflüsse und Propaganda die Unzufriedenheit bei der betroffenen Bevölkerung verstärkt. Und nun zur wichtigsten Frage, der finanziellen Abfindung. Der von mir und meinen politischen Freunden gestellte Antrag sieht vor, daß die Bundesregierung zunächst durch eine Sofortbevorschussung für das betroffene Gebiet in Höhe von 20 Millionen DM die Durchführung und die Abwicklung ermöglicht. Die Bauern erhalten zunächst den Einheitswert ihres Anwesens in Form eines Vorschusses. Es ist aber fast unmöglich, namentlich bei den kleineren Besitzern, heute um den Einheitswert irgendein Anwesen zu erwerben, da alle Angebote diese Einheitssummen wesentlich überschreiten. Der Großteil der Bauern sieht sich daher gezwungen, Winternotquartiere zu beziehen. Nach der Statistik des bayerischen Bauernverbandes müssen mindestens 220 Betriebe mit Vieh und totem Inventar in Notquartiere. Das gleiche gilt für den Ankauf von Anwesen zur Durchführung geschlossener Umsiedlungen. Diese geschlossene Umsiedlung wird bei den vorher geschilderten Zuständen der Zurückdrängung der Privatinitiative die Hauptaufgabe des Staates bilden. Es müssen daher größere Gutsbetriebe zu diesem Zwecke aufgekauft werden. Derartige Großbetriebe stünden zur Verfügung, wenn neben der Beseitigung der auf Grund der Bodenreformgesetze entgegenstehenden Schwierigkeiten die finanzielle Frage gelöst wäre. Daß diese großen Güter nicht zum Einheitswert oder zum Bodenreformgesetzwert zu kaufen sind, bedarf keines Beweises. Es müssen auch hier entsprechende Geldmittel bereitstehen, damit nach der Verbriefung und der Eintragung im Grundbuch die Bezahlung sofort erfolgen kann. Außerdem muß nach dem Guts-kauf - und möglichst schon vorher - mit dem Ankauf von Baumaterial für neu zu errichtende Bauernhöfe mit Scheunen und Stallungen begonnen werden; denn erst nach dem Neubau von Höfen kann der Umsiedler mit der Bewirtschaftung seiner Neubauernstelle beginnen. Ich darf wohl annehmen, daß der Herr Bundesfinanzminister Schäffer den bayerischen Behörden die in unserem Antrag geforderte Summe zur Verfügung stellt und daß sich nach der Bereitstellung dieser Summe die volle Räumung dieses Gebietes trotz vieler und großer Schwierigkeiten, die noch auftauchen werden, ermöglichen läßt. Der bäuerlichen Bevölkerung im Landkreis Parsberg würde dadurch eine Unsumme von Angst und Sorge erspart werden. Diese Menschen sehen den Winter vor der Tür und hören nur das harte Wort: die Räumung muß bis zum 15. November vollzogen sein. Alle Versuche, diesen Schlußtermin hinauszuschieben, sind bis jetzt leider gescheitert. ({5}) Meine Damen und Herren, die Beratung dieses Punktes der Tagesordnung gibt Ihnen einen Überblick über die Räumung eines Stückes bayerischer Heimaterde und deutschen Landes. Das ostbayerische Gebiet der Oberpfalz, in seinen weitesten Teilen wirtschaftliches Notstandsgebiet, hat neben dem Raum für den großen Truppenübungsplatz Grafenwöhr nun nochmals erhebliche ({6}) Gebietsteile abgeben müssen. Es wird wohl niemand hier in diesem Hause sein, der nicht mit aufrichtigem Ernst und mit berechtigter Sorge diesen Verlust deutschen Landes hinnimmt. ({7})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Kahn, darf ich Ihnen vorschlagen, daß Sie den Rest einmal frei sprechen. Es hören dann wahrscheinlich auch Abgeordnete zu. Augenblicklich hört nämlich niemand zu. Kahn ({0}), Antragsteller: Durch meine Ausführungen dürfte das Hohe Haus wohl über den Stand der Dinge hinsichtlich der Räumung des Truppenübungsplatzes Hohenfels und Umgebung restlos aufgeklärt worden sein. Unser Antrag gliedert sich in zwei Teile. Erstens soll der Räumungstermin hinausgeschoben werden, und hier bitte ich die Bundesregierung, ihr Möglichstes zu tun. Zweitens möge die Bundesregierung durch Bereitstellung von 20 Millionen DM aus Bundesmitteln die restlose und planvolle Räumung dieses Geländes gewährleisten. Ich habe nun den Antrag formuliert und vorgetragen und bitte die Damen und Herren des Hohen Hauses, ihm zuzustimmen. Sie verschaffen durch Annahme dieses Antrages im Deutschen Bundestag der Bundesregierung die Handhabe dafür, daß nun wirklich und rasch entsprechende Hilfsmaßnahmen getroffen werden können. Herr Präsident, ich habe mich bemüht, nun auch den Schluß, der anders gelautet hat als das Manuskript, frei zu sprechen, da ja erst die k o m -m e n d e Geschäftsordnung - Gott sei Dank - den wesentlichen Passus erhält: Der Redner im Deutschen Bundestag soll frei sprechen. ({1}) Deutscher Bundestag - 16e. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 16. Oktober 1951 6923

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Kahn, ich habe mich nur deshalb, weil Sie dem Geschäftsordnungsausschuß angehören, berechtigt gefühlt, Ihnen diesen Hinweis zu geben. Sie haben jetzt das Ohr des ganzen Hauses gehabt. ({0}) Also, meine Damen und Herren, wir kommen zu den letzten beiden Anträgen zum Thema Hohenfels; das sind die Anträge Umdrucke Nrn. 333 und 334 der Fraktion der Bayernpartei. Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Meitinger. Dr. Meitinger ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Sie haben die beiden Anträge der CSU gehört. Diesen beiden Anträgen schließe ich mich an. Zur Begründung unseres Antrags führe ich weiter nichts mehr aus, da j a der Herr Kollege Kahn genügend ausgeführt hat. Ich habe aber noch folgendes vorzutragen. Am vergangenen Sonntag hielt ich eine Bürgermeisterbesprechung in Litzmannstein bei Hohenfels. Da klagten die Bürgermeister ihre Not und die Not der Betroffenen von Hohenfels. Sie baten mich, beim Bundestag dafür einzutreten, daß die Festsetzung der Entschädigung . für die Anwesen, Grundstücke und Betriebe auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels, welche den Besitzern und Inhabern im Zuge der Beschlagnahme weggenommen werden, so erfolge, daß Erwerb, Errichtung eines Anwesens und Aufbau einer neuen gleichwertigen Existenz sichergestellt werden könne. Die anwesenden Bauern sagten: Hof gegen Hof! Die anwesenden Gewerbetreibenden sagten: Geschäft gegen Geschäft! Sie erklärten mir, daß bezüglich der Festsetzung der Entschädigung noch keine Bescheide ergangen seien und im übrigen zwischen den zuständigen Stellen des Bundes und des Landes diesbezüglich noch keine Einigkeit bestehe. Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ich bin der Ansicht, daß die Entschädigung nicht allein nach dem gewöhnlichen Verkehrswert zu bemessen ist. Die Entschädigung ist vielmehr so zu bemessen, daß den Betroffenen der Ankauf, die Errichtung eines Anwesens und der Aufbau einer neuen gleichwertigen Existenz gesichert wird. Die Festsetzung der Entschädigungssumme hat möglichst sofort zu erfolgen. Den Betroffenen muß die Entschädigungssumme sofort ausgezahlt werden. Wer schnell gibt, gibt doppelt. ({2}) Bei den Räumungspflichtigen von Hohenfels liegt ein außergewöhnlicher Notstand vor, meine Herren! ({3}) - Bitte schön, denken Sie sich in die Situation der Hohenfelser, und denken Sie daran, Sie wären es. Dann würden Sie auch anders denken. ({4}) Die Hohenfelser Bauern und Gewerbetreibenden erklärten mir, sie wollten Klarheit haben bezüglich der Räumungsfrist, der Entschädigungssummen und der Zeit der Auszahlung der Entschädigungsbeträge. Sie brauchen Geld zum Erwerb, zur Errichtung von Ersatzbetrieben und zum Aufbau einer gleichwertigen neuen Existenz. Es ist eine K Tragik, daß bis heute jegliche Barauszahlung unterbunden wurde. Ich kenne Fälle, in denen die Entschädigungssummen aus Holzeinschlägen beim Regierungsforstamt Regensburg hinterlegt werden mußten und trotz ernsthafter Bemühungen der Betroffenen und Berechtigten die Summen nicht ausbezahlt wurden. Daraus geht hervor, daß die Finanzbehörden nicht ernstlich gewillt sind, den Leuten rasch und schnell. zu helfen. Der Grund liegt in der Uneinigkeit über die Kompetenzen der Landes- und Bundesbehörden. Ich lese Ihnen nun die beiden Anträge vor. ({5}) - Ich nehme Bezug auf meine beiden Anträge. ({6}) Meine Herren, denken Sie sich in die Situation der Hohenfelser hinein, daß Sie abwandern müßten! Ich bitte Sie, diesen beiden Anträgen zuzustimmen. ({7}) - Vom Lastenausgleich habe ich schon etwas mitbekommen. ({8})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zu dem Antrag Drucksache Nr. 2597 und dem Antrag Umdruck Nr. 333 im Benehmen mit dem Bundeskanzleramt - Dienststelle Blank - Stellung nehmen. Der Antrag verlangt in Ziffer 1, die Bundesregierung solle gebeten werden, durch Verhandlungen mit den zuständigen amerikanischen Besatzungsbehörden zu erreichen, daß die Räumung des für militärische Zwecke beschlagnahmten Raumes Hohenfels und Umgebung bis zu einem Endtermin - 1. Februar 1952 - verschoben wird. Ich bemerke hierzu: Die Inanspruchnahme des ehemaligen Truppenübungsplatzes Hohenfels - Größe zirka 100 Quadratkilometer - und eines erheblichen Erweiterungsgeländes in westlicher Richtung - zirka 60 Quadratkilometer - geht zurück auf die Anfang Februar 1951 von der US-Besatzungsmacht gestellte Anforderung auf Bereitstellung eines großen Truppenübungsplatzes im Bereich der amerikanischen Zone. Von der US-Armee waren hierfür mehrere Gebiete genannt worden, die entweder von der Bundesregierung und den Landesregierungen abgelehnt werden mußten oder nachträglich von der US-Armee selbst als ungeeignet bezeichnet wurden. Schließlich richtete sich das Interesse der US-Armee auf den ehemaligen Truppenübungsplatz Hammelburg, von dessen Anforderung sie jedoch in Würdigung der von der bayerischen Staatsregierung geltend gemachten Einwendungen absah, als diese auf den ehemaligen Truppenübungsplatz Hohenfels verwies. In einer Besprechung am 17. August 1951 zwischen Vertretern der Bundesregierung und der Landesregierung wurde der Inanspruchnahme des ehemaligen Truppenübungsplatzes Hohenfels mit ({0}) einer Ausweitung in westlicher Richtung zugestimmt. Die in dieser Besprechung getroffenen Abmachungen wurden am 24. August 1951 vom Amt des amerikanischen Hohen Kommissars mit dem Bemerken bestätigt, daß das Gebiet nunmehr requiriert werden würde. Zugleich hat das Amt des amerikanischen Hohen Kommissars folgende Räumungstermine bekanntgegeben: Kasernenareal - sogenanntes Barackenlager -: 1. Oktober 1951, Gebiet A: 15. Oktober 1951, Gebiet B: 1. November 1951, Gebiet C: 15. November 1951. Im Hinblick auf den außerordentlichen Umfang des abzutransportierenden Materials und die Tatsache, daß die erforderlichen Ersatzunterkünfte trotz der von der Bundesregierung und der Landesregierung eingeleiteten Maßnahmen nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, hat das Bundeskanzleramt - Dienststelle Blank - um eine grundsätzliche Verlängerung der Räumungsfristen nachgesucht. Das Hauptquartier der amerikanischen Armee hat leider eine allgemeine Verlängerung der Räumungsfristen abgelehnt. Die örtlichen amerikanischen Dienststellen haben jedoch in Erkenntnis der Schwierigkeiten die erste Räumungsfrist verlängert, zumal die Räumung des „Lagers Hohenfels" bereits Ende September 1951 tatkräftig in Angriff genommen worden ist. In Ziffer 2 des Antrags wird die Bundesregierung gebeten, eine sofortige Bereitstellung von 20 Millionen DM für die durch die Räumung entstandene Besitzablösung zu gewährleisten. Auf dem nunmehr festgelegten Übungsplatz sind ansässig 1494 Personen - Nichtlandwirte -, davon zirka 900 Personen in Lagern, und 171 einheimische landwirtschaftliche Betriebe, 174 Flüchtlingssiedler, 22 industrielle und gewerbliche Betriebe, insgesamt 3277 Personen. Die Maßnahmen zur anderweitigen Unterbringung der Räumungsbetroffenen wurden sowohl von der Bundesregierung als auch von der Landesregierung unverzüglich in Angriff genommen. In einer ersten Besprechung am 27. August 1951 wurden die grundsätzlichen Maßnahmen festgelegt. Das Bundesministerium der Finanzen hat hierzu mit Schreiben vom gleichen Tage, vom 27. August 1951, im Einvernehmen mit den im Interministeriellen Ausschuß der Bundesregierung vertretenen Bundesressorts Stellung genommen. Im Anschluß an eine Besprechung am 24. September 1951 in Parsberg hat das Bundesministerium der Finanzen mit Schreiben vom 6. Oktober 1951 ergänzende Richtlinien erlassen. Im einzelnen sind zur anderweitigen Unterbringung des oben erwähnten Personenkreises folgende Maßnahmen vorgesehen: a) Für Nichtlandwirte: Die anderweitige Unterbringung der Personen erfolgt in Ersatzunterkünften, die an arbeitsmarktpolitisch günstigen Orten in Bayern und in Nordrhein-Westfalen errichtet sind oder errichtet werden. Folgende Endlösungen sind hier vorgesehen: für Nürnberg 390 Personen, Augsburg 181, Amberg 205, Ingolstadt 106, Kaufbeuren 38, Parsberg-Hohenfels 195, Passau 4, München 15, Deggendorf 8 und Nordrhein-Westfalen 352 Personen. Ein Teil dieser Personen muß bis zur Erstellung von Dauerunterkünften in den oben genannten Orten bzw. im Lande Nordrhein-Westfalen zunächst zwischenzeitlich untergebracht werden. Die entsprechende Anzahl von Zwischenunterkünften steht zur Verfügung, so daß noch bis Ende dieses Monats die anderweitige Unterbringung der Personen durchgeführt sein wird. Bei den vorgesehenen Unterbringungsmaßnahmen kann auf eine größere Anzahl fertiggestellter Ersatzwohnungen in Nürnberg, Augsburg, Amberg, Passau, München und Deggendorf zurückgegriffen werden. Einschließlich der für diese Bauvorhaben bereits aufgewendeten Mittel werden für die Ersatzwohnungsbauten zur Unterbringung von verdrängten Personen aus Hohenfels Mittel des Einzelplans XXVII in Höhe von mehr als sechs Millionen DM bereitgestellt. Zur Durchführung von Anlaufarbeiten bei Neubauvorhaben sind dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen Haushaltsmittel von zunächst 600 000 DM zur Verfügung gestellt worden. b) Einheimische Bauernfamilien: Nach den geltenden alliierten Vorschriften wird den von einer Requisitionsmaßnahme Betroffenen eine laufende Nutzungsvergütung zu Lasten des alliierten Besatzungskosten- und Auf tragsausgabenhaushalts bezahlt. Um jedoch den Landwirten die Möglichkeit zu geben, sich an anderer Stelle ein Ersatzanwesen zu beschaffen, hat das Bundesministerium der Finanzen im Einvernehmen mit den beteiligten Bundes- und Landesressorts die Oberfinanzdirektion Nürnberg ermächtigt, die 171 einheimischen landwirtschaftlichen Betriebe - ohne Inventar - für den Bund zu dem preisrechtlich zugelassenen Preis mit Mitteln des Einzelplans XXVII käuflich zu erwerben, soweit die Eigentümer zum Verkauf bereit sind. Das Bundesministerium der Finanzen hat ferner die Bayerische Landessiedlung GmbH. ermächtigt, Ersatzanwesen aufzukaufen. Zu diesem Zweck sind ihr zunächst Bundesmittel in Höhe von 2,5 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Um diejenigen Landwirte, die eine Möglichkeit haben, selbst ein entsprechendes Ersatzanwesen käuflich zu erwerben, in die Lage zu versetzen, Anzahlungen zu leisten, ist die Oberfinanzdirektion Nürnberg angewiesen worden, Vorschußzahlungen bis zur Höhe des zweifachen, in besonderen Ausnahmefällen bis zur Höhe des zweieinhalbfachen Einheitswertes zu leisten. Für den Fall, daß die Kaufpreise für die Ersatzanwesen die Verkaufspreise für die alten Gehöfte in Hohenfels übersteigen, hat sich das Bundesministerium der Finanzen bereiterklärt, die Finanzierung der Spitzenbeträge zu tragbaren Bedingungen zu übernehmen. c) Flüchtlingssiedler: Zur anderweitigen Unterbringung der Flüchtlingssiedler aus Hohenfels ist die Errichtung von 73 Vollbauernstellen und 6 Nebenerwerbsstellen auf Bodenreformland vorgesehen. Ein Teil dieser Ersatzhöfe ist bereits im Bau. Für diesen Zweck wird der Bayerischen Landessiedlung GmbH. ein der Höhe nach noch festzusetzendes Bundesdarlehen zur Verfügung gestellt, das im Rahmen der tragbaren Rente zu verzinsen und zu tilgen ist. Für Anlaufmaßnahmen sind bisher Haushaltsmittel in Höhe von 723 000 DM zur Verfügung gestellt worden. Weitere Haushaltsmittel in Höhe von 1, 3 Millionen DM werden nach Eingang der angekündigten Unterlagen zur Verfügung gestellt werden. Das Bundesministerium der Finanzen hat die Bayerische Landessiedlung GmbH: ferner beauftragt, für den Ankauf weiterer 73 Höfe und 22 Nebenerwerbsstellen besorgt zu sein. d) Industrielle und gewerbliche Betriebe: Der größte Teil der gewerblichen Betriebe wird in Räumen untergebracht werden, die im Rahmen der Ersatzwohnungsbauprogramme errichtet werden. Den anderen Betrieben werden - wie in solchen ({1}) Fällen üblich - Bundesdarlehen zur Erstellung eines Ersatzbetriebes gewährt. Da nach Lage der Dinge damit gerechnet werden kann, daß die Landwirte nicht sämtlich, vor Einbruch des Winters in Ersatzhöfen untergebracht werden können, hat das Bundesministerium der Finanzen sich bereiterklärt, Bundesmittel auch für die Herrichtung von Zwischenunterkünften zur Verfügung zu stellen. ({2}) Auch hier sind bereits entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen getroffen worden. Aus diesen Ausführungen bitte ich zu entnehmen, daß die Bundesregierung alle Maßnahmen ergriffen hat, um die von der Räumung des Truppenübungsplatzes Hohenfels betroffenen Personen und Betriebe so schnell wie möglich in angemessener Weise anderweitig unterzubringen. Die dafür erforderlichen Haushaltsmittel werden dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen laufend in ausreichender Höhe zu Lasten des Einzelplans XXVII zur Verfügung gestellt. In dem Antrag ist davon gesprochen, daß ein Betrag bis zu 20 Millionen DM zur Verfügung gestellt werde. Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen versichern, daß das Bundesfinanzministerium damit rechnen muß, daß dieser Betrag von 20 Millionen DM überstiegen werden wird. Ich bin sehr gern bereit, auf der einen Seite von dem Herrn Abgeordneten Kahn, auf der andern Seite von Herrn Abgeordneten Meitinger zu hören, daß diese Gelegenheit dazu dienen soll, den Schaden auszugleichen und gleichwertige Anwesen zur Verfügung zu stellen. Mit dem Begriff „gleichwertige Anwesen" haben sie die Absicht des Bundesfinanzministeriums getroffen. Gleichwertige Anwesen werden zur Verfügung gestellt. Ich liebe meine bayerische Heimat, das wissen Sie; aber ich habe auch die Verpflichtung, den deutschen Steuerzahler vor Gewinnlern aller Aktionen sämtlicher Arten, wie sie auch sein mögen, zu schützen. Ich bin also sehr gern bereit, gleichwertige Ersatzanwesen zu beschaffen. Die Wege, die der Bund beschritten hat, sind nach meiner Überzeugung diejenigen, die im Rahmen des Möglichen liegen. Ich bitte die Antragsteller, in Bayern dahin zu wirken, daß anerkannt wird, daß der Grundsatz der Gleichwertigkeit nach unten wie nach oben aufrechterhalten werden muß. Ich möchte zu dem Antrag auf Umdruck Nr. 333 noch bemerken: er scheint in der Fassung an dem vorbeizugehen, was die Maßnahmen wirklich sind. Es handelt sich nicht um „Feststellung der Entschädigungen", sondern es handelt sich darum, daß auf der einen Seite die Anwesen, die geräumt werden müssen, aufgekauft werden und daß auf der anderen Seite Mittel zur Beschaffung von Ersatzanwesen zur Verfügung gestellt werden. Soweit der Antrag die Errichtung und den Aufbau einer neuen gleichwertigen Existenz verlangt, hat er mit dem von mir vorhin ausgesprochenen Vorbehalt meine volle Zustimmung. Wenn scherzhaft bemerkt worden ist, es sei nicht erfreulich, daß über die Gelder in Bonn verfügt werde, so bin ich sehr gern bereit, über die Gelder, die der bayerische Staat in Höhe von 2 Millionen DM in Aussicht gestellt hat, keinerlei Verfügung zu treffen, wenn der bayerische Staat sie wirklich zur Verfügung stellt. Aber über die Gelder, die der Bund zur Verfügung stellt, muß natürlich der Bund auch die Verfügung treffen. ({3})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, freundlichst davon Kenntnis zu nehmen, daß in dem Umdruck Nr. 333 ein Druckfehler enthalten ist, der dem Herrn Bundesfinanzminister eben Anlaß zu einigen Bemerkungen gab. Es muß nicht „Feststellung der Entschädigungen", sondern „Festsetzung der Entschädigungen" heißen. Damit kommen wir zur Besprechung des Einzelplans IV a und der eben begründeten Anträge im Rahmen der vereinbarten Redezeit von fünf Stunden. ({0}) - Meine Damen und Herren! Es liegt bei Ihnen, ob diese fünf Stunden in Anspruch genommen werden oder nicht. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Luetkens.

