Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 2/18/2005

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Die Sitzung ist eröffnet. Ich wünsche Ihnen allen ei- nen guten Tag und uns gute Beratungen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a und 22 b so- wie den Zusatzpunkt 8 auf: 22 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention - Drucksache 15/4833 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung ({0}) Innenausschuss Sportausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Detlef Parr, Dr. Dieter Thomae, Dr. Heinrich L. Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Prävention und Gesundheitsförderung als individuelle und gesamtgesellschaftliche Aufgabe - Drucksache 15/4671 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung ({1}) Innenausschuss Sportausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Tourismus ZP 8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette Widmann-Mauz, Verena Butalikakis, Monika Brüning, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Prävention als gesamtgesellschaftliche Aufgabe umfassend, innovativ und unbürokratisch gestalten - Drucksache 15/4830 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung ({2}) Innenausschuss Sportausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Haushaltsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann können wir das so beschließen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst die Bundesministerin Ulla Schmidt. ({3})

Ulla Schmidt (Minister:in)

Politiker ID: 11002019

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Prävention ist ein Anliegen aller im Bundestag vertretenen Fraktionen. Deswegen müsste es gelingen, dass der vorliegende Gesetzentwurf die Zustimmung des gesamten Bundestages erhält. Es ist ja nicht so, als gäbe es in Deutschland nicht bereits Prävention. Sie lebt heute von vielen vorbildlichen Projekten in Betrieben, Verwaltungen und Sportvereinen. Prävention ist bei uns schon zu Hause; aber so, wie sie heute organisiert ist, reicht sie nicht aus. Der vorliegende Gesetzentwurf eröffnet die Möglichkeit, Prävention wirklich in unseren Alltag einziehen zu lassen, ({0}) sie so alltäglich werden zu lassen wie die „Tagesschau“, den grünen Tee, ({1}) Redetext Kaffee am Morgen, das Jobticket oder den Wetterbericht. Alle sollen die Chance erhalten und auch ergreifen, in ihrem Viertel, ihrem Stadtteil, im Betrieb, im Kindergarten oder in der Schule etwas für sich zu tun, damit es ihnen besser geht. Jedem Einzelnen soll es besser gehen. Denn Krankheiten zu vermeiden, das ist vor allen Dingen etwas für die Menschen selber. Ein Mensch, der gesund ist, hat auch viel Kraft; es geht ihm besser und das sollten wir fördern. ({2}) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen, dass zum Beispiel Eltern, die sich Sorgen machen, weil ihre Kinder übergewichtig sind, Anleitung bekommen, dass sie Beratung und Hilfe erhalten. Auch das ist Prävention. Wir wollen die Kindergärten und Schulen in ihrem Bemühen um mehr Bewegung und gesunde Ernährung unterstützen. Gesund ernährt lernt es sich besser; gesunde Ernährung schafft größere Lebenschancen für die Kinder, weil sie dadurch für das zukünftige Leben gestärkt werden. Auch in die Häuser für Seniorinnen und Senioren, in denen das bisher noch nicht der Fall ist - in vielen Häusern gibt es das schon -, soll fachlich gute Anleitung zur vernünftigen Bewegung und gesünderen Ernährung einziehen. Gesund alt werden bedeutet gewonnene Lebensjahre für jeden Einzelnen. Die Sportvereine sollen ermutigt werden, noch mehr auf Prävention zu setzen, ihre Angebote auszuweiten, Trainer und Betreuer zu schulen, damit wir alle uns gesünder und wohler fühlen können. Ich denke aber auch an die vielen Unternehmensleitungen - ich hatte gestern eine Veranstaltung mit Betriebsräten von großen Unternehmen -, die bisher nicht genug getan haben und jetzt vielleicht neue Anstöße bekommen, gemeinsam mit den Betriebsräten, mit den Krankenkassen und mit Medizinern über entsprechende Angebote in den Betrieben zu reden, Programme für die Beschäftigten einzuführen und zu evaluieren sowie zu lernen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich wohl fühlen, denen es gut geht, bei denen Rückenerkrankungen und Schmerzen vermieden werden, damit auch eine wesentliche Grundlage für Leistungsfähigkeit, Kreativität und ein gutes Miteinander haben. ({3}) Ein Punkt ist mir auch angesichts vieler Diskussionen mit den Selbsthilfeorganisationen in unserem Lande besonders wichtig: Mit diesem Gesetzentwurf wird endlich die Arbeit der Selbsthilfe gestärkt. Die Selbsthilfe ist einer der wesentlichen Faktoren nicht nur im Bereich der primären Prävention, sondern auch in den Bereichen der sekundären und tertiären Prävention. Die Selbsthilfeorganisationen beraten Menschen, die krank sind, sie leiten sie an, beraten auch deren Familien und sorgen dafür, dass eine Krankheit, wenn sie ausgebrochen ist, nach Möglichkeit nicht zu weiteren Krankheiten führt. Wir sorgen dafür, dass das Geld, das die Krankenkassen für die Förderung und Finanzierung der Selbsthilfe ausgeben sollten, endlich dort ankommt und dass nicht die Hälfte davon bei den Krankenkassen verbleibt, wie das bisher der Fall gewesen ist. ({4}) Prävention ist eine Sache für alle. Das Ziel, gesünder zu werden und gesünder zu leben, soll gefördert werden. Ich hoffe, dass wir mit den Regelungen, die wir gemeinsam mit den Ländern auf den Weg bringen, wirklich viel in Bewegung setzen, dass vor allen Dingen gute Anstöße entwickelt werden, um an diejenigen heranzukommen, die man normalerweise mit keinem Angebot auch der individuellen Prävention erreicht. Hierbei geht es um viele Menschen, die vielleicht noch vor dem Fernsehapparat „Tor!“ rufen, die aber nicht viel für sich tun, um ihr Leben zu verbessern. Es geht hierbei aber auch um viele Kinder und um viele ältere Menschen, die bisher von den Gesundheitskampagnen kaum erreicht werden. Auch das wollen wir ändern und wirklich einen Schritt nach vorne machen. Diesem Gesetzentwurf sind viele enge Beratungen in der Koalition, aber auch Beratungen mit den Bundesländern, egal ob unionsregiert oder SPD-regiert, und mit den Sozialversicherungen vorausgegangen. Angesichts der zahlreichen Partner, die an den Beratungen beteiligt waren, ist der vorliegende Gesetzentwurf das, was wir momentan mit der Zustimmung aller - der Sozialversicherungsträger, aber auch der Länder - auf den Weg bringen können. Ich möchte allen für die gute Kooperation und Vorbereitung danken. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einen Teil der Zukunft unseres Gesundheitswesens beschreiben: Wir leiten einen Paradigmenwechsel ein; denn Prävention, Behandlung, Rehabilitation und Pflege stehen künftig gleichrangig nebeneinander. Sie bilden vier Säulen unseres Gesundheitswesens. Der Gesetzentwurf ist der Start einer Entwicklung mit dem Ziel, dass wir nicht nur immer dann sehr viel Geld ausgeben, wenn eine Krankheit aufgetreten ist oder sich verschlimmert hat, sondern dass wir auch Geld dafür ausgeben, dass Krankheiten erst gar nicht entstehen oder dass sich Krankheiten, wenn sie entstanden sind, nicht weiter verschlimmern, damit die Menschen ein Stück an Lebensqualität zurückgewinnen können. ({5}) Unser Gesundheitswesen wird mit der neuen Bestimmung, dass Prävention vor Behandlung gesetzt werden muss, zu einem modernen Gesundheitssystem weiterentwickelt. Wir schließen damit zu anderen Ländern in Europa auf, die - wie zum Beispiel die skandinavischen Länder - bereits gute Erfolge mit gesundheitlicher Prävention erzielt haben. Bisher hat sich von den Sozialversicherungszweigen vor allen Dingen die gesetzliche Krankenversicherung in der Prävention engagiert. Das geschah nicht so umfassend, wie wir alle es gerne gehabt hätten; aber die gesetzlichen Krankenversicherungen waren diejenigen, die bisher Geld in die Hand genommen und Engagement gezeigt haben. Künftig sollen sich auch die Rentenversicherung, die Unfallversicherung und die Pflegeversicherung an der Finanzierung der Verhütung von Krankheiten beteiligen, da auch sie von präventiven Maßnahmen profitieren. Ich hoffe, dass es uns im Laufe der Beratungen gelingen wird, auch die Bundesagentur für Arbeit in die gemeinsame Aufgabe der Prävention einzubeziehen. Alle tragen in diesem Bereich eine Verantwortung und alle müssen diese Verantwortung gemeinsam wahrnehmen. ({6}) Jährlich soll insgesamt eine viertel Milliarde Euro für präventive Maßnahmen verwendet werden. 80 Prozent davon sollen für individuelle Präventionsangebote oder für Angebote zur Prävention in den verschiedenen Lebenswelten verwendet werden. Der Rest soll für Modellvorhaben, Kampagnen und viele andere Dinge, die man zusätzlich auf den Weg bringen muss, um die Menschen für unser Vorhaben zu begeistern, aufgewendet werden. Experten schätzen, dass man durch einen Ausbau der Präventionsmaßnahmen in den Bereichen Krankheitskosten und krankheitsbedingte Ausfallkosten langfristig Einsparungen in Höhe von mehr als 6 Milliarden Euro erzielen kann. Wir alle wissen, dass in einer Gesellschaft des längeren Lebens das, was der Einzelne für seine Gesundheit aufbringen muss, nicht weniger werden kann. Wenn wir wollen, dass die Menschen am medizinischen Fortschritt teilhaben können, ist das nicht aus der Portokasse zu bezahlen. Angesichts dieser Tatsachen müssen wir wirklich alles tun, um dort Einsparungen vorzunehmen, wo sie vorgenommen werden können, zumal wenn sie den Menschen gleichzeitig ein Mehr an Lebensqualität bringen. Es ist höchste Zeit, alles Erforderliche auf den Weg zu bringen, damit die Prävention als nationale Aufgabe in der Form starten kann, wie wir es wollen. ({7}) Lassen Sie mich an dieser Stelle etwas zur privaten Krankenversicherung sagen. Ich bedaure es sehr, dass mir die gesetzliche Grundlage fehlt, um die privaten Krankenversicherungen zur Mitfinanzierung heranzuziehen: Es kann auf Dauer nicht sein, dass in den Kindergärten und Schulen Angebote zur Prävention in den Bereichen Ernährung und Bewegung sowie Angebote zur Zahnprophylaxe gemacht werden, bei denen sich die privaten Krankenversicherungen außen vor halten, während die gesetzlich Krankenversicherten auch für die Kinder der privat Versicherten zahlen müssen. ({8}) Deshalb sollte es unser gemeinsames Anliegen sein, die privaten Krankenversicherungen in die Pflicht zu nehmen, damit sie sich auf diesem Gebiet anteilmäßig ebenso wie die gesetzlichen Krankenversicherungen an den Kosten beteiligen. ({9}) Das Angebot der privaten Krankenversicherungen, 3,5 Millionen Euro, davon 3,4 Millionen für die BZgA und 100 000 Euro für die Aidsprophylaxe, zur Verfügung zu stellen, ist zwar honorig; es reicht aber nicht aus. Das sollten wir in der Öffentlichkeit deutlich sagen. ({10}) Prävention ist um so erfolgreicher, je einfacher sie sich darstellt und je einfacher wir die Menschen erreichen. Wir brauchen keine großen Botschaften. Einfache Aussagen wie „Lass den Fahrstuhl stehen! Geh zu Fuß!“ können eine ganze Menge erreichen. Die verschiedenen Präventionsmaßnahmen müssen jedoch zusammengeführt werden. Damit die verschiedenen Maßnahmen, die es überall gibt, effektiv und sinnvoll sind, braucht man einen roten Faden, an dem sie sich ausrichten. Deswegen werden die Sozialversicherungszweige gemeinsame Präventionsziele erarbeiten. Dadurch können die Mittel effizient dort eingesetzt werden, wo sie den größten Nutzen stiften. Wir wollen, dass das Geld nur für Maßnahmen ausgegeben wird, die tatsächlich mehr Nutzen bringen und die wirksam sind. Wir wollen, dass der Nutzen nachgewiesen wird. Wir wollen, dass die Qualität gesichert ist. Deswegen legt der vorliegende Gesetzentwurf hierfür verbindliche Kriterien fest. Damit nachhaltige Veränderungen bewirkt werden können, ist eine verbesserte Zusammenarbeit und Abstimmung auf Bundesebene notwendig. Deswegen werden wir auf der Bundesebene unter Mitwirkung der Sozialversicherungszweige eine Stiftung „Prävention und Gesundheitsförderung“ gründen, die die Erarbeitung von Präventionszielen, die Ausarbeitung der gemeinsamen Qualitätsstandards sowie Informations- und Aufklärungsarbeit durch Präventionskampagnen leistet. Wir wollen, dass in regelmäßigen Abständen Rechenschaft über das Erreichte abgelegt wird und dass festgestellt wird, wo Verbesserungen vorgenommen werden müssen. Wir werden die gesamte Fachkraft der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, aber auch das Expertenwissen, zum Beispiel des Robert-KochInstituts, zur Verfügung stellen, damit wir, auch das Parlament, valide Aussagen erhalten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Prävention ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Sie verbindet Eigeninitiative auf der einen Seite mit Gemeinschaftssinn auf der anderen Seite. Ich bin davon überzeugt: Daraus kann und muss ein großes Projekt werden. Denn Prävention führt - das werden die Menschen merken - zu einem besseren Leben, zu mehr Lebensqualität und damit zu vielem, was man im Leben nur machen kann, wenn bestimmte Voraussetzungen vorhanden sind. Man darf ein Weiteres nicht unterschätzen: Prävention ist eine wichtige Voraussetzung dafür, in einer Gesellschaft des längeren Lebens auch unter veränderten Bedingungen bis in das hohe Alter Innovationsfähigkeit und Produktivität zu erhalten. Damit schaffen wir die Grundlagen dafür, dass in diesem Lande auch in zehn, 20 oder 30 Jahren Wettbewerbsfähigkeit und die Fähigkeit, Wohlstand zu wahren und zu schaffen, erhalten bleiben. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, sich in Reden zur Prävention zu bekennen ist schön, reicht aber nicht. ({11}) Ich kann Sie nur auffordern: Schließen Sie sich unserem Vorhaben und dem, was die von Ihnen regierten Länder eingebracht haben, an! Sich zu bewegen ist angesagt. Blockieren Sie nicht! Machen Sie mit, anstatt mies zu machen! Das ist gelebte Prävention. Ich möchte, dass auch Sie davon profitieren. ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun die Kollegin Annette WidmannMauz, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Annette Widmann-Mauz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003259, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Ministerin, wir bewegen uns gerne. Sie fordern zwar von anderen Bewegung. Wenn es aber um die eigene Verantwortung, insbesondere um die finanzielle Verantwortung, geht, dann verlangen Sie nur von denjenigen Bewegung, die Beiträge in die Sozialversicherungen zahlen. ({0}) Sie sollten in den Spiegel schauen, wenn Sie Vorwürfe machen. Schön ist es, um die Kranken besorgt zu sein, ihrer Gesundheit wegen; viel schöner ist es aber, für die Gesunden besorgt zu sein, ihres Nichtkrankseins wegen. Diese Erkenntnis von Hippokrates ist zweieinhalbtausend Jahre alt und wir haben sie noch immer nicht verinnerlicht. In Deutschland ist jeder Zweite übergewichtig. Jeder Vierte hat Herz-Kreislauf-Probleme und Millionen klagen über Rückenschmerzen. Besonders erschreckend ist, dass gerade viele Kinder bereits heute an Alterskrankheiten wie Herzschwäche, Diabetes oder Osteoporose leiden, weil sie einfach zu dick sind und sich falsch ernähren. Man wagt kaum, sich vorzustellen, dass uns diese Generation in ein paar Jahren über die ersten Wellen des demographischen Wandels tragen soll, wo ihnen schon heute die Puste ausgeht. Die Krankenkassen befürchten gerade im Hinblick auf Diabetes bei Kindern Behandlungskosten in Milliardenhöhe. Dabei wären viele dieser Krankheiten vermeidbar. Wer hat nicht schon einmal, wenn er ein Rückenleiden hatte, selber die Erfahrung gemacht, wie hilfreich zum Beispiel ein Keilkissen auf dem Bürostuhl oder Wirbelsäulengymnastik sein kann? Er hat dann eine Vorstellung von Prävention. Das Problem ist nur, dass zwischen dem Wissen und dem entsprechenden Verhalten eine Riesenlücke in unserer Gesellschaft klafft. ({1}) Während die einen gesunder Ernährung, Bewegung, dem Nordicwalking, Sport oder dem Jane-Fonda-Wahn anhängen, hängen die anderen, die ihren inneren Schweinehund zum besten Freund gemacht haben, mit den entsprechenden Getränken und Ernährungsprodukten lieber auf dem Sofa vor der Glotze herum. Diese Menschen müssen wir erreichen. Deshalb ist uns der Präventionsgedanke so wichtig. Wir wissen, dass die Stärkung der Prävention und der Gesundheitsförderung zur Vermeidung von Krankheiten und zur Erhaltung der Gesundheit eine sinnvolle Investition in die Zukunft ist. Sie verbessert nicht nur die Gesundheit, die Lebensqualität und die Leistungsfähigkeit der Menschen. Nein, sie mindert auch die künftigen finanziellen Belastungen unseres Gesundheitswesens. Deshalb hat die Union die Prävention bereits in ihrer Regierungsverantwortung ernst genommen und entsprechende Maßnahmen umgesetzt. Wer kennt nicht den lieben Doktor mit der großen Zahnbürste in der Schule, das Bonusheft für den regelmäßigen Zahnarztbesuch oder Krebsfrüherkennungsuntersuchungen? Wir müssen heute also nicht bei null anfangen, sondern können auf bereits Bestehendem aufbauen. Bereits in der letzten Legislaturperiode hat sich unsere Fraktion intensiv mit diesem Thema beschäftigt und Anträge gestellt. Auch bei den Kompromissverhandlungen zur Gesundheitsreform hat sich die Union nicht nur für die Einführung von Bonusprogrammen bei den gesetzlichen Krankenkassen, also dafür, dass finanzielle Anreize für gesundheitsbewusstes Verhalten gegeben werden, stark gemacht, ({2}) sondern sie hat maßgeblich mit dafür gesorgt, dass die Erarbeitung eines Präventionsgesetzes überhaupt vereinbart wurde. Es ist nur schade, Frau Schmidt - Sie haben das heute Morgen mit freundlichen Worten umschrieben; aber der Sachverhalt ist deshalb nicht besser geworden -, dass Sie im Gegensatz zu den Kompromissverhandlungen des letzten Sommers hier auf die Kompetenz der größten Oppositionsfraktion einfach verzichtet haben. Ich sage Ihnen: Das ist nicht nur schlechter politischer Stil, sondern schlichtweg dumm. ({3}) Der vorliegende Gesetzentwurf enthält eine Reihe guter Ansätze. Er ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Derzeit ist festzustellen, dass es einen Flickenteppich an Maßnahmen gibt. Deshalb sind bundeseinheitliche Kriterien, Ziele und Qualitätsstandards durch die Stiftung „Prävention“ sinnvolle Maßnahmen. Erfreulich ist auch, dass eine Begriffsvereinheitlichung stattAnnette Widmann-Mauz findet und dass die Berichterstattung von Bund, Ländern und Sozialversicherungsträgern eingeführt wird, durch die auch die entsprechende Öffentlichkeit hergestellt wird. Trotz dieser positiven Ansätze gibt es aber auch wesentliche Punkte, die zu grundsätzlicher Kritik Anlass geben und eine vorbehaltlose Zustimmung untersagen. Es kann nicht übersehen werden, dass Sie Ihrem eigentlichen Ziel - Ihre Ziele haben Sie heute erneut mehrfach genannt -, Prävention als gesamtgesellschaftliche und ganzheitliche Aufgabe wahrzunehmen, nicht nachkommen; sie verfehlen dieses Ziel. „Gesamtgesellschaftlich“ heißt doch, dass Prävention alle erreichen muss und dass sich deshalb auch alle Bevölkerungsgruppen an dieser Aufgabe beteiligen müssen, auch bzw. vor allem finanziell. ({4}) „Ganzheitlich“ heißt doch, dass diese Aufgabe alle Formen der Prävention erfasst und sich nicht nur auf eine Form, die Primärprävention, beschränken kann. ({5}) Gerade angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der dramatischen Finanzlage unserer Sozialkassen ist eine alleinige Finanzierung der Prävention durch die Sozialversicherungen im Grunde ein beschäftigungspolitischer Sündenfall. Sind der Kanzler und sein Kabinett nicht angetreten, um mehr Arbeitsplätze zu schaffen, indem sie die Beitragssätze der Sozialversicherungen senken? Sie, Frau Schmidt, haben die Kassen noch vor kurzem mit dem Ziel, die Lohnnebenkosten zu senken, geradezu genötigt. Da kann ich nur sagen: Die „FAZ“ kommentiert richtig, wenn sie schreibt, dass dieses Präventionsgesetz Ihre Argumentation als doppelbödig entlarvt. ({6}) Um nicht missverstanden zu werden, sage ich: Wir sehen in der Prävention eine sinnvolle Investition in die Zukunft. Aber jede Investition muss finanzierbar sein und darf nicht ausschließlich von den Beitragszahlern der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert werden. ({7}) Der kleine Mann darf doch nicht immer der Lastesel der Nation sein. ({8}) Auch wenn Sie es nicht mehr sind - wir verstehen uns nach wie vor als Sachwalter der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. ({9}) Während die gesetzliche Krankenversicherung 180 Millionen Euro, also den größten Anteil der Präventionskosten, schultert, müssen die Renten- und Pflegeversicherung erstmals, also zusätzlich, eine Summe von insgesamt 50 Millionen Euro für die Vermeidung von Krankheiten bereitstellen. Wer allerdings weiß, dass die gesetzliche Rentenversicherung nur noch über liquide Mittel verfügt, um die derzeitigen Renten sechs Tage lang zu finanzieren, der muss sich bewusst sein: Wenn die Rentenversicherung 40 Millionen Euro zusätzlich aufbringen muss, ({10}) dann muss dieser Betrag an anderer Stelle eingespart werden. Meine Damen, meine Herren, es kann nicht in unserem Interesse sein, dass der Brummifahrer mit kaputter Bandscheibe in Zukunft keine medizinische Reha mehr erhält, weil mit seinem Beitrag die präventive Rückenschulung seines Chefs finanziert wird. ({11}) Die Problemlage bei der Pflegeversicherung ist ähnlich. Frau Schmidt, Sie haben vollmundig erzählt, dass Sie die Bundesagentur für Arbeit einbinden wollen. Da muss die Frage schon gestattet sein, warum die Bundesagentur im Gegensatz zur Pflegeversicherung und zur Rentenversicherung aus der Finanzierung herausgenommen worden ist. Was für den einen recht ist, muss doch für den anderen nur billig sein. Oder hatten die Rentenund die Pflegeversicherung im Kabinett nur weniger starke Fürsprecher? Das kann es ja wohl nicht sein. Nochmals: Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Eine finanzielle Beteiligung von allen, also von Bund, Ländern und Kommunen, ist in diesem Gesetzentwurf aber nicht vorgesehen. Ein Präventionsgesetz, wie wir es verstehen, darf am Ende aber nicht zum Freibrief für den Staat werden, sich wieder einmal auf Kosten der Sozialversicherungsträger und damit letztlich zulasten der Betriebe und der Arbeitnehmer noch weiter von seinen originären Aufgaben zurückzuziehen. Verschiebebahnhöfe - liebe Kolleginnen und Kollegen, das sage ich an alle Fraktionen in diesem Haus gewandt haben wir doch in der Vergangenheit genug veranlasst. Wir können so nicht weitermachen. Es muss endlich Schluss damit sein, die Steuerhaushalte zulasten der Sozialhaushalte zu bedienen. ({12}) Ein weiteres Manko bei diesem Gesetzentwurf besteht darin, dass Sie sich nur auf eine Präventionsform beziehen, nämlich auf die Vorbeugung einer Erkrankung, die Primärprävention. Ihr Gesetzentwurf sagt überhaupt nichts zu Früherkennungsmaßnahmen, Impfungen, Kindervorsorgeuntersuchungen oder Maßnahmen zur Vermeidung der Verschlimmerung bestehender Krankheiten. Zu Recht bemängelt die Bundesärztekammer die fehlende Verzahnung der Primärprävention mit den anderen Präventionsformen. Als weiteres Problem kommt hinzu, dass Sie denjenigen, die in der Vergangenheit ihrer gesetzlichen Aufgabe gemäß § 20 SGB V, Primärprävention durchzuführen, vorbildlich nachgekommen sind, jetzt teilweise den Boden unter den Füßen wegziehen: indem Sie ihnen bis zu 60 Prozent der bisherigen Mittel vorenthalten. Das kann doch nicht unser Ziel sein, das kann doch nicht in unserem Interesse sein. Denn Sie zerstören damit bewährte bestehende Strukturen. Bei Ihnen ist wieder einmal der Fleißige der Dumme. ({13}) Was für einen bürokratischen Aufwand Sie betreiben, wird zum Beispiel an den Regelungen zur Stiftung und zu den Verfahren deutlich. Eine Vielzahl neuer Gremien wird geschaffen: Vorstand, Stiftungsrat, Kuratorium, Wissenschaftlicher Beirat oder weitere gemeinsame Entscheidungsgremien, Koordinierungsausschüsse - ein erheblicher, ein gigantischer Abstimmungsaufwand ist notwendig. Dass dieses nicht nur die verquere Ansicht der Opposition ist, bestätigen die Äußerungen Ihres eigenen Justizministeriums: Das Regelungsgebilde erwecke den Eindruck - ich zitiere -, dass der zusätzliche bürokratische Aufwand den vermeintlichen Nutzen bei weitem überwiegen wird. Das kann man doch nicht einfach ignorieren. ({14}) Wir haben unsere Bedenken in unserem Antrag zusammengefasst. Wir nehmen die Kritik der Kassen, der Rentenversicherung, der Ärzteschaft, der Arbeitgeberverbände und auch der Sozialverbände ernst; wir befinden uns mit unserer Haltung zu diesem Gesetzentwurf damit in bester Gesellschaft. Dass es Äußerungen von Kolleginnen der SPD-Fraktion gibt, denen der Gesetzentwurf ebenfalls noch nicht weit genug geht, unterstreicht unsere Haltung. Auch wenn die Bundesregierung über ein Jahr für die Vorlage ihres Präventionsgesetzes gebraucht hat, wird noch einmal nachzusitzen sein und der Gesetzentwurf gründlich überarbeitet werden müssen. Auch hier gilt: Qualität geht vor Schnelligkeit. Ich sage ganz bewusst: Eine Wagenburgmentalität, wie Sie sie derzeit an den Tag legen, ist bei diesem Thema überhaupt nicht angebracht. Die kommende Anhörung und insbesondere die Ausschussberatungen bieten uns jetzt die Chance für eine sachliche Diskussion, auch über die Parteigrenzen hinweg. Wir von der Union bekennen uns nachdrücklich zum Präventionsgedanken. Uns darf nicht nur die ökonomische, sondern uns muss auch die ethische Sicht der Prävention sehr wichtig sein. Denn nur ein Gesundheitswesen, das die Menschen gesund erhält, statt sich im Kurieren von Krankheiten zu erschöpfen, hat seinen Namen auch wirklich verdient. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin ist die Kollegin Birgitt Bender, Bündnis 90/Die Grünen.

Birgitt Bender (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003502, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man glaubt es ja kaum, aber es ist erst acht Jahre her, dass die unionsgeführte Bundesregierung die Primärprävention aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gestrichen hat. ({0}) - Herr Kollege Zöller, wir mussten sie mit der Gesundheitsreform 2000 erst wieder einführen. - Heute hört man von Ihnen großartige Bekenntnisse zur Prävention und Sie haben uns auch einen Antrag zur Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung nicht vorenthalten wollen. Nach der Rede, die wir eben von der Frau Kollegin Widmann-Mauz gehört haben, stehen diese vollmundigen Bekenntnisse allerdings in einem merkwürdigen Gegensatz zu dem kleingeistigen Gemäkel an diesem Gesetz. Ich glaube, Sie müssen sich einmal entscheiden, was Sie eigentlich wollen. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Bender, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Zöller?

Birgitt Bender (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003502, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Nein, jetzt nicht. ({0}) Ich möchte die Gelegenheit nutzen, den Gesetzentwurf zu begründen. Vielleicht lernen Sie dabei etwas. ({1}) Es ist doch so: Alle reden von Prävention. Niemand ist dagegen, selbst die Union nicht. Tatsächlich leidet die Prävention bis heute aber unter unklaren Begrifflichkeiten, fehlenden Zuständigkeiten und zu geringen Finanzierungsmitteln. Damit machen wir mit unserem Gesetz jetzt Schluss. Die Finanzausstattung von 250 Millionen Euro ist gar nicht so viel mehr, als auch bisher jedenfalls rechtlich schon möglich war. Der Unterschied ist aber, dass man jetzt nicht mehr mühsam darum kämpfen muss, Projekte für die Vorbeugung von Krankheiten und für die Stärkung der Gesundheit der Menschen durchführen zu können, und dass der Prävention ein selbstverständlicher Platz eingeräumt wird, sodass sie zu einer weiteren Säule im Gesundheitswesen wird. Nun gibt es die Kritik der Krankenkassen - Frau Kollegin Widmann-Mauz, diese haben Sie sich vorhin zu Eigen gemacht -, dass hier ausschließlich mit Mitteln der Sozialversicherung agiert werde. Man muss natürlich schon sagen, dass präventive Anstrengungen auch bisher schon aus Steuermitteln finanziert werden. ({2}) Denken Sie etwa an die Aktivitäten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung - dort werden immerhin 40 Millionen Euro investiert - und daran, was die Bundesernährungsministerin, Renate Künast, schon alles getan hat, um das Thema Ernährung und Bewegung und somit den Gesundheitszustand von Kindern stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. ({3}) Es ist also nicht so, dass man bisher untätig war. Jetzt wird die Sozialversicherung aber dazu gezwungen, ihrem gesetzlichen Auftrag, den es ja schon gab, auch wirklich nachzukommen. Dafür werden die Strukturen geschaffen und erstmals werden auch die Renten-, Unfall- und Pflegeversicherung einbezogen. Seitens der Kassen wird die Sorge geäußert, dass öffentlich finanzierte Gesundheitsdienste jetzt möglicherweise abgebaut werden, weil man sich auf die neuen Mittel verlässt. Dazu kann ich nur sagen: Es wird unsere gemeinsame Aufgabe sein, darauf zu achten, dass genau dies nicht passiert. Ich will auch deutlich sagen: Die Kassen sind ordnungspolitisch der richtige Ort für die präventiven Anstrengungen. Schließlich kommt es in ihren Haushalten - jedenfalls mittelfristig - auch zu Einsparungen. ({4}) Frau Kollegin Widmann-Mauz, Sie sprachen vom kleinen Mann und sagten, dass alles müsse aus Steuermitteln finanziert werden. ({5}) Daneben sprachen Sie von der Rückenschule. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Rückenschule ist zwar sinnvoll, aber Sie sollten sich einmal damit beschäftigen, wer dort hingeht. Das sind Frauen aus der Mittelschicht. Es tut ihnen gut. Der Brummifahrer geht dort aber nicht hin. Er kann mit Angeboten, zu denen er selbst hingehen muss, nichts anfangen. ({6}) Auch mit Unterstützung der AOK marschiert er nach Schichtende nicht in die Volkshochschule. Es braucht Projekte, die tatsächlich im lebensweltlichen Bereich, im Wohnquartier oder im Betrieb, stattfinden, ({7}) damit wir gerade auch die Menschen erreichen, die nicht zur Mittelschicht gehören und die eine gesundheitliche Förderung oft besonders nötig haben. Die Kassen haben dafür bestimmte Strukturen aufgebaut. ({8}) - Die betriebliche Gesundheitsförderung gibt es schon. Sie wird weitergeführt und verstärkt. ({9}) Trotzdem ist es bedauerlich, Herr Kollege Parr, dass die Arbeitslosenversicherung bisher nicht einbezogen ist. Wir alle wissen, dass Arbeitslosigkeit - um es einmal etwas plakativ zu sagen - krank macht. Arbeitslose sind stärkeren gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Je länger die Arbeitslosigkeit dauert, desto eher verschlechtert sich der Gesundheitszustand. Es besteht also tatsächlich Anlass, die Arbeitslosenversicherung einzubeziehen ({10}) und Projekte, die besonders arbeitslosen Menschen zugute kommen, zu fördern. ({11}) Ich will deutlich sagen: Ich halte es für äußerst unbefriedigend, dass die private Krankenversicherung nicht mitmacht. Die Frau Ministerin hat es schon dargelegt: Die Maßnahmen, die in der Schule oder im Wohnquartier angeboten werden, richten sich natürlich nicht nur an gesetzlich Versicherte, sondern davon werden auch die Privatversicherten profitieren. Ihnen, meine Damen und Herren von der Union, liegt doch immer so viel an der privaten Krankenversicherung. Ich finde, es wäre für Sie eine echte Aufgabe, mit Vertretern der privaten Krankenversicherung darüber zu reden, dass diese nicht nur eine Aidsaufklärungskampagne machen - was schön ist -, sondern dass sie sich auch in die Stiftung einklinken und nicht nur von den Sozialversicherungsbeiträgen der anderen profitieren. ({12}) Das Präventionsgesetz ist nicht nur und auch nicht vorrangig ein Finanzierungsgesetz. Entscheidend ist, dass der Prävention im Gesundheitswesen ein fester Platz eingeräumt wird. Im Zentrum steht die Stiftung. Von dort aus wird eine Weiterentwicklung der Strukturen und eine Vernetzung der verschiedenen Akteure stattfinden. Es ist gut, dass über die Stiftung eine Ausrichtung aller Aktivitäten an übergreifenden Präventionszielen erfolgt und dass auch die Qualitätssicherung Teil dieser Anstrengungen ist. Damit werden wirklich alle einbezogen, auch diejenigen, die nicht der Mittelschicht angehören. Damit wird der Auftrag aus der Gesundheitsreform 2000, dass nämlich Prävention etwas zum Abbau gesellschaftlich bedingter Ungleichheit leisten soll, tatsächlich erfüllt. Das Gesetz sieht vor, dass Maßnahmen jetzt vor allem in Schulen, Kindergärten, Wohnquartieren und anderen Bereichen des Alltagslebens angeboten werden. Auf diese Weise geht man zu den Leuten hin, Frau Widmann-Mauz, und wartet nicht darauf, dass sie von selbst kommen. Ich will auch deutlich sagen: Dem Gesetz liegt - auch darin unterscheiden wir uns vielleicht - ausdrücklich ein weiter Präventionsbegriff zugrunde, der nicht nur und auch nicht vorrangig medizinische Aspekte umfasst, sondern vor allem auch soziale Aspekte beinhaltet; denn Gesundheit hat etwas mit der sozialen Lage zu tun. Deswegen ist Prävention nicht vorrangig eine ärztliche Leistung. Vielmehr geht es bei Prävention darum, Menschen zu einer selbstverantwortlichen Lebensführung zu befähigen und sie dabei von Angehörigen verschiedener Berufsgruppen zu unterstützen. Dieses Gesetz ist ein Riesenfortschritt. Es befreit Prävention aus der bisherigen gesellschaftlichen Randlage. Erstmals steht die Prävention dauerhaft und institutionell abgesichert auf der Tagesordnung des Gesundheitswesens. Damit haben wir einen großen Schritt nach vorn gemacht. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Detlef Parr, FDPFraktion.

Detlef Parr (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001676, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle haben ein Idealbild vor Augen, nämlich gesund ein hohes Alter zu erreichen. Wir alle wissen: Stressfrei leben mit gesunder und ausgewogener Ernährung, mit viel Bewegung und ohne Zigaretten, Alkohol oder sonstige Genussmittel sind dafür die besten Voraussetzungen. Askese pur als Leitbild ist jedoch wenig überzeugend. Dennoch ist das völlig unstrittig. Für jeden Einzelnen von uns sollte zum Beispiel der prognostizierte Anstieg von Diabeteserkrankungen als Folge von Übergewicht, Herz-Kreislauf-Problemen oder übermäßigem Drogenkonsum als Bedrohung erscheinen. Daher begrüßt die FDP das Anliegen der Bundesregierung, der Bedeutung von Prävention verstärkt Rechnung zu tragen. Es hat lange genug gedauert, es war längst überfällig. ({0}) Die FDP-Fraktion hat bereits fast auf den Tag genau vor zwei Jahren einen wichtigen Teil der Prävention in dem Antrag „Die Kompetenzen des Sports bei Prävention und Rehabilitation besser nutzen“ zum Thema gemacht. Rot-Grün hat fast ein Jahr benötigt, um darauf zu antworten. Jetzt gibt es immerhin einen gemeinsamen, fraktionsübergreifenden Beschluss. Ich verstehe aber nicht, warum Sie, Frau Ministerin, wertvolle Zeit mit überflüssigen Abstimmungen zwischen den Ministerien vertändelt haben. Noch immer ist dem kundigen Thebaner völlig unklar, was eine Ernährungs- und Bewegungskampagne der grünen Verbraucherschutzministerin Künast soll, wenn ihre rote Kollegin Ulla Schmidt als Gesundheitsministerin exakt die gleichen Ziele verfolgt. ({1}) Sie vertändeln aber vor allem wertvolle Zeit, weil Sie immer wieder dem gesetzlichen Regulierungswahn verfallen. ({2}) Warum war die Bundesregierung nicht davon abzubringen, weitere Präventionsaktivitäten über ein solches Gesetz anzuschieben? ({3}) Warum verführt sie die Länder, dies mit fremdem Geld mitzutragen, mit dem diese dann ihre leeren Kassen füllen können? ({4}) Was dabei herausgekommen ist, war vorauszusehen: 150 Seiten voller Bürokratie und Überregulierung. Wenn man die Verordnungen, die daraus folgen, noch hinzurechnet, dann wird das noch unüberschaubarer. Was wird jetzt von dem Gesetz und von den 250 Millionen Euro bei den Menschen tatsächlich ankommen? ({5}) Erstens. Die Stiftung wird erst einmal viel Geld für Papier, Sitzungen, Reisekosten usw. ausgeben. ({6}) Dann werden Präventionsziele und Qualitätsstandards formuliert. Diese sorgen dann dafür, dass einer solchen „Planwirtschaft“ vermutlich gleich auch erfolgreich laufende Projekte zum Opfer fallen, weil sie plötzlich den Stiftungskriterien nicht mehr genügen. Tabula rasa à la Rot-Grün. ({7}) Zweitens. Die Kassen werden mit den 100 Millionen Euro einige ihrer laufenden Projekte mehr schlecht als recht fortführen können, aber gewiss nicht alle guten Ansätze weiterentwickeln können. Drittens. Die Länder werden den Geldsegen von 100 Millionen Euro dankbar in ihre leeren Haushaltskassen lenken. Für ein Mehr an Präventionsaktivitäten sehe ich dabei keinen Spielraum. Vorteile für den Bürger sehe ich auch nicht. Die Hoffnung, mit 250 Millionen Euro möglichst viele erfolgreich erreichen zu wollen, ist euphemistisch. Es ist geradezu dreist, dass mit Mitgliedsbeiträgen der Sozialversicherten öffentliche Aufgaben wahrgenommen werden - dreist den Mitgliedern gegenüber, die Sie seit Jahren mit Leistungskürzungen konfrontieren. ({8}) Es ist nicht die große Masse der Bevölkerung, die mit einer aktiven Präventionspolitik erreicht werden muss. Der überwiegende Teil der Menschen kann und muss das für sich - Frau Bender, auch der Brummifahrer gehört dazu - regeln. Auch der Brummifahrer kann eigenverantwortlich handeln. Dafür brauchen wir ein solches Gesetz und eine solche Überregulierung nicht. ({9}) Unser Plädoyer lautet: Eigenverantwortung stärken, aber nicht die Bürger fürsorglich bevormunden und ihnen einen bestimmten Gesundheitsstil aufzwingen. ({10}) Gerade im Hinblick auf die knappen finanziellen Ressourcen kommt es darauf an, sich auf den Teil in der Prävention zu beschränken, der als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden muss. Zielgerichtet müssen die Menschen mit entsprechenden Maßnahmen erreicht werden, die von sich aus ohne Hilfe nicht zu einem gesundheitsbewussten Leben in der Lage sind ohne neue bürokratische Strukturen. Wir können die vorhandenen Strukturen besser ausnutzen und sie koordinieren. ({11}) Die Zuständigkeiten und Finanzverantwortlichkeiten müssen klar definiert werden. Die Sozialversicherungen dürfen nicht erneut zum Steinbruch für die Bewältigung öffentlicher Aufgaben werden. Solche Verschiebebahnhöfe müssen der Vergangenheit angehören. ({12}) Die Kompetenzen und Möglichkeiten der im Gesundheitswesen Tätigen, vor allem der Ärzte und Zahnärzte, müssen genutzt werden. Stattdessen schenken Sie dieser wichtigen Gruppe als idealem Anlaufpunkt in Ihrem Gesetz kaum Beachtung. Die Ressourcen müssen auf die Verhinderung von vermeidbaren, besonders belastenden und besonders teuren Krankheiten konzentriert werden. Sie müssen auf Kinder und Jugendliche, ältere Menschen und sozial benachteiligte Gruppen konzentriert werden. Hier sind wir völlig einig. Hier müssen Prioritäten gesetzt werden. Da helfen - schauen Sie sich die Stiftungskonstruktion an - keine Zielfindungsselbsterfahrungsgremien. Weiterhin gehören die Intensivierung der Impfungsaktivität, die Überprüfung und Evaluierung der Präventionsmaßnahmen und die Aufklärungsarbeit, die vor allem von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sehr gut geleistet wird, ins Zentrum unserer Betrachtungen. Die Medien sind in diese Aufgabe über ihren öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag bzw. über freiwillige Vereinbarungen einzubeziehen. Ich komme zum Schluss. Die FDP begrüßt diese Debatte, weil die Prävention für die Gesundheitsförderung gestärkt wird. Aber es wäre wesentlich effizienter und zielführender gewesen, wenn man das Angebot der Spitzenverbände der Krankenkassen angenommen hätte, selbst für eine Stiftungslösung zu sorgen. Jetzt schaffen Sie einen bürokratischen Moloch. Er ist von den eigenen Ressorts nur unter stark vernehmbarem Zähneknirschen - daraus erklärt sich auch die lange Dauer des Verfahrens - durchgewunken worden. Niemand, der in seiner praktischen Arbeit mit der Prävention zu tun hat, will diesen Entwurf unterstützen. Wir warten jetzt gespannt auf die Anhörung und die daraus folgenden Konsequenzen. Danke. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Götz-Peter Lohmann, SPD-Fraktion. ({0})