Dr. Gerhard Lütkens (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001394, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns zur Beratung vorliegende Haushaltsplan für das Jahr 1951 bringt hinsichtlich des organisatorischen Aufbaus der Behörde keine wesentlichen Änderungen gegenüber dem, was hier schon vor einigen Monaten beraten und beschlossen worden ist. ({0}) Ich möchte nach den bisherigen Erfahrungen nur eine kurze Bemerkung zu diesem Plan, zu den dort vorgesehenen Arrangements, machen. Das ist die, daß wie mir scheint, genau das eingetreten ist, was wir damals voraussagten, als wir uns dagegen wandten, daß im Auswärtigen Amt zwei politische Abteilungen nebeneinander eingerichtet wurden. Der Leiter der einen dieser politischen Abteilungen befindet sich in einer Art von Adjutantur zu dem Herrn Bundeskanzler und Außenminister, und die zweite politische Abteilung, die Länderabteilung, ist in die sachliche Arbeit des Ministeriums, soviel man sehen kann, nur in einem sehr geringen Maße eingebaut. Sie scheint sich im wesentlichen damit zu beschäftigen, die Fauna und Flora fremder Länder zu studieren und zu beobachten. ({1}) Das eigentliche Problem, vor das uns der jetzige Haushaltsplan stellt, ist ein anderes, wie mir scheint. Von den Auslandsvertretungen, die der Haushaltsausschuß, der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und dieses Hohe Haus gebilligt haben, ist bisher anscheinend nur etwa die Hälfte tatsächlich errichtet worden. In den letzten fünf Monaten scheint auf diesem Wege so gut wie gar nichts mehr geschehen zu sein. Ich glaube, man muß sich der Kritik, die kürzlich von einer der Regierungsparteien öffentlich geäußert worden ist, anschließen, daß dem Außenhandel und ebenfalls dem politischen Ansehen der Bundesrepublik schwerer Schaden durch die Verzögerungen zugefügt sei, die durch sachliche Gesichtspunkte wohl kaum gerechtfertigt werden können. Ebensowenig scheint der Aufbau der Zentrale wesentlich vorangekommen zu sein. Die bewilligte Wirtschaftsabteilung z. B. schwebt noch immer irgendwo herum; jedenfalls ist sie nicht im Auswärtigen Amt errichtet worden. Es fehlt also dem Auswärtigen Amt noch immer das Organ, ohne das eine sachgemäße internationale Politik gar nicht gemacht werden kann, ein Organ nämlich, das die handels- und wirtschaftspolitischen Beziehungen und Verhältnisse im Ausland beobachtet, verfolgt und bearbeitet. Ich weiß eigentlich keinen Grund dafür zu finden, daß man dieses Organ nicht ({2}) schafft, es sei denn der, daß man wieder von dem schon bewilligten und von diesem Bundestag gebilligten Stellenplan abzuweichen gedenkt, weil man sich vielleicht in der Lage sehen könnte, für einen stellungslos werdenden Minister ein neues Ministerium zusammenflicken zu müssen, und zwar auf Kosten einer systematischen Politik im internationalen Felde, die doch nur im Auswärtigen Amt geführt werden könnte. Es gibt noch ein anderes solches Beispiel, das zu denken gibt. Seitdem wir diese sonderbare Erscheinung einer Opposition in der Koalition haben, werden, soviel man versteht, in der Regierung auch Pläne erörtert, ob es nicht der beste Weg zum Aufbau Europas sei, die Europarat-Angelegenheiten als Bundesratsangelegenheiten aufzuziehen. Es gibt, soviel ich gehört habe, eine Denkschrift eines Beamten, der früher in der Wirtschaftsabteilung des Ribbentropschen Außenministeriums war und der also diesen Vorschlag macht, die Europa-Referate, deren Platz im Etat des Auswärtigen Amtes der Bundestag auch schon bewilligt hat, herauszunehmen und sie irgendwo anders Unterkunft finden zu lassen. Ich kann mir freilich nicht denken, daß der Herr Bundeskanzler und Außenminister solchen Plänen zustimmen könnte, da doch die Europareferate schließlich vom Standpunkt seiner Politik das Herzstück seines Ministeriums sein müßten. Außer in der Personalabteilung und außer in der Protokollabteilung scheinen, soviel man sehen kann - wir haben trotz monatelangen Drängens noch immer keinen Stellenplan des Außenministeriums in die Hand bekommen -, noch sehr viele der etatmäßig bewilligten Stellen nicht besetzt worden zu sein. Infolgedessen gibt es im Auswärtigen Amt bis heute einen wirklich leistungsfähigen Arbeitsstab, der die internationale Politik verfolgen, beobachten und den Boden für die Entscheidungen der Regierung vorbereiten könnte, wohl noch immer nicht. Etatbeschlüsse dieses Hohen Hauses sind, wie ich glaube, eine Weisung an die Bundesregierung, gemäß den bewilligten und gebilligten Organisation- und Stellenplänen zu verfahren. Die Zurückhaltung des Herrn Außenministers, mit der er diese Beschlüsse nicht ausführt, ist kein Beweis einer besonderen Schätzung dieses Hohen Hauses, seiner Ausschüsse und dessen, was man eine parlamentarische Regierungsform nennt. ({3}) Ich darf in diesem Zusammenhang noch ein anderes und recht trauriges Kapitel kurz erwähnen, das auch diese Art von geringer Schätzung dessen zeigt, was der Bundestag zu tun versucht. In seiner Sitzung vom 21. Februar dieses Jahres hat der Bundestag auf Grund eines von meiner Fraktion eingebrachten Antrages beschlossen, die Regierung möge eine umfassende Aktion zur Feststellung und Ermittlung des Schicksals der verschleppten Zivilpersonen und der noch immer nicht zurückgekehrten Kriegsgefangenen einleiten. Als federführende Behörde wurde damals das Auswärtige Amt bestimmt, dem alle Mittel und auch alle erforderlichen Vollmachten zur Verfügung gestellt werden sollten. Soweit man sieht, hat das Auswärtige Amt unter der Verantwortung des Herrn Außenministers in dieser Angelegenheit bisher nichts getan. ({4}) Ich möchte den Herrn Bundeskanzler und Außenminister fragen, was die Hinterbliebenen oder die Angehörigen der verschleppten Zivilpersonen und der nicht zurückgekehrten Kriegsgefangenen über diese Inaktivität des Außenministers eigentlich denken sollen. ({5}) Das Auswärtige Amt ist und bleibt im Zustand weitgehender Arbeitsunfähigkeit und Desorganisation. Die Vertretungen im Ausland empfangen, soviel man hört, so gut wie keine Instruktionen. Leitende Verhandlungsführer in internationalen Konferenzen von Wichtigkeit erhalten nicht immer Weisungen, die sie benötigen, um die Verhandlungen zu führen. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes ist in partibus infidelium dauernd abwesend; die Gebäude des Auswärtigen Amtes sehen ihn nur selten, und die meisten seiner Beamten kennen ihn nicht. Dort, wo vernünftige Beschlüsse über unsere internationale Politik vorbereitet werden sollten, befindet sich ein Tummelplatz von Adjutanten, Karrieristen und, wie wir von anderer Seite in diesem Hause auch kürzlich gehört haben, von demokratisch nicht zu kontrollierenden Kommissaren. Es fehlt dem Herrn Außenminister jedenfalls an sachlicher, an erfahrener und an nüchterner Beratung; das sieht man an seiner Politik, und das sieht man auch an der Technik seiner Politik; und es ist seine Verantwortung, daß dem so ist. Ich darf Ihnen, meine Damen und Herren, nur ein einziges Beispiel aus der jüngsten Zeit vorführen. Man muß sich doch wundern, daß den westlichen Alliierten anläßlich der neueren Verhandlungen über den Abschluß eines Sicherheitspaktes von der Bundesregierung die Forderung oder das Ansinnen gestellt worden ist, sie möchten einen solchen Pakt auf vertraglicher, bindender Grundlage schließen. Es müßte doch allgemein bekannt sein, daß z. B. die amerikanische Konstitution das Eingehen solcher Verträge von vornherein unmöglich macht. ({6}) Es ist doch in internationalen Verhandlungen sinnlos, Forderungen aufzustellen, die schon allein aus sozusagen technischen Gründen nicht erfüllbar sind. Man setzt sich dadurch völlig sinnloser- und überflüssigerweise einer Ablehnung, ja vielleicht sogar einem Fehlschlag aus. Wenn die Sachberater den Herrn Außenminister vor solchen technischen und taktischen Fehlern nicht bewahren können, so muß doch mit dieser Behörde irgend etwas nicht in Ordnung sein. Ich muß nun zu meinem großen Bedauern auf eine Frage kommen, die, wenn die Bestimmungen des Grundgesetzes gewahrt würden, hier als in einem politischen staatlichen Gremium überhaupt nicht Erwähnung finden könnten. Aber wie bekannt, hat der Herr Bundeskanzler angeordnet, daß im Auswärtigen Amt Erhebungen über die konfessionelle Zugehörigkeit der verschiedenen Beamten angestellt werden; ({7}) und infolgedessen sind wir auch in der Lage, hier Aussagen über Dinge zu machen, die nach dem Grundgesetz hier und überhaupt vor staatlichen Instanzen nicht erörtert werden sollten und nicht bekannt sein sollten. Soviel ich weiß, ist mit Ausnahme eines Beamten, der noch kurz vor dieser Etatsberatung nach Bonn gezogen worden ist, der ganze Stab der Personalabteilung, soweit er sich mit Personal- und Ausbildungsfragen beschäftigt, ({8}) katholischer Konfession, d. h. von acht Beamten im ganzen sieben. ({9}) Soviel man hört, gehört einer sogar zur Ersten Legion. Ich glaube nun, Herr Bundeskanzler und Außenminister, daß Sie mir zu dieser Feststellung, sofern Sie sie nicht berichtigen können, nicht, wie in der 145. Sitzung, sagen werden, ausländische Staatsmänner, auf deren Interessen man Rücksicht nehmen müsse, hätten Sie veranlaßt, auch die Personalabteilung in dieser etwas sonderbaren Weise zusammenzusetzen. Ich nehme an, es muß andere Gründe haben, warum das geschehen ist; es kann ja kein Zufall sein. Ich spreche die Vermutung aus, daß es das Werk einer der personellen Cliquen ist, die sich um Anstellungen in den Bonner Ministerien bewerben, nämlich der Clique, von der viel zu wenig die Rede ist, die von dem unaussprechlichen Herrn Globke gesteuert wird, von dem wir in diesem Hohen Hause schon wiederholt gesprochen haben, dem sogenannten Reichssicherungshauptamt. Bei solchen Zuständen nun wundern wir uns nicht, daß sich der Herr Außenminister so gut wie völlig über das Anliegen hinweggesetzt hat, das von meiner Fraktion als der Opposition und als der alternativen Regierung in diesem Hohen Haus und im 7. Ausschuß dieses Hohen Hauses zu wiederholten Malen vorgebracht worden ist, daß es nämlich wegen der Stabilität dieses Staatswesens erforderlich sei, beim Aufbau der Ministerialbürokratie Kräfte aus allen demokratischen Lagern heranzuziehen. Ich muß feststellen, daß die Regierung keinerlei ernst gemeinte Schritte unternommen hat, um in dieser Sache zu einer Lösung zu kommen. Insbesondere gilt das von allen solchen Stellen, die als politische Beamtenstellen klassifiziert werden. Der Herr Außenminister hat keinerlei Vorkehrungen getroffen, um einen Weg zu finden, damit auch solche Kräfte berücksichtigt werden könnten, die meiner Fraktion in der allgemeinen politischen Tendenz nahestehen. Die Angelegenheit ist in diesem Hohen Hause zuletzt in der 145. Sitzung behandelt worden. In dem gedruckten Protokoll dieser Sitzung finden sich einige Streichungen. Es liegt mir deshalb daran, festzustellen, daß jener Brief, in dem der Herr Bundeskanzler beiläufig davon sprach, er sei bereit, von meiner Fraktion Vorschläge zwecks personeller Verwendung in seinem ministeriellen Bereich entgegenzunehmen, mehrfach von uns beantwortet worden ist. Ich selber habe im 7. Ausschuß die Angelegenheit mindestens dreimal aufgegriffen. Ich bin allerdings der Meinung, daß das eine der Formen ist - vielleicht sogar die zweckmäßigste Form -, in denen Verhandlungen zwischen verschiedenen Fraktionen erfolgen sollten. Erst als ich die Angelegenheit zum dritten Mal - wenn ich mich recht erinnere, im Ausschuß - aufgriff, hat der Herr Außenminister Veranlassung genommen, auf meine Anfrage zu reagieren. Aber weder in dem Ausschuß noch bei einem Besuch, den ich am 16. Mai dieses Jahres dem Herrn Außenminister und Bundeskanzler in Rhöndorf machen durfte, ist es dazu gekommen, daß der Opposition eine ernsthafte Grundlage für Verhandlungen an die Hand gegeben worden ist. Die Opposition kann sich nicht, wie das vielleicht die Regierungsparteien tun können, damit abfinden lassen, daß ihr der eine oder der andere Posten angeboten wird. Für sie kann es sich nicht um die individuelle Patronage von Personen handeln, sondern nur um die Schaffung eines staatspolitischen Tatbestandes. ({10}) Wir haben in dieser Sache das Unsere getan. Es wäre an der Regierung gewesen, eine konkrete und eine genügend weite Basis vorzuschlagen, auf der eine Verständigung möglich gewesen wäre. Die Opposition aber kann, darf und wird sich in solcher Sache gegenüber der Regierung nicht in die Position des Petenten begeben. Nur die Regierung kann politische Tatbestände schaffen, weil sie die Regierung ist, die zur Zeit an der Macht ist. Von ihrer Initiative und ihrer Einsicht allein hängt ab, was geschieht. Mir scheint es völlig deutlich geworden zu sein, daß der Herr Bundeskanzler und das Kabinett nicht ernsthaft gewillt sind, alle demokratischen Kräfte dieses Landes bei der Besetzung und dem Aufbau der Ministerialbürokratie zu berücksichtigen. Das wird durch die Tatsache erhärtet, daß der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, wie mir der Herr Fraktionsvorsitzende der CDU, wenn es nötig wäre, sicher bestätigen wird, mich vor etwa einem halben Jahr hat fragen lassen, ob ich zu einem Gespräch mit ihm über diese Angelegenheit bereit sei, daß ich aber von dieser Angegelegenheit niemals mehr ein Wort gehört habe. Eben derselbe Herr Staatssekretär hat dann am 30. Juli dieses Jahres auf einer Pressekonferenz in Berlin die Dreistigkeit gehabt, auf Befragen zu erklären, die SPD habe bisher keine geeigneten Bewerber genannt. ({11}) Herr Bundeskanzler, diese Methoden dienen nicht einer pfleglichen Behandlung der Beziehungen zwischen den beiden Seiten dieses Hauses, wie sie schließlich doch zu einem Minimum bestehen sollten. Es ist - um das Bild abzurunden - derselbe Herr Staatssekretär, der sich häufig dahin äußert, daß die Presse eine wirkliche Aufgabe nicht zu erfüllen habe und nur dazu da sei, .die Neugier der Menge und die Neugier der Öffentlichkeit zu befriedigen. ({12}) Der Vorschlag, der heute hier in einem früheren Stadium gemacht wurde, der Herr Staatssekretär im Auswärtigen Amt würde vielleicht besser die Leitung des Bundespresseamtes übernehmen, scheint, wenn man diese Philosophie berücksichtigt, in der Tat äußerst zweckmäßig. Dann würde vielleicht eine bessere Information der Öffentlichkeit Platz greifen, als wir sie bisher zu unserem Bedauern in diesem Lande haben erleben müssen. Nur wenn es einem mit der Festigkeit und der Bewahrung der Demokratie ernst ist, kann man ja überhaupt den Gedanken fassen, daß es geboten ist, die demokratischen Kräfte meiner Partei beim Aufbau unserer Verwaltung heranzuziehen. Die Entwicklung in den Spitzen der Bürokratie des Auswärtigen Amtes scheint einen anderen Weg einzuschlagen. Denn was hat dieser Herr Staatssekretär auf Befragen im 7. Ausschuß neulich erklärt? Bei der Einsetzung eines neuen Leiters der Personalabteilung des Auswärtigen Amtes werde es erforderlich sein, von dem Kabinettsbeschluß abzuweichen, der vorsehe, daß ehemalige Pgs nicht in solchen Stellungen in den Ministerien der Bundesrepublik verwandt werden dürften. ({13}) ({14}) Ich wäre dem Herrn Außenminister für eine Erklärung dankbar, wie er sich zu dieser Tendenz stellt, die auch in dieser Antwort seines Staatssekretärs wieder unverkennbar zum Ausdruck kommt. Macht er sich diese Erklärung zu eigen, und meint er, daß es für dieses junge Staatswesen politisch tragbar sei, wenn an den repräsentativsten Stellen der Verwaltung im In- und Ausland immer neue Beamte in maßgebenden Stellen erscheinen, die sich in der Vergangenheit dem Gewalthaufen der NSDAP angeschlossen haben? Meine Damen und Herren, seit der letzten Etatsdebatte sind mehrfach, zuletzt unter dem Nom de plume Mansfeld in der „Frankfurter Rundschau" heftige Angriffe auf bestimmte Aspekte der Personalpolitik des Herrn Außenministers gemacht worden. Wie ich glaube, hat sich die „Frankfurter Rundschau" ein Verdienst erworben, durch diese Veröffentlichungen aufzudecken, daß in der Öffentlichkeit ein weit verbreitetes Mißtrauen und die Sorge besteht, ob die personelle Zusammensetzung des Auswärtigen Amtes für unsere Demokratie politisch tragbar sei. Dieser Malaise unseres öffentlichen Lebens müßte mit allen Mitteln ein Ende gemacht werden. Es muß Klarheit in einer Weise geschaffen werden, die allseitig Vertrauen findet, und es muß dann im Lichte der zu schaffenden Aufklärung so oder so gehandelt werden. Es scheint wir nun weder nötig noch angebracht, hier auf einzelne Fälle, die in jener Artikelserie genannt worden sind, einzugehen. Man würde dadurch in ein schwebendes Verfahren eingreifen. Meine Fraktion hat, wie Sie wissen, gemäß Art. 44 des Grundgesetzes die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses verlangt. Er wird hoffentlich seine Arbeiten bald aufnehmen können. Wir sehen nach dem völligen Versagen der Exekutive aus Anlaß des Erscheinens dieser Artikelserie keinen anderen Weg mehr, das Erforderliche zu erreichen. Es ist, wie wir glauben, der Weg, der den ganzen Komplex möglichst schnell, gerecht und endgültig in einer solchen Weise zur Erledigung bringen könnte, daß die Bevölkerung und die öffentliche Meinung in die dann erarbeiteten Befunde Vertrauen haben können. Das eingeleitete Dienststrafverfahren, wie es der Herr Außenminister schließlich angeordnet hat, kann die Fragen keinesfalls in befriedigender Weise klären. Es kann die behaupteten Tatbestände prozeßrechtlich überhaupt nicht erfassen. Es vollzieht sich unter Ausschluß der Öffentlichkeit, und es entbehrt jeglicher Garantie für die dem Verfahren unterzogenen Beamten. Ich habe also nur über das Verhalten an der Spitze des Auswärtigen Amtes aus Anlaß des Erscheinens dieser Artikelreihe zu sprechen. Die früheren Beamten des Auswärtigen Amtes, die als Beamte oder als Angestellte Wiederverwendung gefunden haben, wurden von Ihnen und unter Ihrer Verantwortung eingestellt, Herr Bundeskanzler. Für einen großen Teil der namentlich Genannten gilt das sogar in dem Sinne, daß Sie selbst allein, beraten durch einen Ihnen persönlich attachierten Adjutanten, die Wiederverwendung veranlaßt haben. Insbesondere ist das bei allen Beamten der Fall, die durch die sogenannte Verbindungsstelle gegangen sind. Als sie eingestellt wurden, gab es noch keinen technischen Behördenapparat, der als eine Art von Personalstelle bei diesen Berufungen hätte mitwirken können. Als nun diese Einstellungen jeweils erfolgten, war es die Verantwortung des zuständigen Ministers, zu sehen, daß die Fälle unter politischen und moralischen Gesichtspunkten geprüft wurden. Es gibt nun nur zwei Möglichkeiten: Entweder der zuständige Minister tat das damals nicht - das möchte ich nicht annehmen -; dann hätte er der gesunden Entwicklung der Behörde großen Schaden getan und auch der Entwicklung eines Staatsbewußtseins in unserem Volke. Oder Sie, Herr Bundeskanzler, verschafften sich damals Gewißheit - und man möchte glauben, daß Sie das taten -; dann wäre festzustellen, daß der jetzt von Ihnen zu tragenden Verantwortung nicht Genüge geschehen ist. Anstatt für Ihre Beamten einzustehen und sich vor sie zu stellen, haben Sie zugelassen, daß Ihr Ministerium die Flucht ergriff. Und wenn das Beamtenverhältnis richtig als ein Treueverhältnis charakterisiert ist, so hat Ihr Ministerium es jedenfalls in beunruhigender Weise daran fehlen lassen. Meine Damen und Herren! An seinen Früchten erkennt man den Apfelbaum, und an der Art und Weise, in der unter der Verantwortung des Herrn Außenministers in dieser Angelegenheit verfahren worden ist, erkennt man auch, was für ein Geist an den Spitzen unserer Verwaltung vorzuherrschen sich anschickt. Ich denke da an den Teil der Erklärung des Auswärtigen Amtes vom 7. September, in dem es heißt: Der angegriffene Personenkreis ist nicht nur vom Auswärtigen Amt, sondern in der Mehrzahl der Fälle auch von einem Unterausschuß des Bundestages eingehend geprüft worden. Als eins der Mitglieder dieses Unterausschusses habe ich hier nun zu sagen, daß die Erklärung des Auswärtigen Amtes nicht nur ({15}) an der Wahrheit vorbeigeht, sie ist auch unziemlich gegenüber diesem Hohen Haus. ({16}) Der Unterausschuß hatte eine Anzahl von Fragen zur Methode der Personenauswahl für das in Entwicklung begriffene Auswärtige Amt zu behandeln. Die Untersuchungen galten der Tätigkeit der Personalabteilung und nicht der des Herrn Bundeskanzlers zu einer früheren Zeit. Dazu gehörte auch die Frage, ob überhaupt und wenn, in welcher Weise ehemalige Pgs eingesetzt werden dürften. Die Auffassung, daß ehemalige Pgs wohl eingestellt, aber nicht in exponierten Stellungen verwendet werden sollten, fand im Unterausschuß nur die Unterstützung der Vertreter des Zentrums und meiner eigenen Fraktion. ({17}) In diesem Zusammenhang sind auch hinsichtlich einiger weniger Personen, die jetzt in der „Frankfurter Rundschau" erwähnt worden sind, solche Fragen zur Sprache gekommen, wie sie jetzt wieder an die Öffentlichkeit treten. Auf keinen Fall aber hatte der Unterausschuß die Vorgeschichte der von der Personalabteilung oder gar sonstwie Eingestellten zu prüfen. Solche Prüfungen sind offenbar Pflicht und Verantwortung der Verwaltung. Aus dieser konstitutionellen Erwägung heraus hat der damalige Unterausschuß erklärt - und diese Erklärung ist vom 7. Ausschuß in seiner 37. Sitzung am 4. Januar 1951 einstimmig gebilligt worden -, es sei Pflicht und Sache des Justizministeriums, die Nürnberger Protokolle in Hinsicht auf ({18}) wiederverwendete oder wiederzuverwendende Beamte des früheren Auswärtigen Amtes zu prüfen und so dem Auswärtigen Amt und dem Außenminister eine vernünftige Grundlage für die von ihm allein zu verantwortenden personellen Entscheidungen an die Hand zu geben. Ich möchte wissen, ob in dieser Richtung seitens der Verwaltung und seitens des Herrn Außenministers irgend etwas geschehen ist und ob der Herr Außenminister sich des so gezeigten Weges bedient hat, um Mißgriffen vorzubeugen oder schon begangene zu korrigieren. Die Erklärung des Auswärtigen Amts vom 7. September ist aber zudem unziemlich. Es kommt der Verwaltung nicht zu, sich hinter die Volksvertretung zu verstecken und dadurch den Versuch zu machen, die von der Verwaltung zu tragende Verantwortung zu verwischen und den Bundestag in jene Diskreditierung mit hineinzuziehen, der sich auf Grund seines ungeschickten Verhaltens das von dem Herrn Außenminister geleitete Amt in den Augen der Öffentlichkeit ausgesetzt sieht. ({19}) So kann man in einer Demokratie nicht vorgehen. Wir müssen erwarten, daß der Außenminister gegen die an dieser Verunglimpfung des Bundestages beteiligten Beamten mit aller Entschiedenheit vorgeht, und der Bundestag kann hoffentlich noch heute eine entsprechende Zusage des Herrn Bundeskanzlers und Außenministers erwarten. Meine Damen und Herren, bevor ich die Stellungnahme meiner Fraktion zu dem vorliegenden Antrag des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 2604 begründe, kurz einige Worte zu einem Antrag, dessen Beratung mit der Etatdebatte verbunden ist. Es handelt sich um den Antrag der FDP Drucksache Nr. 2468 betreffend Wegnahme der bundeseigenen Dienstgebäude des ehemaligen Auswärtigen Dienstes. Wir haben zu diesem Antrag einen Ergänzungsantrag eingebracht, der, wie wir hoffen, zur Abrundung des FDP-Antrages dient und den mit ihm verfolgten Zweck zu fördern geeignet ist. Wir sind der Meinung, daß der FDP-Antrag mit der von uns vorgeschlagenen Ergänzung noch hier im Plenum angenommen werden könnte und einer Überweisung an den Ausschuß nicht bedürfte, so daß nach Vorlegung der Denkschrift dann auf gesicherter Grundlage eine Debatte über diese etwas peinliche Angelegenheit hier erfolgen könnte. Was nun den Antrag des Haushaltsausschusses zum Etat des Auswärtigen Amts anlangt, so werden wir diesen ablehnen wie schon das letzte Mal. Damals hat der Herr Außenminister unsere Stellungnahme zu ironisieren versucht, und vielleicht wird er es auch diesmal zu tun versuchen. Aber wie damals würde das auch jetzt nur beweisen, daß der Herr Bundeskanzler bei aller Doppelseitigkeit seiner Natur, die er sich so gerne zuschreibt - schon zu wiederholten Malen hier in den Sitzungen -, offenbar nicht einsehen kann, wie unvereinbar die politischen Standpunkte sind, die er auf der einen und die sozialdemokratische Fraktion auf der anderen Seite einnehmen. Wir halten seine internationale Politik für von der Wurzel aus falsch, und die Ablehnung des fr tats des Auswärtigen Amts, für das der Herr Bundeskanzler und Außenminister dank seiner Doppelfunktion die volle Verantwortung trägt, ist für uns ein Ausdruck der Mißbilligung seiner Politik als Außenminister. Mit dieser Ablehnung seines Etats bringen wir unmißverständlich unsere Ablehnung seiner politischen Methoden und Ziele zum Ausdruck, auch derer aus der letzten Phase der Entwicklung. ({20}) Mit dieser Personalunion geht es so, meine Damen und Herren, wie es im Reich des Doppeladlers dem Kaiser Franz dem Gutmütigen ging, als er auf der Jagd in Tirol war. ({21}) Er schoß einen Adler, dort lag er vor ihm, und was er sagte, war: Aber gehn's, der Adler hat ja nur einen Kopf! ({22}) Wir schießen auf die Politik des Außenministers, wir treffen, und vor uns liegt der Herr Bundeskanzler. ({23}) Er ist als Minister diesem Bundestag in demokratischer Weise verantwortlich. Aber er ist es nicht, insofern er durch seine pflichtmäßige Zusammenarbeit mit der sogenannten obersten Gewalt in der Bundesrepublik mit einem nicht aus dem demokratischen Volkswillen ableitbaren Gremium in einer Viererkombination auftritt, die versucht, in diesem Lande durch Machtspruch niederzulegen, was aus dem Willen des Volkes kommen sollte. Dies ist - damit kein Mißverständnis aufkommen könne - eine objektive Situation, in die sich der Herr Bundeskanzler als Bundeskanzler gestellt sieht. Der Außenminister dieser Bundesrepublik aber muß ein Mann sein, der politisch Verantwortung nur vor diesem Parlament zu tragen hat. ({24}) Das Amt des Herrn Bundeskanzlers und das des Außenministers können nicht in einer Hand liegen; sie müssen voneinander getrennt werden, und zwar nicht erst dann, wenn, wie der Herr Bundeskanzler vielleicht sagen wird, die gegenwärtigen Verhandlungen auf Grund der Washingtoner Beschlüsse zu einem Ende gekommen sein werden. Der Herr Bundeskanzler hat sich im Laufe der beiden Jahre in eine solche Position hineinmanövriert, daß er als Außenminister heute nicht mehr so handeln kann, wie die Lage es nach unserer Ansicht gebietet und wie es die Mehrheit des Volkes erwartet. Die Grundlage, auf der er das Gebäude seiner Außenpolitik errichtet hat, war falsch von Anfang an; aber nun kann er nicht mehr von dieser Grundlage herunter, weil er sich selbst in den Schlingen seiner früheren Entschlüsse verstrickt hat. ({25}) Zur Begründung will ich mich ausschließlich auf das Memorandum beziehen, das der Herr Bundeskanzler am 29. August 1950 den Außenministern der westlichen Alliierten hat zugehen lassen. Der Herr Außenminister hat sich in der 145. Sitzung auf dieses Dokument bezogen und es auch früher schon auf Pressekonferenzen erwähnt. In diesem Memorandum haben Sie, Herr Bundeskanzler, sich für die Entwicklung Ihrer internationalen Politik Hindernisse aufgerichtet, die letzten Endes der Bundesrepublik den Weg ins Freie erschweren, wenn nicht verbauen. Trotz allem, was Sie sagen mögen, haben Sie nach meiner Ansicht damals den deutschen Verteidigungsbeitrag angeboten, und damals haben Sie auch die schlechte Idee vorgebracht, die Beziehungen zwischen den Besatzungsmächten im Westen und der Bundesrepublik sollten durch ein System vertraglicher Abmachungen geregelt werden. Diese beiden Initiativen drohen uns nunmehr in die fatalsten Schwierigkeiten zu bringen. ({26}) ({27}) Auf diese Weise nämlich sind Sie bei der Forderung nach Souveränität für die Bundesrepublik angelangt, und damit haben Sie sofort alle möglichen Komplikationen heraufbeschworen. ({28}) Wegen der ganzen internationalen Lage ist eine Souveränität der Bundesrepublik zur Zeit politisch nicht möglich (

Dr. Konrad Adenauer (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000009

Unerhört!) noch vor der Wiedervereinigung mit der Sowjetzone wünschbar. (

Dr. Konrad Adenauer (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000009

Unerhört! Abg. Renner: Hört! Hört! - Abg. Euler: „Nicht wünschbar" hat er gesagt!) Das ist ein Standpunkt, Herr Bundeskanzler, den Sie selbst und im übrigen die Vertreter aller Parteien im Auswärtigen Ausschuß immer und immer wieder betont und sich zu eigen gemacht haben. (

Dr. Konrad Adenauer (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000009

Das ist nicht wahr!) Worauf es ankam, worauf es ankommt und worauf es der Bundesregierung von Anfang an hätte ankommen müssen, war, für die Bundesrepublik die volle innere Autonomie zu erreichen, ({0}) die unabdingbare Autonomie, ({1}) das demokratische Recht jeder staatlichen Gemeinschaft, über ihre eigenen inneren Angelegenheiten selbst zu bestimmen. ({2}) Sie wollten, Herr Bundeskanzler, die Souveränität für die Bundesrepublik, die ihr schon nach dem Grundgesetz nicht zukommen kann, ({3}) und Sie werden jetzt nach den Washingtoner Beschlüssen nicht einmal die innere Autonomie erreichen. ({4}) Sie werden die innere Autonomie, die wir vielleicht hätten bekommen können, durch diese Art Verhandlungen zu vernichten in Gefahr kommen. Worauf es nach meiner Ansicht angekommen wäre, wäre eine Erklärung der alliierten Mächte gewesen, daß sie die vier großen Ds für den Bereich ihrer Besatzungszonen für erfüllt ansehen. Damit meine ich die in den internationalen Dokumenten des Jahres 1945 genannten vier Ds: die Dekartellisierung, die Demokratisierung, die Denazifizierung und die Demilitarisierung. Das waren die Ziele der Besatzungsmächte, mit denen sie moralisch und rechtlich damals die Besetzung deutschen Territoriums und die besondere Form der Okkupation begründet haben. Auf solchem Wege möchte es möglich gewesen sein, eine feste Basis für eine gesicherte innere Autonomie der Bundesrepublik zu gewinnen, ohne die Frage der Souveränität in diesem Stadium überhaupt aufzuwerfen. ({5}) Nun stellt sich heraus, daß die von Bonn auf den Weg gebrachten Pläne zu Konsequenzen führen, welche mit dem Hauptziel politischer Strategie nicht in Einklang zu bringen sind, das uns allen gemeinsam sein sollte. So hat der Bundestag kürzlich beschlossen: Die vordringlichste politische Forderung des deutschen Volkes und seiner frei gewählten Vertretung, des Deutschen Bundestags, ist es, die Einheit Deutschlands in Freiheit mit friedlichen Mitteln wiederherzustellen. ({6}) Die Politik meiner Fraktion ist immer davon ausgegangen, daß die Wiederherstellung der deutschen Einheit nicht nur für die Existenz unseres Volkes geboten sei, sondern auch die Voraussetzung bleibt für die erfolgreiche Integrierung eines freien Europas. In dieser Erkenntnis haben wir immer bei allen politischen Überlegungen Priorität für die Wiedervereinigung gefordert und uns solchen Plänen widersetzt, welche die Erreichung dieses Ziels gefährden könnten. ({7}) Wir haben die enge Zusammenarbeit mit den westlichen Völkern Europas immer begrüßt. Aber gerade auch im Interesse dieser anderen Völker und Europas haben wir uns widersetzt, wenn die Integration nach Westen über den Punkt hinausgetrieben werden sollte, wo sie automatisch die Wiedervereinigung mit der sowjetischen Besatzungszone gefährden muß. ({8}) Die Politik, die die Regierung zwei Jahre lang verfolgt hat, hat in diese Sackgasse geführt. ({9}) Alle Verträge, die der Herr Bundeskanzler abzuschließen plant, werden Barrieren aufrichten, die die deutsche Wiedervereinigung hemmen, erschweren, wenn nicht noch schwerere Wirkungen und Konsequenzen für die Wiedervereinigung haben. ({10}) Es ist notwendig, daß die westlichen Mächte überzeugt werden, daß sie um Europas willen, um der ganzen weltpolitischen Lage willen einen anderen Weg beschreiten als den bisherigen, auf den sie auch durch die Initiative des Herrn Bundeskanzlers vom 29. August 1950 gelenkt worden sind. Die Frage ist nicht, ob die Einheit Deutschlands das höchste Ziel der Politik und Ihrer Politik, Herr Bundeskanzler, ist, sondern die Frage ist, ob Sie um dieses Zieles willen fähig sind, Verzicht zu leisten auf das, was Sie bisher angestrebt haben, nämlich eine Form der westlichen Integration, welche die Integration Deutschlands zu blockieren droht. Das ist Ihr Dilemma und das ist nunmehr unser aller Dilemma. Weil Sie, Herr Außenminister, entgegen den Wünschen und Weisungen dieses Hohen Hauses das Auswärtige Amt nicht zu einem Sachverständigeninstrument aufgebaut haben, weil Sie, Herr Bundeskanzler, nicht als ein Außenminister sprechen können, der nur der deutschen Demokratie verantwortlich wäre, weil Sie den Bundestag und seine Ausschüsse von der Mitwirkung an den für uns alle lebenswichtigen internationalen Fragen auszuschließen suchen, weil, wie es in der „Ketteler-Wacht" geheißen hat, ein rheinisch-abendländischer Gesichtswinkel verkennt, daß das deutsch-französische Problem nicht das Kernproblem der europäischen Frage ist, weil Sie, mit anderen Worten, das Problem der Einheit Europas reduziert haben auf die Frage der deutsch-französischen Verständigung, von wo aus es keinen Zugang zur Schaffung eines freien Europas gibt, weil Sie die Bundesrepublik in das Dilemma manövriert haben, wo durch Ihre Außen({11}) politik die Einheit Deutschlands auf Jahrzehnte hinausgeschoben zu werden droht, wenn Sie nicht Ihre Politik noch ändern, - aus diesen Gründen lehnen wir den Etat des Auswärtigen Amts ab. ({12})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000009

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rede des Herrn Abgeordneten Luetkens wird von der Bundesregierung einer sehr genauen Nachprüfung unterzogen werden. Diese Rede war derart rabulistisch - ich habe keinen anderen Ausdruck ({0}) und widersprach nach meiner Auffassung der Dinge so völlig der bisherigen Haltung der Sozialdemokratischen Partei, ({1}) daß man nur sein größtes Bedauern darüber ausdrücken kann, daß die Sozialdemokratische Partei, wenn sie ihren Sprecher Luetkens billigt, in einem entscheidenden Augenblick für die Geschicke des deutschen Volkes eine derartige Politik proklamiert. ({2}) Ich kann mir jetzt, nachdem ich diese Rede des Herrn Abgeordneten Luetkens gehört habe, auch vorstellen, wie unangenehm es ihm und seinen Freunden gewesen ist, daß ich gerade heute die Note der drei Westmächte hier mitteilen konnte, ({3}) in der diese ausdrücklich erklären, daß sie für Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf demokratischer Grundlage eintreten werden, auch in Zukunft, und in der sie ferner zum ersten Male überhaupt seit Bestehen der sowjetrussischen Besatzung erklären, daß sie die Zustände in der Sowjetzone durch eine internationale Kommission der UNO untersuchen lassen wollen. ({4}) In diesem Augenblick, an diesem Tag erklärt Herr Abgeordneter Luetkens derartige Dinge wie die folgenden: Es handle sich nicht darum, die Souveränität Deutschlands wiederherzustellen, ({5}) sondern nur eine innere Autonomie. ({6}) Ich bin, meine Damen und Herren, aufs tiefste erschüttert ({7}) durch diese Erklärung, die hier im Deutschen Bundestag abgegeben worden ist. ({8}) Am Schluß meiner Ausführungen darf ich auf die allgemeinen Erklärungen des Herrn Abgeordneten Luetkens zurückkommen. Ich möchte nur zunächst zu einigen Einzelheiten, die er ausgeführt hat, etwas sagen. Gegen die Zusammensetzung des bisherigen Auswärtigen Amts - ich muß mich korrigieren: des Auswärtigen Amts in seinem jetzigen Zustand, denn es ist noch lange nicht vollständig - waren erhebliche Vorwürfe erhoben worden nach zwei Richtungen hin. Einerseits wurde behauptet, daß das Auswärtige Amt zum großen Teil aus früheren Pgs bestehe, und zweitens, daß es einseitig konfessionell zusammengesetzt sei. ({9}) - Verzeihung, die letztere Ausführung hat Herr Reismann hier von diesem Pult aus gemacht. ({10}) Daraufhin ist vom Auswärtigen Ausschuß ein Unterausschuß eingesetzt worden, der sich mit diesen Fragen sehr ausführlich beschäftigt hat. Damals hat derselbe Abgeordnete Luetkens keine Bedenken auf Grund des Grundgesetzes getragen, sich um die Konfession der Beamten zu bekümmern. ({11}) Ich will Ihnen aber die Ziffern jetzt doch sagen, meine Damen und Herren. Im Auswärtigen Amt sind zur Zeit 383 Beamte und Angestellte des höheren Dienstes beschäftigt. Davon waren im früheren Auswärtigen Amt tätig 138, neu sind 245. Mitglied der NSDAP waren 134, ({12}) nicht betroffen sind 249, ({13}) Katholiken 125, Evangelische 241, ({14}) sonstige, ohne Konfession 17. Das sind die Ziffern. Nun komme ich zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Luetkens, der darüber sprach, daß keine oder nicht genügend Beamte im Auswärtigen Amt seien, die seiner Partei angehörten oder ihr nahestünden. ({15}) Darüber haben Verhandlungen stattgefunden. Ich habe seinerzeit dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion einen Brief geschrieben, in dem ich ihn gebeten habe, er möge mir doch geeignete Herren vorschlagen. ({16}) Auf diesen Brief habe ich lange Monate überhaupt keine Antwort bekommen. ({17}) Es hat dann eine Besprechung mit Herrn Luetkens stattgefunden. Ich habe meine Bitte wiederholt, und es haben zwischen dem Herrn Luetkens und den Herren Blankenhorn und Hallstein Besprechungen stattgefunden. Bei diesen Besprechungen hat sich Herr Luetkens geweigert, Herren vorzuschlagen, bis ihm eine gewisse Quote zugebilligt sei. ({18}) ({19}) Darum hat es sich gedreht. Herr Luetkens hat verlangt, daß der Sozialdemokratischen Partei bestimmte Quoten zugebilligt würden. Das, meine Damen und Herren, haben wir abgelehnt. ({20}) Herr Luetkens hat diese Zuteilung zur Bedingung dafür gemacht, daß er Namen benenne. Er hat dann keine weiteren Namen benannt. ({21}) Herr Luetkens hat dann weiter behauptet, daß zahlreiche Stellen nicht besetzt seien. Ich möchte Ihnen allgemein folgendes sagen. Das frühere Auswärtige Amt hatte, ehe es unter nationalsozialistischer Herrschaft aufgebläht wurde, im Innen- und Außendienst 1200 Beamte. Wir schätzen, daß, wenn der auswärtige Dienst völlig ausgebaut ist, wir etwa 1000 nötig haben. Wir haben nicht so viel nötig wie das frühere Auswärtige Amt, weil wir eben verkleinert sind. ({22}) Auf der anderen Seite stellen aber die zahlreichen internationalen Konferenzen und Pakte dem Auswärtigen Amt ganz neue Aufgaben. ({23}) Nun ist mein Wunsch - und ich weiß, daß ich mich darin mit der überwiegenden Mehrheit dieses Hauses im Einklang befinde -, daß das neue Auswärtige Amt nicht einfach eine Restaurierung des alten Auswärtigen Amtes sein soll. ({24}) Man kann aber bei dem Aufbau eines so wichtigen Ministeriums nicht von vornherein auf die Mitarbeit von erfahrenen Leuten verzichten, sondern man muß - ({25}) - Ach, das „Aha"! Wenn ich Ihnen einmal aufzähle, wieviele frühere Pgs Sie in der Partei beschäftigen, dann werden Sie staunen! ({26}) Verlassen Sie sich darauf, daß wir auch darüber Material haben! ({27}) - Meine Herren, noch sind Sie nicht mit dem Auswärtigen Amt identisch! Sie mögen ein Nebenamt führen, aber das Hauptamt haben Sie noch nicht! ({28}) Ich fahre fort und sage: man kann nicht einfach bei dem Aufbau eines so wichtigen Ministeriums auf erfahrene Leute der früheren Zeit rundweg verzichten. ({29}) Ich stehe weiter auf dem Standpunkt, daß wir jetzt im Jahre 1951 endlich einmal auch einen Strich darunter machen sollen, daß früher Leute der NSDAP angehört haben, ohne irgendwie da etwas pecciert zu haben. ({30}) Der auswärtige Dienst verlangt doch auch gewisse Fähigkeiten. Man kann nicht jeden dazu brauchen. Ich will Ihnen folgendes sagen: von 27 im Haushaltsplan 1950 vorgesehenen Generalkonsulaten erster Klasse sind 18 besetzt, 4 sind auch schon besetzt, aber die Herren sind noch nicht abgereist, und nur die Generalkonsulate in Mexiko, Lissabon und Madrid, ich muß mich verbessern - in Tokio, Wien, Mexiko, Lissabon und Madrid, sind noch nicht besetzt. Ob Sie großen Wert darauf legen, daß wir so schnell wie möglich einen Generalkonsul nach Madrid schicken, sagen Sie mir freundlichst, Herr Luetkens, dann kann es ja geschehen! ({31}) Von den 16 einfachen Generalkonsulaten sind 9 besetzt, für 6 sind die Herren ebenfalls schon benannt und nur eines - das ist das in .Teheran - ist noch nicht besetzt, weil wir da kein Agrément haben. Aber wenn Sie einen geeigneten Bewerber für Teheran haben, Herr Luetkens, können wir auch darüber sprechen. ({32}) Herr Luetkens hat mit großer Emphase und mit der ganzen Überzeugungskraft, die eine langjährige Tätigkeit im Auswärtigen Amt verleiht, ({33}) erklärt, die amerikanische Konstitution lasse nicht das Eingehen eines Paktes zu, wie ich es verlangt habe. Herr Luetkens ist diesmal im Irrtum. Die amerikanische Konstitution läßt den Abschluß eines derartigen Paktes wohl zu; aber seit Bestehen der Vereinigten Staaten ist niemals ein solcher Vertrag abgeschlossen worden. ({34}) Meine Damen und Herren, aber viel mehr als alles das, was Herr Luetkens an tausendundeiner Einzelheit hier erzählt hat - ich gebrauche mit Absicht den Ausdruck tausendundeins -, ({35}) müßten uns die allgemeinen Ausführungen, die er gemacht hat, beschäftigen und mit der größten Sorge erfüllen. ({36}) Herr Luetkens hat zweimal gesagt, daß ich als Bundeskanzler den Hohen Kommissaren verantwortlich sei und daß ich deswegen nicht die Geschäfte als Außenminister führen könne. Er hat ausdrücklich erklärt, daß ich nicht der deutschen Demokratie verantwortlich sei. Zunächst stelle ich fest, daß ich vom Deutschen Bundestag und von niemand anderem dem Bundespräsidenten vorgeschlagen worden bin. ({37}) Und zum zweiten: Ich muß es dem Herrn Luetkens überlassen, wie er es einem Menschen klarmachen will, wie unter dem Bundeskanzler, der nach seiner Auffassung von den Hohen Kommissaren abhängig ist und der doch die Richtlinien der Politik angibt, ein Minister des Auswärtigen bestehen kann, der vollständig frei und unabhängig ist. ({38}) Gerade aus diesem Beispiel sehen Sie, was Herr Luetkens in seiner Rede aus allen Ecken und Enden zusammengekratzt hat. ({39}) ({40}) Das mag Herr Luetkens mit sich selbst abmachen; aber das deutsche Volk muß darüber aufgeklärt werden ({41}) und darf das niemals vergessen, ({42}) daß in einem Augenblick, in dem wir mit den drei Westalliierten über die Wiederherstellung der Souveränität der Bundesrepublik verhandeln, ({43}) Herr Luetkens hier erklärt: wir wollen keine Souveränität, wir wollen nur die innere Autonomie. ({44}) Das ist ungefähr das Schlimmste, was in diesem Augenblick ein Deutscher sagen kann. ({45}) Lassen Sie mich nun zum Schluß noch ein Wort über die Richtlinien meiner Außenpolitik sagen. ({46}) Diese Außenpolitik ist nicht die des Herrn Luetkens, der anscheinend zwischen Sowjetrußland und den Westalliierten hin- und herpendeln will. ({47}) - Ja, ich glaube allerdings, die Rede des Herrn Luetkens wird Ihnen noch manchmal sauer aufstoßen. ({48}) man doch nur lachen!) - Ja, lachen Sie nur! Wer zuletzt lacht, lacht am besten. ({49}) Meine Damen und Herren, meine Politik ist die folgende. ({50}) Ich will, und zwar mit Ihnen zusammen, die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, aber nicht die Wiederherstellung eines Deutschlands in sowjetrussischer Einflußsphäre, ({51}) sondern ich will ({52}) die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit. ({53}) Ich bin fest davon überzeugt, daß wir diese Einheit in der Freiheit niemals erringen werden, wenn wir Sowjetrußland irgendwie die Hoffnung lassen, daß es uns eines Tages doch schlucken wird. ({54}) Ich bin auch wirklich darin optimistisch, daß wir dieses Ziel erreichen werden. ({55}) Wir werden es erreichen, wenn wir zielbewußt und konsequent ({56}) diesen Weg gehen. ({57}) Dieser Weg - das wiederhole ich nochmals - kann nur der sein, ({58}) daß wir in der Zusammengehörigkeit mit dem freien Westen das deutsche Volk wieder in Freiheit vereinigen werden. ({59})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Euler. ({0})

August Martin Euler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000500, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Freien Demokraten muß ich unserem großen Erstaunen und Befremden darüber Ausdruck geben, daß es in diesem Bundestag bei einer maßgebenden Debatte einen Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion geben konnte, der erklärte, es sei heute nicht wünschbar, die Souveränität Deutschlands überhaupt anzustreben. Der Herr Bundeskanzler hat dazu das Notwendige gesagt. Ich möchte es nur noch in einer Hinsicht ergänzen. Was erscheint denn dem Herrn Luetkens heute wünschbar? Er hat dankenswerterweise auch darüber Auskunft gegeben. Diese Auskunft lautete nämlich: innere Autonomie. Und die stellt er sich vor nach den vier Schlagworten des Morgenthauplanes: Demokratisierung, Denazifizierung, Demilitarisierung, Dekartellisierung. Man kann diese Worte nicht so nehmen, wie wenn sie keine bestimmt umrissene Bedeutung hätten. „Denazifizierung" bedeutet beispielsweise gerade diese bestimmte Form der Denazifizierung, die wir erlebt haben, mit ihren ganzen maßlosen Übertreibungen. ({0}) „Demilitarisierung" bedeutete von den sowjetischen Urhebern des Morgenthauplanes aus gesehen nichts anderes als ein auf die Dauer unbewaffnetes Deutschland, auf das man bei Gelegenheit, nämlich nach Beendigung der Besatzung, seinen Zugriff machen könnte. Und „Dekartellisierung" - nun, wir wissen, wie auch dieses Ziel in einer Weise aufgefaßt worden ist, von der man wirklich nicht sagen kann, daß sein Erstreben in deutschem Interesse gelegen wäre. Aber viel bedenklicher noch als diese Erklärung über Nichtwünschbarkeit der Souveränität und Wünschbarkeit der Autonomie war die andere Erklärung, die Herr Luetkens abgab. Sie lautete nämlich wörtlich, daß durch die westliche Integration die Einigung Deutschlands um Jahrzehnte hinausgeschoben werde. ({1}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, auf diese Feststellung lege ich Wert: ({2}) Mit dieser Feststellung des Herrn Luetkens erleben wir nicht einen völlig neuartigen Illusionismus der SPD, sondern wir erleben nur die letzte Stufe ({3}) dieses Illusionismus, wie ihn Herr Schumacher bereits seit zwei Jahren predigt. ({4}) Diese fortgesetzte Verstärkung der nationalistischen Tonart mußte schließlich zu der Stufe führen, daß man nicht mehr sah, wie man sich durch das Agitieren gegen den Westen in eine Lage begibt, in der man beginnt, dem Osten, den Sowjets Vorschub zu leisten. ({5}) Das ist nicht zum erstenmal zum Ausdruck gekommen. Es sind schon genug sozialdemokratische Reden auch von Schumacher selbst bekanntgeworden, in denen ein ähnlicher Ton angeschlagen wurde. Aber es war immerhin bemerkenswert, daß dieser Ton heute zum ersten Male hier im Bundestag angeschlagen wurde, und das ausgerechnet an dem Tage, an dem die Westalliierten in einer Form, wie das bisher noch nie geschehen ist, ganz offiziell ihren Willen ausgedrückt haben, eine Politik der Wiedervereinigung Deutschlands zu betreiben, allerdings einer Wiedervereinigung nicht auf der Basis der einheitlichen Geltung des Systems der Gestapo und KZs in sämtlichen Zonen, sondern der einheitlichen Geltung der Freiheit in allen Zonen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, was bedeutet denn diese sozialdemokratische neue These, durch die westliche Integration werde die Einigung Deutschlands auf Jahrzehnte hinausgeschoben? Das bedeutet nichts anderes, als daß Deutschland in eine koreanische Situation gebracht wird, in der es etwaigen Angriffen der Sowjets in dem Augenblick, in dem es ihnen wenig riskant zu sein scheint, hoffnungslos preisgegeben wäre. ({6}) Wenn wir hier eine steigende Sicherheit feststellen können, wenn wir heute wegen der gesamten europäischen Lage weniger Sorge zu haben brauchen als vor einem Jahr, dann ist das nur darauf zurückzuführen, daß inzwischen eben Gott sei Dank diese westliche Integration einige Fortschritte gemacht hat und daß einige der westlichen Völker begonnen haben, der sowjetischen Macht eine reale Gegenmacht entgegenzusetzen. Wir wissen, daß die Sowjets jede Gelegenheit benutzt haben, über irgendein Volk herzufallen, wenn sie glaubten, dies ohne das Risiko eines zweiten Weltkrieges tun zu können. So haben sie in den Jahren seit 1946 nacheinander Griechenland, Persien, China und Korea in Kämpfe verwickelt. Herrn Luetkens und den anderen Sozialdemokraten ist zu sagen, daß gerade dadurch, daß wir hier besatzungsfrei würden, andererseits aber demilitarisiert blieben, in Deutschland die koreanische Situation geschaffen würde, jene Situation, die die Sowjets früher oder später todsicher zum Anlaß nehmen würden, um Westdeutschland ohne Risiko in ihren Machtbereich einzubeziehen. Man muß doch an die Gefahr denken, daß dadurch nicht nur die Befreiung Mitteldeutschlands auf friedlichem Wege verhindert wird, sondern daß auch Westdeutschland als Ausgangsbastion für die Wiederherstellung der deutschen Einheit in Freiheit verlorengehen kann. Die Gefahr des Verlustes dieser westdeutschen Bastion wird gerade durch eine Politik geschaffen, die darauf hinausläuft, letzten Endes genau dasselbe zu predigen wie das, was die verantwortungslosen Männer der SRP predigen und was andererseits die Noacks und die Niemöllers und die Heinemanns predigen: die waffenlose Neutralisierung eines unbesetzten Deutschlands, die Eröffnung der koreanischen Situation für unser Volk mitten in Europa. Es ist hier heute eine Wendung der sozialdemokratischen Politik sichtbar geworden, ({7}) die schon mehrfach in Versammlungsreden angeklungen ist. Sie ist heute zum erstenmal hier im Bundestag unverhüllt hervorgetreten. Wir müssen bei diesem ersten Male mit aller Stärke den Warnruf über die Größe der Gefahr, die sich darüber erhebt, vor unserem Volke erschallen lassen. Es wird wahrscheinlich schon morgen Gelegenheit sein, Näheres darüber zu hören. ({8})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Pfleiderer.