Götz Peter Lohmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003175, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In letzter Zeit fiel im Vorfeld der heutigen ersten Beratung des Gesetzentwurfs häufig der Begriff Paradigmenwechsel. Ich halte die Bemerkung für angebracht, dass unser heutiges traditionelles Gesundheitsmodell erfolgreich war und ist. Es hat aber Grenzen. Heute sterben die meisten Menschen in den Industriegesellschaften an Herz-Kreislaufund Krebserkrankungen. Zum Tragen kommen komplexe Faktoren wie Stress und Lebensstil. Vor allem chronisch degenerative und psychische, insbesondere psychosomatische Erkrankungen nehmen zu. Die 1946 von der WHO getroffene Definition der Gesundheit als Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens ist allgemein bekannt. Nahezu täglich wird in den Medien über Auswirkungen gesundheitlichen Fehlverhaltens wie Fehlernährung und Bewegungsmangel berichtet. Mich persönlich bedrückt am meisten der immer früher einsetzende Konsum von Tabak und Alkohol. Angesichts dieser Situation ist eine flächendeckende Prävention für jedermann notwendig. Es geht dabei um eine Prävention von vielen für viele. ({0}) Dabei sind viele Probleme zu lösen. Zum Beispiel dürfen keine Gruppe und keine Indikation ausgenommen werden. Unterschiedliche Situationen erfordern einen unterschiedlichen Zugang; Gruppen mit chronischen Problemen sind anders zu erreichen als andere Gruppen. Dadurch wird das Ganze äußerst kompliziert. Ich denke, wir alle sind uns darin einig, wie schwer es ist, Prävention richtig, intelligent, erfolgreich und effizient zu gestalten. Wir alle wissen, dass Gesundheit immer wieder zurückerlangt und aktiv aufrechterhalten werden muss. Die einzig mögliche Perspektive besteht in einer Abkehr vom Behandeln von Krankheiten zugunsten der Vermeidung von Krankheiten. ({1}) Ich möchte einige Anmerkungen zu den zwei Anträgen der CDU/CSU und der FDP machen. Trotz differenzierter Kritik - wie ich es nenne - werte ich die beiden Anträge alles in allem als Zustimmung. Ich bin optimistisch, dass wir während und nach der Anhörung - gegebenenfalls auch unter Durchführung von Änderungen zu einem gemeinsamen Vorgehen kommen werden. ({2}) Ich möchte aber auch etwas zu der vorgebrachten Kritik anmerken. Ich füge gleich hinzu, Herr Kollege Zöller, dass auch ich keine Zwischenfrage dulde, weil ich in meinem Vortrag ohne Unterbrechungen fortfahren möchte. ({3}) Es ist nicht richtig, dass das BMGS so gut wie nichts zur Prävention beiträgt. Vielmehr leistet das BMGS bzw. der Steuerzahler bereits heute einen finanziellen Beitrag zur Prävention in Höhe von circa 100 Millionen Euro. ({4}) Ich denke zum Beispiel an die Finanzierung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Aidsund Suchtprävention. ({5}) Ich selbst habe 1996 in der Prävention, in der Psychoprophylaxe, gearbeitet und werde nie vergessen, wie die Krankenkassen mir von einem Tag auf den anderen mitgeteilt haben: Herr Lohmann, wir können Ihre präventive Arbeit nicht mehr bezahlen. Der Grund war - er wurde schon genannt -, dass der damalige Gesundheitsminister, Herr Seehofer, § 20 des SGB V gestrichen hat. Danach war mit der Prävention schlagartig Schluss. Auch das muss an dieser Stelle einmal gesagt werden. ({6}) Ich möchte betonen, was ich an dem vorliegenden Gesetzentwurf gut finde. Ich finde gut, dass die Begrifflichkeit besser, einheitlicher geworden ist. Es wird eindeutig definiert, was gesundheitliche sowie primäre, sekundäre und tertiäre Prävention und was Gesundheitsförderung ist; denn diesbezüglich gab es in der wissenschaftlichen und der pseudowissenschaftlichen Literatur ein großes Durcheinander. Es wurde höchste Zeit, bundesweit Einheitlichkeit herzustellen. Ich bin außerdem sehr zufrieden damit, dass die Stiftung „Prävention und Gesundheitsförderung“ als Herzstück des Präventionsgesetzes die Aktivitäten der beteiligten Sozialversicherungsträger organisiert und koordiniert. Das ist ebenfalls ein wesentlicher Aspekt. Obwohl ich weiß, dass mein Sportfreund Klaus Riegert gleich noch etwas dazu sagen wird - hoffentlich nehme ich nichts vorweg -, sei es mir gestattet, auf den Anteil des Sports an der Prävention einzugehen. Wir haben im Sportausschuss schon zwei Anhörungen zu dem Komplex Prävention durchgeführt. Ich bin mir sehr sicher, dass es uns gelingen wird, im Sportausschuss einen Konsens zu finden. Ich möchte in diesem Zusammenhang Professor Banzer zitieren, über dessen Aussagen ich sehr glücklich und froh bin: Aus meiner Sicht ist der Gesetzentwurf für den organisierten Sport mit dem DSB an der Spitze grundsätzlich als positiv zu bewerten. ({7}) Die Sportvereine sind explizit in das Gesetz mit einbezogen worden. Wir haben daher eine offizielle Aufforderung durch das Gesetz erhalten, in der Prävention mitzuwirken. Das sind gewichtige Worte; denn Professor Banzer ist der Experte des DSB für Prävention, also eines Verbandes, der mit immerhin 27 Millionen bis 28 Millionen Mitgliedern in der Bundesrepublik nicht ganz unwichtig ist. Ich möchte ebenfalls aus der Stellungnahme des Freiburger Kreises, der Arbeitsgruppe der größeren deutschen Sportvereine, zitieren: Der Freiburger Kreis begrüßt es, dass die Prävention durch ein Gesetz als vierte Säule neben der Kuration, Rehabilitation und Pflege in das Gesundheitssystem integriert wird. Weiter heißt es: Positiv hervorzuheben sind der Vorrang der Prävention vor der Kuration, Rehabilitation und Pflege und die Betonung der Eigenverantwortung. Zum Schluss heißt es: Der Freiburger Kreis begrüßt den Gesetzentwurf und sieht darin eine große Chance, den Sport als einen Teil der primären Prävention und Gesundheitspolitik im Gesundheitssystem zu etablieren. So weit der Freiburger Kreis. ({8}) Ich möchte aber auch sagen, was mich an dem Gesetzentwurf stört. Ich werde nicht alles wiederholen; nur so viel: Mich stört, dass die PKV in das Präventionsgesetz nicht einbezogen worden ist. Ich weiß, dass es keine gesetzgeberische Kompetenz gibt, die es erlaubt, die PKV zu einer Beteiligung am Präventionssystem zu verpflichten. Mindestens genauso stört mich das Ausklammern der Arbeitslosenversicherung; denn gerade Arbeitslose haben einen hohen Bedarf an Präventionsleistungen. Angesichts des milliardenschweren Budgets der Arbeitslosenversicherung wäre ein angemessener Beitrag sicherlich beitragsneutral zu gestalten gewesen. Ein Beispiel: Es kann im Rahmen eines Settingansatzes in einer Kindertagesstätte oder in einer Schule dazu kommen, dass Geringverdiener die Prävention für Kinder von Freiberuflern und Besserverdienenden finanzieren. Das ist makaber und ein Widerspruch. Frau Ministerin Schmidt, ich fordere Sie deshalb auf: Setzen Sie Ihre Bemühungen fort, hier etwas zu verändern! Die PKV und die Arbeitslosenversicherung müssen einbezogen werden. ({9}) Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass es uns gelingen wird - es muss uns gelingen -, die Prävention als eigenständige vierte Säule aufzubauen und ein Präventionsgesetz zu formulieren und noch in diesem Jahr in Anwendung zu bringen. Wenn uns das gelingt, wäre das aber noch lange kein Grund für Selbstzufriedenheit oder Arroganz - mir bleiben noch 42 Sekunden an Redezeit -; ({10}) denn Gesundheit ist schon in der Antike ein hohes Gut gewesen. Schon die Ärzte der Antike hatten neben der Pharmazeutik und der Chirurgie eine dritte Säule: Sie nannten das nicht Prävention, sie nannten das Diätetik. Sie hatten einen ganzen Katalog von vorbeugenden Gewohnheiten: erstens ausgewogene Ernährung - das ist in unserem Entwurf auch enthalten -; zweitens ausreichend Bewegung; drittens - das ist in unserem Entwurf nicht so sehr enthalten - die Wohltaten von Massagen und Bädern; viertens guter Schlaf; den fünften Aspekt kann ich wegen der Würde des Hohen Hauses nicht nennen. ({11}) Gesundheit war also bereits in der Antike im Wesentlichen eine Eigenleistung. Es war und ist geboten, diese durch eine vernünftige Lebensweise zu erbringen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Lohmann, auch die Verkündung verbleibender Redezeiten kostet Redezeit ({0}) und hat dem Plenum nun das Vortragen genau der Präventionsmaßnahme vorenthalten, die die größte Aufmerksamkeit erzeugt hätte. ({1}) Zu einer Kurzintervention erhält nun der Kollege Wolfgang Zöller das Wort.

Wolfgang Zöller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002603, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegin Bender und der Kollege Lohmann haben etwas behauptet, was eindeutig falsch ist. Sie haben gesagt, unter unserer Regierungszeit sei § 20 SGB V - Prävention - gestrichen worden. Ich möchte feststellen: Das ist eindeutig falsch. Was damals gestrichen wurde, waren PR-Maßnahmen von Krankenkassen, die zum Beispiel Geld für Bauchtanz und Taucherbrillen ausgegeben haben. ({0}) In diesem Paragraphen wurde festgelegt, dass nur noch sinnvolle Maßnahmen zur Prävention gefördert werden können. Die Selbstverwaltung hat dann einen Katalog darüber erstellt, welche Maßnahmen als sinnvoll zu erachten sind. Nicht sinnvolle Maßnahmen wurden gestrichen. Das ist nach wie vor richtig. ({1})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nächste Rednerin ist die Kollegin Barbara Lanzinger, CDU/CSU-Fraktion.

Barbara Lanzinger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003499, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dies ist nun also die erste Lesung zum Entwurf eines Präventionsgesetzes der Koalitionsfraktionen. Viele warten auf dieses Gesetz: die Leistungserbringer, Interessengruppen, Verbände, Selbsthilfegruppen, Länder, Kommunen und selbst der Bund. Endlich kann man so richtig loslegen - aber mit was denn? Ich hätte erwartet, Frau Ministerin, dass Sie so richtig loslegen. Sie haben uns aufgefordert, diesen Gesetzentwurf nicht kleinzureden. Ich würde diesen Wunsch an Ihre grünen Partner und an Ihre Kollegen der SPD richten; denn sie haben diesen Gesetzentwurf sehr wohl in sehr kleinkarierter Weise kritisiert. ({0}) Der Begriff Prävention wird mittlerweile vielfach und in einer immensen Bedeutungsvielfalt gebraucht und die Prävention wird als Zaubermittel schlechthin dargestellt. Als Zaubermittel für was? Erreichen wir mehr durch Impfung, Reihenuntersuchungen, Vorsorge, richtiges Essen und Verhalten, Bewegung, Gedächtnistraining? Bekommen wir durch Prävention weniger Übergewichtige, Suchtkranke, Depressive, psychisch Erkrankte? Ich meine ja, wenn das Gesetz den Hauptbegriff von Prävention zum Inhalt hat und ihn auch umsetzt. Prävention bedeutet nämlich, aus dem Lateinischen übersetzt, vorbeugen und zuvorkommen, ursprünglich sogar abschrecken, wachrütteln und Unerwünschtes vermeiden. Wenn im Präventionsgesetz Unerwünschtes definiert und den Zieldefinitionen ein zeitlicher Rahmen gesetzt wird, der angibt, bis wann es beispielsweise alle Akteure im Gesundheitsbereich schaffen sollen, dafür zu sorgen, dass wieder mehr geimpft wird und dass es weniger Übergewichtige gibt, dann ist es sicherlich richtig. Für Gesundheitsförderung und Gesundheitserhaltung kann der Gesundheitsbereich allein nicht sorgen. Eine Vernetzung und eine Verstärkung des Engagements aller Akteure im Gesundheitswesen - Sozialversicherungsträger, betriebliche Einrichtungen, private Versicherungen, Verbände, Kommunen und Länder - sind dringend notwendig. Dieses Gesetz darf jedoch nicht eine Art Tummelplatz werden, auf dem man der Auffassung ist, ein neuer Finanzierungstopf für bereits Vorhandenes und bereits Laufendes sei gefunden. ({1}) Dann gelingt Prävention nicht. Vom Gesetzentwurf sind wichtige Gruppen nicht betroffen, zum Beispiel - das wurde angesprochen - die privaten Versicherungen sowie die Bundesagentur für Arbeit. Ich denke, hier liegen Wunsch und Wirklichkeit weit auseinander. Ungut ist auch, dass im Gesetzentwurf zu sehr auf die primäre Prävention, also auf das Vorbeugen des erstmaligen Auftretens von Krankheiten, fokussiert wird. Das reicht nicht aus. Frau Kollegin Bender, Sie wünschen sich, dass wir an die Menschen herantreten. Dazu ist es notwendig, dass gerade die sekundäre und die tertiäre Prävention noch besser verankert werden. ({2}) Sekundäre und tertiäre Prävention besagt Folgendes: Gerade auf die Verhütung von Verschlimmerung von Erkrankungen - psychische Erkrankungen, Schmerzen, Sucht; um nur einige zu nennen - muss ein viel größeres Augenmerk gerichtet werden. Dem wird dieses Gesetz schlichtweg nicht gerecht. Wenn seine Umsetzung erfolgreich sein soll, dann dürfen wir nicht nur von der Förderung der körperlichen Gesundheit, sondern müssen auch von der Förderung der seelischen Gesundheit sprechen. ({3}) Prävention und Gesundheitsförderung gehören zusammen und sind keine rein verhaltensbezogenen Botschaften. Sie setzen in und an den Lebenswelten an - das wird im Gesetz richtig dargestellt -: Wohnumfeld, Schule, Kindergärten; aber die Familie, ein ganz wesentliches Lebensumfeld, fehlt. ({4}) Dabei ist die Familie die wichtigste Lebenswelt. Wie wir alle wissen, leistet sie oftmals nicht mehr das Erlernen und das Trainieren von individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten, damit jemand für seine Gesundheit eigenverantwortlich sorgen kann. ({5}) Gerade die Familie ist als Lebenswelt der wichtigste Bereich, in dem man lernt, mit seinem Körper, seiner Umwelt, mit sich selbst bewusst und verantwortlich umzugehen. ({6}) Das Präventionsgesetz hat nur Erfolg, wenn es schon vorhandene Strukturen aufgreift, vernetzt und bündelt, um Veränderungen zu erreichen. Ganz elementar sind gesicherte Daten. Sie fehlen, auch auf Bundesebene. Ich möchte wissen, wie mit bereitgestelltem Geld umgegangen wird. Gerade die Kommunen scheinen mir der ursprünglichste und wichtigste Ort zu sein, um Lebenswelten, Lebensumfelder zu bündeln, Schwachstellen zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen. Die teilweise schon vorhandenen kommunalen Gesundheitskonferenzen und „gesunde Städtenetzwerke“ scheinen ein bewährtes Vorgehen zu sein. Jedoch darf dies nicht dazu führen, dass die Kommunen und die Länder die bisher zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel kürzen, um mit Geldern der Sozialversicherungen weiter zu arbeiten. ({7}) So muss man nicht unbedingt der Auffassung sein, dass wir, wie im Gesetzentwurf formuliert, neue Länderund Bundesstrukturen brauchten, um zielorientiert handeln zu können. Es ist ein Trugschluss von Rot-Grün, zu glauben, mit immer neuen Strukturen könne man mehr und Besseres erreichen. Es gilt vielmehr, die Vielzahl schon vorhandener Strukturen auf Länder- und Bundesebene zu sichten, zu nutzen und entsprechend zu bündeln. Unbürokratisches und zielorientiertes Handeln ist gefragt. Ständig zusätzliche Strukturen machen das Ganze uneffizient, in der Abstimmung und der Umsetzung schwierig. Das Ganze kostet Geld und Zeit und bringt für Prävention und Gesundheitsförderung nichts. ({8}) Ein alter Spruch heißt: Schiebst du das Geld hin und her, macht es nur die Taschen leer. Genau das trifft hier zu. ({9}) Die geplante Stiftung ist ein solches Konstrukt. Da bleibt viel zu viel Geld hängen und kommt bei den Menschen nicht an. Zum Schluss noch einmal zu den von mir eingangs erwähnten Akteuren; Kollege Parr hat die allseits bekannte PR-Aktion der Ministerin Künast auch schon erwähnt. Ein Ministerium macht ein Präventionsgesetz, das andere macht eine PR-Aktion. Es grenzt schon an Peinlichkeit, wenn diese beiden Ministerien nicht in der Lage sind, hierbei zusammenzuarbeiten. ({10}) Das gehört zusammen, liebe Ministerinnen! ({11}) Hier passiert wieder einmal etwas, was rot-grüne Politik letztlich ausmacht und was die Menschen draußen satt haben. Jeder kocht sein eigenes Süppchen und spuckt am liebsten noch in das des anderen hinein. Ein Kassensturz wäre notwendig, um festzustellen, was bisher schon an Geldern vorhanden ist. Man müsste auch einmal wissen, für was es gebraucht wird. Ein Präventionsgesetz muss transparent sein, muss in seinen wesentlichen Inhalten und Zielen für die Bevölkerung verständlich sein. Prävention und Gesundheitsförderung haben nur dann eine Chance, wenn das nicht eine Frage der Geldverteilung wird, sondern eine Frage der Einstellung, der Gesinnung, des Engagements, dem sich jeder verpflichtet fühlt, des Vorbeugens, des Zuvorkommens und des Wachrüttelns. Bewegen durch Bewegung, darauf warten die Menschen. Danke schön. ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile der Kollegin Dr. Gesine Lötzsch das Wort.

Dr. Gesine Lötzsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003584, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir als PDS begrüßen das Gesetz zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention. ({0}) Es ist ein erster, allerdings sehr kleiner Schritt in die richtige Richtung. Auf mich macht dieses Gesetz deshalb den Eindruck eines Trostpflasters. Es ist ein Trostpflaster für engagierte Gesundheitspolitiker, die mit der ungesunden Gesundheitsreform der großen Koalition von SPD, CDU/CSU und Grünen nur schwer leben können. Sie sollen mit dem Präventionsgesetz entschädigt werden. Doch die beste Gesundheitsvorsorge wäre eine Rücknahme der ungesunden Regelungen. ({1}) Die 10-Euro-Praxisgebühr und die höheren Zuzahlungen auf Medikamente und Hilfsmittel sowie bei Krankenhausaufenthalten machen viele Menschen nicht gesünder, sondern erst richtig krank. Nach einem Jahr Gesundheitsreform gibt es Zahlen und Statistiken, die das belegen. Zahlreiche Studien zeigen, dass vor allem sozial Benachteiligte einer besonderen gesundheitlichen Gefährdung unterliegen. In meiner Heimatstadt Berlin - wie anderswo auch - sind die Auswirkungen sozialer Unterschiede deutlich zu erkennen. Die PDS-Senatorin Heidi Knake-Werner hat in ihrem Gesundheitsbericht 2003 festgestellt, dass ein Mann im reichen Steglitz-Zehlendorf in Berlin mit 77,2 Jahren durchschnittlich um vier Jahre älter wird als ein Mann, der im armen Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin wohnt. Im armen Berlin-Neukölln ging die Anzahl der Arztbesuche im Vergleich zum reichen Steglitz-Zehlendorf um etwa das Doppelte zurück. Die Praxisgebühr hat sich also als ein sozialer Selektionsmechanismus erwiesen. Sie steuert die sozial Schwachen aus dem Gesundheitssystem heraus. Die Abschaffung der Praxisgebühr und die Reduzierung der Zuzahlungen, wie wir als PDS es fordern, wären ein wirklicher Beitrag zur Gesundheitsvorsorge. Ich möchte abschließend etwas zur Finanzierung des Gesetzes sagen. 250 Millionen Euro sind wirklich nicht viel Geld für die Gesundheitsvorsorge von 80 Millionen Menschen. Das sind im Jahr 3 Euro pro Person. Ich habe einen Finanzierungsvorschlag, der eigentlich allen gefallen müsste und den Sie in das Gesetz aufnehmen sollten. 2 000 Berliner sterben jährlich an den Folgen von Alkoholmissbrauch. Die Folgen des Rauchens überleben in Berlin jährlich etwa 100 Männer und 700 Frauen nicht. Die Tendenz ist steigend. In Deutschland insgesamt leiden über 1,2 Millionen Menschen an einer Tablettensucht. In Anbetracht dieser Zahlen wäre es aus meiner Sicht nur logisch, wenn die Alkohol-, die Tabak- und vor allem die Pharmaindustrie ihren Beitrag zur Gesundheitsvorsorge leisten würden. ({2}) Ich befürchte allerdings, dass die Bundesregierung diesen nahe liegenden Gedanken nicht einmal in Erwägung gezogen hat: Aber die Beratungen beginnen ja erst. Wir als PDS unterstützen den Gesetzentwurf zur Prävention und verbinden damit die Hoffnung, dass die Koalition und die CDU/CSU zur Einsicht gelangen und den Mut aufbringen, gesundheitsbedrohende Regelungen wie die Praxisgebühr und die hohen Zuzahlungen zurückzunehmen. Vielen Dank. ({3})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Klaus Riegert, CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Klaus Riegert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001847, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weltweite wissenschaftliche Untersuchungen zeigen eindeutige Ergebnisse: Je früher Menschen mit Sport und Bewegung beginnen, desto gesünder ernähren sie sich, desto weniger anfällig sind sie für Krankheiten und desto weniger anfällig sind sie auch für den Konsum von Genussmitteln. ({0}) Alles spricht dafür, Sport und Bewegung bei der Prävention eine herausragende Rolle zuzumessen. Die Bedeutung des Sports bei der Prävention muss im Präventionsgesetz verankert werden. ({1}) Über die Ursachen und Folgen vieler Krankheiten gibt es kaum Erkenntnisdefizite, dennoch nehmen zu viele Menschen diese Ursachen auf die leichte Schulter. Das Ergebnis mangelnder Bewegung und falscher Ernährung ist: Schon fünfjährige Kinder leiden an Altersdiabetes und die Zunahme der Anzahl fettleibiger Kinder ist erschrekkend. Es fehlt offensichtlich das Bewusstsein der Betroffenen, dass sie mehr Eigenverantwortung für die Gesundheit übernehmen müssen. Dieses Bewusstsein müsste aber schon im Elternhaus herausgebildet werden. Eltern tragen bei der Erziehung ihrer Kinder auch die größte Verantwortung für deren Gesundheit. Das sollten sie sich stärker bewusst machen. ({2}) Obst und ein Vollkornbrot sind als Schulnahrung besser als ein 5-Euro-Schein für die Currywurst oder den Döner. Statt Geld für Videospiele auszugeben, wäre es sinnvoller, dieses Geld als Mitgliedsbeitrag in einem Sportverein zu verwenden. ({3}) In Kindergärten und Schulen sollte mehr Gewicht auf gesunde Ernährung und Bewegung gelegt werden. Täglich eine Stunde Bewegung ist ein Muss. Unsere Bildungspolitiker müssen endlich dem Sport in der Bildung mehr Gewicht verleihen. ({4}) 27 Millionen Mitglieder treiben in 87 000 Sportvereinen Sport. ({5}) Diese halten eine Infrastruktur vor, die jedem Mitglied umfassende und vielfältige Bewegungsmöglichkeiten anbietet. Jeder kann nach seinen Interessen und Möglichkeiten Sport treiben. Herr Präsident, schauen wir einmal selbstkritisch in unsere Reihen: Der eine oder die andere könnte sich mehr bewegen und stärker auf die Ernährung achten. ({6}) In diesem Zusammenhang weise ich auf das Angebot der Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag hin. Da können auch wir Sport treiben. Unsere Sportvereine unterbreiten darüber hinaus von den Krankenkassen und Ärzten geprüfte und anerkannte qualitätsgesicherte Gesundheitsangebote. Sie könnten dies aufgrund der Organisationsstruktur flächendeckend für zusätzlich 5 Millionen Menschen anbieten. Die Krankenkassen müssten dafür pro Jahr und Versicherten 1,50 Euro aufbringen. Machbar wäre das heute schon. Die Krankenkassen sind sich der Bedeutung von Prävention durchaus bewusst. Sie sind bereit, von den 2,56 Euro mehr Geld für Prävention bereitzustellen, weil sie wissen, dass auf sie eine gewaltige Kostenlawine zurollt, wenn nicht schnell gehandelt wird. Vor allem, wenn nicht unverzüglich bei Kindern und Jugendlichen mit der Prävention begonnen wird. ({7}) Für diese Bundesregierung ist Sport mit Glanz und Glamour verbunden. Wenn eine Kamera da ist, sitzt der Minister Schily immer in der ersten Reihe. ({8}) Frau Künast glänzt aber heute durch Abwesenheit. Es ist somit nicht verwunderlich, dass dem Sport als Mittel der Prävention in diesem Gesetzentwurf keine besondere Bedeutung zugemessen wird. ({9}) Der Gesetzentwurf hat überwiegend Appellationscharakter. Er bietet keine Garantie für eine erfolgreiche Prävention, er sieht mehr oder weniger die Übernahme der Koordinierung bereits bestehender Einrichtungen und Systeme vor und bewirkt vor allem eines: mehr Bürokratie! Wir sollten aufpassen, dass nicht Geld für Bürokratie ausgegeben wird, das besser in Maßnahmen investiert werden könnte, ({10}) oder dass gar gut funktionierende Programme, lieber Kollege Lohmann, wie zwischen der AOK BadenWürttemberg und dem Schwäbischen Turnerbund, infolge der Umsetzung dieses Gesetzentwurfs zerschlagen werden. ({11}) Ich habe berechtigte Zweifel, dass das Gesetz die Ziele und Erwartungen erfüllt. Das Gesetz schafft eine riesige Bürokratie. Aber welche Möglichkeiten haben wir, wenn die Ziele der Prävention verfehlt werden? Der deutsche Sport mit seiner umfassenden Infrastruktur in den Sportvereinen bietet einen hervorragenden Ansatz zur Prävention, flächendeckend, kostengünstig und qualitätsgesichert. Bei allem, was gesetzgeberisch beschlossen wird: Ohne Sport und Bewegung ist Prävention nicht möglich. Wir sollten nicht vergessen: Sportförderung und die Unterstützung unserer Sportvereine ist die beste Prävention. ({12}) Deshalb ist dem Sport und den Sportvereinen im Präventionsgesetz eine hervorgehobene Stellung zuzuordnen. Danke schön. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 15/4833 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlage auf Drucksache 15/4671 soll an dieselben Ausschüsse und zusätzlich an den Ausschuss für Tourismus, nicht jedoch an den Haushaltsausschuss gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. Die Vorlage auf Drucksache 15/4830 soll an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist offenkundig der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 23 sowie den Zusatzpunkt 9 auf: 23 Erste Beratung des von den Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl ({0}), weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Vizepräsident Dr. Norbert Lammert Gesetzes über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes ({1}) - Drucksache 15/4731 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung ({2}) Innenausschuss Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss ZP 9 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Versammlungsgesetzes und des Strafgesetzbuches - Drucksache 15/4832 Überweisungsvorschlag: Innenausschuss ({3}) Rechtsausschuss Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für diese Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Wolfgang Bosbach für die CDU/ CSU-Fraktion. ({4})

Wolfgang Bosbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002632, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um die Debatte heute Morgen besser verstehen zu können, müssen wir einen Blick zurückwerfen: 29. Januar 2000: Neonazis marschieren mit schwarzweiß-roten Fahnen durch das Brandenburger Tor. Die Bilder gehen um die Welt. Der Ort und der Zeitpunkt sind ganz bewusst gewählt worden: Der 27. Januar erinnert an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, der 30. Januar an die Machtergreifung Hitlers 1933. 17. September 2000, 17 Uhr, Hamburg, 50. Geburtstag der Gewerkschaft der Polizei: Der Bundeskanzler verkündet lautstark, er könne niemandem erklären, warum es die Bundesrepublik Deutschland zulasse, dass Neonazis durch das Brandenburger Tor marschierten; solche Bilder gingen um die Welt und würden unser Land blamieren. Das Demonstrationsrecht müsse dringend geändert werden. - Donnernder Applaus. Was tut der Kanzler daraufhin? - Nichts. 27. November 2000: Die CDU/CSU-Fraktion bringt einen Gesetzentwurf ein, der unter anderem vorsieht, für Orte von herausragender nationaler und historischer Bedeutung befriedete Bezirke auszuweisen, wenn die Bundesländer dies wünschen, beispielsweise im Falle des Holocaust-Mahnmals, aber auch der Neuen Wache und des Brandenburger Tores. Entscheidend ist für uns der Schutz - ob durch ein Bundesgesetz, eine Rechtsverordnung oder ein Ländergesetz ist demgegenüber zweitrangig. 16. Mai 2002: Rot-Grün lehnt das Gesetz ab. Herbst 2004: Die NPD meldet für den 7. und 8. Mai 2005 Demonstrationen an. Geplanter Weg: Neue Wache, Brandenburger Tor, Holocaust-Mahnmal. 11. Februar 2005: Die beiden Verfassungsminister Brigitte Zypries und Otto Schily erkennen auf einmal, dass Eile geboten ist, und stellen einen eigenen Gesetzentwurf vor. Geändert werden sollen das Strafgesetzbuch und das Versammlungsgesetz, um derartige Neonazidemonstrationen wirksam verhindern zu können. 15. Februar 2005: Die rot-grüne Koalition kassiert Teile dieses Gesetzentwurfes wegen verfassungsrechtlicher Bedenken und kündigt einen eigenen Gesetzentwurf an. Dieser Ablauf hat viel mit politischer Realsatire, aber überhaupt nichts mit einer seriösen Politik zu tun. ({0}) Dass wir Demonstrationen von Neonazis nicht grundsätzlich verbieten können, ist klar. Auch Extremisten sind Träger von Grundrechten. Auch für sie gilt grundsätzlich das Recht auf Demonstrationsfreiheit. Solange die NPD nicht verboten ist, muss sie behandelt werden wie andere Antragsteller auch. Das kann aber doch nicht im Umkehrschluss bedeuten, dass wir verfassungsrechtlich verpflichtet sind, der NPD oder den Jungen Nationaldemokraten auch noch besonders sensible Orte von herausragender nationaler, historischer Bedeutung als medienwirksame Kulisse für ihre unappetitlichen Aufzüge zur Verfügung zu stellen. ({1}) Das Brandenburger Tor ist nicht nur ein Symbol für das wiedervereinigte Deutschland, wie es in der Vergangenheit ein Symbol für die deutsche Teilung war. Es ist leider auch ein Symbol für Hitlers Machtergreifung. Die Bilder vom 30. Januar 1933 müssten uns eigentlich alle in Erinnerung sein. Die NPD will gerade deshalb dort demonstrieren, weil sie ihren Aufzügen eine Prägung geben möchte, die an die Nazizeit erinnert. Diese Bilder gehen um die Welt. Sie diskreditieren nicht nur Berlin, sie diskreditieren ganz Deutschland und unsere Demokratie. Deshalb sollten wir sie zukünftig verhindern. ({2}) Uns sollte es nicht egal sein, welches Bild die Welt von unserem Land hat. Wenn es die Koalition in der Vergangenheit nicht abgelehnt hätte, den Ländern die Möglichkeit zu geben, befriedete Bezirke an solchen Orten einzurichten, dann müssten wir diese Debatte heute nicht führen. Alternativ schlagen wir vor, den befriedeten Bezirk Deutscher Bundestag, den es jetzt schon gibt, um die Liegenschaften Holocaust-Mahnmal und Brandenburger Tor auszuweiten und zukünftige Aufzüge nach dem Prinzip „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“ zu regeln. Dagegen gibt es Bedenken. Diese Bedenken müssen wir berücksichtigen und ernst nehmen. Zunächst möchte ich auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Münster vom Dezember 1993 im Zusammenhang mit der Bonner Bannmeile hinweisen. Auch damals war das Prinzip „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat zwar eine Demonstration in der Bannmeile genehmigt. Man muss aber wissen, um welchen konkreten Fall es sich gehandelt hat: 25 Greenpeace-Aktivisten wollten in der sitzungsfreien Zeit vor dem Haus der Bundespressekonferenz demonstrieren, weil darin der australische Premierminister eine Pressekonferenz zu einer Antarktisproblematik abhielt. ({3}) Dies mit dem Vorgang zu vergleichen, dass Tausende von Neonazis in Sichtweite des Reichstagsgebäudes durch das Brandenburger Tor marschieren, halte ich für ziemlich abwegig, jedenfalls nicht für zwingend geboten. ({4}) Jetzt kommen wir zu dem Hauptargument der Grünen. Volker Beck wird vorgestern mit den Worten zitiert: Wir können doch nicht den befriedeten Bezirk Deutscher Bundestag ausweiten und damit „halb Berlin-Mitte“ von Demonstranten freihalten. ({5}) Es ist auf den ersten Blick ein gewichtiges Argument. Man muss aber einmal schauen, ob es zutrifft. Der Bezirk Berlin-Mitte ist 3 947 Hektar groß. ({6}) Die Fläche des jetzigen befriedeten Bezirks umfasst genau 1,2 Prozent dieser Fläche; nach unseren Vorstellungen wären es zukünftig 1,5 Prozent. Wenn Sie sagen, die um 0,3 Prozentpunkte vergrößerte Fläche sei ein verfassungswidriger Eingriff in die Grundrechte der Demonstranten, dann dürfen Sie uns nicht böse sein, dass wir dieses Argument nicht nachvollziehen können. ({7}) Laut Reuters hat der Kollege Dr. Wiefelspütz das Argument vorgebracht: Wir lehnen den Vorschlag der Union ab, weil das Brandenburger Tor keinen Bezug zum Parlament und keinen Bezug zur NS-Geschichte hat. ({8}) Das Bild von den durch das Brandenburger Tor marschierenden Nationalsozialisten müsste Ihnen eigentlich bekannt sein, Herr Kollege Wiefelspütz. ({9}) Sie wollen gerade an diesem Ort demonstrieren, weil sie an Hitlers Machtergreifung erinnern wollen. ({10}) Da Sie fragen, was das Brandenburger Tor mit dem Deutschen Bundestag zu tun hat, zeige ich Ihnen einmal die Grenzen des befriedeten Bezirks: Wir schützen das Parlament der Bäume. Wir schützen die Spree. ({11}) Wir schützen die Schweizer Botschaft. Wir schützen das Sowjetische Ehrenmal. ({12}) Ich bitte darum, dass Sie mir hier gleich erklären, wieso die Schweizer Botschaft und das Sowjetische Ehrenmal einen größeren Bezug zum Deutschen Bundestag und zur Arbeit des Parlaments haben als das Brandenburger Tor. Auch die Französische Botschaft liegt im befriedeten Bezirk. ({13}) Wir sind bereit, den Gesetzentwurf der Koalition wohlwollend zu prüfen. Wenn es Orte gibt, die des besonderen Schutzes bedürfen, wie beispielsweise das Holocaust-Mahnmal, aber dann natürlich auch die Orte des authentischen Geschehens, wie die Konzentrationslager, sind wir gerne bereit, gemeinsam mit Ihnen diese Orte zu schützen. Wir sollten uns auch nicht über Punkte streiten, in denen wir uns eigentlich einig sind, nur um des Streites willen. ({14}) Wenn Sie aber das Hauptproblem nicht lösen, werden Sie und werden wir alle unserer besonderen Verantwortung nicht gerecht. Danke. ({15})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun die Kollegin Erika Simm, SPDFraktion.

Erika Simm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002176, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Bosbach, phasenweise hat hier nicht die Ernsthaftigkeit geherrscht, ({0}) mit der man dieses Thema eigentlich angehen müsste. ({1}) Ich vermisse eine etwas vertieftere Auseinandersetzung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen, in denen wir uns bei diesem Thema zwangsläufig bewegen müssen. Es gibt gesicherte Rechtsprechung zu dem Thema. Das OVG Münster hat - auch wenn Sie das bagatellisiert haben - sehr grundsätzliche Ausführungen gemacht, die ich für mich schon als verbindliche Richtschnur für die Ausweitung der befriedeten Bezirke annehme. Welches sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, in denen wir uns bewegen? Befriedeter Bezirk heißt Einschränkung des Versammlungsrechts. Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz garantiert allen Deutschen, sich ohne Erlaubnis frei zu versammeln. Art. 8 Abs. 2 Grundgesetz gibt die Möglichkeit, dieses in der Demokratie besonders hochrangige Grundrecht durch einfaches Gesetz einzuschränken. Solche einschränkenden Gesetze sind das Versammlungsgesetz und das Gesetz über befriedete Bezirke für Verfassungsorgane des Bundes, das wir nach dem Umzug nach Berlin neu geregelt haben. ({2}) Auch wenn Art. 8 Abs. 2 Grundgesetz die Möglichkeit gibt, die Versammlungsfreiheit durch einfaches Gesetz einzuschränken, heißt das nicht, dass diese Einschränkung beliebig vorgenommen werden kann. ({3}) Dazu gibt es nicht nur die Entscheidung des OVG Münster, sondern insbesondere auch die Brokdorf-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Diese legen gesicherte Rahmenbedingungen fest, in denen wir uns zu bewegen haben, wenn wir entsprechende Gesetze machen oder ändern. Nach dieser gesicherten Rechtsprechung ist eine Einschränkung des Versammlungsgrundrechts nur zum Schutz gleichwertiger anderer Rechtsgüter zulässig. Außerdem muss der Wesensgehalt des Grundrechts immer erhalten bleiben. Welches sind dann im konkreten Fall der Bannmeile - um den alten Begriff zu verwenden - die anderen gleichwertigen Rechtsgüter, zu deren Schutz wir das Versammlungsrecht einschränken? Das ist - auch das ist mittlerweile allgemeine Ansicht - die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Verfassungsorgane, die durch den befriedeten Bezirk geschützt werden sollen, in unserem Fall also des Deutschen Bundestages. Nur zu dessen Schutz dürfen wir das Versammlungsrecht einschränken. Das gilt sowohl, was die Größe des befriedeten Bezirks angeht, als auch, was die Zulässigkeit von Ausnahmegenehmigungen für Versammlungen innerhalb des befriedeten Bezirkes angeht. Sie wenden jetzt einen juristischen Trick an, indem Sie künftig im Gesetz ein generelles Verbot mit Erlaubnisvorbehalt formulieren wollen. ({4}) - Natürlich war das so. Wir sind davon in der Neuregelung mit gutem Grund abgewichen. ({5}) Ihr Vorgehen bringt Sie auch nicht weiter; denn dann, wenn das Schutzgut „Arbeitsfähigkeit des Parlamentes“ nicht durch eine konkret geplante Demonstration gefährdet ist, haben Sie die entsprechende Erlaubnis zu erteilen. ({6}) Dann reduziert sich das Ermessen auf null. Das hat das OVG Münster in seiner Entscheidung von 1993 dezidiert gesagt. ({7}) Darin ist immer wieder von der Ermessensreduzierung auf null die Rede. Wenn Sie das Urteil wirklich gelesen haben, werden Sie das festgestellt haben. Ergebnis der Prüfung, die wir innerhalb der SPDFraktion vorgenommen haben, ist, dass uns und Ihnen eine Erweiterung des befriedeten Bezirkes überhaupt nichts in dem Bemühen bringt, rechtsextremistische Aufmärsche und Demonstrationen im Bereich des Brandenburger Tores und des Holocaust-Denkmals zu verhindern. ({8}) Da ich davon ausgehen muss, dass Ihnen durchaus bewusst ist, wie die Rechtslage ist, bzw. zu Ihren Gunsten unterstelle, dass Sie sich mit ihr befasst haben - diejenigen von Ihnen, die sich bisher zu diesem Problem öffentlich artikuliert haben, sind ja auch entweder Innenpolitiker oder aber ich kenne sie als Rechtspolitiker aus dem Rechtsausschuss -, frage ich mich: Was soll dieser Gesetzentwurf, wenn es Ihnen wirklich darum geht, rechtsextremistische Aktivitäten ernsthaft einzuschränken und zu bekämpfen? ({9}) Herr Bosbach, Sie haben von Seriosität gesprochen. Ich halte diesen Gesetzentwurf für nicht seriös. ({10}) Für mich stellt er vielmehr Aktionismus dar: ({11}) Man tut so, als wolle man etwas erreichen - mit einem völlig untauglichen Instrument. Deswegen werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen und stattdessen das machen, was sinnvoll erscheint: entsprechende Regelungen im Versammlungsrecht schaffen, das Strafrecht in § 130 Strafgesetzbuch, Volksverhetzung, verschärfen - dieser Paragraph hat ja wieder mittelbar Einfluss auf die Genehmigungsfähigkeit von Demonstrationen - und versuchen, den vielfältigen Anliegen der Öffentlichkeit, gerade auch von Bürgermeistern, Rechnung zu tragen. Ich fordere Sie hiermit herzlich auf, mit Ihrem juristischen Sachverstand, den ich Ihnen, wie gesagt, nicht abspreche, ({12}) daran mitzuwirken. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Ich erteile das Wort dem Kollegen Jörg van Essen, FDP-Fraktion.