Dr. Karl Georg Pfleiderer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001709, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist im Inland und im Ausland schon häufig bemerkt worden, daß in Deutschland ein merkwürdiges Mißverhältnis bestehe, ein Mißverhältnis zwischen der Tüchtigkeit und dem Geschick und dem Erfolg, den die Deutschen in ihren häuslichen und kleinen Angelegenheiten, in der Verwaltung ihrer Gemeinden und ihrer Kreise und in ihren wirtschaftlichen Angelegenheiten hätten, und der merkwürdigen Glücklosigkeit und Zerspaltenheit, die bei ihren großen Aufgaben zutage trete. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe, dieser Glücklosigkeit und Zerspaltenheit unseres Volkes zu Leibe zu gehen und dieses Mißverhältnis zu brechen. Es geschieht deshalb in einem Gefühl der Verantwortung und des Ernstes und auch der Sorge, in dem ich mich heute meiner Aufgabe hier entledige. Trotzdem möchte ich meine Ausführungen über den Haushalt des Auswärtigen Amts mit einem Wort der Anerkennung beginnen, der Anerkennung für vieles, was in der letzten Zeit geleistet worden ist, mit einem Wort auch der Anerkennung besonders für jenen kleinen Kreis von Beamten, auf denen die Hauptlast der Arbeit gelegen hat. Und wenn es nicht unbescheiden wäre, dann möchte ich darum bitten, dieses Wort der Anerkennung auch dem Chef der Regierung aussprechen zu dürfen, von dem man jedenfalls das eine sagen kann, daß er sich im Dienste für diesen Staat verzehrt. ({0}) Aber, meine Damen und Herren, wir sind als Abgeordnete des deutschen Volkes verpflichtet, das Gute als selbstverständlich hinzunehmen, und wir sind verpflichtet, bei Mißständen auf Abstellung zu drängen. Wenn es auch der Haushalt des Auswärtigen Amts ist, den wir zu behandeln haben, dann sind wir dadurch nicht gezwungen, diplomatische Liebenswürdigkeiten auszutauschen oder Schmeicheleien zu sagen. Ich möchte nicht zu Fragen der großen Politik Stellung nehmen - das ist bereits geschehen -, sondern ich möchte mich auf das Technische des Auswärtigen Dienstes beschränken. Wenn ich hier Sorgen vorzubringen habe, dann sind es Sorgen, die zum Teil auf dem Parteitag der FDP schon vorgebracht worden sind; dann sind es Sorgen, die nicht fraktionell gebunden sind, sondern die sich aus der Stellung des Parlaments im ganzen und aus der Beschäftigung mit der Materie von Stunde zu Stunde ergeben, ({1}) Meine erste und größte Sorge ist die - und das ist heute in der Aussprache über den Haushalt des Bundeskanzleramtes gelegentlich schon hervorgetreten -, daß das Verhältnis zwischen Regierung und Parlament bei uns in vielem unbefriedigend ist. Das deutsche Volk ist in den letzten beiden Jahren - abgesehen von der letzten Zeit - kaum in der Lage gewesen, sein außenpolitisches Schicksal und damit sein Schicksal schlechthin an den Erklärungen der Regierung und an den Aussprachen dieses Hohen Hauses zu verfolgen. So etwas ist schädlich für das Staatswesen im ganzen. Es besteht die Gefahr, daß die politischen Gedanken und Erwartungen des Volkes an Bonn und dem Bundestag vorbeigehen; denn das Parlament ist meiner Ansicht nach das Herzstück der Demokratie, und jeder Schaden, den das Parlament erleidet, überträgt sich auf den Staat und auf seine Verfassung.. Die Regierung steht heute parlamentarisch vor einer ganz neuen Lage. Sie hat in den letzten beiden Jahren ihre Geschäfte mit der Hohen Kommission verhandelt, ohne der Zustimmung des Hauses im einzelnen zu bedürfen. Nun aber ist der Augenblick gekommen, da Abkommen zur Erörterung stehen und Verhandlungen geführt werden, die alle eines Tages der Ratifikation durch den Bundestag bedürfen. Das ist der Fall bei der Schuldenanerkennung, das wird der Fall sein beim Schumanplan, beim Plevenplan, bei der Revision des Besatzungsstatuts und bei allem, was damit zusammenhängt. Es ist sicher, daß sich die auswärtigen Angelegenheiten nicht immer zu einer öffentlichen Erörterung eignen, aber sie eignen sich doch sehr viel mehr dazu, als man denkt. Man muß eben hierfür einen bestimmten Stil entwickeln und die Grundregel beachten, daß es erforderlich ist, das Politische, die Konzeption, von dem Diplomatischen, d. h. von der Durchsetzung in den Verhandlungen, zu trennen. ({2}) Ich möchte keine Eifersucht auf die Presse und auf den Rundfunk zum Ausdruck bringen, aber es war doch häufig so, daß manches über Presse und Rundfunk gesagt worden ist, -was vielleicht zuerst in diesem Hause hätte erklärt werden sollen. Ich möchte auch keine Eifersucht auf die Hohen Kommissare zum Ausdruck bringen, die den Herrn Bundeskanzler sehr viel häufiger sehen, als wir es tun dürfen. Das Bild hat ja etwas Eindrucksvolles, sich den Herrn Bundeskanzler vorzustellen, begleitet von seinen Schildknappen, auf der Fahrt von Schloß zu Schloß, wo er für die Einigung Deutschlands streitet und wo man sich häufig nur bemüht, ihm den Weg von der unbedingten Kapitulation zur bedingten Kapitulation zu zeigen. Das Verhältnis der Regierung zum Auswärtigen Ausschuß ist ebenfalls noch immer problematisch. Das mag mit gewissen strukturellen Bedingtheiten des Ausschusses zusammenhängen. Auf der einen Seite erwartet man dort die Geheimhaltung, da ja häufig auch über Verhandlungen berichtet wird; auf der anderen Seite ist der Kreis der Zuhörer ungewöhnlich groß, da ja auch die Stellvertreter um der Stetigkeit willen immer an den Beratungen teilnehmen. Man hat nun versucht, Abhilfe durch die Einsetzung kleinerer Unterausschüsse zu schaffen. Es ist zu früh, als daß man über den Erfolg Endgültiges sagen könnte; aber das eine ist zu bemerken, daß von seiten der Regierung und auch von seiten des Bundesrats immer ungewöhnlich viele Zuhörer in den Auswärtigen Ausschuß entsandt werden. Ich habe neulich bei Beratungen deren 26 auf einmal gezählt. Wenn die Regierung das Recht hat, Beauftragte in den Ausschuß zu entsenden, dann möchte ich ihr empfehlen, von diesem Recht einen beschränkten und maßvollen Gebrauch zu machen. ({3}) Die Abgeordneten und die Institutionen des Parlaments sind nicht als Gegenspieler der Ministerialräte und Referenten gedacht, sondern wir wollen es mit politisch verantwortlichen Persönlichkeiten zu tun haben. Wir wollen nicht Sprach- und Hörrohre der Minister in den Ausschüssen haben, sondern die Herren Minister selbst. Sie sollen dann nachher ihre Mitarbeiter von dem unterrichten, was für deren Arbeit unerläßlich ist. Der Stellenplan des Auswärtigen Amts ist an der Spitze meiner Ansicht nach zu schwach ausgestaltet oder die Kräfte sind dort, zum Teil, wenn ich so sagen darf, zweckfremd eingesetzt. Diesen Punkt müssen wir besonders ins Auge fassen, da er für uns als Parlament besonders interessant und wichtig ist. Der Herr Bundeskanzler hat jetzt eine Verhandlungsgruppe, bestehend aus dem Herrn Staatssekretär und einem Ministerialdirektor, zusammengestellt. Ich glaube, es ist notwendig, eine solche Gruppe zusammenzustellen; und es ist dem Herrn Bundeskanzler zuzubilligen, sich das so einzurichten, wie er es für seine Interessen und seine Art braucht. Denn an der Spitze des Staates trifft, wenn ich so sagen darf, das Institutionelle mit dem Personellen zusammen. Dabei soll man dem Regierungschef Freiheit lassen. Ich glaube, ein Bundeskanzler hat das Recht, eine Individualität zu sein, aber er hat auf der anderen Seite die Pflicht, die Folgen zu bedenken. Und diese Folgen sind empfindlich, weil kein Außenminister vorhanden ist und der Herr Bundeskanzler diese Geschäfte nur zusätzlich zu seinen anderen versehen kann. Es fällt praktisch für die laufende Arbeit der Behörde der Herr Staatssekretär aus, es fällt ein Ministerialdirektor aus, und es fehlt überdem der Außenminister. Diese Tatsachen wirken sich in verschiedener Beziehung nachteilig aus. Es fehlt, so hat man den Eindruck, der Behörde, dem Auswärtigen Amt, an der Leitung im ganzen. Ich habe in meiner früheren Tätigkeit im Auswärtigen Amt zweimal den Fall erlebt, daß längere Zeit hindurch der Kanzler zugleich Außenminister war. Es war unter Stresemann sowohl wie unter Brüning, aber in diesen Fällen wurde der Staatssekretär ausdrücklich mit der Leitung des Auswärtigen Amts beauftragt und konnte in seiner Zuständigkeit auch Personalien mehr oder weniger selbst entscheiden. Es waren die Jahre zwischen 1923 und 1933, vielleicht die besten und die glücklichsten des auswärtigen Dienstes, in denen das Auswärtige Amt so sein konnte, wie es eigentlich aus seiner inneren Struktur her sein sollte und wollte. Es ist ihm in diesen zehn Jahren gelungen, nach einem verlorenen Weltkrieg Deutschland in friedlicher Weise in die Reihe der Großmächte zurückzuführen. Es leidet heute der Aufbau der Behörde - ich werde nachher noch einige Ziffern hierzu bringen -, es leidet aber auch die Bearbeitung der Berichterstattung, soweit eine solche von draußen eingeht. Es fehlt damit die Voraussetzung für einen Gedankenaustausch mit den Missionen. Das Auswärtige Amt ist eine neue Behörde. Viele Missionschefs kommen aus den verschiedenartigsten Lebenskreisen. Sie haben keine einheitliche Schulung und sind heute über die Welt zerstreut. Hier liegt eine außerordentlich schwierige erzieherische ({4}) Aufgabe vor, die des vollen Einsatzes der Leitung der Behörde bedarf. Es muß eine einheitliche Linie geschaffen und es müssen ein einheitlicher Geist und ein einheitlicher Wille in diese Behörde gebracht werden. Sehr unzulänglich ist noch immer die Information der auswärtigen Behörden über die Vorgänge in der Heimat. Man sollte die Missionschefs, wenn sie es wünschen, häufiger auch zur Berichterstattung hierher befehlen. Ich möchte wissen, was in der letzten Zeit wohl schon an echten Informationserlassen und Erlassen zur Sprachregelung herausgegangen ist, zum Friedensvertrag von San Franzisko, zu den Vorgängen in Washington und zu den Ostproblemen. Es fehlt aber auch heute noch sehr stark an einer sorgfältigen und umfassenden Durcharbeitung des politischen Stoffes, soweit er sich nicht unmittelbar auf die laufenden und aktuellen Verhandlungen bezieht. Der Herr Bundeskanzler ist, das wissen wir und er bekennt es mit Stolz, im wesentlichen westlich eingestellt, und auch der Herr Staatssekretär hat seine diplomatischen Erfahrungen im wesentlichen in Verhandlungen mit dem Westen gesammelt. Auch die politische Abteilung des Auswärtigen Amts ist sehr stark westlich orientiert, und so bleibt für die ganz schwierigen Fragen des Ostens eigentlich nur „ein junger Herr aus Polen" übrig, der heute als Referent bei uns tätig ist. Wenn man demgegenüber betrachtet, mit welchen Mächten man es im Osten tatsächlich zu tun hat, dann kann man es mit der Angst bekommen. Niemand wird mir vorwerfen, daß ich ein Bolschewik wäre, aber ich habe niemals den Bolschewismus und die Sowjetunion unterschätzt. Man muß einmal vergleichen, was dort seit dem Jahre 1917 bis heute geschaffen worden ist, seit der Zeit der Interventionskriege, als ein Wrangel, ein Denikin, Koltschak, ein Judenitsch und Ungern-Sternberg auf russischem Boden standen. Heute ist es so, daß Königsberg eine russische Stadt ist, daß die Stadt Luthers, die Stadt Goethes und die Stadt Friedrichs des Großen unter russischer Herrschaft stehen. Dort hat man es wahrhaftig mit Hochspannungen zu tun, und man hat manchmal das Gefühl, als würde man im Westen nur mit Taschenlampen funkeln. ({5}) Dies ist eine meiner größten Sorgen, und diese Sorge stammt aus einer persönlichen Kenntnis der Verhältnisse und aus einer unablässigen Beschäftigung mit ihnen. Meine Damen und Herren! Es leidet aber auch der Verkehr mit dem Parlament, wenn bei wichtigen Aussprachen in diesem Hause kein Außenminister zugegen ist. ({6}) Meine Freunde und ich sind der Ansicht, daß auch der beamtete Staatssekretär nicht eigentlich für das Parlament vorhanden ist. Er bildet die Spitze der beamteten Verwaltung, und er soll nicht politisch verbraucht werden. Er soll nicht in der Öffentlichkeit polemisch für die Politik einer Regierung eingesetzt werden und dadurch vielleicht gezwungen sein, eines Tages unter einer anderen Regierung öffentlich das Gegenteil zu sagen. Das Ethos der Verwaltung besteht darin, die Stetigkeit und die Sachlichkeit zu wahren und die Regierung zu beraten. Sie soll, wie die Engländer sagen, „a silent service", ein schweigender Dienst sein. Ich bin sehr unglücklich darüber, daß über diesen Punkt in diesem Hause noch keine allgemeine Übereinstimmung besteht. Wenn ich mich hier vielleicht in manchem mit den Gesichtspunkten der Opposition treffe, dann vor allen Dingen deshalb, weil es sich hier wohl überhaupt nicht um einen Gegensatz von Koalition und Opposition handelt, sondern um ein gemeinsames Bemühen und An-. liegen aller beteiligten und berufenen Deutschen, die ihrem Staat die richtige Form und Verfassung geben wollen. Der Herr Bundeskanzler hat vorhin Aufschlüsse darüber gegeben, wie die Dienststellen in der letzten Zeit besetzt worden sind. Ich möchte fragen, ob die Zahlen zutreffend sind, die dem Haushaltsausschuß für die Besetzung der inländischen Haushaltsposten gegeben worden sind. Es heißt dort: Es ist ein Posten „Staatssekretär" vorhanden; der ist besetzt. Von sechs Posten für Ministerialdirektoren sind zwei besetzt, von sieben Dirigentenposten war am 1. Oktober einer besetzt, von vierzig Ministerialratsposten waren es am 1. Oktober nur vier. Auch von seiten meiner Freunde werden erhebliche Sorgen und Bedenken angemeldet, daß die Wirtschaftsabteilung noch nicht weiter gediehen ist. Wenn man nicht nur daran denkt, wie das Geld ausgegeben wird, sondern auch daran, wo es herkommt, dann wird man hier mit ganz besonderen Bedenken und Sorgen erfüllt. Ich möchte noch besonders auf die demoralisierende Wirkung hinweisen, die von dem langen Warten ausgeht. Es gibt Hunderte von Personen, mit denen das Auswärtige Amt in Verbindung steht, die für einen Eintritt in die Behörde vorgemerkt sind und die seit Jahr und Tag auf ihre Einberufung warten. Die Besten laufen einfach davon. Die Regierung sollte wohl alles tun, um hier Abhilfe zu schaffen. Wir haben vorhin gehört - und ich stimme dem zu -, daß der Haushalt nicht nur eine Ermächtigung darstellt, sondern auch einen Auftrag an die Regierung. Wir möchten gern die Gründe kennenlernen, aus denen es der Bundesregierung bisher nicht möglich war, diesen Auftrag, jedenfalls was die Besetzung der inländischen Posten anlangt, zu erfüllen. Ich darf deshalb dem Hohen Hause den Antrag vorlegen, den Herrn Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten zu ersuchen, dem Bundestag bis zur dritten Lesung des Haushaltsgesetzes einen Bericht über die Ausführung des Haushaltsplans des Auswärtigen Amtes für 1950 vorzulegen. In diesem Bericht wäre auch insbesondere klarzumachen, wieviele der im Haushaltsplan 1950 bewilligten Stellen bis jetzt unbesetzt geblieben sind und welche Gründe hierfür maßgebend waren. Meine Damen und Herren! Ich möchte noch ein Wort zu einem schwierigen Kapitel sagen, nämlich zu dem der Gehälter. Das ist ja eine sehr beliebte Angelegenheit, und sie wird sehr viel erörtert. Der Kummer der Beamten ist in manchen Fällen sogar in die Presse gedrungen, was ungewöhnlich und abträglich ist. Ich darf zu Beginn die Schwierigkeit der Sache hervorheben, die ohne weiteres zuzugeben ist. Gehälter festzusetzen ohne genaue Unterlagen, ohne genaue Vergleichsmaßstäbe und bei unbekannten Teuerungsverhältnissen in verschiedenen Ländern, das erfordert naturgemäß einige Zeit. Ich möchte lobend die absolute Sauberkeit hervorheben, die in finanzieller Hinsicht im Auswärtigen Amt herrscht, womit eine gute Überlieferung aufrechterhalten worden ist, die auch der neuen Behörde nicht tief genug eingeprägt werden kann. Auf der anderen Seite verstummen nicht die Klagen über eine gewisse Engherzigkeit bei der Verausgabung der bewilligten Mittel. Zweifellos ({7}) hat die Abteilung, die hierfür zuständig ist, auch mit der Entwicklung nicht völlig Schritt gehalten. So sind für die Beamten im Ausland häufig unerträgliche Spannungen entstanden. Noch heute werden die Diplomaten, die bereits Beglaubigungsschreiben übergeben haben, als Konsuln besoldet. Ich möchte wünschen, daß hier bald Abhilfe geschaffen und daß die Frage der Nachzahlung der Unterschiedsbeträge positiv behandelt wird. ({8}) Nun ist es eine allgemein bekannte Tatsache, daß wir durch den Verlust der Ostprovinzen, durch den Zustrom der Heimatvertriebenen und durch die Unterbindung des Ost-West-Handels mehr denn je auf das Ausland angewiesen sind. Dies erfordert einen besonders leistungsfähigen auswärtigen Dienst. Ein solcher Dienst kostet eben Geld. Das haben andere Staaten schon sehr lange und besser begriffen. Dort werden die Bezüge der leitenden Beamten des auswärtigen Dienstes als das behandelt, was sie in Wirklichkeit sind, nämlich als politische Ausgaben. Man denkt dort nicht daran, das Politische sozial anzusehen, sondern umgekehrt: Es wird dort das Soziale mit allem Ernst in die Kategorie des Politischen gehoben und entsprechend auf dieser Ebene behandelt. Man kann die Lebenshaltung der Deutschen so, wie sie heute ist, in einer Zeit internationaler Schwierigkeiten nicht aufrechterhalten und kann sie unter den jetzigen Umständen nicht verteidigen, wenn der auswärtige Dienst nicht voll leistungsfähig ist. Dazu muß er auch finanziell auf der Höhe seiner Aufgaben gehalten werden. Der frühere deutsche Gesandte in Bern, Adolf Müller, der der SPD angehörte, hat einmal in einem berühmt gewordenen Bericht zum Ausdruck gebracht: „Wir vertreten keine Konjunktur, sondern einen Staat". Die deutschen Diplomaten sind heute ja auch fast alle arm; viele von ihnen sind Flüchtlinge und sind ausgebombt. Soweit sie aus dem alten Dienst stammen, haben sie bei Beginn des Krieges ihre Habe im Ausland zurückgelassen und verloren. Längst sind die Zeiten von vor 1914 vorbei, in denen einmal ein Beamter von der Legationskasse gemahnt werden mußte, sein Gehalt abzuheben, weil er vergessen hatte, daß man Geld auch vom Staate zu bekommen hat. Der Stil der deutschen Diplomaten war im Ausland früher schon immer gemäßigt. Es war nicht in deutschen Botschaften, daß ich es erlebt habe, daß die Speisen auf goldenen Platten serviert wurden; es waren andere Botschaften, die berühmt waren für die Buffets, die sich unter Leckerbissen bogen. Ich glaube, hier hat der auswärtige Dienst, wenn er seiner Überlieferung treu bleibt, nicht viel umzulernen. Ich möchte hier auch nicht an die Bezüge der Diplomaten anderer, vergleichbarer Staaten erinnern und möchte nicht an den Luxus erinnern, der auf weniger wichtigen Gebieten in Deutschland getrieben wird; aber ich möchte glauben, daß man auf hundert D-Mark, die man an fremde Staaten für Besatzungskosten bezahlt, wohl eine D-Mark für unsere eigenen auswärtigen Angelegenheiten ausgeben könnte. Lassen Sie mich noch einige kurze Worte zur Personalpolitik sagen. Es ist zuzugeben, daß wir beim Aufbau dieses neuen Dienstes vor schwierigen Fragen stehen. Aber vor solche Schwierigkeiten sind andere Staaten auch gestellt worden. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß nach dein ersten Weltkrieg die baltischen Staaten und die österreichungarischen Nachfolgestaaten in kurzer Zeit unter den schwierigsten äußeren Verhältnissen einen Dienst aufbauen mußten. Ich möchte daran erinnern, daß in Italien praktisch das gesamte frühere Personal übernommen worden ist und niemand in jenem Lande daran gedacht hat, sich der Erfahrung dieser Beamten zu berauben. Die Beratungen im Unterausschuß des Auswärtigen Amts haben ergeben, daß vom alten Auswärtigen Amt nicht mehr allzu viele Beamte übrig sind. Sie sind natürlich diejenigen, die jetzt in erster Linie zur Verfügung stehen. Aber beim weiteren Ausbau werden nicht mehr viele vorhanden sein. Das mögen einige bedauern und andere begrüßen. Jedenfalls hat die Regierung die große Möglichkeit, den Dienst ohne allzu viel Beschwer durch die Vergangenheit neu aufzubauen. Es ist in letzter Zeit in den auswärtigen Dienst eine gewisse professorale Strähne gekommen. ({9}) Der Herr Staatssekretär stammt von der Universität, zwei große Völkerrechtsgelehrte sind mit laufenden Verhandlungen beauftragt, und ein weiterer Professor von einem anderen Ministerium ist eine Art Verkehrsgast im Auswärtigen Amt geworden. ({10}) Ich glaube, wir haben allen Anlaß, der deutschen Wissenschaft dankbar zu sein, daß sie hier in die Bresche gesprungen ist und dem auswärtigen Dienst so ausgezeichnete Kräfte zur Verfügung gestellt hat. Auch der Herr Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses fühlt sich ja bei den Beratungen mit dem Auswärtigen Amt durchaus im Kreise von Kollegen. .({11}) Aber ich möchte glauben, auch diese Gelehrten werden mir zugeben, daß auswärtige Politik nicht nur eine Wissenschaft ist. Sie ist auch eine Kunst, und das wichtigste Instrument ist eine Nase. Die braucht nicht schön zu sein, aber sie muß präzise sein und wittern, wie der Hase läuft. ({12}) Jeder, der von Verwaltung etwas versteht und der einmal einer Behörde vorgestanden hat, weiß, daß es nicht nur nötig ist, die Beamten richtig auszuwählen, sondern daß es auch nötig ist, sie von Tag zu Tag und von Stunde zu Stunde mit einer richtigen Leidenschaft und mit einem richtigen Geist zu erfüllen. ({13}) Ich weiß nicht, ob nicht das Nachwuchshaus des Auswärtigen Amts etwas zu weit weg ist von dieser inspirierenden Wirkung unserer Behörde. In letzter Zeit ist nun in die Personalpolitik des Auswärtigen Amts eine große Unruhe gekommen, und zwar durch die bekannte, heute schon vielfach berührte Artikelserie der „Frankfurter Rundschau" und besonders auch durch die Art, wie unsere Regierung darauf reagiert hat. Es ist für mich nicht sehr angenehm, hierzu Stellung zu nehmen, da ja zu erwarten steht, daß ich persönlich angegriffen und für befangen erklärt werde. Aber schließlich hat ein Abgeordneter nur soviel Wert, als er Mut hat, ({14}) ({15}) und zwar nicht nur gegenüber seiner eigenen Regierung, sondern auch sonst. Jedenfalls freue ich mich als ehemaliger Angehöriger des deutschen auswärtigen Dienstes, daß ich im Jahre 1948 in meinem eigenen heimatlichen Kreise zum Landrat gewählt und anderthalb Jahre später in dieses Hohe Haus entsandt wurde. - Die Artikel der „Frankfurter Rundschau" zeigen, daß dieses Blatt den Beamten eine große Bedeutung beimißt. Fast möchte man glauben, es würde dort alles Unheil, das man vom Staate glaubt befürchten zu müssen, von den Beamten befürchtet; und fast sieht es so aus, als wäre es weniger wichtig, wer die politische Macht ergreift und wer sie verliert und wer dazu verhilft, daß sie ergriffen und daß sie verloren wird. Es scheint dort weniger wichtig zu sein, wer politisch dafür verantwortlich ist, daß Kriege ausbrechen oder verloren gehen oder daß ein Friede verwirtschaftet wird. Das eigentlich Politische scheint dort nicht so sehr interessant zu sein, und man hat den Eindruck, als würde das Werkzeug über die Hand gestellt, die es politisch zu führen hat. Man sollte nun einmal die Lage und das Schicksal der Beamten betrachten und einmal die ganze Angelegenheit vom Standpunkt der Beamten aus ansehen, die in der Zeit von 1918 bis 1945 dreimal den Zusammenbruch des politischen Systems erlebten, auf das sie vereidigt waren; und sie waren bei Gott nicht schuld daran. Dann kam das Lager, dann kamen die Alliierten, und dann kam Bonn, auf das sie jetzt den vierten Eid abzulegen haben. Und wenn Bonn mißlingt - j a, was kommt dann? Wenn nach der „Frankfurter Rundschau" vielleicht die „Tägliche Rundschau" kommt - werden dann die Vorwürfe wieder den Beamten gemacht werden? ({16}) Das Mißtrauen gegen das Auswärtige Amt ist kein Vorrecht und ist auch keine Erfindung der Zeitung. Diese Zeitung hat nur getan, was Hitler und die Gestapo auch getan haben. Kein Ministerium ist zur Zeit des Dritten Reiches so bespitzelt, so bezichtigt und so verdächtigt worden wie das Auswärtige Amt. Etwa die Hälfte der alten aktiven Beamtenschaft ist, wie das schöne Wort heißt, „abgeschossen" worden. Noch heute können Eingeweihte nicht ohne Erregung an jene abscheuliche Lage denken, als Gestapospitzel in den Botschaften und Gesandtschaften saßen und die Beamten überwachten und als die Herren Landesgruppenleiter sich in tausend Dienstgeschäfte zu mischen versuchten und als deren Personalberichte für die Laufbahn der deutschen Beamten entscheidend wurden. Und doch, wieviele Verfolgte des Naziregimes waren auch froh, im alten Auswärtigen Amt und in den auswärtigen Vertretungen Beamte des alten Stils zu finden, die im entscheidenden Augenblick schweigend halfen. ({17}) Die Diplomaten waren im Dritten Reich verdächtig und wurden gehaßt, weil sie wesensmäßig anders waren, als ein echter Nazi war. Denn, meine Damen und Herren, Diplomatie und Saalschlacht schließen sich gegenseitig aus. Die Beamten des Auswärtigen Amtes haben früher die Kehrseite entdeckt als andere und sie haben die doppelte Buchführung geführt. Von dem, was zu Hause bejubelt wurde, konnten sie die Gegenwirkung im Ausland feststellen. Bei ihnen war das Mißtrauen am frühesten und der Widerstand wahrhaftig instinktiv. Ich bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis, in diesem Hause und zu dieser abendlichen Stunde die Namen derer aus dem Auswärtigen Amt verlesen zu dürfen, die nach dem 20. Juli hingerichtet wurden. Ich erwähne den greisen Botschafter Grafen von der Schulenburg, dessen schweren Weg zum Galgen unsere Kollegen Gerstenmaier und Fürst Fugger von Glött Zelle an Zelle mit ihm verfolgten. Ich erwähne den Namen des Botschafters Herrn von Hassell, den Botschaftsrat Grafen Bernstorff. Ich erwähne den vortragenden Legationsrat Hans-Bernd von Haeften, den unerreichten Freund und den hochgemuten, unbeugsamen Christen, der noch in der Verhandlung vor dem Volksgerichtshof sagte, er halte Adolf Hitler für die Inkarnation des Bösen in dieser Welt. Ich erwähne den Legationsrat Adam von Trott zu Solz, einen der begabtesten, seine Zeit am weitesten umspannenden Angehörigen des auswärtigen Dienstes, dessen Mitarbeit wir heute aufs schmerzlichste vermissen. Ich erwähne den Legationssekretär Herbert von Mumm, eine lodernde, steile Flamme des Hasses gegen alles, was böse und unmenschlich war, und mit ihm im Geiste verbunden den Gesandten Kiep, den vortragenden Legationsrat Kuenzer und den Legationsrat Eduard Brückemeier, einen Gefährten eindrucksvoller Jahre. Ich könnte die Liste all der Beamten fortsetzen, die nach Rußland verschleppt wurden und von denen wir heute noch kaum Kunde haben. Die heute in den Artikeln der „Frankfurter Rundschau" Genannten und Angegriffenen sind zum großen Teil die Überlebenden von damals. Weil die „Frankfurter Rundschau" diese Seite der Sache übersieht, betrachten wir ihre Artikel als ungerecht. Die Darstellung, die von der Zeitung gegeben wird, ist vielfach auch unrichtig. Sie ist auf den Nürnberger Vernehmungsprotokollen aufgebaut. Wir wissen, daß in der neueren Rechtsgeschichte keine Verfahren so umstritten sind wie die der Nürnberger Prozesse. Denn ein Recht, das unter der Voraussetzung steht, daß es nur gegen Deutsche gilt, ist für uns ein fragwürdiges Recht. Auch die Art der Verhöre ist bekannt. Es heißt, daß dort Drohungen und Einschüchterungen an der Tagesordnung gewesen seien. Der Kläger war dort in ganz anderer Weise Partei, als es im deutschen Strafprozeß der Staatsanwalt ist. Mir scheint es bedenklich, sich auf Nürnberger Protokolle zu berufen. Wenn es geschieht, müßte man alle Verhöre vor deutschen Instanzen nachprüfen. Ich glaube, diese Verhöre können keine Grundlage für die Beurteilung von Deutschen sein. Überall ertönt der Ruf nach Beendigung der Entnazifizierung. Dies ist auch der allgemeine Wunsch des deutschen Volkes. Im Auswärtigen Amt hat man sich nun den besonderen Aufgaben entsprechend nicht mit der üblichen Denazifizierung begnügt, sondern jeden Beamten nochmals besonders unter die Lupe genommen. Es erscheint uns ungerecht, nunmehr einer bestimmten Beamtengruppe gegenüber so zu tun, als ob die Denazifizierung nicht stattgefunden hätte und als ob man in derselben Sache unter Preisgabe aller Regeln des Rechts zweimal und dreimal urteilen wolle. Der Untersuchungsausschuß wird eingesetzt. Wir von der FDP haben den Wunsch, daß der Ausschuß klein sei, daß er rasch arbeite und ein endgültiges Urteil spreche. Es ist nötig, daß wieder eine Beruhigung eintritt. Denn den Beamten sind große Aufgaben gestellt, und sie sollen unangefochten ({18}) arbeiten können. Ich glaube, sie brauchen und verdienen unseren Schutz. Ich bitte, nunmehr mit der Begründung des Antrages beginnen zu dürfen, den die FDP auf Drucksache Nr. 2468 gestellt hat. In Einzelplan IV a Kap. E 12 Tit. 2 und 3 sind hohe Beträge, beinahe 4 Millionen DM, für die räumliche Unterbringung der Vertretungen des Bundes im Ausland und für die erstmalige Ausstattung der Vertretungen mit Einrichtungsgegenständen sowie Geschäfts- und Bürobedarf vorgesehen. Hier hat sich die Frage erhoben, was mit den deutschen Botschafts- und Gesandtschaftsgebäuden geworden ist, die im Laufe vieler Jahrzehnte und unter hohen Kosten erworben wurden und zum Teil noch aus einzelstaatlichem Besitz, aus der Zeit vor der Gründung des Deutschen Reiches, stammten. Im ganzen handelt es sich hier um einen Vermögenswert von 80 bis 100 Millionen DM. Die Frage ist auch bei der Erörterung der Anerkennung der Vorkriegsauslandsschulden aufgetaucht. Man wollte nicht von den Schulden sprechen, ohne nicht auch vom Vermögen zu sprechen. Die Sache wurde aber dann in diesem Zusammenhang nicht weiterbehandelt, da der Ausschuß der Ansicht war, daß weniger eine Geld- und Vermögensfrage in Rede stehe als eine Frage des Völkerrechts und der Politik. Seit Staaten, Stämme und Horden jemals miteinander in Verbindung traten, hat das Gesandtschaftsrecht als ein heiliges Recht und als ein Recht gegolten, das alle Wechselfälle von Krieg und Frieden überdauerte. Und wenn wir jetzt vor der Tatsache stehen, daß in Abkehr von diesem Recht alle unsere auswärtigen Gebäude enteignet sind, dann stehen wir, glaube ich, vor einer der bemerkenswertesten und ernstesten Tatsachen des Staatenverkehrs und des Völkerrechts überhaupt. Wenn irgendwo eine Flagge verletzt wird, oder nehmen wir an, es würde heute in Bonn in einer fremden Gesandtschaft eine Fensterscheibe eingeschlagen, dann müßte man um Entschuldigung bitten, Schadenersatz leisten, die Schuldigen bestrafen und Vorsorge gegen Wiederholung treffen. Hier aber handelt es sich nicht um eine Flaggenverletzung oder um eine eingeschlagene Fensterscheibe, sondern um eine Enteignung, um die völlige Wegnahme und in vielen Fällen um die Versteigerung und den Verkauf mit allem Drum und Dran, einschließlich der dienstlichen Ausstattungsgegenstände wie Panzerschränke und Schreibmaschinen, Möbel und Gemälde, Teppiche und Beleuchtungskörper, Kristall und Silber, Porzellan und Wäsche, ja einschließlich der persönlichsten Habe der ehemaligen Diplomaten und ihrer Frauen, einschließlich der Anzüge und der Familienbilder und was es sonst gewesen sein mochte. Meine Freunde und ich haben es für richtig gehalten, zunächst einmal die genauen Unterlagen darüber zu erbitten, um welche Gebäude es sich hierbei handelte und was in den einzelnen Staaten vorgefallen ist. Das ist zum Teil sehr verschieden. Wir wollen wissen, wie die Fachleute der Regierung die Rechtslage von Fall zu Fall ansehen. Es wird auch nötig sein, von Land zu Land die Gesetze festzustellen, die dort ergangen sind und die Enteignung ausgesprochen haben. Und wir wollen wissen, wie sich die Regierungen in den einzelnen Ländern - auch das ist sehr verschieden - zu der Frage der Rückgabe stellen und was die Bundesregierung getan hat. Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, werden wir politisch beschließen können, wie wir uns diesen Tatsachen gegenüber verhalten sollen. Ich möchte glauben, daß der richtige Zeitpunkt dafür sein wird, wenn hier der [Nachtragshaushalt Nr. 2 zur Beratung und Erörterung steht. Denn dann sollen ja die Mittel für die diplomatischen Posten bewilligt werden, und wir werden dann sehen und Beschluß fassen müssen über die Art unseres diplomatischen Verkehrs mit jenen Staaten, in denen die Frage der weggenommenen Dienstgebäude nicht geregelt worden ist. Meine Damen und Herren, der diplomatische Verkehr ist ja ein Verkehr besonderer Art. Er geht von Staatsoberhaupt zu Staatsoberhaupt. Vom Staatsoberhaupt wird das Beglaubigungsschreiben ausgestellt, von einem Staatsoberhaupt wird es entgegengenommen. Es steht also hier die Würde der Völker und der Staaten mit auf dem Spiele. Und nun frage ich: Wie soll man einen solchen diplomatischen Verkehr pflegen, wenn man sich über die einfachsten Verkehrssitten nicht einig ist, nämlich darüber, ob man die silbernen Löffel, die das Zeichen des Staates tragen, nimmt oder nicht nimmt? Wir werden beraten müssen, ob wir die Bewilligung für Botschafter und Gesandte nicht mit einem Sperrvermerk versehen sollen, bis diese Frage geregelt ist, und ob wir bis dahin nur Geschäftsträger entsenden sollen und nur Geschäftsträger bei uns empfangen wollen. Jedenfalls wäre es gut, wenn die Regierung diesem Sachverhalt inzwischen schon Rechnung trüge. Man spricht heute sehr viel von der Würde des Menschen, aber man soll dabei die Würde der Staaten und der Völker nicht außer acht lassen. ({19}) Man wird vielleicht einwenden, auch die Deutschen hätten das Gesandtschaftsrecht im Kriege verletzt, und man wird von der Sowjetbotschaft sprechen, die vom „Dritten Reich" in Anspruch genommen wurde. Nun, das ist ein heikles und weites Gebiet. Ich habe keine Veranlassung zu Maßnahmen des „Dritten Reiches" hier Stellung zu nehmen. Erwähnt sei nur, daß für diese Sowjetbotschaft Miete an den Treuhänder für feindliches Eigentum bezahlt wurde. Aber es ist ein deutsches Botschaftsgebäude mit der ganzen amtlichen und privaten Ausstattung in einem befreundeten und damals fast sogar verbündeten Staate weggenommen, versteigert und, ich glaube, sogar abgebrochen worden in einem Staate, dessen Regierungschef unter Einsatz von deutschem Gut und Blut einen Bürgerkrieg gewonnen hat und so zur Macht gelangt ist. In einem anderen neutralen Staate, mit dessen Volk sich das deutsche Volk durch die tiefste und rückhaltloseste Zuneigung verbunden fühlte, die unter Völkern überhaupt möglich ist, ist das deutsche Eigentum auch in besonders harter Weise liquidiert und das Gebäude der Gesandtschaft eigenmächtig hinter unserm Rücken verkauft worden. Meine Damen und Herren, was soll man in solchen Fällen noch sagen? ({20}) Ich glaube, man findet keine Worte des Vorwurfs mehr; man kann nur noch Trauer und Enttäuschung empfinden. Besonders schmerzlich ist die Lage in Rom. Wir haben in einem Menschenalter dort drei geschichtlich wertvolle Botschaftspaläste verloren, den Palazzo Caffarelli, den Palazzo Wolkonski und die Villa Bonaparte. Für den Palazzo Caffarelli, der nach dem ersten Kriege enteignet worden ist, weil er auf dem Kapitol lag und das Kapitol als italie({21}) nisches Heiligtum nicht von Deutschen besiedelt sein sollte, haben wir einen Ersatz bekommen, den Palazzo Vidoni, der später verkauft wurde, und Mussolini hat von sich aus noch eine Zahlung, wie es heißt, angeboten, weil er der Ansicht war, daß es doch ein sehr tiefer Eingriff in die deutschen Rechte war. Ich weiß nicht, ob, besonders auch bei der Villa Bonaparte, die Mächte eingegriffen haben. Ich möchte hier weder die derzeitige italienische Regierung noch den Heiligen Stuhl erwähnen. Wohl aber ist die Tatsache verbürgt, daß heute der Vertreter einer fremden Macht in der Villa Bonaparte wohnt, und ich glaube, es ist der Vertreter derselben Macht, die in ihrer Hauptstadt als Beitrag zur deutschen Umerziehung die deutsche Kirche enteignete, so daß die Deutschen dort nur noch in fremden Tempeln, gewissermaßen zur Miete, beten können. Meine Damen und Herren, diese Enteignungen werden zum Teil mit den Reparationen in Zusammenhang gebracht. Aber wir anerkennen keine Erledigung der Reparationsfrage ohne einen Friedensschluß. Und wenn wir an unsere zerstörten Städte denken, an Würzburg und an Köln, an Hamburg und an Stuttgart, dann möchten wir fragen, ob das nicht genügend Reparationen sind, ob man darüber hinaus auch noch Häuser enteignen soll. Als nach dem ersten Weltkrieg die Reparations-frage das ganze Gefüge ins Wanken brachte, wurden die Gesandschafts- und Botschaftsgebäude nicht weggenommen. Auch im japanischen Friedensvertrag wurden, obwohl Reparationen verlangt werden, doch die amtlichen und privaten diplomatischen und konsularischen Eigentumsgegenstände ausdrücklich zurückgegeben. Meine Damen und Herren, es gibt in Deutschland einen Hohen Kommissar, und wenn ich von ihm spreche, dann tue ich das mit all der Achtung, die einem hohen Vertreter einer fremden Macht in unserem Lande gebührt. Dieser Hohe Kommissar verfügt über die glänzendsten Eigenschaften seiner Rasse in der glänzendsten Weise. ({22}) Er besitzt die vollkommenste Kenntnis der deutschen Sprache und handhabt sie wie ein Künstler. ({23}) Dieser Hohe Kommissar hat, wenn ich recht unterrichtet bin, uns empfohlen, wir sollten nicht nur fordern und verlangen, wir sollten auch einmal bitten, auch einmal empfehlen und einmal anheimstellen. Was aber sollen wir in diesem Falle tun? Nun, wir wollen nicht fordern und wollen nicht verlangen. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte die Alliierten beschwören, ({24}) hier von Unrecht zu lassen. Wir wollen ihnen zur Kenntnis bringen, daß wir diese Angelegenheit als einen Maßstab betrachten, an dem wir ablesen, wie hoch wir als Volk und Staat gewertet und geachtet werden. ({25}) Wir wollen hoffen, daß wir auch in den fremden Parlamenten hierbei Unterstützung finden und daß es nicht die Deutschen allein sind, die hierauf aufmerksam machen müssen. ({26}) Die Staaten haben sich durch Abkommen zu gemeinsamem Handeln verbunden. Es wäre schade, wenn hier aus einem falsch verstandenen Prestige heraus eine Solidarität entstünde, die unseren diplomatischen und politischen Verkehr mit vielen Staaten auf lange hinaus belasten müßte. Wir wollen ja weg vom Krieg, und wir wollen weg von der Entwürdigung und wollen zu einer Solidarität der Staaten gelangen, die sich wechselseitig mit Achtung behandeln. Der Erweiterung des von der SPD eingebrachten Antrages stimmen wir zu, und ich möchte das Hohe Haus bitten, unsern Antrag, die Regierung um die Vorlage des erforderlichen Materials zu ersuchen, anzunehmen, ohne ihn erst dem Ausschuß zu überweisen. ({27})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.

Dr. Bernhard Reismann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001815, Fraktion: Deutsche Zentrumspartei (Z)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit Sie von vornherein klar sehen, was unsere Kritik an dem Verhalten der Bundesregierung zu bedeuten hat, will ich vorausschicken, daß wir hinsichtlich der Frage der Wiedervereinigung Deutschlands und hinsichtlich der Frage der Zurückerlangung unserer Souveränität der Bundesregierung unsere volle Unterstützung verleihen und mit ihrem Verhalten einverstanden sind. ({0}) Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Bundesregierung in dieser Hinsicht aus voller Überzeugung nach besten Kräften tut, was ihr möglich erscheint. Wir halten es aber auch für durchaus angebracht und richtig, daß sie gegenüber den Verlockungen und den Sirenenklängen aus dem Osten die gebotene Vorsicht obwalten läßt, woraus ihr kein Vorwurf zu machen ist. ({1}) Wenn vorhin von meiner Fraktion und auch von mir Worte der Kritik an der Methode und an dem Verhalten der Bundesregierung laut geworden sind, so hat das mit diesen Fragen nichts zu tun. Wir behalten uns auch vor, in anderen außenpolitischen Fragen von Fall zu Fall Abstand zu nehmen von dem, was die Regierung tut und wie sie es tut. Aber in den zur Zeit im Vordergrund stehenden Fragen der Wiedererlangung unserer Souveränität und der Wiedervereinigung unseres in Besatzungszonen getrennten Volkes wissen wir uns mit ihrem Bestreben völlig verbunden. Das Organ, dessen sich unsere Außenpolitik bedient, das Auswärtige Amt, befindet sich im Aufbau. Die Schwierigkeiten, die gerade der Aufbau einer solchen Behörde bereitet, und die Verantwortung, die sie mit sich bringt, sollten eigentlich eine volle Kraft erfordern. Deswegen bedauern wir es, daß sich der Herr Bundeskanzler noch immer. nicht hat dazu entschließen können, entweder einen. Außenminister zu ernennen oder aber, wenn ihm dieser Beruf so lieb geworden ist und er es im Augenblick für das Wichtigere hält, den Posten des Außenministers selber zu übernehmen, den Posten des Bundeskanzlers niederzulegen; dann müßten wir einen neuen Bundeskanzler wählen. ({2}) Jedenfalls bedarf es dringend einer Trennung dieser beiden Ämter. Das zeigt sich vor allen Dingen dann, wenn man einmal die Organisation und die Funktionsweise des Auswärtigen Amts in Betracht zieht. ({3}) Die Schwierigkeiten des Neuaufbaus sind schlecht und recht bewältigt worden, mehr schlecht als recht, von Leuten, die dazu weder politisch die Verantwortung noch auch den Beruf mitbrachten. Da ist zunächst einmal die schleppende Erledigung der Besetzung ausländischer Missionen zu erwähnen. Der Herr Bundeskanzler hat eben darauf hingewiesen, daß inzwischen 27 Generalkonsulate errichtet und nur noch 4 frei seien. Aber wann ist das denn geschehen? Es liegt jetzt noch ein Verzeichnis von ungefähr 40 Missionschefs zur Genehmigung vor. Offenbar sind das Vertreter diplomatischer Missionen und nicht von Generalkonsulaten. Wie lange liegt das schon zur Beratung vor, und wie lange haben die Generalkonsuln zur Bestätigung oder Ernennung angestanden! Darüber hat er geschwiegen. Aber in der Zeit, in der man darauf wartete, wo diese Vorschläge einer Bestätigung oder Ablehnung oder Änderung harrten, sind sehr große Werte verlorengegangen, Werte, die wir hätten retten können. In dieser Zeit haben unsere Kaufleute und unsere Freunde im Ausland des Rates und der Hilfe entbehrt, die unsere Generalkonsulate, Gesandtschaften und Botschaften hätten geben können und geben sollen. Die Missionen, die wir draußen aber nun inzwischen haben, sind keineswegs so gestellt, wie das zu einem Funktionieren erforderlich ist. Die Verhältnisse aller dieser ausländischen Missionen müssen noch einmal eingehend überprüft werden. Bei Stichproben, die ich selber zu machen Gelegenheit hatte, habe ich feststellen müssen, daß zunächst die finanzielle Versorgung keineswegs überall ausreichend ist. Man hat von der zu geringen Besoldung der unteren Stellen gesprochen. Das trifft aber nicht allein zu. Wir haben im Inland - es scheint auch in der Verwaltung des Auswärtigen Amtes so zu sein - nicht immer die rechte Vorstellung von den Teuerungs- und Lebensverhältnissen, die im Ausland bestehen, wenn man z. B. hört, daß das Gehalt eines Beamten, umgerechnet in D-Mark, 2000 DM beträgt. Wenn er 600 DM für eine Vier- oder Fünfzimmer-Wohnung ausgeben muß, zeigt das allein das Mißverhältnis; denn die hohen Preise beschränken sich j a nicht auf die Wohnungsmieten, sondern erstrecken sich auch auf etwas anderes. Wenn man hört, daß ein Generalkonsulat in einem Staat mit über 20 Millionen Einwohnern zur Zeit noch keine Kraftwagen zur Verfügung hat und lediglich Taxis benutzen muß, dann muß man sagen, daß das auch nicht in Ordnung ist. So tritt man, selbst wenn man ein Land vertritt, das arm ist und sparen muß, doch nicht auf, wenn man Wert auf Repräsentation und Arbeitsfähigkeit legt. Es spielt auch noch etwas anderes eine Rolle, nämlich die Verleihung passender Dienstbezeichnungen. Als Angehöriger eines freien Berufes und Muß-Preuße glaube ich gegen den Verdacht einigermaßen sicher zu sein, daß ich auf Orden und Ehrenzeichen sowie Titel und Dienstbezeichnungen persönlichen Wert lege. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Ausland, im Verkehr mit anderen ausländischen Missionen bereitet es Schwierigkeiten, unsere Leute einzureihen, und bereitet es Schwierigkeiten, offiziell mit ihnen zu verkehren, wenn sie nicht von uns aus in einen diplomatischen Rang eingereiht sind; und wenn nun Herr X oder Herr Y dort Dienst tut, so soll man ihm diese Schwierigkeiten nicht bereiten, sondern dafür sorgen, daß er auf gleichem Fuß mit den Kollegen anderer Missionen verkehren kann. Es fällt auf, daß unter diesen Erscheinungen in erster Linie die Neulinge dort zu leiden haben, die Outsider also, diejenigen, die früher nicht im Amt waren. Dabei fällt mir in der Statistik, die der Herr Bundeskanzler eben nannte, auf, daß die Addition nicht stimmte. - Herr Euler, Sie lächeln mich so freundlich an; Sie haben es wohl auch gemerkt. - Wenn es 303 Angehörige des höheren Dienstes gibt, dann verstehe ich nicht, wieso 130 schon früher im Auswärtigen Amt und 245 neu waren; denn beides zusammen macht 375 gegen 303 höhere Beamte, die es überhaupt nur geben soll. Wo steckt da der Fehler? Jedenfalls: die Neulinge darunter leiden unter diesem Mangel am meisten, und die Neulinge haben auch darunter zu leiden, daß sie keine Umzugsentschädigung bekommen. Sie haben unter manchen Beschwernissen sonst zu leiden, und es erhebt sich die Frage, ob das nicht eine behördenmäßig bewußte Benachteiligung derjenigen ist, die keiner Crew angehört haben, die deshalb als Eindringlinge noch so ein bißchen über die Schulter angesehen werden. Wenn wir Wert darauf legen, erstklassige Kräfte als Außenseiter in den auswärtigen Dienst zu bekommen, dann meine Damen und Herren, müssen wir sie so stellen und so behandeln, daß dieser Dienst auch attraktiv ist. Daran fehlt es schon beim Nachwuchs: bei der Besoldung und bei der Behandlung. Die Behandlung wird deswegen wenig geschätzt, weil man in weitesten Kreisen von der Objektivität dieser Behandlung nicht überzeugt ist. Die Statistik kann nur Hilfsdienste dabei leisten. Es kann nicht darauf ankommen, eine statistische Gleichmäßigkeit zwischen den verschiedenen Gruppen herzustellen. Aber wenn statistisch hartnäckig auf längere Zeit hin Mißverhältnisse zutage treten, dann stimmt etwas nicht. Daß hier etwas nicht stimmt, ergibt sich nicht bloß aus der Statistik und nicht bloß aus der, die der Herr Bundeskanzler eben nannte, als er die Konfessionsstatistik erwähnte, die meiner Beanstandung recht gegeben hat und an der sich noch nichts geändert hat, die aber widerlegt, was Herr Kollege Luetkens sagt, der das umgekehrte darstellen wollte. Die Statistik müßte man richtig auswerten, wenn man für das Verhältnis der früheren und der heutigen Angehörigen das Verhältnis bestimmter Freundeskreise, sei das nun der Ostasienkreis, seien es die SCer oder sei es die Gruppe von Weizsäcker - das spielt dabei keine Rolle -, in Betracht zieht. Sie wissen, daß man mit Statistiken nahezu alles beweisen kann, wenn man geschickt genug ist, sie zusammenzustellen und auszuwerten. Wenn beispielsweise Herr Luetkens eine Statistik von acht Leuten nahm, so ergab sich dabei ja ein völlig unrichtiges Bild. Das gleiche ist aber auch der Fall, wenn man sagt, frühere Leute habe man 130 und neue 245. Wo sitzen denn die 245 neuen Leute? Die 245 neuen Leute sind Nachwuchskräfte, Leute ohne jeden Einfluß, Außenseiter, die weder Titel haben noch Trennungsentschädigung bekommen und die so unter „ferner liefen" mitarbeiten dürfen, während die maßgeblichen Schlüssel- und Schaltpositionen in Händen der Leute sind, die nicht dahin gehören. Das ist es nämlich, und daran hat sich auch nichts geändert. Es hat sich vor allen Dingen nichts daran geändert, daß die Schalt- und Schlüsselpositionen in den Händen bestimmter Freundeskreise liegen, die sich die Bälle zuwerfen, die man als Lobe-Klub bezeichnet hat, über die sich die Presse des In- und Auslandes schon lustig gemacht hat und die, wie ich früher hier schon darlegen durfte, ohne Rück({4}) sieht auf die Fähigkeiten, mit Rücksicht lediglich auf die gegenseitige Entnazifizierungsbescheinigung oder was immer, jedenfalls mit Rücksicht auf persönliche Beziehungen und nicht mit Rücksicht auf sachliche Qualitäten arbeiten. Es hat sich nicht niederhalten lassen, was sich in dieser Hinsicht bei der Begründung des Auswärtigen Amtes getan hatte, und zwar deswegen nicht, weil gerade der Bundeskanzler auf dieses Amt nicht die nötige Energie und Beobachtung gelegt hat. Wäre ein Außenminister dagewesen und wäre der Staatssekretär in seiner Kraft frei gewesen, die persönlichen Verhältnisse seines Amtes zu beobachten, wäre er nicht durch Reisen und außenpolitische Tätigkeit abgelenkt worden, die an sich Sache des Ministers gewesen wären, so hätte er das sicherlich wahrgenommen und hätte er diese Auswüchse vermieden. Wenn man von den Nationalsozialisten von früher spricht, so spielt dabei die Zahl gar keine Rolle. Wir sind alle miteinander über das Stadium der Hexenverfolgung längst hinaus. Da gibt es keinen mehr, der jeden, der zu irgendeiner Zeit in die Partei eingetreten war, nun für einen Nazi hält. Aber man kann keineswegs für gering erachten, wenn Leute, die zugleich die rechte und linke Hand maßgeblicher Nationalsozialisten waren, heute, nachdem sie damals Rang und Ehrenzeichen wie beispielsweise eines Standartenführers annahmen, wieder einen Rang haben, eine Rolle spielen und Leiter einer politischen Abteilung des Auswärtigen Amts sein wollen. Ich will hier gar nicht auf Einzelheiten und Kleinigkeiten eingehen, zumal meine Fraktion auch den Antrag gestellt hat, einen Untersuchungsausschuß zur Prüfung dieser Verhältnisse einzusetzen. Der Unterausschuß, den Herr Kollege Luetkens eben zitiert hat, hatte nicht den Zweck, den der Untersuchungsausschuß haben soll. Er war in der Tat zwar in ungefährem zeitlichen Zusammenhang, aber nicht nach meiner Kritik, jedenfalls nicht nach der Kritik, die ich in der Etatsdebatte geübt hatte und in der ich zum erstenmal Näheres dargestellt habe, sondern allenfalls nach meiner schriftlichen Kritik in der Presse eingesetzt worden. Er hatte weder zu entscheiden noch zu prüfen, sondern er hatte Material zu sammeln. Insofern gebe ich Herrn Kollegen Luetkens recht. Aber wenn er sagte, daß er allein damals neben mir beanstandet habe, so muß ich darauf erwidern, daß ich zu meinem Bedauern damals allein gestanden habe und daß ich von dieser Unterstützung des Herrn Kollegen Luetkens damals nichts gemerkt habe. Infolge der Aufgabenstellung dieses Unterausschusses konnte es zu einer Prüfung der Verhältnisse, die jetzt überprüft werden müssen, nicht kommen. Nach meiner Kenntnis des Materials haben die Verlautbarungen, die in der „Frankfurter Rundschau" vor nicht langer Zeit erschienen sind - von denen, wie ich gehört habe, mir einige in die Schuhe geschoben wurden; ich habe aber nichts damit zu tun; den eben als nom de guerre bezeichneten Verfasser dieser Aufzeichnungen gibt es, und er lebt unter diesem Namen; ich habe ihn erst heute in diesem Hause gesehen, ich habe ihn bis heute nicht gekannt, so daß man nicht etwa die Identität der Quellen annehmen kann -, mit vielen, mit den meisten Beanstandungen ins Schwarze getroffen. Deswegen bedarf es einer Überprüfung. Es ist eine andere Frage, wieweit der eine oder andere Teil des Hauses Wert auf seine Feststellungen legt, ob es sie positiv wertet - vielleicht - oder ob es sie vielleicht sogar negativ wertet. Aber die Verlautbarungen, die er gebracht hat, treffen im großen und ganzen zu. Wenn Herr Kollege Pfleiderer soeben meinte, erwähnen zu müssen, daß sie sich auf Nürnberger Protokolle bezögen, so kann man das allenfalls gelten lassen, wenn er - das bedürfte allerdings der Spezifizierung - sagen würde, dieses oder jenes Protokoll sei unter Druck zustande gekommen - ich weiß es nicht, er hat es nicht von einem bestimmten Protokoll gesagt -, ({5}) das sei nachzuprüfen; aber der Umstand allein, daß das gleiche Verfahren nicht auch gegen andere Diplomaten in Gang gebracht ist, beweist gar nichts. ({6}) - Es scheint Sie doch soweit zu interessieren, daß Sie sich bemühen, mich zu stören, Herr Kollege. Aber wir wollen einmal von dem höheren Dienst absehen. Sehen wir uns ruhig einmal an, wie der auswärtige Dienst gerade die behandelt hat, die in der nationalsozialistischen Zeit besonders hervorgeragt haben. Da ist z. B. von einem Mann, der in Tirana der dortige Ortsgruppenleiter - im Ausland nannte man das Stützpunktleiter; da war das anders - war, bekannt, daß er in der Nazizeit vom mittleren Dienst zum Regierungsrat befördert wurde und daß ihm diese Beförderung jetzt bestätigt worden ist; er ist es jetzt wieder geworden. Als ob wir keine anderen Leute hätten! Und der Parteirichter aus Japan, der den zeilenfüllenden Titel „Landesgruppenrechtsamtsleiter" gehabt hat, ist jetzt nach den Verlautbarungen der „Frankfurter Rundschau" sogar noch zum vortragenden Legationsrat, also Ministerialrat, befördert worden. ({7}) - Nein, ich halte es nicht für furchtbar. Aber wenn solche Dinge laufen, dann sollte man allerdings erst das Ende der Prüfung dieser Verhältnisse abwarten. Wenn es sich dann als zutreffend erweist, was behauptet wird, dann wäre zu überlegen, ob eine solche Beförderung richtig ist. Sollten die Angaben sich als widerlegt erweisen, dann könnte sie immer noch erfolgen. Weshalb diese Hast und diese Eile? Es fällt mir bei den Verlautbarungen der Regierung zu diesen Angriffen auf das Auswärtige Amt, die nicht die ersten sind, und, wenn sie nicht widerlegt werden, auch nicht die letzten sein werden, auf, daß man sich da auf einen Weg begeben hat, der so aussieht, als sollte er eine Tätigkeit nur vortäuschen. Daß eine Prüfung vorgenommen werden muß, sieht offenbar auch der Herr Außenminister ein. Aber was für eine Prüfung? Es ist da ein dienststrafrechtliches Ermittlungsverfahren angekündigt worden. Damit ist das Thema der Arbeiten des Juristen, der damit beauftragt worden ist, umrissen, so daß gerade der politische Kerngehalt dieser Vorwürfe überhaupt nicht zur Prüfung gelangen kann. Wenn das die Absicht und der Zweck dieser Formulierung der Untersuchung ist, dann bedeutet das doch, daß sich die jetzige Leitung des Auswärtigen Amts schützend vor den Mann stellt, der vor ihr dieses Amt aufgezogen hat, und zwar durchaus im Sinne der Renazifizierung aufgezogen hat, indem er gerade die früher maßgeblichen Leute in den mittleren wie auch in den maßgeblichen, leitenden Stellungen, sogar die ({8}) Beamten aus der Personalabteilung Ribbentrop wieder in die Personalabteilung hineingebracht hat. Diese Leute werden jetzt gedeckt. Ich hatte Anfang August anläßlich des Wandels in der Besetzung dieses Amtes geglaubt, nun werde dort ein neuer Wind wehen, jetzt werde dort ein neues Regiment mit dem aufräumen, was da bisher geschehen war. So sah es zunächst aus. Aber jetzt hat mich diese Erklärung zweifeln gemacht, ob es ernst damit ist oder ob nicht vielleicht die ersten publizistischen Verlautbarungen, die im „Berner Bund" und in einer südwestdeutschen Zeitung erschienen, als Schüsse vor den Bug diesen Herren die Tätigkeit genommen haben, die damals das Beste zu wollen versprachen. Damals nämlich, als kaum der neue Leiter der Personalabteilung das Amt betreten hatte, hieß es dort: Hoffentlich werde er die unabhängige - d. h. vom Bundestag unabhängige; das war wohl gemeint - Personalpolitik, diejenige, die nur auf seine persönlichen Beziehungen Rücksicht nahm, fortführen. Dieser Artikel, der in einer etwas abgewandelten Fassung auch in einer deutschen Zeitung erschien, war ganz offensichtlich bestellte Arbeit. Wie es mehrfach dem Kenner der Verhältnisse evident wurde, daß der inzwischen zurückgetretene oder zurückgetreten wordene Vorgänger des jetzigen Leiters es meisterhaft verstand, die Presse unter Umständen gegen sich selbst, auch gegen den Außenminister und gegen das Amt und für das Amt spielen zu lassen, so wie es ihm in den Kram paßte. Der Stil verriet immer wieder deutlich die Herkunft und der Inhalt dazu. Daß diese Verhältnisse durch einen Untersuchungsausschuß aufgehellt werden müssen, namentlich nachdem nunmehr Material - soviel ich weiß, noch nicht erschöpfend, aber immerhin in doch großem Umfang - in der Öffentlichkeit genannt ist, daß man endlich feststellen muß, was daran wahr ist, dürfte wohl jedermann klar sein. ({9}) Es ist an sich zu bedauern, daß die Regierung nicht die Inititative ergriffen hat. Denn der Versuch, da so ein „Tüchsken vors Auge" zu hängen, also durch so eine Untersuchung, die vorm Wesentlichen halt macht, die Öffentlichkeit über die Mißstände hinwegzutäuschen, der hat doch wenig Aussicht auf Erfolg. ({10}) Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nun das drittemal, daß der Bundestag mit der Frage .des Auswärtigen Amts befaßt wird. Das ist bei keiner anderen Behörde bislang der Fall gewesen, weil dort nicht bloß überall ein Minister sich selber verantwortlich fühlte, sondern sich auch die Zeit nahm, sich persönlich darum zu kümmern. Es ist allerdings auch bei keiner anderen Behörde der Fall, daß so wenig Kollegialität unter den einzelnen Mitgliedern dieses Amtes herrscht. Mir ist kürzlich ein fast unvergleichliches Beispiel zu Ohren gekommen, wie dort der eine Beamte den anderen abzuschießen trachtet, gerade dann abzuschießen trachtet, wenn er selbst durch seine Personalpolitik aufgefallen ist, wie man dann gerade dem, mit dem man bislang gut Freund gewesen ist, in der Presse des In- und Auslandes Schwierigkeiten zu machen versucht und wie man sich nicht scheut, die früheren Freunde dann deswegen anzugreifen, weil sie versuchen, da Recht zu machen und Ordnung zu schaffen, wo der Vorgänger versagt hat. Deswegen scheint es uns notwendig zu sein, die ganzen Verhältnisse dieses Amtes durch unvoreingenommene Prüfer gründlich aufzuklären; nicht durch solche, die mehr willens 1 sind, aus Gründen der Kollegialität oder aus Gründen des Korpsgefühls die Angegriffenen zu schützen und abzudecken, sondern durch solche, die nun willens sind, endgültig aufzuräumen. ({11})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Brentano.