Jörg Essen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000495, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Bosbach ist mit einem Rückgriff in die Historie gestartet. Er hat auf einige Gesichtspunkte hingewiesen, die wir tatsächlich zu berücksichtigen haben. Auch für meine Fraktion ist es ganz selbstverständlich, dass Neonazis am 8. Mai nicht durch das Brandenburger Tor marschieren dürfen. ({0}) - Auch ich bin sicher, Herr Ströbele, dass sie das nicht tun werden; denn die Demokraten stehen zusammen. ({1}) Wer aber den Blick zurückwirft, muss natürlich auch ein anderes Ereignis erwähnen, das uns als Liberale ganz außerordentlich beschäftigt hat: der Gang der verschiedenen Verfassungsorgane zum Bundesverfassungsgericht in Sachen NPD-Verbot. SPD, CDU/CSU und Bündnisgrüne haben diesen Antrag hier im Bundestag unterstützt, wir als FDP bewusst nicht - nicht, weil wir die NPD als nicht gefährlich betrachten; das tun wir selbstverständlich. Ich tue dies auch ganz persönlich, weil ich als junger Staatsanwalt in einer Staatsschutzabteilung für die Bekämpfung der NPD zuständig war und nicht nur die Verfassungswidrigkeit dieser Partei deutlich mitbekommen habe, sondern auch ihre Gefährlichkeit, weil viele ihrer Anhänger ständig Verstöße gegen das Waffengesetz begangen haben. Aufgrund dieser Tätigkeit war mir die V-Mann-Problematik bekannt. Wir haben davor gewarnt und als Rechtsstaatspartei deutlich gemacht, dass das Verbot einer Partei in einer Demokratie das letzte Mittel sein muss. ({2}) Man freut sich zwar, wenn man Recht behält, aber in diesem Fall muss ich sagen: Leider haben wir Recht behalten haben; denn die NPD hat in Karlsruhe - das muss man leider feststellen - einen Sieg über die Verfassungsorgane davongetragen. Ich hatte gehofft, dass man daraus lernt und auch Konsequenzen für die politische Diskussion zieht. Heute erleben wir eine Debatte, die deutlich macht, dass das leider nicht der Fall gewesen ist. Wer gegen Neonazis vorgehen will, der muss streng auf dem Boden der Verfassung agieren. Nur dann zeigt er die Stärke der Demokraten. Die Diskussion der vergangenen Tage hat gezeigt, dass die Vorschläge, um die es heute geht, in vielfältiger Form fragwürdig sind. ({3}) Das hat beispielsweise dazu geführt, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung, der von der Bundesjustizministerin und vom Bundesinnenminister erarbeitet worden war, von den Koalitionsfraktionen nicht in den Bundestag eingebracht und unterstützt worden ist. ({4}) Man hat sich auf einen anderen Vorschlag geeinigt, der allerdings, wie die Diskussion der Fachleute gezeigt hat, ebenfalls höchst fragwürdig ist. ({5}) Dabei geht es zum Beispiel um folgende Fragen: Entspricht das Verharmlosen dem Bestimmtheitsgebot von Art. 103 des Grundgesetzes? ({6}) Können die symbolträchtigen, schützenswerten Orte durch eine Rechtsverordnung festgelegt werden? Wir geben auf diese Fragen eine klare Antwort: Das ist selbstverständlich nicht der Fall. ({7}) Deshalb lautet unsere klare Aufforderung an alle, keine mit heißer Nadel genähten Gesetze durch das Parlament zu peitschen. ({8}) Das würde nur Schwäche, nicht aber Stärke der Demokratie zeigen - Stärke, die wir gerade gegenüber den Neonazis demonstrieren müssen. ({9}) Nicht die heiße Nadel ist also gefordert, sondern der kühle Kopf. Wir als FDP stellen fest, dass die bestehenden Gesetze ausreichen, um das, was für den 8. Mai geplant ist, zu verhindern. Das ist ganz offensichtlich auch die Meinung von Volker Beck, der das heute Morgen im „Morgenmagazin“ des ZDF so deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Er sagt: Wir wollen ein Zeichen setzen. Genau das ist nicht die Aufgabe der Gesetzgebung. Die Gesetzgebung muss dann eingreifen, wenn tatsächlich Defizite vorhanden sind, die abgebaut werden müssen. Das haben Ihnen in den letzten Tagen nicht nur die Journalisten aufgezeigt - der Leitartikel gestern in der „FAZ“ zum Beispiel war wirklich bemerkenswert, nachdenkenswert -, sondern das sagen Ihnen auch die Experten. Wenn Sie Professor Battis nicht trauen, dann weise ich auf den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichtes hin. Auch der oberste Verwaltungsrichter in Deutschland sagt klar und deutlich, dass die Haltung meiner Fraktion, dass die bestehenden Gesetze ausreichen, richtig ist. ({10}) Die letzten Tage haben gezeigt, dass Diskussionsbedarf besteht und dass viele der Vorschläge, die angedacht sind, offensichtlich nicht tragen. Daher habe ich die herzliche Bitte an Sie, dieses Gesetz, um die Demokratie zu stärken, nicht in der nächsten Woche durch den Bundestag zu peitschen, sondern eine Anhörung durchzuführen, um zu überprüfen, ob die geplanten Regelungen wirklich tragen. Das, was Kollegin Simm zum Thema befriedete Bezirke vorgetragen hat, trifft zu. Die Patentlösung, die Kollege Bosbach uns vorgestellt hat, ist keine; ganz im Gegenteil - Frau Kollegin Simm hat das auf wirklich beeindruckende Weise vorgestellt -, es bringt uns nicht weiter. ({11}) Deshalb richte ich den herzlichen Appell an uns alle, dass wir uns an dem orientieren, was uns die Dresdner Bevölkerung am letzten Wochenende gezeigt hat. Sie hat einen kühlen Kopf bewahrt, das Geschehen bestimmt und sich nicht von den Neonazis treiben lassen. Genauso müssen auch wir agieren. Das ist die Linie meiner Fraktion. Vielen Dank. ({12})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun Hans-Christian Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen. ({0})

Hans Christian Ströbele (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002273, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir lehnen den Gesetzentwurf der Union, durch den der befriedete Bereich um das Parlament erheblich erweitert werden soll, ab, ({0}) weil sich die bisherige Eingrenzung bewährt hat, weil die Arbeitsfähigkeit des Parlaments auch durch Neonaziaufmärsche am Brandenburger Tor nicht bedroht ist und weil die gegenwärtige Diskussion über Neonaziumtriebe nicht dazu missbraucht werden darf, um am, vor dem und hinter dem Brandenburger Tor so etwas wie eine demonstrationsfreie Zone zu schaffen. ({1}) Dieser Platz um das Brandenburger Tor hat sich nach dem Fall der Mauer zum wichtigsten Demonstrationsort in Deutschland entwickelt und das soll auch so bleiben. ({2}) Wir Grünen wissen, welch hohes Gut das Recht ist, gerade auch an herausgehobenen Stellen zu demonstrieren; wir sind eine Partei, die geradezu aus dem Demonstrationsrecht geboren worden ist. ({3}) Wir haben jetzt einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem Demonstrationen auch in der Nähe des HolocaustDenkmals erlaubt sind - auch dort soll die Auseinandersetzung in Form von öffentlichen Demonstrationen stattfinden dürfen -, allerdings stellen wir klar, dass am Holocaust-Denkmal die Menschenwürde der Opfer der deutschen Naziverbrechen nicht erneut in den Schmutz gezogen werden darf, indem geleugnet und verharmlost wird; das ist der Inhalt unseres Gesetzentwurfs. ({4}) Ich sage Ihnen, Herr Bosbach: Die für den 8. Mai dieses Jahres angemeldete Demonstration der Neonazis wird am Brandenburger Tor nicht stattfinden. Die Berliner werden verhindern, dass die Neonazis durch das Brandenburger Tor ziehen; sowohl die Behörden in Berlin als auch die Bevölkerung von Berlin werden das verhindern. Ich glaube, darauf können wir vertrauen, ({5}) unabhängig davon, ob wir ein neues Gesetz haben oder nicht. Noch eine letzte Bemerkung, Herr Kollege Bosbach: Mir geht es nicht in erster Linie darum, ob hässliche Bilder um die Welt gehen, auf denen Neonazis zu sehen sind, die auf einer Demonstration durch das Brandenburger Tor ziehen. Mir persönlich geht es darum - uns allen sollte es persönlich darum gehen -, dass für uns unerträglich sein muss, dass braune Kolonnen gerade an diesem 60. Jahrestag der Befreiung erneut durchs Brandenburger Tor marschieren. ({6}) Es geht um uns alle, es geht nicht in erster Linie um die Bilder, die um die Welt gehen. Denn Demonstrationen, die letztlich der Wiederbelebung des Nationalsozialismus in Deutschland dienen, sind keine bloße Meinungsbekundung, sondern das sind Verbrechen. ({7})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Das Wort hat nun der Kollege Hartmut Koschyk, CDU/CSU-Fraktion.

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Ströbele, Sie hätten Ihre kurze Redezeit nicht mit so viel Emphase vertun sollen. Sie hätten hier im Deutschen Bundestag auch einmal deutlich machen sollen, dass nicht einmal der abgespeckte Gesetzentwurf, den die Koalitionsfraktionen uns heute präsentieren - ohne den Verbotsgrund, für den Frau Ministerin Zypries und Herr Minister Schily am letzten Freitag noch standen -, Ihre Zustimmung findet. Denn als Weltkind in der Mitten sind Sie gegen jede Beeinträchtigung des Versammlungsrechts in der heutigen Form. ({0}) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist die Untätigkeit von Rot-Grün, die jetzt diesen gesetzgeberischen Aktionismus zur Folge hat. Denn nach dem Januar 2000, als die beschämenden Bilder von NPD-Anhängern, die mit ihren unsäglichen Parolen und schwarzweiß-roten Fahnen durch das Brandenburger Tor marschiert sind, um die Welt gingen, hat zwar der Bundeskanzler großspurig angekündigt, man werde Veränderungen am Versammlungsrecht vornehmen. Aber seit dem Januar 2000 ist auf Koalitionsebene nichts getan worden. ({1}) Wir haben damals einen Gesetzentwurf vorgelegt, von dem wir kritisch zurückblickend sicher sagen müssen, dass er bei einer Anhörung verfassungsrechtlich deutliche Schwächen gezeigt hat. Nur wundert es mich schon - das einmal an die Adresse der Koalition -, dass der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Beck zeitgleich zu unserer Debatte darauf besteht, im Bundesrat einen Gesetzentwurf des Landes Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2000, ({2}) der bemerkenswerte Parallelen zum damaligen Gesetzentwurf der Union hat, auf die Tagesordnung zu setzen. ({3}) Ich will Ihnen sagen: Das ist ein Schlag ins Gesicht Ihrer handlungsunfähigen Regierung. Die Länder wissen, dass Ihre akademische Position ihnen nicht hilft, um in ihrem Bereich widerwärtige Nazi-Demonstrationen zu verbieten. ({4}) Herr Minister Schily, Sie haben jetzt zwei Jahre lang mit Ihren Innenministerkollegen aus den Ländern darum gerungen, Eckpunkte für einen Gesetzentwurf zur Verschärfung des Versammlungsrechts zu entwickeln. An die Adresse der FDP sage ich: Man merkt, dass Sie in den Ländern nicht so die Regierungsverantwortung tragen. Sie lehnen sich bei diesem Thema zurück und sagen, dass man hier überhaupt keine Veränderung braucht. Mit dieser Position machen Sie es sich zu leicht. ({5}) Fragen Sie bitte auch einmal die Länder, in denen Sie die Regierungsverantwortung mittragen, gerade auch das Land Rheinland-Pfalz, das heute Wert darauf legt, dass im Bundesrat ein solcher Gesetzentwurf auf die Tagesordnung kommt. Die Haltung der FDP, man müsse hier überhaupt nichts verändern, trägt dem Problem, das existiert und gelöst werden muss, nicht in notwendigem Maß Rechnung. ({6})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Herr Kollege Koschyk, gestatten Sie Zwischenfragen?

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Aufgrund der Reihenfolge der Wortmeldungen ist zunächst der Kollege Wiefelspütz zu berücksichtigen. Bitte schön.

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Geschätzter Kollege Koschyk, Sie kommen aus dem wunderschönen Land Bayern. ({0}) Ich möchte Ihnen die ernsthafte Frage stellen, was Ihr Gesetzentwurf, mit dem Sie die Bannmeile in Berlin auf das Brandenburger Tor erweitern, den wirklich geplagten Bürgerinnen und Bürgern in Wunsiedel bringt. Ich stelle Ihnen diese Fragen mit großem Ernst, weil mich und, wie ich denke, auch Sie das umtreibt. Was haben Sie den Menschen in Wunsiedel - der eine oder andere wird unsere Debatte mit hohem Interesse verfolgen - anzubieten? Ich glaube, wir alle miteinander würden versagen, wenn wir diesen Menschen nichts anzubieten hätten. Herr Koschyk, ich bitte Sie, uns hier zu unterbreiten, wieso Sie meinen, mit der Ausdehnung der Bannmeile bis zum Brandenburger Tor im restlichen Deutschland, also auch in Wunsiedel, etwas bewirken zu können. ({1})

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Wiefelspütz. Erstens. Wir haben immer gesagt, dass unser Vorschlag, die Ausweitung des befriedeten Bezirks, die schnellste und einfachste Lösung ist, um einen Naziaufmarsch am Brandenburger Tor und am Holocaust-Mahnmal am 8. Mai zu verhindern. ({0}) Herr Kollege Wiefelspütz, zweitens haben wir immer gesagt, dass wir einer Veränderung des Versammlungsrechts offen gegenüberstehen und konstruktiv daran mitarbeiten werden, um auch andernorts, also außerhalb des befriedeten Bezirks, Naziaufmärsche unterbinden zu können. Schauen Sie sich unseren Gesetzentwurf aus der vergangenen Legislaturperiode an! Lieber Herr Kollege Wiefelspütz, das, was die Koalition heute vorschlägt, hilft Wunsiedel in keiner Weise. Sie wissen das auch. Deshalb haben Sie gestern in einem Interview in der „Frankenpost“ - das ist die Zeitung für die Region Wunsiedel - gesagt, die Wunsiedeler sollten keine Angst haben, denn der jetzt durch den Koalitionsentwurf herausgenommene Verbotsgrund aus dem Vorschlag Schily/Zypries könne im Verlauf der parlamentarischen Beratung wieder hineinkommen, ({1}) sodass man aufgrund des Gesetzes dann auch in Bezug auf Wunsiedel wieder handlungsfähig sei. ({2}) Ich sehe jetzt die blassen Gesichter Ihrer grüner Koalitionspartner, lieber Herr Wiefelspütz, ({3}) und sage Ihnen mit allem Ernst: Das Thema ist zu ernst, um solche gesetzgeberischen Spielchen zu veranstalten. ({4}) Denn Sie führen hier doch folgendes Theater auf: Um die Grünen zu beruhigen, specken wir den Schily/ Zypries-Entwurf ab, und anschließend versetzen wir ihn, möglichst mithilfe der Union - das ist Ihr Wunsch -, infolge des öffentlichen Drucks in der parlamentarischen Beratung wieder in den alten Zustand. So macht man bei einem so wichtigen Thema keine gründlichen Gesetze. ({5})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Nun wird die Redezeit durch eine Zwischenfrage des Kollegen Stadler erweitert. Bitte schön.

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Kollege Koschyk, wenn ich einen Kommentar abgeben dürfte und nicht nur eine Frage zu stellen hätte, würde ich dem, was Sie zuletzt zu der Art und Weise gesagt haben, wie die Koalition dieses Gesetzgebungsverfahren betreibt, voll und ganz zustimmen. Ich habe mich aber deswegen gemeldet, weil Sie vorhin die FDP angesprochen haben und in der Debatte Ernsthaftigkeit angemahnt haben. Ich möchte Sie daher fragen, ob Sie uns diese Ernsthaftigkeit ebenfalls zugestehen, wenn wir mit vielen Fachleuten der Meinung sind, dass ein Aufmarsch der NPD am Brandenburger Tor und am Holocaust-Mahnmal am 8. Mai in der Tat eine unerträgliche Provokation wäre, die aber schon nach dem geltenden Recht verhindert werden kann. ({0}) Es kann doch Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen sein, dass diese Auffassung nicht darauf beruht, dass die FDP in Bundesländern angeblich nicht in der Regierungsverantwortung sei. Sie ist übrigens in mehreren Bundesländern in der Verantwortung. ({1}) Vielmehr wird diese Auffassung von Experten wie dem Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts und von ausgewiesenen Verfassungsrechtlern wie Professor Battis vertreten - ich komme gleich zum Schluss und zum Kern der Frage, Herr Präsident -, ({2}) und zwar aus folgendem Grund.

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Es wäre schön, wenn Sie den Kern der Frage mit dem Schluss verbinden könnten. ({0})

Dr. Max Stadler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002805, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich werde mich bemühen. - Der Kern des Problems liegt nämlich im geltenden Recht in § 15 des Versammlungsgesetzes, wonach Versammlungen zu verbieten sind, die gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung verstoßen. Selbstverständlich ist diese Vorschrift grundgesetzkonform auszulegen. Es verstößt gegen die Menschenwürde, wenn Neonazis vor dem Holocaust-Mahnmal aufmarschieren. Es ist auch ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wenn in dem speziellen Zusammentreffen des Jahrestags der Beendigung des Zweiten Weltkriegs und damit der Beendigung der Naziherrschaft Neonazis durch einen symbolträchtigen Ort wie das Brandenburger Tor marschieren. Stimmen Sie mir zu, dass das geltende Recht wegen dieser Argumente ausreicht und dass deswegen Ihr Vorhalt, die FDP sei untätig, unangebracht ist?

Hartmut Koschyk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001186, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Stadler, wir sind der Meinung, dass unser Gesetzentwurf zur Ausweitung des befriedeten Bezirkes eine schnelle und auch verfassungsfeste Lösung bieten würde, um wirklich eine bessere Handhabe zu haben und gerade im Hinblick auf den 8. Mai handlungsfähig zu sein. Weil Sie Änderungen am Versammlungsrecht generell ablehnen - also auch abgesehen von der besonderen Berliner Problematik um den 8. Mai herum - und meinen, die gegenwärtige Rechtslage sei ausreichend, will ich Ihnen gerne noch einmal erklären, wogegen ich mich gewandt habe: Ich frage mich, warum das Land Rheinland-Pfalz, in dem Sie bekanntlich mit in der Regierungskoalition sind, heute im Bundesrat einen Gesetzentwurf aus dem Jahr 2000 auf die Tagesordnung gesetzt hat, der eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem seinerzeit auch von der FDP im Bundestag abgelehnten Gesetzentwurf der Union hat. Es scheint hier eine unterschiedliche Auffassung zwischen der SPD im Bundestag und der SPD in der Landesregierung von Rheinland-Pfalz zu geben. ({0}) Ich sage Ihnen: Ihre Kollegen in Rheinland-Pfalz sind näher an der Praxis. Sie hingegen sehen das vielleicht etwas zu grundsätzlich. Sie sollten sich eher die Auffassung Ihrer Parteifreunde in Rheinland-Pfalz in der dortigen Regierungsverantwortung zu Eigen machen. ({1}) Ich möchte noch einmal, vor allem bei den Koalitionsfraktionen, um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf werben. Der Kollege Bosbach hat Ihnen vorhin eine Karte des befriedeten Bezirks gezeigt, die allerdings nicht farbig war. Ich zeige Ihnen jetzt eine weitere Karte, damit Sie Ihre Argumente noch einmal wägen. ({2}) Hieraus ist ersichtlich, wie weit der befriedete Bezirk ausgeweitet wird. ({3}) Der heute befriedete Bezirk reicht von der Straße des 17. Juni bis zur anderen Seite des Spreeufers. In dem Bezirk befinden sich die schweizerische Botschaft, die französische Botschaft und das Sowjetische Ehrenmal. Ich möchte von Ihnen wissen, was daran verfassungsrechtlich bedenklich ist, diesen befriedeten Bezirk um das Holocaust-Mahnmal und das Brandenburger Tor zu erweitern. ({4}) - Herr Ströbele, was hat die Spree - der Bezirk reicht sogar über das Spreeufer hinweg - mit der Sicherheit von Beratungen des Bundestags zu tun? ({5}) Ich mache Ihnen im Namen unserer Fraktion ein Angebot. Wer sagt uns denn, dass die NPD nicht versucht, wenn sie jetzt erkennt, dass der 8. Mai ein besonders sensibler Tag ist, am 7., 9. oder am 10. Mai an einem zentralen Ort in Berlin zu demonstrieren? Lassen Sie mich noch etwas zum Brandenburger Tor sagen. ({6}) - Lieber Herr Ströbele, unser Gesetzentwurf sieht vor, dass der Bundesinnenminister und der Bundestagspräsident jede Demonstration im befriedeten Bezirk genehmigen können. ({7}) Das ist selbstverständlich. Aber wir wollen eine stärkere Handhabe haben, um zum Beispiel widerwärtige extremistische Demonstrationen zu verbieten. ({8}) - Lieber Herr Ströbele, ich muss Ihnen sagen: Ich würde darauf vertrauen, dass der Bundesinnenminister oder auch der Bundestagspräsident die Fähigkeit haben, zu entscheiden, welche Demonstrationen im befriedeten Bezirk möglich sind und welche nicht. ({9}) Ich will Ihnen jetzt noch etwas zu Ihrem Gesetzentwurf sagen. Eine Schwäche in Ihrem Gesetzentwurf ist, dass Sie solche Orte durch Rechtsverordnung und nur mit Zustimmung des Bundesrates festlegen wollen. Das ist aus unserer Sicht nicht akzeptabel. ({10}) Wir treten dafür ein, dass bei der Bestimmung dieser Orte auch der Deutsche Bundestag ein Mitspracherecht hat. ({11}) Wir wollen vor allem dafür sorgen, dass es eine Öffnungsklausel gibt, sodass die Länder auch für sich selber solche sensiblen Orte und befriedeten Bezirke festlegen können. ({12}) Herr Wiefelspütz hat uns in dieser Woche im Ausschuss berichtet, dass Sie nach wie vor dazu stehen - das wurde schon im Rahmen der Föderalismuskommission behandelt -, dass das Versammlungsrecht Sache der Länder werden soll. Das, was Sie heute in diesem Gesetzentwurf den Ländern anbieten, wird und kann den Ländern nicht reichen. Deshalb muss dieser Gesetzentwurf gerade im Hinblick darauf, dass die Länder beim Versammlungsrecht handhabbare Instrumente erhalten müssen, nachgebessert werden. Ich darf Ihnen abschließend sagen: Sie können jetzt unnötigen gesetzgeberischen Aktionismus verhindern, indem Sie unserem Gesetzentwurf zur Ausweitung des befriedeten Bezirks zustimmen. Statt einen gesetzgeberischen Schnellschuss zu wagen, könnten wir so das Versammlungsrecht in aller Ruhe - mit Anhörungen und unter Abwägung der vielen schwierigen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte -, sorgfältig und seriös ändern. ({13})

Prof. Dr. Norbert Lammert (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001274

Frau Kollegin Simm, ich bitte um Nachsicht, dass ich nach deutlicher Überschreitung der ohnehin durch andere Zwischenfragen verlängerten Redezeit keine weiteren Fragen zulassen kann. Nächster Redner ist der Bundesminister Otto Schily. ({0}) ({1})

Otto Schily (Minister:in)

Politiker ID: 11001970

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Koschyk hat darauf hingewiesen, dass die Debatte um das Versammlungsrecht relativ mühsam ist. Das kann man nicht bestreiten. Ein Entwurf aus meinem Hause liegt seit langer Zeit vor. Er ist Gegenstand sehr kontroverser Erörterungen gewesen. ({0}) - In der Koalition, aber auch mit anderen, zum Beispiel mit Verfassungsrechtlern. Aufgrund der heutigen Debattenlage frage ich mich, ob Sie sich in dem Fall, dass wider Erwarten Ihre Wunschvorstellung einer von CDU/CSU und FDP geführten Bundesregierung Wirklichkeit wird, ({1}) jemals einigen könnten. ({2}) Die Debatte über das Versammlungsrecht hätte in dieser Konstellation mindestens so lange gedauert wie die, die zurzeit innerhalb der Koalition stattfindet. ({3}) Das müssen Sie doch anerkennen, wenn Sie einigermaßen objektiv an die Probleme herangehen. Ich habe heute Morgen den Agenturmeldungen entnommen, dass sowohl der Kollege Bosbach als auch der Kollege Wiefelspütz angekündigt haben, zusammen auf einen Gesetzentwurf hinarbeiten zu wollen, der eine breite Mehrheit findet. Ich kann nur dazu ermutigen, dieses Vorhaben ernsthaft anzugehen. Denn wir haben es dabei mit einem Sachverhalt zu tun, der uns als Demokraten alle zusammen angeht. Ich habe an der Veranstaltung zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz teilgenommen und ich habe noch die Worte der Opfer des Nationalsozialismus im Ohr, die die Größe zeigen, in unserem Land wieder ihren Wohnsitz genommen zu haben. Sie müssen sich einmal bewusst machen, welche seelischen Schmerzen diesen Menschen zugefügt werden, wenn sie das erleben, was die NPD heute tut. Das beschreibt unsere gemeinsame Verantwortung, meine Damen und Herren. Deshalb sollten wir die Debatte meiner Meinung nach so führen, dass jeder auf die Argumente des anderen hört. CDU und CSU befürworten eine Erweiterung befriedeter Bezirke. Jenseits der Frage, ob das sehr viel bewirkt, meine ich, dass man dafür offen sein sollte. Man muss diese Frage also stellen dürfen und sollte sie nicht gleich abwehren. ({4}) Darüber, dass damit das Problem womöglich nicht vollständig erfasst wird, sind wir uns, glaube ich, alle einig. ({5}) Wir sind uns doch darin einig, dass wir bestimmte Bezirke schützen müssen, die der Erinnerung dienen. Ich denke in diesem Zusammenhang weniger an das Brandenburger Tor als an das Mahnmal. Mit den Ländern wurde bereits eine Einigung getroffen. Jetzt stellt sich die Frage, wie wir damit umgehen. Wer hat darüber zu befinden? Wir haben in der Föderalismuskommission eine breite Einigung darüber erzielt - ich kann mich gut daran erinnern -, dass die Länder das Versammlungsrecht regeln sollen. ({6}) Deshalb wäre es auch richtig, dass wir die Festlegung der zu schützenden Orte den Ländern überlassen. ({7}) Ich bin insoweit bereit, meine Vorstellungen abzuändern und mich mit einer Kompetenz der Länder einverstanden zu erklären. Das würde den Überlegungen der Föderalismuskommission genau entsprechen. Ein anderer Paragraph, der umstritten ist und den der Kollege Wiefelspütz - ich bedanke mich ausdrücklich dafür - nicht aus dem Blickfeld verliert, ist § 15 Abs. 2 unseres Gesetzentwurfes, der vorsieht, dass dann, wenn in einer Veranstaltung die Nazigräueltaten in einer Weise, die dem öffentlichen Frieden widerspricht, verherrlicht oder verharmlost zu werden drohen, eine solche Veranstaltung nicht zugelassen werden kann. Wir schreiben das Jahr 2005. Haben wir denn die Zeit vor 60 Jahren vergessen? 1945 hätte es niemals eine Debatte darüber gegeben, dass wir das nicht zulassen. ({8}) Ich habe gestern ein Schreiben aus Wunsiedel - der Ort wurde bereits erwähnt - erhalten. Ich kann Ihnen mitteilen, dass die Menschen, die dort unter Aufmärschen von Rechtsradikalen zu leiden haben, meinen Vorschlag ausdrücklich unterstützen. Herr van Essen, Sie haben Herrn Battis als sozusagen von Ihnen anerkannten Sachverständigen erwähnt. Herr Professor Battis, den wir intern angehört haben, spricht sich aber für die Vorschrift in § 15 Abs. 2 des Versammlungsgesetzes, wie ich sie entworfen habe, aus. ({9}) Wenn Sie Herrn Battis folgen wollen, dann sollten Sie auch seine Äußerung dazu ernst nehmen. Dann kommen wir zueinander. Zum Schluss möchte ich ganz herzlich bitten - damit halte ich wider Erwarten meine Redezeit ein -: Lassen Sie uns zusammenkommen und uns ernsthaft bemühen, die jeweiligen Vorstellungen anzunähern! Dann werden wir unserer gemeinsamen demokratischen Verantwortung gerecht. Vielen Dank. ({10})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003206, Fraktion: Fraktionslos (Fraktionslos)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegen zwei Gesetzentwürfe vor. Beide wurden eingebracht, um Aufmärsche der NPD zu verhindern, allemal an symbolträchtigen Orten und Tagen. SPD und Grüne wollen das Straf- und das Versammlungsrecht ändern. Ich sage es gleich vorweg: Die PDS im Bundestag wird dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen nicht zustimmen, ({0}) zum einen weil die angestrebten Verbote auch mit dem geltenden Recht möglich sind und zum anderen weil die hier vorgeschlagenen Änderungen Ersatzhandlungen sind. Nun zum zweiten Gesetzentwurf: CDU und CSU wollen den befriedeten Bezirk rund um den Bundestag ausweiten, sodass er das Brandenburger Tor und das Holocaust-Denkmal einschließt. Die PDS wird auch diesen Gesetzentwurf ablehnen, zum einen weil das eine Zweckentfremdung der so genannten Bannmeile wäre ({1}) und zum anderen weil dann auch andere Veranstaltungen und Demonstrationen vor dem Bundestag betroffen wären. Ich möchte Ihnen das nur an einem Beispiel illustrieren. Jahr für Jahr gedenken am 18. März Bürgerrechtler, Schüler sowie Gäste aus dem In- und Ausland gemeinsam mit Vertretern der Union, der SPD, der Grünen, der FDP und der PDS der demokratischen Revolution von 1848. Das tun wir alljährlich gemeinsam auf dem Platz des 18. März direkt am Brandenburger Tor. ({2}) Auch diese wichtige Traditionslinie würde gebannt werden. Zumindest müsste diese Veranstaltung zusätzlich genehmigt werden. ({3}) Man könnte sich also nicht frei und ohne Anmeldung versammeln. Mein Anliegen ist allerdings weiter und geht tiefer. Es ist zugleich ein Appell an uns alle. Bitte lesen Sie doch einmal alle Erklärungen aus dem Bundestag in den letzten Wochen, die sich mit der NPD und dem Rechtsextremismus befassen! Sie werden vor allem wechselseitige Schuldzuweisungen und viel Aktionismus finden. Das ist unter der Würde, die der Bundestag zu Recht für sich beansprucht, und das ist vor allen Dingen unter den Ansprüchen, die die Bürgerinnen und Bürger zu Recht an das höchste Parlament im Lande haben. Mein Befund - nicht nur beim Nachlesen, sondern auch beim Blick in die Gesellschaft - zum Thema Rechtsextremismus und zu möglichen Ursachen ist komplexer und wird vielfach durch Ereignisse und Zahlen belegt. Über 20 Prozent der Bevölkerung sind latent antisemitisch eingestellt bzw. entsprechend aktivierbar. Hinzu kommen eine Verrohung der Sitten sowie eine zunehmende Gewaltbereitschaft, und zwar nicht nur bei Kindern und Jugendlichen. Große Teile der Bevölkerung fühlen sich sozial verunsichert; das sind nicht nur Arbeitslose. Die allgemeine Bildung im Lande bekommt im internationalen Vergleich schlechte Noten. Wir erleben des Weiteren eine zunehmende Politiker- und Demokratieverdrossenheit. Es geht also längst nicht mehr nur um die NPD und den rechtsextremen Rand, sondern um die Substanz unserer Gesellschaft. Deshalb möchte ich meinen Vorschlag wiederholen: Befördern wir doch gemeinsam einen Ratschlag gegen Rechtsextremismus, ({4}) der zum Inhalt hat, Analysen zu bündeln, Strategien zu entwickeln, die über den 8. Mai hinausreichen, und Demokratie und Zivilcourage zu stärken. Abschließend eine Bitte: Wir sollten nicht hinter das zurückfallen, was Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag der Befreiung gesagt hat, weder in unserem gesetzgeberischen Handeln noch im Alltag. Danke schön. ({5})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Dieter Wiefelspütz von der SPD-Fraktion. ({0})

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Diese rot-grüne Koalition geht immer respektvoll mit der Bundesregierung um, wie es sich auch gehört. ({0}) Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir führen heute eine wichtige und, wie ich glaube, auch außerhalb dieses Hauses stark beachtete Debatte. Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ist konstitutiv für unsere Demokratie; es ist ein sehr wichtiges Grundrecht für alle Bürgerinnen und Bürger dieses Landes. Unsere Demokratie ist eine wehrhafte Demokratie. Ich sage von dieser Stelle aus: Null Toleranz gegenüber den Feinden der Demokratie! Wir müssen also die Gratwanderung hinbekommen, bei der angemessenen entschlossenen Bekämpfung der Feinde der Demokratie nicht die Rechte aller Bürger zu beschneiden. Lassen Sie mich ein Zweites sagen: Dieses Gesetz wird kein 8.-Mai-Gesetz sein. Wir machen keine Lex 8. Mai, wir machen keine Lex NPD. Dieses Gesetz muss auch am 9. und am 10. Mai gelten. Es muss für Berlin, aber auch für Wunsiedel, für Berchtesgaden wie für Flensburg vernünftig sein. Wir müssen darüber nachdenken, ob das Gesetz nicht nur gut gemeint ist - das unterstelle ich jedem von uns -, sondern auch gut gemacht. Es ist wichtig, dass wir nicht Erwartungen wecken, die hinterher nicht erfüllt werden. ({1}) Angesichts der Herausforderungen, die wir täglich an vielen Stellen unseres Landes beobachten, macht es Sinn, unser Versammlungs- und unser Strafrecht zu präzisieren und an der einen oder anderen Stelle auch zu verschärfen. Unser Konzept heißt: ({2}) Ausweitung des Straftatbestandes der Volksverhetzung. Was ist es eigentlich, was uns alle miteinander so stört? Es ist eine Form von Volksverhetzung. Deswegen wollen wir - ich denke, Ministerin Zypries wird darauf noch eingehen - einen erweiterten Straftatbestand der Volksverhetzung. Wenn darüber Konsens besteht, werden wir über die öffentliche Sicherheit, die durch § 15 Abs. 1 des Versammlungsgesetzes geschützt ist, selbstverständlich auch das Versammlungsrecht verschärft haben, dann aber, Herr Koschyk, für ganz Deutschland. Wir werden hier keine Patentrezepte zustande bringen. Der Rechtsextremismus ist kein Problem, das wir in erster Linie mit juristischen Methoden bekämpfen können. Das muss jeder wissen. ({3}) Trotzdem, Herr Dr. Gehb, muss auch im Bereich des Strafrechts und des Versammlungsrechts das Verantwortbare gemacht werden. Jeder Sachkundige weiß, dass wir uns, wenn wir über die Strafbarkeit zum Beispiel der Auschwitzlüge sprechen - das ist heute in § 130 Abs. 3 des Strafgesetzbuches geregelt - und wenn wir diese Bestimmungen ausweiten wollen, auf schwierigem Gelände bewegen. Ich bitte um Verständnis - und bitte auch sehr darum, dass das nicht zerredet wird -: Ich habe die Vorschläge von Frau Zypries und von Herrn Schily begrüßt. Ich verstehe meine Arbeit, die Arbeit meiner Kollegen, des Koalitionspartners und auch Ihre Arbeit allerdings so, dass wir mit großem Engagement der Frage nachgehen, ob das geht, wie weit das geht und ob es an der einen oder anderen Stelle ein Problem gibt. Ich habe zu respektieren, dass die beteiligten Häuser sagen: Wir haben mit der Verharmlosung kein verfassungsrechtliches Problem. Für mich und auch für andere ist das verfassungsrechtlich schon problematisch. Das sollten wir aber nicht zerreden; vielmehr sollten wir feststellen: Die Grundrichtung, die Struktur stimmt. Lasst uns das jetzt nicht zerreden, sondern zu einem guten Ergebnis führen. Das wird mit Rot-Grün möglich sein. Wir wären sehr daran interessiert, dass das auch mit Ihnen, der Opposition, möglich ist. Das gilt für alle. Deswegen werben wir dafür, dass es zu Gesprächen kommt. Wie Sie sich vorstellen können, wären solche Gespräche keine SPD-CDU/CSU-Veranstaltungen. Die Koalition bittet vielmehr um konstruktive Mitwirkung Ihrerseits. Herr Koschyk und Herr Strobl, Sie sollten doch interessant finden, dass wir auch für Wunsiedel und ganz Deutschland etwas anzubieten haben. Lassen Sie mich noch auf den Bereich Brandenburger Tor eingehen. Ich will einmal das aufgreifen, was Herr Schily angedeutet hat. Er hat die - rein theoretische Überlegung angestellt, ob eine Erweiterung befriedeter Bezirke möglich ist. Sie sagen: Das würde helfen. Ich sage Ihnen: Diesem Vorschlag steht die Verfassungswidrigkeit auf die Stirn geschrieben. ({4}) Ihr Vorschlag ist evident verfassungswidrig. Ich bedauere sehr, dass Herr Bosbach jetzt nicht mehr da ist; er hat sicherlich einen Termin. Ich kann Ihnen doch nur sagen: Wir schützen doch natürlich nicht das sowjetische Ehrenmal, wir schützen nicht die Schweizerische Botschaft, wir schützen mit der Regelung über befriedete Bezirke ausschließlich die Funktionsfähigkeit dieses Hohen Hauses und sonst nichts. ({5}) Wer behauptet, wir schützten hier die Spree, der missbraucht diese Debatte hier im Grunde. Solche lächerlichen Sprüche sind einer Debatte über ein solch ernsthaftes Thema nicht würdig. ({6}) Herr Strobl und Herr Koschyk, es gibt hier keine Redeverbote und keine Denkverbote. Ich bin gerne bereit, mit Ihnen auch über Ihre Vorstellungen zum befriedeten Bezirk zu sprechen. Ich werde mit Ihnen allerdings die verfassungsrechtlichen Gegebenheiten erörtern wollen. Ich sage Ihnen: Es wird nicht gehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie ein verfassungswidriges Gesetz wollen. Ich bin im Grunde genommen betroffen, dass Ihr Gesetzentwurf vorsieht, dass der Bundesinnenminister Ausnahmen in Bezug auf das Demonstrationsverbot im befriedeten Bezirk - Sie wollen dieses Verbot - schaffen kann. Nach welchen Kriterien, bitte schön? Etwa willkürlich? Wie soll denn das gehen? ({7}) Das ist evident verfassungswidrig. Das kann man noch nicht einmal mit einer verfassungskonformen Interpretation halten. Ich bin im Grunde enttäuscht, dass Sie das Thema an dieser Stelle so verfehlen. Ich bin nämlich der festen Überzeugung, dass es auch in Ihren Reihen ein paar hoch qualifizierte Juristen gibt, denen doch längst aufgefallen sein müsste, dass das nicht geht. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Wiefelspütz, denken Sie an die Zeit.

Dr. Dieter Wiefelspütz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002506, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich meine Aussagen da und dort etwas zugespitzt habe. Ich bin der Auffassung, dass wir - diese Chance sollten wir nicht verpassen - in den kommenden Tagen in Bezug auf diese Fragestellungen nicht übereinander, sondern miteinander reden sollten. Ich sehe durchaus Möglichkeiten, zueinander zu kommen, wenn man mit Augenmaß vorgeht. Wir brauchen einen neuen § 130 Abs. 4 StGB. Wir brauchen die Ausweisung der besonderen Orte in § 15 des Versammlungsgesetzes. Da stimmen Sie ja zu. ({0}) Lassen Sie uns ebenso über die Unmöglichkeit dessen reden, was Sie im Hinblick auf die Bannmeile beabsichtigen. Schönen Dank für die Aufmerksamkeit. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat der Kollege Thomas Strobl von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Verehrter Kollege Dr. Wiefelspütz, Sie haben am Schluss gesagt, dass wir konstruktiv gemeinsam beraten sollten. Dazu sind wir bereit. Das ist ganz in Ordnung. Nur sollten Sie dann bitte diese unselige Arroganz ablegen, dass nach Ihrer alleinigen Entscheidung etwas verfassungswidrig ist, egal ob es die Bundesjustizministerin vorschlägt, ob es der Verfassungsminister vorschlägt ({0}) oder ob es die CDU/CSU-Bundestagsfraktion vorschlägt. Das ist keine gute Grundlage für eine solche Diskussion. ({1}) Das Thema ist auch zu ernst, als dass man in dieser apodiktischen Art und Weise argumentieren könnte. Der Thomas Strobl ({2}) Kampf gegen extremistische Parteien und Gruppierungen jeglicher Art ist unser aller gemeinsame Aufgabe. Das sollte auch in Zukunft so bleiben. Neben den rechtlichen Regelungen - natürlich sind wir als Deutscher Bundestag aufgerufen, solche zu treffen - muss es vor allem darum gehen, den Wählerinnen und Wählern immer klar zu sagen, wen und was sie unterstützen, wenn sie ihre Stimme extremistischen Parteien geben. Die argumentative Auseinandersetzung mit solchen Kräften, ihren falschen Parolen und vermeintlich einfachen Lösungen ist und bleibt neben der gesetzgeberischen Aktivität eigentlich die wichtigste Aufgabe. Genauso wichtig ist übrigens, dass wir die Sorgen und Nöte auch der Menschen ernst nehmen, die extremistische Parteien wählen. Alle Parteien, die in diesem Haus vertreten sind, sind sich in der Beurteilung der Inhalte einer Partei wie der NPD einig. Wir wollen nicht - auch darüber sind wir uns einig -, dass grölende Nazibanden mit antisemitischen, ausländerfeindlichen und den Nationalsozialismus verherrlichenden Parolen durch das Brandenburger Tor oder am Holocaust-Mahnmal vorbeimarschieren. ({3}) Das gilt übrigens auch - um das an dieser Stelle einmal klar zu sagen - für grölende und prügelnde Banden von linken und autonomen Schlägern, mit denen gerade die Berliner in der Vergangenheit so leidvolle Erfahrungen gemacht haben. ({4}) - Frau Stokar, in knapp zweieinhalb Monaten, am 1. Mai, ist es in Berlin wieder so weit. Dann kann das deutsche Publikum und kann vor allem die Berliner Bevölkerung wieder betrachten, was angerichtet worden sein wird. Dies wollen und müssen wir verhindern. Wir können das auch. Der Entwurf der CDU/CDU-Bundestagsfraktion ist ein einfacher und zugleich verfassungsfester Vorschlag dazu. Die Ausweitung der Bannmeile auf das Brandenburger Tor und das Holocaust-Mahnmal ist der einfachste und sicherste Weg, diese geschichtsträchtigen Orte vor Radikalen zu schützen. Ich bedanke mich ausdrücklich beim Herrn Bundesinnenminister; er hat attestiert, dass man über einen solchen Vorschlag reden kann und, Herr Dr. Wiefelspütz, auch reden sollte. Es ist übrigens nicht so, dass wir dieses Thema heute zum ersten Mal in diesem Hohen Hause diskutieren. Vielmehr ist es so, dass wir es schon längst hätten vom Tisch bringen können, ({5}) wenn die rot-grüne Bundesregierung in dieser so wichtigen Frage nicht über Jahre von enervierender Zerstrittenheit und lähmender Tatenlosigkeit gekennzeichnet wäre. Schon einmal nämlich, am 29. Mai des Jahres 2000, marschierten die Neonazis.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Kollege Strobl, ich darf Sie unterbrechen. Erlauben Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Simm?