Dr. Heinrich Brentano (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000263, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Auch meine politischen Freunde hätten an sich zu dem Haushalt des Auswärtigen Dienstes einige Bemerkungen zu machen, einige Wünsche zu äußern, zu einigen Dingen kritisch Stellung zu nehmen. Aber wir sind der Überzeugung, daß nach dem Verlauf der heutigen Debatte alle diese Dinge doch weitgehend in den Hintergrund getreten sind. ({0}) Wir haben heute aus dem Munde des Sprechers der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei eine Erklärung gehört, von der ich nur sagen kann, daß ich bestürzt und entrüstet bin. ({1}) Wenn der Herr Kollege Luetkens seine Rede nicht fließend vorgelesen hätte, ({2}) dann würde ich vielleicht glauben, daß er sich versprochen hätte. ({3}) Aber er hat seine Formulierungen aus seinem Manuskript so genau vorgetragen, daß man sogar manche seiner Redewendungen kaum mehr zu verstehen vermochte. Aber einiges war sehr eindeutig zu verstehen. ({4}) Der Herr Kollege Luetkens hat als Sprecher seiner Fraktion erklärt, die Wiederherstellung der Souveränität Deutschlands, ({5}) der Bundesrepublik, sei nicht möglich, sie sei nicht tragbar und sie sei auch nicht wünschbar. ({6}) Meine Damen und Herren, das ist von dem Sprecher der gleichen Fraktion gesagt worden, die bisher seit Wochen und Monaten mit unermüdlicher Hartnäckigkeit dem Herrn Bundeskanzler vorgeworfen hat, er strebe das Ziel der Gleichberechtigung nicht mit dem nötigen Nachdruck an. ({7}) Wie kann denn die Gleichberechtigung verlangt werden, wenn man sagt - und auch hier wiederhole ich wörtlich -: Was wir wollen, ist das volle Recht, über innere Angelegenheiten zu bestimmen; wir wollen die volle innere Autonomie. - Diese volle innere Autonomie, meine Damen und Herren, entspricht meiner Überzeugung nach einem Kolonialstatut! ({8}) Und eben weht mir der Wind eine Mitteilung auf meinen Platz, die jetzt durch den Fernschreiber geht: Die Bundeskanzler-Erregung überflüssig. Zu den Erklärungen des Kanzlers wird aus maßgebenden Kreisen der Bundestagsfraktion der SPD festgestellt, daß die Rede des Abgeordneten Dr. Luetkens, soweit sie sich mit dem ({9}) Aufbau und der Tätigkeit des Auswärtigen Amts befaßt, vorbehaltlos der Meinung der SPD entspricht. ({10}) Was darüber hinaus gesagt wurde, entspricht nur insoweit der Ansicht der SPD, als es mit den Parteitagsbeschlüssen und der letzten Hamburger Rede Dr. Schumachers in Übereinstimmung zu bringen ist. ({11}) Die Erregung des Kanzlers ist daher überflüssig, denn die Haltung der SPD liegt fest. ({12}) Meine Damen und Herren, ich möchte doch sagen: so einfach geht es nicht! ({13}) Hier hat der Sprecher der Fraktion der SPD gesprochen, ({14}) und dann wird uns gesagt: „Das stimmt nur insoweit mit der Auffassung der Fraktion der SPD überein, als es mit den Parteitagsbeschlüssen und der letzten Hamburger Rede Dr. Schumachers in Übereinstimmung zu bringen ist." - Meine Damen und Herren, wir sind hier im Deutschen Bundestag und nicht auf dem Parteitag der SPD! ({15}) Ich finde, daß das deutsche Volk einen Anspruch darauf hat, hier aus dem Munde eines verantwortlichen zuständigen Sprechers der Sozialdemokratischen Partei deren Auffassung kennen zu lernen. ({16}) Die Verweisung auf irgendwelche vorangegangenen Parteitagsbeschlüsse ist, wenn ich mich der Worte des Herrn Kollegen Luetkens bedienen darf, unziemlich gegenüber diesem Hohen Haus. ({17}) Ich hatte keinen Zweifel daran, als ich diese erstaunlichen Ausführungen des Herrn Luetkens, der sich zur Zeit nicht mehr im Saale aufhält, hörte, ({18}) daß sie nicht der Auffassung der Sozialdemokratischen Partei entsprechen können; ({19}) denn Sie hätten sich damit wirklich in einen Widerspruch zu ihren bisherigen Erklärungen gesetzt, der unverständlich gewesen wäre. ({20}) Aber daß es möglich ist, daß der außenpolitische Referent der Sozialdemokratischen Partei und als solchen bezeichnet sich der Abgeordnete Luetkens auch in offiziellen Kundgebungen - eine solche Erklärung abgibt, ist wohl Anlaß genug dafür, daß sich nicht nur der Herr Bundeskanzler erregt, sondern daß wir uns alle und daß sich das deutsche Volk erregen sollten. ({21})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Fürst zu Oettingen-Wallerstein.

Eugen Oettingen-Wallerstein (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001639, Fraktion: Bayernpartei (BP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Haushalt des Auswärtigen Amtes darf ich namens meiner Fraktion der Bayernpartei nachfolgendes ausführen. Zur Zeit ist es im Auswärtigen Amt noch so, daß die einzelnen Abteilungen räumlich sehr weit auseinandergezogen sind, so daß ein verstärkter Hilfsdienst unvermeidlich ist. Er erscheint daher dringend geboten, daß das Auswärtige Amt möglichst rasch in einem Dienstgebäude zusammengezogen wird, um die Reduktion des Dienstpersonals durchzuführen und eine straffere Zusammenfassung und insbesondere eine sachgemäße Überwachung des Hilfspersonals zu gewährleisten. Es müssen unter allen Umständen Vorkehrungen getroffen werden, damit solche bedauerlichen Vorfälle, wie sie sich kürzlich im Bundeskanzleramt zugetragen haben, im Auswärtigen Amt vermieden werden. Das Auswärtige Amt steht in den schwierigsten außenpolitischen Verhandlungen und muß daher von dieser Gefahr völlig frei sein. Meine Fraktion hat bereits in der 145. Sitzung des Bundestages am 31. Mai dieses Jahres darauf hingewiesen, daß nach unserer Ansicht eine den besonderen Verhältnissen des auswärtigen Dienstes angepaßte Besoldungsordnung erforderlich ist. Wir stehen auch heute noch auf diesem Standpunkt und sind der Ansicht, daß die dadurch entstehenden Mehrkosten durch Ausgabekürzungen in anderen Haushalten gedeckt werden können. Meine Fraktion hat anläßlich der Beratung des Haushalts für Angelegenheiten des Europarats und verwandter Gebiete in der 145. Sitzung des Bundestages darauf hingewiesen, daß der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes mit Rücksicht auf seine sehr weitgehende und stets wachsende Inanspruchnahme eine Entlastung durch einen Beamten der entsprechenden Kategorie erfahren muß. Wir sind heute noch der Ansicht, daß dies notwendig ist, zumal bei dem stets wachsenden Aufgabenkreis die Erfüllung der organisatorischen und der administrativen Aufgaben unter der Überlastung des Herrn Staatssekretärs natürlich leiden muß. Wir möchten annehmen - wir sind jedenfalls dazu bereit, das anzunehmen -, daß der verzögerte und bisher unvollständige Aufbau des diplomatischen Außendienstes auf diese Überlastung zurückzuführen ist. Meine Fraktion bedauert lebhaft, feststellen zu müssen, daß entgegen dem in der 145. Sitzung des Bundestages weitgehend geäußerten Wunsch nach baldiger Besetzung der wichtigsten diplomatischen Posten die Ernennungen bisher nur teilweise vollzogen sind, obwohl bereits eine große Anzahl von Staaten Vertreter bei der Bundesregierung akkreditiert haben. Es war für uns sehr interessant, aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers zu hören, daß verschiedene Ernennungen bevorstehen. Es scheint aber doch im großen und ganzen so zu sein, daß die Besetzung von sehr vielen Außenposten noch nicht einmal in Angriff genommen wurde, und daß die Besetzung in vielen Fällen nur teilweise zur Durchführung gekommen und schon auf halbem Wege steckengeblieben ist. ({0}) Es scheint so, daß für die doch wirklich sehr zahlreiehen Staaten Süd- und Mittelamerikas erst einem Fäll eine Ernennung erfolgt ist und der Betreffende sein Amt allgetreten hat, während in fünf Fällen das Agreement bzW. Exequatur - es handelt sich aber im wesentlichen um die Erteilung des diplomatischen Agreement - erteilt wurde, die betreffende Persönlichkeit auch genannt wurde, daß aber die Ernennung noch nicht erfolgt ist. In allen übrigem Fällen es handelt sich in mittel- und Südamerika tin 28 Staaten - scheint noch keine Ernennung erfolgt zu sein: Das ist bedauerlich; Weil die langsame Aufnahme des diplomatischeti Verkehrs in wirtsehaftlicher, politischer und auch in kultureller Hinsicht sehr nachteilig ist. Ich möchte hier besonders darauf aufmerksam machen, daß der Heilige Stuhl sofort, nachdem die stäatsrechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen waren, einen päpstlichen Nuntius bei der Bundesregierung bestellt hat, ohne daß bis jetzt ein Vertreter der Bundesrepublik bei der Kurie bestellt wurde und ohne eine diplomatische Dienststelle an dem Sitz der Kurie eingerichtet wurde. Das ist immerhin ein in der Geschichte der diplomatischen Gepflogenheiten urigewöhnlicher Vorgang, der wohl nicht ganz dazu angetan ist, unser Ansehen zu heben. Unserer Auffassung nach ist unbedingt dafür Sorge zu tragen, daß die für die Auslandsposten äusersehenen Persönlichkeiten raschestens das Agrément der betreffenden Regierungen erhalten und daß sie baldigst ihren Posten antreten können. Wir möchten schließlich im Zusammenhang mit dem Außen-Etat mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß bei allen außenpolitischen Verhandlungen der Bundesrat als -die Vertretung der deutschen Bundesländer mitbestimmend eingeschaltet werden sollte, und wir erwarten, daß die Länderregierungen von den ihnen in dem Auswärtigen Ausschuß des Bundestages gegebenen Möglichkeiten den weitestgehenden Gebrauch machen. Meine Damen und Herren, in dem Ringen um unsere Freiheit und unsere Lebensrechte, in dem jetzt unsere Bundesregierung steht, bekennt sich meine Fraktion erneut zu den Prinzipien eines föderalistisch aufgebauten Gesamtdeutschlands und zu den Prinzipien eines föderalistisch geeinten Europas. Nur wenn diese Ziele nicht aus dem Auge gelassen werden, wird die Schaffung eines neuen, eines friedlichen Europas gewährleistet sein. In diesem Kampfe um die deutsche und auch um die europäische Freiheit muß die Gleichberechtigung als selbstverständliche Voraussetzung gegeben sein. Erst wenn wir als wirklich gleichberechtigte Partner im Kreise der europäischen Mächte anerkannt sind, ist die Voraussetzung für den europäischen Frieden gegeben. Wir bekennen uns erneut zu der europäisch-christlichen Gemeinschaft, zu der abendländischen Kultur und zu jener abendländischen Gemeinschaft, zu der auch diejenigen Teile Deutschlands einmal wieder gehören sollen, die uns gewaltsam entrissen sind. Wir möchten hoffen, daß auch alle diejenigen Länder wieder einmal den Weg zum christlichen Abendland zurückfinden, die früher durch Jahrhunderte ein Bollwerk abendländisch-christlicher Kultur waren und die jetzt hinter dem Eisernen Vorhang ihr Leben fristen müssen. Wir begrüßen es, wenn im amerikanischen Repräsentantenhaus festgestellt wird, daß wir durch die Besatzungskosten beim europäischen Verteidigungsaufkommen bereits an dritter Stelle stehen, während wir bei der Verteilung der MarshallplanHilfe erst an sechster Stelle rangieren. Wenn aber die Okkupationsmächte einer solchen Feststellung nicht die Taten folgen lassen und wenn sie wirklich glauben, daß nach sechs Jahren der Okkupation, in deren Verlauf das deutsche Volk nun wirklich bewiesen hat, daß es einen Strich unter die Vergangenheit machen will, kein anderer Zustand als eine Verlängerung der Besatzung gefunden werden kann, so können wir nur auf die Folgen einer derartigen Einstellung hinweisen. Diese Folgen werden nicht nur für unser Volk, sondern für alle Völker Europas katastrophal sein. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.