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Aber bitte.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte schön, Frau Simm.

Erika Simm (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002176, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Kollege Strobl, ist Ihnen bekannt, dass der Zuschnitt der Bannmeile bzw. des befriedeten Bezirks, so wie er jetzt ist, nach intensivsten Beratungen mit den Berliner Sicherheitsbehörden zustande gekommen ist? Ist Ihnen bekannt, dass der 1. Ausschuss seinerzeit - Sie waren damals noch nicht Mitglied des 1. Ausschusses gerade deshalb, weil der Zuschnitt so engräumig war, nochmals eine Anhörung von Vertretern der Berliner Sicherheitsbehörden durchgeführt hat, in der bestätigt wurde, dass das mit ihnen so abgestimmt ist? Ist Ihnen bekannt, dass in einem Bericht der Bundesregierung, in den auch die Stellungnahmen der Berliner Sicherheitsbehörden eingeflossen sind, die Erfahrungen mit dem jetzigen Zuschnitt des befriedeten Bezirks als gut und positiv bezeichnet worden sind und dass es diesbezüglich bisher keine Änderungsvorschläge gegeben hat? Teilen Sie meine Auffassung, dass wir ein Problem hätten, eine Erweiterung des befriedeten Bezirks verfassungsrechtlich zu begründen, wenn wir dafür nicht einmal ein Votum der für den Deutschen Bundestag zuständigen Sicherheitsbehörden von Berlin hätten?

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bitte, Herr Strobl.

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Kollegin Simm, ich nehme an, dass für die Bundesregierung unter anderem der Bundesinnenminister sprechen kann. Er hat vor wenigen Minuten - vielleicht haben Sie in dem Moment nicht zugehört - sehr deutlich gesagt, dass er es nicht gut findet, wenn man den Vorschlag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für eine Erweiterung der Bannmeile gleich mit dem Verdikt „verfassungswidrig“ versieht und nicht bereit ist, darüber zu reden. Vielmehr sollte man durchaus darüber reden. Insofern ist, wie ich glaube, eine eindeutige Stellungnahme vonseiten der Bundesregierung dazu abgegeben worden. Darüber hinaus, Frau Kollegin Simm, gibt es zahlreiche Äußerungen vonseiten der Sicherheitsbehörden, in denen sehr wohl der Wunsch geäußert wird, eine Bannmeilenregelung zu erlassen, die gerade das Brandenburger Tor und in Zukunft auch das Holocaust-Mahnmal umfasst. ({0}) Thomas Strobl ({1}) Ich darf noch hinzufügen, Frau Kollegin Simm: Die Diskussion ist absurd. Jahrzehntelang hatten wir in Bonn eine Bannmeilenregelung, nach der die Bannmeile sogar über den Rhein hinausreichte. Seitdem wir in Berlin sind - die Kollegen Bosbach und Koschyk haben das ausgeführt -, ({2}) haben wir eine Bannmeilenregelung, nach der die Bannmeile selbstverständlich weit über den Reichstag hinausgeht, nämlich das nördliche Spreeufer, die Schweizer Botschaft, die Dresdner Bank usw. umfasst. Es liegt absolut im Ermessen des Bundesgesetzgebers, diese Bannmeile um ein kleines Stück zu erweitern: nicht, wie der Herr Beck von den Grünen sagte, über halb Berlin, sondern nur um das Brandenburger Tor und das HolocaustMahnmal. Damit hätten wir eine verfassungsfeste und sichere Lösung, mit deren Hilfe Demonstrationen von Neonazis dort sehr schnell untersagt werden können. In Wahrheit ist es doch so, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass es auch bei den Sozialdemokraten den einen oder anderen gibt, der das befürwortet; vermutlich gehört auch Herr Schily dazu. Nur der grüne Koalitionspartner sperrt sich aus ideologischen Gründen gegen diese vernünftige Lösung. ({3}) Das ist wohl auch der Grund, warum seit dem Jahr 2000 weder die Koalition noch die Bundesregierung gehandelt hat, obwohl der Bundesinnenminister am 27. Mai 2000 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gesagt hat - vielleicht wäre das für Sie, Frau Kollegin Simm, auch noch einmal interessant, wenn Sie das nachlesen würden -, dass sein Haus sehr wohl für die Einführung neuer befriedeter Bezirke in Berlin sei. Diese Aussage ist ziemlich identisch mit dem Vorhaben, das wir jetzt nicht nur in Worte gekleidet, sondern sogar in konkrete Gesetzesform gegossen haben. Im Jahr 2004 gab es dann erneut entsprechende Ankündigungen durch den Bundesinnenminister. Passiert ist wiederum nichts; die Koalition war handlungsunfähig. Erst jetzt, nachdem die NPD in den Sächsischen Landtag und die DVU in den brandenburgischen Landtag gewählt wurden, erst jetzt, wo die NPD mit Skandalmeldungen Schlagzeilen macht, erst jetzt, wo sich die Bundesregierung offenbar bewusst geworden ist, dass am 8. Mai dieses Jahres ein Aufmarsch der Rechtsradikalen durch das Brandenburger Tor und am Holocaust-Mahnmal vorbei droht, kommt ein offensichtlich mit heißer Nadel gestrickter, unzureichender, weil äußerst unvollständiger Gesetzentwurf auf den Tisch des Hauses. Aber damit nicht genug: Die Entwicklung der letzten Woche stellt doch einmal mehr ein Stück aus dem rotgrünen Tollhaus dar. ({4}) Herr Kollege Dr. Wiefelspütz hat gesagt, ein Gesetz soll nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht werden. Zu der Art und Weise, wie das Gesetzgebungsverfahren bisher von Rot-Grün betrieben worden ist, kann man nur sagen, dass sie das krasse Gegenteil von „gut gemacht“ darstellt. ({5}) Am vergangenen Freitag hat die Bundesregierung in Person von Frau Ministerin Zypries und Herrn Minister Schily einen unter Hochdruck erarbeiteten Gesetzentwurf präsentiert. Die Druckerschwärze auf dem Papier dieses Entwurfs ist noch nicht trocken, da wird er von den Innenpolitikern von Rot und Grün wieder kassiert. Die Herren Wiefelspütz und Beck von der SPD bzw. den Grünen gaben dem Gesetzentwurf aus den Häusern der Justizministerin und des Verfassungsministers eine klare Note: verfassungswidrig. Allenfalls als Formulierungshilfe, so unkte Herr Beck von den Grünen, könne der Regierungsentwurf, den Herr Schily und Frau Zypries ausgearbeitet und vor der Bundespressekonferenz vorgestellt hatten, dienen. Der Gesetzentwurf des Bundesinnenministers und der Justizministerin stellt also für den Verfassungsexperten Beck eine teilweise verfassungswidrige Formulierungshilfe dar. Ich weiß nicht, wie die beiden Bundesminister dies mit ihrer Selbstachtung ausmachen. Allenfalls ähnelt das Vorgehen der Bundesregierung und der rot-grünen Koalition der Echternacher Springprozession. Sie gehen einen Schritt vor und zwei zurück; rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Herr Wiefelspütz, das ist das Gegenteil von gut gemacht; ich bezweifle, dass es überhaupt gut gewollt war. ({6}) Schon heute haben wir nämlich wieder eine entschärfte, von den Grünen weichgespülte Version auf dem Tisch liegen, und dies angesichts der Tatsache, dass die Bundesregierung eine grundlegende Reform des Versammlungsrechts bis zum heutigen Tag ohnehin nur angekündigt hat, das allerdings seit dem Jahr 2000. Während der Beratungen diese Woche im Innenausschuss wurde seitens der roten und der grünen Fraktion mehrfach betont, dass das, was jetzt von Rot-Grün als Gesetzentwurf eingebracht worden ist, schon wieder hinfällig sei, weil man in dem einen und anderen wichtigen Punkt durchaus weitere Änderungen vornehmen wolle. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, Sie haben offensichtlich jeglichen Kompass verloren. Es ist - auch das möchte ich Ihnen sagen - für die Feinde der Demokratie eher ermunternd, wenn eine Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen durcheinander laufen wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. ({7}) Wir sind und bleiben der Meinung, dass unser Gesetzentwurf zur Erweiterung der Bannmeile eine einfache und richtige Antwort zur Lösung des einen Problems ist. Wir sind gerne bereit, die anderen Probleme mit Ihnen zu besprechen. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass - Herr Kollege Dr. Wiefelspütz, Sie sind nicht der einzige Verfassungsrechtler in der Bundesrepublik Deutschland ({8}) Thomas Strobl ({9}) es eine ganze Reihe von Verfassungsrechtlern gibt, die eine andere Auffassung haben und die Bannmeilenregelung so, wie wir sie vorgeschlagen haben, begrüßen, beispielsweise Rupert Scholz. Auch in Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz können Sie zu Art. 8 des Grundgesetzes nachlesen: Irgendwelche verfassungsrechtlichen Argumente gegen die Zulässigkeit solcher Bestimmungen sind nicht ersichtlich. Das ist ein weiter Spielraum für den Bundesgesetzgeber. Ich habe zwar wenig Hoffnung, möchte aber an Sie appellieren, dass wir über diese Frage in den Beratungen im Innenausschuss und in den beteiligten Ausschüssen noch einmal reden.

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Herr Strobl, kommen Sie bitte zum Schluss.

Thomas Strobl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003243, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich komme sofort zum Schluss. - Wir sind zu konstruktiven Beratungen, auch was das Versammlungsrecht angeht, absolut bereit. Ich hoffe nur sehr, dass die Uneinigkeit zwischen Rot und Grün, den Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung solche konstruktiven Beratungen nicht weiter behindert. Besten Dank fürs Zuhören. ({0})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Bundesministerin Brigitte Zypries.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schön an dieser Debatte ist, dass sich alle einig sind, dass wir als Demokraten gegen Neonazis, Antisemiten und Rassisten kämpfen müssen. ({0}) Wie wir das tun, darüber besteht Dissens. Dass man über einen solchen Dissens diskutiert, ist gut und richtig; dazu ist ein Parlament wie dieses schließlich da. Deswegen finde ich es völlig unnötig, dass man ständig diskreditiert, dass es über einen von der Regierung vorgelegten Gesetzentwurf Diskussionen gibt. Es ist Aufgabe dieses Parlaments, genau solche Diskussionen zu führen. ({1}) Ebenso ist es Aufgabe des Parlaments, sich mit den Vorschlägen der Opposition auseinander zu setzen. Noch schöner wäre es, wenn die Opposition dann auch wüsste, was sie vorgeschlagen hat, sehr geehrter Herr Strobl. ({2}) Es ist ja nicht so, dass irgendjemand etwas über die Reichweite im Hinblick auf die Verfassungswidrigkeit Ihres Entwurfes sagen würde. ({3}) - Nein, das verstehen Sie, glaube ich, falsch. - Bei der Diskussion über die Verfassungswidrigkeit Ihres Entwurfes geht es doch um den vorgeschlagenen § 5. ({4}) Nach dem geltenden Gesetz ist es so, dass Demonstrationen in befriedeten Bezirken zuzulassen sind, wenn eine Beeinträchtigung des Bundestages nicht zu besorgen ist. Das, sagt das Gesetz, ist in der Regel der Fall, wenn die Versammlung an einem Tag durchgeführt werden soll, an dem Sitzungen nicht stattfinden. Dann gilt volle Demonstrationsfreiheit. Was macht die Opposition jetzt daraus? ({5}) - Entschuldigung, ich bitte um Nachsicht, Herr van Essen. - Was sagt die CDU/CSU in ihrem Gesetzentwurf dazu? Dort heißt es, dass der Innenminister Ausnahmen im Einvernehmen mit dem Präsidenten zulassen kann. ({6}) Ich frage: Nach welchen Kriterien soll das geschehen? ({7}) Herr Wiefelspütz hat vorhin richtig gesagt, dass es nicht sein kann, dass hier von Herrschaftsgnaden entschieden wird, wann und wo demonstriert werden kann. ({8}) Das ist mit unserer Verfassung wirklich nicht zu vereinbaren. Vielleicht können wir darüber einen Konsens finden. Ich habe Verständnis dafür, dass man über all das diskutiert, was nach unserer Auffassung erforderlich ist, um sich mit den Neofaschisten und mit anderen Rechtsextremisten auseinander zu setzen und ihre Aktivitäten zu beschneiden. Wir meinen, dass es richtig ist, an einer anderen Stelle anzusetzen. Man muss dabei den Aspekt berücksichtigen - er wurde vorhin schon angesprochen -, dass die Maßnahmen nicht nur in Berlin, sondern auch an anderen Orten in der Republik wirken sollen. ({9}) Deswegen halten wir es für richtig, § 15 des Versammlungsgesetzes zu ändern. Dazu hat der Bundesinnenminister schon etwas gesagt. Wir halten es auch für richtig, einen neuen § 130 Abs. 4 Strafgesetzbuch einzufügen. Mit dieser Norm wollen wir zumindest das Verherrlichen der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft unter Strafe stellen und damit eine deutliche Erweiterung der strafbaren Handlungen vornehmen. ({10}) Bisher mussten die Neonazis nur vermeiden, das Wort „Holocaust“ in den Mund zu nehmen und von der Auschwitzlüge zu sprechen. Alles andere durften sie tun: Sie durften billigen, sie durften leugnen und sie durften verharmlosen. Jeder wusste zwar, was gemeint war. Aber strafrechtlich konnten wir ihnen nicht ans Leder. Die Neuregelung, die wir jetzt planen, ist im Hinblick auf das Strafrecht richtig. Sie ist aber auch im Hinblick auf das Versammlungsrecht richtig. Darauf hat Herr Wiefelspütz schon hingewiesen. Natürlich kann unter Rekurs auf das Strafrecht die Genehmigung von Versammlungen mit Auflagen versehen werden oder sie können verboten werden. Nun gibt es immer wieder Juristen - zwei Juristen und drei Meinungen, wie es bekanntlich heißt -, die behaupten, dass unsere Vorschläge zum Teil verfassungswidrig und deswegen nicht umsetzbar seien. Ich gestehe allen zu, dass man sehr ernsthaft über unsere Vorschläge diskutieren muss. Wogegen ich mich verwahre, ist, dass die beiden Verfassungsminister dieser Regierung einen angeblich verfassungswidrigen Entwurf vorlegen. Das stimmt schlicht nicht. Dieser Entwurf ist nicht verfassungswidrig. ({11}) Das heißt aber nicht, dass man ihn nicht - aus welchen Gründen auch immer - in Teilen ändern könnte. Man muss ihn aber sicherlich nicht ändern, nur um ihn verfassungsgemäß zu machen. Wir wissen sehr wohl, dass wir auch bei der Bekämpfung des Rechtsradikalismus die Grundrechte beachten müssen. Hier geht es insbesondere um Art. 5 des Grundgesetzes. Es gibt aber auch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Regelungen des Art. 5 durch allgemeine Gesetze eingeschränkt werden dürfen. Darunter sind solche Gesetze zu verstehen, die sich nicht auf Meinungsäußerungen beziehen, sondern die einem anderen schützenswerten Rechtsgut dienen. Es ist völlig unstreitig, dass auch Strafgesetze unter diese allgemeinen Gesetze fallen. Diesen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, entspricht der in Aussicht genommene § 130 Abs. 4 Strafgesetzbuch. Die neue Norm ist hinreichend bestimmt. Die Tathandlung ist das Verherrlichen. Dies ist ein Begriff, den wir an verschiedenen Stellen bereits im Strafgesetzbuch haben. Dazu gibt es auch eine hinreichende Rechtsprechung. ({12}) Zudem muss die Äußerung geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören. Sie muss öffentlich gemacht oder in einer Versammlung geäußert werden. Außerdem muss sie die Würde der Opfer der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft verletzen. Damit sind alle Voraussetzungen für eine zielgenaue Strafrechtsnorm geschaffen. ({13}) Damit ziehen wir eine klare Grenze zwischen dem, was erlaubt, und dem, was verboten ist. Ich meine, dass wir mit diesem Signal auch den jungen Menschen, die zunehmend von den Neofaschisten umworben werden, deutlich machen können, was in diesem Staat erlaubt ist. ({14}) Ein Wort zum Schluss. Wir alle sollten uns darüber bewusst sein, dass das Strafrecht nur eine Möglichkeit ist, um gegen den Neofaschismus zu kämpfen. ({15}) Wir müssen aber vor allen Dingen die politische Auseinandersetzung suchen und führen. Dieses Problem geht die gesamte Gesellschaft an. Es ist eine Aufgabe, die wir jeden Tag auch im Alltag immer wieder aufs Neue bewältigen müssen. ({16})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Jürgen Gehb das Wort.

Dr. Jürgen Gehb (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003129, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Ministerin, ich habe mit Freude wahrgenommen, dass Sie die politische Auseinandersetzung mit den Rechtsextremisten an die Spitze der Maßnahmen stellen wollen, die dazu geeignet sein können, diese zurückzudrängen. Ich muss aber auch eines sagen: Das schärfste Schwert, das Strafrecht - dies haben Sie auch im Zusammenhang mit heimlichen Vaterschaftstests einbringen wollen -, halte ich in dieser Debatte für das ungeeignetste Mittel. Wir müssen aufpassen, dass wir auch nicht nur den Hauch des Eindrucks erwecken, ein Gesinnungsstrafrecht machen zu wollen. ({0}) Ich weiß, dass wir alles gut meinen - das müssen wir uns nicht immer wieder versichern -, aber nicht immer alles gut machen. Herr Wiefelspütz hat das eben gesagt. Ebenso wie sich alle behördlichen Verbotsverfügungen nicht nur am Versammlungsrecht, sondern auch an dem zugrunde liegenden Art. 8 Grundgesetz haben messen lassen müssen, müssen sich auch alle gesetzlichen Verschärfungen an Art. 8 Grundgesetz messen lassen. ({1}) Es ist nichts schlimmer, als wenn jemand gegen eine Verbotsverfügung mit Erfolg zu Gericht zieht und dann hinterher mit erhöhter Legitimation, quasi mit gerichtlichem Persilschein, zur Demonstration geht, in der dann schwarz auf weiß steht: Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Verbotsverfügung wird wieder hergestellt, weil die Verbotsverfügung offensichtlich rechtswidrig ist und die Antragsteller in ihren Rechten verletzt. Dieser geht dann aufgrund eines solchen schriftlichen Diktums eines Gerichts mit von noch mehr Stolz geschwollener Brust, als das bisher schon der Fall ist, zur Demonstration. Deswegen ermahne ich uns alle, dass wir mit Bedacht an eine gesetzliche Regelung gehen und nicht nur Lippenbekenntnisse machen. Wir sollten uns tatsächlich zusammensetzen und keinen Wettlauf um die vermeintlich beste Lösung starten, aus dem jeder als Sieger hervorgehen möchte. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Frau Zypries, wollen Sie erwidern? - Bitte schön.

Brigitte Zypries (Minister:in)

Politiker ID: 11003870

Herr Gehb, ich glaube, dass in dieser Sache - das zeigt auch der Beifall - überhaupt kein Dissens besteht. Ich habe gerade ausgeführt, dass die von uns vorgesehene Norm an Art. 5 Grundgesetz gemessen werden muss, nicht an Art. 8 Grundgesetz; denn wir machen kein Versammlungsrecht, sondern Strafrecht. Wir machen ein Gesetz, das die Meinungsfreiheit einschränkt. Das muss ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 Grundgesetz sein. Wir sind der Auffassung, dass dieses Gesetz so, wie wir es in der nächsten Woche in die Ausschüsse bringen werden, damit in Einklang steht. ({0}) - Nein, dazu gibt es in den Koalitionsfraktionen überhaupt keine Probleme. Nun machen Sie sich nicht dauernd Gedanken um uns, Herr Strobl, sondern bessern Sie lieber Ihren eigenen Gesetzentwurf nach. ({1}) Trotzdem muss die Arbeit getan werden: entweder in der Diskussion oder am Schreibtisch sitzend. Das stelle ich anheim. Zu Ihnen, Herr Gehb, wollte ich noch sagen: Darin sind wir uns völlig einig. Unser Gesetzentwurf erfüllt die Anforderungen. Es gibt aber auch das Angebot, gemeinsam noch einmal darüber zu reden. Wir sind gerne dazu bereit. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt hat das Wort die Kollegin Silke Stokar von Neuforn vom Bündnis 90/Die Grünen.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle sind empört über die Auftritte der Neonazis in unserem Land. Im Sächsischen Landtag wurden die Opfer des Nationalsozialismus verhöhnt und beleidigt. In unseren Städten wird der Versuch gemacht, das Gedenken an die Opfer zu stören und den Nationalsozialismus zu verherrlichen. 60 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus sind wir aber eine starke und auch eine wehrhafte Demokratie. Sehr eindrücklich haben die Bürgerinnen und Bürger in Dresden gezeigt: Wir lassen uns die Würde des Gedenkens nicht nehmen. Auch in anderen Städten - ich möchte hier Weimar hervorheben, aber auch die hier oft genannte Stadt Wunsiedel erwähnen - hat das zivile Engagement der Bevölkerung gezeigt, dass wir in der Lage sind, uns aus der Mitte unserer Bevölkerung heraus gegen diese Auftritte der Neonazis zur Wehr zu setzen. ({0}) Ich möchte hier auch betonen: Kern der Auseinandersetzung mit der NPD muss die politische Auseinandersetzung sein. Dennoch halte ich es für genauso richtig - das ist kein Widerspruch; das tun wir zurzeit -, dass wir erneut alle rechtlichen Mittel prüfen, um der NPD Aufmärsche und große Auftritte zu erschweren. Wir sind in Deutschland eine streitbare Demokratie. An der Debatte der vergangenen Tage hat mich ein bisschen irritiert, dass ein in der Demokratie ganz normaler parlamentarischer Vorgang - wir sollten uns Gedanken darüber machen, welchen Zweck wir damit verfolgen - skandalisiert wird. ({1}) Das, was wir im Hinblick auf das vorliegende Gesetz tun, machen wir jeden Tag. ({2}) Wir haben die Initiative der Regierung begrüßt, die Vorschläge zu einer Gesetzesverschärfung gemacht hat. Es ist ein ganz normaler Vorgang, dass die Fraktionen über Änderungsanträge, über die Beratung in den Fachausschüssen und über Änderungen nach Anhörungen in dieses Gesetzesverfahren eingreifen. Das ist nichts Besonderes; das ist unsere alltägliche Arbeit. Zu den einzelnen Punkten möchte ich nur so viel sagen: Am 8. Mai werden wir hier im Deutschen Bundestag - das ist auch gut so - eine Gedenkveranstaltung abhalten. Ich sage Ihnen: An diesem 8. Mai wird die NPD nicht durch das Brandenburger Tor in Berlin marschieren. ({3}) Dies wird deshalb nicht geschehen - das ist uns von der Innensenatsbehörde bestätigt worden -, weil die heutige Rechtsgrundlage dafür ausreicht. Gedenktage sind schon heute besonders geschützt. Es ist doch völlig selbstverständlich: Das höchste Schutzgut unserer Verfassung ist die Menschenwürde. Wir werden sicherstellen, dass Neonazis nicht am Holocaust-Mahnmal vorbeimarschieren. Wir werden darüber hinaus sicherstellen - denn es geht nicht nur um Berlin -, dass auch die anderen KZ-Gedenkstätten in unserem Land noch besser als bisher vor solchen Aufmärschen geschützt werden. In einem Punkt sind wir uns nicht einig. Da haben wir als Fraktion der Grünen eine ganz klare und feste Position: Die NPD wird uns nicht dazu veranlassen - denn wir sind eine starke Demokratie -, dass wir die Versammlungsfreiheit an zentralen Punkten für alle einschränken. ({4}) Auf dem Pariser Platz in Berlin wird es weiterhin auch ohne Ermächtigung durch den Innenminister und nur auf Grundlage des Versammlungsrechtes Demonstrationen geben. ({5}) Wir sind gerne bereit, diese Position hier streitig zu vertreten. Ich möchte noch ein Wort zur FDP sagen. Wehe, wenn Sie an der Regierung sind! Ihre Reden hier im Bundestag zu diesem Thema kann ich begrüßen. Ich sehe aber Ihr Verhalten nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern auch in Niedersachsen. Wenn Sie die Möglichkeit haben, einzugreifen, dann machen Sie das Gegenteil von dem, was Sie hier sagen. Ich habe noch in keinem Bundesland gesehen, wie so schnell aus liberalen Gesetzen reine Repressionsgesetze gemacht worden sind, wie es jetzt in Niedersachsen durch Ihre Beteiligung und Ihr Einknicken vor dem Innenminister Schünemann geschieht. ({6}) Ich finde es besser, dass Rot-Grün hier einen vernünftigen Abwägungsprozess vornimmt und sagt: ({7}) Es gilt die Verfassung. Das, was rechtlich möglich ist, versuchen wir in diesem Rahmen zu machen. Ich freue mich auf eine konstruktive und spannende - das ist sie nämlich - verfassungsrechtliche Auseinandersetzung im Innenausschuss. Herr Strobl, wenn Sie dort einen wirklich konstruktiven Beitrag zu leisten haben und sich an der Diskussion über unsere Anträge beteiligen wollen, dann werden wir Ihnen - das sollten Sie wissen - sehr genau zuhören. Danke schön. ({8})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache und rufe Tagesordnungspunkt 24 auf: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts ({0}) - Drucksache 15/2494 Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses ({1}) - Drucksache 15/4874 Berichterstattung: Abgeordnete Sabine Bätzing Joachim Stünker Jerzy Montag Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin Sabine Bätzing von der SPD-Fraktion das Wort.

Sabine Bätzing (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003494, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn am 1. Juli dieses Jahres das Zweite Betreuungsrechtsänderungsgesetz in Kraft tritt, sind seit Einbringung des Entwurfs des Bundesrates eineinhalb Jahre vergangen. Der von vielen befürchtete Schnellschuss zulasten der Betreuten ist ausgeblieben. Der Rechtsausschuss hat Sachverständigen in zwei Anhörungen - Sie wissen, das ist außergewöhnlich - die Möglichkeit gegeben, ihre Anregungen und Bedenken vorzutragen. Deshalb gilt mein Dank für die kooperative Zusammenarbeit den Berichterstatterinnen und Berichterstattern aller Fraktionen sowie dem Justizministerium, aber auch und ganz besonders der Vielzahl von Betreuern, Richtern, Rechtspflegern sowie den Verbänden und Arbeitsgemeinschaften, die das Verfahren mit ihrer konstruktiven Kritik und ihrem Fachwissen sehr partnerschaftlich und kompetent begleitet haben. ({0}) Ich möchte gleich zu Beginn meiner Rede vorwegnehmen, dass wir nicht allen Forderungen und Wünschen entsprechen konnten. Zugegeben, auch ich hätte mir an der einen oder anderen Stelle vielleicht ein anderes Ergebnis gewünscht. Aber wir haben sowohl mit den Ländern als auch mit den Fraktionen einen Kompromiss gefunden, der für alle Beteiligten tragbar ist. Vor allem haben wir erreicht, dass sich die Qualität im Betreuungswesen verbessern wird. Beispielsweise konnten wir durchsetzen, dass in Betreuungssachen nur noch Richter mit mindestens einjähriger Berufserfahrung tätig werden können. Aber wir mussten uns auch der Erkenntnis stellen, dass finanzielle Einschnitte im Bereich der rechtlichen Betreuung notwendig sind. Lassen Sie mich deshalb gleich zu Beginn meiner Rede auf einen Punkt zu sprechen kommen, zu dem uns Fachpolitiker die meisten und auch emotionalsten Zuschriften erreicht haben: zur Pauschalierung der Vergütung. Sie ist ein geeignetes Mittel zur Entbürokratisierung des gesamten Betreuungswesens; darüber herrscht Einigkeit. Denn Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer müssen nun nicht mehr jede aufgeklebte Briefmarke und jeden einzelnen gefahrenen Kilometer gegenüber dem Vormundschaftsgericht nachweisen. Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger können ihre Arbeitsabläufe nach dem In-Kraft-Treten dieser Regelung straffen, da das Kontrollieren von Abrechnungen entfällt. Auf beiden Seiten bleibt nun also mehr Zeit, um sich ganz konkret um den Betreuten zu kümmern. Er steht im Mittelpunkt, nicht seine Abwicklung. Intensiv und kontrovers wurde hingegen die Höhe der pauschalierten Vergütung diskutiert. Wir haben uns bei der Pauschalierung auf einen Inklusivstundensatz geeinigt. Dieser Inklusivstundensatz enthält einen pauschalen Anteil für Aufwendungsersatz sowie die anfallende Umsatzsteuer. Mit einem Höchstsatz von 44 Euro ist es möglich, den Klienten eine qualifizierte Betreuung und den Betreuern ein auskömmliches Einkommen zu sichern. Differenziert wird bei der Vergütung nach dem Aufenthaltsort - das heißt, ob der Betreute zu Hause oder in einem Heim lebt - und der Dauer seiner Betreuung. Auch an dieser Stelle haben wir lange um ergänzende Kriterien gerungen, beispielsweise um eine Öffnungsklausel für besonders schwere Fälle, eine Differenzierung nach Krankheitsbildern oder nach Aufgabenkreisen. Aber weiter gehende Differenzierungen hätten nicht zu weniger, sondern zu mehr Bürokratie geführt; darum haben wir von solchen Abstand genommen. Es gibt deshalb nur zwei Sonderregelungen. Sie beziehen sich zum einen auf vermögende Betreute - da erfahrungsgemäß ein größerer Zeitaufwand schon allein für die Vermögensverwaltung erforderlich ist -, zum anderen auf die Übergabe der Betreuung an einen ehrenamtlichen Betreuer. Diese zweite Ausnahmeregelung soll für die Berufsbetreuer ein Anreiz sein, ihre Betreuung, wenn es im Sinne des Betreuten ist, an einen Ehrenamtlichen abzugeben. Sofern von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, erhalten die Berufsbetreuer die Vergütung für den begonnenen und für den Folgemonat weitergezahlt. An dieser Ausnahmeregelung erkennt man einen weiteren Schwerpunkt der Gesetzesberatungen: die Stärkung des Ehrenamtes. Der Vorteil, der den Betreuungsvereinen durch den Inklusivstundensatz entsteht, ist politisch gewollt: Im Inklusivstundensatz sind 16 Prozent Umsatzsteuer enthalten, die Betreuungsvereine haben allerdings lediglich 7 Prozent zu entrichten - im Gegensatz zu den Berufsbetreuern. Dabei ist uns allen natürlich bekannt, dass das Betreuungsrecht nicht ausschließlich von Ehrenamtlichen ausgeführt werden kann und dass wir weiterhin Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer brauchen. Bei der Diskussion um das Betreuungsrecht ist das Ziel der Betreuungsvermeidung ein wenig aus dem Blickfeld verschwunden. Hier geht es nicht darum, Betreuung zu verhindern, sondern lediglich darum, rechtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden. Die Vorsorgevollmacht ist das einzige Rechtsinstrument, mit dem dies möglich ist und mit dem vor allem das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen umfassend gesichert werden kann. Denn damit kann man eine Vertrauensperson für den Betreuungsfall selbst auswählen. Von daher rate ich jedem, so früh wie möglich eine Vorsorgevollmacht zu verfassen. ({1}) Mit der Verteilung der Beratungs- und Beglaubigungskompetenz auf mehrere Schultern sorgen wir ebenfalls für die Verbreitung und die Stärkung der Vorsorgevollmacht. In der Vergangenheit sind zwar Unsicherheiten bei der Akzeptanz der Vollmachten aufgetreten, insbesondere im Bereich der Kreditwirtschaft. Doch durch entsprechende Anweisungen an die Banken gibt es hier nun Sicherheit, wenngleich es von Vorteil sein kann, die Vorsorgevollmacht direkt bei der Bank zu unterzeichnen. Meine Damen und Herren, ich freue mich sehr, dass es uns in den Verhandlungen gelungen ist, auch eine Evaluierung für das Gesetz festzuschreiben. Diese Evaluierung wird die folgenden zwei Jahre umfassen und sowohl die Auswirkungen auf die Betreuten als auch auf die wirtschaftliche Situation der Betreuer beleuchten; besondere Berücksichtigung werden auch die Probleme und Fragestellungen finden, die aus der kürzlich ergangenen Entscheidung des Bundesfinanzhofes bezüglich der Gewerbesteuerpflicht für Berufsbetreuer resultieren. Mit dieser frühzeitigen Evaluierung wird es möglich sein, eventuelle Fehlentwicklungen sehr zeitnah zu erkennen, ihnen entgegenzusteuern oder auch Ergänzungen vorzunehmen; ich denke hier zum Beispiel an die Probleme, die für Ordensgemeinschaften entstehen können. Wir laden alle Beteiligten ein, die hervorragende Kooperation der vergangenen zwölf Monate weiterleben zu lassen, die Evaluierung gemeinsam mit uns zu begleiten und uns über die Erfahrungen mit dem neuen Gesetz zu berichten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Gesetzesvorhaben zum Betreuungsrecht sind gefüllt mit Zahlen, Ziffern, Daten und Berechnungen. Wichtiger als die Diskussion über Kosten und über Öffnungsklauseln ist aber der Betreute, der auf Hilfe angewiesen ist ({2}) und dessen Würde gewahrt werden muss. Wie ich schon in meiner ersten Rede sagte: Im Mittelpunkt steht der Mensch. Daran wird sich auch nach In-Kraft-Treten des Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes nichts ändern. Vielen Dank. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte die Debatte kurz unterbrechen und auf den Tagesordnungspunkt 23 zurückkommen. Aufgrund einer Fehleinordnung der Sprechzettel habe ich es versäumt, die Überweisung der beiden Gesetzentwürfe an die Ausschüsse beschließen zu lassen. Deshalb bitte ich, darauf zurückkommen zu dürfen. Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 15/4731 und 15/4832 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Dann komme ich zum Tagesordnungspunkt 24 zurück. Das Wort hat jetzt die Kollegin Ute Granold von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Ute Granold (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003538, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befassen uns heute mit dem Betreuungsgesetz, einem Gesetz, das die Menschen tief bewegt und das beim Bund und in den Ländern sehr intensiv, aber auch sehr konstruktiv und sehr harmonisch beraten wurde. Ich glaube, wir können heute sagen, es ist eine Sternstunde für uns, wenn wir hier zusammen zu einem, wie ich denke, guten Ergebnis kommen. Die erste Lesung hierzu fand vor einem Jahr statt. Seitdem gab es eine ganze Anzahl von intensiven Beratungen. Wir haben zwei große Anhörungen durchgeführt und es wurde eine Arbeitsgruppe zwischen Bundestag und Bundesrat gebildet, um zu einem konstruktiven Ergebnis zu kommen. Daneben fanden eine Vielzahl von Gesprächen mit Verbänden und Interessenvertretungen sowie Veranstaltungen statt. Alle Berichterstatter sind quer durch die Republik gereist, um den Menschen unsere Novellierung nahe zu bringen. Über den Reformbedarf bestand Einigkeit. Bereits in der letzten Legislaturperiode - in den Jahren 1999 und 2000 - hat eine interfraktionelle Arbeitsgruppe ein Reformkonzept erarbeitet, da die Zahl der Betreuungen erheblich gestiegen ist und die Kosten in den Ländern explodiert sind. Die Länder haben nach Erstellung des Abschlussberichts einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Grundlage für unsere Beratungen war. Ich denke, ich spreche hier für alle Beteiligten, wenn ich sage, dass für uns bei allen Beratungen stets der Mensch, der aufgrund einer Erkrankung, einer Behinderung oder seines Alters einer rechtlichen Betreuung bedarf, im Mittelpunkt stand. Ziel der jetzigen Reform ist es, die Qualität der Betreuung zu erhöhen und sicherzustellen, dass qualifizierte Betreuungsarbeit geleistet und bezahlt wird. Die Justizhaushalte der Länder sollen dabei mit einem gerechten und unbürokratischen Abrechnungssystem entlastet werden. Wir waren uns bei der Diskussion stets der Problematik bewusst, dass in unserer Gesellschaft eine Betreuungshilfestruktur, ein Handlungsinstrumentarium zur Stützung von Betroffenen ohne Eingriffe der Justiz, fehlt. Hier besteht nach wie vor Handlungsbedarf. Heute befassen wir uns mit der rechtlichen Betreuung, die im Betreuungsgesetz geregelt ist. Die Vorsorgevollmacht als Herzstück ist bereits im Gesetz verankert, sie muss aber gestärkt und in den Mittelpunkt gerückt werden. Sie ist als einziges Rechtsinstitut geeignet, das Selbstbestimmungsrecht der Einzelnen für den Fall einer Erkrankung oder Behinderung umfassend zu sichern. Mittlerweile besteht auch eine große Nachfrage nach so genannten Mustervorsorgevollmachten. Die sehr gut besuchten Informationsveranstaltungen der letzten Wochen und Monate haben gezeigt, dass das Interesse in der Bevölkerung sehr groß ist. Die bisherige Rechtslage wird den Anforderungen der Praxis allerdings nicht gerecht. Im Rechtsverkehr, insbesondere bei den Banken und Sparkassen, findet die Vorsorgevollmacht keine Akzeptanz, da nicht gesichert ist, ob sie auch tatsächlich vom Vollmachtgeber stammt und seinen Willen wiedergibt. Ein akzeptabler Weg, der viele Menschen erreicht, wurde jetzt mit der Errichtung einer behördlichen Beglaubigungskompetenz im Sinne einer öffentlichen Beglaubigung gefunden. Außerdem konnte dieser Tage - wir haben es von Herrn Staatssekretär Hartenbach gehört - eine Einigung mit den Banken und Sparkassen gefunden werden. Die Banken werden eine so genannte Bankenvorsorgevollmacht ausstellen und in den Verkehr bringen. In begleitenden Informationsbroschüren von Bund und Ländern wird bei den Menschen darum geworben werden, eine solche Vollmacht zu unterzeichnen. Weiterhin soll die Vorsorgevollmacht in ein so genanntes Vorsorgeregister, das bei der Bundesnotarkammer geführt wird, aufgenommen werden. Die Gerichte haben dann rund um die Uhr die Möglichkeit, sich zu informieren und auf diese Vorsorgevollmacht Rückgriff zu nehmen. Die Gebühr hierfür - auch das wurde mittlerweile festgelegt - soll zwischen 15 und 18 Euro liegen, je nachdem, für welche Zahlungsart man sich entscheidet. Die Rechtvorschriften hierfür sind nach einem größeren Akt aller - es gab hier noch eine Vielzahl von Hürden zu nehmen - mittlerweile auf den Weg gebracht. Ich danke für die wirklich intensive Mitarbeit von Herrn Staatssekretär Hartenbach. Auch wenn es zu wünschen wäre, dass möglichst alle volljährigen Menschen eine Vorsorgevollmacht erteilen, so gibt es doch Fälle, in denen eine Betreuung erforderlich ist und keine Vorsorgevollmacht besteht. Hier müssen Regelungen getroffen werden, die für die Menschen greifen. Insbesondere im Verfahrensbereich gibt es eine Reihe von Neuerungen. Wir haben es gerade schon von der Kollegin Bätzing gehört. Die Anordnung und Aufhebung der Betreuung sowie die Festlegung des Aufgabenbereichs eines Betreuers sollen nach wie vor unter Richtervorbehalt bleiben. Die Auswahl, Bestellung und Entlassung sollen im Aufgaben- bzw. Zuständigkeitsbereich der Rechtspflege liegen. Proberichter sollen im ersten Jahr ihrer richterlichen Tätigkeit nicht eingesetzt werden, weil die Erfahrung fehlt. Gutachten, die erforderlich sind, um eine Betreuung anzuordnen, können auch dann verwertet werden, wenn sie aus vorangegangenen Verfahren stammen, sofern diese aus dem Bereich der Pflegeversicherung stammen und der Betroffene zustimmt. Wir sind überzeugt, dass wir mit der Änderung der Vergütung im Betreuungswesen den richtigen Weg beschritten haben. Mit der Pauschalierung, die nun eingeführt werden soll, entfallen zeitraubende und bürokratische Einzelabrechnungen. Wir haben für die Pauschalierung eigens eine Anhörung durchgeführt und waren sehr froh, dass wir sehr viele Anregungen aus der Praxis erhielten, die wir in das Gesetz einarbeiten konnten. Ich denke, wir haben einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Betreuern und den Ländern vorgenommen, einen Katalog erstellt und das, was uns die Länder vorgelegt haben, ein Stück weit erweitert. Neben der Differenzierung, ob der Betreute zu Hause ist, in einem Heim oder einer anderen Einrichtung untergebracht ist, differenzieren wir jetzt noch zwischen mittellosen und vermögenden Betreuten. Wir müssen wissen, dass 85 Prozent der Betreuten mittellos sind. Wir haben aber entschieden, nicht weiter je nach der Schwere einer Erkrankung oder eines Falles zu differenzieren. Diese Position haben wir bei der Mittelung der Pauschalsätze eingearbeitet. Weitere Differenzierungen würden wiederum zu einem Verwaltungsaufwand führen, den wir gerade vermeiden wollten. Was uns von der Union wichtig war und auch Eingang im Gesetz gefunden hat, ist die Stärkung des Ehrenamtes. Mit den Inklusivsätzen und den Bruttobeträgen werden die Betreuungsvereine, wo sich die vielen ehrenamtlich Tätigen wieder finden, gestützt und gestärkt. Mit einem reduzierten Steuersatz ist es möglich, dass die Betreuungsvereine hier ein Stück weit bevorzugt werden und damit die ehrenamtliche Arbeit honoriert wird. ({0}) Auf einen weiteren Vorschlag der Union wurde das so genannte Tandemmodell eingeführt. Wir wollen Anreize schaffen, dass bei leichteren Fällen die Berufsbetreuung an ehrenamtliche Betreuer abgegeben wird. Daher wird eine Zusatzvergütung erfolgen, um einen Anreiz zu schaffen, dass der Fall einem ehrenamtlichen Betreuer übergeben wird. Auch das Urteil des Bundesfinanzhofs wurde bereits angesprochen. Hier gab es Irritationen, weil die Berufsbetreuer nun der Gewerbesteuerpflicht unterliegen sollen. In den letzten Tagen haben wir noch eine Einigung gefunden, um das Gesetz verabschieden zu können. In zwei Jahren wird es eine Evaluierung unter den Gesichtspunkten der steuerlichen Belastung und der Differenzierung geben. Auch bei der Frage der Auskömmlichkeit der nun festgelegten Vergütungssätze wollen wir sehen, ob das Gesetz greift und von der Praxis angenommen wird. Wir haben in der Anhörung viel Zeit auf die Frage der Einführung einer gesetzlichen Vertretung im Bereich der Personen-, Vermögens- und Gesundheitssorge verwandt. Ab einem bestimmten Stadium haben wir in der Diskussion gesagt: Wir könnten die gesetzliche Vertretung befristen, um haftungsrechtliche Probleme in den Griff zu bekommen. Das hat aber nicht funktioniert. Das wäre allerdings ein Anliegen, da viele Menschen in der Praxis davon ausgehen, dass eine Vertretung in der Gesundheitsfürsorge im Gesetz steht. Aber dies steht leider nicht so im Gesetz; der Kollege Grübel wird hierzu noch einiges ausführen. Gleiches gilt im Übrigen auch für die ambulante Zwangsbehandlung, die eine Zeit lang diskutiert wurde. Wir haben gemeinsam ein Gesetzeswerk auf den Weg gebracht, das für die Menschen in unserem Land gut ist und mit dem auch die Handelnden gut leben können. Die Evaluierung gibt uns ein Stück weit die Sicherheit, in zwei Jahren zu überprüfen, ob das Gesetz greift. Ich bedanke mich wie die Kollegin Bätzing bei den Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen und der FDP für die doch sehr lange, intensive und fruchtbare Zusammenarbeit und die Tatsache, dass wir heute, so hoffe ich, gemeinsam ein Gesetz verabschieden, das allen Menschen in unserem Land zugute kommt. Vielen Dank. ({1})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt der Kollege Jerzy Montag von Bündnis 90/Die Grünen.