Erich Ollenhauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Ausführungen des Abgeordneten Dr. Luetkens und zu der Erwiderung des Bundeskanzlers stelle ich im Namen der sozialdemokratischen Fraktion fest: Erstens: Wir billigen die Kritik des Abgeordneten Dr. Luetkens am Auswärtigen Amt und seiner Amtsführung. Wir betrachten die Erwiderung des Bundeskanzlers auf die von Dr. Luetkens vorgebrachte Kritik als völlig unbefriedigend. ({0}) Zweitens: Der Abgeordnete Dr. Luetkens hatte die im Schlußteil seiner Rede vorgetragenen politischen Formulierungen der Fraktion nicht unterbreitet. ({1}) Die Fraktion lehnt diese Formulierung ab und mißbilligt sie. ({2}) Gemeint war von Dr. Luetkens offenbar, daß ein Provisorium, wie es die Bundesrepublik darstellt, nicht in ein die Einheit Deutschlands hemmendes Definitivum umgewandelt werden darf. Die mißglückten Formulierungen des Abgeordneten Dr. Luetkens können keinem Gutgläubigen Anlaß zu der Unterstellung des Bundeskanzlers geben, daß in ihnen ein Schwanken zwischen Ost und West oder die Ankündigung einer neuen außenpolitischen Linie der SPD zu sehen wäre. ({3}) Drittens: Die Haltung der SPD in dieser Frage war, ist und bleibt über jeden Zweifel erhaben. ({4}) Wir betrachten den Bundeskanzler als nicht legitimiert, die Politik der SPD zu verdächtigen. ({5}) Seine Rede in Berlin am 24. November 1948 und sein Artikel in der „Welt" von Anfang Juni 1948 sind nicht vergessen. ({6}) ({7}) Viertens: Das Ziel jeder deutschen Politik muß sein, das ganze Deutschland in den Kreis der freien Völker einzugliedern. ({8}) Die Politik des Bundeskanzlers führt nicht zu diesem Ziel. Jede Integration kann nur auf dem Boden der Gleichheit vollzogen werden. ({9}) Diese Gleichheit wird uns heute verweigert. ({10}) In jedem Fall muß jede Form der Integration in jedem denkbaren Vertrag den Deutschen die unbestreitbare Möglichkeit zur Wiederherstellung ihrer Einheit offenhalten. ({11}) Fünftens: Diese politische Linie ist in der Außenpolitik der Regierung bis heute nicht zu erkennen. Sie ist unverzichtbar für die Sozialdemokratische Partei. ({12})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Herr Bundeskanzler. Dr. Adenauer, Bundeskanzler ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ({1}) Ich stelle mit Genugtuung fest, ({2}) daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion derartig von den Erklärungen ihres Sprechers abweicht und ihren Sprecher preisgibt. ({3}) Der Schade, der durch die Rede des Herrn Abgeordneten Luetkens angerichtet worden ist, ({4}) ist damit zum Teil wiedergutgemacht. Aber nur zum Teil! ({5}) Alle die Kreise in den andern Ländern, die Deutschland noch fortwährend im Verdacht haben, daß es keine feste Haltung zum Westen einnehme, ({6}) werden auf die Rede des Herrn Abgeordneten Luetkens zum Beweise ihrer Behauptung hinwiesen. ({7}) Meine Damen und Herren! Ganz unerhört finde ich die Erklärung des Herrn Abgeordneten Ollenhauer, ({8}) es sei nicht das Ziel meiner Politik, die Einheit ganz Deutschlands in Freiheit wiederherzustellen. ({9}) Ich stelle fest, daß ich das überall und öffentlich und zuletzt in Berlin erklärt habe. ({10}) Ich stelle aber weiter fest, daß, als ich in Berlin erklärte, daß auch das deutsche Land jenseits der Oder-Neiße-Linie wieder mit uns vereinigt werden müsse in Freiheit, der Sozialdemokratische Informationsdienst mir den Vorwurf gemacht hat, das hätte ich nicht erwähnen dürfen, weil ich dadurch Verhandlungen störte. ({11})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Renner.

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Ich habe mir die Aufgabe gestellt, mich mit der außenpolitischen Tätigkeit des Herrn Dr. Adenauer zu beschäftigen. Ich habe mir die Aufgabe gestellt und hoffe sie auch erfüllen zu können, den Zusammenhang dieser seiner Außenpolitik mit den Intentionen der amerikanischen Kriegstreiber klar aufzuzeigen. ({0}) Seit langem, mindestens aber seit Beginn der Marshallplanpolitik ist es die offensichtliche Tendenz des amerikanischen Imperialismus, im Zuge der Kriegsvorbereitung den deutschen Imperialismus zu seinem Hauptverbündeten zu machen, und Adenauers Außenpolitik ist diesen Absichten des amerikanischen Imperialismus unserer Überzeugung nach vollkommen unterstellt. Alle seine Regierungshandlungen auf außenpolitischem Gebiet sind wie seine Maßnahmen auf innenpolitischem Gebiet eine ununterbrochene Kette von Maßnahmen, die dem Zweck dienen, das westdeutsche Kriegspotential und die Jugend Westdeutschlands für den beabsichtigten Angriff auf die Völker der Sowjetunion und der Volksdemokratien zur Verfügung zu stellen. Die amerikanischen Imperialisten bereiten diesen Krieg vor. Sie brauchen für diesen Krieg Verbündete, die bereit sind, sich bedingungslos in die amerikanischen Pläne einzuordnen, sie zu ihren eigenen Plänen zu machen. Das deutsche Monopolkapital, ({1}) die ehemaligen bankerotten Hitler-Generäle, derer sich Herr Adenauer heute bei der Durchführung seiner Politik bedient, das sind die Bundesgenossen, die Amerika braucht und die es zu seinen Hauptverbündeten erwählt hat. Adenauer ist nicht der Kanzler des westdeutschen Volkes, er ist der Kanzler der westdeutschen Monopolherren, der Großbankiers, der Rüstungskönige, deren Interessen identisch sind mit denen des amerikanischen Kriegsrüstungs- und Monopolkapitals. Adenauers Außenpolitik ist alles in allem eine Politik der Wiederaufrüstung, die zwangsläufig in den Krieg gegen die Sowjetunion, die Volksdemokratien und gegen unsere deutschen Brüder im Osten Deutschlands führen muß. Nun ein Wort an die Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion. ({2}) - Herr Ollenhauer, daß Sie nicht mehr zu bessern sind, daß weiß ich, aber ich spreche zu den Kollegen hinter der Führerbank. ({3}) ({4}) Was soll angesichts der ungeheuren Gefahr, vor der wir stehen, eine Auseinandersetzung um die Begriffe Monarchie und Republik? Das ist doch längst entschieden, Herr Ollenhauer. Was soll eine Diskussion in der Linie, daß irgendeine Abteilung dieses Außenministeriums sich mit dem Studium der Flora und Fauna fremder Länder beschäftigt? Wozu soll das dienen? ({5}) Diese Diskussion könnte höchstens zeigen, daß es hier um unser Geld geht. Adenauers Mißachtung von Stellenplänen ist für einen alten Kenner von Konrad Adenauer gar nichts Neues. Das hat er doch sein Leben lang so gemacht. ({6}) Was soll der Streit um die konfessionelle Zusammensetzung seiner leitenden Beamtenschaft? Herr Konrad Adenauer, ich muß wiederholen, was Sie damals gesagt haben, als Sie im Jahre 1949 als Sieger aus dem Rennen hervorgegangen sind. Selbstverständlich werden wir unsere Leute in die Positionen bringen, haben Sie damals gesagt, nicht wahr? Wer wundert sich darüber? Darüber kann sich nur ein Laie wundern. Was soll die Diskussion, ob genügend Vertreter Ihrer Konzeption, also Mitglieder Ihrer Partei, dieser „Fraktion der Opposition", dieser „Fraktion der alternativen Regierung", wie das heute so schön gesagt worden ist, in genügender Zahl in diesen Positionen sitzen? Entscheidend ist die Politik, die gemacht wird. Entscheidend ist die Frage, wer im Auftrage von Dr. Adenauer diese Politik realisiert. Daß es die alten Nazielemente sind, die unter Hitler die Politik gemacht haben, scheint doch bewiesene Sache zu sein. ({7}) - Kollege Ollenhauer, ({8}) Sie haben - ich zitiere Sie wörtlich - „ganz ernste Bedenken gegen das Washingtoner Abkommen" geäußert. Nun, das Washingtoner Abkommen macht doch unter anderem die Herstellung der Einheit Deutschlands, die Lösung der Berlinfrage und den Abschluß eines Friedensvertrags zur Sache der Besatzungsmächte. Das kritisieren Sie heute. Wie können Sie angesichts dieser Kritik aber Ihre Haltung in der vorigen und in der vorvorigen Woche entschuldigen, als Sie doch zusammen mit Dr. Adenauer das Problem der Schaffung der „Einheit Deutschlands in Freiheit" - wie es Dr. Adenauer und Sie immer so schön hinstellen -, wobei er an seine „Freiheit" denkt, ({9}) unter den Willen der Besatzungsmächte stellten, wie Sie das mit Ihrem Antrag selber getan haben? So liegen doch die Dinge. Sie beklagen sich aber auch heute darüber, daß Adenauer eine Geheimpolitik macht. Das macht er doch sein Leben lang, einmal 'mit Rechts, einmal mit Links, - diesmal mit Herrn McCloy. ({10}) Ist das etwas Neues? Das hat er doch gelernt! Das ist nicht wegzuleugnen, das ist seine Herrschaftsmethode. Wie stimmt aber Ihre Kritik überein mit der Ohrfeige, die Sie mit der Feststellung bekommen haben, daß Sie, Herr Ollenhauer, Herr Kollege Schumacher und auch Herr Professor Carlo Schmid in der vergangenen Woche, wie Herr Adenauer sagte, durch Herrn McCloy persönlich über alles informiert worden sind? ({11}) - Mir ist es aber lieber, daß es Ihnen der Herr Bundeskanzler noch einmal unter die Nase reibt. In der Zeitung steht sehr viel, z. B. auch Ihr Dementi bezüglich der Besprechungen Ihrer Landesleitung Bayern mit diesem Stabsoffizier, das Dementi, das so ulkig abgefaßt ist, daß es gar kein Dementi ist. ({12}) Entscheidend ist, daß Dr. Schumachers Politik in den entscheidenden Punkten mit der Politik Dr. Adenauers übereinstimmt. ({13}) - Richtig, in den Armen liegen sich beide, wenn es darauf ankommt, unser Volk in den Krieg und ins Elend zu führen. Daß Dr. Adenauer von Anfang an gewillt war, seine Außenpolitik den Plänen amerikanischer Imperialisten unterzuordnen, sie unter den Befehl der Hohen Kommissare zu stellen, das hat er doch in seiner Regierungserklärung am 20. September 1949 bereits eindeutig hervorgehoben. Damals wurde er gefragt, warum er kein Außenministerium gebildet habe. Er gab darauf zur Antwort: Ich habe das deshalb nicht getan, weil nach dem Besatzungsstatut die auswärtigen Angelegenheiten unter Einschluß internationaler Abkommen, die von Deutschland oder im Namen Deutschlands abgeschlossen werden, Sache der Alliierten Hohen Kommission für die drei Zonen sind. Dann haben Sie, Herr Dr. Adenauer, weiter gesagt: Deutschland ist infolge Besatzung, Ruhrstatut, Marshall-Plan usw. enger mit dem Ausland verflochten als jemals zuvor. Zu diesen Verflechtungen kommt dann jetzt noch das von Ihnen unterschriebene Montanabkommen. Aber wie kann man, wenn man zu Anfang seiner Regierungstätigkeit seine Rechte und seine Aufgaben unter diesen Aspekt gestellt hat, sich heute hinstellen und sagen: ich habe nichts anderes getan in meiner Regierungstätigkeit, als für die Herstellung der Souveränität Westdeutschlands zu kämpfen! Das ist doch ein Widerspruch in sich selbst. Das glaubt Ihnen doch niemand, am allerwenigsten aber glaube ich es Ihnen. ({14}) Besatzungs- und Ruhrstatut sind doch von den Koalitionsparteien, von Herrn Dr. Adenauer und auch von Ihnen, Herr Dr. Schumacher, gebilligt worden. Die Aufrechterhaltung der Besatzung Deutschlands und die Verewigung der Besatzungsdauer hat Dr. Adenauer gefordert. Sie von der SPD haben die planmäßige Verstärkung der Besatzungstruppen mit ihm zusammen gefordert. Nicht er allein war der Befürworter des Marshall-plans, Sie haben ihn auch befürwortet. Er hat die Verwirklichung des Marshallplans als eine ungeheure Errungenschaft für unser Volk herausgestellt, Sie haben dasselbe getan. ({15}) Wo ist die Differenz? Für die Unterordnung der nationalen und wirtschaftlichen Interessen der Be({16}) völkerung Westdeutschlands unter die Interessen amerikanischer Imperialisten ist Dr. Konrad Adenauer der Hauptverantwortliche. 'Abg. Dr. Schumacher: Herr Renner, ich habe es sogar vor Herrn Dr. Adenauer getan!) - Ja, ja, Sie sind auch in vielem der Vorläufer. ({17}) Sie sind auch in mancher Beziehung der Mann, der mehr zu leisten bereit ist als sogar Dr. Adenauer. McCloy weiß schon, was er an Ihnen hat, Herr Dr. Schumacher. ({18}) Ich habe leider nicht die Zeit, darauf einzugehen, wie der Kriegskurs der amerikanischen Imperialisten hier durch unsere Regierung mit inner- politischen Maßnahmen untermauert ist. Aber auf eines muß ich zu sprechen kommen. Zur Nutzbarmachung der Wirtschaftskapazität Westdeutschlands für den Krieg kommt etwas hinzu, was erwähnt werden muß. Das ist die Ausrichtung der Außenhandelspolitik, die Ausrichtung der Handelsverträge nach den Bedürfnissen des Krieges, der vorbereitet wird. In der Linie dieser Politik ist die einheitliche Auffassung von Adenauer, Herrn Dr. Schumacher und ganz selbstverständlich auch Herrn McCloy herauszustellen, die sich darin äußert, daß der Import einmal von Lebensmitteln abgedrosselt und in der Hauptsache auf solche Produkte beschränkt wird, die als Rohmaterial zur Herstellung von Kriegsmaterial benötigt werden. Sie äußert sich zum andern darin, daß der Export in der Hauptsache im Export von solchen Dingen besteht, die für die Kriegsbedürfnisse des Auslandes von Bedeutung und entscheidend sind. Das ist das Wesentliche, und im Sinne dieser Handelspolitik liegt auch die genaue und gewissenhafte Ausführung des McCloyschen Befehls an Herrn Adenauer, den Außenhandel mit dem deutschen Osten, mit den Völkern der Sowjetunion, mit den Völkern der Volksdemokratien, mit den Völkern Asiens, mit China usw. usw. abzudrosseln. ({19}) - Nein, die wollen keine Kanonen! Die deutschen Arbeiter wollen auch nicht, daß bei uns Kanonen gebaut werden. Die deutschen Arbeiter wollen, daß hier für den Friedensbedarf unseres Volkes gearbeitet wird. Die deutschen Arbeiter hätten bei einer anderen, bei einer auf den Frieden ausgerichteten Export- und Produktionspolitik unserer Regierung herrlichste Bundesgenossen in den Völkern der Sowjetunion, in den Völkern der Volksdemokratien, die alles brauchen, was wir an Friedensproduktion herzustellen in der Lage sind. Sie nähmen es uns ab, es käme zu einem gemeinschaftlichen friedlichen Aufbau der Wirtschaft. ({20}) - Aber Sie sind ja gar nicht so dumm, wie Sie sich im Augenblick stellen! So dumm sind Sie wirklich nicht! Ich gehe einen Schritt weiter. Ich möchte liebend gern auf die strunzende Anerkennung eingehen, die hier von einem Herrn der CDU an die Adresse des Herrn Adenauer bezüglich seiner Sozialpolitik gegeben worden ist. Aber ich möchte nur an den Beschluß erinnern, der in der vorigen Woche im Kabinett gefaßt worden ist und mit dem den Fraktionen der Koalition eine Stillhalteaktion im Punkte der Stellung von Anträgen für die Gesamtheit der Sozialberechtigten empfohlen wird! Eines muß ich allerdings noch herausstellen. Es ist j a nicht nur zu reden von der Beschlagnahme des Auslandsbesitzes durch die Besatzungsmächte, es ist ja nicht nur davon zu reden, daß wir die Auslandsschulden des alten Reiches übernehmen müssen, sondern es ist festzustellen, daß beides mit voller Zustimmung Adenauers geschieht. Er hat es ja angeboten. Das ist die Politik, die er betreibt, Der heutige Zustand in Westdeutschland ist so; In Westdeutschland ist aus der niemals vollständig durchgeführten Entmilitarisierung inzwischen die offene Remilitarisierung, aus der niemals ernsthaften Abrüstung und Entwaffnung des deutschen Imperialismus die offene Aufrüstung und Wiederbewaffnung des deutschen Imperialismus gemacht worden. Aus der Besatzung machen Sie eine „Sicherheitsarmee", die Besatzungskosten fälschen Sie in den Begriff „Sicherheitsbeitrag" um, All diese Politik der Wiederaufrüstung, die zwangsläufig im Kriege und mit der Vernichtung unseres Volkes enden muß, wenn das deutsche Volk nicht in letzter Minute Herrn Adenauer in die Arme fällt, wurde hinter dem Rücken des Volkes, ja, hinter dem Rücken des Bundestages betrieben mit Ausnahme einiger weniger Eingeweihter, zu denen auch der Herr Dr. Schumacher zu rechnen ist. ({21}) Wo nimmt man angesichts dieser Tatsache denn den Mut her, sich heute hinzustellen und sich darüber zu beschweren, daß Adenauer Geheimpolitik betrieben hat? - Wie oft haben wir Adenauer zwingen wollen, seine Karten hier auf den Tisch zu legen! Was geschah mit einem jeden dieser Anträge? Herr Strauß, der junge Mann von der CSU, stand auf und beantragte Übergang zur Tagesordnung, und die Führerbank der SPD hat dafür gesorgt, daß der Übergang zur Tagesordnung beschlossen wurde. So liegen doch die Dinge. Sie wollten doch verhindern, daß die Adenauerschen Pläne unserem Volke bekannt werden. Das ist die Gemeinsamkeit Ihres Handelns gegen unser Volk. Und nun ein Wort zu den letzten Ereignissen: Washingtoner Abkommen, Verhandlungen. - Schön, die SPD kritisiert, daß das auch von Herrn Dr. Adenauer unter Ausschaltung der SPD gemacht wird. Aber was habe ich denn da in der Zeitung gelesen; war das eine Falschmeldung, daß in dieser Koalitions-Kommission auch ein Sozialdemokrat sitzt? Herr Dr. Schumacher, ich wäre Ihnen für Information und Aufklärung dankbar. Mir genügt es aber, noch einmal daran zu erinnern, daß Sie persönlich von Herrn McCloy bis ins Intimste orientiert worden sind. ({22}) Wir stehen hier vor einer entscheidenden Frage für die Existenz unseres Volkes. Wir stehen vor der Frage, zu der Rüstungspolitik Adenauers Stellung zu nehmen, die unser Volk in den Krieg hineinführen wird, wenn ihm nämlich nicht Paroli geboten wird. ({23}) Es ist doch so, daß Herr Staatssekretär Hallstein gestern erklärt hat„ daß die Besatzungsmächte mit der Adenauer-Regierung einig geworden sind, daß ({24}) die Verhandlungen um die Durchführung des Washingtoner Abkommens durch die Bundesregierung zum Abschluß gekommen sind. Was kann und muß man dazu sagen? Die Besatzungsmächte haben also recht bekommen Ihr ganzes Getue, Ihr ganzes scheinbares Kämpfen um die Rückgabe der vollen staatlichen Autorität, der vollen staatlichen Autonomie, wovon doch Ihre Zeitungen in den letzten Tagen so voll waren, war ein Kampf, der in der Zeitung gemacht worden ist. In Wirklichkeit haben Sie, Herr Dr. Adenauer, geschluckt, was Ihnen Herr McCloy zu schlucken vorgesetzt hat. Aber zu diesen Dingen ist doch eine Feststellung zu treffen: unser Volk macht diese Politik der Wiederaufrüstung und des Krieges nicht mit. ({25}) Wo liegt der Ausweg? Herr Konrad Adenauer redet von der Integration Europas. Europa, wie er es sieht, endet an der Elbe. ({26}) Es endet an der Elbe. ({27}) Das Europa, um das es denen gehen müßte, die die Integration Europas wirklich anstreben - dies Europa endet am Ural! ({28}) Dies Europa kann nur ein Europa sein, das sich zusammensetzt aus freien, demokratischen ({29}) und friedliebenden Ländern, nicht aus Ländern, deren Regierungschefs und deren im Augenblick regierende Parteien ({30}) Politik machen im Auftrag, auf Befehl und nach den Wünschen ({31}) der USA-Kriegstreiber. - Also haben Sie von der Koalition zu früh geklatscht. Was haben wir heute einmal mehr erlebt? Adenauer spricht von der Herstellung der Einheit Deutschlands. Er wendet heute dieselben Methoden der Beleidigung der im deutschen Osten regierenden, die Politik in vollkommener Übereinstimmung mit dem Volke führenden deutschen Parteien an. ({32}) Er wiederholt die Behauptung, daß der Friede Europas durch die Sowjetunion bedroht wird. Ich wiederhole, was ich vor Monaten einmal an dieser Stelle gesagt habe: Wer unserem Volke einredet, daß der Frieden Deutschlands, der Frieden der Welt durch die Völker der Sowjetunion bedroht sei, begeht das denkbar größte Verbrechen an unserem Volk. ({33}) Hinter dieser Lüge, hinter dieser Hetze steckt nichts anderes als die Absicht, das deutsche Volk bereit zu machen, einmal mehr für die Interessen der deutschen und der internationalen Imperialisten zu marschieren. ({34}) Der Ausweg, den unser Volk gehen müßte, wenn es zum Glück, zum Frieden und zum Wohlstand gelangen will, kann nur der ({35}) der Freundschaft mit allen friedliebenden Völkern, der Freundschaft insbesondere mit den Völkern der Sowjetunion sein. ({36}) Die Sowjetvölker ({37}) sind die Garanten des Friedens. Adenauer ist der Mann, der unser Volk in unsagbares Elend, in den Krieg hineinführen wird, wenn seine Politik zum Tragen kommt. Die Völker wollen den Frieden, sie wollen den Aufbau. Die Völker wollen auch den Aufbau zusammen mit allen übrigen friedliebenden Völkern der Welt. Die Antisowjethetze ist nichts anderes als eine Hetze zum Krieg. ({38}) Wer gegen die Sowjetunion hetzt, tut das, weil er unser Volk in den Krieg hineinhetzen will. Die Friedensliebe der Völker der Sowjetunion, ({39}) die Friedensliebe der Regierung der Sowjetunion hat Stalin auf dem 18. Parteitag der KPdSU in seinem Referat über die Außenpolitik der Regierung der UdSSR in folgender Weise herausgestellt: Die Außenpolitik der Sowjetunion ist klar und verständlich. Wir sind für den Frieden und für die Festigung sachlicher Beziehungen mit allen Ländern. Auf diesem Standpunkt stehen wir und werden wir stehen, soweit diese Länder ebensolche Beziehungen zur Sowjetunion unterhalten werden, soweit sie nicht versuchen, die Interessen unseres Landes zu verletzen. Wir sind für friedliche, freundschaftliche und gut nachbarliche Beziehungen mit allen Nachbarländern, die mit der Sowjetunion eine gemeinsame Grenze haben. Auf diesem Standpunkt stehen wir und werden wir stehen, soweit diese Länder ebensolche Beziehungen zur Sowjetunion unterhalten werden, soweit sie nicht versuchen, sei es direkt oder indirekt, die Interessen der Unversehrtheit und Unantastbarkeit der Grenzen des Sowjetstaates zu verletzen. Wir sind für die Unterstützung der Völker, die Opfer der Aggression geworden sind, und für die Unabhängigkeit ihrer Heimat. Wir fürchten keine Drohungen der Aggressoren und sind bereit, auf einen Schlag der Kriegsbrandstifter, die versuchen sollten, die Unantastbarkeit der Sowjetgrenzen zu verletzen, mit einem doppelten Schlag zu antworten. Das ist eindeutig klar die Konzeption der Völker der Sowjetunion und ihrer Regierung. Adenauers Allheilmittel, das Allheilmittel, das Sie von der Regierungskoalition unserem Volke predigen, das Allheilmittel, das uns Herr Dr. Schumacher predigt, ist das Bekenntnis zum Westen und mit dem Bekenntnis zum Westen auch das Bekenntnis zu dem von den im Westen herr-sehenden Imperialisten vorbereiteten und geplanten Krieg. Hinter dem Bekenntnis zum Westen steht also nicht etwa das Bekenntnis zur abend({40}) ländischen Kultur, zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands; hinter diesem Bekenntnis steht nichts anderes als die Absicht, unsere deutsche Jugend und die wirtschaftliche Kapazität unseres Landes den amerikanischen und den deutschen Imperialisten zur Führung ihres neuen Krieges zur Verfügung zu stellen, der nicht, wie Sie glauben, mit der Vernichtung der Sowjetunion, der aber, wie wir mahnend herausstellen müssen, mit der völligen Vernichtung unseres deutschen Volkes und unseres Vaterlandes enden wird. ({41})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden. von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ({1}) - Zehn Minuten hat er! Es langt für ein Bier! - Meine Damen und Herren, der Herr Kollege Renner schloß mit einem Zitat von Stalin. Ich darf ein Zitat von Stalin anknüpfen, nämlich folgendes: Wir ändern unsere Taktik Dutzende von Malen, aber unsere strategischen Pläne sind unverändert dieselben geblieben. Wenn ein Gegner stark ist, dann muß man manövrieren können. Das Ziel einer solchen Strategie ist, Zeit zu gewinnen, den Gegner zu zersetzen und Kräfte für den Übergang zum Angriff zu sammeln. ({2}) Das ist gesprochen auf dem 14. Parteitag der KPdSU 1925, nachzulesen im SED-amtlichen Schrifttum. ({3}) Das ist die andere Seite von Herrn Stalin, Herr Renner. Dieses vorweg. ({4}) Die Sozialdemokratie hat vorhin gegen die Personalpolitik des Auswärtigen Amts einige Angriffe vorgebracht. Wir haben bedauert, ({5}) daß der Herr Bundeskanzler sich in seiner Eigenschaft als Außenminister, ({6}) nachdem dieser unqualifizierte Angriff der „Frankfurter Rundschau" erfolgt war, nicht gleich so eindeutig vor die Beamten seines Amtes gestellt hat, wie er es heute abend getan hat. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist gerechtfertigt, wenn in einer Zeitung der Vorwurf erhoben wird, jemand habe silberne Löffel geklaut oder seine Schwiegermutter bestohlen oder sonst etwas Ähnliches getan. ({7}) Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist aber nicht gerechtfertigt, wenn nichts anderes geschieht, als daß alte Kamellen der Vergangenheit in einer journalistisch freundlichen Weise aufgewärmt werden. ({8}) Herr Bundeskanzler, es ist bedauerlich, daß Sie Ihre Ausführungen hinsichtlich des „Schlußstriches" unter die Vergangenheit, die von mir voll unterstützt werden, nicht vor einem Jahr gemacht haben, als es an Ihrer CDU hier lag, einen Abschluß der Entnazifizierung durchzubringen, der von der rechten Linie der CDU bis ganz nach drüben verlangt wurde und der bei Eingliederung der CDU gegenüber der Sozialdemokratie erreicht worden wäre. Daß die Sozialdemokratie solche Dinge noch aufwärmt, ist nach den letzten Stellungnahmen der sozialdemokratischen Führung merkwürdig. Erfreulich ist, daß man feststellen kann: tempora mutantur, und daß hier gefragt wird, wer mehr Pgs hat, die Linke oder die Rechte. ({9}) Wer steht aber hinter den Angriffen, die in der „Frankfurter Rundschau" gebracht wurden? ({10}) Dahinter steht zweifelsfrei der Nürnberger Großkopfjäger Kempner. Ich habe durch einen Zufall hier vor mir Originalprotokolle der Nürnberger Vernehmungen, und zwar in diesem Fall die Vernehmung des Herrn Staatssekretärs Gaus im Militärprozeß 11, Weizsäcker und andere. Dort fragt der Herr Kempner z. B. den Herrn Gaus: Wollen Sie lieber vor einem hiesigen Gericht oder vor einem russischen Gericht stehen? Sie wissen doch hoffentlich, daß sich die Russen für Sie als gewerbsmäßigen Verletzer internationaler Verträge interessieren. Und denken Sie nach: das einzige, wie Sie Ihren Kopf retten, ist, daß Sie hier die Wahrheit sagen. Oder wollen Sie als rechte Hand zum Galgen gehen? Sie kennen das alte deutsche Recht doch wohl: „Mitgefangen, mitgefangen!" Das ist so eine kleine Blütenlese. Aus den Protokolllen, deren Originale hier vor mir liegen, ist viel in derselben Richtung herauszuziehen, in der Richtung der - ja, vielleicht: Wildwest-Methoden der Vernehmung, die Herr Kempner hier angewendet hat. Dieser Mann praktiziert heute in Frankfurt am Main als Anwalt. Ich glaube, der Justizminister sollte sich einmal die Frage vorlegen, ob und wie lange es den deutschen Rechtsanwälten zumutbar ist, diesen Mann als Kollegen unter sich zu haben. Der Herr Bundeskanzler sollte vielleicht einmal dem Herrn amerikanischen Hochkommissar sagen, daß die Anwesenheit solcher Leute in der Bundesrepublik für die deutsch-alliierten Beziehungen zweifellos nicht förderlich ist. Etwas anderes, das in derselben Richtung liegt, ist in zwei Sätzen zu erledigen. Ich sah neulich einen deutschen Reisepaß. Ich traute meinen Augen nicht, als ich sah, daß auf der Seite 1 die Unterschrift „Mr. Thon" stand. Mr. Thon ist ein Mann, der zu der Vernehmungs-Equipe der Dachauer Prozesse gehörte. Das ist die Equipe, die damals 17jährigen deutschen Soldaten brennende Streichhölzer unter die Fingernägel schob, Scheinhinrichtungen unter Harmoniummusik machte und die Leute in einem schwarz verhangenen Zimmer hochhängte und dann wieder herunterließ. Dabei wurde gesagt: „Wollen Sie jetzt die Wahrheit aussagen, oder wollen Sie noch einmal hochgezogen werden?" Zu dieser Equipe gehörte der Mr. Thon. Auch er sollte zwecks Verbesserung der deutschalliierten Beziehungen beschleunigt aus Deutschland entfernt werden und nicht deutsche Pässe und Visa unterschreiben. Ich komme zu etwas anderem, was Herr Dr. Pfleiderer vorhin schon anzog. Es fiel ihm auf, daß im Auswärtigen Amt zuwenig hinsichtlich des Aufbaus einer Ost-Abteilung geschieht. Meine Damen ({11}) und Herren, die Protokolle der Kabinettssitzungen sind ja demnächst im Buchhandel erhältlich. ({12}) Ich weiß, daß in einer der Kabinettssitzungen einmal darüber gesprochen worden ist, ob es nicht zweckmäßig sei, für die Länder des Ostens hier Botschafter zu ernennen. Diese Botschafter könnten nicht dort hingehen. Zweifelsfrei wäre dies aber ein Weg, um hier eine Gruppe von Leuten zu schaffen, die nichts anderes zu tun hätten, als sich von morgens bis abends ausschließlich - es sind dafür nur wenige Hilfskräfte erforderlich - mit Ostfragen zu befassen. Denn es ist klar, daß ein Auswärtiges Amt Ihnen, Herr Bundeskanzler, in Ihrer Eigenschaft als Außenminister über diese Ostfragen nur dann kompetente und sachkundige Unterlagen liefern kann, wenn eine entsprechende Gruppe von Sachbearbeitern dafür vorhanden ist. Meine Damen und Herren, als nächstes folgendes: Alles kreist laut Presseberichten um die Wiederherstellung der deutschen Souveränität, und als Kernstück wird ein Truppenvertrag bezeichnet. Herr Bundeskanzler, in der „Frankfurter Allgemeinen" lese ich heute folgende Sätze: Vielmehr hat die deutsche Seite von Anfang an anerkannt, daß die Gleichberechtigung Deutschlands mit gewissen aus der internationalen Lage Deutschlands sich ergebenden Vorbehalten verbunden sein werde, die sich auf die Lage und Sicherheit der im Bundesgebiet stationierten alliierten Streitkräfte, auf Berlin und die gesamtdeutsche Frage beziehen. Ich bin völlig Ihrer Auffassung, daß es sehr dringlich ist, die Alliierten in der Verantwortung für Gesamtdeutschland zu belassen. Ohne jeden Zweifel! Aber Einschränkungen in einer deutschen Souveränität, die sich durch die Anwesenheit alliierter Truppen ergeben sollten, leuchten mir nicht ein. Denn z. B. in England sind amerikanische Truppen stationiert, seit langer Zeit, ohne daß da irgendwelche Einschränkungen der englischen Souveränität erfolgt sind. Dasselbe ist in Frankreich der Fall. Dasselbe ist in anderen Ländern der Fall. Frage: Warum sollte das nicht hier auch bei uns möglich sein? ({13}) Meine Damen und Herren, zum Schluß folgendes: Die Sozialdemokratie hat vorhin Herrn Luetkens hier sprechen lassen. Ich muß sagen, man hatte zunächst den Eindruck, daß Herr Luetkens das fortsetzte, was ich vorhin, als wir vom Bundeskanzleretat sprachen, angefangen hatte. Er hatte mehr Redezeit als ich. Wegen eines Nebensatzes wurde er von seiner Fraktion desavouiert. ({14}) Meine Damen und Herren, ich bin der Überzeugung, daß manches hier von uns aus in gesamtdeutscher Richtung bisher nicht geschehen ist. Und zum Schluß jetzt einen massiven Angriff. Ich habe neulich schon gesagt, - -