Jerzy Montag (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003595, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Reformgesetz zum Betreuungsrecht, dem heute allseitige Zustimmung im Hause zuteil wird, hat sein Gesicht gegenüber dem ursprünglichen Bundesratsentwurf entscheidend geändert. Erst die Änderungen, die wir gemeinsam im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zustande gebracht haben, haben den Kern des Betreuungsrechts wieder sichtbar gemacht. Die betreuungsbedürftigen Menschen in ihrer Menschenwürde sind und bleiben auch in Zeiten knapper Kassen im Mittelpunkt der Reform. ({0}) Der Gesetzentwurf ist das Ergebnis harter und schwieriger Verhandlungen. Der erzielte Kompromiss ist aber gelungen. Wir stehen zu dem Gesamtpaket und setzen auf die politische Zusage, dass auch die Länder diese Gesamtlösung mittragen werden. Einen Vorschlag des Bundesrates haben wir ersatzlos streichen müssen, die ambulante Zwangsbehandlung. Sie widerspricht allen Ansätzen einer modernen Psychiatrie, die auf ein kooperatives Patientenverhältnis setzt. Psychisch Kranke brauchen gerade in ihrem Zuhause vertrauensvolle Unterstützung und Hilfe und eben nicht staatlich verordneten Zwang. Wir wollen die Vorsorgevollmacht stärken. Mit einer solchen Vollmacht kann jeder Mensch selbst bestimmen, welche Person seines Vertrauens im Falle des Falles seine Rechtsangelegenheiten regeln soll; denn auch hier muss gelten: Persönliche Vorsorge ist besser als staatliche Fürsorge. Dieser Vorrang sichert das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen und hilft zugleich, Kosten der Betreuung zu vermeiden. ({1}) Wir haben deswegen die Hürden für Vorsorgevollmachten gesenkt, damit die Menschen davon noch stärker Gebrauch machen. Betreuungsvereine können noch offensiver für diese Vollmachten werben und Beratungen durchführen. Beglaubigungen können auch bei Betreuungsbehörden erfolgen. Nun müssen wir alle an der gesellschaftlichen Akzeptanz der Vorsorgevollmacht mitwirken. Die Mustervollmachten aus den Ländern und aus dem Bundesjustizministerium sind erarbeitet und sollten verbreitet werden. Sie sollten um eine spezielle Bankvollmacht ergänzt werden, die dann von den Banken auch tatsächlich akzeptiert wird. Dem Gedanken der Selbstbestimmung widersprach auch die gesetzliche Vertretungsmacht für Ehegatten bzw. Angehörige in Gesundheits- bzw. Vermögensangelegenheiten. Wir haben diese Vorschläge daher ersatzlos gestrichen. Mit weiteren Änderungen haben wir die Qualität der Betreuungsentscheidungen gesichert und ausgebaut. Stichwort richterliche Entscheidungskompetenz: Die Anordnung der Betreuung und die Bestimmung des Aufgabenkreises bleiben in Richterhand. Stichwort Qualitätssicherung: Der Richter kann in geeigneten Fällen einen Betreuungsplan erstellen lassen. Stichwort Zweitverwertung von Gutachten: Den Vorschlag des Bundesrates, jedes Hausarztgutachten im Betreuungsverfahren zu verwenden, haben wir abgelehnt. Nur zeitnahe und umfassende Gutachten können die Basis für eine qualifizierte Entscheidung des Gerichts bieten. Ein zentraler Reformpunkt, der massiver Kritik ausgesetzt war, betraf die Pauschalierung der Vergütung für die Berufsbetreuer. Ich möchte vorab ganz deutlich sagen: Das Interesse der Länder, die Kosten der Berufsbetreuungen finanzierbar zu halten, ist ein ganz berechtigtes Interesse. Die bisherige so genannte Spitzabrechnung führte zu unbestreitbaren Mehrkosten. Sie sind von meinen Vorrednerinnen im Einzelnen aufgeführt worden. Deswegen ist der Übergang zur Pauschalvergütung ein richtiger Reformschritt. Aber dieser Reformschritt musste so gegangen werden - und er ist jetzt so gegangen worden -, dass die Auskömmlichkeit der Berufsbetreuer gesichert ist. Nur so wird der Grundgedanke der Reform von 1992, nämlich eine qualitativ hochwertige Individualbetreuung zu leisten, gesichert werden können. Der Stundensatz für Berufsbetreuer ist netto um fast 13 Prozent angehoben worden, bei Vereinsbetreuungen wird die Steigerung sogar 20 Prozent betragen. Dies ist auch gerechtfertigt; denn die Betreuungsvereine sichern nicht nur Berufsbetreuungen, sondern werben und begleiten auch die ehrenamtlichen Betreuer und helfen ihnen bei ihrer Arbeit. Deswegen gilt jetzt für alle Beteiligten, für den Bund, für die Länder, für die Betreuungsvereine, für die freiberuflichen Berufsbetreuer und deren Berufsverbände: Das Gesetz ist eine Basis für gute Rechtsbetreuung in der Zukunft im Interesse und zum Wohl der betreuungsbedürftigen Menschen. Danke schön. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Das Wort hat jetzt die Kollegin Sibylle Laurischk von der FDP-Fraktion.

Sibylle Laurischk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003580, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich die Gelegenheit nutzen, mich bei den Kollegen aus den anderen Fraktionen für die gute Zusammenarbeit zu bedanken, die durch eine bemerkenswerte Nähe in den Kernpositionen gefördert wurde. ({0}) Die Reform des Betreuungsrechts hat uns alle lange beschäftigt. Mit dem vom Bundesrat vorgelegten Entwurf haben wir uns unter anderem in zwei Anhörungen im Rechtsausschuss und in vielen Fachgesprächen intensiv beschäftigt. Wir haben wesentliche Punkte geändert und, wie ich meine, deutlich verbessert. Die Ablehnung der gesetzlichen Vertretungsmacht sowohl in der Gesundheits- als auch in der Vermögenssorge, die Verhinderung der ambulanten Zwangsbehandlung wie auch die Beibehaltung der Grundentscheidung über die Betreuung bei den Richtern sind Punkte, die aus unserer Sicht rechtsstaatlich unverzichtbar waren. ({1}) Die Pauschalierung der Betreuervergütung war notwendig, um Bürokratie abzubauen und die Rechtspfleger nicht als reine Abrechnungsrevisoren zu verstehen. Nach Klärung der rechtsstaatlichen Kernpunkte blieb die Pauschalierung der Betreuervergütung der zentrale Streitpunkt mit den Ländern. Hier haben wir eine Differenzierung nur nach dem Aufenthaltsort des Betreuten vorgenommen und Stundenansätze auf Basis eines Medians der rechtstatsächlichen Untersuchung vorgenommen. Es bleibt abzuwarten, ob die gefundene Lösung bei den Zeitansätzen und der Vergütungshöhe den Ansprüchen gerecht wird, die wir an die Arbeit von Betreuern stellen. Doch über eines sollten wir uns von Anfang an im Klaren sein. Die Betreuer haben bisher in der täglichen Abwicklung ihrer Aufgaben oft Arbeiten übernommen, die eigentlich in die Zuständigkeiten anderer fallen. Dies können wir nach In-Kraft-Treten des neuen Vergütungsmodells nicht mehr erwarten. Ich darf mich an dieser Stelle wiederholen: Eine qualifizierte Betreuung ist nicht zum Nulltarif zu haben. Leider steht hinsichtlich der finanziellen Situation der Betreuer noch ein anderes Problem ins Haus. Ein Urteil des Bundesfinanzhofs, das Anfang Februar bekannt gemacht wurde, unterwirft Berufsbetreuer, aber auch als Betreuer tätige Anwälte mit ihren gesamten Einkünften der Gewerbesteuerpflicht. Ich habe in meinen Gesprächen die Berufsbetreuer durchaus als Angehörige einer Berufsgruppe erlebt, die den mir geläufigen Grundsätzen eines freien Berufes entsprechen würden. Trotz steuerlichen Freibetrags und teilweiser Anrechnungsmöglichkeiten auf die Einkommensteuer hat die genannte Entscheidung möglicherweise Konsequenzen, die noch nicht absehbar sind. Wir haben uns auf eine Evaluation der finanziellen Situation der Betreuer einschließlich der Steuersituation nach zwei Jahren verständigt. Ich fordere die Bundesregierung schon jetzt auf, auf die Problemlage zu reagieren. Ein weiterer Punkt, der uns aller Voraussicht nach auch in Zukunft beschäftigen wird, ist die Qualitätssicherung. Im Spagat zwischen einer möglichst geringen Zugangsvoraussetzung, um ehrenamtliche Betreuer zu gewinnen, und möglichst hohen Standards für berufliche Betreuer ist ein Ausgleich nur schwer möglich, gerade weil auch weiterhin das Ehrenamt in der Betreuung Vorrang haben soll. Doch immer komplizierter werdende Sozialvorschriften - sei es bei den Krankenkassen oder infolge von Hartz IV - lassen das Aufgabengebiet der Betreuer in Zukunft eher noch anspruchsvoller werden. Daher muss es unser Anliegen sein, einen angemessenen Standard zu gewährleisten. Die Klärung, ob dies durch ein Zertifizierungsmodell mit Register, einen eigenständigen akademischen Ausbildungsgang, eine Fortbildungspflicht oder eine Kombination aus allem erfolgen sollte, ist Aufgabe der Verbände, denen ich an dieser Stelle ausdrücklich meine Anerkennung und meinen Dank für ihre konstruktive Haltung im Diskussionsprozess ausspreche. Sie haben sehr viele hilfreiche Vorschläge in die Diskussion eingebracht. ({2}) Angesichts des kurzen Bestehens des Berufsstandes ist dies eine bemerkenswerte Leistung. Einen anderen Beitrag zur Qualitätssicherung werden im Übrigen auch die Richter leisten müssen. Wir haben durchsetzen können, dass nicht mehr unerfahrene Richter mit dieser Aufgabe betraut werden. Nun sind sie gefordert, gute und verlässliche Betreuer auszuwählen. Leitgedanke für die Reform war Art. 1 des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Trotz des Charakters des Spargesetzes, den die Bundesratsvorlage hatte, bin ich heute der Meinung, dass dieser Grundsatz durch die Veränderungen, auf die wir uns verständigt haben, beachtet wurde. Das Selbstbestimmungsrecht der Betreuten wird nicht weiter eingeschränkt. Die Rahmenbedingungen für die Vorsorgevollmacht werden verbessert. Auch in Zukunft werden wir uns der Herausforderung stellen müssen, trotz knapper Kassen das in uns gesetzte Vertrauen im Interesse der Betreuten und der Betreuer nicht zu enttäuschen und tragfähige Lösungen zu entwickeln. Ich danke Ihnen. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Für die Bundesregierung spricht jetzt der Parlamentarische Staatssekretär Alfred Hartenbach.

Alfred Hartenbach (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11002669

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte an den Beginn meiner Rede ein ganz herzliches Dankeschön stellen: Dank an Sie, die Berichterstatter und Berichterstatterinnen, an die Bundesländer sowie an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesjustizministeriums. Frau Zypries hatte vor einem Jahr von gleicher Stelle aus versprochen, dass wir konstruktiv mitarbeiten und uns einbringen werden. Dies haben wir getan. ({0}) Ich glaube, wir alle können stolz darauf sein, dass wir gemeinsam etwas geschaffen haben, das denjenigen zugute kommt, denen es tatsächlich zugute kommen soll, nämlich den Menschen, die nicht mehr selbst bestimmen können, was mit ihnen geschieht. Heute versprechen wir, dass wir den Werdegang des Gesetzes - ich halte es für gut - sehr genau beobachten und darauf achten werden, wie es sich in der Praxis auswirkt. Ich stehe zu unserem Wort, dass wir evaluieren und schnell eingreifen werden, wenn etwas nicht funktioniert. Frau Laurischk, die Evaluierung bezieht sich auch auf die steuerlichen Auswirkungen auf die Betreuer. ({1}) Lassen Sie mich noch auf einen Punkt eingehen, den ich persönlich für sehr wichtig halte. Das ist die Vorsor- gevollmacht. Wir schaffen hier ein Instrument, welches es den Menschen ermöglicht, zu den Zeiten, in denen sie noch selbst bestimmen können, zu regeln, wer einmal für sie sorgen soll, wenn sie nicht mehr selbst bestimmen können. Ich bin sehr stolz darauf, dass es uns in gemein- samen Gesprächen gelungen ist, zu erreichen, dass die Banken sich bemühen werden, ein einheitliches Formu- lar zu entwerfen. Ich bin sehr sicher, dass es uns eben- falls gelingen wird, dafür zu sorgen, dass diejenigen, die aufgrund einer Vollmacht Betreuung übernommen ha- ben, mithilfe dieses Formulars ihre finanziellen Pro- bleme unter erleichterten Umständen lösen können. In diesem Zusammenhang darf ich ein herzliches Danke- schön an die Vertreter der Banken aussprechen, die uns sehr entgegengekommen sind. Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Ich freue mich, dass wir zu einem parlamentarischen Stil gefun- den haben, der vorbildlich für alle weiteren Beratungen in diesem Hause sein dürfte.1) Vielen Dank, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. ({2})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Markus Grübel von der CDU/CSU-Fraktion. ({0})

Markus Grübel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003542, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Mittelpunkt der Beratungen stand und steht der Mensch. Das haben alle gesagt. Anlass für die Beratungen und den Gesetzentwurf war aber das liebe Geld. Die Kosten der rechtlichen Betreuung sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Dafür gibt es viele Gründe. Durch den demographischen Wandel gibt es immer mehr hochbe- tagte Menschen und damit auch immer mehr Altersde- mente. Die Familienverbände lösen sich auf. Durch die Verrechtlichung in allen Lebensbereichen wird immer 1) siehe auch Anlage 3 stärker nach einer förmlichen Vorsorgevollmacht oder Betreuung gefragt, wo früher die Kenntnis der Familienverhältnisse genügt hat. Die Beratungen waren durch das Konsensprinzip geprägt; das ist klar geworden. Wir haben hier das gute Beispiel eines Gesetzes, das gemeinsam und ohne großen Streit beraten wurde. Auf was wir uns nicht einigen konnten, steht demnach auch nicht im Gesetz. Einen Punkt möchte ich in diesem Zusammenhang ausdrücklich ansprechen: die gesetzliche Vertretungsmacht für Ehegatten und Kinder im Bereich der Gesundheitsfürsorge und für Ehegatten im Bereich der Vermögenssorge. Hier sind ganz unterschiedliche Bilder von Familie und Ehe aufeinander geprallt, ja man kann fast sagen: ganz unterschiedliche Weltbilder. Während SPD und Grüne von einem möglichen Missbrauch bei den Ehegatten und in der Familie ausgegangen sind, haben wir ein ganz anderes, positiveres Bild von Ehe und Familie. ({0}) Wir sehen nicht zunächst die Gefahr, dass der Ehepartner die Konten räumt, wenn der andere in einer hilflosen Lage ist. Wir unterstellen nicht, dass die Kinder nur darauf warten, sich durch einen Behandlungsabbruch in den Besitz der Erbschaft bringen zu können. ({1}) Für uns ist die Ehe ein Ort, an dem der eine für den anderen da ist. Für uns ist die Familie der Ort, an dem es Solidarität zwischen den Generationen gibt. ({2}) Die meisten alten und kranken Menschen haben weniger Angst vor ihren Familienangehörigen als vielmehr vor dem Vormundschaftsgericht und dem vormundschaftsgerichtlichen Verfahren. Sollte es im Einzelfall tatsächlich Grund für Misstrauen geben, hätte nach dem Gesetzentwurf jeder seinen entgegenstehenden Willen äußern und dokumentieren können. Ein rechtsstaatlich sauberes Verfahren besteht aus vielen Verfahrensschritten: der Anregung der Betreuung und dem ärztlichen Attest, einer sozialpsychiatrischen Stellungnahme von ambulanten kommunalen Diensten, einem fachärztlichen Gutachten über den Betroffenen, der Anhörung der Betreuungsbehörde, der Stellungnahme des Verfahrenspflegers, der Anhörung des Betroffenen und dem Schlussgespräch und schließlich dem Beschluss des Vormundschaftsgerichts und der Verpflichtung des Betreuers. In vielen Fällen ist das Ergebnis dieses sauberen rechtsstaatlichen Verfahrens, dass der Ehepartner oder das Kind zum Betreuer bestellt wird, und dies oft nur für eine verhältnismäßig kurze Zeit. Hier hätten wir ein familienpolitisches Signal setzen und Bürokratieabbau betreiben können. Leider war dies nicht konsensfähig. Auf das Thema Vorsorgevollmacht haben bereits alle Redner hingewiesen. Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Wir sind mit dem Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz insgesamt zufrieden. Wenn wir uns auch noch auf die gesetzliche Vertretungsmacht geeinigt hätten, hätten wir noch weniger Bürokratie und ein familienpolitisches Signal setzen können. Dies bleibt ein Merkposten für ein mögliches Viertes Betreuungsrechtsänderungsgesetz nach dem Jahr 2006. Vielen Dank. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt hat das Wort die Kollegin Christine Lambrecht von der SPD-Fraktion.

Christine Lambrecht (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003167, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur kurz die Gelegenheit nutzen, einige Irrtümer auszuräumen, die mein Vorredner jetzt in die Debatte eingebracht hat. Herr Grübel hat ein Familienbild aufgezeigt, wie es wünschenswert ist und wie es in zahlreichen Familien vorkommt und noch häufiger vorkommen sollte. Das hat aber nichts mit dem zu tun, über das wir uns hier unterhalten, nämlich die gesetzliche Vertretungsmacht. ({0}) Man muss zunächst wissen, dass nur 13 Prozent aller Menschen, die unter Betreuung stehen, überhaupt verheiratet sind. Wir reden hier also über eine marginale Zahl. Das Problem bei der gesetzlichen Vertretungsmacht war, dass sie sich nicht nur auf Ehegatten bezog, sondern auch auf die Kinder. Es war ein Automatismus vorgesehen, nach dem das Kind für den entsprechenden Elternteil verantwortlich ist, ({1}) aber auch umgekehrt der Elternteil für das Kind. Das ist dann kein Problem, wenn zum Beispiel ich mit 39 Jahren für meinen 60-jährigen Vater die Betreuung übernehmen soll. Umgekehrt geht es auch noch. Wenn aber sein 84-jähriger Vater für ihn automatisch die Betreuung übernehmen soll, zum Beispiel wenn er einen Schlaganfall gehabt hat, besteht ein Fall der Überforderung. Genau so ist es, wenn der 18-jährige Sohn für seinen 50-jährigen Vater, der nebenbei noch einen Betrieb leitet, die gesetzliche Vertretungsmacht übernehmen soll. Das waren unsere Bedenken. Außerdem ging es um die Emanzipation. Ich spreche hier nicht von Frauen, sondern von Behinderten, die explizit erklärt haben, dass sie nicht automatisch für den Rest ihres Lebens unter die Vertretungsmacht ihrer Eltern gestellt werden wollen. ({2}) Das waren die Gründe, warum wir kein gesetzliches Vertretungsrecht wollen. Wir haben kein abgehobenes Familienbild, sondern wir nehmen die Realität zur Kenntnis. Es wäre schön, wenn es so wäre, wie Sie es hier dargestellt haben. Völlig andere Gründe haben dazu geführt, dass wir das ursprünglich vorgesehene gesetzliche Vertretungsrecht nicht im Gesetzentwurf haben wollten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. ({3})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Betreuungsrechtsänderungsgesetzes auf Drucksache 15/2494. Der Rechtsausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/4874, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Interfraktionell ist vereinbart worden, die heutige Tagesordnung um die Beratung der Anträge der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung von Einsprüchen des Bundesrates auf den Drucksachen 15/4892 und 15/4893 zu erweitern und diese jetzt als Zusatzpunkt 11 und Zusatzpunkt 12 aufzurufen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen. Ich rufe somit den Zusatzpunkt 11 und den Zusatzpunkt 12 auf: ZP 11 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsgesetz 2005 ({0}) - Drucksachen 15/4890, 15/4892 ZP 12 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Errichtung der Akademie der Künste ({1}) - Drucksachen 15/4891, 15/4893 14834 Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Der Präsident des Bundesrates hat schriftlich mitgeteilt, dass der Bundesrat beschlossen hat, gegen das Haushaltsgesetz 2005 und gegen das Gesetz zur Errichtung der Akademie der Künste Einspruch einzulegen. Es liegen zwei Anträge der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung der Einsprüche des Bundesrates vor. Bevor wir gleich zur Abstimmung über die beiden Anträge kommen, bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für einige notwendige Hinweise zum Abstimmungsverfahren. Es ist jeweils namentliche Abstimmung verlangt. Nach Art. 77 Abs. 4 des Grundgesetzes ist für die Zurückweisung eines Einspruchs des Bundesrates die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages erforderlich; das sind mindestens 301 Stimmen. Wer den Einspruch zurückweisen will, muss mit Ja stimmen. Sie benötigen außer Ihren Stimmkarten auch Ihre Stimmausweise in den Farben Blau und Gelb. Die Farbe des zu verwendenden Stimmausweises werde ich bei der jeweiligen Abstimmung angeben. Die Stimmausweise können Sie, so weit noch nicht geschehen, Ihrem Stimmkartenfach entnehmen. Bitte achten Sie darauf, dass Stimmkarten und Stimmausweise Ihren Namen tragen. Bevor Sie Ihre Stimmkarte in die Urne werfen, übergeben Sie bitte den jeweiligen Stimmausweis einem der Schriftführer an der Urne. Sie müssen also Ihre Stimmkarte und Ihren Stimmausweis abgeben. Die Schriftführerinnen und Schriftführer bitte ich, darauf zu achten, dass Stimmkarten nur von Kolleginnen und Kollegen in die Urnen geworfen werden dürfen, die vorher ihren Stimmausweis in der richtigen Farbe abgegeben haben. Wir kommen jetzt zur ersten namentlichen Abstimmung. Zusatzpunkt 11: Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Haushaltsgesetz 2005, Drucksache 15/4892. Sie benötigen den Stimmausweis in der Farbe Blau. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte nicht abgegeben hat? Können mir die Schriftführer das bitte einmal signalisieren? - Einen Moment müssen wir noch warten. Jetzt schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. ({2}) - Die Abstimmung ist geschlossen. Wir setzen die Abstimmungen fort. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Urnen auszu- wechseln. Zusatzpunkt 12: Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates ge- gen das Gesetz zur Errichtung der Akademie der Künste, Drucksache 15/4893. Sie benötigen jetzt den Stimmaus- weis in der Farbe Gelb. Ich eröffne die Abstimmung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerin- nen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmungen wird Ihnen später be- kannt gegeben.1) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen dann mit dem nächsten Tagesordnungspunkt fortfahren. Ich bitte diejenigen, die sich daran beteiligen wollen, die Plätze einzunehmen, und die übrigen, jedenfalls das Zentrum des Plenarsaals zu räumen. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 25 auf: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Martina Krogmann, Dagmar Wöhrl, KarlJosef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Stärkung von Auskunfts- und Mehrwertdiensten durch Missbrauchsbekämpfung - Drucksachen 15/3547, 15/4092 Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin Dr. Martina Krogmann von der CDU/ CSU-Fraktion das Wort. ({3})

Dr. Martina Krogmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003163, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass wir heute im Bundestag darüber debattieren, wie wir die Auskunfts- und Mehrwertdienste stärken können. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben unsere Große Anfrage bereits im Juni 2004 eingebracht. Damals wie heute liegen uns zwei Dinge bei dieser Thematik besonders am Herzen: Erstens wollen wir die ungeheuer dynamischen Unternehmen auf diesen Zukunftsmärkten stärken und zweitens wollen wir die Verbraucher stärken. Deshalb müssen wir unseriöse Anbieter, die die Verbraucher nur abzocken wollen, endlich energisch bekämpfen. ({0}) Der Markt für Mehrwertdienste und auch für Aus- kunftsdienste stellt einen zentralen Wachstumsmotor für die gesamte Telekommunikationsbranche dar und ist damit natürlich auch von entscheidender Bedeutung für unsere Volkswirtschaft. Die Branche ist in den letz- ten Jahren weltweit enorm gewachsen. Aber auch in Deutschland haben wir inzwischen einen Umsatz von 1) Seiten 14836 C, 14839 C 2 Milliarden Euro pro Jahr, Tendenz weiter rasant steigend. Das Problem ist nun, dass es einige unseriöse Anbieter gibt, die enormen Schaden anrichten: Schaden für die seriösen Unternehmen, weil sie die Branche in Verruf bringen, und Schaden für die Verbraucher, weil sie ihnen mit unlauteren Methoden das Geld aus der Tasche ziehen. Damit gehen das Vertrauen in diese Dienste und infolgedessen Wachstumsmöglichkeiten, Innovationsmöglichkeiten und Arbeitsplätze verloren. ({1}) Um welche Dienste geht es hier eigentlich? Es geht zum einen um die 0190er-/0900er-Nummern, unter denen man verschiedene Dienstleistungen abfragen kann: Beratungsdienste, das Wetter, Sportergebnisse, Stauprognosen, Kochrezepte, also Dienste aller Art. Dann gibt es die 0137er-Nummern, mit denen das Fernsehen gewissermaßen interaktiv wird. Sie wählen eine Nummer und können dann per Telefon zum Beispiel mitentscheiden, wer das Dschungelcamp verlassen muss oder wer als Erster aus dem Big-Brother-Container fliegt. Auch hier gibt es keine Grenzen für Geschäftsmodelle und Ideen. Vergleichsweise jung ist der Markt der mobilen Mehrwertdienste, Stichwort hier: Premium-SMS. Dabei fordert der Kunde per SMS die Leistung eines Anbieters an und kann sich dann Klingeltöne, Wallpapers, Informationen, Videos oder Musik auf sein Handy herunterladen. Hier ist eine ungeheure Dynamik im Markt. Fast täglich entstehen neue Ideen und Geschäftsmodelle. Man muss sich einmal vorstellen, dass der größte Anbieter solcher mobilen Mehrwertdienste - er sitzt hier in Berlin - inzwischen ein Angebot an 30 000 Klingeltönen und 25 000 verschiedenen Logos und Grußkarten hat. Pro Monat werden in dieser Firma in einer alten Fabrikhalle in Kreuzberg allein 150 neue Spiele erfunden. Daran zeigt sich diese ungeheure Dynamik. Am Markt sind junge, kleine, mittelständische Unternehmen, die neue Ideen haben und innovativ sind. Das geht weiter; es wird sich noch beschleunigen. Mit der flächendeckenden Einführung von UMTS werden solche Dienste natürlich noch stärker nachgefragt werden. Wir dürfen diese junge Wachstumsbranche nicht kaputtregulieren. ({2}) Leider ist - das ist die andere Seite - die Palette des Missbrauchs auch bei diesen mobilen Diensten vielfältig. Es gibt zum Beispiel so genannte Lock-SMS. In diesem Fall bekommen Sie eine persönlich formulierte SMS, in der Sie aufgefordert werden, doch bitte schnell zurückzurufen. Wenn Sie Pech haben, landen Sie dann bei einer 0190er-Nummer und der Anruf kostet Sie gleich mehr als 3 Euro, ohne dass Sie irgendetwas davon haben. Sicherlich kennen Sie auch die Werbeanzeigen für Dienste, die mit falschen Preisen angeboten werden. Dort steht klein, dass eine bestimmte Leistung angeboten wird, dann groß, dass das per SMS 80 Cent kostet, aber ganz winzig klein, in millimetergroßer Schrift, steht an der Seite dieser Anzeige: Freischaltgebühr 9,95 Euro. Das heißt, Sie werden mit einer SMS gleich über 10 Euro los, und das für nichts und wieder nichts. Das darf es natürlich nicht geben. Deshalb besteht hier dringender politischer Handlungsbedarf. ({3}) Wir haben gemeinsam das Gesetz zur Bekämpfung von Missbrauch bei den so genannten Dialern verabschiedet. Das ist jetzt knapp zwei Jahre her. Auch damals war es so, dass wir Sie antreiben mussten, in diesem Bereich überhaupt etwas zu tun. Vor allem meine Kollegin Ulla Heinen hat damals einen Antrag formuliert, den Sie dann fast wörtlich und mit allen unseren Forderungen in das Gesetz übernommen haben. Wir tragen das Gesetz mit, denn es war ein gutes Gesetz. ({4}) Leider haben Sie sich dann bequem zurückgelehnt und gedacht: Gut ist mit der Missbrauchsbekämpfung. Dabei haben Sie aber übersehen, dass sich diese Branche ständig weiterentwickelt, und zwar in einem ungeheuren Tempo. Es gibt neue Technologien, neue Übertragungswege und ständig neue Geschäftsmodelle. Hier kommt es leider zu neuen Formen des Missbrauchs. Wir werfen Ihnen vor, dass Sie, statt zu handeln, viel zu lange tatenlos zugesehen haben, wie seriöse Unternehmen diskreditiert und die Verbraucher über den Tisch gezogen worden sind. ({5}) Erst vor ein paar Tagen, also Anfang Februar, haben Sie den Gesetzentwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes eingebracht. Wir werden über diesen Gesetzentwurf in den kommenden Wochen und Monaten intensiv debattieren müssen. Schon jetzt sage ich Ihnen aber, dass die CDU/CSU-Fraktion keinem Gesetz zustimmen wird, das Verbraucher entmündigt und Unternehmen stranguliert. ({6}) Für uns sind Wirtschaft und Verbraucherschutz eben keine Gegensätze, sondern zwei Seiten derselben Medaille. Die Unternehmen selbst haben doch ein hohes Interesse daran, zufriedene Kunden zu haben. Sie haben sich deshalb in vielen Bereichen freiwillig verpflichtet, bestimmte Maßnahmen durchzuführen. Wichtig ist aber, dass wir das im Wettbewerb schaffen; denn der Wettbewerb - und nicht die staatliche Drangsalierung von Frau Künast, Herrn Clement und der rot-grünen Bundesregierung - sorgt dafür, dass der Verbraucher die besten Produkte bekommt. ({7}) Ich denke, in einigen Punkten sind wir uns einig, vor allem darin, dass es wichtig ist, mehr Transparenz in dieser Branche zu haben. Die Verbraucher benötigen mehr Sicherheit, wie viel sie für welche Leistung bezahlen müssen. ({8}) Die Verbraucher müssen sich in dem dichten Tarifdschungel, den wir heute haben, auskennen. Preise und Leistungen müssen immer deutlich lesbar und erkennbar sein. Deshalb müssen wir natürlich über Preisangaben und über Preishöchstgrenzen reden. Wir müssen auch über Preisansagepflichten, zumindest für die teuren Dienste, reden. Die Frage ist aber, ob das wirklich überall und umfassend gelten muss. Ich habe beispielsweise Probleme damit, wenn Sie diese Pflichten automatisch für das Call-by-Call-Verfahren einführen wollen. ({9}) Wir müssen auch über das so genannte HandshakeVerfahren reden. Der Kunde bekommt beim HandshakeVerfahren nach seiner Abobestellung eine SMS vom Anbieter, die er bestätigen muss. Bei SMS-Abos ist das sicherlich richtig und sinnvoll. Dieses Handshake-Verfahren wird von einigen Anbietern freiwillig angeboten. Fraglich ist nun aber, ob dieses Verfahren wirklich für jede E-Mail und jede SMS gelten soll. Denn hier geht es nur um kleine Beträge. Das wäre ungefähr so, als wenn man sich am Bahnhofskiosk spontan eine Tüte Gummibärchen kaufen will und der Verkäufer zweimal fragen würde, ob man wirklich sicher sei, diese Tüte Gummibärchen kaufen zu wollen. Dieses Verfahren wäre nicht nur nervig, sondern auch lebensfremd und nicht praktikabel. Deshalb lehnen wir eine Übertragung auf einzelne SMS ab. ({10}) Auch über Preisobergrenzen müssen wir uns verständigen. Ich habe eine Bitte: Wir müssen vor dem Hintergrund einer schnelleren Einführung der UMTS-Technologie aufpassen, dass wir neue Ideen nicht durch staatliche Preisvorgaben von vornherein ausschließen und kaputtmachen. Denn eines geht nicht: Man kann nicht die weltweit teuersten UMTS-Lizenzen versteigern und dann den Unternehmen, die die Lizenzen teuer bezahlt haben, Niedrigpreise für ihre Angebote per Gesetz vorschreiben und damit attraktive Inhalte verhindern. Das werden wir auf keinen Fall mitmachen. ({11}) Wir, die Union, werden den weiteren Gesetzgebungsprozess wie bisher kritisch, aber vor allem auch konstruktiv begleiten. Denn wir stehen ein für eine unbürokratische, praktikable und zukunftsfähige Lösung für den gesamten Markt der Auskunfts- und Mehrwertdienste. Vielen Dank. ({12})

Dr. Hermann Otto Solms (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002190

Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, möchte ich die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen bekannt geben. Wir kommen zunächst zum Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Haushaltsgesetz 2005. Abgegebene Stimmausweise 572, abgegebene Stimmen 572. Mit Ja haben gestimmt 303, mit Nein haben gestimmt 269, Enthaltungen keine. Der Antrag ist angenommen, da das Quorum 301 betragen hat. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 572; davon ja: 303 nein: 269 Ja SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr ({0}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({1}) Klaus Barthel ({2}) Sören Bartol Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Rudolf Bindig Lothar Binding ({3}) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({4}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Martina Eickhoff Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({5}) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({6}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack ({7}) Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann ({8}) Nina Hauer Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gisela Hilbrecht Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({9}) Walter Hoffmann ({10}) Iris Hoffmann ({11}) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Frank Hofmann ({12}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Renate Jäger Klaus-Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Dr. Heinz Köhler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Horst Kubatschka Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christian Lange ({13}) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller ({14}) Christian Müller ({15}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann ({16}) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({17}) Michael Roth ({18}) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({19}) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer ({20}) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Horst Schmidbauer ({21}) Ulla Schmidt ({22}) Silvia Schmidt ({23}) Dagmar Schmidt ({24}) Wilhelm Schmidt ({25}) Heinz Schmitt ({26}) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Brigitte Schulte ({27}) Reinhard Schultz ({28}) Swen Schulz ({29}) Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt ({30}) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Reinhard Weis ({31}) Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({32}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek ({33}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Brigitte Wimmer ({34}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({35}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({36}) Volker Beck ({37}) Cornelia Behm Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer ({38}) Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Winfried Hermann Peter Hettlich Thilo Hoppe Michaele Hustedt Jutta Krüger-Jacob Fritz Kuhn Renate Künast Undine Kurth ({39}) Markus Kurth Monika Lazar Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Kerstin Müller ({40}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth ({41}) Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({42}) Werner Schulz ({43}) Petra Selg Ursula Sowa Rainder Steenblock Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Dr. Antje Vollmer Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({44}) Nein CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Artur Auernhammer Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({45}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({46}) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner ({47}) Cajus Julius Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({48}) Dirk Fischer ({49}) Axel E. Fischer ({50}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({51}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Manfred Grund Karl-TheodorFreiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger-Heinrich Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Joachim Hörster Hubert Hüppe Susanne Jaffke Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({52}) Volker Kauder Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler ({53}) Norbert Königshofen Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Günther Krichbaum Günter Krings Dr. Hermann Kues Werner Kuhn ({54}) Dr. Karl A. Lamers ({55}) Helmut Lamp Karl-Josef Laumann Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({56}) Dr. Klaus W. Lippold ({57}) Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski ({58}) Stephan Mayer ({59}) Dr. Conny Mayer ({60}) Dr. Martin Mayer ({61}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Doris Meyer ({62}) Maria Michalk Marlene Mortler Stefan Müller ({63}) Bernward Müller ({64}) Hildegard Müller Bernd Neumann ({65}) Henry Nitzsche Michaela Noll Claudia Nolte Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Melanie Oßwald Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Christa Reichard ({66}) Katherina Reiche Hans-Peter Repnik Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Roedel Franz-Xaver Romer Dr. Klaus Rose Kurt J. Rossmanith Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({67}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({68}) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Andreas Scheuer Georg Schirmbeck Angela Schmid Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({69}) Andreas Schmidt ({70}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Heinz Seiffert Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({71}) Lena Strothmann Michael Stübgen Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marko Wanderwitz Peter Weiß ({72}) Gerald Weiß ({73}) Ingo Wellenreuther Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({74}) Matthias Wissmann Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Willi Zylajew FDP Dr. Karl Addicks Daniel Bahr ({75}) Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Helga Daub Ulrike Flach Otto Fricke Horst Friedrich ({76}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Ulrich Heinrich Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Eberhard Otto ({77}) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Andreas Pinkwart Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Fraktionslose Martin Hohmann Petra Pau Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms ({78}) Nun das Ergebnis der zweiten namentlichen Abstimmung, nämlich der über den Antrag auf Zurückweisung des Einspruchs des Bundesrates gegen das Gesetz zur Errichtung der Akademie der Künste. Abgegebene Stimmausweise 571, abgegebne Stimmen ebenfalls 571. Mit Ja haben gestimmt 306, mit Nein haben gestimmt 39, Enthaltungen 226. Auch dieser Antrag hat die erforderliche Mehrheit bekommen und ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 571; davon ja: 306 nein: 39 enthalten: 226 Ja SPD Dr. Lale Akgün Gerd Andres Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Hermann Bachmaier Ernst Bahr ({79}) Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Eckhardt Barthel ({80}) Klaus Barthel ({81}) Sören Bartol Uwe Beckmeyer Klaus Uwe Benneter Dr. Axel Berg Ute Berg Hans-Werner Bertl Rudolf Bindig Lothar Binding ({82}) Kurt Bodewig Gerd Friedrich Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann ({83}) Hans-Günter Bruckmann Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Dr. Michael Bürsch Hans Martin Bury Marion Caspers-Merk Dr. Peter Danckert Dr. Herta Däubler-Gmelin Karl Diller Martin Dörmann Peter Dreßen Detlef Dzembritzki Sebastian Edathy Siegmund Ehrmann Hans Eichel Martina Eickhoff Marga Elser Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Annette Faße Elke Ferner Gabriele Fograscher Rainer Fornahl Gabriele Frechen Dagmar Freitag Lilo Friedrich ({84}) Iris Gleicke Günter Gloser Uwe Göllner Renate Gradistanac Angelika Graf ({85}) Dieter Grasedieck Monika Griefahn Kerstin Griese Gabriele Groneberg Achim Großmann Wolfgang Grotthaus Karl Hermann Haack ({86}) Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann ({87}) Nina Hauer Reinhold Hemker Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Heß Monika Heubaum Gisela Hilbrecht Gabriele Hiller-Ohm Stephan Hilsberg Gerd Höfer Jelena Hoffmann ({88}) Walter Hoffmann ({89}) Iris Hoffmann ({90}) Frank Hofmann ({91}) Eike Hovermann Klaas Hübner Christel Humme Lothar Ibrügger Brunhilde Irber Renate Jäger Klaus-Werner Jonas Johannes Kahrs Ulrich Kasparick Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Hans-Peter Kemper Klaus Kirschner Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Dr. Heinz Köhler Walter Kolbow Fritz Rudolf Körper Karin Kortmann Rolf Kramer Anette Kramme Ernst Kranz Nicolette Kressl Volker Kröning Angelika Krüger-Leißner Dr. Hans-Ulrich Krüger Horst Kubatschka Helga Kühn-Mengel Ute Kumpf Dr. Uwe Küster Christian Lange ({92}) Christine Lehder Waltraud Lehn Dr. Elke Leonhard Eckhart Lewering Gabriele Lösekrug-Möller Erika Lotz Dr. Christine Lucyga Tobias Marhold Lothar Mark Caren Marks Hilde Mattheis Markus Meckel Ulrike Mehl Petra-Evelyne Merkel Ulrike Merten Angelika Mertens Ursula Mogg Michael Müller ({93}) Christian Müller ({94}) Gesine Multhaupt Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Volker Neumann ({95}) Dietmar Nietan Dr. Erika Ober Holger Ortel Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Karin Rehbock-Zureich Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Christel RiemannHanewinckel Walter Riester Reinhold Robbe René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth ({96}) Michael Roth ({97}) Gerhard Rübenkönig Ortwin Runde Marlene Rupprecht ({98}) Thomas Sauer Anton Schaaf Axel Schäfer ({99}) Gudrun Schaich-Walch Rudolf Scharping Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Siegfried Scheffler Horst Schild Horst Schmidbauer ({100}) Ulla Schmidt ({101}) Silvia Schmidt ({102}) Dagmar Schmidt ({103}) Wilhelm Schmidt ({104}) Heinz Schmitt ({105}) Carsten Schneider Walter Schöler Olaf Scholz Karsten Schönfeld Fritz Schösser Wilfried Schreck Ottmar Schreiner Gerhard Schröder Brigitte Schulte ({106}) Reinhard Schultz ({107}) Swen Schulz ({108}) Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Dr. Cornelie SonntagWolgast Wolfgang Spanier Dr. Margrit Spielmann Jörg-Otto Spiller Ludwig Stiegler Rolf Stöckel Christoph Strässer Rita Streb-Hesse Dr. Peter Struck Joachim Stünker Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Jörg Tauss Jella Teuchner Dr. Gerald Thalheim Wolfgang Thierse Franz Thönnes Hans-Jürgen Uhl Rüdiger Veit Simone Violka Jörg Vogelsänger Ute Vogt ({109}) Dr. Marlies Volkmer Hans Georg Wagner Hedi Wegener Andreas Weigel Reinhard Weis ({110}) Petra Weis Gunter Weißgerber Gert Weisskirchen ({111}) Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker Dr. Rainer Wend Hildegard Wester Lydia Westrich Inge Wettig-Danielmeier Dr. Margrit Wetzel Andrea Wicklein Jürgen Wieczorek ({112}) Heidemarie Wieczorek-Zeul Brigitte Wimmer ({113}) Engelbert Wistuba Barbara Wittig Dr. Wolfgang Wodarg Verena Wohlleben Waltraud Wolff ({114}) Heidi Wright Uta Zapf Manfred Helmut Zöllmer Dr. Christoph Zöpel CDU/CSU Kurt J. Rossmanith BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck ({115}) Volker Beck ({116}) Cornelia Behm Matthias Berninger Grietje Bettin Alexander Bonde Ekin Deligöz Dr. Thea Dückert Jutta Dümpe-Krüger Franziska Eichstädt-Bohlig Dr. Uschi Eid Hans-Josef Fell Joseph Fischer ({117}) Katrin Göring-Eckardt Anja Hajduk Winfried Hermann Peter Hettlich Thilo Hoppe Michaele Hustedt Jutta Krüger-Jacob Fritz Kuhn Renate Künast Undine Kurth ({118}) Markus Kurth Monika Lazar Dr. Reinhard Loske Anna Lührmann Kerstin Müller ({119}) Winfried Nachtwei Christa Nickels Friedrich Ostendorff Simone Probst Claudia Roth ({120}) Krista Sager Christine Scheel Irmingard Schewe-Gerigk Rezzo Schlauch Albert Schmidt ({121}) Werner Schulz ({122}) Petra Selg Ursula Sowa Rainder Steenblock Hans-Christian Ströbele Jürgen Trittin Marianne Tritz Dr. Antje Vollmer Dr. Ludger Volmer Josef Philip Winkler Margareta Wolf ({123}) Fraktionslose Petra Pau Nein FDP Dr. Karl Addicks Daniel Bahr ({124}) Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Helga Daub Ulrike Flach Otto Fricke Horst Friedrich ({125}) Rainer Funke Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Dr. Karlheinz Guttmacher Klaus Haupt Ulrich Heinrich Michael Kauch Dr. Heinrich L. Kolb Hellmut Königshaus Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Ina Lenke Sabine LeutheusserSchnarrenberger Markus Löning Dirk Niebel Günther Friedrich Nolting Eberhard Otto ({126}) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Andreas Pinkwart Dr. Max Stadler Carl-Ludwig Thiele Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Enthalten CDU/CSU Ulrich Adam Ilse Aigner Peter Altmaier Artur Auernhammer Norbert Barthle Dr. Wolf Bauer Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck ({127}) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Dr. Rolf Bietmann Clemens Binninger Renate Blank Peter Bleser Antje Blumenthal Dr. Maria Böhmer Jochen Borchert Wolfgang Börnsen ({128}) Dr. Wolfgang Bötsch Klaus Brähmig Dr. Ralf Brauksiepe Helge Braun Monika Brüning Georg Brunnhuber Verena Butalikakis Hartmut Büttner ({129}) Cajus Julius Caesar Gitta Connemann Leo Dautzenberg Hubert Deittert Alexander Dobrindt Vera Dominke Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Rainer Eppelmann Georg Fahrenschon Ilse Falk Dr. Hans Georg Faust Albrecht Feibel Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer ({130}) Dirk Fischer ({131}) Axel E. Fischer ({132}) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich ({133}) Erich G. Fritz Jochen-Konrad Fromme Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Dr. Peter Gauweiler Norbert Geis Roland Gewalt Eberhard Gienger Georg Girisch Michael Glos Ralf Göbel Dr. Reinhard Göhner Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Kurt-Dieter Grill Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Manfred Grund Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg Olav Gutting Holger-Heinrich Haibach Gerda Hasselfeldt Klaus-Jürgen Hedrich Ursula Heinen Siegfried Helias Uda Carmen Freia Heller Michael Hennrich Jürgen Herrmann Bernd Heynemann Ernst Hinsken Peter Hintze Robert Hochbaum Klaus Hofbauer Joachim Hörster Hubert Hüppe Susanne Jaffke Dr. Peter Jahr Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Steffen Kampeter Irmgard Karwatzki Bernhard Kaster Siegfried Kauder ({134}) Volker Kauder Gerlinde Kaupa Eckart von Klaeden Jürgen Klimke Julia Klöckner Kristina Köhler ({135}) Norbert Königshofen Thomas Kossendey Rudolf Kraus Michael Kretschmer Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms Günther Krichbaum Günter Krings Dr. Hermann Kues Werner Kuhn ({136}) Dr. Karl A. Lamers ({137}) Helmut Lamp Karl-Josef Laumann Werner Lensing Peter Letzgus Ursula Lietz Walter Link ({138}) Dr. Klaus W. Lippold ({139}) Dr. Michael Luther Dorothee Mantel Erwin Marschewski ({140}) Stephan Mayer ({141}) Dr. Martin Mayer ({142}) Wolfgang Meckelburg Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Friedrich Merz Doris Meyer ({143}) Maria Michalk Marlene Mortler Stefan Müller ({144}) Bernward Müller ({145}) Hildegard Müller Bernd Neumann ({146}) Henry Nitzsche Michaela Noll Claudia Nolte Günter Nooke Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Melanie Oßwald Rita Pawelski Dr. Peter Paziorek Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Dr. Friedbert Pflüger Beatrix Philipp Ronald Pofalla Ruprecht Polenz Daniela Raab Thomas Rachel Hans Raidel Dr. Peter Ramsauer Helmut Rauber Christa Reichard ({147}) Katherina Reiche Hans-Peter Repnik Dr. Heinz Riesenhuber Hannelore Roedel Franz Romer Dr. Klaus Rose Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Albert Rupprecht ({148}) Peter Rzepka Anita Schäfer ({149}) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Andreas Scheuer Georg Schirmbeck Angela Schmid Bernd Schmidbauer Christian Schmidt ({150}) Andreas Schmidt ({151}) Dr. Andreas Schockenhoff Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Wilhelm Josef Sebastian Kurt Segner Matthias Sehling Marion Seib Heinz Seiffert Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Erika Steinbach Christian von Stetten Gero Storjohann Andreas Storm Max Straubinger Matthäus Strebl Thomas Strobl ({152}) Lena Strothmann Michael Stübgen Antje Tillmann Edeltraut Töpfer Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Uwe Vogel Andrea Astrid Voßhoff Gerhard Wächter Marko Wanderwitz Peter Weiß ({153}) Gerald Weiß ({154}) Ingo Wellenreuther Klaus-Peter Willsch Willy Wimmer ({155}) Matthias Wissmann Dagmar Wöhrl Elke Wülfing Wolfgang Zeitlmann Willi Zylajew Fraktionslose Martin Hohmann ({156}) Wir setzen die Debatte fort. Das Wort hat für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär Ditmar Staffelt. ({157})

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegin Krogmann, Ihre Rede hat gezeigt, dass wir in diesen Fragen sehr viel näher beieinander sind, als Sie das zum Ausdruck bringen wollten. Es steht doch gar nicht in Frage, dass wir gemeinsam alles dafür tun müssen, um auf der einen Seite Verbraucher zu schützen, auf der anderen Seite aber eine sich dynamisch entwickelnde Branche in ihrer Entwicklung nicht zu stören oder zu behindern. Darauf ist unsere Politik, die Politik der Koalition, der Bundesregierung, aber auch Ihre, gerichtet. ({0}) Worüber wir möglicherweise miteinander zu diskutieren haben, ist die Frage, wie die Stellschrauben im Einzelnen ausjustiert werden. Das ist es aber auch im Wesentlichen. Wie Sie richtig gesagt haben, haben wir es mit einer Branche zu tun, die in einem ständigen Wechsel, in einer ständigen Entwicklung begriffen ist, die ständig neue Geschäftsmodelle entwickelt. Das hat zur Folge, dass wir uns in entsprechender Weise darauf einstellen müssen. Wir alle haben gelernt - weil die Geschäftsmodelle dieser Branche nicht im Hause des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit entwickelt werden -, dass wir immer auch auf die Entwicklung an den Märkten reagieren müssen. So sind wir letztlich auch verfahren. Wir haben im Jahre 2003 das Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs von 0190er-/0900er-Mehrwertdiensterufnummern verabschiedet. Es ist im August 2003 in Kraft getreten. Das Missbrauchsgesetz hat bereits, Frau Krogmann, zu einer erheblichen Verbesserung des Verbraucherschutzes in diesem Bereich geführt. Durch die Vorgaben über Preisobergrenzen, Preisangaben und die Zwangstrennung von Verbindungen wurden Maßnahmen getroffen, die die Transparenz steigern und das Risiko, sich durch die Nutzung solcher Nummern hoch zu verschulden, reduzieren. Wir haben also dem Versuch der Abzocke durch Einzelne, die die Möglichkeiten missbraucht haben, einen Riegel vorgeschoben. ({1}) Frau Kollegin Krogmann, des Weiteren wurde mit der TKG-Novelle, die zum 26. Juni 2004 in Kraft getreten ist und an der Sie insbesondere im Vermittlungsausschuss sehr stark mitgearbeitet haben, eine umfassende Generalermächtigung für die Regulierungsbehörde erteilt. Das ist ein qualitativ wichtiger Schritt, um gegen rechtswidrige Rufnummernnutzung einschreiten zu können. Damit wird es unseriösen Anbietern immer weiter erschwert, die bestehenden gesetzlichen Regelungen durch die Nutzung anderer Rufnummergassen zu umgehen. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post konnte auf der Grundlage der von der Bundesregierung in den vergangenen Jahren initiierten gesetzlichen Regelungen wirksam und erfolgreich gegen Missbräuche vorgehen. So wurden mehrere Tausend Dialer vom Markt genommen und zahlreiche Mehrwertdiensterufnummern gesperrt. Das wissen Sie sehr wohl; wir haben immer wieder über diese Fragen diskutiert. Ich vermute, im Beirat der RegTP ist genau dies von allen Beteiligten debattiert worden. Aktuell werden - Sie haben darauf verwiesen - auf der Grundlage des am 26. Juni 2004 in Kraft getretenen novellierten Telekommunikationsgesetzes die bisher in der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung enthaltenen verbraucherrelevanten Regelungen in das TKG integriert, das so genannte Telekommunikationsänderungsgesetz neu gefasst und insbesondere die Regelungen zur Bekämpfung des Missbrauchs von Mehrwertdiensterufnummern weiter optimiert. Der Gesetzentwurf ist jetzt, Anfang Februar, vom Bundeskabinett verabschiedet worden. Wir hoffen selbstverständlich auf Ihre konstruktive und kritische Begleitung, Frau Krogmann, wie es letztlich Aufgabe der Opposition bzw. des Parlaments insgesamt ist, wenn vonseiten einer Regierung ein entsprechender Gesetzesvorschlag eingebracht wird. Im Übrigen stehen auch in diesem Gesetzentwurf die Interessen der Verbraucher im Fokus. Das war uns ein besonderes Anliegen. Im Gesetzentwurf werden die verbraucherschützenden Vorschriften zur Bekämpfung des Missbrauchs von Mehrwertdiensterufnummern optimiert. Insbesondere werden mit Blick auf die jugendlichen Verbraucher klare Regelungen bei Inanspruchnahme von Mobilfunkdiensten, zum Beispiel bei den Klingeltönen, vorgegeben. So haben die Unternehmen dem Verbraucher beispielsweise vor Abschluss entsprechender Abonnementverträge die Vertragsbedingungen in einer SMS mitzuteilen. Erst wenn der Verbraucher diese bestätigt hat, kommt der Vertrag, der im Übrigen jederzeit kündbar ist, zustande. Der Bundestag wird also demnächst Gelegenheit haben, diesen Themenkomplex zu erörtern. Die zahlreichen Initiativen der Bundesregierung zeigen auch mit Blick auf die Bedeutung des Telekommunikationsmarktes für Wachstum und Innovationen, dass wir dem Verbraucherschutz eine hohe Bedeutung zumessen. Gleichwohl sind wir uns der Tatsache bewusst - das will ich an dieser Stelle bekennen -, dass die elektronischen Medien, einschließlich der UMTS-Technologie, eine ganz wichtige Branche sind, die wir nicht nur erhalten, sondern auch weiterentwickeln wollen und in der wir weltweit und in Europa einen Spitzenplatz erzielen bzw. erhalten wollen. ({2}) Das heißt also - das haben Sie vorhin angesprochen -: Wir werden mit dem, was wir von der gesetzgebenden Seite her tun können, weder die Branche strangulieren noch die Verbraucher entmündigen. Wir müssen hier einen vernünftigen Interessenausgleich zwischen den Verbrauchern und der Branche finden. ({3}) Das führt dann dazu, dass diese Branche unterm Strich eine Rahmenbedingung hat, in der sie sich sehr gut entwickeln und in der sie einen wichtigen Beitrag zur volkswirtschaftlichen Entwicklung leisten kann. Ich will an dieser Stelle darauf verweisen, dass wir allesamt - das sagte ich eingangs - ein Stück weit das Gefühl von Learning by Doing hatten, dass wir jetzt aber dennoch die Kontrolle in stärkerem Maße an die RegTP, also an die Regulierungsbehörde, zu übertragen gedenken und einen gesetzlichen Rahmen fassen werden, der dazu führt, dass die Regulierungsbehörde alle Mechanismen in der Hand hat, um Missbräuchen entgegentreten zu können. Mit einem solchen Rahmen, so glaube ich, können wir allesamt sehr gut leben - sowohl die Unternehmen als auch die Verbraucher, wie ich an dieser Stelle wiederholen möchte. Ich denke, wir sind auf einem guten Wege. Wir werden diese Branche auch weiterhin unterstützen, soweit es irgend möglich ist. Wir laden Sie wie immer herzlich zu einem sehr konstruktiven Dialog ein, der - mit vielen praktischen Vorschlägen garniert - letztendlich zur Stärkung dieses Wirtschaftszweiges beiträgt, und zwar unter Wahrung der Interessen der Verbraucher in unserem Lande. Schönen Dank. ({4})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Gudrun Kopp, FDP-Fraktion.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Ich glaube, das gesamte Haus ist daran interessiert, dass die Verbraucher nicht abgezockt, nicht in die Irre geführt und nicht ausgenutzt werden; das ist völlig klar. Wir sind uns einig, dass wir die Verbraucherinteressen wahren müssen. Aber, Herr Staatssekretär Staffelt, beim Interessenausgleich bestehen noch Friktionen. Auf der einen Seite wollen wir den Verbraucherschutz wahren, auf der anderen Seite Angebotsvielfalt und innovative Entwicklungen ermöglichen - das ist der Spagat, den wir zu leisten haben. Für die FDP-Bundestagsfraktion kann ich nur sagen: Wir legen Wert darauf, dass man nicht - wie es insbesondere im Kabinettsbeschluss zum Ausdruck kommt; denn hier wird an vielen Stellen überreagiert und überreguliert, Herr Staffelt - in Aktionismus verfällt. Das ist nicht unser Anliegen. ({0}) Insbesondere bei den Grünen besteht immer wieder die Versuchung, verstärkt zu kontrollieren, ({1}) den Verbraucher ans Händchen zu nehmen ({2}) und ihn auf diese Weise, wie ich finde, einzuschränken und Entwicklungen zu behindern. ({3}) Heute beraten wir über die Große Anfrage der Unionsfraktionen. Diese Anfrage zeigt sehr deutlich - darauf möchte ich hinweisen -: Es gibt eine große Palette an Findigkeiten und viele Gründe, warum der Markt in eine Friktion geraten kann. ({4}) Ich stimme Ihnen völlig zu, wenn Sie sagen, dass wir einen Rahmen schaffen müssen und Regeln brauchen. ({5}) Aber wir müssen uns von der Überlegung verabschieden, jede Kleinigkeit regulieren und die Stellschrauben immer weiter nachziehen zu können; ({6}) denn das geht nicht. Das werden wir nicht schaffen. ({7}) Ich finde, dass die in der Antwort auf die Große Anfrage beim Thema unseriöses Agieren gesetzten Schwerpunkte ganz deutlich zeigen, dass wir nicht glauben sollten, jede Kleinigkeit regulieren zu können. ({8}) So wird zum Beispiel eine Preisansageverpflichtung für Telekommunikationsdienste mit mehr Transparenz auf dem Telekommunikationsmarkt begründet; das ist auch nachvollziehbar. ({9}) Aber für die Diensteanbieter ist eine solche Verpflichtung teuer. Möglicherweise ist sie noch nicht einmal im Interesse der Verbraucher. Das heißt, wir müssen dem Verbraucher auch die Freiheit geben, wählen zu können. ({10}) Ich muss Ihnen sagen: Eine Firma, die Preisansagen anbietet, wird sich, wenn der Verbraucher diese Leistung auch nachfragt, am Markt durchsetzen und behaupten können. Aus freiwilligen Preisansagen sollten daher keine Pflichtansagen gemacht werden. Ich glaube, dass es nötig ist, den vorliegenden Gesetzentwurf daraufhin zu überprüfen, an welchen Stellen Regulierungen dringend nötig sind, ({11}) aber auch abzuwägen, wo wir uns einer Regulierung enthalten sollten. Oft ist weniger mehr. ({12}) Wir sollten darauf vertrauen, dass sich der Wettbewerb zwischen den Anbietern - auch der Wettbewerb um das Vertrauen der Verbraucher - weiter entwickeln kann; das kann ich nur hoffen. Wir sollten an dieser Stelle allerdings nicht behindernd eingreifen. Insofern kann ich nur sagen - Frau Dr. Krogmann, ich unterstreiche, was Sie gesagt haben -: Es handelt sich um völlig neue Marktentwicklungen. Es werden immer mehr neue Dienste angeboten. Diese Entwicklung müssen wir unterstützen; denn sie ist sehr dynamisch und betrifft auch unseren Markt. Sie entscheidet mit darüber, ob wir ein modernes Kommunikations-Deutschland sind oder ob wir in einem überregulierten Zustand verharren. Ich glaube, wenn wir den Gesetzentwurf so betrachten und weiterdiskutieren, dann werden wir am Ende eine Regelung haben, mit der wir alle sehr gut leben können, die aber vor allen Dingen im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher ist. Vielen Dank. ({13})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Ulrike Höfken, Bündnis 90/Die Grünen.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Beitrag von Frau Kopp ist mir etwas unverständlich geblieben. ({0}) Aber man kann ihn im Grunde als eine große Lobeshymne auf unsere Politik in diesem Bereich auffassen; dafür können wir uns ja einmal bedanken. ({1}) Ich will etwas zur Verbraucherpolitik der CDU/CSU sagen. Frau Heinen, vielleicht wäre es gut, Sie würden sich hierhin stellen und vorlesen, ({2}) was Sie in Ihrer letzten Presseerklärung zum verbraucherpolitischen Konzept der CDU/CSU geschrieben haben. Da steht nämlich drin, was Sie unter Verbraucherpolitik verstehen: Verbraucherpolitik ist für die CDU/ CSU, mehr Lebensqualität für den Einzelnen zu schaffen, aber auch - und das aber muss man betonen - Spielraum für die Wirtschaft zu lassen. Das ist ein extrem wirtschaftsfeindlicher Ansatz, den wir hier mit Abscheu von uns weisen. ({3}) Für uns sind Verbraucherschutz und Wirtschaftspolitik zwei Seiten einer Medaille. ({4}) Es hat sich gezeigt, wie notwendig es ist, diese beiden Bereiche miteinander zu verknüpfen, um das erfolgreiche Funktionieren von neuen Wirtschaftsbereichen möglich zu machen. Wir sind gemeinsam der Auffassung, dass der Bereich der Telekommunikation noch ungeheure Potenziale hat, und wir möchten dazu beitragen, dass sich diese auch entwickeln. Das kann aber nur funktionieren, wenn die Menschen Vertrauen in die Angebote haben. Es ist nun einmal so, dass es immer wieder einige wenige schwarze Schafe gibt, die versuchen, bei neuen Entwicklungen entstehende Lücken auszunutzen, und dort erheblichen Schaden anrichten. Darauf muss man gesetzlich reagieren; dazu bedarf es auch entsprechender politischer Diskussionen. Wir müssen leider sagen: Der Telekommunikationsmarkt ist reichlich intransparent, wir haben in Einzelbereichen immer noch erhebliche Probleme. Das sind zum einen die Klingeltöne, wie Sie gesagt haben, aber auch der ganze Bereich der Beteiligungsmöglichkeiten, etwa Gewinnspiele, bei denen das Tor des Monats oder sonst irgendetwas von den Zuschauern durch den Anruf einer 0137er-Nummer bestimmt werden soll. Die Überraschung beim Öffnen der Rechnung ist oft eine ziemlich böse. Mit dem Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs von 0190er-/0900er-Mehrwertdiensterufnummern haben wir bereits Instrumente geschaffen - das ist der entscheidende Schritt, den wir gemacht haben -, auf deren Grundlage wir bei solchen Entwicklungen zum Wohle des Verbrauchers und der Wirtschaft eingreifen können. Diese Instrumente sind die Preisobergrenze, die Preisansage, eine automatische Trennung der Verbindung nach einer Stunde und der Auskunftsanspruch der Regulierungsbehörde und überhaupt die Schaffung der Regulierungsbehörde als eigene Institution. Wir haben die Regulierungsbehörde noch einmal gestärkt. Über 400 000 entzogene Dialernummern allein 2003 zeigen, wie richtig und notwendig eine solche Regelung war. Wir haben neuere Entwicklungen, auf die ich eben hingewiesen habe. Die Preisinformation ist generell problematisch. Dieses Thema wird immer wieder an uns herangetragen. Die Tarifinformationen bei Handys umfassen nicht selten zehn bis 20 Seiten, Tarife im Call-byCall-Verfahren wechseln manchmal von einem Wochenende zum nächsten, Tarifmodelle sind nicht vergleichbar. Das sind Probleme für Verbraucher. Zusammen betrachtet mit den Missbrauchsangeboten schleicht sich bei den Verbrauchern eine Stimmung ein - natürlich berechtigt, wenn man selbst betroffen ist -, dass man ständig übers Ohr gehauen wird. Dieser möchten wir etwas entgegensetzen, um die Entwicklung in diesem Wirtschaftsbereich zu verstärken. Die Bundesregierung hat in der Antwort auf die Große Anfrage viele Lösungen beschrieben. Ich denke, kein einziger Punkt ist ohne ein entsprechendes Lösungsangebot geblieben. Deswegen ist diese Debatte heute eigentlich auch überflüssig. ({5}) Hinzu kommt noch, dass im Bundesrat gerade eine neue gesetzliche Regelung beraten wird. Bezogen auf die über die 0190er-Nummern hinaus bestehenden Probleme wird es Regelungen geben, nämlich bessere Preisansagepflichten, vorvertragliche Preisinformationen und Regelungen bei Kurzwahlnummern, also bei Premium-SMS, wodurch - ich denke, das ist ein großes Ziel dabei - auch ein besserer Schutz von Minderjährigen in diesem Markt erreicht wird. Aus verbraucherpolitischer Sicht sage ich: Ich finde, das ist eine wirklich gute Ausgangsgrundlage, um das Verbrauchervertrauen zu stärken. Die Preisobergrenzen bereiten uns noch ein paar Probleme. Bei den 0190erNummern greifen die Regelungen ab dem ersten Cent. Bei den anderen Mehrwertdiensten ist das anders. Wir finden, dass es dafür eigentlich keinen Grund gibt, da auch die technischen Probleme inzwischen gelöst sind. Man könnte das also noch verbraucherfreundlicher regeln. Man muss an dieser Stelle auch einmal sagen, dass einzelne Unternehmen mit Selbstverpflichtungen und Angeboten für Minderjährige einen Schritt vorangegangen sind. Die Telekom, Vodafone und E-Plus haben entsprechende Angebote gemacht. Ich finde, das ist ein unterstützenswerter Schritt in Richtung guter Angebote für Minderjährige.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Ja. - Ich denke, wir werden mit den gefundenen Lösungen einen großen Schritt weiterkommen und im parlamentarischen Verfahren alles mit gewohnter Aufmerksamkeit und in gewohnter Breite diskutieren. Danke schön. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist Kollegin Ursula Heinen, CDU/ CSU-Fraktion. ({0})

Ursula Heinen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003143, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielleicht einmal eines zur Wahrheitsfindung vorweg: Die Anfrage meiner Kollegin Krogmann und unserer Fraktion stammt von Juni 2004, also aus dem letzten Jahr. ({0}) Sie gab es somit schon, lange bevor Sie über weitere Änderungen nachgedacht haben. Lassen Sie mich auch das noch sagen: Sie hoppeln unseren Initiativen schon die ganze Zeit hinterher, anstatt selbst einmal zum richtigen Zeitpunkt aktiv zu werden. ({1}) Liebe Kollegin Höfken, Sie haben vorhin noch einmal die Missbrauchsbekämpfung bei den Dialern genannt. Ich weise darauf hin, dass meine Kollegin Krogmann einen Forderungskatalog entwickelt hat, der fünf Forderungen enthält. Sie sind vier dieser Forderungen dankenswerterweise nachgekommen und haben das entsprechend gesetzlich umgesetzt. Der fünften Forderung, nämlich der Ausweitung auf andere Nummerngassen, also auch auf die von Kollegin Höfken gerade angesprochenen 0137er-Nummern, sind Sie aber nicht nachgekommen. Das geschieht erst jetzt. Ich kann nur sagen: Wenn Sie eine solche Debatte als überflüssig bezeichnen, zeigt das nur, dass Sie mit diesem Thema im Grunde genommen gar nichts anfangen können und getrieben werden müssen, hier etwas zu tun. Das finde ich sehr bedauerlich. ({2}) Bevor die Kollegin Höfken geredet und diese Debatte als überflüssig bezeichnet hat, wollte ich mich eigentlich sowohl bei denjenigen, die die Fragen entwickelt haben, als auch bei denjenigen, die die Antworten geschrieben haben, bedanken - Staatssekretär Staffelt, Sie könnten ruhig zuhören; ({3}) denn ich wollte mich bei Ihnen bedanken, weil es eine wirklich umfangreiche Ausarbeitung geworden ist, durch die wir, wie ich denke, einen guten Überblick über den Markt, über die Missbrauchsmöglichkeiten und über die Chancen für neue Entwicklungen bekommen haben. Insofern ist das eine gute Sache, die absolut notwendig war. ({4}) Wir haben es schon von allen Rednerinnen und Rednern gehört: Premium-SMS und Mehrwertdienste spielen in unserer Informationsgesellschaft eine immer bedeutendere Rolle. Ein Beispiel zeigt sehr schön, wie gut man diese Möglichkeiten nutzen kann: Im Rahmen einer Spendenaktion für die Flutopfer in Südostasien hat Unicef eine Sondernummer eingerichtet. Pro SMS, die insgesamt 2,99 Euro gekostet hat, konnte man 2,65 Euro spenden. Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass diese Mehrwertdienste tatsächlich mehr sein können und auch etwas bringen. ({5}) Daher sollten wir diese Sache durchaus positiv angehen. Auf der anderen Seite müssen wir darauf achten, dass unseriöse Anbieter, die das Vertrauen der Verbraucher zerstören können, vom Markt verschwinden. Das ist unser Auftrag. Die teuren Konsequenzen von Premium-SMS lernen manche erst dann kennen, wenn sie ihre Handyrechnung bekommen und sehen, auf wen sie hereingefallen sind. Besondere Animationen, Gewinnversprechen oder erotische Inhalte sollen die Kunden zum Versenden von Premiums-SMS verführen. Das scheint auch zu funktionieren. Der Preis für eine simple Antwort kann schnell 3 Euro betragen. Aber auch bei den anderen Mehrwertdiensten gibt es schwarze Schafe. Da helfen leider auch die gesetzlichen Regelungen nichts. In diesem Zusammenhang werden wir uns etwas überlegen müssen. Ein Beispiel: Es kann sein, dass man eine 0190erNummer anruft und dann in eine Konferenzschaltung gelockt wird. Das heißt, es wird dazu aufgefordert, eine bestimmte Nummer zu wählen, und danach würde man weiterverbunden. Mit dieser zusätzlichen Nummernwahl aber gelangt man in eine Konferenzschaltung. Dann nützt es wenig, dass nach einer Stunde die Verbindung unterbrochen wird. Die Regulierungsbehörde hat auf ihrer Homepage Fälle aufgelistet, bei denen man vorsichtig sein soll. Wenn einem so etwas passiert, sollte man das im Hinterkopf haben. In einem solchen Fall kann sich die Telefonrechnung nach einer Stunde auf sage und schreibe 600 Euro belaufen. Man muss sehen, ob es nach den neuen Verordnungen eine Möglichkeit gibt, hiergegen etwas zu unternehmen. Ich bin mir sicher, dass Ihnen unsere Fraktion dabei helfen wird, die richtigen Lösungen zu finden. ({6}) Durch Missbrauch bei unseriösen Mehrwertdiensten entsteht mittlerweile bei den seriösen Auskunfts- und Mehrwertdiensten und leider auch bei neuen Geschäftsmodellen ein erhebliches Akzeptanzproblem. Es ist deshalb entscheidend, die Verbraucher in diesem Bereich vor einem weiteren Missbrauch zu schützen, damit das Vertrauen in die Seriosität der Diensteanbieter insgesamt gestärkt wird. Deshalb braucht man zum Schutz der Verbraucher klare Regeln. Produkt- und Preistransparenz müssen deutlich gesteigert werden. Ein angemessener Ausgleich zwischen den Verbraucherrechten, den Interessen der seriösen Anbieter und den Anbietern des Netzzuganges muss gewährleistet werden. ({7}) Natürlich sind wir für eine Preisansagepflicht vor dem Beginn der Entgeltpflichtigkeit; das ist keine Frage. Aber das gilt nicht für billige Call-by-Call-Anrufe, wo sich die Kosten im Zehntelbereich bewegen und damit nur zu zusätzlichem Aufwand, aber nicht zu zusätzlichem Nutzen führen. Als Folge kann der eine oder andere Anbieter vom Markt verdrängt werden. ({8}) Ich kann zum Abschluss nur sagen: Ich bin froh, dass diese Anfrage heute diskutiert wird und dass wir die Ankündigungen nicht weiter via Presse machen, sondern dass sich auch der Deutsche Bundestag mit dem Thema Mehrwertdienste intensiv auseinander setzt. Danke. ({9})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Hubertus Heil, SPD-Fraktion.

Hubertus Heil (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003142, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe, ehrlich gesagt, am Anfang der Debatte die Auffassung der Kollegin Höfken geteilt, dass diese Debatte eigentlich überflüssig ist, weil wir in einigen Tagen und Wochen mit einem Gesetzgebungsverfahren konkret handeln und nicht nur darüber reden. Im Verlaufe der Debatte habe ich allerdings meine Meinung geändert. Frau Kopp, die Allgemeinheit Ihrer Ausführungen hat damit zu tun. Denn eine solche Debatte - da bin ich der CDU/CSU sehr dankbar - kann auch dazu führen, dass man über konkrete Dinge redet. Insofern kann diese Debatte hinsichtlich der Aufklärung der Sachverhalte durchaus einen pädagogischen Effekt haben. ({0}) Frau Kopp, Sie haben Selbstverständlichkeiten angeführt, zum Beispiel dass wir auf der einen Seite Verbraucher schützen müssen, sie auf der anderen Seite aber nicht totregulieren sollen. Das sagt jeder hier im Haus. Sie haben aber nicht einen einzigen konkreten Fall genannt. Ich versuche, ohne Sie belehren zu wollen, einige Hintergründe dazu zu schildern. Vorweg aber will ich eines an die Adresse der Union sagen, Frau Kollegin Heinen und Frau Kollegin Krogmann: Man sollte nicht versuchen - das hat Herr Staffelt deutlich gesagt -, künstlich Widersprüche aufzubauen, die nicht da sind. Über technische Details muss man reden. Eines aber werden wir nicht zulassen, nämlich dass die CDU arbeitsteilig agiert und Frau Krogmann zu den Unternehmen geht, diesen sagt, was sie hören wollen, ({1}) und Frau Heinen am nächsten Tag den Verbraucherschutzverbänden erzählt, was diese hören wollen. Ich will dazu ein Beispiel geben. Sie haben im Herbst eine Flatrate für Jugendliche gefordert, wenn ich das richtig gelesen habe, ({2}) als gäbe es keine Prepaidcards. Sie, Frau Heinen, haben eben davon gesprochen, wenn ich Sie richtig verstanden habe, dass Sie Ansagepflichten für alle Nummerngassen haben wollen. ({3}) Das wollen wir jetzt einmal miteinander durchgehen. ({4}) Wir haben für die 0190er- und 0900er-Nummern seit der letzten Novelle eine Ansagepflicht und das ist auch gut so. Jetzt gibt es die Diskussion darüber, welchen Nummerngassen wir weitere Ansagepflichten auferlegen und bei welchen das nicht sinnvoll ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass bei 0137er-Nummern eine Preisansagepflicht nicht sinnvoll ist, weil wir das Geschäftsmodell - das ist ein Massenmarkt - dadurch zerstören würden. Der faire Kompromiss, den das Ministerium erarbeitet hat, ist folgender: Wenn jemand eine 0137er-Nummer anruft, erfolgt die Ansage, dass der Anruf registriert ist und soundso viel kostet. Das ist wichtig, damit einfache Gemüter nicht tausend Mal dort anrufen. Das ist ein Beispiel dafür, wie man im Dialog mit der Wirtschaft - das hat das Ministerium geschafft - eine vernünftige Lösung herbeiführt. ({5}) In diesem Zusammenhang gibt es eine grundsätzliche Frage. Wir wollen - das hat die Kollegin Höfken zu Recht gesagt - keinen künstlichen Widerspruch zwischen Verbraucherinteressen und Unternehmensinteressen; denn Verbraucher und Unternehmen bilden zusammen die Wirtschaft. Es ist nicht so, dass nur die Unternehmen die Wirtschaft sind, sondern auch die Verbraucher sind ein Teil davon. Vertrauen ist da ganz wichtig. ({6}) Insofern - da sind wir uns einig - sollten wir nicht versuchen, hier im Haus künstliche Widersprüche aufzubauen. ({7}) Lassen Sie uns lieber im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens an die Arbeit gehen und schauen, welche Einzelregelungen verhältnismäßig sind und welche Regelungen tatsächlich dazu führen, dass Verbraucher effektiv geschützt werden. Dabei sind zwei Punkte wichtig, Frau Kollegin Kopp. Der erste ist: Wir wollen natürlich Missbrauch aktiv bekämpfen. Wir wissen aber, dass die Entwicklung der Technik in diesem Bereich häufig so schnell ist, dass der Gesetzgeber nicht rechtzeitig reagieren kann. Deshalb ist die Möglichkeit der Regulierungsbehörde, selbst aktiv zu werden, ein ganz wichtiger Punkt. Der zweite Aspekt ist die Frage der Transparenz, vor allen Dingen der Preistransparenz. Es ist wichtig für eine entwickelte Marktwirtschaft, dass man weiß, um welche Preise es geht. Wir müssen aber den Menschen eines offen sagen: Ein Gesetz, das gegen menschliche Dummheit schützt, kann dieses Parlament nicht beschließen. Das heißt, es gibt Dienste, bei denen sich niemand dafür interessiert, wie viel sie kosten. Dort sind Preisansagepflichten zwecklos. Ich nehme aber einen Bereich aus, nämlich den, wo Kinder betroffen sind. Da geht es nicht um Dummheit, sondern darum, Kinder zu schützen. Darüber müssen wir uns unterhalten. Das betrifft insbesondere die Klingeltöne. Das ist ein Riesenthema. Wir müssen uns darüber unterhalten, wie wir verhindern können, dass sich Kinder, ohne geschäftsfähig zu sein, Abonnements einhandeln. Dazu hat die Bundesregierung in dem Gesetzentwurf gute Vorschläge gemacht. ({8}) Diese müssen wir uns ansehen. Das betrifft auch das Thema Handshake-SMS. Wir müssen schauen, wo wir in diesem schwierigen Bereich einen Schnitt machen. ({9}) Wir müssen die Trennlinie zu dem ziehen, was wir bei Jugendlichen zu regeln haben. An diesem Punkt müssen wir schauen - da gebe ich Ihnen von der Union Recht -, dass wir Micropaymentsysteme nicht unnötig belasten. Sie haben vorhin das Gummibärchenbeispiel genannt. Lassen Sie uns darüber reden und eine vernünftige Lösung finden. Dafür sind wir offen. Ich sage aber ganz deutlich: Wir können nicht zulassen, dass Sie so tun, als ob das etwas ganz Neues wäre, etwas, was die CDU erfunden hätte. Wir haben doch gemeinsam - mit Ausnahme der FDP - das Telekommunikationsgesetz beschlossen. Jetzt wird es übrigens, Frau Kopp, wieder genauso laufen. Wir laden Sie herzlich zu Gesprächen ein. Am Ende werden sich SPD und Grüne mit der Union auf einen vernünftigen Kompromiss einigen. Sie aber werden irgendeinen Punkt finden, der Ihnen nicht schmeckt, um dann heldenhaft die Oppositionsrolle zu spielen. Beim TKG war es genauso. Es war ganz erstaunlich, was Sie sich beim TKG zum Schluss alles ausgedacht haben, um nicht mitstimmen zu müssen, nur weil Sie Ihre Maximalforderungen nicht durchsetzen konnten. Ein Vermittlungsverfahren, das wahrscheinlich ist, das wir aber nicht brauchen, weil wir das hier im Parlament vernünftig miteinander regeln können, ist ein Geben und Nehmen, wenn man unterschiedliche Positionen hat. Insofern bin ich der CDU/CSU ganz dankbar, dass sie mitarbeiten will. Ich weiß auch die Kompetenz der Kolleginnen dieser Fraktion zu schätzen. ({10}) - Das können Sie sich ruhig gefallen lassen. Ich sage Ihnen an dieser Stelle auch einmal etwas Nettes. ({11}) Es geht aber, wie gesagt, nicht an, sich vom Acker zu machen oder so zu tun, als habe man das Ei des Kolumbus erfunden. Wir haben im Juni die Ermächtigungen zu Kundenschutzverordnungen in das TKG aufgenommen. Zeitgleich haben Sie Ihre Anfrage gestartet, wohl wissend, dass die Verordnungen in Vorbereitung waren und gesetzgeberisch umgesetzt werden, um Pendelverordnungen zwischen Bundestag und Bundesrat zu vermeiden. Ich bin mir sicher, dass wir letztendlich einen vernünftigen gesetzlichen Rahmen schaffen werden, um Missbrauch zu bekämpfen, Transparenz und Verbraucherinteressen zu fördern und die notwendige Sicherheit zu schaffen, damit sich neue Geschäftsmodelle, die wir als Politiker nicht absehen können, entwickeln können. Wer hätte vor einigen Jahren gedacht, dass sich aus den SMS ein Massenmarkt entwickelt? Wer hätte gedacht, dass sich der MMS so rasant entwickelt? Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, aber ich hätte vor einigen Jahren nicht erwartet, dass es einmal eine Hitparade für Klingeltöne geben wird. Über Fragen des Geschmacks muss ein Parlament nicht entscheiden - ich sage nur: „Schni Schna Schnappi“ -; für uns ist entscheidend, den Menschen nicht vorzuschreiben, was sie sich als Unterhaltung oder im Informationsbereich zu Gemüte führen. Wir sollten vielmehr den notwendigen Rahmen schaffen, damit die Menschen nicht über den Tisch gezogen werden. Es gibt gerade bei den so genannten Ansagediensten Entwicklungen, die nicht gutzuheißen sind. Zwar ist es vernünftig, dass es im Bereich der 118er-Nummern Ansagedienste gibt, wir müssen aber meiner Ansicht nach dafür Sorge tragen, dass jemand, der eine Auskunft anruft und das Angebot erhält, weiterverbunden zu werden, woraufhin er möglicherweise noch mit einer Mehrwertdienstnummer verbunden wird, weiß, dass er dreimal zu zahlen hat: bei der Einwahl, bei der Weitervermittlung und bei der neuen Mehrwertdienstnummer. ({12}) Ich meine, wir können nicht zulassen, dass es an dieser Stelle keine Preistransparenz gibt. Ich verlange für die 118er-Nummern keine Preisansagepflicht. Ich halte eine Ankündigung bei der Bewerbung dieser Dienste für ausreichend. Aber ich bin für eine Preisansagepflicht, wenn jemand weiterverbunden wird. Dies muss sich auch auf den Vermittlungsvorgang beziehen. Ich denke, auch dafür bietet der Gesetzentwurf eine gute Grundlage. Lassen Sie uns zusammenarbeiten! Dabei sollten wir sachorientiert vorgehen, Gespräche mit den Unternehmen und den Verbraucherschutzverbänden führen und klären, was die Regulierungsbehörde leisten kann. Damit komme ich zu meinem letzten Punkt. Es geht nicht an, dass die Opposition ständig Kritik daran übt, dass die Regulierungsbehörde mehr Personal braucht, während wir als Politiker dieser Behörde immer mehr Aufgaben zuordnen. Wenn wir wollen, dass Missbrauch vernünftig bekämpft wird, dann muss die Regulierungsbehörde in der Lage sein, diesen Job zu leisten. ({13}) Ich möchte keine Regulierungsbehörde um ihrer selbst willen. Ich möchte auch nicht, dass wir einen Superregulierer schaffen, der beispielsweise zukünftig contentreguliert. Lassen Sie uns das gemeinsam angehen. Aber, Frau Kopp, wenn es das nächste Mal um den Haushalt des Bundeswirtschaftsministers und um die Frage geht, wie sich Ihre Haushälter zum Thema Kosten der Regulierungsbehörde verhalten, dann werden wir genau hinhören und auch die immer weiteren Forderungen hinsichtlich der Aufgaben der RegTP wie auch die Bereitschaft berücksichtigen, sicherzustellen, dass die RegTP ihre Aufgaben erfüllen kann. Ich möchte mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken. Lassen Sie uns jetzt das Gesetzgebungsverfahren beginnen, nach Lösungen suchen und das Gesetz beschließen! Zu diesem Thema sollte auf weitere Anfragen verzichtet werden. Es ist Zeit zu Handeln. Herzlichen Dank. ({14})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2005 ({0}) - Drucksache 15/3596 ({1}) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit ({2}) - Drucksache 15/4704 Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk, SPD-Fraktion.