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ihre Redezeit ist abgelaufen. von Thadden ({0}): Eine halbe Minute! Einen kurzen, aber massiven Angriff. Ich sagte vor kurzer Zeit hier von dieser Stelle, es dränge sich der fatale Eindruck auf, daß man es mit der deutschen Einheit gar nicht so eilig habe aus der Angst, daß die Mehrheitsverhältnisse hier ins Rutschen kommen könnten, bei gesamtdeutschen Wahlen nämlich. Meine Damen und Herren, vor einem Jahre war in Schleswig-Holstein Wahlkampf. Ein prominentes Mitglied der CDU-Fraktion - er wird in einer Fraktionssitzung Ihnen wahrscheinlich sagen, was er genau gesagt hat, er wird sich Ihnen gegenüber auch zeigen, ich will seinen Namen nicht nennen - antwortete damals auf eine sehr präzise Frage eines Redners meiner Partei, der folgendes ausführte. ({1}) - Einen Augenblick! Warum gliedern Sie denn nicht in Bonn durch einen einfachen Beschluß zunächst einmal Berlin einfach in die Bundesrepublik ein, gleichgültig, was die Alliierten dazu sagen? - Die Antwort kam prompt, wie aus der Pistole geschossen: Denken Sie bitte daran, daß in Berlin eine sozialdemokratische Mehrheit ist, und denken Sie ebenfalls bitte daran - ich habe mir das in meinem Notizbuch fein säuberlich mitgeschrieben -, daß Sachsen auch seit eh und je rot gewesen ist. Meine Damen und Herren, ich habe mit meiner Äußerung vor einigen Tagen so unrecht nicht gehabt, und ich bin heute mehr denn je hinsichtlich des Willens nach der deutschen Einheit soupçonös; mit gutem Grund! ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Kohl ({0}). - Herr Abgeordneter Kohl, Ihre Fraktion hat noch eine Minute Redezeit. Wollen Sie in Anbetracht dieses Umstandes noch das Wort ergreifen? ({1}) - Ich verdopple die Ihnen zur Verfügung stehende Zeit und gebe Ihnen zwei Minuten! ({2})

Rudolf Kohl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001166, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Ich wollte eigentlich zu dem Antrag Nr. 2597 der Drucksachen und zu den fulminanten Ausführungen des Herrn Kollegen Kahn Stellung nehmen, aber in den zwei Minuten möchte ich mir nur gestatten, einen Antrag einzubringen, der lautet: Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird verpflichtet, die von der amerikanischen Besatzungsmacht geforderte Räumung des Raumes Hohenfels und Umgebung zur Errichtung eines Truppenübungsplatzes abzulehnen. Der Bundestag untersagt darüber hinaus der Bundesregierung, der amerikanischen Besatzungsmacht anderweitiges Ersatzgelände zur Anlage eines Truppenübungsplatzes zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie diesem Antrag zustimmen, ({0}) dann haben Sie Ihre Friedensliebe unter Beweis gestellt. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz. ({0}) - Sie verzichten auch. Dann hat das Wort der Abgeordnete Ollenhauer.

Erich Ollenhauer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001646, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich nicht in der Lage bin, zu verzichten, weil der Herr Bundeskanzler es für richtig gehalten hat, einige Bernerkungen zu unserer Erklärung zu machen, die ich nicht unwidersprochen durchgehen lassen kann. Ich glaube, es ist nicht die Aufgabe des Herrn Bundeskanzlers, hier im Anschluß an eine solche Erklärung der Fraktion als eine Art von Zensurbeamter zu wirken und Zensuren auszuteilen. ({0}) Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, daß außerdem seine Argumentation, durch unsere Erklärung werde ein Teil des Schadens im Ausland behoben, von uns mit aller Eindeutigkeit zurückgewiesen wird. ({1}) Ich möchte hier ganz klar sagen, Herr Kollege von Brentano: ({2}) Wir haben diese Erklärung hier vorgetragen, um die Haltung unserer Fraktion über jedes Mißverständnis hinaus für jedermann, aber in erster Linie vor der innerpolitischen Öffentlichkeit klarzumachen, um eine parteipolitische Ausnützung etwaiger Mißverständnisse von vornherein zu vermeiden. Ich möchte in diesem Zusammenhang, wenn der Bundeskanzler es schon für richtig hält, hier von Schaden im Ausland zu sprechen, ihn bitten, mit einer solchen Erklärung gerade in seiner Position sehr vorsichtig zu sein. ({3}) Denn wenn deutsche Erklärungen die außenpolitische Situation der Bundesrepublik erschweren können, wie er unterstellt, dann hätten wir Sozialdemokraten gewünscht, daß der Herr Bundeskanzler mit dieser Eindeutigkeit und Klarheit auch nur ein einziges Mal von den Reden seiner wilden Männer im Kabinett abgerückt wäre. ({4}) Und eine weitere Bemerkung möchte ich hier noch hinzufügen: Selbst wenn man in einer parlamentarischen Debatte über den Etat des Bundeskanzlers konkrete Fragen an den Herrn Bundeskanzler richtet, bleibt man ohne Antwort. ({5}) Wenn die These des Herrn Bundeskanzlers in bezug auf das Ausland richtig ist, dann frage ich ihn, wie sein Schweigen gegenüber unseren Bemerkungen zu den Ausführungen des Herrn Ministers Seebohm im Ausland wirken muß? ({6}) Und nun eine zweite Bemerkung: Der Herr Bundeskanzler hat sich darüber beschwert, daß wir seinen Willen zur Einheit Deutschlands in Freiheit in Zweifel gezogen haben. Ich will in dieser späten Stunde mit dem Herrn Bundeskanzler über diese Frage nicht mehr diskutieren. Ich will ihm nur eines sagen: wir werden ja in den nächsten Wochen genügend Gelegenheit haben, die Durchführung der Beschlüsse des Bundestages hier in der Praxis zu beobachten. ({7}) Der Beweis für die Ernsthaftigkeit des Willens des Herrn Bundeskanzlers wird dann erbracht werden durch sein Verhalten hinsichtlich der praktischen Durchführung der Beschlüsse der Bundesregierung und des Bundestages. ({8}) Wir werden ja morgen nachmittag über diesen Punkt noch einige Bemerkungen, vor allen Dingen im Zusammenhang mit der heutigen Erklärung des Herrn. Bundeskanzlers, zu machen haben. Und nun noch eine dritte und letzte Bemerkung. ({9}) - Ich diskutiere jetzt nicht mit dem Kreml, ich diskutiere mit dem Bundeskanzler der deutschen Bundesrepublik, und ich möchte jetzt auch keine Zwiegespräche mit Herrn Euler führen. Ich möchte nur eine dritte Frage hier zum Schluß aufwerfen: Ich finde es außerordentlich bedauerlich, aber nicht neu, daß in solchen Auseinandersetzungen wie heute der Herr Bundeskanzler, wenn er glaubt, er habe das letzte Wort, es immer wieder für richtig hält, der oppositionellen Partei durch irgendeine neue Erklärung in irgendeiner Weise noch eine neue Verdächtigung anzuhängen. Ich will ganz offen sagen, was ich meine. Der Herr Bundeskanzler hat sich beschwert über den sozialdemokratischen Pressedienst und dessen Stellungnahme zu den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers in Berlin in bezug auf die Oder-Neiße-Linie. Meine Damen und Herren, ich hätte gewünscht, daß, wenn schon der Herr Bundeskanzler darüber hier vor diesem Forum eine Diskussion haben will, er zur Sache gesprochen hätte; ({10}) denn das, was er hier vorgebracht hat, war doch nichts anderes als ein Versuch, der Sozialdemokratie zu unterstellen, sie sehe nicht ebenso wie jede andere Partei die Rückgewinnung der Gebiete östlich der Ooder und Neiße als entscheidende nationale Aufgabe an. Um was geht es denn hier wirklich? Es geht doch darum, daß der Herr Bundeskanzler in Berlin gesprochen hat im Zusammenhang mit den Beschlüssen der Bundesregierung und des Bundestages in bezug auf die Vorschläge der sogenannten Grotewohl-Regierung und ihrer Volkskammer. In diesen Beschlüssen der Bundesregierung und des Bundestages ist in diesem Zusammenhang eine konkrete und aktuelle Aufgabe gestellt worden, nämlich die Aufgabe der Durchführung von freien Wahlen in den vier Zonen und in Berlin. Darauf bezieht sich die Regierungserklärung, und darauf beziehen sich die einmütigen Beschlüsse des Bundestages. Das politische Problem, vor dem wir jetzt in diesen Wochen stehen, ist, zu erkennen, daß sich auf die Lösung dieser konkreten Aufgabe dies neuen Hoffnungen der deutschen Menschen, insbesondere in der sowjetischen Besatzungszone, konzentrieren. Erst wenn wir diese Aufgabe erfüllt haben, erst von diesem Ausgangspunkt her kann die Rückgewinnung der Gebiete östlich der Oder und Neiße erfolgreich betrieben werden. ({11}) Der Herr Bundeskanzler hat nun im Laufe einer solchen von allen Parteien im Bundestag genaul ({12}) abgegrenzten Aktion in Berlin als ein Ziel der deutschen Einheit die Einbeziehung der Gebiete östlich der Oder und Neiße genannt. ({13}) In diesem Zusammenhang darf ich hier wohl, ohne Widerspruch zu finden, feststellen, daß die Sozialdemokratie diese Zielsetzung seit 1945 als erste deutsche Partei in die Öffentlichkeit getragen hat. ({14}) Und ich füge hinzu, meine Damen und Herren: Wenn der Bundeskanzler dieses Ziel deklariert, begrüßen wir Sozialdemokraten das. Aber wir haben es bedauert, daß aus seiner Rede in Berlin durch die Ausweitung des Themas Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Willens des Bundestages von der anderen Seite hätten auftauchen können. Und ich füge weiter hinzu: Wenn schon der Bundeskanzler es für richtig hielt, in Berlin das Ziel der Außenpolitik über diese Aktion hinaus so zu formulieren, dann bedauern wir es, daß er bei dieser Feststellung deutscher Einheitsziele ein anderes rein deutsches Gebiet, das widerrechtlich aus unserem Staatsverband herausgelöst wurde, das deutsche Saargebiet, nicht genannt hat. ({15}) Meine Damen und Herren! Ich will diese Frage nicht vertreten; sie taucht in der Diskussion über die weiteren konkreten Schritte des Deutschen Bundestages in dieser Aktion wieder auf. Ich will nur eines abschließend sagen. Ich überlasse es Ihnen und überlasse es der Beurteilung der Öffentlichkeit, ob es einer Position, wie der Herr Bundeskanzler sie innehat, angemessen ist, daß er in einer so ernsten Diskussion eine so wichtige Frage zum Anlaß nimmt, um daraus nicht eine staatspolitische, sondern, wie ich meine, eine sehr egoistische, parteipolitische Chance zu gewinnen. ({16})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete von Brentano.

Dr. Heinrich Brentano (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000263, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Die letzte Stellungnahme des Herrn Kollegen Ollenhauer zwingt mich zu einer Erwiderung. Zunächst einmal: In dem ersten Teil der Erklärung, die Herr Kollege Ollenhauer hier abgegeben hat, hat er sich - und ich glaube, daß das für uns alle etwas erstaunlich war - dagegen verwahrt, daß der Herr Bundeskanzler und wir die Äußerungen des Herrn Luetkens falsch verstanden haben könnten, und er hat uns unterstellt, daß das nur böser Wille sei. Nun, meine Damen und Herren, die Tatsache, daß er anschließend für seine Partei und Fraktion Herrn Luetkens eine Mißbilligung ausgesprochen hat, scheint mir doch dafür zu sprechen, daß auch bei Ihnen diese Erklärung nicht richtig verstanden worden ist. ({0}) Und die zweite Stellungnahme: Ich habe kein Verständnis dafür, wenn Herr Ollenhauer dem Herrn Bundeskanzler und uns das Recht abspricht, die Politik der SPD zu kritisieren, ({1}) wobei ich doch nicht den Eindruck habe, daß etwa die sozialdemokratische Fraktion in der Kritik so zurückhaltend ist, wie sie das von uns erwartet. ({2}) Das dritte aber, meine Damen und Herren, hätte vielleicht der Kollege Ollenhauer besser nicht gesagt. ({3}) Er hat uns jetzt gesagt, Herr Bundeskanzler Adenauer habe bei seiner Rede in Berlin auch die Frage der Oder-Neiße-Linie angesprochen, und das sei in dem Zusammenhang nicht gut gewesen. Meine Damen und Herren, ich finde, es wäre vielleicht gut, wenn Herr Ollenhauer die Reden des Herrn Dr. Schumacher läse. ({4}) Am 8. Oktober hat der Bundeskanzler in Berlin das wiederholt, was in zwei Diskussionen hier im Bundestag Herr Dr. Schumacher gesagt hat, nämlich daß es keine deutsche Regierung geben dürfe, die eine deutsche Einheit anstrebe, ohne die Beseitigung der Oder-Neiße-Linie zu verlangen. Am 9. Oktober hat der SPD-Pressedienst geschrieben - und diesen Artikel können Sie auch mit der Überschrift „Es bleibt ein böser Zweifel" in der Presse finden -, Herr Dr. Adenauer habe in Berlin die Frage der Oder-Neiße-Linie angeschnitten, und man habe den peinlichen Eindruck, daß er das getan habe, um damit die Wiederherstellung der deutschen Einheit als solche zu verhindern. Am gleichen 9. Oktober hat Herr Dr. Schumacher in Hamburg gesprochen - seine Rede ist durch das Radio übertragen worden -, und dort hat er gesagt: Ich begrüße es, daß der Bundeskanzler Adenauer in Berlin auch die Frage der Oder-Neiße-Linie aufgegriffen ({5}) und damit ({6}) die Regierung - Herr Kollege Schumacher, lesen Sie Ihre Rede nach, wenn Sie sie vergessen haben! - die Konzeption übernommen hat, die die SPD ihr vorgeschrieben hat. ({7}) Meine Damen und Herren! Da kann ich nur wiederholen, was ich im Rundfunk am Freitag sagen wollte und was der Rundfunk in Frankfurt mir in seiner „Überparteilichkeit" zunächst herausgeschnitten hat: ({8}) Das ist eine Politik übler Brunnenvergiftung! ({9})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen? - Herr von Merkatz!

Dr. Hans Joachim Merkatz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001477, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe keineswegs den Ehrgeiz des letzten Wortes. Das Thema war überaus ernst, und wir werden uns morgen weiter darüber unterhalten. ({0}) - Gut, heute! Aber nach den Feststellungen des Herrn Abgeordneten Ollenhauer bin ich verpflichtet, doch noch einmal das Wort zu ergreifen. Der heutige Tag ({1}) fing damit an, daß er als ein schwarzer Tag, als ein dies ater bezeichnet worden ist. Nun, die Dinge haben sich gewendet; der Tag ist nicht für uns als ein dies ater ausgefallen, sondern, wie ich glaube, für die Gegenseite. Man hatte das Gefühl - in Abwandlung eines Wortes, das nach einer sehr ernsten deutschen Schlacht gefallen ist -: „Welche Wendung mit des Teufels Hilfe", als man Herrn Kollegen Luetkens hören mußte. Dann ist ein Rückzugsgefecht geschlagen worden: Zum Schluß hat man versucht, abzulenken. Ich glaube, so kann man die Dinge nicht behandeln. Wir sind der Auffassung, daß sich heute so etwas wie der Zusammenbruch einer Politik vollzogen hat, die wir immer in ihrem Kern für nicht ganz wahrhaftig gehalten haben. Wir dürfen hoffen, daß auf den Trümmern dieser Politik endlich eine Konzeption aufgebaut wird, die der Bedeutung und Vordringlichkeit der deutschen Einheit nun tatsächlich angemessen ist. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst abstimmen über die vielen Anträge, die wir zu bescheiden haben. ({0}) - Ich bitte doch, sich einige Minuten zu gedulden. Ich schlage Ihnen vor, daß wir vier dieser Anträge, nämlich die Umdrucke Nrn. 333 und 334, Drucksache Nr. 2597 und den zuletzt überreichten Antrag der kommunistischen Fraktion, die sich alle auf den Truppenübungsplatz Hohenfels beziehen, dem Haushaltsausschuß überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden. ({1}) - Gegen Ihre Stimmen. Es ist nach meinem Vorschlag beschlossen. Ferner schlage ich Ihnen vor, den Antrag Drucksache Nr. 2468 mit dem Abänderungsantrag Umdruck Nr. 329, die Anträge Drucksachen Nr. 2549 und Nr. 2563, den Antrag Dr. Pfleiderer und Fraktion der FDP, der noch keine Nummer hat, und den Antrag Drucksache Nr. 2577 dem Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu überweisen. Mir scheint das der richtige Ausschuß dafür zu sein. Ist das Haus damit einverstanden? ({2}) - Es ist so beschlossen. Nun hätten wir noch in der zweiten Beratung über den Einzelplan IV a, Drucksache Nr. 2604 abzustimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist in zweiter Lesung angenommen. Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt. Ich berufe die nächste Sitzung, die 169., auf heute, Mittwoch, den 17. Oktober; 13 Uhr 30, ein. Ich schließe die 168. Sitzung des Deutschen Bundestages.