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002183, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wollen heute das ERP-Wirtschaftsplangesetz 2005 verabschieden. Der Zeitpunkt ist so spät wie schon lange nicht mehr. Grund für die Verzögerung ist vor allem die Diskussion um die Planung der Bundesregierung, die Wirtschaftsförderung und damit das ERP-Sondervermögen für die Zukunft neu zu ordnen und dabei 2 Milliarden Euro aus dem ERP-Sondervermögen zu verwenden, um den Haushalt auszugleichen. Das ist zwar heute nicht unser Thema, es wird uns aber in den kommenden Wochen in den zuständigen Parlamentsausschüssen noch intensiv beschäftigen. Ich will dazu nur so viel sagen: Am Kern der ERPWirtschaftsförderung zugunsten des Mittelstandes und am ERP-Sondervermögen selbst darf ebenso wenig gerüttelt werden wie an der Entscheidung des Parlaments über die Ausrichtung der damit bewirkten Wirtschaftsförderung; denn das ERP-Sondervermögen war und ist ein wichtiges Instrument der Wirtschaftsförderung. Das muss es auch bleiben. Der Zahlenbeweis dafür ist eindrucksvoll. Seit dem Kriege sind 115 Milliarden Euro an Krediten aus diesem Vermögen zur Unterstützung der mittelständischen Wirtschaft geflossen. Bis heute sind unmittelbar 8 Millionen neue bzw. bestehende Arbeitsplätze aus dem ERP-Sondervermögen gefördert worden. Auch und gerade in den neuen Bundesländern hatten und haben die ERP-Kredite positive Wirkungen. Seit der Wiedervereinigung wurde der Aufbau eines leistungsfähigen Mittelstandes in den neuen Bundesländern massiv unterstützt. Seit 1990 gab es in den neuen Bundesländern 460 000 Kreditzusagen mit einem Gesamtvolumen von 44 Milliarden Euro. Rund 1,7 Millionen Arbeitsplätze wurden so geschaffen und 1,75 Millionen bestehende Arbeitsplätze gesichert. 200 000 Existenzgründungen konnten vorgenommen werden. Das ist eine Bilanz, die sich wirklich sehen lassen kann. ({0}) Das sind zwar nur wenige Zahlen. Aber sie illustrieren, dass die Wirtschaftsförderung aus dem ERPSondervermögen einer der wichtigsten Bausteine zur Unterstützung von Gründern und mittelständischen Unternehmen darstellt. Weil das so ist, haben der ERP-Unterausschuss, der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit und der Deutsche Bundestag an der Umsetzung der ERP-Förderung immer regen Anteil genommen. Sie haben aktiv darauf hingewirkt, dass die Ausrichtung und die Schwerpunktsetzung bei der Wirtschaftsförderung immer wieder den veränderten Umständen angepasst wurden. Nur so konnten wichtige Beiträge im Rahmen der deutschen Einheit erfolgreich geleistet werden. Der Kern, das Grundprinzip, ist immer gleich geblieben: Das ERP-Sondervermögen gewährt keinen Zuschuss, sondern gibt Hilfe zur Selbsthilfe, das heißt, das Kapital wird zu sehr günstigen Bedingungen - sei es beim Zinssatz, sei es bei der Haftung - zur Verfügung gestellt. Es erleichtert so Investitionen und den Aufbau von Unternehmen und fließt dann wieder zurück, um erneut für die Förderung von mittelständischen Unternehmen und Gründern eingesetzt zu werden. Die USA haben uns nämlich nach dem Zweiten Weltkrieg die Marshallplangelder nicht wie anderen Europäern als Geschenk, sondern als Kredit gegeben und haben damit die Grundlage für den dauerhaften Erfolg des Instruments gelegt. Um es ganz offen zu sagen: In anderen Ländern wurden die Gelder unmittelbar in den Haushalt eingestellt und verbraucht. Bei uns wurden durch die erwähnte Sonderkonstruktion die Begehrlichkeiten der Finanzminister jahrzehntelang im Zaum gehalten. Nur Österreich ist ähnlich verfahren wie die Bundesrepublik. Auch dort wirken die ERP-Fonds genannten Mittel nach wie vor segensreich und werden zur Unterstützung der Wirtschaft eingesetzt. Übrigens denkt in Österreich niemand daran, die ERP-Fonds aufzulösen. Ich werde weiterhin nachdrücklich dafür eintreten, dass auch bei uns dieses wichtige Förderinstrument in seiner vollen Kraft erhalten bleibt. ({1}) Wir müssen uns aber heute - unabhängig von allen anderen Überlegungen - auch um die haushaltsmäßige Grundlage, also das ERP-Wirtschaftsplangesetz, kümmern. Der Wirtschaftsplan 2005 sieht wie der nun geltende ein Fördervolumen von rund 4 Milliarden Euro vor. Er ist wiederum darauf ausgerichtet, die Unternehmen in ihrer deutlich schwieriger gewordenen Finanzierungssituation zu unterstützen. Die richtigen Instrumente dafür sind im Wirtschaftsplan angelegt. Ich darf mich bei dieser Gelegenheit bei den Kolleginnen und Kollegen des ERP-Unterausschusses bedanken. Wir haben immer in einer offenen und konstruktivkritischen Weise diskutiert. Es ist uns über die Fraktionsgrenzen hinweg - nicht immer in jedem Detail, aber doch weitgehend - gelungen, bei den Zielen und Instrumenten Einigkeit zu erzielen, wie dies selten im Deutschen Bundestag ist. ({2}) Ich denke in diesem Zusammenhang insbesondere an die Nachrangkapitalprodukte „ERP-Kapital für Gründer“ und das „ERP-Kapital für Wachstum“, aber auch den ERP/EIF-Dachfonds und die neuen ERP-Startfonds für junge innovative Unternehmen. Darüber haben wir gemeinsam diskutiert und dazu stehen wir auch gemeinsam. Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage nach diesen Förderprogrammen mit zunehmender Bekanntheit der Programme und vor allem mit zunehmender Konjunkturerholung anziehen wird. Dies kann allerdings nur gelingen - zum Abschluss noch ein kritisches Wort -, wenn sich auch die deutsche Kreditwirtschaft ihrer Aufgaben und ihrer hohen Verantwortung für die Finanzierung des Mittelstandes wieder bewusst wird. Der Staat kann nämlich die riesigen Summen, die hier für die Finanzierung fehlen, nicht aufbringen. Er kann an der einen oder anderen Stelle helfen. Aber für die breite Kreditversorgung ist und bleibt die Kreditwirtschaft verantwortlich. Dieses Ziel darf sie nicht völlig überzogenen Gewinnerwartungen opfern. Herzlichen Dank. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächster Redner ist der Kollege Otto Bernhardt, CDU/CSU-Fraktion.

Otto Bernhardt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003037, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei diesem Tagesordnungspunkt geht es um die Frage, wie die Erträge des ERP-Sondervermögens im Jahre 2005 eingesetzt werden sollen. Im Grunde unterscheidet sich dieser Wirtschaftsplan nur wenig von den vorangegangenen Plänen. Wir müssen leider feststellen, dass die Inanspruchnahme der Mittel aus den Programmen rückläufig ist; in den letzten drei Jahren sank sie um etwa 20 Prozent. Besonders traurig ist, dass der Abfluss der Gelder für Existenzgründungen im Jahr 2004, verglichen mit 2003, um etwa 40 Prozent zurückgegangen ist. Das hängt aber nicht damit zusammen, dass wir zu wenig Geld zur Verfügung stellen. Nein, die Gelder reichen aus, sie werden auch im nächsten Jahr ausreichen. Tatsache aber ist, dass es vor dem Hintergrund der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung nicht so viele Menschen in Deutschland gibt, die investieren können oder wollen. Dennoch dürfen wir dieses Vermögen auf keinen Fall schmälern; denn ich gehe davon aus, dass diese Mittel nach einem Regierungswechsel im Jahr 2006 wieder in erheblichem Umfang benötigt werden. ({0}) Eigentlich könnten wir wie in den vorangegangenen Jahren diesem Plan unsere Zustimmung geben. Es gibt eine hervorragende Zusammenarbeit im Unterausschuss. Die Regierung erteilt uns alle Auskünfte. Unsere Wünsche werden berücksichtigt. Dennoch werden wir uns heute wie bereits in den Ausschüssen der Stimme enthalten, und zwar einzig und allein um unsere Kritik daran zum Ausdruck zu bringen, dass der Finanzminister beabsichtigt, dem ERP-Sondervermögen 2 Milliarden Euro zu entnehmen, um damit allgemeine Haushaltslöcher zu stopfen. Dies hat der Mittelstand in Deutschland nicht verdient. ({1}) Das ERP-Sondervermögen geht auf die Zeit nach dem Krieg zurück. Sie wissen, dass uns die Amerikaner damals in erheblichem Umfang Kredite für den Wiederaufbau Westdeutschlands gewährt und vertraglich auf die Rückflüsse verzichtet haben. Sie haben uns zugestanden, diese Mittel zu sammeln - das ist das Sondervermögen - und daraus Wirtschaftsförderung zu betreiben. Es ist ein stattliches Vermögen zusammengekommen: 12,7 Milliarden Euro. In diesem Vertrag aus dem Jahr 1949 sind zwei Grundsätze festgelegt worden. Der erste Grundsatz ist das Substanzerhaltungsgebot; es dürfen also nur die Erträge verwendet werden. Es geht hier nicht um eine nominelle Erhaltung des Vermögens, sondern um eine effektive. Das haben wir bis heute durchgehalten. Der Erste, der das nicht durchhalten wird, wird wie in vielen anderen Bereichen auch hier Hans Eichel sein. Auch in dieser Hinsicht wird er als sehr traurige Gestalt in die Geschichte eingehen. ({2}) Der zweite Grundsatz ist die parlamentarische Kontrolle. In dem Vertrag heißt es, dass jedes Jahr ein Wirtschaftsplan vom Bundestag zu verabschieden ist. Es muss also eine ordnungsgemäße parlamentarische Beratung geben. Auch darauf hat Hans Eichel einen Anschlag vor. Wir kennen noch nicht alle Vorschläge; wir werden darüber in Ruhe im Unterausschuss diskutieren. Zurzeit aber sieht es so aus, als wollte der Finanzminister dem Sondervermögen nicht nur 2 Milliarden Euro entnehmen - diese Mittel wären dann endgültig weg -, sondern die verbleibenden Mittel der KfW geben. Wenn diese Mittel dort Eigenkapital werden sollen - ich komme darauf zu sprechen -, dann wäre das das Ende der parlamentarischen Mitwirkung. Die KfW hat ausgerechnet, dass sie mit 2 Milliarden Euro weniger genauso viel Wirtschaftsförderung betreiben kann, wenn diese Mittel echtes Eigenkapital werden. Wenn es aber so kommt, Frau Kollegin, dann - ich wiederhole - ist unsere Mitwirkung beendet. Deshalb sage ich: Dazu darf es nicht kommen. Unser Unterausschuss hat eine Anhörung durchgeführt. In dieser Anhörung hat niemand, weder die Kreditinstitute noch der Bundesrechnungshof noch die Wirtschaftsverbände, die Pläne der Bundesregierung begrüßt, ({3}) weil sich alle darüber im Klaren sind, dass das ERP-Sondervermögen das wichtigste Förderungsinstrumentarium des Bundes für den Mittelstand ist. Mit diesem Vermögen sollte man nicht so leichtfertig umgehen. Ich sage daher sehr deutlich: Im Unterausschuss sind wir uns im Grunde sehr einig. Die Front verläuft eigentlich ein bisschen mehr zwischen den Abgeordneten, die etwas von der Sache verstehen, und dem Finanzminister, der sich kurzfristig bedienen will. ({4}) Nun weiß ich natürlich, dass die Kollegen im Unterausschuss - sie geben mir immer Recht, wenn ich mit diesen Thesen komme - aus Solidarität nachher wahrscheinlich verkehrt abstimmen werden. Das werden wir sicherlich nicht verhindern können. Wir können nur an die Bundesregierung appellieren, einen Weg zu finden, der sicherstellt, dass die parlamentarische Mitwirkung bei der geplanten Übertragung erhalten bleibt. ({5}) Wenn es hier eine vernünftige Lösung gibt, dann werden wir uns ihr nicht verschließen. ({6}) Wir werden aber mit Sicherheit ablehnen, dass 2 Milliarden Euro zur allgemeinen Haushaltsdeckung herangezogen werden. Deshalb enthalten wir uns heute. Wir wollen das Signal setzen: Finger weg vom ERP-Sondervermögen! Wir brauchen dieses Vermögen ungeschmälert für die Mittelstandsförderung in Deutschland. ({7})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Der Kollege Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grü- nen, hat seine Rede zu Protokoll gegeben.1) Nächste Rednerin ist die Kollegin Gudrun Kopp, FDP.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren und Damen! Herr Kollege Bernhardt, wir sind uns im Plenum und in den Ausschüssen einig - das ist wirklich selten -, dass wir das ERP-Sondervermögen für die Wirtschaftsförderung erhalten wollen. Wenn man bedenkt, wie schwierig unsere Wirtschaftslage und wie hoch die Arbeitslosenquote seit vielen Jahren ist, dann sollte man umso mehr zu schätzen wissen, wenn der Wert dieses Sondervermögens erhalten bleibt. ({0}) Auch deshalb ist es bisher - jedenfalls solange ich Mitglied dieses Unterausschusses bin - Usus gewesen, jedes Jahr, wenn es um das ERP-Wirtschaftsplangesetz ging, Einigkeit im Abstimmungsverhalten zu zeigen. Ich kann für die FDP-Bundestagsfraktion auch heute sagen: Wir Liberalen wollen ebenfalls ein Zeichen setzen, und 1) Anlage 4 zwar gegen die Hilflosigkeit, die wir gegenüber dem empfinden, was hinter den Kulissen in den Ministerien geplant ist, nämlich das ERP-Sondervermögen Schritt für Schritt als Steinbruch zu missbrauchen, um Haushaltslöcher zulasten der Wirtschaft zu füllen. Die FDP-Bundestagsfraktion wird sich daher der Stimme enthalten, um auch auf diese Art und Weise ihren Protest kundzutun. Ich weiß, dass die Kollegen aller Fraktionen, auch des Bündnisses 90/Die Grünen und der SPD, im Grunde genommen der Meinung sind, dass wir das nicht zulassen dürfen. Insofern wird sich die Frage stellen, ob Sie bei der Abstimmung Ihrer Überzeugung folgen werden. Vermutlich nicht; das ist eben so. Aber es ist wirklich eine sehr schwierige Lage. Wir haben einen Bericht des Bundesrechnungshofs eingefordert. Der Bundesrechnungshof hat uns zu allen Punkten eine klare Auskunft gegeben. Er hat uns aufgetragen, dass dann, wenn 2 Milliarden Euro herausgelöst werden sollen, die US-amerikanische Regierung zu befragen bzw. zu beteiligen ist. Uns ist gesagt worden, dass dieses Prozedere in etwa ein Jahr in Anspruch nehmen wird. Das heißt, dieser Prozess des Vermögensabbaus wird sich nur allmählich vollziehen können. Gleichwohl wird diese böse Entwicklung auf uns zukommen. Ich sehe die Frontlinie eher woanders, Herr Kollege Bernhardt. Ich sehe sie in erster Linie zwischen den beiden Ministern verlaufen, nämlich zwischen Bundeswirtschaftsminister Clement und Bundesfinanzminister Eichel. Wir haben uns natürlich gefragt: Wie kann der Wirtschaftsminister im Wissen um die Daten und Fakten am Markt und darum, wie wichtig dieses Sondervermögen für die Wirtschaft ist, zustimmen? Wie kann er das zulassen? Die einzige Erklärung, die jedenfalls ich dafür habe, ist: Minister Clement ist dazu vergattert worden, Einsparungen zu realisieren, und hat gesagt: Okay, dann gebe ich hier klein bei und lasse es zu, dass die 2 Milliarden Euro quasi entzogen werden. Man muss einmal sehen, welche Folgen es haben wird, wenn das Parlament nicht mehr beteiligt wird. Das Vermögen soll verringert werden. Es wird gesagt, die KfW könne bessere Renditen erzielen, effizienter wirtschaften. Wenn das so ist, dann - auch das haben wir im Unterausschuss gesagt - müsste es doch eigentlich zur Ausschreibung dieser Leistungen kommen. Man müsste einmal in Erfahrung bringen, ob eine andere Bank nicht noch ganz andere Effizienzgewinne erwirtschaften könnte als die bundesnahe KfW. ({1}) Die Argumentationslinie ist also alles andere als logisch. Ich vermute, dass zweierlei geschehen wird. Die 2 Milliarden Euro werden abfließen; dafür wird es in diesem Hause leider eine Mehrheit geben. Es wird irgendein Hilfskonstrukt geschaffen, bei dem das Parlament in irgendeiner Weise beteiligt wird. Was derzeit stattfindet, nämlich die jährliche intensive Beratung eines Wirtschaftsplangesetzes, wird es so nicht mehr geben. Das können wir uns, finde ich, nicht leisten.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, schauen Sie bitte einmal auf die Uhr. Sie haben deutlich überzogen.

Gudrun Kopp (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003160, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ja, letzter Satz. Dies ist ein Raubbau an der Wirtschaft in unserem Land zulasten von Arbeitsplätzen und dem sollten wir uns nach Kräften widersetzen. Vielen Dank. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär für Wirtschaft und Arbeit, Ditmar Staffelt.

Dr. Ditmar Staffelt (Staatssekretär:in)

Politiker ID: 11003239

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens stelle ich fest: Was den ERP-Wirtschaftsplan betrifft, besteht, denke ich, ein hohes Maß an Übereinstimmung darüber, dass wir das, was wir in den letzten Jahren getan haben, kontinuierlich fortschreiben und dazu bei den ERP-Aktivitäten Akzentuierungen vornehmen, die sich infolge der Nachfrage durch Unternehmer bzw. Unternehmen als notwendig erwiesen haben. Sie alle werden begrüßen, so hoffe ich jedenfalls, dass wir mit dem ERP/EIF-Dachfonds ein Instrument geschaffen haben, das uns in die Lage versetzt, wieder in stärkerem Maß Risikokapital zu bilden, um insbesondere Technologieunternehmen und innovativen Unternehmen unter die Arme zu greifen oder die Gründung solcher Unternehmen zu fördern und darüber hinaus dafür Sorge zu tragen, dass sich Unternehmen, die sich in schwierigen Phasen der Entwicklung befinden, finanzieren können. Ähnliches gilt für den ERP-Startfonds. Das ist ebenfalls eine Maßnahme, der wir alle in diesem Haus, denke ich, zustimmen. Ich glaube auch, dass die Schaffung der KfW-Mittelstandsbank ein wichtiger Schritt war, um Programme zu vereinheitlichen, neu zu strukturieren und damit auch an die Marktgegebenheiten anzupassen. Summa summarum finde ich - das ist ein wichtiges Ergebnis dieser Diskussion -: Wir sollten uns dazu bekennen, dass die Förderkulisse für das Entstehen von kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland ausgesprochen gut ist. Dies - so habe ich die Ausführungen von Ihnen allen verstanden - wird von Ihnen allen mitgetragen. Die Kritik, die hier laut geworden ist, richtet sich sozusagen auf das Bild der Zukunft. In diesem Zusammenhang ist zunächst festzuhalten, dass wir alle die Details noch nicht kennen. Ich bitte zugleich diejenigen, die mit mir gemeinsam im Unterausschuss darüber diskutiert haben, anzuerkennen, dass sich die Bundesregierung um weitestmögliche Transparenz bei den jeweiligen Arbeitsschritten bemüht hat und dass wir auch sehr offen über die einzelnen Teilschritte, von denen aus wir dieses Thema erschlossen haben, Frau Kollegin SkarpelisSperk, diskutiert haben. An der Stelle weise ich darauf hin, dass wir selbstverständlich auch die Einwände, die es gegeben hat, abarbeiten und sie in vollem Umfang in die Überlegungen einbeziehen werden. ({0}) Dazu gehört - das haben wir sehr wohl verstanden -, dass die Mitwirkung des Deutschen Bundestages, die sich im Übrigen in der Vergangenheit außerordentlich bewährt hat, von allen weiterhin für erforderlich gehalten wird. Wir werden daher alles unternehmen, damit im Gesetz die bisher vorgesehenen Mitwirkungsmöglichkeiten nicht eingeschränkt werden. Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen: In der Anhörung gab es ja Hinweise auf Sondierungsgespräche mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Diese hat es gegeben. Wir sind optimistisch, dass wir hierbei zu einem guten Ergebnis kommen werden. Ein weiterer wichtiger Punkt: Natürlich hängt viel von der Vertragsgestaltung ab. Ich gehe fest davon aus, dass die KfW eine klare Zusage geben muss, dass sie für die von ihr prognostizierte Verwertung eine ausreichende Rendite aus den 8,4 Milliarden Euro erzielen wird. Das ist Voraussetzung dafür, dass die vorhandenen Programme überhaupt finanziert werden können. Wir bemühen uns darum, hier zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Zu Ihrem Vorschlag, das auszuschreiben, Frau Kollegin Kopp, kann ich nur sagen: Natürlich kann man Ausschreibungen machen. Es wird auch tolle Angebote geben, bei denen erheblich bessere Renditen versprochen werden. ({1}) Die Frage ist nur, in welchem Umfang wir bezüglich der Renditen, die wir dringend benötigen, um die Fördermaßnahmen weiterhin durchführen oder gar noch ausbauen zu können, Risiken in Kauf nehmen wollen. Deshalb stehen wir einer Ausschreibung eher zurückhaltend gegenüber. Die weitere Diskussion sollten wir in der bewährten Art und Weise des offenen Meinungsaustausches miteinander führen. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten Wochen weitere wichtige Schritte unternehmen werden, da es letztlich, wie ich glaube, kaum eine Alternative dazu gibt, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Deshalb bitten wir den Deutschen Bundestag um entsprechende Unterstützung und um Zustimmung zum vorliegenden ERP-Wirtschaftsplangesetz. Danke schön. ({2})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines ERP-Wirtschaftsplangesetzes 2005, Drucksache 15/3596. Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit empfiehlt auf Drucksache 15/4704, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der CDU/CSU und der FDP angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Beratung mit demselben Stimmergebnis wie in der zweiten Beratung angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit ({0}) zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Mülltrennung vereinfachen - Haushalte entlasten - Drucksachen 15/2193, 15/4786 Berichterstattung: Abgeordnete Petra Bierwirth Dr. Antje Vogel-Sperl Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Petra Bierwirth, SPD-Fraktion.

Petra Bierwirth (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003049, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Getrenntsammlung bestimmter Abfälle ist eine Grundvoraussetzung für eine qualitativ hochwertige stoffliche Verwertung. Durch die getrennte Erfassung von Verpackungsmaterialien werden hohe Sammel- und Verwertungsquoten erreicht. Deutschland nimmt neben Dänemark und den Niederlanden in Europa eine Spitzenstellung bei der Verwertung von Verpackungsabfällen ein. Mit der Verpackungsverordnung wurde der Wirtschaft die Produktverantwortung übertragen. Dies hat - das wissen wir alle - zur Entwicklung paralleler Strukturen in der Abfallwirtschaft geführt. Sortieranlagen sind weitgehend von privaten Investoren getragen. In den letzten Jahren haben sich Verwertungswege herauskristallisiert, die als Maßstab für zukünftige Veränderungen genommen werden müssen. Daran müssen wir den heute zur Beschlussfassung vorliegenden Antrag der FDP-Fraktion messen. Aus dem Antrag ist meiner Auffassung nach lediglich erkennbar, dass die derzeitigen Strukturen durchbrochen und das bisher Erreichte vernachlässigt werden sollen. Grundlage des uns vorliegenden Antrages sind Testläufe großer Entsorgungsunternehmen, deren Ziel nicht die Vereinfachung der Müllentsorgung ist, sondern der weitere Zugriff auf die Abfallströme und damit letztendlich auch auf die Gebühren der Verbraucher. ({0}) Für mich sind bei der Diskussion auf diesem Feld noch viele Fragen unbeantwortet. Zum Beispiel hat das Sammelsystem, das wir derzeit in der Bundesrepublik haben, in der Bevölkerung eine sehr hohe Akzeptanz. 95 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sammeln getrennt. Die Bürgerinnen und Bürger identifizieren sich mit diesem System. Für sie ist das praktizierter Umweltschutz vor der Haustür. Hier stelle ich mir schon die Frage: Können wir das einfach leichtfertig aufs Spiel setzen? Auch ist völlig ungeklärt, ob das neue System, das eingeführt werden soll, den bisher hohen Standard im Umweltschutz, wie wir ihn durch die Getrenntsammlung erreicht haben, weiterhin gewährleisten wird. Für mich stellt sich auch die Frage: Ist ein solch neues System wirtschaftlich? Die wohl wichtigste Frage ist: Ist überhaupt die Technik schon so weit, dass wir eine solche komplette Systemumstellung vornehmen können? Ist sie schon so weit, dass das System großflächig eingeführt werden kann? Eine weitere Frage: Können die heute in dieser Branche tätigen mittelständischen Unternehmen eine solche technische Umstellung überhaupt realisieren? Oder leiten wir hiermit durch die Hintertür einen eleganten Wechsel in der Unternehmensstruktur ein? Eine äußerst wichtige Frage ist auch: Was bedeutet eine Systemumstellung für die Verbraucherinnen und Verbraucher? Werden sie eine Gebührensenkung erleben oder nicht doch eher eine Gebührenerhöhung? Diese Reihe von Fragen ließe sich noch beliebig lang fortsetzen. Um fundierte Antworten zu erhalten, haben wir im Umweltausschuss eine Expertenanhörung durchgeführt, in der wir auch diese Fragen gestellt haben. Für mich war das Ergebnis dieser Anhörung, dass die Antragsteller mit ihrem Anliegen gescheitert sind; die Antworten fielen in meinen Augen niederschmetternd aus. ({1}) Wir können heute in keiner Weise von einem Systemwechsel in der Abfallsammlung und Abfallentsorgung sprechen. Davon sind wir noch meilenweit entfernt. Ein solcher Systemwechsel ist in meinen Augen noch nicht einmal spruchreif. Zum einen sind die Pilotversuche gerade erst abgeschlossen und die Auswertung liegt uns im Detail noch gar nicht vor. Zum anderen wurde in der Anhörung deutlich, dass wir es bei diesen Pilotversuchen doch eher mit Ergebnissen unter laborähnlichen Bedingungen zu tun haben. Sie haben im kleinteiligen Raum stattgefunden. Auf den Fließbändern spiegelte sich das Abfallverhalten auf dem flachen Land wider. Leichtverpackungen und Restmüll sind erst in der Sortieranlage gemischt worden. Ich denke daher, diese Ergebnisse können in keiner Weise verallgemeinert werden. Für mich steht fest, dass die ökonomischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und Umweltauswirkungen eines Systemwechsels zum heutigen Zeitpunkt - das hat die Anhörung ganz klar ergeben - nicht mit Namen und Hausnummer benannt werden können. Aus der Anhörung können wir aber Folgendes mitnehmen: Wenn ein solcher Systemwechsel stattfinden sollte, dann ergibt sich auf alle Fälle eine Erhöhung der Gebühren für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn die Abfallentsorger müssen überall diese neue Technik einführen. Diese bekommt man nicht umsonst. Die Anhörung hat ebenfalls gezeigt, dass die derzeit eingesetzte Technik zwar in den Versuchen funktioniert, aber noch nicht für einen großflächigen Einsatz ausreicht. Außerdem - das ist ein zusätzliches Problem bei einem Systemwechsel - muss dann noch die Biotonne eingeführt werden. Denn ohne diese lässt sich die Systemumstellung nicht realisieren. Ich persönlich halte es bei all diesen Unklarheiten für völlig unverantwortlich, einen Systemwechsel zu vollziehen. Bevor wir zu einer solchen Entscheidung kommen, müssen noch viele Antworten gegeben werden. Es darf nicht nur vage Versprechungen geben, wie wir es teilweise erlebt haben. Für meine Fraktion und mich gibt es derzeit zum System der getrennten Sammlung keine Alternative. ({2}) Wir sind natürlich immer offen für Verbesserungen - da verweigern wir uns nicht -; denn kein System ist so gut, dass es nicht verbessert werden könnte. Darüber diskutieren wir gerne. Aber die heutige ökologisch sinnvolle und aller Erfahrung nach gut funktionierende Getrenntsammlung darf nicht aufgegeben werden, bevor kein besseres und ausgereifteres System vorhanden ist. ({3})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Werner Wittlich, CDU/ CSU-Fraktion.

Werner Wittlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im ersten Moment scheint es eine geniale Idee zu sein, Verpackungsmaterial zusammen mit dem Restmüll in Sortieranlagen technisch aufzubereiten und zu verwerten. Alle Abfälle wandern künftig in dieselbe Tonne. Die Unterscheidung zwischen Verpackungs- und Restmüll entfiele und das leidige Sortieren hätte ein Ende: Nie mehr nachschauen müssen, ob ein Grüner Punkt aufgedruckt ist - dann gehört die Verpackung in die gelbe Tonne und nicht in den Restmüll - oder ob das Papier nicht doch an irgendeiner Stelle beschichtet ist und somit nicht in die normale Papiersammlung gehört. Hinzu kommt, dass die Müllentsorgung von Region zu Region unterschiedlich gehandhabt wird. Die einen sammeln Verpackungen in der gelben Tonne, die anderen setzen auf den gelben Sack. In meinem Wahlkreis, im Landkreis Neuwied, ist die gelbe Tonne sogar grün. ({0}) - Wir waren sehr fortschrittlich und haben diese Tonne schon seit mindestens 15 bis 20 Jahren. Die Forderung nach einem Ende der Getrenntsammlung klingt deshalb zunächst innovativ und viel versprechend. Im Moment aber ist das Modell „Alles in eine Tonne“ noch Zukunftsmusik. ({1}) - Lesen Sie einmal Ihren Antrag und hören Sie zu! Ich will Ihnen, unserem zukünftigen Koalitionspartner, aber nicht zu nahe treten. ({2}) Es wäre aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion absolut verfrüht, zum jetzigen Zeitpunkt das System der Getrennterfassung aufzugeben. Auch in der Sachverständigenanhörung im Umweltausschuss am 1. Dezember wurde deutlich, dass in den nächsten Jahren auf die Trennung des Hausmülls in Deutschland nicht verzichtet werden kann. Nach wie vor gibt es zu viele offene, ungelöste Fragen. Zu dem Ergebnis kam die Mehrheit der Sachverständigen in ihren Stellungnahmen. Sollte das Getrennterfassungssystem in naher Zukunft umgestellt werden, wäre dies kaum wieder rückgängig zu machen, falls die Umstellung nicht funktionieren würde. Zwar wurden schon Pilotprojekte durchgeführt, in denen Restmüll und Verpackungsabfälle gemeinsam gesammelt und anschließend maschinell getrennt wurden. Diese Versuche sind bislang jedoch nur als so genannte Testversuche mit geringen Mengen und unter Laborbedingungen durchgeführt worden. Erforderlich sind unseres Erachtens jedoch Langzeitversuche unter Praxisbedingungen. Auf der Grundlage des derzeitigen Kenntnisstandes wäre es einfach unverantwortlich, aus diesen Versuchen Rückschlüsse auf die technische Machbarkeit zu ziehen. Die für die Müllentsorgung zuständigen kommunalen Gebietskörperschaften wären in erster Linie von einer Umstellung auf gemeinsame Sammlungen von Abfällen betroffen. Die Landkreise und kreisfreien Städte müssten ihre gesamten bisher bewährten Systeme der Müllentsorgung umstellen. Für die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger würde sich eine Umstellung mehr als schwierig gestalten; denn die meisten sind an langfristige Verträge mit den Abfallentsorgungsunternehmen gebunden. Aus diesen Verträgen können sie nicht von heute auf morgen aussteigen. Die kommunalen Spitzenverbände kritisieren vor allem, dass sich die Hersteller künftig aus ihrer Produktverantwortung stehlen könnten. Unklar ist auch, welche Auswirkungen die Aufhebung der Mülltrennung auf die Müllgebühren hätte. Wir dürfen hier den Bürgerinnen und Bürgern keinen Sand in die Augen streuen. Der Bürger kann heute durch die gezielte Rückgabe von Abfällen die Inanspruchnahme der kommunalen Abfallentsorgung und den entsprechenden Anfall von Abfallgebühren vermeiden. Dieser Anreiz entfiele mit der gemeinsamen Erfassung. Nach Einschätzung des Städte- und Gemeindebundes besteht aus Sicht des Bürgers kein Anlass, vom bestehenden System abzugehen. Die Aufgabe der getrennten Abfallerfassung wird entgegen den versprochenen Kostenreduzierungen eher Kostensteigerungen zur Folge haben. Abfälle sollten nach unserer Auffassung auch weiterhin getrennt werden.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kauch?

Werner Wittlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ja, bitte.

Michael Kauch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003698, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Wittlich, Sie haben ebenso wie Frau Bierwirth, an die ich die Frage genauso hätte richten können, erläutert, warum aus Ihrer Sicht ein Systemwechsel nicht infrage kommt, und reden von einem bewährten System der Abfallsammlung. Ich möchte fragen, ob Sie ein System für bewährt halten, bei dem nach einer Studie des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz im Restmüll in ländlichen Gebieten 43 Prozent, in innerstädtischen Verdichtungsräumen 53 Prozent der Müllmenge verwertbare Stoffe ausmachen und eben nicht Restmüll sind und umgekehrt in der gelben Tonne 15 bis 20 Prozent Fehlwürfe sind, die in diese Tonne nicht hineingehören. Halten Sie das für ein bewährtes System?

Werner Wittlich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003268, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Verehrter Herr Kollege Kauch, darüber reden wir jetzt gar nicht. ({0}) Wir reden über Ihren Antrag. Dabei geht es darum, ob wir die jetzigen Restabfälle zusammen mit dem DSDMüll in einer Tonne sammeln. ({1}) Allein darum geht es zunächst. Wir als CDU/CSU-Fraktion sind offen für alle technischen Entwicklungen. Sie werden mich als jemand, der aus dem technischen Umfeld kommt, doch nicht am Ende noch der Technikfeindlichkeit bezichtigen. Ganz im Gegenteil. Ich komme in meiner Rede - vielleicht hören Sie dann noch zu - nachher noch zu diesem Punkt und sage Ihnen dann, dass wir den Umstieg zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht halten. Einen Tag nach der Anhörung im Umweltausschuss im Dezember letzten Jahres stand in der „FAZ“ oder in der „Süddeutschen Zeitung“ ({2}) - Herr Schmidt, Sie sind doch gerade erst gekommen; dann können Sie doch noch ein bisschen länger hier bleiben - ein Artikel mit der Überschrift „Zeit der Getrenntsammlung vorbei“. Dieser ist populistisch aufgemacht worden. Uns geht es darum, dem Bürger nicht den Eindruck zu vermitteln, man könne zum jetzigen Zeitpunkt alles in eine Tonne stecken und das würde am Ende noch billiger werden. Das ist der eigentliche Punkt, um den es geht. Ansonsten sind wir gar nicht weit auseinander. ({3}) Wenn wir eine Lösung hätten, die insgesamt günstiger wäre, den Umweltinteressen entgegenkäme, die wirtschaftlich wäre und den Bürger entlasten würde, würden wir hier eine einvernehmliche Lösung finden. ({4}) Ich habe vorhin gesagt, dass der Anreiz zur gezielten Rückgabe von Abfällen entfallen würde, wenn man den Müll zusammenschütten würde. Nach Einschätzung des Städte- und Gemeindebundes besteht aus Sicht des Bürgers kein Anlass, vom bisherigen System abzugehen. Die Aufhebung der getrennten Abfallerfassung wird entgegen den Versprechen, die Kosten zu reduzieren, eher Kostensteigerungen zur Folge haben. Abfälle sollten also auch weiterhin getrennt gesammelt werden. Das bisherige System kann noch im Hinblick auf die Kosten verbessert werden. Vorhandene Potenziale sollten ausgeschöpft und an den Bürger in Form von sinkenden Müllgebühren weitergegeben werden, sofern das möglich ist. Eines ist klar: Steigende Müllgebühren sind in diesem Zusammenhang für die Union nicht akzeptabel. ({5}) Aber nach allen Erkenntnissen ist durch die Müllsammlung in einer Tonne eine Gebührenerhöhung vorprogrammiert. Zudem würde eine Aufhebung der Mülltrennung es schwierig machen, ein verursachergerechtes Gebührensystem umzusetzen. Ein Anreiz zur Müllvermeidung wäre kaum noch gegeben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion befürchtet, dass die Bürger mit sehr widersprüchlichen Signalen konfrontiert würden. Einerseits diskutieren wir über die gemeinsame Erfassung und Sortierung von Rest- und Verpackungsabfällen, auf der anderen Seite weiten eine Vielzahl von Regelungen, wie zum Beispiel die Batterieverordnung, die Gewerbeabfallverordnung, die Altholzverordnung oder das Elektronikgerätegesetz, die Getrenntsammlung auf weitere Abfallanteile aus. Papier, Glas und vor allem Bioabfall müssten auch in Zukunft getrennt gesammelt werden. Es ist mehr als fraglich, ob dem Bürger diese unterschiedliche Behandlung vermittelt werden kann. Denn schließlich hat er jahrelang für den Umweltschutz Abfälle getrennt und Joghurtbecher ausgespült. Der Bürger sammelt ja keinen Abfall; er trennt Wertstoffe. Stichwort Bioabfälle. Das ist ein Punkt, Herr Kauch, der das ganze System ins Wanken bringen würde. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Biomüll zusammen mit dem gesamten Restabfall in eine Tonne kommt. In Deutschland sind bisher 50 Prozent der Haushalte nicht an die Bioabfallentsorgung angeschlossen. Auch für diese Haushalte müsste zuerst die Biomüllerfassung flächendeckend eingeführt werden. Denn ehe man in diesem Bereich Hals über Kopf etwas ändert, muss man eine sorgfältige Kostenoptimierung ins Auge fassen. Dem Bürger wird vorgegaukelt, es würde billiger werden. Das ist aber gerade nicht der Fall. Bemerkenswert ist, dass die grüne Umweltministerin in Nordrhein-Westfalen gegen erhebliche Widerstände der kommunalen Spitzenverbände Langzeitversuche mit Mischtonnen durchboxen will. Die Ministerin tut dies, obwohl schon jetzt bekannt ist, dass damit in den Städten die nächste Gebührenerhöhung vorprogrammiert ist. Denn das System der Mischtonne ist in den Städten erheblich teurer als das bewährte System der Getrennterfassung. Auch in den nächsten Jahren wird auf die Trennung des Hausmülls in Deutschland nicht verzichtet werden können. Weder die technische Machbarkeit noch die ökologischen und ökonomischen Vorteile sind bisher geklärt. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es daher aus Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nicht sinnvoll, das bestehende und funktionierende System der Mülltrennung in Deutschland abzuschaffen. Auch das Umweltbundesamt kommt in seinem Sachstandspapier „Getrennte Sammlung von Abfällen aus Haushalten“ vom Juli 2004 zu der Einschätzung - ich zitiere mit Erlaubnis der Frau Präsidentin -, dass es zur Praxis der getrennten Sammlung derzeit keine Alternative gibt, da die Praxisreife der technischen Alternativen noch nicht nachgewiesen ist. Für alle Abfallarten gelte - so das Umweltbundesamt weiter -, dass die nach bisherigen Erkenntnissen ökologisch sinnvollen und aller Erfahrung nach gut funktionierenden Getrennthaltungssysteme nicht aufzugeben seien, bevor bessere Alternativen zur Verfügung stünden. Das System der Getrenntsammlung von Abfällen hat nicht zuletzt erheblich zu einem gestiegenen Umweltbewusstsein und zu einem sorgfältigeren Umgang mit Ressourcen in Deutschland geführt. Die CDU/CSUBundestagsfraktion - ({6}) - Sie hört nicht einmal zu; das muss auch ich feststellen. ({7}) Weil diese Sitzung so gut besucht ist, habe ich schon überlegt, nachher schnell zu meinem Platz zu laufen, um mir selbst Beifall zu klatschen, damit das wenigstens im Protokoll vermerkt ist. ({8}) Die CDU/CSU-Fraktion - Herr Kauch, jetzt werden wir wieder versönlich - stellt die Berechtigung des FDPAntrages überhaupt nicht in Abrede. Für die CDU/CSUFraktion ist das Modell „Alles in eine Tonne“ nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand noch Zukunftsmusik. Das heißt aber nicht, dass die Bundestagsfraktion der CDU/ CSU vor dem technischen Fortschritt und der Weiterentwicklung in der Abfallwirtschaft die Augen verschließen würde. Wer die Abfallwirtschaft vor allem in den 90er-Jahren verfolgt hat, kann feststellen, welch tief greifende Veränderungen es seitdem auf diesem Gebiet in Deutschland gegeben hat. Standen noch vor zehn bis 15 Jahren Mülldeponien im Mittelpunkt der Abfallentsorgung, so sind heute überwiegend Maßnahmen zur Verwertung der Abfälle das Maß der Dinge. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre die Aufhebung der Mülltrennung in technischer, ökonomischer und ökologischer Hinsicht mit einem zu großen Risiko behaftet. ({9}) Daher lehnt die CDU/CSU-Fraktion Ihren Antrag ab. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. ({10})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Antje Vogel-Sperl, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Antje Vogel-Sperl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003651, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich auf das Argument eingehen, das vonseiten der Wirtschaft und der Opposition immer wieder gern und immer wieder zu Unrecht angeführt wird: dass innovative Umweltpolitik wirtschaftliches Wachstum bremsen würde. Nun gibt es aber in der Tat einen Bereich, in dem dies der Fall ist - und zwar politisch gewollt -, den Abfallbereich, das heißt das Aufkommen von Abfall. Es ist nicht zuletzt ein Verdienst unserer erfolgreichen Umweltpolitik - ich nenne an dieser Stelle nur das Stichwort Dosenpfand -, dass Abfälle zum einen mehr und mehr vermieden werden und dass zum anderen die Menge des Gutes, um das es geht, des Abfalls, tendenziell zurückgeht. Das heißt, meine Damen und Herren, der Abfallmarkt stagniert. Und das heißt für die Beteiligten in der Entsorgungswirtschaft vor allem eines: Zuwächse im Abfallgeschäft sind für Unternehmen nur zu machen, wenn umverteilt wird. Deshalb ist die Debatte, die in den vergangenen Wochen und Monaten über die Zukunft der Getrenntsammlung geführt wurde, vor allem vor diesem Hintergrund zu bewerten; ({0}) denn der Wegfall eines Sammelgefäßes hätte natürlich eine Verschiebung von Abfallströmen zur Folge. Dies wiederum hätte spürbare wirtschaftliche Auswirkungen für die Beteiligten in der Entsorgungsbranche und deshalb werden neue technologische Verfahren derzeit - je nachdem, ob man zu den potenziellen Gewinnern oder Verlierern zählt - entweder generell verteufelt oder in den Himmel gehoben. Das Ziel von uns Grünen ist es, dafür zu sorgen, dass - ungeachtet jeglicher Verteilungskämpfe - jeweils das ökologisch sinnvollere Verfahren zum Einsatz kommt. Vor diesem Hintergrund sind wir für neue, ökologisch vorteilhafte Techniken offen. Aber - und das sage ich in aller Deutlichkeit - wir prüfen sehr genau, wo sich aus ökologischer Sicht Vorteile ergeben und wo nicht. Ich möchte darauf hinweisen, dass der Umgang mit Abfall, das selbstverständliche Trennen und der Anspruch einer hochwertigen Verwertung nach wie vor als zentrale Elemente des praktizierten Umweltschutzes in Deutschland gelten. ({1}) Wir haben uns im parlamentarischen Verfahren einschließlich der durchaus interessanten Anhörung im Umweltausschuss zum Thema Getrenntsammlung intensiv mit dem Antrag der FDP auseinander gesetzt. Auch aus unserer Sicht möchte ich die wichtigsten Ergebnisse der Anhörung kurz vorstellen. Erstens. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe unterschiedlicher Versuche unterschiedlicher Auftraggeber, das heißt Modellprojekte, nicht zuletzt ausgelöst durch die von der RWE Umwelt durchgeführten Untersuchungen zur Getrenntsammlung. Aber bislang - das ist der entscheidende Punkt - liegen noch keine vollständigen Ergebnisse der Untersuchungen vor; das wurde schon von verschiedenen Seiten gesagt. Erste Ergebnisse der in NRW durchgeführten Studie werden am kommenden Montag vorgestellt. Diese Ergebnisse werden wir mit Interesse verfolgen. Zu den derzeit untersuchten Verfahren gehört neben der genannten gemeinsamen Erfassung von Leichtverpackungen und Restmüll unter anderem auch die zu einer so genannten trockenen Wertstofftonne geadelte gelbe Tonne, die sozusagen als Gegenprogramm zur Zebratonne initiiert wurde. Das zweite Ergebnis der Anhörung war: Die technische Machbarkeit einer gemeinsamen Erfassung von Restmüll und Leichtverpackungen wurde grundsätzDr. Antje Vogel-Sperl lich von keinem Sachverständigen bestritten. Gleichzeitig hat sich aber auch ganz klar herausgestellt: Eine Zebratonne wird weder per se ökologisch besser noch kostengünstiger als das bisherige Verfahren sein. ({2}) Sondern es wird stark von regionalen Gegebenheiten abhängen, wie das Ergebnis im Einzelfall ausfällt. In Ballungszentren ist es durchaus eine sinnvolle Option, aber in ländlichen Räumen macht das Festhalten an der Getrenntsammlung von grauem und gelbem Müll aufgrund der geringen Anzahl von Fehlwürfen selbstverständlich Sinn. Und diese differenzierte Betrachtung, meine Damen und Herren, fehlt in dem Antrag der FDP völlig. ({3}) Und daraus folgt ganz klar: Jetzt pauschal das Ende der Getrenntsammlung von Restmüll und LVP zu verkünden und zu behaupten, das derzeitige System sei technisch überholt, uneffektiv und zu teuer, ist sachlich schlicht und einfach nicht haltbar und zu kurz gedacht. Ein drittes Ergebnis der Anhörung war auch: Es gibt derzeit keine Notwendigkeit für gesetzliche Veränderungen, da das bestehende Abfallrecht die Möglichkeit zur gemeinsamen Erfassung von Restmüll und Leichtverpackungen durchaus zulässt. Zum Schluss möchte ich eines klarstellen: Es geht in dieser Debatte ausschließlich um die gemeinsame Erfassung von Leichtverpackungen und Restmüll - und nicht um die Getrennterfassungssysteme für Papier, Glas oder die Biotonne. Tatsache ist: Die gemeinsame Erfassung mit anschließender Sortierung ist durchaus ein viel versprechender Ansatz, zum einen bei Berücksichtigung regionaler Unterschiede und zum anderen vor dem Hintergrund des Ziels einer abfallfreien Kreislaufwirtschaft für Siedlungsabfälle nach 2020. Tatsache ist aber auch, dass Ergebnisse aus den zuvor genannten Untersuchungen größtenteils noch nicht vorliegen. Deshalb sage ich noch einmal in aller Deutlichkeit an die Adresse der FDP: Ihr Antrag ist einseitig, pauschal und eindeutig verfrüht. Deswegen lehnen wir ihn ab. Vielen Dank. ({4})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Birgit Homburger, FDPFraktion.

Birgit Homburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000952, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Die Getrenntsammlung ist in Deutschland ein Kulturgut“, erklärte der Sachverständige Pretz, benannt von der SPD-Bundestagsfraktion. Das macht das Problem deutlich: Für uns ist das nicht ein Kulturgut, sondern es ist schlicht und ergreifend eine praktische Frage, ob Mülltrennung notwendig ist, um ein entsprechendes ökologisches Ergebnis zu erreichen oder nicht. ({0}) Wir wissen, dass im Restabfall bis zu 54 Prozent verwertbarer Anteil enthalten ist, und wir wissen, dass von den 2,3 Millionen Tonnen Material, die im Jahr 2002 beim Grünen Punkt in den Sammelsystemen für Leichtverpackungen gesammelt wurden, nur 1,4 Millionen Tonnen verwertet wurden - das sind 58 Prozent -, der Rest aber einer Entsorgung hat zugeführt werden müssen. Das bedeutet doch, dass wir in der grauen Restmülltonne und im gelben Sack teilweise nahezu dieselben Mischungsverhältnisse haben. Deswegen macht es überhaupt keinen Sinn, diese Trennung so aufrechtzuerhalten. ({1}) Ich sage ganz deutlich: Wir wollen nicht wieder eine Tonne, sondern wir wollen, dass die graue Tonne und die gelbe Tonne zusammengefasst werden. Alle, die in dieser Debatte etwas anderes behauptet haben, liegen falsch. Auch gilt unverändert - ich zitiere aus unserem Antrag -, dass Bioabfälle, Papier, Pappe, Karton und Glas sowie besonders problematische Abfälle weiterhin getrennt gesammelt werden sollen. ({2}) Das widerlegt, was vorhin behauptet wurde: Wir wollten, dass alles in eine Tonne kommt. Das wollen wir nicht. Wir wollen allerdings durch Zusammenlegung von zwei Abfallarten erreichen, dass die Haushalte entlastet werden, und zwar erstens bei der Sortierung und zweitens finanziell. Wenn das geht, dann sollte man das im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher auch tun. ({3}) Die Kollegin Bierwirth sprach von einem Desaster in der Anhörung, weil diese ganzen Verfahren technisch nicht ausgereift seien. ({4}) Meine Damen und Herren, die Sie hier sitzen, wenn von acht geladenen Sachverständigen sechs ausdrücklich erklären, dass eine getrennte Sammlung für eine hochwertige Verwertung nicht mehr notwendig ist, dass so etwas also technisch machbar ist - sechs von acht Sachverständigen! -, ({5}) dann heißt das doch wohl, dass es technisch möglich ist. Nichts anderes behauptet die FDP. ({6}) Die Mülltrennung ist technisch überholt und zu teuer. Allein die Tatsache, dass sie ein Element des praktizierten Umweltschutzes ist, ist kein Grund, sie aufrechtzuerhalten. Wir betreiben eine praktische und keine ideologische Politik. Das ist der Unterschied an dieser Stelle. ({7}) Bei der Mülltrennung auf automatisierten Anlagen können sogar mehr Wertstoffe und Verpackungsmaterialien verwertet werden als bei der getrennten Sammlung über das DSD. Auch das hat die Sachverständigenanhörung klar, eindeutig und zweifelsfrei ergeben. Alle Sachverständigen haben gesagt: Ja, aufgrund der Qualität dessen, was wir dort herausholen, ist es möglich, das hinterher zu verwerten. Als letzten Punkt spreche ich die Kosten an. Wir wollen den Grünen Punkt in keiner Weise abschaffen. Das heißt, es wird keine Kostensteigerungen geben.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, den letzten Punkt sprechen Sie bitte nur kurz und knapp an.

Birgit Homburger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000952, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Gerne, Frau Präsidentin. - Ich sage Ihnen klar und deutlich: Der von den Grünen benannte Sachverständige, Herr Kerres, hat erklärt, wir könnten 5 bis 10 Prozent der Kosten einsparen. Wir wollen, dass das, was möglich ist, im Sinne der Bürgerinnen und Bürger auch getan wird. Sie werden den Fortschritt nicht aufhalten können. Sie werden heute noch dagegen stimmen. Am Montag wird Frau Höhn die Ergebnisse vorstellen und positiv bewerten. In einigen Jahren werden Sie feststellen, dass in den Kreisen genau das getan wird, was die FDP vorhergesagt hat. Dafür werden wir im Sinne der Bürgerinnen und Bürger weiter kämpfen. Vielen Dank. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss- empfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 15/4786 zu dem Antrag der Fraktion der FDP mit dem Titel „Mülltren- nung vereinfachen - Haushalte entlasten“. Der Aus- schuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 15/2193 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- lung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschluss- empfehlung ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und CDU/CSU bei Gegenstimmen der FDP angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 28 a und b auf: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnikrechts - Drucksache 15/4834 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({0}) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Helmut Heiderich, Peter H. Carstensen ({1}), Marlene Mortler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU Gentechnikgesetz wettbewerbsfähig vervollständigen - Drucksache 15/4828 Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ({2}) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin Elvira Drobinski-Weiß, SPD-Fraktion.

Elvira Drobinski-Weiß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003705, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem das erste Gentechnikneuordnungsgesetz Anfang des Jahres in Kraft getreten ist, beraten wir heute unseren Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnikrechts sowie einen Antrag der CDU/CSU mit dem Titel „Gentechnikgesetz wettbewerbsfähig vervollständigen“. Mit unserem Gesetzentwurf zur Neuordnung des Gentechnikrechts kommen wir unserer Verpflichtung nach, die EU-Freisetzungsrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. Der heute eingebrachte Entwurf des Zweiten Gesetzes enthält im Wesentlichen Verfahrenserleichterungen und Verfahrensbeschleunigungen für gentechnische Arbeiten. Ich nenne hier einige Beispiele: Für erste gentechnische Arbeiten in der Sicherheitsstufe 1 und weitere gentechnische Arbeiten in der Sicherheitsstufe 2 ist anstatt einer Anmeldung nur noch eine Anzeige der gentechnischen Arbeit vorgesehen. Das heißt konkret, dass der Betreiber sofort nach Eingang der Anzeige bei der Behörde und nicht wie bisher erst 30 Tage nach dem Eingang der Anmeldung bei der Behörde mit der gentechnischen Arbeit beginnen kann. Eine Vereinfachung ist auch, dass bestimmte Mikroorganismen aus dem Anwendungsbereich des Gentechnikgesetzes herausgenommen werden können, ohne dass für den Umgang mit solchen Organismen eine Melde- und Registerführungspflicht besteht. Das müsste doch voll in Ihrem Sinne sein, meine Damen und Herren von der CDU/CSU; denn damit werden wir das Gentechnikgesetz wettbewerbsfähig vervollständigen. Dazu erwarten wir allerdings Ihre Unterstützung; denn uns einerseits dafür zu kritisieren, dass wir mit der Umsetzung in Verzug sind, und andererseits die Umsetzung zu blockieren, halte ich für unredlich. ({0}) Sie werfen uns in Ihrem Antrag vor - ich zitiere -, „aus rein politischen Gründen“ das Gesetz in zwei Teile gespalten zu haben. Uns aber ging es darum, schnellstmöglich Rechtssicherheit für die Betroffenen zu schaffen. ({1}) Eine rein taktische Blockade des Gesetzes durch die CDU/CSU-regierten Länder mit ihrer Mehrheit im Bundesrat drohte dies zu verhindern. Das war der Grund für die Teilung. So ist der erste Teil des Gentechnikneuordnungsgesetzes bereits in Kraft getreten. Wir gehören gemeinsam mit den Dänen und den Österreichern zu den Ersten, bei denen Koexistenzregelungen geltendes Recht sind. Das sind Regelungen, um die wir in anderen EU-Ländern beneidet werden. Letzte Woche hörte ich im Deutschlandfunk in einem Beitrag über die Koexistenzregelungen in den Niederlanden davon, wie ein Biobauer davon träumte, in einem Land wie Deutschland zu leben. ({2}) Er sagte - ich zitiere -: Da ist das alles sehr viel besser geregelt als bei uns. Wirklich wahr, ich wollte, ich wäre ein deutscher Biobauer. Der hat es sehr viel leichter als wir hier in Holland. Wie groß auch in anderen EU-Ländern das Interesse ist, neben dem Gentechnikanbau auch den Fortbestand einer gentechnikfreien Landwirtschaft zu gewährleisten, zeigt das immer größer werdende Netzwerk gentechnikfreier Regionen in der EU. In Italien beispielsweise haben sich von 20 Regionen 14 für gentechnikfrei erklärt. Rund 50 gentechnikfreie Regionen - mit steigender Tendenz - sind es in Deutschland. Bis auf Sachsen, Thüringen und das Saarland gibt es sie in allen Bundesländern. Anlässlich der Grünen Woche hat EU-Agrarkommissarin Fischer Boel zum Nebeneinander von gentechnikfreier und gentechnikanwendender Landwirtschaft erklärt: Wenn sich die Pflanzen erst einmal mischen, dann bekommt man sie nie wieder auseinander. - Auch deshalb war Eile geboten. Das hat sie mehrfach erklärt und das haben auch die Kolleginnen und Kollegen von der Opposition gehört. Uns ging es um ein zügiges Gesetzgebungsverfahren; denn wie Sie wissen, ist die Umsetzungsfrist für die EUFreisetzungsrichtlinie im Oktober 2002 abgelaufen. ({3}) Die EU-Kommission hatte sich damals geweigert, EUweit geltende Koexistenzregelungen zu schaffen. Das machte die Erarbeitung solcher Regelungen auf nationaler Ebene notwendig. Das ist eine schwierige und zeitaufwendige Arbeit, wie man auch daran sieht, dass die Mehrheit der EU-Länder noch nicht so weit ist wie wir. Nun hat Frau Fischer Boel während der Grünen Woche angedeutet, dass es eventuell doch zu EU-weit geltenden Regelungen für Koexistenz kommen würde. Das würden wir natürlich sehr begrüßen. ({4}) Aber noch ist unklar, ob und wann es zu einem solchen Regelwerk kommen könnte. Deshalb müssen wir nun zügig auch den zweiten Teil unseres Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnikrechts auf den Weg bringen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir sind uns einig, dass wir dieses Gesetz schnellstmöglich brauchen. Mir scheint, wir sind in der Zielrichtung gar nicht weit auseinander. ({5}) Wir wollen durch den vorliegenden Entwurf mit Verfahrensvereinfachungen bei gentechnischen Arbeiten die Wettbewerbsfähigkeit stärken. Damit diese Vorteile möglichst bald genutzt werden können, bitte ich Sie, meine Damen und Herren von der Opposition: Unterstützen Sie unseren Gesetzentwurf und setzen Sie sich für ein zügiges Gesetzgebungsverfahren auf allen Ebenen ein! Vielen Dank. ({6})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat der Kollege Helmut Heiderich, CDU/ CSU-Fraktion.

Helmut Heiderich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002946, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es sind heute exakt 14 Tage, seit das neue Gentechnikgesetz in Kraft getreten ist, und schon kommen Sie mit dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnikrechts. ({0}) Allein diese kurzfristigen Versuche des Nachbesserns machen schon deutlich, welch einseitige Position Sie vertreten ({1}) und dass Sie unablässig bemüht sind, der Gentechnik in Deutschland ein negatives Image anzuhängen. Ich will vorab feststellen: Die ständige Verunsicherung der Verbraucher und der Bürger ist Ihnen offensichtlich wichtiger, als eine wettbewerbsfähige Position Deutschlands in einer anerkannten Zukunftstechnologie zu schaffen. ({2}) Es ist höchste Zeit, dass Sie hier und heute öffentlich feststellen, dass von der Gentechnik weder Gefahren für die Gesundheit der Bürger ausgehen noch Beeinträchtigungen der Umwelt entstehen und dass deren Produkte, ob das nun Futtermittel, Arzneimittel oder Lebensmittel sind, genauso sicher sind wie die bisherigen. Ihr ständiges unbegründetes Risikogerede ist letztlich, wenn Sie das einmal durchdenken, nichts anderes als ein Affront gegen die Wissenschaft und gegen die eigenen Zulassungsbehörden. ({3}) Sie machen den Menschen Angst, statt sie sachlich zu informieren. Anschließend nutzen Sie die Verunsicherung und sagen - das haben wir hier schon x-mal gehört -, soundso viel Prozent der Bevölkerung wollten keine Gentechnik, um damit wiederum Ihre eigene Verhinderungspolitik zu begründen. Das ist keine Innovationspolitik für Deutschland. Da müssen wir zu anderen Regeln kommen. ({4}) Sagen Sie doch unseren Bürgern endlich einmal, wie umfassend die wissenschaftlichen Kontrollen sind und dass schon allein das deutsche Lebensmittelgesetz jedes neue Produkt verbietet, das irgendein Risiko für den Menschen wäre, ganz abgesehen davon - ich bitte Sie, sich das einmal anzusehen -, dass heute umfangreiche Prüfungen von der neuen europäischen Behörde EFSA vorgenommen werden müssen, ehe überhaupt ein Produkt für den Markt freigegeben werden darf. Hören Sie also endlich auf mit Ihren Ablenkungsmanövern. Sie bemühen schon heute Länder wie Kanada, Argentinien und andere für Ihre Argumente. Sorgen Sie doch endlich dafür, dass in unserem Lande die Voraussetzungen geschaffen werden, ({5}) dass solche Pflanzen auf deutschen Feldern wachsen können, dass deutsche Wissenschaftler diese begutachten können und dass wir deren Ergebnisse in die Gesetze und Verordnungen aufnehmen können, damit wir wettbewerbsfähig bleiben bzw. werden. Wir wollen nicht ständig Ihre Verhinderungstaktik hinnehmen. ({6}) Es ist doch ganz offensichtlich, dass Sie hier im Deutschen Bundestag und in Deutschland ständig negativ über Gentechnik reden, Frau Künast aber dann, wenn es auf europäischer Ebene um Entscheidungen geht, klein beigibt und sich dort der Stimme enthält. Wenn sie also hier so furios gegen diese Technologie auftritt, warum schrumpft sie dann auf europäischer Ebene jedes Mal auf Zwergengestalt, wenn es dort um Entscheidungen geht? ({7}) - Ich kann Ihnen gerne noch weitere solche sachlichen Punkte vortragen, Herr Kollege. ({8}) Die Ministerin greift auch persönlich in die deutsche Forschung ein. Sie hat durch direkten persönlichen Einfluss - das werden Sie hoffentlich nicht vergessen haben - die Forschung in Pillnitz und in Quedlinburg im vergangenen Jahr verboten, obwohl alle Fachleute gesagt haben, dass die Forschung, die dort geleistet wird, Spitzenniveau hat. Frau Künast hat persönlich verboten, dass wir solche Erfahrungen in Deutschland machen dürfen. ({9}) Auch an anderen Standorten werden die Wissenschaftler zunehmend behindert. Ich will Ihnen zwei Beispiele nennen. Die Forschungen im Rahmen des NapusProjektes - das sind Forschungen an Rapspflanzen und anderen Ölpflanzen - haben zu weltweit beachteten Ergebnissen geführt. Jetzt lässt das BMBF dieses Projekt auslaufen, ohne entsprechende Anschlussprojekte zu finanzieren. Ein zweites Beispiel ist das Pflanzengenomforschungsprojekt GABI, das vom Bundeskanzler persönlich vor Jahren in höchsten Tönen gelobt wurde. Inzwischen haben Sie die Mittel für dieses Projekt auf die Hälfte zusammengestrichen. Das sind konkrete Beispiele für Ihren Versuch, die Gentechnik in Deutschland zurückzufahren und die Forscher um ihre Chancen zu bringen. Lassen Sie mich noch ein drittes Beispiel anführen. Während Sie in der Forschung - wie eben beschrieben den Geldhahn zudrehen, fördern Sie Projekte von Gentechnikgegnern aus Steuermitteln. Das BfN fördert ein Projekt des BUND, der im Internet schreibt: Der beste Weg, Probleme mit der Gentechnik zu vermeiden, ist, die Gentechnik zu vermeiden. Und hier sind gentechnikfreie Regionen die ideale Lösung. So macht sich die Bundesregierung zum willfährigen Werkzeug der Gentechnikgegner. Statt neuer Erkenntnisse fördern Sie die Verhinderer und Blockierer. Das eben ist der falsche Weg; ihn sollten wir in Deutschland nicht beschreiten. ({10}) Das international anerkannte deutsche Saatzuchtunternehmen KWS aus Einbeck hat kürzlich mitgeteilt, dass es bei Mais auf dem internationalen Markt inzwischen 50 Prozent als GV-Saatgut - das heißt gentechnisch verändertes Saatgut - verkauft. Ich frage Sie in diesem Zusammenhang: Wo, meinen Sie, ist dafür die Forschung angesiedelt? Wo, meinen Sie, befinden sich die Felder der Saatgutvermehrer? Wo, meinen Sie, sind die damit zusammenhängenden Arbeitsplätze entstanden? Mit der Einstellung, die Sie gegenüber der Gentechnik in den vergangenen Jahren vertreten haben, vertreiben Sie die vorhandenen Potenziale aus dem Land, statt hier bei uns die bestehenden Möglichkeiten zu entwickeln. Ministerin Künast hat im Übrigen - auch das ist eben schon angesprochen worden - vor dem Bundesrat selbst die Mängel ihres Gentechnikgesetzes schriftlich eingestanden. Sie hat in einer Sechs-Punkte-Erklärung zugesichert, diese Mängel umgehend abstellen zu wollen. Ich frage Sie: Welche Aktivitäten sind bisher erfolgt, die deutlich machen, dass diese sechs Punkte in das Gentechnikrecht eingebracht werden sollen? Frau Künast hat in der Erklärung beispielsweise fest zugesagt, den Erprobungsanbau der Bundesländer aus dem vergangenen Jahr in 2005 unter Führung des BMVEL über ganz Deutschland verteilt fortzusetzen. Doch wo bleiben Ihre Verhandlungen mit den Bundesländern in dieser Sache? Wo ist das Programm? Wo sind die Standorte? Wer übernimmt das begleitende Monitoring? Nichts davon wurde bisher realisiert. Das zeigt, dass Sie an dieser Entwicklung nicht ernsthaft interessiert sind. ({11}) Zusätzlich verzögert die Ministerin auch noch die Zulassung neuen Saatguts, obwohl die Prüfungen beim Bundessortenamt längst positiv abgeschlossen sind und entsprechende Sorten in Spanien und Frankreich seit Jahren kommerziell angebaut werden. Wohin man auch schaut, wird Ihre Verhinderungstaktik deutlich. Im zentralen Punkt der Haftungsregelungen hat Ministerin Künast in ihrer Sechs-Punkte-Erklärung zugesichert, sich für einen Haftungsfonds oder - man höre und staune! - eine Versicherungslösung einzusetzen. Bisher haben wir von Ihnen immer wieder die Auskunft erhalten, eine Versicherungslösung sei nicht möglich. Frau Künast erklärt nun, sie wolle sich bei der Versicherungswirtschaft für eine Versicherungslösung einsetzen. ({12}) Wann beginnen Sie denn mit dem, was Sie angekündigt haben? ({13}) Mein nächstes Beispiel ist bereits angesprochen worden. Hinsichtlich der Zukunftsorientierung wäre es von Vorteil, wenn wir uns ein wenig am Nachbarland Holland ausrichten würden. ({14}) In Holland hat man - das ist ein hervorragendes Beispiel - alle Beteiligten, einschließlich der von Ihnen erwähnten Ökoverbände, an einen Tisch geholt und gemeinsam eine ebenso pragmatische wie einfache Lösung gefunden. Durch pflanzenspezifische Festlegung von Abstandsregeln, zu deren Einhaltung sich die Landwirte verpflichten, hat man ein Problem einvernehmlich gelöst, das Sie hier in Deutschland zu dem bekannten und von Ihnen verabschiedeten Gentechnikverhinderungsgesetz genutzt haben. Ich denke, Lösungen wie die in Holland sind viel zukunftsfähiger. Solche Überlegungen sollten deshalb in einem Änderungsgesetz berücksichtigt werden. ({15}) Das Zweite Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts bietet dafür die beste Gelegenheit. Wie weit Sie sich inzwischen mit Ihrer Einstellung von der Realität entfernt haben, zeigt ein Blick auf das Bundeskabinett. So hat Wirtschaftsminister Clement vor wenigen Wochen öffentlich erhebliche Vorbehalte gegen das neue Gentechnikgesetz geäußert und mit Nachdruck davor gewarnt, in der Grünen Gentechnik den Anschluss zu verlieren. Wörtlich: „Eine Tabuisierung einzelner Technologien können wir uns nicht leisten.“ Anschließend hat er ausdrücklich festgehalten, dass er mit Ministerin Künast in dieser Sache nicht übereinstimme. Der Bundeskanzler selbst, Ihr Regierungschef, hat kürzlich hier in Berlin festgestellt, dass es im deutschen Parlament eine Zurückhaltung bezüglich aller Fragen der Gentechnik und deren Entwicklung gibt. Daraus hat er den Schluss gezogen, dass dies Deutschland auf den Märkten der Welt schwäche sowie Forschung und Entwicklung in Deutschland nicht befördere. Volle Übereinstimmung, Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, es ist nun an Ihnen, den Worten des Bundeskanzler zu folgen und die gesetzlichen Regelungen entsprechend zu ändern; denn das Gentechnikgesetz ist eine Vorlage Ihrer Regierung und deswegen von Ihnen neu zu fassen. Bisher ist der von Ihnen vorgelegte Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnikrechts nicht mehr als ein Placebo. Außer zwei kleinen Verfahrenserleichterungen - Frau Kollegin Drobinski-Weiß, wir, die CDU/CSU, sind übrigens schon vor drei Jahren initiativ geworden und haben diese Erleichterungen vorgeschlagen - ist nichts Positives festzustellen. Wir dürfen nicht länger zusehen, wie deutsche Spitzenforschung an der Ignoranz einer Ministerin und ihrer Getreuen zerbricht. Wir dürfen Deutschland nicht vom Fortschritt abriegeln. Wir müssen dafür sorgen, dass das Zweite Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts so gefasst wird, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern in Europa auf dem wichtigen Feld dieser Zukunftstechnologie wettbewerbsfähig wird. Schönen Dank. ({16})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Das Wort hat die Kollegin Ulrike Höfken, Bündnis 90/ Die Grünen.

Ulrike Höfken-Deipenbrock (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002680, Fraktion: Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Zweiten Gesetz zur Neuordnung des Gentechnikrechts, das als Entwurf vorliegt - dem muss der Bundesrat zustimmen -, werden weitere wichtige EU-Vorgaben umgesetzt: Vorgaben zur Unterrichtung der Öffentlichkeit oder Vorschriften darüber, welche Angaben zur Risikobewertung oder zum Monitoringplan ein Gentechnikbetreiber in seinem Zulassungsantrag machen muss. Ich hoffe, dass die Ergänzungen zum bisher geltenden Gentechnikgesetz schnell verabschiedet werden. Es ist zu betonen, dass das rot-grüne Gentechnikgesetz die Forschung unterstützt und gleichzeitig die Menschen vor gesundheits- oder umweltbezogenen Verstößen schützt, wie sie die Opposition quasi fordert. ({0}) Denn die CDU/CSU verlangt in ihrem Antrag - genauso wie die FDP - von der Bundesregierung, die EU-Kommission zu überreden, dafür zu sorgen, dass Auskreuzungen aus Freisetzungsexperimenten keine Zulassung mehr brauchen und so in den Verkehr gebracht werden können, wohlgemerkt aus Experimenten, also Konstrukte, die sich noch in der wissenschaftlichen Entwicklung befinden. Man stelle sich einmal Folgendes vor: Eine Forschungsanstalt betreibt einen Versuchsacker mit Pharmapflanzen und einige Gene wandern quasi auf das Nachbarfeld. Die CDU/CSU möchte nun das, was dort gefunden wird, in die Babynahrung oder auf den Teller bringen. Das ist doch unglaublich. Seit Jahren gibt es EU-Gesetze, die genau das nicht zulassen. Das heißt, Sie verlangen von der Ministerin einen regelrechten Verstoß gegen geltendes Recht und gegen den gesunden Menschenverstand. Gott sei Dank würde die Ministerin so etwas niemals unterstützen, genauso wenig wie wir. ({1}) Diese absurde Forderung wurde aber auch von verschiedenen Forschungsgesellschaften vorgebracht. Wir sind daher - ich denke, das betrifft nicht nur uns Grüne, sondern auch die SPD-Fraktion - in langen Gesprächen zum Beispiel mit Professor Winnacker jeden einzelnen Paragraphen durchgegangen und haben sämtliche Vorwürfe der angeblichen Forschungsfeindlichkeit im Gentechnikgesetz widerlegt. Wenn diese Forderung nun wiederholt wird, muss es sich um eine tendenziöse Beratungsresistenz handeln. Das hat mit dem Gesetz überhaupt nichts zu tun. Keine Regelung im neuen Gentechnikgesetz behindert ein mit der üblichen Sorgfalt geplantes Forschungsvorhaben. Im Gegenteil: Der heute vorliegende Gesetzentwurf sieht sogar Erleichterungen im Forschungsbereich vor, und zwar für die Forschung im geschlossenen System, die wir im Übrigen klar unterstützen. Wenn bei Freilandversuchen die schon seit mehreren Jahren nach geltendem Recht vorgeschriebenen Sicherheitsauflagen eingehalten werden, können Auskreuzungen auf benachbarte landwirtschaftlich genutzte Felder vermieden werden. Die Wirtschaft hat immer gesagt, dass sie diese Auflagen einhalten könne. Ein Haftungsfall würde also gar nicht eintreten. Aber selbstverständlich kann Forschungsfreiheit nicht bedeuten, dass Wissenschaftler die Freiheit haben, das Eigentum oder die Gesundheit anderer zu beschädigen. Die Haftungsregelungen in der bisher erfolgten Gesetzgebung sind daher keine unbillige Verschärfung anlässlich der Gentechnikgesetzgebung. Der verschuldensunabhängige Ansatz ist bereits im Nachbarschaftsrecht verankert. Es handelt sich um nichts anderes als die Anwendung des Verursacherprinzips und des Prinzips, dass jemand, wenn ihm durch die Tätigkeit eines anderen ein Schaden zugefügt wird, zu entschädigen ist. Wenn Sie wollen, dass die große Mehrheit der Bauern hier vom geltendem Recht ausgeschlossen wird, dann sollten Sie das auch ganz deutlich sagen. Die bisherigen Erfahrungen widersprechen im Übrigen all dem, was Herr Heiderich hier vollmundig vorgetragen hat. Es wird der Eindruck erweckt, im weltweiten Agrogentechnikgeschäft gebe es nur eine kleine uneinsichtige Minderheit, die gegen den Durchmarsch der Gentechnik in diesem Bereich eintritt, ({2}) was vollkommener Unsinn ist. Rund 85 Prozent der Anbaufläche liegt in zwei Ländern und ein einziges US-amerikanisches Unternehmen, nämlich Monsanto, verfügt über mehr als 90 Prozent Marktanteil an den kommerziell angebauten gentechnisch veränderten Sorten. Das heißt umgekehrt, dass auf über 95 Prozent der Anbaufläche keine gentechnisch veränderten Pflanzen wachsen. Was aber weltweit ansteigt, ist der Widerstand gegen diese Technik und damit gegen die Großkonzerne, die sich aggressiv über die Interessen der Landwirte und Verbraucher hinwegsetzen wollen. Denn die Erfahrungen in der landwirtschaftlichen Praxis in den USA, aber genauso in Argentinien - damit komme ich auf die neuen Studien, Herr Heiderich; das werde ich Ihnen nicht ersparen - belegen, dass sich die Versprechungen in Bezug auf weniger Umweltgifte und höhere Erträge nicht realisiert haben. Nach zahlreichen Studien in den USA mussten bei GVO-Mais und GVO-Raps nicht etwa weniger Pestizide, sondern im schlechtesten Fall mehr Pestizide eingesetzt werden als bei konventionellen Sorten. ({3}) Höhere Erträge konnten langfristig im Schnitt mit keiner der beschriebenen und von Ihnen immer angeführten gentechnisch veränderten Pflanzen erreicht werden, und das, obwohl dieses Saatgut deutlich teurer ist. Obendrein hat Monsanto wegen Patentverletzungen mehr als 90 Klagen gegen Landwirte und kleine Wirtschaftsunternehmen erhoben. ({4}) - Ich lasse keine Zwischenfragen zu. Sonst bekommt Herr Schmidt eine Krise. Monsanto macht sich im Übrigen auch bei der Wirtschaft nicht beliebt. Investmentgruppen warnen schon, Monsanto sei an der Börse zu hoch notiert. Die Begründung lautet, man betreibe eine Marktstrategie gegen die Interessen der Verbraucher und mögliche Regressforderungen durch ungewollte Ereignisse gefährdeten das Unternehmen. In Argentinien - um auch darauf zu sprechen zu kommen - ist der Einsatz von Totalherbiziden massiv angestiegen. Dasselbe gilt für den Einsatz von Stickstoffdünger. Probleme gibt es auch im sozialen Bereich. Der „WWF-Bericht“ stellt fest: Die Kombination aus ökonomischen Krisen und der Vertreibung von kleinen Bauern und Landarbeitern durch die zunehmende Mechanisierung des Sojaanbaus führte zu einem Verlust an Nahrungssouveränität und erhöhte Armut und Hunger. Das sei noch als Reaktion auf Ihre Dauerbotschaft, mit Gentechnik könne man den Hunger beseitigen, gesagt. Ich komme zum Schluss. Wer wie die CDU, die CSU und die FDP die weiträumige Verunreinigung von Flächen und Lebensmitteln durch gentechnisch veränderte Pflanzen aktiv betreiben will ({5}) und den angemessenen Schutz, den wir verankern wollen, hintertreibt, ({6}) der handelt nicht nur gegen die Interessen der Verbraucher, ({7}) sondern behindert auch massiv die Wahlfreiheit. Das nenne ich nach wie vor Freiheitsberaubung. ({8})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Christel Happach-Kasan, FDP-Fraktion.

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Höfken, ich glaube, Sie blenden die Wirklichkeit aus. ({0}) Wer Pollenflug als Verunreinigung bezeichnet, der weiß nicht, was Natur ist. Wir, die FDP, lehnen diesen Gesetzentwurf ab. Wir werden uns im Vermittlungsausschuss für eine grundlegende Änderung dieses Gesetzes wie auch des Ersten Gentechnikgesetzes einsetzen. Ich will noch hinzufügen: Das Wahlergebnis in Schleswig-Holstein vergrößert unsere Möglichkeiten. Ich bin da sehr zuversichtlich. ({1}) Wir wollen, dass gentechnische Forschung auch in Deutschland weiterhin möglich ist. Wir wollen, dass Professor Jung von der CAU in Kiel nicht der einzige Leibniz-Preisträger bleibt, und wir wollen, dass seine Ergebnisse auch in Deutschland genutzt werden können. Wir wollen, dass auch in Deutschland Landwirte die Möglichkeit erhalten, transgene Sorten zu nutzen, um damit am Züchtungsfortschritt teilzuhaben. Ob sich diese Sorten durchsetzen, entscheidet ihre Qualität, nicht eine rot-grüne Regierung. ({2}) Die Züchtungsmethode „Grüne Gentechnik“ ist - das merkt man ein bisschen - politisch noch immer heiß umstritten; in der Bevölkerung nimmt die Polarisierung jedoch ab. Anders kann man wohl nicht erklären, dass die Bürgerinitiative für ein gentechnikfreies Schleswig-Holstein es nicht geschafft hat, die erforderlichen 20 000 Stimmen zu sammeln. Anders lässt sich wohl auch nicht erklären, dass wir in Deutschland in diesem Jahr erstmals 1 000 Hektar Bt-Mais haben werden. Das bedeutet, dass die gesamte politische Aufregung über dieses Thema ihre Ursache allein in machtpolitischen Erwägungen hat. ({3}) Sie, die Grünen, können es sich nicht leisten, zuzugeben, dass Ihnen Ihr Paradethema, der Kampf gegen die Züchtungsmethode „Grüne Gentechnik“, zwischen den Händen zerrinnt. Die vermeintlichen Argumente, die Sie immer wieder anführen, fallen wie ein Kartenhaus zusammen: Erstens: Ablehnung durch die Bevölkerung. Sie haben es aber nicht geschafft, in Schleswig-Holstein die für eine Volksinitiative erforderlichen 20 000 Stimmen zusammenzubekommen. ({4}) - Die Grünen gewinnen die Wahl mit Sicherheit nicht, mein lieber Kollege. Zweitens: Gesundheit. Selbst Verbraucherschutzministerin Renate Künast sieht keine Anhaltspunkte für Gefährdungen. Drittens: Ökologie. Seit 1987 wird in Deutschland biologische Sicherheitsforschung betrieben. Es gibt keine Ergebnisse, die gegen diese Züchtungsmethode sprechen. Viertens: Entwicklungspolitik. Frau Kollegin Höfken, blenden Sie doch nicht die Ergebnisse aus: In China und Indien ist Bt-Baumwolle ein Erfolgsprogramm. ({5}) Die Beurteilung dieser Ergebnisse durch die FAO besagt ganz klar, dass die Kleinbauern in China und in Indien dadurch einen entscheidenden Fortschritt gemacht haben. ({6}) - Stellen Sie eine Frage oder halten Sie den Mund! ({7}) Fünftens: Pflanzenschutzmitteleinsatz. Über den Erfolg neuer Sorten entscheidet der Geldbeutel: Neue Sorten setzen sich nur durch, wenn sie Vorteile gegenüber älteren Sorten haben. Teure Sorten rentieren sich nur, wenn die Erträge besonders hoch sind bzw. wenn der Pflanzenschutzmitteleinsatz besonders niedrig ist. Es ist eindeutig: Die Anbauflächen werden in jedem Jahr ausgeweitet. Schließlich zu dem schönen Argument von der Macht der Konzerne: Es ist doch völlig absurd, die Macht global wirkender Konzerne über die Ächtung einer Züchtungsmethode begrenzen zu wollen. Wo leben wir denn? Das ist albern.

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Frau Kollegin, es ist nun einmal so, dass die FDP drei Minuten Redezeit hat. Ihre Redezeit ist überschritten. ({0})

Dr. Christel Happach-Kasan (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11003669, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich komme zum letzten Satz. - Gleichwohl setzt RotGrün mit der Vorlage des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnikrechts seinen Weg fort, heimische Betriebe daran zu hindern, die Vorteile gentechnisch veränderter Sorten zu nutzen. Den minimalen Verfahrenserleichterungen stehen an anderer Stelle erhöhte bürokratische Anforderungen gegenüber. Sie sind nicht zu rechtfertigen. Wir lehnen das Gesetz ab. ({0})

Dr. h. c. Susanne Kastner (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001069

Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/4834 und 15/4828 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 23. Februar 2005, 13 Uhr, ein. Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ebenso wie den Besucherinnen und Besuchern auf den Tribünen ein schönes Wochenende. Die Sitzung ist geschlossen.